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MainSeite 42.24 ENGADINER ALPEN 4'225 Wörter, 28'105 Zeichen Engadiner Alpen (Kt. Graubünden, Bez. Albula, Bernina, Hinterrhein, Inn, Maloja, Münsterthal und Ober Landquart). Als Engadiner Alpen werden die das Engadin einschliessenden Gebirgsmassen bezeichnet. Durch dieses Thal und dessen Rückverlängerung, das Bergell, zerfallen sie natürlicherweise in die Nord- und Südengadineralpen, die beide von SW.-NO. streichen. Die Nordengadiner Alpen erfüllen den Raum zwischen dem Bergell und Engadin, bezw. Innthal bis Landeck im SO., dem Paznauner- und obern Montafonerthal bis St. Gallenkirch im NO., dem Schlappinerjoch, Klosters, Wolfgangpass, Davoser- und Albulathal bis Thusis im NW. u. der Splügenlinie von Thusis bis Chiavenna im SW.; die Südengadiner Alpen dagegen umfassen den Raum zwischen dem Bergell und Engadin im NW., dem Pass über mehrEngadiner Alpen, vom Schafberg aus. die Reschenscheideck von Finstermünz bis Glurns im NO., dem Stilfserjoch und Veltlin im SO. und S. und dem untern Maïrathal bis Chiavenna im SW. Die Nordengadiner Alpen teilt man durch den Flüelapass (2388 m; Süs-Davos) oder durch den etwas nordöstlicher gelegenen und einfacher verlaufenden Flesspass (2452 m; Süs-Klosters) in die sw. Albulagruppe und die nö. Silvrettagruppe, die Südengadiner Alpen durch den Berninapass (2334 m; Samaden-Tirano) in die Berninagruppe im SW. und die Ofenpassgruppe im NO. Darnach erhält man also folgende Uebersicht der Engadiner Alpen: A. Nordengadiner Alpen: 1. Albulagruppe; 2. Silvrettagruppe. B. Südengadiner Alpen: 1. Berninagruppe; 2. Ofenpassgruppe. Von diesen vier Gruppen ist die Berninagruppe als die höchste und gletscherreichste des Kantons Graubünden bereits in einem besondern Artikel behandelt (siehe Band I, Seite 232-236); Ofenpassgruppe und Silvrettagruppe werden an ihrer alphabetisch bestimmten Stelle besprochen werden, so dass also hier nur noch die bis jetzt nicht ausführlich erwähnte Albulagruppe zu besprechen übrig bleibt. Die Albulagruppe stellt sich als mächtiger Gebirgswall dar, dessen Kammlinie in geringer Entfernung vom Bergell und Engadin vom Piz Stella im SW. zum Flüela Weisshorn im NO. zieht und der mit steilen Wänden zu den genannten Thälern abfällt, während die entgegengesetzte Abdachung, durch zahlreiche Thäler vielfach gegliedert, allmähliger sich gegen das Davoser-, Albula- und Hinterrheinthal senkt. Die steile SO.-Abdachung ist wenig gegliedert, nur kleine Thäler schneiden in dieselbe ein, so dass blos kurze Seitenrippen sich bilden. Nur das Val Bever, das Val Sulsanna und das Val Susasca greifen etwas tiefer in den Gebirgskörper ein und bewirken an ihren Hintergehängen ein Ausbiegen des wasserscheidenden Kammes, der sonst sich immer ganz nahe ans Bergell und Engadin hält. Dagegen weist die NW.-Seite eine Reihe langer und ständig bewohnter Thäler auf: Avers mit seinen Seitenthälern (Val Bregalga, Madriserthal und Val di Lei), das Oberhalbstein, das Albulathal von Filisur an aufwärts und die Seitenthäler von Davos (das Sertig-, Dischma- und Flüelathal). Der Abstand von Tiefenkastel bis zum Septimer- und Julierpass beträgt z. B. je etwa 30 km, von da hinab ins Bergell und Engadin aber nur 5 km. Aehnliche Verhältnisse finden wir im Averser- und Albulathal. Erst gegen das nö. Ende werden die Differenzen zwischen den beiden Abdachungen weniger gross. Die ganze breite NW.-Seite entwässert sich zum Rhein, während die schmale SO.-Seite ihre kurzen Bäche teils durch den Inn zur Donau, teils durch die Maïra zum Po schickt. Die drei Flussgebiete berühren sich am Piz Lunghino, zwischen Maloja und Septimer, einem zwar nicht sehr hohen, aber aussichtsreichen Gipfel, der einen bemerkenswerten hydrographischen Knotenpunkt darstellt, an dem die Gewässer nach drei Stromgebieten und drei Meeren sich scheiden. Für die Gliederung der Albulagruppe kommt zunächst das Oberhalbstein mit dem Septimer in Betracht, durch welche fast genau von N. nach S. verlaufende Thal- und Passlinie unser Gebiet in einen sw. und einen nö. Teil zerfällt. Der erstere umschliesst hauptsächlich das Averserthal und kann darum als Aversergruppe bezeichnet werden. In eigentümlich gewundener Linie zieht diese von den Surettahörnern bei Splügen zuerst annähernd s. zum Piz Stella (3129 m), dann ö. bis an den Septimer, dann in einem Bogen nw. über den Piz Platta zum , der den Surettahörnern wieder ganz nahe ist, so dass das Averserthal hier nur einen engen, schluchtförmigen Ausgang findet, während es weiter hinten mit mehreren Armen sich fächerartig ausbreitet. Aus der Gegend des Piz Grisch zieht der Gebirgskamm direkt nach N. über den Piz Curvèr in die Thalgabel zwischen Viamala und Schyn. Durch den Pass vom Septimer über die Forcellina nach Avers zerfällt dieser gewundene Gebirgsbogen in zwei Glieder, die man als die Gruppen des Piz Stella und des Piz Platta bezeichnen mag, jene links oder w. und s. von Avers, diese rechts oder ö. von Avers und Schams. Der Piz Stella ist zwar in seiner Gruppe nicht der höchste, aber der zentralste Gipfel, der Scheitel des dortigen Gebirgswinkels. Die vom Septimer nö. folgende Gebirgsmasse bis zum Flüela- resp. Flesspass ist die Albulagruppe im engern Sinn, die sich fast ausschliesslich zur Albula entwässert. Durch den Albula- und Sertigpass teilen wir sie in drei, wieder mehrfach verzweigte Abschnitte,

Seite 1 / 6 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form ENGADINER ALPEN | Graubünden - Albula Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/engadineralpen die nach ihren Hauptgipfeln als die Gruppen des Piz d'Err, des und des Piz Vadret bezeichnet werden. Somit erhalten wir folgende Uebersicht der Albulagruppe im weitern Sinne: I. Aversergruppe: 1. Gruppe des Piz Stella; 2. Gruppe des Piz Platta. II. Albulagruppe im engern Sinn: 1. Gruppe des Piz d'Err; 2. Gruppe des Piz Kesch; 3. Gruppe des Piz Vadret. Die Gruppe des Piz Stella fällt nach W. und S. steil zu den Thälern des Liro und der Maïra ab, während die Abdachung gegen Avers viel sanfter geneigt und durch eine Reihe von Thälern in mehrere Ketten gegliedert ist. Die am Piz Stella rechtwinklig gebogene Hauptkette beginnt im NW. mit dem breiten, mehrgipfeligen Stock der Surettahörner zwischen dem Splügenpass einerseits und dem Val d'Emet und dem Passo di Madesimo andererseits. Obwohl nicht das höchste, ist er doch das am stärksten mehrEngadiner Alpen, vom Piz Languard aus. vergletscherte Glied dieser Gruppe. Der Surettagletscher senkt sich durch das gleichnamige Thal nach N. und ist der einzige, der eine grössere Eiszunge bildet. Bemerkenswert ist der nach NO. über das Hirli streichende Kamm durch seine Eisenerze, die früher in einer grössern Eisenschmelze zwischen Ausser und Inner Ferrera verhüttet wurden. Jenseits des Passo di Madesimo folgt der Piz Timun, mit 3201 m der höchste Gipfel der Gruppe, dann der Piz Groppera (2934 m) und weiter der Piz Stella (3129 m, oder nach der italienischen Karte 3162 m), der Eck- und Zentralpunkt der Gruppe, eine schöne weitschauende, aber selten besuchte Pyramide, die sich hoch über dem Thalwinkel von Chiavenna erhebt (früher gaben ihr die Karten irrtümlicherweise die für diese Lage ganz ungewöhnliche Höhe von 3406 m). In dem von hier nach O. streichenden Kamm sind die Cima di Lago (3015 und 3082 m), der Piz Gallegione (3135 und 3110 m), der Piz della Duana (3133 m), das Gletscherhorn (3106 m), der Piz Piott (3040 m) und Piz della Forcellina oder Piz di Val Turba (3023 m) die Hauptgipfel. Davon sind der Piz Gallegione und der Piz della Duana herrliche Aussichtspunkte, die in neuerer Zeit öfteren Besuch erhalten. Die Vergletscherung ist hier überall gering und beschränkt sich auf einige nach N. geneigte Hängegletscher. Auch die vier nach N. ziehenden Seitenketten überschreiten in ihren s. Teilen noch öfter 3000 m und sind dort mit kleinern Gletschern geschmückt, so an der Cima di Sovrana (3060 m) und am Blesehorn (3048 m) in der Kette zwischen Val di Lei und Madriserthal. Mehrere, zum Teil ziemlich stark begangene Pässe führen aus diesen Thälern nach dem Bergell und nach Italien. Die niedrigsten sind der schon erwähnte Passo di Madesimo (2280 m) und der Stellapass (2276 m), ersterer von Inner Ferrera oder Canicül durch das Val d'Emet nach dem Kurort Madesimo in einem Seitenthal des italienischen Val S. Giacomo s. vom Splügen, letzterer aus dem Val di Lei nach Chiavenna führend. Touristisch von besonderem Interesse sind auch die Forcella di Prassignola (2720 m) und der Duanapass (ca. 2800 m) als die kürzesten Uebergänge von Avers-Cresta nach Soglio und damit ins untere Bergell, ersterer durch das Madriserthal, letzterer durch das Bregalgathal. Alle diese Pässe steigen relativ sanft von N. an und fallen mit grosser Steilheit nach S. In wenigen Stunden führen sie hier aus der Fels- und Schneeregion nach den warmen Gefilden der Kastanienwälder und Weinberge. - In der Hauptsache besteht dieser ganze Gebirgsabschnitt aus Gneis und krystallinen Schiefern. Nur in den südöstlichsten Partien, etwa von Cresta an gegen den Septimer, setzen sich an deren Stelle Sedimentgesteine, die dem vielgestaltigen und wohl auch verschiedenalterigen Komplex der Bündner Schiefer zugeteilt werden. Graue und grüne Schiefer, Kalke und Marmore, Serpentine und andere Gesteine zeigen sich da in mannigfaltigem Wechsel. Schöne Marmorlager finden sich z. B. im untern Teil des Madriserthals und von da abwärts. Das Bett des Averserrhein und die nach Cresta führende Strasse sind auf längern Strecken in diese Marmore eingeschnitten und erhalten dadurch einen besondern Reiz. Von ganz anderer Beschaffenheit ist die Kette des Piz Platta, die als mächtiger Wall zwischen dem Oberhalbstein einerseits und den Thälern von Avers und Schams andererseits sich erhebt. In der s. Hälfte, von der Forcellina bis zum Piz Grisch, überschreiten noch zahlreiche Gipfel 3000 m, unter ihnen der gewaltige Piz Platta mit 3386 m, eine der schönsten und stolzesten Berggestalten Graubündens. Ihn begleiten als ebenfalls mächtige Trabanten das Jupperhorn (3151 m), der Mazzerspitz (3161 m), der Piz Scalotta (3003 m), der breite, mehrgipfelige Averser Weissberg (3041 und 3044 m), der Piz Grisch (3048 m) und die wildzerrissenen Gestalten des Piz Forbisch (3258 m) und Piz d'Arblatsch (3204 m), zum Teil in der Hauptkette selber, zum Teil in kurzen Auszweigungen derselben stehend. Weiter n. nimmt die Gipfelhöhe ab, und die Bergformen nehmen im Ganzen einen sanfteren Charakter an, besonders auf der Oberhalbsteinerseite, wo sie in breiten Terrassen und Wald- und Rasenhängen aufsteigen. Nach W. freilich, gegen Schams, brechen sie immer noch in mächtigen Felsabstürzen ab. Der Hauptgipfel ist hier der Piz Curvèr (2975 m); nach W. springt der Piz la Tschera, nach O. der eigentümlich kraterartig gestaltete Piz Toissa vor, und den n. Abschluss bildet die Muttnerhöhe, von der man das ganze Domleschg überschaut. Im hintern Teil der Kette sind eine Reihe von Pässen zu nennen, die das Averserthal mit dem Oberhalbstein verbinden. Von Touristen am meisten benutzt wird die Forcellina (2673 m), die von Avers-Cresta über Juf, das höchste ständig bewohnte

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Dörfchen der Schweiz (2133 m, d. h. Pilatushöhe), direkt nach dem Septimer führt, von wo man dann über den Lunghinopass (2635 m) nach dem Maloja und ins Engadin gelangt. Es ist dies die kürzeste Verbindung dieses Thales mit Avers. Fast von der Höhe der Forcellina führt die Fuorcla di Valetta nach Stalla im Oberhalbstein. Der Hauptpass dorthin ist aber der Stallerberg (2584 m), der ebenfalls von Juf ausgeht und vor der Erstellung der neuen, aus dem Schams heraufkommenden Strasse einen Hauptzugang zum Averserthal bildete. Die übrigen Bergübergänge, wie das Fallerjoch von Avers nach Mühlen, das Starlerajoch und das Schmorrasjoch von Inner- und Ausser Ferrera nach dem vordern Oberhalbstein haben nur geringe Bedeutung. - Sehr eigentümlich und mannigfaltig sind die geologischen Verhältnisse dieses Gebirgsabschnittes. Graue und grüne Schiefer, Serpentin, Diorit, Gabbro, verschiedene Kalke, Dolomit, Marmor, Gips, Rauchwacke und andere Gesteine sind bunt durcheinander gewürfelt. Der Piz Platta z. B. besteht in der Hauptsache aus Grünschiefer, Gruppe der Engadiner Berge Lf. 44 GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ Verlag von Gebr. Attinger Neuenburg.

^[Karte: 7° 30? O; 46° 30? N; 1:450000]

GRUPPE DER ENGADINER BERGE mehr der Averser Weissberg hart daneben aus Triaskalken, die stellenweise in Marmor umgewandelt sind, Piz Forbisch und Piz d'Arblatsch aus grauem Bündnerschiefer, der Piz Grisch wieder aus Kalk; weiter n. im Gebiet des Piz Curvèr dominiert der Bündnerschiefer, aber hart daneben baut sich der Piz Toissa aus Kalk und Dolomit auf. Diorit, Gabbro, Serpentin finden sich an verschiedenen Stellen, so im Val Nandro und Val Bercla, meist mit Grünschiefer verbunden und oft in diesen übergehend, Serpentin in so grosser Ausdehnung, dass er mancherorts förmlich als Grundgebirge erscheint. Auch der Rofnagneis und der Talkquarzit des Surettastocks tritt auf der Strecke von Inner Ferrera bis Andeer auf die rechte Thalseite und damit in die Kette des Piz Platta über, hier mehrfach von Rötidolomit u. Bündnerschiefer umrandet. Ein anderes grobkörniges Silikatgestein hat nach seiner Hauptfundstelle, der Alp Taspin nw. vom Piz Curvèr, den Namen Taspinit erhalten. Darin finden sich Bleiglanz, Fahlerz, auch Kupferkies und Malachit, die in früheren Zeiten ausgebeutet wurden. Auch sonst ist dieser Gebirgsabschnitt durch Vorkommnisse von Erzen ausgezeichnet. Die Alp Schmorras im Hintergrund des Val Nandro z. B. und der Piz Starlera, ein Vorgipfel des Piz Grisch, haben nicht unbeträchtliche Eisenlager, und noch sieht man unten zwischen Ausser und Inner Ferrera die Ruinen der Eisenschmelzen, wo diese und andere Erze der Gegend einst verarbeitet wurden. Errgruppe in den Engadiner Alpen, vom Piz Ot gesehen. Die Gruppe des Piz d'Err erfüllt den Raum zwischen dem Oberhalbstein und dem Septimer im W., dem Albulathal und Albulapass im N. und NO. und dem Ober Engadin im SO. Von den fünf Abteilungen der Albulagruppe ist sie die zentralste und flächengrösste u. zugleich diejenige, welche die grösste mittlere Höhe und die grösste Vergletscherung aufweist. Ihr höchster Gipfel, der Piz dellas Calderas, erreicht zwar mit 3393 m nicht ganz die Höhe des Piz Kesch (3420 m) u. des Piz Platta (3398 m). Aber von den 101 Gipfeln der Albulagruppe, die 3000 m übersteigen, fallen 36 allein auf die Errgruppe, von 7 Gipfeln mit über 3300 m 5 auf die Errgruppe und nur je einer auf die Gruppen des Piz Kesch und des Piz Platta. Das Mittel aus den 10 höchsten Gipfeln der Errgruppe ergibt 3303 m, dasjenige aus den 10 höchsten der Keschgruppe dagegen nur 3157 m, also fast 150 m Differenz zu Gunsten der erstern. Auch die Vergletscherung ist in der Errgruppe grösser als in den übrigen Gliedern des Albulagebietes. Doch kommt ihr die Keschgruppe darin allerdings nahe. Dabei zeigt die Errgruppe eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit in der Verteilung der Gletscher. Dieselben halten sich nämlich fast ausschliesslich an die O.- und N.-Seite des Gebirges, während die W.- und S.-Seite fast ganz von Gletschern entblösst sind. Da der Hauptkamm der Gruppe sich im Ganzen von S. nach N. erstreckt, so erscheint die O.-Seite als ein eigentliches Schnee- und Eisgebirge, eine Sierra Nevada, während die W.-Seite sich als ein ebenso typisches Felsengebirge darstellt. Es spiegelt sich darin der äussere Bau, das Relief des Gebirges. Die O.-Seite weist eine Reihe hochgelegener Terrassen und Mulden auf, wo der Firn sich sammeln und allmählig in Gletscher umwandeln kann, während die W.-Seite in steilen Felswänden abbricht, die den Schnee nicht festzuhalten vermögen. Erst in der

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Tiefe, weit unter der Schneegrenze, treffen wir auch hier auf ausgedehnte Terrassen, die aber mit Weiden bestanden sind, wie z. B. diejenige von Flex über Mühlen im Oberhalbstein. Die meisten Gletscher senken sich vom Hauptkamm konzentrisch in das ö. verlaufende Val Bever. Eine geringe Verlängerung derselben würde genügen, um sie zu einer einzigen grossen Zunge zusammenlaufen zu lassen, wie dies in früheren Zeiten der Fall war. Mehrere bogenförmig quer durch das Val Bever verlaufende Moränen deuten noch die einstige grössere Ausdehnung des Gletschers und dessen etappenweisen Rückzug an. Jetzt sind nur noch die obern Arme ohne gemeinsame Zunge vorhanden. Ein grösserer Gletscher, der Errgletscher, fällt in prächtigen Terrassen nach N. in das zum Oberhalbstein ausmündende Val d'Err, und auch hier deuten weit vorgeschobene Moränen auf einst viel grössere Ausdehnung des Gletschers mit grosser Zungenbildung an. Die Errgruppe ist orographisch und geologisch reich gegliedert. Zunächst ist das Kalk- und Dolomitgebirge der Bergünerstöcke im N. von der granitischen Zentralmasse im S. zu trennen. In jenem erheben sich die stolzen Gestalten des Piz d'Aela (3340 m), des Tinzenhorns (3179 m) und des Piz Michèl (3163 m) nebst einigen unbedeutenderen Gipfeln und Kämmen. Eine Linie von Tinzen im Oberhalbstein durch das Val d'Err und die Fuorcla da Tschitta (ca. 2900 m) nach Naz an der Albulastrasse trennt sie von der Zentralmasse des Piz d'Err. Diese beginnt mit der kleinern Kette des Piz Salteras (3114 m), in der sich der Gesteinswechsel vollzieht. An der Fuorcla da Mulix (2874 m) biegt sie sw. und w. um und steigt dann rasch zu der Firnkuppe des Piz d'Err (3383 m) empor. Von da zieht sie sich als gewaltige Gebirgsmauer geradlinig nach S. über den Piz dellas Calderas (3393 m) und die Cima da Flex (3287 m) zum Piz d'Agnelli (3206 m) und schliesslich im Bogen sö. zum Piz Suvretta (3074 m) und Piz Julier (3385 m). Dies ist das durch Gipfelhöhe und starke Vergletscherung ausgezeichnete Stammstück der Errgruppe, dem sich ihre übrigen Glieder anschliessen. Vom Piz d'Err zieht sich die lange schmale Kette der Crasta Mora zwischen Albulastrasse und Val Bever nach O. Schärfer vom Stammstück durch tiefe Einschnitte getrennt sind die kleineren Gruppen des Piz Ot (3249 m) und des (3168 m), jene s. vom Val Bever, diese zwischen Julierpass und Septimer. In letzterer erhebt sich neben andern Gipfeln der Piz Lunghino (2784 m) über dem Malojapass, der mit dem Piz Julier und Piz Ot zu den schönsten und besuchtesten Aussichtspunkten des Ober Engadins gehört. Oft wird die ganze Bergwand auf der linken Seite des Ober Engadin vom Maloja und vom Septimer bis zum Albulapass als Juliergebirge zusammengefasst. Dieser Name bezeichnet also den dem Engadin zugekehrten Teil der Errgruppe. Er präsentiert sich als ein prächtiges Gebirge mit vielen stolzen Gipfelformen, unter welchen der Piz Julier, auch etwa Piz Munteratsch genannt, durch zentrale Stellung, Höhe und kühne Gestalt den ersten Rang einnimmt. Er baut sich aus einem schönen grünen Granit auf, der auch sonst in diesem Gebirge weit verbreitet ist und als Julier- oder Albulagranit bezeichnet wird. Dazwischen finden sich noch manche andere Gesteine, besonders auch Sedimente der Verrucano-, Trias- und Liasgruppe. Eine eigentümliche Ausbildung zeigen die Verrucanogesteine im Val Saluver und am Piz Nair über St. Moritz und von da bis zum Piz d'Agnelli. Dieses «Saluvergestein» besteht aus einer grünlichen und roten talkigen Grundmasse mit eingebettetem Quarz, Glimmer, Feldspat etc. Damit wechseln schieferige Lagen von feinerem Korn, dann gröbere Sandsteine und Konglomerate, mehrEngadiner Alpen, vom Kühalphorn gesehen. gelblich angewitterter Rötidolomit und rote und grüne Quartenschiefer. Kalke und Dolomite der Trias streichen vom Piz Padella und den zackigen Trais Fluors (Drei Blumen) über Samaden w. und sw. zum Suvrettapass, Corn Alv und Piz Bardella. Mit ihnen verbinden sich auch Liasgesteine. Vom Oberhalbstein streichen Serpentin und grüne Schiefer über den Lunghinopass bis an den Silsersee. So erscheint das Juliergebirge strichweise aus sehr manigfaltigen Gesteinen zusammengesetzt und dem entsprechend auch vielgestaltig in seinen äussern Formen. Im grossen und ganzen herrschen aber doch die Granite so sehr vor, dass die Zentralmasse des Piz d'Err als ein typisches Granitgebirge bezeichnet werden muss, dem die n. vorgelagerten Bergünerstöcke als ebenso typisches Kalk- und Dolomitgebirge gegenüber stehen. Die Gruppe des Piz Kesch wird von den Nachbargruppen getrennt durch den Albulapass und das obere Albulathal einerseits und das Sulsannathal, den Sertigpass und das Sertigthal andererseits. Im SO. stösst sie nur auf einer kurzen Linie von Ponte bis Capella an das Engadin, im NW. auf einer längern Linie von Filisur bis Frauenkirch an das Landwasserthal. Auch die Keschgruppe gliedert sich in eine reichvergletscherte Zentralmasse mit hochragenden Gipfeln und in vorliegende Nebenketten mit geringerer Höhen- und Gletscherentwicklung. Die trennende Linie geht von Bergün durch das Val Tuors und über die Bergüner Furka (2812 m) nach dem Sertigthal und Davos. Die Zentralmasse besteht aus einem grossen, nach NW. geöffneten Gebirgsbogen, der von der Alp Fontauna im Val Sulsanna nach SW., dann nach W. bis zum Albulathal zieht. Ihm entragen der Piz Val Müra (3149 und 3164 m), der Piz Kesch (3420 m), der Piz Blaisun (3204 m), der Piz Uertsch (3273 m) und einige andere unbedeutendere Gipfel. Die Fuorcla Pischa (2802 m), zwischen Piz Kesch und Piz Blaisun, trennt ihn in einen nö. streichenden, aus Gneis aufgebauten und in einen w. streichenden, aus

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Trias- und Liaskalken bestehenden Ast. Beide Zweige fallen steil nach SO. und S. zum Engadin und Albulapass, weniger steil nach NW. und N. ab. In kurzen Auszweigungen gegen das Engadin und Val Sulsanna erheben sich der Piz Viluoch (3042 m), der Piz la Virogla (3062 m) und der Piz Griatschouls (2973 m), letzterer mit einem eigentümlichen grünlich grauen Granit. Die Gletscher lagern sich hauptsächlich der N.-Seite des genannten Gebirgsbogens an. Vor allen zeichnet sich hier der Vadret da Porchabella durch Grösse und Schönheit aus, über den die Hauptroute auf den Piz Kesch führt und an dessen N.-Rand die Keschhütte des S. A. C. steht. Eigentümlich ist diesem Gletscher auch die Entwässerung nach zwei verschiedenen Stromgebieten, nämlich einerseits durch das Val Tuors zur Albula und zum Rheingebiet, andererseits durch das Val Sulsanna zum Inn und zum Donaugebiet. Dem Hauptgebirgsbogen sind n. zwei kleinere, ebenfalls noch krystalline Gebirgsstöcke vorgelagert: der der Cima da Tisch (2880 m) nw. vor dem Piz Uertsch und der des Piz Forun (3056 m) n. vor dem Piz Kesch. Piz d'Aela in den Engadiner Alpen, vom Tinzenhorn aus. Die Vor- oder Nebenketten der Keschgruppe sind fast reine Kalkgebirge. Nur an ihrer Basis treten noch Gneis und krystalline Schiefer hervor. Im Uebrigen bauen sie sich aus den verschiedenen Schichten der Trias auf, unter welchen besonders Hauptdolomit und Plattenkalk hervorragen. An manchen Stellen geben die verschieden gefärbten Schichten dem Gebirge ein schön gebändertes Aussehen, und es lassen sich dann die vielfach auf- und absteigenden Falten schon aus grösserer Entfernung erkennen: so besonders auf der S.-Seite des Hoch Ducan. Diese Vorberge bilden zwei Ketten: die Ducankette, die geradlinig von NO. nach SW. streicht, und die Monsteinerkette, die in einem nw. geöffneten Bogen das Monsteinerthal umzieht. Voneinander sind sie getrennt durch das Ducan- u. Stulserthal u. den beide verbindenden Ducanpass (2671 m). Die Ducankette bildet einen hohen, schmalen, stark gescharteten Grat von ausserordentlicher Wildheit, dessen Flanken von ungeheuren Schutthalden bedeckt sind, wie dies für Dolomitgebirge charakteristisch ist. Unter den Gipfeln ragen besonders der Hoch Ducan (3066 m), das Plattenhorn (3018 m), der Gletscher Ducan (3020 m) u. der Piz Ravigliel (3038 m) hervor. Das SW.-Ende der Kette bildet die breite Rasenkuppe des Cuolm da Latsch (2290 m) über Bergün, das NO.-Ende das Mittaghorn (2728 m), das mit Plattenhorn und Hoch Ducan zusammen das Sertigthal wirkungsvoll abschliesst. Die Hauptgipfel der Monsteinerkette sind das Leidbachhorn (2912 m), das Ælplihorn (3010 m), das Krachenhorn (2894 m), das Bühlenhorn (2811 m) und der mehrhöckerige Stulsergrat (2680 und 2622 m) mit der aussichtsreichen Muchetta (2627 m) über Filisur. Das Ælplihorn zählt zu den schönsten Aussichtspunkten von Davos und rivalisiert in dieser Beziehung mit dem berühmten Schwarzhorn am Flüelapass. Die Gruppe des Piz Vadret wird von der Keschgruppe durch den Sertigpass, von der Silvrettagruppe durch den Süserpass getrennt. Sie besteht aus einer grossen, stark mehr vergletscherten Zentralmasse und drei langen, nach NW. streichenden Verzweigungen, den Ketten des Kühalphorns, des Schwarzhorns und des Weisshorns. Von der Zentralmasse werden diese Seitenzweige getrennt durch den Scalettapass, den Grialetschpass und den Flüelapass. Die ersteren zwei Pässe gehen beide vom Dischmathal aus und zwar der Scalettapass s. ins Val Sulsanna, der Grialetschpass ö. ins Val Susasca. Auch hier fällt die S.-Seite der Zentralmasse steiler ab als die N.-Seite; an die letztere lagern sich eine Reihe grösserer Gletscher, unter welchen der Grialetschgletscher der grösste ist. An ihn schliesst sich nach O. der flachlagernde Sarsuragletscher, nach W. der Vallorgiagletscher und die beiden Scalettagletscher. Dieses weite Gletscherrevier wird überragt von einem mächtigen wö. ziehenden Felskamm, der mit seinen Türmen und Scharten den Anblick einer riesigen Zinnenmauer gewährt und von zwei gewaltigen Bastionen flankiert wird, dem doppeltürmigen Piz Vadret (3226 und 3221 m) im W. und dem firngekrönten Piz Sarsura (3176 m) im O. Von letzterm springen der Piz d'Urezza (2910 m) ö. gegen Zernez, der Piz del Ras (3036 m) nach NO. gegen das Val Flüela (Susascathal) vor. An den Piz Vadret schliessen sich der Piz Grialetsch (3131 m) und das Scalettahorn (3068 m) an, von welchen der Grosse Scalettagletscher in schönen Terrassen gegen das Dischmathal fällt. Auch die nach NW. streichenden Seitenketten weisen in ihren s. Teilen noch kleinere Gletscher und einige Gipfel von über 3000 m Höhe auf. Diejenige des Kühalphorns bildet die Scheidewand zwischen dem Sertig- und Dischmathal. An das Kühalphorn (3081 m), zwischen Sertig- und Scalettapass, schliessen sich das Augstenhörnli (3030 m), das Bocktenhorn (3047 m) und das Sattelhorn (2980 m). Dann nimmt die Höhe über Gefroren Horn (2750 m), Wuosthorn (2824 m) etc. rasch ab, um mit dem Jakobshorn gegenüber Davos Platz auf 2594 m zu sinken. Die Kette des Schwarzhorns zwischen Dischma- und Flüelathal schliesst sich beim Grialetschpass an die Zentralmasse an. Ihr höchster Gipfel, das Schwarzhorn (3150 m) am Flüelapass, ist eine hochragende stolze Pyramide und einer der berühmtesten und besuchtesten Aussichtspunkte Graubündens. Ihn umgeben noch einige ebenfalls über 3000 m hohe, aber wenig beachtete Spitzen,

Seite 5 / 6 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form ENGADINER ALPEN | Graubünden - Albula Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/engadineralpen wie der Radünerkopf (3076 m) über dem gleichnamigen kleinen Gletscher. Nach NW. folgen das Braunhorn (2730 m), das Sentishorn (2830 m), der Baslerkopf (2632 m) und, am Ende der Kette, der Bühlenberg (2516 m). Breiter und komplizierter ist die Kette des Weisshorns zwischen dem Flüela- und Vereinathal. Das Weisshorn (3088 m) am Flüelapass schmückt der Jörigletscher, der n. gegen die Jöriseen abfällt. Von da zieht sich der schartige Grat über das Gorihorn (2989 m) zum aussichtsreichen Pischahorn (2982 m). Dann teilt sich die Kette in zwei kurze Arme, von denen der eine über den Mückenthälispitz (2673 m) und das Lauenenzughorn (2472 m) gegen Klosters, der andere über einen sanftern Rücken zum Hörnli (2448 m) und Seehorn (2242 m) beim Davoser See vorspringt. Diese ganze Gruppe, Zentralmasse und Seitenketten, bestehen ausschliesslich aus krystallinen Felsarten, vor allem aus Gneis, während die Kesch- und Errgruppe daneben auch Kalkgebirge in bedeutender Ausdehnung aufweisen. Auch sonst unterscheidet sich die Vadretgruppe mehrfach von ihren Nachbargruppen. So herrschen z. B. in der Keschgruppe die Längskämme und Längsthäler, in der Vadretgruppe dagegen die Querketten und Querthäler. In jener sind z. B. die Kette des Piz Uertsch längs dem Albulapass, dann die Ducan- und die Monsteinerkette Längsketten, Val Tisch, Val Tuors, Stulser- und Ducanthal Längsthäler; in der Vadretgruppe sind die drei Seitenketten und die sie einschliessenden und trennenden Thäler dagegen Querthäler, resp. Querketten. In Bezug auf die übrigen drei grossen Gebirgsgruppen der Engadiner Alpen s. die Art. Bernina Gruppe, Ofenpass Gruppe und Silvretta Gruppe. [Dr. Ed. Imhof.] Ende ENGADINER ALPEN Quelle: Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902; Autorenkollektiv, Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg, 1902-1910;2. Band, Seite 14 [Suche = 42.24] im Internet seit 2005; Text geprüft am 29.3.2017; publiziert von Peter Hug; Abruf am 24.9.2021 mit URL: Weiter: https://peter-hug.ch/42_0025?Typ=PDF Ende eLexikon.

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