<<

Das Wassersystem des Klosters Maulbronn Ein Projekt zur Bestandserfassung mit hochaufgelösten Laserscandaten

Die Klosteranlage Maulbronn ist zusammen mit ihrem ins Umland ausgreifen- den Wassersystem aus Teichen und einem Netz von weitverzweigten Gräben seit 1993 UNESCO-Weltkulturerbe. Im Zusammenhang mit der erweiterten Baulanderschließung südlich von Maulbronn und auf Anregung des BUND be- gannen vor 40 Jahren die ersten Nachforschungen und Dokumentationen zum historischen Wassersystem. Sosehr diese zum Teil komplexen Anlagen aus Quellen, Gräben, Kanälen und Teichen die Infrastruktur der Zisterzienserklöster prägten und die ausreichende Wasserversorgung insbesondere zur Blütezeit auch in Maulbronn erst gewährleisteten, werden sie im Erscheinungsbild der Landschaft immer noch zu wenig wahrgenommen. Es ist daher dringend not- wendig, die teils verborgenen und verschütteten Reste der Wassernutzung nä- her ins Bewusstsein zu rücken und für die Zukunft zu erhalten.

Antje Gillich

Ausgangslage und Forschungsstand objektiv den Beschreibungen in den Quellen. In Maulbronn waren die naturräumlichen Voraus- Wasser spielte mit seinen vielen Funktionen eine setzungen dagegen optimal, wie die aktuellen Pro- besonders wichtige Rolle für die Existenz eines Zis- jektuntersuchungen belegen. terzienserklosters. Es wurde im Haushalt zum Ko- Ende der 1980er Jahre wurde mit ersten Doku- chen, Waschen und Putzen sowie zur Körper- mentationen zum Maulbronner Wassersystem pflege genutzt, für liturgische Verrichtungen wie durch Prof. Dr. Wolfgang Seidenspinner vom Lan- rituelle Waschungen oder als Weihwasser und für desdenkmalamt begonnen, deren Ergebnisse mit gewerbliche Zwecke, das heißt zum Antrieb der einer Bestandsaufnahme und Kartierungsskizze Mühlen und anderer Gewerke, zur Versorgung der 1989 zunächst in dieser Zeitschrift (Heft 4/ 1989) zahlreichen Fischteiche, zur Bewässerung der Fel- und 1997 im Jubiläumsband zum 850-jährigen der und Wiesen und Tränkung des Viehs. Nach den Klosterjubiläum veröffentlicht wurden (Abb. 1). Capitula, den frühen Statuten der Zisterzienser aus Seitdem sind einerseits umfassende Untersuchun- der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, war es un- gen im Zusammenhang mit der Klosterlandschaft entbehrliche Voraussetzung für eine Klostergrün- erfolgt, darunter 2002 eine geografische Diplom- dung und wurde an erster Stelle genannt. Dass die arbeit und 2009 eine umfangreiche Kulturland- ersten Gründungsversuche gerade aufgrund von schaftsanalyse durch Dr. Peter Burggraaff und Dr. Problemen mit der Wasserversorgung nicht immer Klaus-Dieter Kleefeld, und andererseits viele ver- erfolgreich waren, zeigt das Beispiel von Ecken- einzelte baubegleitende archäologische Befunde weiher im Jahre 1138, das erst 1147 mit der Ver- der Denkmalpflege zum Wassersystem legung ins etwa 8 km nordwestlich gelegene Salz- dokumentiert worden. Zur Sicherung und künfti- achtal und der Neugründung des Klosters in Maul- gen Erschließung des Welterbes im Rahmen des bronn gelang. In den Schriftquellen werden als periodic reporting der UNESCO erarbeitete das Grund die ungünstigen natürlichen Gegebenhei- Stuttgarter Büro Planstatt Senner 2012 im Auftrag ten des Geländes angeführt: „minus aptum in des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft ver- aquis et pratis“, also explizit die schlechten Was- treten durch das Landesamt für Denkmalpflege ser- und Weideverhältnisse. Der wahre Anlass für eine landschaftsplanerische Gesamtperspektive die Verlegung mag – wie von der historischen For- für die Klosterlandschaft. In dieser Perspektive sind schung vermutet – letztlich auch politischer Art ge- wichtige Starterprojekte benannt, unter anderem wesen sein, doch entsprechen die schlechten die Erforschung des historischen Wassersystems. hydrologischen Verhältnisse des Standortes Ecken- Von 2014 bis 2016 erfolgte deshalb von der Au- weiher mit seinen umliegenden Erhebungen auch torin in einem vom damaligen Ministerium für Fi-

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2017 275 1 Das Wassersystem von nanzen und Wirtschaft geförderten zweijährigen werden. Darüber hinaus wurden gewässerbettdy- Kloster Maulbronn. Projekt die erste komplette und genaue Be- namische Daten zur Ufergestaltung, zu Querbau- standsaufnahme und Analyse des Wassersystems werken, Ausleitungen und Verzweigungen er- außerhalb des Klosters auf der Grundlage aktuel- mittelt sowie das Sohlsubstrat aufgenommen. Ab- ler hoch aufgelöster Laserscandaten. Es sollten schließend wurde neben dem Erhaltungszustand Antworten auf die Fragen gefunden werden, wie auch die Funktion des Grabens im Wassersystem das Wassersystem von Kloster Maulbronn aussah, bewertet und Besonderheiten, wie beispielsweise wie es funktionierte und sich entwickelte und wel- die Überwindung des natürlichen Einzugsgebiets ches Gefährdungspotenzial heute für das Kultur- notiert. denkmal von Weltrang besteht. Diese und weitere Kurz zusammengefasst lässt sich folgendes Bild Fragen standen im Zentrum des Projekts, das mit des Wassersystems entwerfen: Es bestand um seinem Abschluss die Grundlage für ein entspre- etwa 1500 aus 20 hintereinander an der Salzach chendes Schutz- und Pflegekonzept legt. gestaffelten, am Hang und auf der Hochfläche ge- legenen Teichen und einem damit verbundenen Bestandsaufnahme und Entdeckung Netz von insgesamt 110 km Sammel- und Trans- einer Sohlschwelle portgräben (Abb. 3). Der Kern des Systems wird sich möglicherweise in den ersten Jahrhunderten Voraussetzung für ein detailliertes Schutz- und der Klosterentwicklung auf die Teiche im Salzach- Pflegekonzept ist die genaue Kenntnis und Kar- tal beschränkt haben, denn ein See bei , tierung des gesamten Wassersystems von Maul- der Steigersee, ist nach Karl Klunzinger nachweis- bronn. Auf Grundlage der bisherigen Forschungen lich erst 1531 vom Kloster angekauft worden. Die und aktueller, hoch aufgelöster Laserscandaten auch über die Gemarkung hinausgehenden Grä- vom Kloster und seiner Umgebung erfolgte in ei- ben sammelten zusätzlich Oberflächenwasser, da nem ersten Schritt eine komplette und lagegenaue das Wasseraufkommen der Salzach und der vor- Bestandsaufnahme (Abb. 2). Mithilfe eines dafür handenen natürlichen Wasserläufe und Quellen erarbeiteten Gewässerbogens, wie er ganz ähnlich für das wachsende Kloster nicht mehr ausreichte. bei der Biotopkartierung im Naturschutz verwen- Oft, aber nicht immer, handelte es sich um eine det wird, sollten neben allgemeinen Daten zu den Kombination aus ursprünglich natürlichen Bach- verschiedenen Grabensystemen, zu Lage, Ur- läufen mit künstlichen Gräben. Einerseits zur Ver- sprung und Mündung, Wasserführung, Gefälle größerung des Einzugsgebiets und andererseits usw. auch gewässermorphologische Informatio- zum gezielten Transport des Oberflächen- oder nen wie Breite, Tiefe und Böschungsform erfasst Quellwassers zu einem Teich, zur Salzach und ih-

276 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2017 ren umliegenden Wiesen oder zum Kloster. In 2 Bestandsaufnahme des einem Fall, beim Hohenackersee, ist dieser als Was- Wassersystems auf Grund- serreservoir Ausgangspunkt eines unterhalb gele- lage der Laserscans. genen natürlichen Bachlaufes, dessen Einzugsge- biet durch künstlich angelegte Gräben noch er- 3 Sammel- (hellblau) und Transportgräben weitert wurde. Eine weitere Besonderheit ist der (dunkelblau) sowie Was- Hamberggraben an der östlichen Gemarkungs- sereinzugsgebiete (gelb). grenze, der als einziger Grabenast unverzweigt war und temporär große Mengen Wasser sam- melte, wie im Frühling 2016 mit den großen Was- serlachen in seinem Verlauf dokumentiert werden konnte. Dieser wichtige Ast der Roßweiherversor- gung wurde 1973 durch den Bau einer Deponie- anlage auf einer Länge von etwa 900 m unter- brochen. Für das Wassersystem wurden fast ausschließlich einfache Erdgräben aus Lehm und Ton ausgeho- ben. Einzige Ausnahme ist der unterirdische Sohl- verbau zwischen Roßweiher und Seidehof von etwa 240 m Länge, der in der Flurkarte von 1835 noch in Teilen offen verlief und damals nur über den mittleren beackerten Teil von etwa 140 m ver- dolt war. Dieser unterirdische Sandsteinkanal ist in für notwendigen Kenntnisse ablegt. Unterhalb des den letzten Jahren mehrfach eingebrochen und ehemaligen Elfinger Sees liegt das Gewann Fisch- notdürftig repariert worden. Eine Kanalbefahrung gruben, das mit diesem Namen bereits auf Abfisch- beim Seidehof im Dezember 2015 erbrachte erste beziehungsweise Überwinterungsbecken hindeu- Bilder zum Aufbau mit lichtem Maß von etwa tet. Am Unterhang eines Grabens, der im Wald am 40 cm und der Abdeckung durch große Sand- Aschberg entspringt, wurde quer zum Graben auf steinplatten. Mit einer Forschergruppe der Uni - einer Länge von mindestens 3,70 m eine Kon- versität Heidelberg unter Leitung von Prof. Dr. Tho- struktion angelegt, die aus einer doppelten Sand- mas Meier werden mithilfe geophysikalischer Mes- steinreihe bestand (Abb. 4). Die Steine waren sorg- sungen derzeit Größe und Verlauf näher unter- fältig behauen und die Zwischenräume mit Mörtel sucht. verstrichen. Da in dieser Senke direkt an einem Alt- Während der Grabenanalysen wurde ein weiteres weg zum Elfinger Hof ein Gebäude in historischer bisher unbekanntes Relikt des Wassersystems süd- oder moderner Zeit ausgeschlossen werden kann, lich am Elfinger Hof entdeckt und freigelegt, das muss eine andere Deutung gesucht werden. Auf- Zeugnis für das weitreichende und komplexe Gra- schluss über die Funktion dieses Querbauwerkes ben- und Teichsystem in früherer Zeit und die da- gab schließlich die Fachliteratur zur Teich- und

4 Sohlschwelle unterhalb des ehemaligen Elfinger Sees von Norden.

277 Fischwirtschaft, wonach das Betreiben von Win- einschätzen zu können. Unterstützt wurden die terteichen hohe Anforderungen an die Qualität Untersuchungen durch den Bodenkundler Dr. Wer- des Zulaufwassers stellt. Das heißt, es ist ein aus- ner Weinzierl vom Landesamt für Geologie, Berg- reichender Sauerstoffgehalt des Wassers mit we- bau und Rohstoffe in Freiburg, der die hydrogeo- nig sauerstoffzehrenden Stoffen notwendig, weil logischen Untergrundverhältnisse um Maulbronn nach dem Zufrieren der Sauerstoffeintrag unter- durch frühere Gleisbauuntersuchungen sehr gut bunden ist. Um neben den Teichen auch für die zu- kennt. gehörigen kleinen Becken eine saubere, sauer- Im Juli 2015 wurden die sechs etwa 5 m langen stoffreiche Frischwasserzufuhr zu gewährleisten, und 1 bis 2 m tiefen Baggerschnitte angelegt und wurde hier am Elfinger See offensichtlich der Bau die Profile dokumentiert (Abb. 5). Im Ergebnis wa- einer so genannten Sohlschwelle notwendig. Sie ren die Bodenverhältnisse um Maulbronn optimal verringerte die Strömungsgeschwindigkeit und da- für die Anlage einfacher Erdgräben, die nur so tief mit Tiefenerosion im Graben, der bei kräftigen Re- gegraben wurden, bis man das nötige Gefälle er- genfällen sicher sehr angefüllt war. Dadurch wurde reichte und auf die wasserstauenden tonigen einerseits das Einschwemmen von Sedimenten in Schichten stieß. Entsprechend der punktuellen Ein- die Fischgruben verhindert und gleichzeitig die An- bindung in das Grabensystem, dem Gefälle und reicherung des Wassers mit Sauerstoff ermöglicht. Vorhandensein natürlicher Quellen und Abfluss- rinnen sowie ihrer konkreten Funktion unterschei- Archäologie an den Wassergräben den sie sich aber deutlich in Form und Größe. Das Spektrum reicht von zum Teil tief eingeschnittenen Ergänzt werden die Ergebnisse der Gewässerana- natürlichen v-förmigen Kerbtälchen an steileren lyse durch sechs geoarchäologische Profilschnitte Hängen über künstliche, wenige Zentimeter ge- an den Hauptgräben sowie an zwei kleinen Stich- grabene, teilweise kurze Stichgräben bis hin zu gräben. Bisher war unbekannt, inwieweit die Grä- breiten muldenförmigen und abschnittsweise ge- ben in ihren ursprünglichen Ausmaßen und For- streckten Transportgräben in meist flachem Ge- men noch im Boden erhalten sind, wie sie ange- lände. In Ausnahmefällen wurden erhebliche Ge- legt wurden und ob sie Unterschiede im Bau ländeerhöhungen und die Rhein-Neckar-Wasser- aufweisen. Die im Maulbronner Tal vorhandenen scheide überwunden und Gräben sogar bis zu 6 m wasserstauenden Lehm- und Tonböden über den Tiefe wie beim Verbindungsgraben im Schefen- Gesteinen des Mittleren Keuper boten, wie schon ackerwald angelegt (Abb. 6), um das Wasser ge- erwähnt, ideale Voraussetzungen für die Anlage zielt an den gewünschten Ort zu transportieren. von Teichen und einfachen Erdgräben. Im Vorfeld der archäologischen Untersuchungen führten Dr. Aus Schriftquellen und Altkarten Ralf Hesse und die Autorin an zwei Tagen an ver- schiedenen Stellen Probebohrungen durch, um die Neben den archäologischen Untersuchungen wur- Erhaltungsbedingungen und Bodenverhältnisse den die wichtigsten historischen Archivbestände zum Maulbronner Wassersystem im Hauptstaats- archiv Stuttgart und im Staatsarchiv Ludwigsburg gesichtet sowie Altkarten ausgewertet. Leider ist bis heute kaum etwas über das Archiv des mittelalterlichen Klosters bekannt, obwohl bis zu seiner Auflösung im Zuge der Reformation sowohl Bibliothek als auch Archiv dort vorhanden gewe- sen sein müssen. Der Hauptteil der Maulbronner Archivbestände be- findet sich in Stuttgart und ist nahezu vollständig über Findbücher mit Kopfregesten im Internet ein- sehbar, das Württembergische Urkundenbuch bis 1300 ist komplett abrufbar. Daher konnten in ei- nem ersten Schritt sehr effektiv die wichtigsten Ur- kunden und Sachakten nach Aussagen zum Was- serbewirtschaftungssystem von Maulbronn durch- gesehen werden (Bestand von 1147– 1806 im Findbuch A 502 zum Kloster und A 502 L zum Klos- teramt). Dazu gehörten Lagerbücher mit Be- 5 Profil des Transport- standsverzeichnissen des Klosters. Das älteste grabens im Graubrunnen- noch erhaltene von 1489 erbrachte keine Hin- wald von Südwesten. weise zum Wassersystem. Der zweite Band enthält

278 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2017 die so genannte Maulbronner Seeordnung von 1561, die nach der württembergischen Eroberung und Reformation des Klosters verfasst wurde. Das nach der Reformation zum Klosteramt umgestal- tete Kloster wurde in kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten fest in die württembergische Ver- waltung eingebunden, wobei die Seen als Was- serreservoire und Energiequellen sowie als Fisch- teiche und wichtige wirtschaftliche Einnahme- quelle wieder reaktiviert wurden. Die Seeordnung stellt als älteste komplette Bestandsaufnahme der 20 Teiche mit der Auflistung ihrer Namen, Größe, Funktion, Fischbesatz und Erhaltungszustand ei- nen großen wissenschaftlichen Wert dar. Die Teiche waren demnach in schlechtem bauli- chem Zustand und mussten instand gesetzt wer- den, bevor man die Zucht von Karpfen und Hech- ten wieder aufnehmen konnte. Sie sollten stän- dig von Frischwasser durchflossen werden, wobei die Gräben im Wald offen gehalten werden muss- ten. Erstmals wird hier auch die Wiesenwässerung (vgl. auch Artikel von Manfred Rösch/ Elske Fischer/ 6 6 m tiefer Verbindungs- im Elfinger Tal erwähnt, die zu getrennten Zeiten Birgit Kury: Die Maulbronner Klosterweiher. Spie- graben im Schefenacker- der Teichversorgung stattfinden sollte. In einem gel von vier Jahrtausenden Kulturlandschaftsge- wald von Süden. weiteren Lagerbuch von 1575 wird neben den schichte, S. 282), möglicherweise im Kern auch zahlreichen Klosterteichen auch erstmals das kom- noch weiter zurück bis in die Anfangszeit der Klos- plexe System der mit ihnen verbundenen Wasser- tergründung Mitte des 12. Jahrhunderts. Ein wei- gräben konkreter erwähnt, das sich bis auf die teres Indiz gibt Rückschlüsse auf die Datierung zu- Nachbargemarkungen erstreckte. mindest eines Teiches in die Klosterzeit. Der Name Auch wenn in den vorhandenen schriftlichen Quel- des ehemaligen Abt-Gerhard-Sees taucht in den len nicht genau nachzuvollziehen ist, wie und frühesten Lagerbüchern im 16. Jahrhundert schon wann das Wassersystem entstanden ist, wird es als in dieser Form auf und wird mit Abt Gerung (auch ein bestehendes komplexes System beschrieben. Gerhard, Gering oder Göhrung) von Wildberg in Es geht ganz sicher ins Mittelalter zurück, das be- Verbindung gebracht, der 1428 bis 1430 sein Amt legen auch aktuelle Radiokarbondatierungen aus in Maulbronn ausübte und offensichtlich diesen dem Tiefen See vom Beginn des 15. Jahrhunderts See anlegen ließ.

7 Älteste Darstellung der Maulbronner Seen in der Karte von Georg Gadner aus dem Jahr 1585/87.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2017 279 8 Landwirtschaftliche Dass das Wassersystem in späteren Jahrhunderten und bei der Trockenlegung von Seen im 19. Jahr- Pflugschäden am Graben ausgebaut und weiterentwickelt wurde, wird an- hundert über die Anlage von Waldwirtschafts- südlich des Allmendwal- hand der historischen Karten deutlich. Die älteste, wegen, die Errichtung von Sportplätzen, Bau- und des, Blick nach Osten. allerdings noch sehr schematische Darstellung Gewerbegebieten bis hin zu Hochwasserschutz- dreier aneinandergereihter Seen unterhalb des maßnahmen Ende des 20. und zu Beginn des Klosters findet man auf der Karte des Stromberger 21. Jahrhunderts. Für das Grabensystem zum Roß- Forstes, der so genannten Chorographia Ducatus weiher wurde in den 1990er Jahren ein Verlust von Wirtembergici von Georg Gadner aus dem Jahre 43 Prozent des Einzugsgebietes allein in dieser letz- 1585/87 (Abb. 7). Weitaus detaillierter und ge- ten, sehr intensiven Eingriffsphase errechnet. Da- nauer sind die Seen schon etwa 100 Jahre später raus wird ersichtlich, wie wichtig es ist, den Schutz- in der ersten Forstkarte von Andreas Kieser und gegenstand zunächst einmal detailliert zu kennen, in den Gemarkungskarten der darauffolgenden um die Maßnahmen und Eingriffe in das Wasser- Jahrhunderte abgebildet. system mit all seinen Elementen einerseits besser Vier der historischen Seen sind heute noch erhal- einschätzen und andererseits mit den Eigentümern ten beziehungsweise als Dämme im Gelände oder und Nutzern langfristig vorausplanen zu können. in Flurnamen erkennbar, während die meisten im So gelang beispielsweise im Schefenackerwald bei 19. Jahrhundert trockengelegt und als landwirt- der im Flächennutzungsplan von 1987 ausgewie- schaftliche Flächen umgenutzt wurden. senen geplanten Erweiterung des Wohngebietes in Zusammenarbeit mit dem Naturschutz der Er- Denkmalpflegerische Perspektive halt von Waldflächen mitsamt dem darin liegen- den Ausschnitt des Grabensystems. Beim Abt-Ger- In der alltäglichen Denkmalpraxis sind Gespräche hard-See konnte durch Verhandlungen mit der mit den Eigentümern und Nutzern beim Schutz Kommune die Ausdehnung des Gewerbegebiets des Wassersystems mit all seinen Elementen not- nach Westen über den ehemaligen Damm hinaus wendig. Obwohl die Wassergräben und Kloster- verhindert werden. Jedoch bei der Süderweiterung seen zusammengenommen nur einen relativ ge- des Gewerbegebiets ging im Jahr 2002 trotz der ringen Anteil an der Gemarkungsfläche einneh- Bemühungen durch die Denkmalpflege ein Ast des men, ist das System funktionsbedingt hochgradig Grabensystems verloren, der aber vor der Zerstö- raumwirksam. Das bedeutet, dass fast jeder Ein- rung noch dokumentiert werden konnte. griff in die Fläche zu Denkmalverlusten führen Heutzutage sind die Konfliktpotenziale weitge- kann und bereits geführt hat – angefangen beim hend ausgeräumt, da die erhaltenen Teile des Gra- Bau der mittlerweile selbst in Abschnitten als Kul- bensystems fast ausschließlich im Staatsforst lie- turdenkmal geführten Westbahnstrecke von 1853 gen, was die Tätigkeit der Denkmalpflege aber

280 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2017 nicht erübrigt. Nicht nur in Maulbronn, sondern Auftrag des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft landesweit werden die im Wald gelegenen Denk- vertreten durch das Landesamt für Denkmalpflege im malflächen in einem Datenaustausch mit der Forst- Regierungspräsidium Stuttgart, Stuttgart 2012. verwaltung – als digitales Modul – in die Wald- Peter Burggraaff/ Klaus-Dieter Kleefeld: Kulturland- funktionskarte übernommen und mit dem ent- schaftsanalyse Klosterlandschaft Maulbronn als Bei- sprechenden Schutzstatus gekennzeichnet. trag zum Landschafts- und Flächennutzungsplan der Mit dem Abschlussbericht des Projekts sind nun VG Maulbronn-. Gutachten im Auftrag die genaue Lage und der noch vorhandene Be- des Landesamts für Denkmalpflege, Regierungsprä- stand des Wassersystems Maulbronn erfasst. Dar- sidium Stuttgart und Referat 25 – Denkmalpflege, Re- über hinaus sind auch Zustands- und Schadens- gierungspräsidium Karlsruhe und der Stadt Maul- bilder in den Projektbericht eingeflossen (Abb. 8; bronn, Köln u. Kelberg 2009. 9). In einem nächsten Schritt soll auf Grundlage Christa Balharek: Die Maulbronner Seeordnung 1561, der bisher gesammelten Daten ein Erhaltungs- und in: Museums- und Geschichtsverein Bretten (Hg.): Entwicklungskonzept unter Beteiligung der be- Brettener Jahrbuch für Kultur- und Geschichte NF 1, troffenen Akteure vor Ort und in den Behörden 1999, S. 13–25. erarbeitet werden. Dieter Müller: Der Roßweiherast des Maulbronner Ka- Neben der Forschung und Pflege ist mit dem Welt- nalsystems, in: Landesdenkmalamt Baden-Württem- erbe-Titel zusätzlich noch die Verpflichtung zur berg (Hg.): Maulbronn – zur 850-jährigen Geschichte Vermittlung in der Öffentlichkeit verbunden. An- des Zisterzienserklosters. Forschungen und Berichte stöße zur Umsetzung dazu kamen vor allem vom der Bau- und Kunstdenkmalpflege in Baden-Würt- Forst und Naturschutz, die durch die Denkmal- temberg 7, Stuttgart 1997, S. 555– 574. pflege begleitet werden. So wurde 2014 und 2016 Wolfgang Seidenspinner: Kloster und Landschaft – unter Federführung des Revierförsters Ulrich Klotz Zum Problem einer Morphologie der Kulturlandschaft und des Forstamts im Rahmen interna- aus denkmalpflegerischer Perspektive am Beispiel der tionaler Jugendworkcamps ein größerer Graben- historischen Funktionseinheit Kloster Maulbronn, in: abschnitt im Graubrunnenwald wiederholt ge- Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Hg.): Maul- säubert, neue Laubrechen an den Durchlässen ein- bronn – zur 850-jährigen Geschichte des Zisterzien- gesetzt und schließlich eine Informationstafel über serklosters. Forschungen und Berichte der Bau- und das Gewässersystem in Zusammenarbeit mit dem Kunstdenkmalpflege in Baden-Württemberg 7, Stutt- Projekt erarbeitet. Darüber hinaus beteiligt sich die gart 1997, S. 555– 574. Autorin am jährlichen Sonderführungsprogramm Karl Klunzinger: Urkundliche Geschichte der vorma- in Maulbronn, das auf großes regionales und über- ligen Cisterzienser-Abtei Maulbronn, Stuttgart 1854 regionales Interesse stößt. . Literatur und Quellen Dr. Antje Gillich Planstatt Senner: Landschaftsplanerische Gesamtper- Lindenplatz 8 spektive Klosterlandschaft Maulbronn. Gutachten im 76185 Karlsruhe

9 Forstliche Rückeschä- den am Grabensystem im Schefenackerwald, Blick nach Süden.

281