Das Wassersystem Des Klosters Maulbronn Ein Projekt Zur Bestandserfassung Mit Hochaufgelösten Laserscandaten

Das Wassersystem Des Klosters Maulbronn Ein Projekt Zur Bestandserfassung Mit Hochaufgelösten Laserscandaten

Das Wassersystem des Klosters Maulbronn Ein Projekt zur Bestandserfassung mit hochaufgelösten Laserscandaten Die Klosteranlage Maulbronn ist zusammen mit ihrem ins Umland ausgreifen- den Wassersystem aus Teichen und einem Netz von weitverzweigten Gräben seit 1993 UNESCO-Weltkulturerbe. Im Zusammenhang mit der erweiterten Baulanderschließung südlich von Maulbronn und auf Anregung des BUND be- gannen vor 40 Jahren die ersten Nachforschungen und Dokumentationen zum historischen Wassersystem. Sosehr diese zum Teil komplexen Anlagen aus Quellen, Gräben, Kanälen und Teichen die Infrastruktur der Zisterzienserklöster prägten und die ausreichende Wasserversorgung insbesondere zur Blütezeit auch in Maulbronn erst gewährleisteten, werden sie im Erscheinungsbild der Landschaft immer noch zu wenig wahrgenommen. Es ist daher dringend not- wendig, die teils verborgenen und verschütteten Reste der Wassernutzung nä- her ins Bewusstsein zu rücken und für die Zukunft zu erhalten. Antje Gillich Ausgangslage und Forschungsstand objektiv den Beschreibungen in den Quellen. In Maulbronn waren die naturräumlichen Voraus- Wasser spielte mit seinen vielen Funktionen eine setzungen dagegen optimal, wie die aktuellen Pro- besonders wichtige Rolle für die Existenz eines Zis- jektuntersuchungen belegen. terzienserklosters. Es wurde im Haushalt zum Ko- Ende der 1980er Jahre wurde mit ersten Doku- chen, Waschen und Putzen sowie zur Körper- mentationen zum Maulbronner Wassersystem pflege genutzt, für liturgische Verrichtungen wie durch Prof. Dr. Wolfgang Seidenspinner vom Lan- rituelle Waschungen oder als Weihwasser und für desdenkmalamt begonnen, deren Ergebnisse mit gewerbliche Zwecke, das heißt zum Antrieb der einer Bestandsaufnahme und Kartierungsskizze Mühlen und anderer Gewerke, zur Versorgung der 1989 zunächst in dieser Zeitschrift (Heft 4/ 1989) zahlreichen Fischteiche, zur Bewässerung der Fel- und 1997 im Jubiläumsband zum 850-jährigen der und Wiesen und Tränkung des Viehs. Nach den Klosterjubiläum veröffentlicht wurden (Abb. 1). Capitula, den frühen Statuten der Zisterzienser aus Seitdem sind einerseits umfassende Untersuchun- der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, war es un- gen im Zusammenhang mit der Klosterlandschaft entbehrliche Voraussetzung für eine Klostergrün- erfolgt, darunter 2002 eine geografische Diplom- dung und wurde an erster Stelle genannt. Dass die arbeit und 2009 eine umfangreiche Kulturland- ersten Gründungsversuche gerade aufgrund von schaftsanalyse durch Dr. Peter Burggraaff und Dr. Problemen mit der Wasserversorgung nicht immer Klaus-Dieter Kleefeld, und andererseits viele ver- erfolgreich waren, zeigt das Beispiel von Ecken- einzelte baubegleitende archäologische Befunde weiher im Jahre 1138, das erst 1147 mit der Ver- der Denkmalpflege Karlsruhe zum Wassersystem legung ins etwa 8 km nordwestlich gelegene Salz- dokumentiert worden. Zur Sicherung und künfti- achtal und der Neugründung des Klosters in Maul- gen Erschließung des Welterbes im Rahmen des bronn gelang. In den Schriftquellen werden als periodic reporting der UNESCO erarbeitete das Grund die ungünstigen natürlichen Gegebenhei- Stuttgarter Büro Planstatt Senner 2012 im Auftrag ten des Geländes angeführt: „minus aptum in des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft ver- aquis et pratis“, also explizit die schlechten Was- treten durch das Landesamt für Denkmalpflege ser- und Weideverhältnisse. Der wahre Anlass für eine landschaftsplanerische Gesamtperspektive die Verlegung mag – wie von der historischen For- für die Klosterlandschaft. In dieser Perspektive sind schung vermutet – letztlich auch politischer Art ge- wichtige Starterprojekte benannt, unter anderem wesen sein, doch entsprechen die schlechten die Erforschung des historischen Wassersystems. hydrologischen Verhältnisse des Standortes Ecken- Von 2014 bis 2016 erfolgte deshalb von der Au- weiher mit seinen umliegenden Erhebungen auch torin in einem vom damaligen Ministerium für Fi- Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2017 275 1 Das Wassersystem von nanzen und Wirtschaft geförderten zweijährigen werden. Darüber hinaus wurden gewässerbettdy- Kloster Maulbronn. Projekt die erste komplette und genaue Be- namische Daten zur Ufergestaltung, zu Querbau- standsaufnahme und Analyse des Wassersystems werken, Ausleitungen und Verzweigungen er- außerhalb des Klosters auf der Grundlage aktuel- mittelt sowie das Sohlsubstrat aufgenommen. Ab- ler hoch aufgelöster Laserscandaten. Es sollten schließend wurde neben dem Erhaltungszustand Antworten auf die Fragen gefunden werden, wie auch die Funktion des Grabens im Wassersystem das Wassersystem von Kloster Maulbronn aussah, bewertet und Besonderheiten, wie beispielsweise wie es funktionierte und sich entwickelte und wel- die Überwindung des natürlichen Einzugsgebiets ches Gefährdungspotenzial heute für das Kultur- notiert. denkmal von Weltrang besteht. Diese und weitere Kurz zusammengefasst lässt sich folgendes Bild Fragen standen im Zentrum des Projekts, das mit des Wassersystems entwerfen: Es bestand um seinem Abschluss die Grundlage für ein entspre- etwa 1500 aus 20 hintereinander an der Salzach chendes Schutz- und Pflegekonzept legt. gestaffelten, am Hang und auf der Hochfläche ge- legenen Teichen und einem damit verbundenen Bestandsaufnahme und Entdeckung Netz von insgesamt 110 km Sammel- und Trans- einer Sohlschwelle portgräben (Abb. 3). Der Kern des Systems wird sich möglicherweise in den ersten Jahrhunderten Voraussetzung für ein detailliertes Schutz- und der Klosterentwicklung auf die Teiche im Salzach- Pflegekonzept ist die genaue Kenntnis und Kar- tal beschränkt haben, denn ein See bei Knittlingen, tierung des gesamten Wassersystems von Maul- der Steigersee, ist nach Karl Klunzinger nachweis- bronn. Auf Grundlage der bisherigen Forschungen lich erst 1531 vom Kloster angekauft worden. Die und aktueller, hoch aufgelöster Laserscandaten auch über die Gemarkung hinausgehenden Grä- vom Kloster und seiner Umgebung erfolgte in ei- ben sammelten zusätzlich Oberflächenwasser, da nem ersten Schritt eine komplette und lagegenaue das Wasseraufkommen der Salzach und der vor- Bestandsaufnahme (Abb. 2). Mithilfe eines dafür handenen natürlichen Wasserläufe und Quellen erarbeiteten Gewässerbogens, wie er ganz ähnlich für das wachsende Kloster nicht mehr ausreichte. bei der Biotopkartierung im Naturschutz verwen- Oft, aber nicht immer, handelte es sich um eine det wird, sollten neben allgemeinen Daten zu den Kombination aus ursprünglich natürlichen Bach- verschiedenen Grabensystemen, zu Lage, Ur- läufen mit künstlichen Gräben. Einerseits zur Ver- sprung und Mündung, Wasserführung, Gefälle größerung des Einzugsgebiets und andererseits usw. auch gewässermorphologische Informatio- zum gezielten Transport des Oberflächen- oder nen wie Breite, Tiefe und Böschungsform erfasst Quellwassers zu einem Teich, zur Salzach und ih- 276 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2017 ren umliegenden Wiesen oder zum Kloster. In 2 Bestandsaufnahme des einem Fall, beim Hohenackersee, ist dieser als Was- Wassersystems auf Grund- serreservoir Ausgangspunkt eines unterhalb gele- lage der Laserscans. genen natürlichen Bachlaufes, dessen Einzugsge- biet durch künstlich angelegte Gräben noch er- 3 Sammel- (hellblau) und Transportgräben weitert wurde. Eine weitere Besonderheit ist der (dunkelblau) sowie Was- Hamberggraben an der östlichen Gemarkungs- sereinzugsgebiete (gelb). grenze, der als einziger Grabenast unverzweigt war und temporär große Mengen Wasser sam- melte, wie im Frühling 2016 mit den großen Was- serlachen in seinem Verlauf dokumentiert werden konnte. Dieser wichtige Ast der Roßweiherversor- gung wurde 1973 durch den Bau einer Deponie- anlage auf einer Länge von etwa 900 m unter- brochen. Für das Wassersystem wurden fast ausschließlich einfache Erdgräben aus Lehm und Ton ausgeho- ben. Einzige Ausnahme ist der unterirdische Sohl- verbau zwischen Roßweiher und Seidehof von etwa 240 m Länge, der in der Flurkarte von 1835 noch in Teilen offen verlief und damals nur über den mittleren beackerten Teil von etwa 140 m ver- dolt war. Dieser unterirdische Sandsteinkanal ist in für notwendigen Kenntnisse ablegt. Unterhalb des den letzten Jahren mehrfach eingebrochen und ehemaligen Elfinger Sees liegt das Gewann Fisch- notdürftig repariert worden. Eine Kanalbefahrung gruben, das mit diesem Namen bereits auf Abfisch- beim Seidehof im Dezember 2015 erbrachte erste beziehungsweise Überwinterungsbecken hindeu- Bilder zum Aufbau mit lichtem Maß von etwa tet. Am Unterhang eines Grabens, der im Wald am 40 cm und der Abdeckung durch große Sand- Aschberg entspringt, wurde quer zum Graben auf steinplatten. Mit einer Forschergruppe der Uni - einer Länge von mindestens 3,70 m eine Kon- versität Heidelberg unter Leitung von Prof. Dr. Tho- struktion angelegt, die aus einer doppelten Sand- mas Meier werden mithilfe geophysikalischer Mes- steinreihe bestand (Abb. 4). Die Steine waren sorg- sungen derzeit Größe und Verlauf näher unter- fältig behauen und die Zwischenräume mit Mörtel sucht. verstrichen. Da in dieser Senke direkt an einem Alt- Während der Grabenanalysen wurde ein weiteres weg zum Elfinger Hof ein Gebäude in historischer bisher unbekanntes Relikt des Wassersystems süd- oder moderner Zeit ausgeschlossen werden kann, lich am Elfinger Hof entdeckt und freigelegt, das muss eine andere Deutung gesucht werden. Auf- Zeugnis für das weitreichende und komplexe Gra- schluss über die Funktion dieses Querbauwerkes ben- und Teichsystem in früherer Zeit und die da- gab schließlich die Fachliteratur zur Teich- und 4 Sohlschwelle

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