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lateinamerika anders Nr. 1/2019 Österreichs Zeitschrift für Lateinamerika und die Karibik s bedurfte nur einer Wendestim- zerstören beginnt. Eine Klimakatastrophe hinken. Keiner weiß, wie lange die Ago- mung und einiger skrupelloser ungeahnten Ausmaßes wäre die Folge. nie eines planlosen Regimes sich noch in EWinkelzüge der brasilianischen Deswegen haben wir diese Nummer dem die Länge zieht und ob die wohl unver- Elite: Mit Jair Bolsonaro ist ein Mann in Amazonas gewidmet, den wir in mög- meidliche Machtübernahme der von den den Präsidentenpalast Planalto in Brasilia lichst vielen Facetten von besonders kom- USA gesponserten alten Elite unter fried- eingezogen, der wie kein anderer den lichen Umständen vor sich gehen oder von weltweit spürbaren Rechtsruck und die Blutvergießen und Chaos begleitet sein rückwärtsgewandte „Erneuerung“ Latein - wird. Der einst von Hugo Chávez ausge- amerikas verkörpert. Viehzüchter und E DITORIAL rufene Sozialismus des 21. Jahrhunderts Soja-Produzenten reiben sich die Hände, ist zum Kampfbegriff der Rechten für ein wenn, wie versprochen, der Amazonas- petenten Autorinnen und Autoren darstel- gescheitertes Experiment geworden, des- Urwald für sie in Wert gesetzt und für len ließen: von der indigenen Philosophie sen Abenddämmerung auch durch russi- weitere großflächige Rodungen freigege- über den Sehnsuchtsort Amazonas in un- sche Hilfe nicht aufgehalten werden kann. ben wird. Dass auch maximal fünf Jahre seren Köpfen bis zu harten Fakten über Der Linken ist es nicht gelungen, eine zerstörerischer Politik des Faschisten Bol- Abholzung. Es lohnt sich, jeden einzelnen langfristig tragfähige Alternative zum sonaro vorüber gehen, ist ein geringer Beitrag zu lesen. herrschenden Wirtschaftssystem zu eta- Trost. Denn die Entwaldung im Amazo- Während den Amazonas-Schwerpunkt blieren. Mit den Folgen dieser venezola- nasgebiet nähert sich dem Punkt, an dem eine vorausschauende Perspektive aus- nischen Tragödie werden wir uns voraus- – so die Experten – das Gleichgewicht zeichnet, können wir im Fall der Venezu- sichtlich in der nächsten Ausgabe aus- kippt und der Regenwald sich selbst zu ela-Krise nur den Ereignissen hinterher führlicher befassen. Ralf Leonhard I NHALT THEMA: AMAZONIEN VOR DEM KOLLAPS? Synode in der „Gegenwart des Schreckens“ . 19 Von Wolfgang Schweiger Von indigenen Völkern Amazoniens lernen . 4 Von Clarita Müller-Plantenberg Umweltbewegte und Anti-ImperialistInnen, vereinigt euch!. 20 Sehnsuchtsort Amazonien . 7 Von Tord Björk Von Laurin Blecha 25 Jahre Klimabündnis für Regenwald und Klima . 22 Multipler Angriff auf die Regenwälder . 8 Von Johann Kandler Von Jürgen Kreuzroither Brasilien: Bolsonaros Angriff auf die Umwelt. 10 AKTUELLES & ANALYSE Von Nicholas Cunningham Venezuela in der Zerreißprobe . 23 Wissenschaftler warnen vor einer Von Leo Gabriel „Bolsokalypse“ im Amazonas . 12 Internationale Erklärung . 25 Von Claudio Angelo Kuba: „Bewegung zum Sozialismus?“ . 26 Von Robert Lessmann Peru: Kampf gegen Holzmafia torpediert . 13 Mexiko: Die Zapatistas nach 25 Jahren . 28 Von Jürgen Kreuzroither Von Raina Zimmering El Salvador: Präsident ohne Programm . 29 Drogenproduktion und Drogenbekämpfung: Von Ralf Leonhard ein Ökodesaster . 14 Guatemala: Todesstoß für Guatemalas Demokratie? . 30 Von Robert Lessmann Von Hermann Klosius Kolumbien: Friedensdialog mit ELN-Guerilla am Ende . 31 „Keine Vormundschaftspolitik mehr!“ Brasilien: „Mariana nunca mais“. 32 Offener Brief indigener Völker an Bolsonaro . 15 Von Jürgen Kreuzroither Nachruf auf Humberto Ak’abal: Das größte Glück . 33 Guter Rat aus Amazonien: Mit der Welt Von Erich Hackl richtig umgehen! . 16 Von Georg Grünberg Kurznachrichten. 34 Buchbesprechungen: . 36 Stimmen aus Amazonien . 18 Splitter, Termine, Offenlegung . 39 Von Ralf Leonhard 3 Nr. 1/2019 lateinamerika anders AMAZONIEN VOR DEM KOLLAPS? VON INDIGENEN VÖLKERN AMAZONIENS LERNEN Unser Leben wird von Indigenen Völkern geschützt: Durch ihre nachhaltige dieses Konzept in ihren nationalen Ver- Wirtschaftsweise im tropischen Regenwald erhalten sie den Wald und tragen damit fassungen verankert. Zu finden ist es in Ar- gleichzeitig zum Erhalt des globalen Klimas bei. Dieser Schutz gerät zunehmend in tikel 14 und 71 in der ecuadorianischen Verfassung von 2008 und in Artikel 8 der Gefahr und das globale Klima droht zu kippen. bolivianischen Verfassung von 2009. Gemeinschaften von Kautschuk-Zap- Von Clarita Müller-Plantenberg fern oder Paranuss-Sammlern und Fluss - anwohnern sind zum Teil aus verspreng- ie Nachkriegs-Kapitalanlagen se und folglich zum Pflanzenwachstum ten indigenen Völkern erstanden. Sie drangen in die hintersten Winkel führen, wann die Fische auf das über- haben ebenfalls nachhaltige Wirtschafts- Ddes Globus vor, ohne Rücksicht schwemmte Land schwimmen. In der weisen, da ihr Überleben im Wald ja dar- auf Menschenrechte und Biodiversität. Regel kennen sie ihren regional spezifi- auf beruht, dass dieser sich regenerieren Großflächiger Bauxitabbau breitete sich im schen Wirtschaftskalender, bei dem ihnen kann, seine Resilienz aufrecht erhalten Regenwaldgürtel unseres Planeten aus, die Beobachtung der Sternzeichen dazu bleibt. Auch die Nachfahren der entflohe- gigantische Wasserkraftwerke wurden verhilft zu erkennen, wann sie mit welchen nen schwarzen Sklaven, Quilombolas, die großteils für die Verarbeitung des Bauxits Regenfällen, welchem Pflanzenwachstum, gemeinschaftlich in Quilombos – so die zu Aluminium gebaut. Unter dem Wald Fischwanderungen und Laichzeiten rech- brasilianische Bezeichnung – leben und schlummernde Erzvorkommen wurden nen können. So ist ihnen klar, was sie wirtschaften, haben sich an den Wald und gehoben, obwohl der so besonders vielfäl- wann fischen, in selbst angelegten kleinen die Flüsse angepasst. Nach Artikel 68 der tige Wald und seine Wasserspeicherkapa- Waldgärten anbauen oder ernten können Übergangsbestimmungen der brasiliani- zität so auch für breite Zufahrtsstraßen und wann Mangel herrscht. schen Verfassung haben auch Quilombo- geopfert werden musste und Gewässer ver- Ihre ständig forschende Praxis führte las Recht auf Land.1 giftet wurden. Rinderweidewirtschaft folg- sie zu einem umfassenden Wissen über die Allerdings besitzen all diese Gruppen te der Abholzung sowie große Monokul- Vielfalt von Flora und Fauna, welches sie im Unterschied zu den indigenen Völkern turen von Soja, Ölpalmen und schnell an ihre Jugend weitergeben. Aus dem keine entsprechend entwickelte Kosmolo- wachsenden Bäumen zur Verarbeitung zu Wald ihres Territoriums holen sie ihre viel- gie. Dies ist es auch, weshalb die indige- Zellstoff. Das kurzfristige Profitstreben ge- seitige Nahrung, Kleidung, Schmuck, Kos- nen Völker mit einer kosmischen ganz- fällt den Kinder- und Enkelgenerationen metika und Medizin. Aus dem Holz der heitlichen Vision des Lebens auf der stän- dieser Investoren nicht, sie spürten im Hit- Bäume bauen sie ihre Boote, ihre Häuser. digen Suche nach einem Gleichgewicht in- zesommer 2018 die Zunahme von Ex- Territorien sind gemeinsames Eigentum. mitten der Kräfte der Natur als solidarische tremwetterlagen, ahnten die Zunahme an Sie arbeiten in Alters- und Geschlechter- Ökonomien auf einer höheren Stufe zu ver- Ressourcenkonflikten, gesellschaftlicher gruppen. Die Handlungen sind von Rezi- stehen sind. Sie sehen sich und ihr Terri- Entwurzelung sowie Kriegs- und Klima- prozität getragen. Es gibt indigene Wis- torium, für das sie sich verantwortlich krisen und organisierten Klimastreiks wie sende, die sich die Verantwortung für die fühlen, im Zusammenhang mit der sie um- „Friday 4 Future“, inspiriert von der jun- Ausübung, Wahrung und Tradierung des gebenden nationalen Gesellschaft und gen Schwedin Greta Thunberg. Wissens zu Eigen gemacht haben. Sie Wirtschaft, weil sie über ihre Territorien Für Indigene geht es existentiell um das gehen von einer Kosmologie aus, die ein hinaus ständig nach einem solchen Gleich- Recht auf Land, seine stärkere Verteidi- ganzheitliches Verständnis der Natur, ihrer gewicht suchen. gung. Um zu leben geht es um Widerstand Einbettung in übergreifende Zusammen- gegen Verarmung, Vertreibung und Tod hänge voraussetzt. Das Leben in Harmo- Strategien der Gegenwehr auf allen Ebenen mit Bündnispartnern, die nie mit der Natur ist das Ziel, das sie durch Heutige Tieflandvölker haben in der ihre ganzheitliche Sicht der Beziehung größtmögliches Wissen über natürliche Regel keine ausgeprägten hierarchischen zwischen Gesellschaft und Natur teilen. Prozesse und möglichst geringe Auswir- Strukturen. Im Gegenteil, ihre Führer Wie sieht die aus? kungen ihrer Intervention in die natürli- zeichnen sich oft durch ihre dienende chen Kreisläufe zu optimieren trachten. Funktion aus, die darin besteht, besonders Praxis und Wissen der Die Kichwa in Ecuador bezeichnen gut fischen und jagen zu können, großzü- Indigenen dieses auf kosmische Zusammenhänge in gig zu sein und gut zu kommunizieren. In ihren Territorien passen sich die Zeit und Raum ausgerichtete ganzheitliche Eine Selbstverwaltung der Territorien im nachhaltigen Produzenten in Raum und Konzept, das gleichzeitig die Wertschät- Rahmen der nationalen Gesellschaft be- Zeit an. Indigene Völker unterscheiden die zung des gemeinschaftlichen Raums und deutet eine relative Autonomie, die ihnen Flächen nach den unterschiedlichen der auf Gegenseitigkeit beruhenden Be- mit der Konvention 169 der Internationa- Böden, nach Wäldern, die in der Regenzeit ziehungen enthält, als sumak kawsay. Es len Arbeitsorganisation für indigene Völ- vom steigenden Fluss überschwemmt und ist im überlieferten Wissen und