Geschichte Aus Dem Papierkorb – Zu Einem Ungewöhnlichen Bilderfund
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Geschichte aus dem Papierkorb - zu einem ungewöhnlichen Bilderfund1 Gunter SCHÖBEL Résumé français page 467 vermuteten aufgrund der Qualität aber, dass English abstract on page 479 sie von Hoffmanns3 Firma stammen kön- nten und dass die Bilder mit Zeiss oder Leitz Am 2. Dezember 1999 erhielt das Pfahlbaumu- Objektiven gemacht wurden. Jetzt können seum Unteruhldingen ein E-mail vom George wir den Anfang des fotografischen Bestandes Eastman House (GEH), Rochester, USA, einem im GEH 5 Monate vordatieren. Wir stellen der größten Fotomuseen der Welt, mit ange- Ihnen im Netz weitere 20 Filmrollen für die hängtem Bild, das ein Schiff mit Reisegruppe, Identifizierung zu Verfügung.“ ankommend im Hafen von Unteruhldingen zeigte (Abb.1), und einer Anfrage mit folgendem Was wie eine ganz alltägliche Hilfsanfrage Text: „This photograph is in the museum col- zwischen Museen begonnen hatte, war lection at George Eastman House in Rochester, plötzlich aufgrund der Aussichten, mehr NY. It is part of a group primarily of the 1935 über die Hintergründe eines Ereignisses im Parteitag activities in Nuremberg. Can you tell Jahre 1935 zu erfahren, zu einer spannenden us anything about the subject seen in this photo. gemeinsamen Forschungsaufgabe geraten. Es Feel free to answer in English or German. tauchten weitere Bilder offensichtlich vom Thanks for your help. There are more from this Reichsparteitag 1935, von einer archäolo- series if you are interested. Andrew Eskind.“ gischen Ausgrabung und einem weiteren Besuch von NS-Funktionären im Pfahlbau- Erstaunt über diese seltsame Anfrage aus museum Unteruhldingen auf. Eine intensive Amerika, offensichtlich anhand eines Bildes Recherche unter Einbeziehung der jeweiligen aus den Dreißiger Jahren, aber in Kenntnis Wissenskontakte begann, und die Ergebnisse des dargestellten Ereignisses und interessiert auf beiden Seiten des Atlantiks wurden im am Hintergrund des Fundes, erfolgte gespannt 8-12 Stunden Takt dank der damals noch noch am gleichen Tage die Antwort. „Das Foto neuen und ungewohnten „Email-Methode“, stammt vom Besuch Martin Bormanns am in Bild und Text über den Ozean geschickt. 5. Mai 1935 in Unteruhldingen. Wir haben den Gegenschuß und weitere Aufnahmen Die Bildsequenz vom „Besuch Bormann Mai von der Ankunft des abgebildeten Motor- 1935“, in Amerika identifiziert über das schiffs „Hegau“ im Hafen durch den örtlichen abgelichtete Hafeneingangsschild „Unter- Fotografen Josef Udry2, die kurz nach Ihrem uhldingen“, konnte am Bodensee schon vor Bild entstanden sein müssen. Auf den Bil- Jahren über das aus Privatbesitz wieder auf- dern geht hinter Bormann ein Mann mit getauchte Besucherbuch, einen Eintrag von Kamera, der vielleicht ihre Bilder auf dem Bormann darin und durch weitere Aufnah- Schiff gemacht hat“ (Abb.2). men des Ortsfotografen aus dem Besitz seiner Witwe abgesichert werden. Im Gästebuch Die Rückantwort folgte umgehend: „Wir des Museums, das nach 1945 verschwand wussten bislang nur, dass unsere Bilderserien und zwischenzeitlich auf den noch freien den Parteitag im September 1935 zeigen, Seiten als „Kindermalbuch“ genutzt worden war, fanden sich am genannten Tag außer 1 Zur Möglichkeit der Publikation des Bilderfundes „Bormann, Martin, Reichsleiter, München“, 60 danke ich J.-P. Legendre und B. Schnitzler, die mich noch weitere Namen wie Schießl, Bernd, 61 bei einem Besuch im Dezember 2005 ermutigten, die Informationen der wieder gefundenen Bilder in den archäologischen Kontext der Jahre 1935 bis 1937 in 3 Süddeutschland zu stellen. Zur Rolle der Bildberichterstatter in der Nationalsozia- listischen Staatspropaganda vgl. besonders HERZ 1994, 2 SCHÖBEL 1993, 32, Abb. 20. 77ff. München sowie Frau und Herr Witt, Aachen, der Überlassung von Originalfunden. Ein die mit der abgelichteten politischen Reiseg- weiterer Besuch Darrés bei Sulger fand am 6. ruppe in Zivil (noch) nicht in Verbindung August 1933 statt.5 Aus dem regionalen gebracht werden konnten. Es schien, dass nur Focus des Museums heraus betrachtet war Bormann stellvertretend als wichtigste Person sowohl die politische die Unterstützung der Gruppe, wie heute auch noch üblich, durch Reichsminister Darré als auch jene des gezeichnet hatte. Der Hintergrund der Reise Privatdozenten und Wissenschatlers Rein- und des Besuches, ob politisch, touristisch erth, der ab Frühjahr 1934 rasch im Amt oder beides zusammen, war unklar. Die Rosenberg Karriere machte auf der wissen- seitherige Kenntnis war die, dass der Pfahl- schaftlichen Seite, bei der Verfolgung der bauverein seit Anfang 1931 den Privatdoz- Museumsziele durchaus hilfreich. Der Bei- enten Hans Reinerth als Wissenschaftler auf tritt zum Reichsbund für Deutsche Vorges- Honorarbasis für den weiteren Ausbau des chichte am 21.April 1934, der in Unter- Museums gewonnen hatte, der ab 1932 nach uhldingen auf Rat des Bundesführers Rein- seinem Eintritt in die NSDAP (vgl. Schöbel erth, den angeforderten Beitritt zur Kul- in diesem Band) verstärkt versuchte, Einfluss turkammer, gemäß Reichskulturkammerges- auf die inhaltliche Gestaltung zu gewinnen. etz vom 22. September 1933, ersetzte, war Das gelang ihm aufgrund der noch starken aber noch keiner Übernahme des Museums örtlichen Vereinsleitung unter Bürgermeister und seiner Mittel im Sinne einer völligen Georg Sulger, dem Präsidenten des Boden- Gleichschaltung und Unterstellung der seegeschichtsvereins Victor Mezger und Anlage durch das Amt Rosenberg gleich zu anderen regionalen Politikern wie dem setzen. Ganz im Gegenteil. Diese erfolgte erst Bürgermeister von Meersburg Dr. Moll, den vier Jahre später, im Jahre 1938. Bedenken Landräten Überlingens Levinger und Sander von Vorstandsmitgliedern, dass zu starke vorerst, wie etwa bei der Ausgestaltung des politische Einflussnahme im Museum- Abb. 1: Ankunft einer Reisegruppe im Hafen von Unter- Fig. 1 : Arrivée d’un groupe de visiteurs dans le port d’Unter- gerade fertig gestellten bronzezeitlichen strägerverein drohe6, wurden noch zum uhldingen. uhldingen. Dorfes als Pfahlbau im Wasser und nicht als Jahreswechsel 1934/1935 vom wissenschaftli- Uferbau, nicht in jedem Fall. Zur General- chen Leiter Reinerth dadurch zerstreut, dass versammlung 1932 hatte man gar vergessen er die regionale Stärkung des Vereins durch ihn einzuladen.4 Am 27. August 1932 hatte die zusätzliche Hereinnahme des Präsidenten der Reichstagsabgeordnete Walther Darré, des Bodenseegeschichtsvereins, Vertretern der spätere Reichsminister, sich und seinen der Gemeinde und der Wissenschaft emp- Freund, den Reichstagsabgeordneten Hein- fahl. Die Vereinsmitglieder Reichsführer SS, rich Himmler nach einem Gespräch mit dem Himmler und Minister Darré erhielten Vereinsvorsitzenden Sulger, der am 17. Juli regelmäßig Einladungen zu den Generalver- 1932 sein erstes weit beachtetes Radiointer- sammlungen der Jahre 1934 und 1935 nach view gegeben hatte, im Museumsverein als Unteruhldingen, sagten aber dem Regional- Mitglied angemeldet. NS „Reichsbauern- museum, wie auch der wissenschaftliche führer“ Darré unterstützte effizient im Ver- Leiter Reinerth, aus Gründen „anderer Verp- lauf der Jahre 1933 und 1934 das nich- flichtungen“ oder „Arbeitsüberlastung“ ab. tstaatliche Museum bei der Lösung andau- Einladungen zur ersten Reichsbundtagung ernder Schwierigkeiten von der Geländenut- nach Halle vom 13. bis 30. Oktober 1934 zung und der geplanten Museumserweiterung erhielten Himmler und Darré dagegen vom mit dem Geländeeigentümer „Deutsche Vereinskassier Philipp Lang aus Reichsbahn“ bis zu Auseinandersetzungen Unteruhldingen, der Karten zur freien mit dem Badischen Kultusministeriums wie Verwendung für aus seiner Sicht geeignete auch der Denkmalpflege, die sich mit dem Vereinsmitglieder von Reinerth kurz zuvor erfolgreichen Regionalmuseum am Bodensee übersandt bekommen hatte.7 Nachdem aus 62 immer noch nicht so abfinden wollten, wegen heutiger Warte offenbar bis Ende 1934 eine 63 Abb. 2: Aussteigen der Reisegruppe aus dem Motorschiff Fig. 2 : Les visiteurs débarquent du «Hegau» le 5 mai 1935 à 5 Deutsche Bodenseezeitung 6.8.1933. „Hegau“ am 5. Mai 1935 in Unteruhldingen, Foto Josef Udry. Unteruhldingen, cliché Joseph Udry. 4 SCHÖBEL 1993, 26. Beschwerdebrief Reinerth an 6 8.11.1934 Austrittsgesuch Moll an Sulger, Mezger an Sulger v. 25.2.1932, APM.. Reinerth 21.1.1935 wie SCHÖBEL 1993,31, APM. wohlwollende persönliche Unterstützung, Berlin durch den Verein noch am gleichen nerth den Berliner Lehrstuhl erhalten solle. Kraftwagen und rund 55 Personen zunächst aber noch keine institutionelle, offensive Tage, folgte die Bestätigung eines hochrang- Dies hatte Rosenberg Himmler bereits am über Füssen Schloss Linderhof nach Bad Inbesitznahme des kleinen Museumsvereins igen Besuches des Stellvertreters des Führers 14. März empört mitgeteilt.14 Die Befürch- Schachen und weiter nach Friedrichshafen, stattgefunden hatte, schienen sich zwischen für den 5. Mai 9.10 Uhr, gleichfalls an diesem tung der Rosenberg-Fraktion im Machtkampf dort zur Besichtigung des Luftschiffes „Graf der Reichsbundtagung Halle im Spätjahr Datum. Adressat war Kreisinspektor Gustav mit Himmler auch in der Leitung der ge- Zeppelin“ und des im Bau befindlichen neuen 1934 und dem jetzt gerade wieder in das Robert Oexle, Mitglied des Reichstages für schichtlichen Belange zu unterliegen, war Zeppelins LZ 129 mit Oberingenieur Dürr, Auge gefallenen Besuches Bormann im Mai die NSDAP, Mitarbeiter im Stabe Hess, nicht unbegründet15 Gab es auch hier einen Gauleiter Murr und anschließend noch am 1935, die Gewichte verschoben zu haben. Redakteur der „Bodensee Rundschau“, gemel- noch nicht