Ludwig Edinger.~) (1855---1918.) Von Kurt Goldstein. (Eingegangen am 15. Juli 1918.)

M.H. So sehr es mir aueh nur mit den Gefiihlen des Schmerzes mSglich ist, fiber meinen verstorbenen Lehrer zu Ihnen zu sprechen, so sehr erscheint es mir andrerseits eine besonders ehrenvolle Aufgabe im ~rztlichen Verein einen Uberblick fiber das Lebenswerk Ludwig Edingers zu geben -- yon der Stelle aus, vonder der Verstorbene so viele seiner neuen Entdeckungen zuerst mitgeteilt hat. Eine ehren- volle Aufgabe, aber keine leiehte -- gilt es doch eine schier unfiberseh- bare Menge von Einzeluntersucl~ungen, von Ideen, deren Problematik noch gar nieht zu fibersehen, geschweige denn zu erschSpfen ist, die sich alle an den Namen Edinger knfipfen, in einen einheitlichen Rah- men zusammenzubringen. Wenn mir dies doch gelingen sollte, so liegt dies an dem einheitliehen Grundzug, der, wie wir spater sehen wer- den, alle die Arbeiten und Gedanken Edingers durchzieht. Der Lebensgang Ludwig Edingers ist schnell geschildert. Er ist 1855 in Worms geboren, studierte in Heidelberg und Stra[tburg. Unter dem Einflui] so ausgezeiehneter Lehrer wie Gegenbaur und Waldeyer erwachte frfihzeitig sein Interesse ffir die Anatomie und Biologie. So entstanden seine ersten wissensehaftlichen Arbeiten: die Dissertation ,,Uber die Schleimhaut des Fisehdarmes (usw.)" 18761), die ,,Untersuehung fiber die Endigung der Haut- nerven bei Pterotrachea ''2) und ,,Uber die Drfisenzellen des Magens besonders beim Menschen"3). Naeh Beeudigung seiner Stuclienzeit land E d i n g e r nieht die seinen Neigungen zur vergleichenden Anatomie und Biologie entspreehende Assistentenstelle; er mul~te eine klinisehe Stelle annehmen. Er be- schreibt in seinem Aufsatze zu Kussmauls 60. Geburtstage 121) sehr eindringlich seinen Schmerz darfiber; glaubte er doch, dadureh von seinem eigenttichen Berufe, dem des Anatomen und Biologen, abzu-

*) Nach einem bei der Trauel~eicr fiir Ludwig Edinger im ~rztlichen Verein zu a. M. gehaltenen Vortrag. K. Goldstein: Ludwig Edinger. 115 komlnen. Er sollte allerdings sehr bald anderer Meinung werden. Er schildert in dem erw~hnten Aufsatze und hat es mtindlich sehr oft aus- gesprochen, wie ungemein wertvoll diese Periode ffir seine ganze Ent- wicklung geworden ist. Bei K u s s m a ul, den er au•erordentlich ver- ehrte, erhielt er die erste Anregung, sich speziell mit dem Nerven- system zu beschiiftigen. Hier wurde auch fffihzeitig sein Intercsse ffir die Erforschung der Leistungen der Organe und speziell auch ffir die praktische Medizin geweckt. Er war spi~ter dieser Ent- wicklung seines Studienganges sehr dankbar, und ieh glaube, wir mfissen es auch sein; denn sie war wohl mit die Ursache daffir, dal~ Edinger nicht nur der gro~e Anatom, sondern aueh der groBe Neurologe in des Wortes wahrster Bedeutung wurde, als der er -- ein leuchtendes Vor- bild -- vor uns Jfingeren stand. Aus dieser Zeit bei Kussmaul, sowie der sich anschliel~enden Assistentenzeit bei Riegel in GieBen stammen einige Arbeiten, die dureh momentane klinisehe Interessen oder besonders interessante Fi~lle bedingt waren. So aus der Kussmaulschen Zeit die Mit- teilung eines Falles yon Rindenepilepsie (1879)71), aus der GieBener Zeit die Arbeit fiber das Verhalten der freien Salzs~ture des Magensaftes in zwei Fi~llen von amyloider Degeneration der Magenschleimhaut (1880) 67), seine Untersuchungen fiber die Physiologie und Pathologie des Magens6S), mit denen er sieh in Giel~en 1881 habilitierte, seine E x p e r i m e n t e ll e n U n t e r s u c h u n - gen zur Lehre vom Asthma 7% die er gemeinsam mit Riegel aus- ffihrte, die Untersuchungen fiber die Zuckungskurve des menschlichen Muskelsim gesunden undkranken Zustande72), bei denen er, wohl-mit als erster, angeregt besonders durch Untersu- chungen yon I-Ielmholtz und Marey am Gesunden, myographische Kurven auch beim Kranken aufnahm. Aus dieser Zeit stammt auch seine Untersuchung des Rfickenmarks und Gehirns bei einem Falle yon angebor.enem Mangel des Vorderarmes (1882) 32), in der es ihm gelang, die dem Verluste des Armes entspre- chenden Ver~nderungen in bestimmten Teilen der grauen Substanz des Rtickenmarks sowie eine Atrophie in den entsprechenden Gebieten der motorischen GroBhirnrinde nachzuweisen. Er kam in Best~tigung yon Untersuchungen besonders G uddens zu dem Ergebnis, dab zwar das ausgebildete Gehirn auf einen Ausfall im Bereiche der peripheren Bahnen nicht mit merklicher Atrophie antwortet, dal] aber, weml wi~hrend der Zeit des Hirnwachstums solcher Ausfall eintritt, sich die dazu gehSrigen Rindbnpartien nicht in demselben MaBe wie am ge- sunden Gehirn entwickeln. Von Giel~en aus kam Edinger im Jahre 1882 nach Frankfurt, wo er sich als ~ervenarzt niederlieI~. 1894 erhielt er den Titel Professor, 8* 1 16 K. Goldstein:

1904 wurde er Direktor des Senckenbergisehen Neurologischen Insti- tutes. Bei ErSffnung der Universititt Frankfurt a. M. wurde das ,,Neu- rologisehe Institut" yon der Universit~t fibemonnnen und Edinger zum persSnliehen Ordinarius ffir Neurologie berufen. Wie sehr der junge Arzt, als er naeh Frankfflrt kam, sehon mit der Anatomie des Nervensystsms vertraut war, zsigten seine zehn Vor- lesungen fiber den Bau der nervSsen Zentralorgane 41), die sr im Jahre 1883/84 im Krsise des i~rztliehen Versins hielt, und die die Grundlage wurden fiir das seh6ne Bueh, mit dem sr seinen guhm bs- grtindete. Sie zeugten schon von einsr augerordentliehen Beherrschung dsr ganzen Hirnanatomis, nieht so sehr dureh die Fi]lle der erwi~hnten Tatsaehen, Ms viehnehr dursh die ausgezeiehnete Auswahl des Wesent- lichen, die es srm6gliehte, die Darstellung so iibsrsiehtlieh zu gestalten, dab aueh der praktisehe Arzt dureh das Studiunl des Buehes zu einem ~berbliek fiber die Hauptlinien dsr Gehirnanatomie kommen konnte. Das hat diesss Bueh41), das 1885 im Druek srsehienen ist, so bedeut- sam gemaeht, dab ss eines der verbreitetstsn Bfieher fiber Hirnanatomie wurde, aeht deutsche A~lflagen erlebte und in versehiedene frsmde Spr~ehen (franzSsiseh, engliseh, russiseh, italieniseh) fibersetzt wurde. Wir kommen auf das Bueh noehmals zuriiek. Wenn wir die Arbeiten Edingers aus den 80er und 90er Jahren fiberblieken, so linden wit in ihnen die Hauptcharakteristiea des Edingersehen Sehaffens sehon weselttlieh ausgepr~gt, die Arbeits- weise, die die wssentliehe Aufgabe in sinsr 6konomisehen Darstsllung des TatsSehliehen im Sinne Maehs sah, wie aueh die Vielseitigkeit der Problemstellung und den Grundgedanken, den Baudes Gehirnes in Beziehung zu seinen Leistungen zu verstehen. Das Prinzip der 6konomisehen Arbeitsweise liel3 ihn fiberall naeh den einfaehen Vorg~ngen sushen, um erst diese zu vsrstshen, she er sieh an das Komplizisrte heranwagte. Dies war es aueh, was ihn zur ver- gleiehenden Anatomie ftihrte. Hier hoffte er, anatomisehe Verh~ltnisse einfachster Art zu linden, und zwar -- eharakteristiseher.weise ffir seine Denkart -- nieht deshalb, wsil die Anatomie des Tiergehirnes leiehter zu tibersehen war (dazu war sie ja bisher noeh viel zu wenig bekannt), nein, was ihn bestimmte, war die Annahme~ dab entsprsehend den ein- faeheren Leistungen niederer Tiers sieh aueh einfaehere Msehanismen bei ihnen naehweisen 1.assen miil3ten. ,,Es muB", sagt er in der Vor- rede zur 2. Auflage seines Lehrbuehes4~), ,,sine Anzahl anatomiseher Anordnungen geben, die bei allen Wirbeltieren in gleieher Weise vor- handen sind, diejenigen, welehe die einfachsten J~ugerungen der Tiitig- keit des Zentralorgans erm6glichen. Es gilt nut, immer dasjenige Tier oder diejenige Entwieklungsstufe irgendeines Tieres ausfindig zu maehen, bei der dieser oder jener Meehanismus so einfaeh zutage tritt, dab er Ludwig Edinger. 117

voll verstareden werden kann. Hat man das Verhalten einer solehen Einriehtung, eines Faserzuges, einer Zellanordnung nur einmM ganz siehergestellt, so finder man sit gew6hnlieh auch da wieder, wo sic dutch Neuhinzugekommenes mehr oder weniger undeutlieh gemaeht wird. Das Auffinden soleher Grundlinien des Itirnbaues erseheint die niiehstliegende und wiehtigste Aufgabe des ttirnanatomen. Kennen wit nur erst eimnal sie, so wird es leiehi:er sein, die komplizierteren Einriehtungen zu verstehen, mit denen das h6her organisierte Gehirn arbeitet." Er sah sehr bald, dab dureh die bisherigen Fgrbemethoden dieses Ziel nur unvollkommen zu erreiehen war, und griff als einer der ersten (lie neue Weigertsehe Markseheidenmethode auf als tin Mittel, das uns ganz neue Einblieke in den Faserverlauf gestattet. Manehe Forseher lieBen sigh dutch die Ffille der Fasern, dig sieh bei Anwen- dung der Weigertsehen Methode zeigten, absehreeken, sit zu benutzen. Ihm sehien es selbstverstgndlieh falseh, eine Methode, dig er als eine bessere zur Erforsehung des Nervensystems erkannt hatte, deshalb nieht zu benutzen, weil sit zunSehst verwirrend ,~iel zeigte. Er suehte nut ihre Sehlvierigkeiten dadureh zu umgehen, dab er sie zun5ehst bei besonders einfaehen Verh:altnissen anwandte. Das fiihrte ihn zur Untersuehung embryonalen Materials, wo infolge dernur teil- weise vorhandcnen Markscheidenentwiekhmg dig Markseheidenbilder lange nieht so verwirrend, ja ganz besonders sehSn sind: Er war e.~ deshalb aueh, der die Verdienste F lechsigs immer wieder hervorhob. Die Kombination der drei methodisehen Mittel der Untersuehung embryonalen, vergleiehend anatomisehen Materials und die Anwen- dung der Weigertsehen Markseheidenf~irbung hag ihm eine grol3e Reihe bedeutungsvollcr Entdcekungen beschert. Es kann unm6glich meinc Aufgabe sein, die anatomisehen und ver gleiehend-anatomisehen Tatsaehen, die sieh an Edingers Namen knfipfen, alle aufzuzShlen. Ieh muB reich auf die Hauptsaehen be- sehrgnken. Naeh mehreren kleinen, aber sehr bedeutungsvollen Ar- beiten, die sieh mit dem Verlauf der It{iekenmarksbahnen zum Kleinhirn und zu weiter vorn gelegenen Hirnteilen, Teetum und Thalamusl2), mit den zent~alen Verbi.ndungen der Hirnnervenkerne;) and den Ursprungsverhgl~nissen des Aeustieus und ,,der direkten, sensorisehen Kleinhirn- bahn" la) besehiiftigten, und auf die wir noeh spiiter zuriiekkommen werden, ersehienen in den VerSffentliehungen der Senekenbergisehen Gesellsehaft seine beriihmten Untersuehungen tiber die ver- gleiehende Anatomie des Gehirnsl~), fiber da, s Vorderhirn (1887)19I), das Zwisehenhirn (1895)~9II), Neue 8tudien tiber das Vorderhirn der Reptilien (1896)1u m), 8tudien tiber das 118 K. Goldstein:

Zwischenhirn der Reptilien (1903)19IV), und spa~er gemein- sam mit Wallenberg und Holmes die Arbeit Uber das Vogel- hirn (1903)19v). Das waren die ersten wirklieh vergleichend- anatomischen Arbeiten, die, erg~,nzt, dutch eine Reihe ganz im gleichen Sinne geschriebener Arbeiten seiner Schiller, die Grund- pfeiler geworden sind, auf denen sich die vergleichend-anatomische Forschung des Gehirnes im wesent,lichen aufgebaut hat. Hier war nicht das Gehirn des einen oder anderen Tieres untersucht, sondern in systematischer Weise an den verschiedensten Tieren der gleichen Art und an verschiedenen Tierklassen (Fischen, Amphibien, Reptilien, VSgeln) die einzelnen Systeme herausgearbeitet und in Beziehung gebraeht und vor allem auch Homologisierungen mit dem S~ugergehirne versueht. So hat Edinger, urn nur einiges besonders Bedeutungsvolle seiner anatomischen Entdeckungen zu erwahnen, im Mittelhirn den nach ibm und Westphal benannten Nebenkern des Oeulo- motorius entdeckt. Es gelang ihm, die Faseruug, die vom vorderen Vierhiigel nach abw~rts geht, yon der Faserung, die das tiefe Vierhfigel- mark mit denl Rilckenmark verbindet, denl Tractus spino-tectalis, abzugrenzen. Das Zwischenhirn, das bis zu seinen. Arbeiten ein ganz dunkles Gebiet darstellte, wurde yon ihnl iu seineu Grundlagen festgelegt, und besonders dutch seine Schiller, Ka p pers, G01dstein, 1%6 t hig und F r a n z bei den versehiedenstea Tierklassen genau durch- forscht. Er entdeckte uimbh~ingig von Bettonzi, Singer und Miinzer eine basale Opticuswurzel, und mit Perlia ein zentrifugales Opticus- btindel, das aus einem besonderen Kern, denl Ganglion Isthmi, ent- springt. Er und seine Schiller brachten auch iiber die Hypophysis und die Epiphyse Aufklarung. Sein Hauptaugenmerk richtete Edinger auf die Erforschung des Vorderhirns und Kleinhirns. Er hat selbst mit Unterstiltzung seiner Schiller und Mitarbeiter das Vorderhirn fast siimtlicher Tier- gattungen bearbeitet,. Eine seiner ersten vergleichend-anatomischen Leistungen war schon yon fundamentaler Bedeutung fiir das Ver- sthndnis des Vorderhirnaufbaues. Es war der Nachweis, dab der ~'on den Autoren als Pedunculus cerebri bei den Fischen beschrie- bene Faserzug, den er basales Vorderhirnbilndel nannte, eine Ver- bindung des Stricture mit den tieferen Hirnteilen is~. Damit war nieht nur ein filr die vergleiehende Anatomie zur Orientierung sehr wichtiges System klargelegt, sondern auch naehgewiesen, dal~ das Corpus striatum nicht, wie man gew6hnlich angenommen butte, in die Faserung des Vorderhirns eingeschaltet, sondern der Ursprung tines Faserzuges ist. Der Naehweis dieses Zuges bei den Saugern war auch bei embryo- tlalem Material nicht zu erbringen gewesen, well es durch die Mtichtig- Ludwig Edinger. 119 keit der Faserung des Stabkranzes aus dem Hirnmantel unmSglich war zu sehen, welche Fasern aus dem Striatum und welche aus dem Him- mantel entspringen. Die Uberlegung, dab die Frage bei Tieren, die noch keinen Hirnmantel haben, zu kli~ren sein mfiBte, lieB ihn bei den Knochenfischen, yon denen nach Rahl-Riiekhardt hekannt war, dab sie keinen nervSsen Hirnmantel besitzen, die Faserung unter- suchen und ftihrte so zu seinen bedeutungsvollen Entdeckungen. Nachdem er diesen Faserzug bei den Knochenfischen festgestellt hatte, konnte er ihn in gleicher Lage bei den Vertretern aller Vertebraten- klassen auffinden und auch bei jungen mensehlichen Frtichten ah- grenzen. Bei alien Wirbeltieren li~Bt sich am Vorderhirn der Riechapparat, das Striatum und der Mantel unterscheiden. Je nach der verschiedenen Ausbildung der drei Abschnitte kommt es zu verschiedenen Gestal- tungen. Edi nger hat zur Kenntnis atler dieser Ahschnitte sehr Wesent- liehes beigetragen. Die grSBte Sorgfalt hat Edinger der Entwicklung des Hirn- mantels zugewandt. Er besti~tigte die Ansehauung Rabl-Rtiek- hardts, dab die Knochenfische einen rindenlosen Hirnmantel be- sitzen, brachte in das Vorderhirn der Haie mit seinen weehselnden Formen Kl~rung, indem er es auf das Vorderhirn der Roehen zurtick- filhrte und darlegte, dab sich bei diesen nicht, wie bei den anderen Wirbeltieren aus einem prim~ren Vorderhirn naeh vorn ein paariges sekund~res Vorderhirn entwiekelt, sondern dab diese Tiere zeitlebens tiber das Stadium der primitiven, unpaaren Form nicht hinauskommen. DEs Vorderhirn der Haie bekommt seine verschiedenen Gestalten da- durch, dab bei den verschiedenen Arten in wechselnder Weise sich An- lagen zu einem sekund~ren Vorderhirn finden. Er stellte" lest, dab das Vorderhirn der Amphibien sieh v0n dem ~'ller anderen Wirbeltiere durch die vorwiegende Ausbildung des Mantels 'und durch Zurficktreten. des Basalganglions auszeichnet. Dieses Gehirn steht -- wie iibrigens auch sein ilberaus einfaches Zwischen- und Mittelhirn -- nicht in der Reihe zwischen Fisch- und Reptiliengehirn, sondern in einer ganz abseits yon diesen liegenden Richtung. Uber den feineren Bauder Amphibien machte ein Schiller E dingers, Ogarzun, eine Untersuehung, die die erste Beschreibung der Hirnrinde des Frosehes enthielt. Er und seine Schiller, besonders LSwenfeld, Goldstein u. a. haben sich mit dem Aufbau des Rieehapparates bei den verschiedensten Tieren be- schaftigt, und Kl~trung in die Riechstrahlung gebracht. Edinger sneht scharf die Trennung von Riechlappen, Riechfeld und Ammons- rinde durehzuffihren. Von den eigentliehen Riechlappen trennt er den Lobus parolfactorius, in dem er, z. T. auf anatomischen Unter- suchungen yon Wallenberg und yon Kappers aufbauend, das Zen- 120 1(. G,~);dslein: trum eines besonderen Sinnesapparates entdeckt. Wir kommen auf diesen Lobus parolfaetorius, den er bei versehiedensten Tieren sorg- fiiltig durehforseht hut, spi~ter noehmals genauer zu spreehen. Frfihzeitig interessierte ihn das Striatum. Wir haben die Ent- deekung des basalen Vorderhirnbfindels aus dem Striatum sehon er- whhnt4). Er best~tigte den Befund der Ei~.dungen yon Rieehbahnen im primitiven Striatmn der Fisehe. Er konnte frontal und dorsal vom Striatum einen ihm aufgelagerten Kern bei den ]~'isehen abgrenzen, den er Epistriatum nannte, bei allen Wirbeltieren feststellte und bei den S~tugern im Nucleus amygdalae identifizierte. Bei den Reptilien grenzt er neben dem Epistriatum noeh ein Meso- und Ektostriatum ab, zu denen bei den S~ugern noeh das Putamen hinzdkommt. W~hrend for das primitive Striatum nur eine Verbindung mit dem Rieehapparat besteht, gewinnt das Epistriatum eine Beziehung zur Rinde, die yon den Repti- lien an als Traetus-eortieo-epistriatieus bei allen Wirbelt, ieren naehweis- bar ist.. Bei den S~ugern ist er dutch die Taenia semieireularis vertreten. Edinger bestfitigt die yon Stieda gemaehte bedeutungsx, olle Ent- deekung, dab bei den Reptilien zum ersten Male eine unzweifelhafte Hirnrinde naehweisbar ist und untersueht dieselbe genauer; es gelingt ihm, einen Rindenabsehnitt dureh seine eharakteristisehe Lage als Ammonsrinde zu identifizieren und seine Verbindung mit dem Rieeh- apparat dutch eine sekundi~re oder tertfitre Olfaetoriusbahn darzulegen. Er stellt weiter fest, dal3 bei den Reptilien zum ersten Male in der Tierreihe ein wohleharakterisierter Faserzug aus dem Pallium in tiefer gelegene Hirnteile zieht, der eine Verbindung der Rinde mit dem Rieeh- apparat darstellt,. Edinger erkennt sofort die weit. fiber das rein morphologisehe in teresse hinausgehende Bedeutung dieser |?eststelhmg. Danaeh ist die erste sieher naehweisbare Projektionsbahn gefunden und dargetan, dal.~ der Rieehapparat der erste Si;~nesapparat ist, der eine Verbindung mit dem hSehst, eil Absehnitt des Gehirns, mit der Rinde, erlangt. ])er gr6gte Teil der Reptilienrinde und damit (lie erste in der Tierreihe auftretende Rinde ist t/ieehrinde. eine ]~eststellung, auf deren grol~e ]~edeutung fflr die Physiologie wit sparer noeh zurfiekkommen werden. Neben der Verbindung der t/,inde mit dem Rieehapparat finder" sieh bei den Reptilien eine sehr sehwaehe Verbindung mit den Optieus- zentren, die bei den V6geln eine m~iehtige Ausde!mung erfiihrt. Edinger legt ferner dar, dal~ die Entwieklung des Vorderhirns bei den Reptilien nieht in gle'_'ehm~tgig, fo~'tsehreitendem Mage erfolgt. ~ondern naeh zwei wesentlieh versehiedenen Riehtungen." Die eine bei den VSgeln besteht darin, dal3 die Rindenformation fiber diejenige der lteptilien nieht wesentlieh hinausgeht, dab es dagegen zu einer ganz Ludwi-' Edinger. 121 kolossalen Entwieklung der Stammganglien bei ihnen kommt. Bei den anderen S~ugern dagegen kommt es vor allen Dingen zu der m~eh- tigen Ausbildung der Rinde. Im fibrigen nehmen vor Mlem die die Rinde mit tieferen Hirnteilen verbindenden Fasern zu, sie reiehen mn so tiefer herab, je h6her das Tier in der i~eihe steht. Nieht minder bedeutungsvoll wie seine Untersuehungen fiber das Vorderhirn sind diejenigen fiber das Kleinhirn. Im Jahre 1886 ent- deekf er eine ,,direkte sensorisehe Kleinhirnbahn"l'~), die ans der Ge- gend der Kugel, des Pfropfes und des Daehkernes z. T. in den Aeustieus, z. T. in den Trigeminus und in di6 Hinterstr~tnge verli~uft. Im Jahre 1889 kann er sehon fiber die Ergebnisse der Untersuehung des Kleinhirns der ganzen Tierreihe beriehten 14) und die im wesentliehen herrsehende Gleiehheit dartun, einerlei ob es sieh mn das dfinne Bli~ttehen, welches das Kleinhirn des Frosehes darstellt, oder um das Riesenorgan der Haie handelt. In~ Jahre 189915) trennt er dann auf Orund eigener un(l fremder Untersuehungen den Traetus nueleo-eerebellaris yon der direkten sensorisehen Kleinhirnbahn ab. Der erste verbindet die Daehkerne mit dem Kern des Vagus, Glossophar3mgeus, Aenstieus, Aceessorius, Quintus. Zu ihm z~thlt er aueh die l~tngst bekannten Klei.nhirnseiten- strangbahnen aus den Clarkesehen S~tulen und die f'ibrae areiformes post. aus den Hinterstrangkernen. Die direkte sensorisehe Kleinhirn- hahn, die wit sehon frfiher erw~thnten, zieht, aus den Ganglien ent- springend, mit den Wurzeln in das Kleinhirn. Er konnte sie bei S~tugern nur in dem Aeustieuszuge zum Beehterewsehen Kern und wahrsehein- lieh in einem analogen Zuge zum Ganglion Gasseri naehweisen. Bei den Selaehiern kolmte er sie auf Grund yon Untersuehungen der De- generationen an Gehirnen yon Bethe dperierter Tiere als die we- sentliehe Masse der Kleinhirnfaserung dieser Tiere fiberhaupt nath- weisel], Im Jahre 1909 xT) nahm er auf Grund yon eigenen und Untersuehun- gen yon C o m o 1li in seinem Institute ein'e Homologisierung der so auger ordentlich variablen Cerebella der versehiedenen Tiere vor. Er legte dar, daft der vordere und hintere Absehnitt des ursprfingliehen Cere- bellum, der vor dem Suleus primarius anterior gelegene, der Lobus anterior, und der hinter dem Suleus primarius posterior gelegene -- Floeeulus und Nodulus -- fiberall die gleiehen bleiben, w~ihrend aus dem mittleren Absehnitt seitlieh neue Teile auswaehsen, die -- aller- dings deutlieh nur embryonal -- zwei Furehen aufweisen, dureh die an ihnen drei Teile, ein vorderer, mittlerer und hinterer abgegrenzt werden. Von ihnen erf~hrt der mittlere Teil die gr6gte Entwiektung, z. B. beim Pferd, Affen und Mensehen. Daneben versehwinden die anderen seitliehen Teile mehr oder weniger. Dureh versehiedenes Waehs- finn der versehiedenen Absehnitte hei den versehiedenen Tieren ent- 122 K. Goldstein:

stehen verschiedene Typen, die aber auf Grund dieses Schemas eine Homologisierung erm6glichen. Spgter gemachte Untersuchungen mit Shimazono (1912) ermSglichen es ihm, eine Gesamtauffassung des Kleinhirns is) vorzulegen, die zu dem Ausblick berechtigte, dug ,,ffir keinen Hirnteil die Faserbeziehungen so bekannt sind, wie ftir das Mittelsttick des Kleinhirns". Er unterscheidet 1. die afferenten Bahnen bUS den hinteren Wurzeln, die bur dem Wege der Kleinhirn- seitenstrangbahn zum Kleinhirn verlaufen. Sic enden in der Klein- hirnrinde, und zwar gleichseitig und gekreuzt und umspinnen bier die Purkinjezelle~r und ihre Ausl~ufer. 2. Den Tractus nucleo-cerebellaris. Die Achsenzylinder der Pur- kinjezellen ziehen zu den Kleinhirnkernen. 3. Den Tractus cerebello-tegmentalis: Efferente Fasern aus den Kleinhirnkernen in die verschiedenen Kerne der Haube des'Mittelhirns, der Oblongata und des oberen Rfickenmarkes (Nucleus ruber, Nucleus Deiters, zerstreute Riesenzellen der Oblongatahaube, oberes ttals- mark), die Edinger als Nucleus motorius tegmenti zusammenfagt. 4. Fasern bUS den motorischen Haubenkernen, die die Ursprungs- st~itten der motorischen Nerven erreichen (Tractus rubro-spinalis, Tr. deitero-spinalis, das dorsale L~ngsbiindel). Der Kleinhirnwarm mit seinen Verbindungen ist ihm das Organ ffir den Statotonus, ,,die- jenige Muskelspannung, die erforderlich ist, um neben der eigentlichen Innervation, ja innerhalb derselben, Haltung und Gang zu sichern". Die groBe Summe yon eigenen und fremden Einzelergebnissen fiber das Verbebrat~engehirn dienten ihm als Grundlage zu einer Ge- samtauffassung des Gehirns. Edinger unterscheidet am Verte- bratengehirn erstens das P a 1~ e n c e p h a 1o n, den sogenannten Eigen- apparat, der sieh in der Vertebratenreihe nicht wesentlich iindert yon einem anderen, zweiten darfiber gelagerten Tell, dem Neencepha- 1o n, das dauernd in der Vertebratenreihe zunimmt, bis es beim Menschen ~eine hSchste Vollkommenheit erreieht. Das Palgencephblon umfal~t alles, was zwischen Rtickenmark und Riechnerveneintritt liegt. Dar- tiber sind das neencephale Groflhirn und die neeneephalen Klein- hirnhemisphgren gelagert. Wir werden sp~ter sehen, welch grol~e Bedeutung dieser Abgrenzung ffir die vergleichende Psychologic zu- kommt. Bei den Mtesten Vertebraten, Myxine und Petromyzon, besteht das Vorderhirn nut aus dem pali~encephalen Tell, dem Lobus olfacto- rius und einem Ganglion, dem Corpus striatum. Diesen Teil, das direkte Endgebiet des Riechnerven und das Striatilm, nennt E d inger H y p o- s p h~ri u m, well es yon den l~eptilien ab bei allen Vertebraten ganz an der Hirnbasis liegt. Anf~nglich geh6rten alle W~nde der Hirublase dem ttyposph~irium an. In den dorsaten und medialen W~nden der Ludwig Edinger. 123 ttirnblase entwickeln sich dann besonders wichtige Gebilde. Dieser Abschnitt heiBt Mantel, Pallium. Er ist bei Knochenfischen epi- thelial, bei Selachiern und Amphibien hat er schon nerv6se Substanz. Sein caudaler Abschnitt gewinnt zuerst Rindenstruktur und die erste Beziehung zu einem Sinnesapparat, zum Riechapparat. Edinger bezeichuet diesen Teil als Episphi~rium. Mit ihm gesellt sich zum pali~encephalen ein neencephaler Vorderhirnteil. In einem Vortrag auf der Naturforscherversammlung'im Sept. 1905 23) legt er, ausgehend yon dem Gehirn yon Hermann yon Helmholtz und herabsteigend bis zum Gehirn yon Myxine, dar, wie diese neue Einteilung eine l~ber- sicht fiber die Entwicklung des Tiergehirnes yon den niedersten bis zu den h6chsten Vertebraten erm6glicht. :Die besprochenen anatomischen Untersuchungen und noch andere, mit deren Airffihrung im Literaturverzeichnis ich mich begniigen muf3, verschafften Edinger den l~uf eines Meisters der Anatomie des Ner- vensystems, und sein Ruf auf diesem Gebiete wurde so grof3, dab man oft darfiber seine fibrigen Leistungen fibersah und verkannte, dal3 ja im letzten Grunde die Anatomie ffir ihn nur eine Methode zur Erforschung war ffir viel weitergehende Plane, nie Selbstzweck. Es ist hierffir wohl nichts charakteristischer als sein Satz: ,,Hirnana- tomie allein getrieben, ist eine sterile Wissenschaft", der in der Ein- leitung der vergleichenden Anatomie steht, als sie zum ersten Male als selbsti~ndiges Buch erscheint. Ludwig Edinger war trotz seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie kein Anatom, sondern ein Biologe des Nervensystems, ein.Neurologe in des Wortes weite.ster Bedeu- tung. Wie wir schon andeuteten, war es ihm nicht so sehr um die Anatomie an sieh, sondern um die Anatomie ats Mittel zur Erforschung der funktionelten Leistungen zu tun. So enthatten fast alle seine ver gleichend-anatomischen Arbeiten Er6rterungen fiber physiologische und psychologische Probleme, ja, die Anregung zu bestimmten Fr~ge- stellungen auf vergleichend-anatomischem Gebiet war ganz vorwiegend vorr funktionellen Gesichtspunkten geteitet. Er untersuehte keines- wegs wahllos verschiedene Tiergehirne und verglich die. :Befunde, son- dern er suchte, ausgehend yon einer bestilnmten bekannten Funktion und dem ihr entsprechenden ttirnbau die Tiere aus, die diese Funktion besonders deutlich aufwiesen, in der Voraussetzung, dort den erwarteten Hirnbau besonders fibersichtlich zu linden, wie ihn andererseits wieder am der Hirnbau zu physiologischen Untersuchungen veranlal3te. Das Verbindende war zun~tchst die gleiche Funktion. So gingen verglei- chend-anatomische und physiologisch-psychologisehe Betrachtungs- weise immer Hand in Hand, beide sich gegenseitig befruchtend und Fragen ~ufgebend. 124 K. Goldstein :

Wie innig bei ihm Anatomie und Physiologie bis zu ihrer Anwendung auf Pathologie und Klinik verkntipft waren, zeigt sehon die erste Auf- lage seiner Vorlesungen. Es liege sieh dieses weiter an vielen Einzel- arbeiten dartun. Nine seiner ersten grogen anatomisehen Entdeekungen war die Darlegung des zentralen Verlaufes der Bahnen aus den Hinter- strangkernen und der Nachweis eines ttinterstranganteils im Corpus rest.iforme, sowie einer bereits im Rtiekenmarke kreuzenden, im Vorder- seitenstrang aufsteigenden Bahn, die das Riiekenmark mit dem Mittel- hirn und Zwisehenhim verbindet. (Tr. spino-teetalis thalamieus, Edingersehes Biindel.) Ns gelingt ihm, naeh der Entdeekung der Faserziige am mensehliehen Foetus, den der mensehliehen Sehleife entspreehenden Faserzug aueh bei niederen Tieren festzustellen, eine ftir die Orientierung am Tiergehirn sehr wiehtige Entdeekung. Er begniigt sieh aber nieht miC den gefundenen anatomisehen Tatsa- ehen. Er erkennt sofort ihre groge Bedeutung ftir unsere Auffassung der sensorisehen Leistungen, bringt sie in Beziehung zu den Ergeb- nissen der experimentellen Physiologie und der kliniseh-patholo- gisehen Forsehung und legt seine Rcsultate in einem Schema fest, das yon fundamentaler Bedeutung ffir die Klinik wird, um so mehr, als er seine Ansehauung in des Deutsehen lnedizinisehen" Woehen- sehriftg), in einer Form zur Darstelhmg bringt, die sie filr den Kli- hiker ohne weiteres brauehbar maeht. Wit sind jetzt in der Lage, m~s i~ber den Verlauf der sensorisehen Bahnen im Rfiekemnarke und Gehirn eine Vorstel!ung zu bilden. Der Sehlug seiner Ausffihrung eha- rakterisiert aufs seh6nste geine Arbeitsweise: ,,Die anatomisehe Unter- suehung, die vergleiehende Anatomie, die Entwieklmlgsgesehiehte", sehreibt er, ,,haben ()bereinstimmendes ergeben. Die Erfahrungen der Pathologie und der Physiologie haben das dort Ersehlossene .gestiAtzt. ieh iiloergebe deshalb das Schema, welehes das Gasagte nur einfaeh im Bilde rekapituliert, der Prtifung der Kollegen." In weleher Wdse (tie funktionelle Betraehtungsweise seine ana- tomisehen Studien bestimmte, zeigt sieh besonders seh6n an seiner Entdeekung des sogenannten Oralsinnes. Er hatte mit Wallenb~rg und Holmes am Vogelgehirn einen Hirnteil entdeekt., der, dieht hinter dem L,obus olfaetorius liegend, den grSgten Tell der Hirnbasis bei diesen Tieren einnimmt. Er weist zwci Lappen, einen medialen und einen lateralen auf, yon denen der mediale als Lobus parolfaetorius bezeiehnet wurde. Es fiel auf, dag beim Papagei und beim St rauB dieser mediale Absehnitt besonders m~ehtig war. Edinger fand den Lobus par01faetorius aueh bei Krokodilen und Sehildkr6ten stark aus- gebildet. Untersuehungen mit K a p p e r s ergaben, dab beim Chamiileon, eineln Tier, dessen Rieehlappen selbst ganz atrophiseh ist, der Lobus parolfaetorius eine enorme Ausdehnung erreieht, ~thnlieh wie bei den Ludwig Edinger. 125

V6geln. Edinger fragte sieh nun sofort, warum gerade bei diesen Eideehsen dieser Hirnteil fast so wie bei den V6geln entwiekelt ist, und braehte seine Entdeekung in Beziehung zu der fiberaus gesehiekt ausgebildeten Zunge dieser Tiere. Wallenberg hatte experimenteI1 naehgewiesen, dag eine Verbindung des Lobus parolfactorius mit dem Trigeminusgebiet in der Oblongata besteht, tlsizversuche, die Kali- s chef an Papageihirnen angestellt hatte, ergaben, dag eine elektrische Reizung dieser Gegend Schnabelbewegungen hervorruft. Alle diese Tatsaehen zusarnmenfassend, betraehtet Edinger den Lobus parol- faetorius des ChamMeons als einen zentralen Apparat ffir die Zungen- bewegung. Zwar war hier die Beziehung des Hirnteils mit dem Trige- minus nieht experimentell erwiesen, eine Untersuehung versehiedener Reptilienserien lieg abet die entspreehenden Fasern bei versehiedenen Reptilien feststellen und so wurde as ibm h6ehst wahrseheinlieh, dag der Lobus parolfaetorius der I~eptilien und V6gel ein Zentrum for die Zungen und Kaubewegung darstellt. Er untersueht nun unter dieser Fragestellung das Gehirn versehiedener Si~uger, bei denen das ent- spreehende Gebiet als Lobus olf. post. benannt ist. Er findet es bei einigen Tieren sehr grog und maeht as wahrseheinlieh, dab die bei diesen Tieren m~ehtige Fasermasse, die caudal dan Rieehtappen verli~gt, das sogenannte eaudale Rieehbfindel, eine analoge Verbindung mit der Oblongata darstellt, wie sie vom Lobus olfaetorius aus bei dan V6geln besteht; er stellt sieh nun die Frage, ob nieht dieses caudal vom Rieehlappen gelegene Gebilde bei dan S~ugern irgend- ein Zentrum bildet ftir um den Mund gelegene Funktionen. Ein Ver- gleiehen des Lobus parolfaetorius bei einer grogen Zahl yon Sgugern ergab, dag diejenigen mit groger Sehnauzenbildung einen m~eh- tigen Lobus parolfaetorius alffweisen. So kommt er zu dam Sehlug, dal3 wohl alle Wirbeltiere, sieher die l~eptilien, V6gel und Sguger, einen I-Iirnteil haben, dessen Entwieklung parallel mit tier Entwieklung der Sehnauzenentwieklung geht. Die Funktion des immer vom Trige- minus reich versorgten Sehnauzenapparates fal~t'er als Oralsinn 2s) zusammen. ,,Der OrMsinn tritt immer gleiehzeitig mit dem Geruch- sinn bei der Nahrungsuehe und Nahrungsaufnahme in Tgtigkeit, beider Sinne i~ezeptionsapparate und Zentralapl~rate sind dieht benachbart angeordnet." Edinger sueht aueh gleich die Verbindung des Lobus parolfaetorius mit dem tibrigen Gehirn festzulegen und findet fti~ lgngst bekannte Fasersysteme eine neue Auffassung. Aus dem Mark des Lobus parolfaetorius erheben sieh die Zfige der Taenia thalami zum Ganglion habenulae. Aus dem Ganglion entspringt der Faserzug zum Corpus interpeduneulare, der Faseieulus retroflexus yon Meynert. Alle diese Ganglien und t~asersysteme bilden einen gemeinsamen Apparat. 126 K. Goldstein:

Ganz besonders zeigt sich die Abhangigkeit der anatomischen ]?or- schungen yon der Frage nach der Funktion bei Edingers Arbeiten fiber die Hirnrinde. Das Problem, das ihm hier am Herzen lag, war das Verst~ndnis ffir die Leistungen der Hirnrinde des Menschen. Um aber hier weiter zu kommen, erschienen ihm die Verhaltnisse des mensehlichen Gehirns zu kompliziert. Er muBte einfachere Verh~lt- nisse suchen, und die fand er einerseits in der v e r g leic h e n d e n A n a - tomie, andererseits in der vergleiehenden Psychologic. Ffir die Erforschung der psyehologischen Tatsaehen muBte er erst eine Kl~xung der Fragestellung schaffen. Einen Versuch dazu linden wir schon in den ersten diesbezfiglichen Arbeiten aus dem Jahre 91/93 45/49). ,.Bei tierpsychologischen Betrachtungen", sehreibt er, ,,mug man streng das Hineintragen rein menschlicher psyehologischer Begriffe in die Tierbeobachtungen vermeiden." Man mfisse zunachst versuchen, die Beobachtungen zu verstehen als Folge eines anatomisehen Mecha- nismus und nut dann Begriffe wie Wahrnehmungen, Vorstellungen usw. einfiihren, wenn man ohne sie nieht auskommt. Die Psychologie gehSre den Psychologen und ihrer Methodik. Er warnt ebenso vor einer rein materialistischen Auffassung wie vor einer spekulativ metaphysi- sehen. Ffir den Naturforscher handle es sich darum, sich konkrete Fragen fiber die Leistungen eines Tieres zu stellen und diese durch Tat- sachen zu beantworten. ,,Wit dfirfen aus dem gleichen Bau auf die gleiche Leistungsf~higkeit sehliel~en. Sollte also die anatomisehe Unter- suehung nachweisen, dal~ zu einem Teile wohlbekannter Leistungen sieh andere Teile zugesellen, so erwachsen daraus der Psychologie und Physiologie neue Fragestellungen. Es ist denkbar, dab wir, wenn ihre Beantwortung gelingt~ dereinst durch die kongruent gehende anatomisehe Untersuchung und die biologisehe Beobaehtung einmal einen Einblick in die Entstehung der Geistesf~higkeiten bekommen, dab sich wahre vergleiehende Psychologie heranbildet. Hier liegen also die Aufgaben, welche sich die vergleichend-anatomisehe Betraeh- tung stellt. Hier liegt das Ziel, auf das sie lossteuern soll." Er sucht nun festzustellen, was denn Menschen oder Tiere ohne Hirnrinde zu leisten vermSgen, und diese Leistungen aus den gesamten Leistungen des Tieres herauszuseh~len und damit die eigentliche Rindenleistung zu erke~nen. Er geht dabei einerseits vonder Rinde beraubten Tieren oder Mensehen aus, andererseits yon so niedrigen Tieren, die noeh gar keine oder eine noch wenig entwickelte Rinde besitzen. Unter diesem Gesiehtspunkt besprieht er das Seelenleben des Neugeborenen im Ver- hMtnis zu der Entwicklung seiner HirnrindO 4) und analysiert sp~tter e~) die Lebensaul~erungen eines 4j~hrigen Kindes, dessen yon ihm gemein- sam mit Fischer unternommene anatomische Untersuehung ergab, dab es des GroBhirnes so gut wie vSllig ermangelte, stellt er die Lei- Ludwig Edinger. 127

stungen des von Goltz operierten groBhirnlosen Hundes seinem ana- tomischen Befunde gegenfiber4~). Unter diesem Gesichtspunkt studiert er vor allem die Leistungen der einzelnen Tierarten im Verhi~ltnis zur Entwicklung ihrer Rinde. Selbstversti~ndlich mul3ten ihn die rindelosen Fische und die Reptilien, bei denen die Rinde zuerst auftritt, besonders interessieren. Er sucht auf verschiedenen Wegen fiber die Leistungen der einzelnen Tierarten sich Kenntnis zu verschaffen. Viele der vorhandenen Tierbeobachtungen waren nicht zu gebrauchen, weil die Beobachter nicht vorurteilsfrei an die Tiere herangetreten waren. Er scheut sich nieht, sich auch an Laien um Auskunft zu wenden, gibt ihnen aber die nStigen Anweisungel~, die eine objektivc Betraehtung ermSglichen sollen und bekommt so die interessantesten Resultate. So z. B. durch seine EnquSte fiber die Frage: Haben die Fische Gedi~chtnis? 50). Er lehrt in einer rei- zenden kleinen Abhandlung im Kosmos die Aquarien- und Terrarien- liebhaber ihre Beobachtungen in ffir die Wissenschaft nritzlicher Weise 55) zu machen. Er macht selbst Beobachtungen in Aquarien und Terrarien, er beobachtet einen Hund ein Jahr lang unter ganz praziser FragestellungeS). Die Studien des Gehirns wie der Leistungen der Fische frihren ihn zu dem Resultat, dal~ diese rindenlosen Tiere in ihren Lei- stungen nur wenig fiber festgefrigte Bewegungsablaufe, die an bestimmte Reize gebunden sind, hinausgehen. Jedenfalls ist das Ged~chtnis, das wir bei ihnen anzunehmen haben, graduell weit verschieden yon demjenigen, welches wir bei Saugern kennen. Die vergleichende ana- tomische Betrachtung lehrt itin, dab der erste Gehirgabschnitt, der in Beziehungen zur Hirnrinde tritt, der Riechapparat ist. Die i~lteste Hirnrinde besitzt wesentlich nur eine Verbindung mit dem Geruchs- apparat. So besteht der seelische Hauptunterschied zwischen einem Fische und einem Reptil darin, daI~ das letztere imstande ist, eine Geruchsempfindung zurfickzuhalten, zu assoziieren, zu verwerten. Alhn~hlich addiert sich zu der Riechrinde der ganze Hirnmantel aus einzelnen Stricken. So gewinnt die Rinde bci den V6geln die Beziehung zu den Endst~tten des Opticus, die die niederen Vertebraten noch ent- behren. Darauf beruht die MSglichkeit, die Fische zu angeln, die Tat- sache, dal] Reptilien die Beute nur erkcnnen, solange sie sich durch Geruch oder Bewegung verri~t, wi~hrend sie Seheindrricke noch nicht zu verwerten vermSgen, was das Verhalten der V6gel vor ihnen aus- zeichnet. Diesen genfigt die Verwertung von Geruchseindrricken ffir des Lebens Notdurft nicht, sie mrissen hoch fiber ihrer Nahrung, ihrer Wohnung usw. schwcbend in der Lage sein, diese optisch zu erkennen und vor allem sie von etwa bewegten nahrungsi~hnliehen K6rpern zu unterscheiden. Die V6gel haben ein optisches Gedi~chtnis und sie haben es infolge der Verbindung der optischen Apparate mit einer-Sehrinde. 128 K. Goldstein :

Deshalb kann man sie auch durch optisehe nur assoziativ erkennbare Eindrfieke loeken und seheuehen (Vogelseheu'chen). Der weitere Fort- sehritt gesehieht nun nieht nur dureh eine Vergr6Berung der Rinde, sondern besonders dureh die feinere Ausbildung derselben, dureh die Ausbfldung der Assoziationsbahnen. Sehon bei den VSgeln treten Assoziationsbahnen auf, die einzelne Hirnteile verbinden. Diese nebmen im Laufe der Entwieklung bis zum Mensehen immer zu. Das S~uger- gehirn ist dureh die massenhafte Bildung der Assoziationsbahnen ausgezeiehnet. Es erhebt sieh nun die weitere besonders interessierende Frage, wie sieh das Gehim und die Leistungen bei den S~ugern entwiekeln. Ist aueh da eine einfaehe Entwieklungsreihe aufzustellen ? Eine Ant- wort hierauf ist allerdings bei den reeht m~ngelhaften Kenntnissen fiber, das Seelenleben der Siiugetiere nur in geringem Mal3e mSglich. Sehon eine oberfl~ichliehe Betrachtung der Leistungen der einzelnen Tierarten ergibt aber, dab es sieh hier nieht um eine einfache Fort- entwicklung handeln kann. Die einzelne Tierart steht keineswegs in allen ihren Leistungen gleich hoch; ein in einer Hmsieht hochstehendes Tier ist in anderer minderwertig und mangelhaft. Ftir diese Ausbildm~g spezieller Leistungen galt es die entsprechende besondere Entwieklung einzelner Rindenteile festzustellen, was wiederum zur Erforschung der Besonderheiten der einzelnen Arten ffihrte. Immerhin ergaben sich wenigstens ftir die h/ichsten Tierarten, vor a]lem aneh den Men- sehen. Besonderheiten d~s Gehirns, die als Fortentwicklung zu betraeh- ten sind. Edinger hat hier die neueren eytologischen Forschungen und auch die Schi~delausgfisse des diluviMen Mensehen zur vergleiehen- den Betrachtung herangezogen und auf Grund dieser seine Anschauutlg fiber die Bedeutung des Stirnlappens, dessen Ausbildung allein das Primatengehirn vor allen anderen auszeiehnet, und fiber die besonderen Eigentfimlichkeiten des Mensehenhirns entwickelt, das durch den miichtigsten Stirnlappen charakterisiert ist, als Ausdruek" der Ent- wicklung der Spraehe. In den letzten Jahren hat er sieh ganz vorwiegend mit dam Men- schengehirn und seinen Leistungen befagt und ist so zu dem Ausgangspunkt seiner Forschungen wieder zuriickgekehrt. Es war einer seiner letzten Vortr~ige, in dem er Ihnen hier seine neue Einteilung vortrug. Ich hatte die Freude, mit ihm gemeinsam an dem ihm be- senders lieben Problem arbeiten zu k6nnen. Dieser Einteilung des Menschenhirns lag eine ganz neuartige Auffassung der verschiedenen Teile des Vertebratengehirns zugrunde, zu der ihn wiedermn der Ge- sichtspunkt der Funktion gebracht hatte. ,,Die bisherige Einteilung des Nervensystems in Grol3hir~, Kleinhirn usw. ist nieht die rationellste," sagte er in einem Vortrage auf der Natur- Ludwig' Edinger. 129 forscherversannulung im Oktober 1909, ,denn es zeigt sich bei Betrach- tung des Nervensystems dureh die ganze Tierreihe hindurch, dab hier andere viel durchgehendere uud verschiedenere Unterabteilungen exi- stieren, und zwar in einen pal~encephalen und einen neencepha- len Teil." Das Palaeencephalon umfa/3t alle Teile auBer der Rinde. So verschiedenartig seine einzelnen Abschnitte bei den einzelnen Tieren gestaltet sein mSgen, in ihrer Funktion bleiben sie im Prinzip die glei- ehen und sind deshalb zusammenzufassen. Das Palaeencephalon emp- fi~ngt Sinnesrezeptionen und beantwortet sie mit Bewegungskombi- nationen. Es ist der TrSger der Reflexe und vieler Instinkte. Die Vor- g~nge, die sieh in dem Palaeeneephalon abspielen, und die yon der eigentlichen Wahrnehmung und Handlung zu unterseheiden sind, bezeiehnet Edinger als Receptio und Motus und die Beziehung zwischen beiden als Relation. Zu diesem Palaeenceph.alon gesellt sich das Neencephalon (die Hirnrinde), das in zunehnmndem MaBe Einflu8 auf das Palaeencephalon gewinnt and dessen T:,itigkeit mitbe- stimmt. Mit dem Auftreten der Rinde kommen zu den palSencephalen Leistungen neue, neencephale, hinzu, das, was wir mit Wahrnehmen, Erkennen, Handeln bezeichnen. Das Neencephalon vermag die dutch Leistung des Palaeencephalon zustande kommenden Einzelrezeptionen mit zahlreichen anderen dadurch zusammenzuordnen, dab es sie zurtick- beh~lt und auch wieder irgendwie zu reproduzieren vermag, wenn gleiche oder auch nur verwandte Rezeptionen es anregen; diese erwecken dann ihrerseits ebenfalls dutch assoziative Verkniipfung erworbene Bewegungskombinationen, Handlungen. Edinger wahlte ffir diese Leistungen die Bezeichnungen Gnosien und Praxien und ffir die dazwischenliegenden Vorgiinge den Namen Assoziation. Die Gnosien und Praxien sind an einzelne Rindenteile gebunden. Ihre Zerst6rung erzeugt die Apraxien und Agnosien. Das Palaeencephalon kann auch bei den Tieren, die ein Neencephalon besitzen, allein funktionieren, doch ist das bei den einzelnen Arten in verschiedenem MaBe der Fall. Je hSher ein Tier in der Tierreihe steht, je mehr bei ihm die Hirnrinde entwickelt ist, um so mehr wird auch die Leistungsfiihigkeit des Palae- encephalon "durch FortfM1 des Neencephalon beeintrachtigt. Der Fisch, der ja kein Neencephalon besitzt, verrichtet alle seine Leistungen ohne dasselbe. Der neugeborene Shugling, der sich anatomisch i~hnlich verh~lt, vermag das nicht mehr. Der erwachsene Hund mit entferntem Grol~hirn vermag aber wenigstens noch eine grol.~e Reihe palhenc~ phaler Handlungen wieder zu lernen. Der Hund ternt bald wieder laufen, ja eine Hiirde fiberklettern, fressen, Urin und Kot in nor- maler Weise entleeren, es wechselt l]ei ihm in normaler Weise Schla- fen und Wachen. Das Kind ohne Gro[3hirn ist fast bewegungslos, es benutzt nieht die Hand zum Halten usw., muB" geffittert ~erden, Z. f. d. g..Neur, u. Psych. O. XLIV. 9 130 K. Goldstein: veri~ndert in nichts seine Lage beim Stuhl und Urinlassen, schlaft fast immer. Der Mensch ohne Grol3hirn ist weniger leistungsfithig als ein Fisch oder Frosch ohne Grol~hirn. Durch die verschiedene Ausbildung der einzelnen gnostischen und praktischen Apparate unterscheiden sich die einzelnen S~uger sehr voneinander und iibertreffen z. T. auch den Menschen. Deshalb ,sind z. B. etwa das Pferd oder der Hund in vielen Wahrnehmungen und darauf basierten Handlungen dem 5Ienschen bedeutend tiberlegen. Doch unterscheidet sieh der Mensch von ihnen allen sehr wesentlich dutch das Hinzukommen einer dritten Art von Leistungen, die wir ats Einsicht, Verstehen, Intelligenz bezeichnen, ,,die F~thigkeit, die eigenen Wahrnehmungen zu verstehen und danach die Handlungen einzuleiten, zu unterdriicken oder zu ~ndern, sehliel3tich den Erfolg der Handhlng zu beurteflen und sp~itere danach einzuriehten. Diese Fghigkeit, und nur diese, mag man als Handlungen mit Bewugtsein bezeichnen"41). (8. Aufl., S. 520.) Wir wissen von uns selbst, dal3 wir vielerlei komplizierte Reize aufnehmen und an sie komplizierte Verrichtungen kntipfen~ dal~ sich Gn.osien und Praxien abspielen kSnnen, ohne dal~ sie uns bewuBt werden. ,,Die Hypothese von einem BewuBtsein, das alle Hirnlei- stungen begleitet, hat sieh nicht einmal als heuristisch wertvoll erwiesen, es gibt keine Tatsache, auf die ~4r durch sie kamen: Uns soll die An- nahme gentigen, dal~ alle jene Receptiones et motus, alle jene Gnosien und Praxien als rein physiologisehe Vorgi~nge verlaufen k6nnen, und dal~ sich ihnen von einem gewissen Stadium der Hirnentwicklung an etwas Neues, eben jenes BewuBtsein addieren kann. Mit ihr treten wir nicht aus dem Kreise des Beobachteten heraus" (S. 521). All das muB uns veranlassen, das Bewul~twerden mit einer beson- deren Leistung der Hirnrinde, und zwar besonderer Abschnitte der- selben zu verknfipfen. Dag das Bewugtsein an die Hirnrindenverbin- dungen gekniipft ist, das lehrt uns z. B. die Tatsache, dag bei Quer- unterbrechungen des Riiekenmarkes die dem darunter liegenden Ab- schnitte entsprechenden Vorggnge noch normal verlauien kSnnen, aber nicht wie sonst mit Bewul~tsein, sondern vSllig ohne Bewugtsein. Edinger hat aus der Tatsache, dal~ beim Menschen das BewuBtsein an die Hirnrinde gekniipft ist, geschlossen, dal~ das Bewul3tsein in dem Tierreieh erst e ntsteht, eben mit der Ausbildung der Rinde sl) 52). [Er ist wegen dieses Schlusses heftig von Storch und Weygand ange- griffen worden. Ohne auf diese Polemik, die zum Tell sieher auf einem )liBverstehen der ganzen Edingerschen Problemstellung beruhte, ein- zug~hen, diirfen wir die E din g er sehen Sehltisse wohl als berechtigt an- sehen, nach denel~ diese rindenlosen Tiere k e i n B e w u B t s e i n i m S i n n e Ludwig Edinger. 131 des menschlichen haben, auch der siebenmonatige Embryo, bei dem noch keine Verbindung zwisehen Palaeeneephalon und Neenee- phalon besteht, noeh keine bewul~te Empfindung hat und aueh der Neugeborene nicht viel mehr wahrnehmen wird, weft er noch keinen fertigen Rindenapparat besitzt. Wie weir das Bewul~tsein den hochstehenden Tieren schon zukommt, bleibe dahingestellt. Das Auftreten neuer Fahigkeiten ist immer an das Auftreten neuer Hirnteile oder an die VergrS•erung vorhandener gebunden. Gerade das Menschenhirn zeichnet sich nun vor allen Tier- hirnen durch die ganz enorme Entwicklung der Felder, die zwischen und vor den Sinneszentren liegen, und des machtigen diese zusammen- ordnenden Apparates der intercorticalen Bahnen aus. Am besten bekannt sind diese Assoziationsgebiete ffir den Stirn- pol. Er nimmt deuttich an GrSfie zu, in dem Mal~e wie das Tier seine Wahrnehmungen und Handlungen yon der Intelligenz ftihren lassen kann. Der Stirnlappen ist bei der Ziege, beim K~nguruh recht klein, beim Fuchs grSI~er als beim Hund, erreieht bei den menschen~hnlichen Allen schon eine reeht betr~chtliche Ausdehnung, aber er ist ~och sehr viel kleiner als beim Mensehen. Auch bei verschiedenen Mensehen zeigt er noch grol~e Untersehiede, und es k5nnen namentlich die Gehirne von Idioten ~and sehr Schwachsinnigen sieh in dieser Hinsicht mehr dem Affengehirn als dem Mensehengehirn n~hern. Da man von den Schadelformen auf die Entwicklung des Stirnlappens sehliel~en kann, so dfirfen wir annehmen, dal] die dfluvialen Menschen, deren Sch~del wir besitzen, kleinere Stirnlappen als die heutigen hatten. Das finden wir auch heute noch bei den primitiven Menschenrassen, bei denen alle fibrigen Teile des Gehirns sehr wohl entwickelt sein kSnnen. ,,Menschen, bei denen dureh irgendwelche Krankheit oder durch fehler- hafte Anlage bei der Geburt der Stirnlappen verkiimmert ist, sind immer Idioten. In ihrem seelischen Verhalten offenbaren sie im ganzen das, was man Schwachsinn nennt. Wenn wir dem Verh~ltnisse beim Men- sehen n~hertreten, so entdecken wir, dal~ weitaus der grSl~te Tell der als Intelligenzf~higkeit zusammenzufassenden Erscheinungen an das Vorhandensein d~r innern Sprache geknfipft ist. Wir denken das aller- meiste in Worten. Und erst mit dem Besitz des Wortschatzes erlangen wir die F~higkeit zu Abstraktionen4~)." (S. 524.) ,,Dal~ ein Mensch dem andern so unendlich viel von seinen Beobaeh: tungen, Anschauungen mitteilen kann, das hat das Menschengeschlecht so hoch fiber die n~ehstverwandten Tiere erhoben,, so welt von den n~ehstverwandten Tieren geschieden. Die Sprache hat die Keime der Intelligenz zur Entfaltung gebraeht." (S. 524.) ,,Mit dem Einsetzen der Sprachf~higkeit vergrSl~ert sich mit einem Male das ganze Gehirn. Offenbar aber handel~ es sich, wenigstens wena 9* 132 K. Goldstein: man .dell Unterschied zwisehen Mensch und Anthropoiden betraehtet, nicht um Vergr6l~erung der Sinnessph~ren, sondern sehr deutlich um Waehsen des Stirnlappens und der zwischen den Sinnesspharen liegen- den Felder. Die Assoziationszentren, besonders die Stirnlappen, sind die Apparate, deren Funktion fiir das Auftreten einer Bewufltsein voraussetzenden Intelligenz not wendig ist. Da aber der Stirnlappen in verschieden hohem Ma~e auch den Tieren zukommt, so sind wir zu der Annahme gezwungen, dab manche Hand- lungen der Tiere von dessen Leistungen begleitet sein mfissen. Die vergleichende Anatomie wird hier zu einer Pfadfinderin der Psycho- logie, und sie stfitzt und erklart deren Beobachtungen da, wo bisher Unsicherheit helTschte. Sie zeigt, dal~ das, was wir vom seelischen Verhalten erkennen, ein Additionsbild ist, hergestellt von den Lei- stungen ganz verschiedener Hirnteile, und gibt so einen Weg zur Ana- lyse der kompliziertcn seelischen Erscheinungen." Auf Grund dieser dureh die vergleichende Anatomie und Psycho- logie gewonnenen Anschauungen hat E d i n g e r in gemeinsamer Arbeit mit mir versueht, das gcsamte vorliegende physiolqgische, .psyeholo- gische und anatomische, speziell auch pathologische Material vom Men- schen zusammenzufassen und eine neue Gesamtdarstellung der Bedeu- tung des Menschenhirns ffir die Leistungen des Menscl~en zu geben. Wir konnten im Verein fiber das Ergebnis der Untersuchungen be- richten. Ihre Ausarbeitung ist leider nicht fiber die Anfi~nge hinaus- gekommen; sie hat Edinger, bis ihn die Krankheit am Arbeiten hin- derte, beschifftigt. Ich werde es als meine Aufgabe betrachten, sie, so- bald es mir die Zeit erlaubt, auf Grund unserer Aufzeichnungen zu vollenden.

Mit dell crw~hnten Lt~istungen ist Edingers Lebenswerk keines- wegs erseh6pft. Ieh habe sehon frfiher hervorgehoben, dab wires wohl den Anregungen Kussmauls zu danken haben, dab frfihzeitig ill Edinger praktisehe und klinisehe Interessen waehgentfen wurden. Fiir jemanden, der wie Edi nger in der Anatomie wesentlieh die Grund- tage ffir physiologisehe Betraehtungen sah, lag der Ubergang zur klini- sehen Neurologie ja auBerordentlieh nab, und so hat uns Edinger aueh eine groBe Reihe neurologiseh- kliniseher Arbeiten ge- sehenkt. Ich erwahne als die bedeutendste seine Arbeit fiber die zentral entstandenen Schmerzen77), eine besonders aueh theoretiseh sehr wiehtige Feststellung, seine Arbeiten fiber Kopfsehmerzen sT), die in ein bis dahin sehr dunkles Gebiet der Neurologie erst Kl~rung braehten und besonders deshalb interessant sind, weil sie den aus- gezeiehneten Bliek des grolten Theoretikers aueh ffir ganz konkrete. Ludwig" Edinger, 133 praktische Fragen zeigen. Ich erw~hne seine Arbeiten fiber phlebogene Schmerzen 10e), fiber Krampfe und Beseh~ftigungskr~mpfe 1~ aus den letzten Jahren seine Arbeiten fiber Nerve nr e- u n d - de g ene - ration lO0-10a), fiber Vereinigung getrennter Nerven, die in ihrer klinischen Bedeutung ihm leider eine Enttauschung gebracht haben. Von einer grol~en Reihe kas uistischer Mitteilungen, von denen ieh einzelne schon vorher erw~hnt habe, sei noeh die Arbeit fiber den Verlust des SprechvermSgens und c[oppelseitige Hypo- glossusparese Be), bedingt durch einen kleinen Herd im Centrum semiovale, ferner ein Fall von einseitig totalem Mangel des Cerebellums 89) hervorgehoben. Sie entsprechen alle der Forderung, (lie Kussmaul, nach Edingers Mitteilung, an die VerSffentlichung einer kasuistischen Mitteilung stellte. ,,So ein Fall mul~ so wichtig sein, dab niemand, der spSter fiber das gleiche Gebiet schreibt, ihn fibersehen darf." Neben dieser groBen Zahl von einzelnen Arbeiten hat Edinger zahlreiehe Gesamtdarstellungen 11o), besonders ffir das Eulen- burgsche Handbueh geschrieben, so fiber Vagusneurosen, Fried- reiehsche Krankheit und Unfallnervenkrankheiten, Ge- sichtsmuskellahmung, ferner ffir das Handbueh der Therapie ihnerer Krankheiten fiber die Behand!ung der Krankheiten im Bereiche der peripheren Nerven94). t~ber das gleiehe Thema ffir das Handbuch der praktischen Medizin, ffir das Handbuch der gesamten Therapie die innere Behandlung der Erkrankung peripherer Nerven. Gerade diese zusammenfassenden Darstellungen sind ja den weiteren arztlichen Kreisen am meisten bekannt geworden. Sie sind eigentlieh alle ausgezeiehnet. Gerade hierffir kam Edinger seine ganze Geistesrichtung zustatten, sein, neben umfassendem Wissen und gl~nzender Beobachtungsgabe des Tats~chlichen, immer wieder Bewunderung erregender Blick ffir das Wesentliche. Dadurch wurdc die Darstellurtg yon einer seltenen Klarheit, die dureh vorzfiglieh ansehaufiehe Bilder und Schemata noeh erh6ht wurde. Einen Tell ihrer leichten Verst~ndlichkeit verdanken diese Arbeiten wohl auch der steten Beziehung zur Anatomic und Physiologie. Die patholo- gischen Bilder erseheinen als selbstverst~ndliche Folgeerseheinungen der L~ision bestimmter, wohl charakterisierter anatomiscb-physiolo- gischer Meehanismen. Wohl die beste dieser Gesamtdarstellungen hat Edinger in einer ungedruckten, aber im Manuskript .~o gut wie fert.ig vorliegenden ,,Anatomisch-physiologischen Einleitung in die Nerven- k linik" hinterlassen, die demn~iehst ver6ffentlicht werden wird. Hier sind in mustergiiltiger Weise und ueuartiger Anordnung anatomische, :134 K. Goldstein: physiologische und klinische Tatsuchen zu einem einheitlichen Grund- bau verarbeitet, um das Verst~ndnis der neurologischen Symptome und Krankheitsbilder zu vermitteln, wie es nur E di nger mit der Ffille sei- nes Wissens und seiner aul3erordentlichen Gestaltungskraft vermochte. Die bedeutendste seiner klinischen Leistungen ist der unter dem Namen Aufbruuchtheorie bekannte Versuch zur Ursachenlehre vieler Nervenkrankheiten. Im Juhre 1894 erschien seine erste Arbeit fiber dieses ThemaTs), ,,eine neue Theorie fiber die Ursachen einiger Nervenkrankheiten, insbesondere der Neuritis und der Tabes". E d i ng er geht yon der Frage aus, wie es kommen mag, dag die verschiedensten Nervenkrankheiten durch die gleiche Noxe, Erk~iltung, Lues, Arbeit usw. entstehen m6gen, und wie es kommen mug, dug die gleichen Ur- sachen einmal dieses, ein anderes Mul jenes Symptomenbfld erzeugen. Es mug doch irgendein Agens existieren, das au[~er den immer wieder angeffihrten Sch~dlichkeiten so einwirkt, dab gerade die eine oder andere Form in immer gleich typischer Kombination entsteht. Wic kommt kS, fragt er welter, daft sigh viele Nervenkrunkheiten progressiv welter entwickeln, wenn l~tngst die erstmMige Sch~idigung voriiber ist ? Wenn das ffir die Syphilis noch verstiindlich erscheint, well eben der Giftstoff im KSrper bleibt, so erhebt sich die Frage, wie es kommen ,nag, dag bei underen Schadlichkeiten, wie bei einer einmuligen Durch- n~tssung, noch nach Jahren ~lche Nervengebiete erkranken, die nach tier Schiidigung noch lunge Zeit hin gesund wuren? Diese, wie noeh undere bisher kaum erkl~irbare Tatsachen, z. B. die Entstehung yon Nervenkrunkheiten nach An~tmie, nach Diphtherie, die nach experi- mentellem Drehen bei Tieren hervorgerufenen Krankheiten, die Ent- stehung der Friedreichsehen Krankheit u. a. veranlaftten ihn, naeh ciner gemeinsamen Ursache zu fahnden, und Edinger fund diese in der Funktion. So entstand seine Funktionshypothese. Sie be- sagt im wesentlichen, daft es Nervenkrunkheiten gibt, welche dadurch entstehen, dab unter bestimmten Umst:,inden den normalen Anforde- rungen, welche die Funktion stellt, nicht ein entsprechender Ersatz innerhulb der Gewebe gegentibersteht. Der einfache Schwund der Nerve,fraser ist dus Charakteristicum dieser Zustiinde. Die anatomi- sehen Unterlagen ftir diese Auffassung waren dureh Weigerts Lehre yon der Wirkung der Funktion auf die Beschaffenheit der Zelle und yore Gleichgewicht der Teile im Organismus gegeben. Die Funktion bedeutet eine Schiidigung der Zelle, die dutch den normalen Stoff- weehsel wieder gutgenmcht wird, eventuell sogar in ttbermSgiger Weise. Dadurch kommt es zu einer Kraftigung dureh die Funktion. Steht nun dem Verbruuch bei der Funktion nieht geniigender Ersatz gegen- fiber, so kommt es zum Verbrauch und eventuell zum Untergang der Zelle und Faser und zur Wucherung der anderen Gewebsteile. Auf Ludwig Edinger. 135

Grund dieser Anschauung liefte sich eine Reihe von Nervenkrankheiten erkl~ren, wenn man annimmt~ dab es sich um Nervenapparate handelt. die unter abnormen ErsatzVerhMtnissen arbeiten. Edinger sucht so die Besch~ftigungsneuritiden, die Erkrankungen des Riickenmarkes bei An~mie und vor allem die Tabes zu erkliiren und eine Reihe ihrer symptomatologischen Besonderheiten, die bisher immer ftir die Lues- theorie grofte Schwierigkeiten bereitet hatten, ferner die ursi~chliche Be- deutung, die kSrperliche und seelische Uberanstrengung, Erki~ltung, Schreck, Trauma, Belastungen neben der Noxe zukommt. Das so viel seltenere Auftreten der Tabes bei Frauen, selbst bei solchen, die so sicher infiziert sind wie die Puellae u. a. m. wird durch die neue Hypo- these weiter verst~ndiich. Das gleiche gilt fiir die verschiedenen For- men der Tabes, die eben der Ausdruck eines mangelhaften Ersatzes besonders stark in Anspruch genommener nervSser Apparate bei einem allgemeinen, durch die Lues gesch~digten Nervensystem sind. Auch for die Paralyse und die Atrophie der Pyramidenbahn, sowie die Fried- reichsche Ataxie macht er eine Erkli~rung durch seine Hypothese schon in seiner ersten Arbeit wahrscheinlich. Edinger verhehlt sich in der ersten Mitteilung nicht, daft die These keineswegs alles zu erkl~ren verm6chte. Er schiebt dies allerdings noch auf unvollkommenes Wis- sen. ,,Es ist wahrscheinlich, daft die erw~hntert Krankheiten solche Zusti~nde mangelhaften Ersatzes schaffen, aber der voile Beweis ist erst noch zu liefern. Denn es genfigt nicht der Umstand, daft uns, die Richtigkeit der Hypothese angenommen, so manches erst klar wird, und so mancherlei sich a priori konstruieren li~ftt, was nachher die Beobachtung als tats~chtich vorhanden aufweist. Es geniigt nicht, daft alle diese Dinge 5fter bestechend wirken. In wissenschaftliehen Dingen muft der tats~chliche ~Nachweis, wo immer mSglich, erbracht werden. Der wird zu bringen sein." Und er ist nicht miide geworden, durch Sammlung yon Einzeltatsachen den Beweis zu erbringen. Er hat mit Helbjng 81) zusammen versucht, die Frage experimentell zu prfifen, indem er die Veri~nderungen des Rfickemnarkes bei Ratten untersuchte, die besondere k6rperliche Anstrengungen zu leisten hatten, oder die auf pharmakologischem Wege in einen Zustand hochgradiger Ani~mie versetzt wurden. Er kam dabei zu dem wichtigen Ergebnisse: 1. ,,dab abnorm starke Anstrengung schon bei normalen Tieren eine Erkrankung der Hinterstr~nge erzeugen kann, 2. daft es mSglich ist, eine Priidisposition (durch An~mie) zu schaf- fen, unter deren Einfluft auch ktirzer dauernde Anstrengung zu e]ner Hinterstrangerkrankung ftihrt, 3. daft die Erkrankung nach Lokalisation und Wesen (primi~rer Schwund der Nervenfasern) nahesteht den beim Menschen bekannten Hinterstrangerkrankungen." 136 K. Goldstein:

Edinger hat 10 Jahre lang nach der ersten Mittvilung niehts fiber das Thema ver6ffentlicht, aber das Material der eigenen Praxis und alles kasuistisehe Material der Literatur aufs sorgfMtigste gesammelt, um daran die Richtigkeit der Theorie zu preenS5). Er ist dabei auch yon seinen Sehtilern, wie Bin g und S. A u e r b a e h, unterstiitzt worden. Es hat der Theorie nicht an Gegnern gefehlt. Edinger hat ihren Einwanden immer Reclinung getragen, er hat vor allem sich bemfiht, (lie gewichtigsten Einw~inde zu widerlegen, die yon Strti m pell erhoben wurden. Wenn die Theorie richtig sei, hatte Strfimpell gesagt, so mfil3ten bei verschiedenen Vergiftungen ganz gteiche Symptome zu- stande kommen, z. B. PupillenstSrung nicht nur postsyphilitisch, sondern auch bei multipler Neuritis. Ferner werfe die Ersatzhypothese kein Licht auf die heredit~ren, den anderen Strangdegenerationen nahestehenden Nervcnkrankheiten. Gegenfiber dem ersten Einwand hat Edinger st~irker als friiher hervorgehobenS~), dal3 der Verlauf der Aufbrauchkrankheit nicht nur yon der Funktion, sondern auch vonder Art der Seh~digung abhgngt und die verschiedenen Gifte die versehiedenen Zellen nicht in gleichem Maite schi~digen. Die Ersatzhypothese soll ([en altbekannten ehl neues Element zu- ffigen, welches geeignet ist, viele Differenzen zu erkl~iren. Die Bilder bei verschiedenen Giften werden deshalb nie ganz gleich," sondern nut ithnlich sein, und die J~hnlichkeit ist bedingt durch die Funktion. l~ber- haupt ist die Funktion nur ein Moment der SchKdigung; damit es zu einer FunktionsstSrung kommt, ist, wenn nicht ganz besonders groi~e .4aastrengungen vorliegen, immer auch ein abnormer :Boden notwendig. Der zweite Striimpe]lsche Einwand veranlaBte Edinger zu einem besonders eingehenden Studium der heredit~ren Nervenkrankheiten. Er land dadurch einen ganz besonders fiberzeugenden Beleg ffir seiiae Hypothese. Er konnte darlegen, dab es sich bei all diesen symptomatisch so sehr verschiedenartigen Erkrankungen nm mangelhafte Veranlagung bestimmter.Teile des Nervensystems handelt -- so hatte z. B. die Unter- suchung aus seinem Institute von Bing eine abnorme Kleinheit des Rfickenmarkes bei der Friedreichschen Krankheit nachgewiesen -- und dal] die Krankheitsbilder dadurch entstehen, dab diese mangelhaft veranlagten Teile schon bei normaler Funktiou allm~hlich so stark leiden, dal] es zu Funktionsst5rufigen kommt. Dadurch erkli~rt sich vor allem auch die Tatsache, dal~ die Symptome der Erkrankungen erst alhn~ihlich im Laufe des Lebens auftreten. Die sorgfii.ltige Durch- arbeitung eines sehr vielseitigen und umfangreichen Materials veran- laBte ihn in seiner erneuten Darstellung im Jahre 1908, im wesentlichert an seinen alten Anschauungen festzuhalten. Er unterscheidet mehrere Typen yon Erkrankungen, die durch abnormen Aufbrauch ent~tehen: Ludwig Edinger. 137

1. Arbeitsatrophien und Arbeitsneuritiden; sie entstehen dadurch, dal~ abnorm hohe Anforderungen an die normalen Bahnen und den normalen Ersatz gestellt werden. 2. Polyneuritiden, Tabes, kombinierte Systemerkrankungen, Paralyse: sie entstehen dadurch, dal~ ffir die normale Funktion nicht genfigend Ersatz stattfindet. Ursache ist wohl immer irgendein Gift, z. B. Syphilis, Blei u.a. Je nach der Giftart ist der Ablauf des Auf- brauches verschieden. 3. Die hereditt~ren Nervenkrankheiten, die meisten kombinierten Strangsklerosen, die spastische Paralyse,. die amyotrophischen Er- krankungen in Oblongata und Rfickenmark, die prim~re, nicht tabische Opticusatrophie, wahrscheinlieh auch die progressive nervSse Ertau- bung, sie entstehen dadureh, dab einzelne Bahnen von vornherein nieht stark genug angelegt sind, um auf die Dauer die normale Funktion zu ertragen. E d i nger zieht auch von vornherein die Schlfisse, die sich aus dieser Hypothese ffir die Therapie ergeben, die die Schonung wieder in hSherem Mal~e in den Vordergrund riickt, als es frfiher geschehen ist. Selbst- verstt~ndlich.leugne~ er damit nicht den Nutzen einer gewissen l~bungs- therapie, z. B. bei der Tabes. Edinger ist sich aueh in seiner neuen Darstellung noeh des hypo- thetischen Charakters seiner Anschauung bewui3t geblieben und hat ihren Hauptwert in den Fragestellungen, in den Aufgaben, die sie stellt, gesehen! Und man mag der Hypothese noch so kritisch gegen- fiberstehen, an ihrer Fruchtbarkeit in dieser Beziehung besteht kein Zweifel. Im fibrigen sind die Gcgner mehr und mehr verstummt. Das grol~e Interesse ftir die klinisehe Neurologie liel~ Edinger aueh zu einem der Vorkt~mpfer ffir die Anerkennung der Neu- rologie als selbst~,ndige Wissensehaft und als besonderes Lehrfach an den Universit~ten werden. Er gab die Deutsche Zeitsehrift ffir Nervenheilkunde mit heraus und grfindete mit anderen hervorragenden Neurologen die Gesellschaft deutseher Nerven~rzte. Als er dann zum Ordinarius ffir Neurologie an die Universitt~t Frankfurt berufen wurde'und damit den ersten Lehrstuhl ffir Neurologie in Deutschland erhielt, sah er darin weit mehr als eine Anerkennung seiner persSnlichen Lebens- arbeit, eine solche -- und dies mit besonderer Freude und Genugtuung - der ganzen neurologisehen Wissensehaft. ]Die Klink ffihrte Edinger selbstverst~ndlich auch zur patholo- gischen Anatomie. Auch diese verdankt ihm FSrderung. Zwar hat er selbst auf diesem Gebiete wenig gearbeitet, abgesehen yon den letzten Arbeitcn, fiber Nerv~ndegeneration und -regeneration lo0~1o3). Er hat aber iminer lnit grogem Interesse alle Fortsehritte 138 K. Goldstein: der pa~hologischen Anatomie und besonders aueh der I-Iistologie ver- foigt und durch die Schaffung einer pathologisch-anatomischen Ab- teilungsvorsteherstelle an seinem Institute zu pathologisch-anatomischen Arbeiten Veranlassung gegeben Besonders unt.er D oi ni k o w sind dann attch sehr gute pathologisch-anatomische Arbeiten aus seinem Institute hervorgegangen. Meine Herren! Wit haben Ludwig Edinger als Anatomen, ver- gleichenden Anatomen, Physiologen, Psychologen, Pathologen und Kliniker in einer Ftille yon Einzelarbeiten kennengelernt. Wir besitzen zwei Werke yon ihm, in denen seine Leistungen auf allen erw~hnten Gebieten in groBen Synthesen ihren Ausdruck gefunden haben. Das sind sein Lehrbuch und sein Institut! Wir haben auf die grogen Leistungen, die in der ersten Auflage seines Lehrbuches, in den berfihmt gewordenen 10 Vorlesungen 41) lagen, schon hinge~4esen. Es hat v0r den). Erscheinen dieses Buches viel umfassendere und eingehendere Lehr- bticher der Anatomie des Nervensystems gegeben; was das Buch so bedeutungsvoll, so anregend und so fruchtbar machte, das war die auBerordentliche Vereinfachung und I~Tbersichtlichkeit der Darstellung, die einen ganz neuen ~berblick sowohl fiber die Anatomie des mensch- lichen ZentrMnervensystems als auch seiner Bedeutung Itir das Ver- st~indnis der pathologischen Tatsachen brachte. Es sollte eine Ana- tomie nicht ltir den Anatomen, sonr ffir Arzte nnd Studierende sein, und dies war das Buch auch. Es war ihm gelungen, was er sich als Ziel gesetzt hatte, die Einzeltatsachen so darzustellen, dab sie.als ein Ganzes erschienen. Noch bewundernswerter als die Darstellung der mensch- lichen Anatomie ist die vergleichende Anatomie, die zum ersten Male in der 5. Auflage 41) Ms besonderer Abschnitt mit der Widmung an seinen verehl~en L~hrer Waldeyer auftritt. Hier war zum ersten Male der Versuch einer wirklich vergleichenden Darstellung gewagt, der natur- gem~fi auf sehr vielen eigenen Untersuchungen beruhen muBte. Des- halb enthielt das Buch selbstverst~ndlich Lticken und Unvoltkonnnen- heiten. Keiner war sich dessert wohl mehr bewugt als Edinger selbst. Er glaubt deshalb auch, mit dem Himveis auf die enormen Schwierig- keiten die Nachsicht des sachversti~ndigen Lesers erbitten zu miissen. Die meisten anderen h~tten sich wohl durch diese notwendigen M~ngel abschrecken lassen. Edinger tat dies nicht, und die Wissenschaft der vergleichenden Anatomie ist ihm ffir dieses Wagen zu dauerndem Danke verpflichtet. Er erkannte die enorme Bedeutung einer der- artigen, wenn auch unvollkommenen Darstellung ftir den Fortschritt der Wissenschaft, wenn sie auch nur wie ein ,,schwankendes Gebitwte ist, das bald da, bald dort ausgebessert werden muI~". Die Wirkung des Buches hat so recht die Worte Burdachs be- statigt, die Edinger gewissermaBen als Entschuldigung ftirsein Vor- Ludwig' Edinger. 139 gehen anfiihrt: ,,Durch solche Gestaltgebung wird das Fortschreiten des Forschungsgeistes zu neuen Entdeckungen keineswegs gehemmt, viel- mehr erfahren wir gerade erst, wenn wir das Ganze iiberschauen, die Lticken unserer Kenntnisse und lernen einsehen, welche Richtung die Forschung kfinftig nehmen muB." hn fibrigen hat Edinger manche Mi~ngel des Textes durch die ganz vorzfiglichen Abbildungen und Sche- mata behoben, die seinen Namen in alle Lehrbticher, die irgendein Gebiet des Nervensystems, sei es der Anatomie, Physiologie, Klinik usw. behandeln, hineingetragen haben. Edinger hat die Miingel des Buches in dell neuen Auflagen aus- Zugleichen versucht. Diese waren jedesnlal eine wesentliche Umarbei- tung, manche ein fast neues Buch. Wiihrend die ersten beiden Auf- lagen sich noch fast ganz auf anatomische und klinische Tatsachen beschri~nkten, die vergleichende Anatomie nur gelegentlich heran- gezogen wird, nimmt letztere in der vierten Auflage schon einen grol]en Raum ein. In der fiinften erweist sich durch die Zunahme der, vergleichenden anatomischen Tatsachen die Abgrenzung. eines besonderen Abschnittes als notwendig, der sich in der siebenten zu einem besonderen Bande ausgewachsen hat. Daneben sind die anderen Problemgebiete nicht vernachlassigt. Auch sie erscheinen gewShntich in neuem Gewande. Immer mehr nehmen neben den anatomischen die pathologischen und klinischen Tatsachen zu und die letzte, achte Auflage~l), bringt schlie[tlich eine besondere Vorlesung zur Psychologie, die eine Gesarntiibersicht tiber Edi ngers Anschauungen vonder Funk- tion der Hirnrinde gibt, die wir vorher besprochen haben. Es ist viel- ]eicht das Be~cunderungswiirdigste an dem Buche, dab es trotz dieser Umwandlungen, trotz der Unzah! neuer Tatsachen, die Edinger hineinverarbeitete, doch in seinem Wesen unver~ndert blieb. Der Grundplan, den Edinger in der ersten Auflage mit intuitivem Blicke entworfen, erwies sich als ein brauchbares Gefii~, die.verschiedenartig- sten neuen Erfahrungen aufzunehmen. E din g e r hat eigentlich dauernd an seinem Lehrbuche geschrieben. Bei jeder neuen eigenen oder fremden Arbeit fiberlegte er die Aufnahme in das Bfich. Dabei war er sehr kri- tisch und nahm keineswegs alles auf. Vom Gesichtspunkte der Voll: sti~ndigkeit blieb das Buch daher immer ltickenhaft. Er legte keinen Wert auf die vollsti~ndige Wiedergabe aller Einzelheiten. Die feinsten Detailergebnisse, die vorl~ufig wenigstens ftir die Gesamtbetrachtung noch nicht wesentlich sind, lieB er bewuBt weg und verwies auf andere Bficher und auf die regelmi~i3ig seit 1886 yon Wallenberg und ihm her- ausgegebenen, sehr vollst~ndigen Jahresberichte der Hirnanatomie in S c h midt s Jahrbfichern. So wenig er selbstverstiindlich wesentliches Neues weglieit, so behielt er doch immer den Gesichtspunkt der ersten Auflage im Auge, immer ein Ganzes zu bringen. Diesen Charakter hat 140 K. Goldstein: das Buch auch bewahrt, und das erhielt ihm auch seine lebendige Frische und Eigenart. Und nun sein Institut. Wir haben im Institut eine alte Photo- graphie aus dem Ende der aehtziger Jahre, die den jugendlichen For- scher an seinem Arbeitsplatze im Weigertschen Laboratofium zeigt. Das war der Anfang des Neurologischen Institutes. Hier schuf Edi nger seine epachemachenden Arbeiten fiber die vergleichende Anatomie des Gehirns, die ibm seine frfihe Beriihmtheit verschafften. Es bedeu- tet,e.schon eine betriiehtliehe VergrSl~erung, als ihm sein Freund Wei- gert eirien besonderen Laboratoriumsraum in der alten Anatomie iiberliel3. Hier begann er mit seiner Sammlung, die den Grundstock der jetzigen, immer wieder das Erstaunen der Besucher erregenden Sammlung wurde. Hier schon tauchte in ihm der Gedanke an das spi~tere Institut auf. Hier schon begann er mit seinen Schtilern, die sieh sehr bald einfanden, die verschiedensten Probleme der Neuro- ]ogle nieht nur mehr allein die vergleichende Anatomie zu bearbeiten mid jene Vielseitigkeit zu entwiekeln, die spi~ter der Grundzug des Institutes werden sollte. Als dann 1908 das Institut in die seh6nen, mit allen modernen Hilfsmitteln ausgestatteten R~ume in der Garten- straf~e fibersiedelte, da konnten diese mit den kostbarsten Schgtzen gefiillt werden und es konnte jene Vielseitigkeit der Arbeitsrichtungen und Arbeitsweisen einsetzen, die ganz die Vielseitigkeit des Leiters spiegelte, und die das Institut zu einem so einzigartigen machte. Wer die so schSnen Sammlungen yon Gehirnen und Schnittserien sieht, die dem Besucher gleich in die Augen fallen, der kSnnte den Eindruck gewinnen, dab es sich um ein anatomisches Institut handelt. Nichts wiirde dem Geiste, aus dem gerade das Institut geschaffen, mehr Wider- sprechen als diese Annahme. Edinger hat nicht ohne Absicht das lnstitut Neurologisdhes Institut und nicht hirnanatomisehes Institut genannt. Ebenso wie die Anatomie nur einen TeLl der ihn be- sch~ftigenden Problelne ausmaehte, wie sie gewissermal~en nur ein Hilfsmittel zur Bewiiltig~ang vial unffassenderer Aufgaben war, so sollte sie auch im Institute nut ein Arbeitsgebiet neben anderen dar- stellen. Edingers Ziel ging darauf hin, eine Arbeitssti~tte zur Erforschung des Nervensystems auf den versehiedensten Wegen zu schaffen. So errichtete er neben der vergleiehend-anatomi- sehen eine pathologisch-anatomische Abteilung, sehuf die M6gliehkeit zur. Anstellung von Tierbeobaehtungen, suchte dureh pers6nliche Be- ziehungen und dutch eigene Arbeit psyehologische Forschungen in den Kreis des Institutes zu ziehen, und hatte schlie$1ich die Angliede- rung einer klinischen Abteilung vorgesehen, um einerseits die nerv6sen Vorg~nge auch am kranken Menschen zu studieren, andererseits die theoretisehen Erfahrungen direkt am Krankenbett nutzbar zu maehen. Ludwig Edinger. 141

Der Gedanke der weiteren Ausgestaltung des Institutes ill seiner eigen- artigen Vielseitigkeit zu einer Forschungsanstalt und zu einer Fort- bildungsstiitte filr heranwachsende Neurologen besehaftigte ihn die ganzen letzten Jahre. Als infolge des Krieges sehr zu seinem Bcdauern die Arbeit im Institut mehr und mehr nachlieit, da widmete er seine Zeit vor allem der Institutsbibliothek, die er durch Gewinnung yon Separatabibliotheken anderer Neurologen und durch zweckmiiilige Ordnung zu der umfangreichsten und brauchbarsten neurologischen Separatabibliothek, die es ilberhaupt gibt, gestaltete. E d i n g e r hatte ein ausgesprocheues Talent zum Lehrer. Er iibcrsah hie die Schwierigkeiten, die der Neuling in einer neuen Wissenschaft hatte, und suchte diese durch alle mSglichen Hilfsmittel zu verringern. Dabei half ihm sein Zcichentalent und sein technisches Geschick. Wer yon seinen Schillern erinnert sich nicht, wie ihm der Meister ein vorher ganz dunkles Gebiet mit einem Male mit einer hingeworfenen Zeichnung erhellt h~tte! Aus solchen Motiven heraus schuf er seinen Z eichen- a p p a r a t, der es auch dem zeichnerisch gar nicht Begabten ermSg- licht, Zeichnungen anzufertigen, und der auch als Projektionsapparat brauchbar ist. Dann schuf er das Z e i g e r d o p p e 1 o k u 1 a r, vermittels dessen Lehrer und Schiller das gleiche Objekt betrachten k5nnen, so dalt der Lehrer dem Schiller am Pr~parat alle Einzelheiten demonstricren kann. Ferner schuf er das Rilckenmarksmodell u. a. m. Den Haupt- erfolg seiner Lehrt~tigkeit verdankt er aber doch der Liebe, mit der er sieh in die Anschauungsweise des Schillers zu versetzen wu~te. Hier gab es nichts vonder oft unilberbrfickbaren Distanz zwischen Dozent und Student. Hier gab es noch das alte VerhMtnis zwischen Meister und Schiller. Mit rilhrender Sorgfalt nahm er sich der Studenten und Assistenten an. Dieser ungemein fleil~ige ]~orseher hatte immer Zeit ftir jeden und auf seinem schweren Krankenlager war es ihm besonders schmerzlich, dait er sein Kolleg nicht zu Ende filhren konnte. Fiir alle persS~flichen Dinge seiner Schiller hatte er immer ein offenes Ohr. Ein ganz unpersSnliches VerhMtnis vertrug er ilberhaupt nicht. Auf diesen persSnlichen Grundton war auch die ganze Arbeitsweise im Institut eingeste]lt. Das machte das Arbeiten dort so sch5n und frucht- bar. Kein Wunder, dait die Zahl seiner Schiller, die vor ErSffnung der Frankfurter Universiti~t fast ausschlie[~lich aus schon ausgebildeten "~rzten, besonders auch aus dem Auslande bestanden, immer mehr zunahm. Und wer konnte so wie Edinger den Anfitnger aufmuntern, wenn er fiber maneher Schwierigkeit zu verzweifeln drohte! Es gibt wohl nur wenige, die so restlos die Leistungen anderer "anzuerkennen neigten. Seine gro~zfigige, ~chSpferische Natur kannte nicht das Ge- ffihl des Neides. Es gab ffir ihn keine persSnliche Polcmik. Was ein anderer land, brauchte er nicht zu linden. So fiberliefi (,r nur 142 K. Goldstein: zu gern seinen Sehtilern die Ausarbeitung seiner Ideen, war aber aueh fiir jede persSnliche Ansicht anderer sofort zu haben. Uberhaupt lie[~ er jedem seine Freiheit zu arbeiten, was er wollte, wenn es auch ganz natfirlich war, dab sich keiner seinem persSnlichen EilffluI~ entziehen konnte, und die Arbeiten der Sehfiler oft diesen ihren Ursprung ver- rieten. Er hatte viel zu groBen Rcspekt vor der Individualitiit anderers als dab er seinen Schfilern mehr als Anregung bringen wollte. Ob sie sie aufgriffen, war ihre Saehe. So gingen den Problemstellungen de, Institutes scheinbar ganz fernliegende Arbeiten aus dem Institute hervor, wie z. B. die Arbeiten yon Lies ega ng. Edi ngers umfassendem Geiste war allerdings fast nichts fernliegend. Er fand ffir alles eine B~ziehung zu seinen eigenen Problemen, welche die Arbeiten eine weir (iber ihren Sonderzweck hinausgehende Bedeutung gewinnen liel3. So hat die Arbeit Liesegangs im Institut auch ffir die Neurologie ihre Frfichte getragen. Ihr verdanken wir Edingers wertvolle Methode~ den Canadabalsam dutch Gelatine zu ersetzen, weiter die gemeinsame interessante Arbeit mit Liesegang fiber kfingtliche Nervenzellen. Wie die ganz persSnliche Einstellung E dingers Verh~ltnis zu seinen Schfilern bestimmte, so war dasselbe bei seinem Verhalten zu seinen Patienten der Fall. Edinger hat jahrzehntelang eine ausgedehnte Praxis ausgefibt m~d durch die Begrfindung der Frankfurter Poliklinik ffir Nervenkranke sich um die Armen unter den Frankfurter Nerven- kranken ein groItes Verdienst erworben. E ding e r war dutch sein groi~es Wissen und durch seinen guten Blick ffir praktische Dinge sicherlich berufen, auch ein guter Arzt zu werden; vielleicht dait ihn am Kranken- bette sein Ideenreichtum manchmal zu falschen Kombinationen ver- leitete -- das soll als Schattenseite seiner glanzenden geistigen Veran- lagung nicht verschwiegen werden und braucht es nicht. Vielleieht stellte er dadurch wirklich manche falsche Diagnose. Im iibrigen war er "gerade fiir jene schweren organisch Nervenkranken, denen wir so wenig helfen kSnnen und mit denen deshalb so viele Nerveni~rzte sb wenig anzufangen verstehen, ein besonders guter Arzt, denn er verstand es in seltenem MaBe, sich das Vertrauen seiner Patienten zu erwerben, eine Eigenschaft, die ffir den Nervenkranken fiberhaupt, besonders aber ffir den chronisch organisch Kranken beinahe noch wichtiger ist als alles Wissen. Er hat viele, die yon einem anderen Arzte verzweifelt zu ihm kamen, wiederaufgerichtet. Ich habe dieser Liebe seiner Pa- tienten zu ihm in letzter Zeit wiihrend seiner Krankheit und nach seinem Tode an zahlreichen Fi~llen seiner Praxis zu beobachten Gelegenheit ge~ habt. Mit sotehen Ausdrficken der Teilnahme, mit solchen Ausdriicken des Schmerzes ja der Bestfirzung fiber den Tod ihres 2~rztes, wie ich sic ilnmer wieder zu hSren bekam, sprechen Patienten nur yon dem Arzt, der ihnel~ ein wahrer Heifer und TrSster gewesen ist. Ludwig Edinger. 143

Weml wir die Leistungen Edi ngers mit einem Bliek zu iibersehauen versuchen, so steigt aus der Ffille der Einzelheiten ein Gcsamtbild, von einer Einheitlichkeit und harmonischen Gestaltung empor wie wir es nur bei den Lebenswerken wirklich GroBer finden. Hier war, m6chte man sagen, niehts zufMlig, sondern alles war der Ausfluf~ eines einheit- lichen Zentrums. Betrachtet man dieses einheitliehe Zentrum seinem Inhalt a ach, so stellt man fest, dab ks seine Einheitlichkeit dadurch gewinnt, dal.~ es eigentlich immer ein und dasselbe Problem ist, das uns, in sehier uniibersehbare Einzelprobleme zerteilt, entsprechend der Viel- gestMtigkeit der Naturgcgebenheiten, in allen Arbeiten Edi ngers begegnet: Das Problem des Lebens, wie es sich in der Ent- wieklung des Geistigen ill seiuer Beziehung zum Materiellen darstellt. Wir haben schon mehrfaeh" betont, dal3 es diese Problem- stellung ist, die seine Hauptleistungen bestimmte, vor allem seine Leistungen der vergleichenden Anatomie. Abel" auch ffir alle seifie verschiedenartigen kleineren und kleinsten Aufsatze gilt dasselbe. Im letzten Grunde ist es aber doch nicht die inhaltliche Uber- einstimmung~ die einheitliche Problemstellung, welche die einheit- liche Gestalt des SchSpfers aus den Werken vor unserem geistigen Auge emporsteigen lal3t -- sondern es ist welt mehr der Umstand, da$ alles, was er gescha.ffen, seine persSnlichen Ziige tr~gt. Uberall treten uns die Eigenheiten seiner geistigen Vera~agung entgegen. Neben einem scharfen Blick ffir das einzelne, Konkrete, hatte er einen ausgesprochenen Zug zum Synthetischen. Er gehSrte zu jenem Typ von Forschern, die er selbst in einem kleinen Aufsatz x2~) ,,Der Sehb'pferische und der Kritisehe" als den SchSpferischen gescbildert hat. Sie verlieren niemals fiber der Ffille der Einzelheiten den Blick fiir das Ganze, ja, sie schauen in geniMen Intuitionen vorahnend das Ganze, ,-:chon ehe die es zusammensetzenden Teite gefunden sind, und sie scheuen sich nicht, auch wenn noch nicht alle Teile beisammen sind, schon das Ganze wenigstens in der Idee zu skizzieren. Ihnen schiei3t, wie Helm- holtz gesagt hat, aus vielen Gedanken ein Geistesblitz zusammen, tier alles erleuchtet. Sie fibersehen manches einzelne, sie schieBen manehmal fiber das Ziel hinaus, sie bringen aber die Wissensehaft welter. Edinger ist sich der Gefahr einer solehen Arbeitsweise wohl bewu[~t gewesen und der Notwendigkeit, die durch das intuitive Denken erzeugten Hypothesen durch mfihsame Kleinarbeit zu unterstfitzen. Er schreibt: ,,Erst diese Arbeit macht den Genius zum Forscher", und wer die Ffille yon Einzelarbeiten yon seiner und seiner Schiller Hand zur Verifizierung seiner Hypothesen kennt, der weil~, wie elnst es ihm darum zu tun war, ein Forscher in diesem Sinne zu sein. Seine Synthesen gewinnen einen eharakteristischen nnd reiz,collen 144 K. Goldstein :

Zug durch die eigentfimliche Mischung von Wissenschaftler und Kfinstler, die er verkSrperte. Er verband die Fiihigkeit des Wissenschaftlers, sich den Dingen objektiv gegenfiberzustellen und sie kritisch zu betrachten, mit der des schaffenden Ktinstlers, sich in sie so ganz zu versenken, daf~ er sie ganz in sich aufnahm, um sie als neue Wesenheiten, durchtriinkt mit dem Geiste seiner PersSnlichkeit neu zu erzeugen. Er war nicht nur ein Mensch mit einer ausgesp.rochenen Begabung zum Zeichnen und Malen, alle seine wissenschaftlichen Lei- stungen tragen Zfige des kfinstlerischen Schaffens. Dadurch tragen alle seine Theorien ein so anschauliches Gvpri~ge. Er hatte ill seiner Anlage zweifellos eine Ahnlichkeit mit der Goethes, den er so gern las und dessen Wort ,,Willst du in das Unendliche schrei- ten, gehe erst im Endlichen nach allen Seiten", er als Leitsatz an die Eingangstfir zur Sammlung des Institutes geschrieben hatte. H e i n r o t h, ein Anthropologe der Goctheschen Zeit, sagte yon Goethe, (lab sein DenkvermSgen gegenst~tndlich sei. Goethe ffigt in einem Anf satz, in dent cr seine Freude fiber diese Charakteristik seiner Person ausdrfickt, hinzu: ,,Mein Anschatlen ist selbst ein Denken, mein Denken tin Anschaueu." Wie paint dieser Ausspruch auf Edingers Denken und Anschauen! Wir verdanken dieser Anlagc des Edingerschen Gcistes seine schSnsten Lei~tungeu, vor allem die Form seines Lehr- buehs. Es ist weiter charakte~istisch ffir ihn, dal3 alle seine Synthesen, sowie seine Theorien ihm nie ein Fertiges sind, sondern voUer Pro- bleme und Fragestelhmgen, fiber sich selbst hinausweisend. Und die- sos Problematische wiederum ist ihm niemals cine Ursache zum Ver- zweifeln, zu einem Ignorabim~s, sondern stets eiu Antrieb zu n6uem ForscheJ~. Es gibt f(ir ihn keine Schwierigkeiten, die ihn abschrecken~ (lcnn er glaubt an den Fortschritt der Wissensch~ft und er kommt mit einem kSstlichen Optimismus, der bei ihm nicht Kritiklosigkeit ist, sondern arts dem innersten, das Leben bejahenden Quell sein('s Geffihlslebens entspringt, fiber alle Enttiiuschungen, die geradc einer Natur wie dcr seinen nicht erspart bleiben konnten, hinweg. Er hatt~ den Mut zu Problemen, weil er den O1)timismus des Glaubeus harts', sie 16sen zu k6nnen. Diese interessante Mischung in seiner Pers6nlichkeit spiegelt sich in allen seinen Arbeiten; deun er kann nichts schaffen, was ihm nicht aus pers6nlichstem Bedfirfnis entspringt und eine pers6uliche Bezie- hung enthMt. Das gib.t seinem SchMfen eine interessante, iunner an- regende Form, die den Leser auch dort fesselt, wo er inhaltlich anderer Meinung ist. Deshalb kann man Edinger auch nicht oder nur sehr unvollkomnmn aus den Resultaten seiner Leistungen kennenlernen; am besten lernte man ihn kennen, wenn man ihl~ sprechen h6rte, heute Ludwig gdinger. 145 mu{3 man seine OriginM,nrbeiten lesen, aber aueh hier nieht nur seine Ergebnisse, sondern man mul~ sich in seine Schriften mit Liebe ver- senken, erfflllt veto Eros, wie er selbst die Arbeiten anderer las, und wie man allein die Aulterungen eines anderen wahrhaftig erfassen kaml. Dann wird dem Leser die Gestalt Ludwig Edingers auftauchen als der er uns, die wir das Gliiek hatten seine Schiller zu sein, |miner ersehienen |st, nicht nut die Gestalt des hervorragenden Forschers, (lessen Leistungen noch auf Jahrzehnte zur Anregung und zmn Fort- sehritt der Wissensehtfft dienen werden, sondern auch als die gro6e PersSnliehkeit.

Edingers wissenschaftliche Arbeiten: 1 I. {;her die Schleinthaut des Fischdarnles nebst Bemerkungen zur Phylo- genese der Driiscn des Diinndarmes. Inaug.-Diss. Archiv f. mikr. Anat., Bonn 1876. -- 2. Die Endigung der Hautnerven be| Ptcrotrachea. Ebenda 14. 1877. -- :}, Zur Kmmtuis der Driisenzellen des Magcns, besonders beim Menschen. Ebenda I1. 1879. -- 4. Zur Kenntnis des Faserverlaufes im Corpus striatum. Neuroh Centralbl. 1884, Nr. 15. -- 5. On the importance of the corpus striatum and the b, ts;,] forebrain bundle and on an hasal optic nerveroot. Jom'n. of nervous and mtmla| Disease 14. 1887. Dasselbe Deut.sche med. Wochenschr. 1887, Nr. 2. -- ~i. Zur Kenntnis des Verlaufes der Hirnstrangfasern in dot" Medulla oblongata uud im unteren Kleinhirnschenkel. Neuro]. Centralbl. 1885, Nr. 4~ ~ 7, {}ber den Verlauf der zentralen Hirnnervenbahnen. Archiv f. Psych. 16. 1885. -- 8. Die Fortsetzung der hintercn Riickennmrkswurzeln zum Gehirn betreffend. Anat. Anz., ,lahlg. 4, Nr. 15. -- 9. Einiges veto Verlauf der Gefiihlsbahnen im Zentralnervensystem. Deutsche recd. Woehensehr. 1890, Nr. 20. -- 10. {)ber die Fasersysteme des Mittelhirnes. Archiv f. Psych. 1890. -- 11. Die Entwicklung der Gehirnbahnen in der Tierreihe. Deutsche reed. Woehenschr. 1896, Nr. 39. -- 12. Vorgleiehende entwicklungsgeschichtliche Studien im Bereiehe dcr Hirn- ~matmnie: 1. {Jbet' (lie Vcrbindung dcr sensiblen Ne,rven mit dem Zwischenhirn. Amtt. Anz. 2, Nr. 6 u. 8. 1887. / I1. (~ber die l~'ortsetzung (let' hinteren Rticken- markswurzeln zum (~ehirn. Ebenda 4, Nr. 4. 1880. / II1. Riechappar~tt und Aft> anonshorn, gbmtda ,Jahrg. 8, Nr. 10, l l. 1893. / IV. Die 1,'aserung aus dem Stamm- g.mglion, Corpus sCriatum, l+]benda Jahrg..% 1894. -- 1:~. {3ber die Ursprungs- rerhgltnissc des Acusticus und die ,,direkte, sensorisehe Kleinhirnbahn". Arehiv f. Psych. 1886. --: 14. {.}bet die Bedeutung des Kleinhirns in der Tierreihe. Berichte der 8enekenberg. naturf. (4esellsch. 188<). -- 15. Auatomisehe und vergleichend- anatomische Untersuchungen tiber die Vcrbindung dcr scnsorisehen Hirnner'ecn miC dem Kleinhirn, direkte sensorisehe Kleinhirnbahnen. Neurol. Centralbl, 1899, Nr. 20. -- I(~. A preliminary note on the comparative anatomie of the cerebellum. Brain ][9. l!)06. -- lCLi. Vcrlauf der Riiekcnmarksbahnen zum Klehlhirn und zu ~vei- ter vorn gelegenen Hirntcilen, Tee'turn und Thalamus. -- 17. {;ber die Einteilung des Cerebellums. ~+mat. Anz. 35, Nr. 13, 14. 1909. -- 18. (?ber das Kleinhirn und den Statotonus. Deutsehe Zeitsehr. f. Nervenheilk. 45. 1912 u. Zentralbl. f. l~hysiol. .~6, Nr. 15. 1912. -- 19. Untersuehungen iiber die vcrg]eiehende Anatomic des Gehirns. 1. Das Vorderhirn. Abhandl. d. 8enckeuberg. naturf. Gesellsch. 15. 1890. / I[. Das Zwisehenhirp. l. Teil: Das Zwisehenhirn der Selaehier und der Amphibien. Ebenda 1892. /lII. iNeue Studien iiber

Ebenda 1896. / IV. Neue Studien fiber das Zwischenhirn der Reptilien. Ebenda 20. 1903. / V. ])as Vorderhirn der VSge]; zusammen mit A. Wallenberg und Gordon Holmes. Ebenda 20. 1903. -- 20. Das Cerebellum yon Scyllium canicula. Archly f. mikr. Anat. u. Entwieklungsgeseh. 58. 1901. -- 21. Einiges yore Ge- him des Amphioxus. Anat. )mz. 28, Nr. 17, 18. 1906. -- 22. Die Deutung des Vorderhirnes bet Petromyzon. Anat. Anz. 26, Nr. 22, 23. 1905. -- 23. ~ber die Herkunft des Hirnmantels in der Tierreihe. Ber]. klin. Wochensehr. 1905, Nr. 4 -- 24. Ober das Gehirn vom Myxine glutinosa. Aus dem Anhang zu den Abhandl. d. Kgl. PreuB. Akad. d. Wissensch. 1906. -- 25. Untersuchungen tiber das Gehirn der Tauben; zusammen mit A. Wallenberg. Anat. Anz. 15, Nr. 14. 15. 1899. -- 26. Untersuchungen fiber den Fornix und das Corpus mamilare; zusammen mit A. Wallenberg. Archly f. Psych. 35, H. 1. 1901. -- 27. Der Lobus parolf. (Tuber- eulum olfact., Lobus olfact, post.) Anat. Anz. 38, Nr. 1. 1911. -- 28. Uber die dem Oralsinn dienenden Apparate am Gehirn der S~iuger. Deutsche Zeitschr. f. Nervenhei]k. 36. 1908. -- 29. Uber die Hypophysis. Verhandl. d. anat. Gesellsch. 1911. -- 30. Wege und Ziele der Hirnforschung. Naturwissenschaften 19t3, Jahrg. 1, It. 19. -- 31. Die Entstehung des Menschenhirnes. Wiener reed. Wochen- schr. 1914, Nr. 43. -- 32. Rfickenmark und Gehirn in einem Falle yon angeborenem Mangel eines Vorderarmes. Archly f. pathol. Anat. 89. 1882. -- 33. Nachahmung der Vorg/~nge beim Nervenwachstum; zusammen mit Liesegang. Anat. Anz. 4~, ~r. 8. 1914. -- 34. ~bcr die Regeneration durchschnittener Nerven. Natur- wissenschaften 1916, Jahrg. 4, H. 17. -- 35. 1Jber die Vereinigung getrennter Nerven. Grunds~itzliches und Mitteilung eines neuen Verfahrens. Mfinch. reed. Wochenschr. 1916, Nr. 7. -- 36. Uber die Vereinigung getrennter ~erven. Zeitschr. f. orthop. Chir. 36, H. 2/3. 1916. -- 37. ~ber die Regeneration der entarteten Nerven. Deutsche reed. Wochenschr. 1917, Nr. 25. -- 38. Zur Uberbrfickung yon Nerven- defekten. Miinch. reed. Wochenschr. 1917, Nr. 7. -- 39. Untersuchungen fiber die Neubildung der durchtrennten I%rven. Festschr. z. 60. Geburtstag yon H. Oppenheim. Deutsche Zeitschr. f. /qervenheilk. 58. 1918. -- 40. Bericht fiber die Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie des Zentralncrvensystems; zu- sammen mit A. Wallenberg. Schmidts Jahrbfieher 1886--1913. -- 41. Zehn Vorlestmgen fiber den Bau der nervSsen Zentralorgane. 1. Anti. Vogel, ]885; 2. Aufl. ebenda 1889; 3. Aufl. ebenda 1892; Aufl. ebenda 1893. / Vor- ]esungen fiber den Bau der nervSsen Zentralorgane des Menschen und der Tiere. 5. stark vermehrte Aufl. Vogel, Leipzig 1896; 6. Aufl. ebenda 1900. Bd. 2: Vergleichende Anatomie des Vertebratengehirnes. 6. Aufl. ebenda 1904. / Vor- lesungen fiber den Bau der nervSsen Zentralorgane. Bd. 1: ])as Zentralnerven- system des Menscben und der Si~ugetiere. 7. Aufl. Vogel, Leipzig 1904. Bd. 2: Vergleiehende Anatomie des Gehirns. 7. Aufl. ebenda 1908; 8. Aufl. ebenda ]911, Bd. 1. -- 43. Einfiihrung in die Lehre yore Bau und den Verrichtungen des Nervensystems. Vogel, Leipzig 1909; 2. Aufl. ebenda 1912.

II 44. (~ber die Entwicklung des Seelenlebcns beim Neugeborenen. Sitzungs- berichte d. Senckenberg. naturf. Gesellsch. 43. 1885. -- 45. Uber den Stand unserer Kenntnisse vom feineren Bau des Zentralnervensystems und dessen Bedeutung fiir die Psychologie. Vortrag in d. Sitzung d. Senckenberg. naturf. Gesellsch. 1891. -- 46. Uber die Bedeutung "der Hirnrinde. Im AnschluB an den Berieht fiber die Untersuchung eines Hundes, dem Goltz das ganze V0rderhirn entfernt hatte. Verhandl. d. 12. Kongr. f. inn. Med., Wiesbaden 1893. -- 47. Uber die Entwick- ]uffg des Rindensehens. Archly f. Psych. 27, H. 3, 1895. -- 48. On the signifi- (anee of the cortex, Journ. of eomparat. Neuro]. 3. 1893. -- 49. (~ber die Ent- Ludwig Edinger. 147 wicklong des hSheren Seelenlebens bei Tieren. Sitzung 6:' Senckeuberg. naturf. Gesellsch. 1894. -- 50. Haben die Fische ein Ged/ichtnis ? Allg. Zeitung, Mfinchen 1899, Nr. 241. -- 51. Hh'nanatomie und Psychologic. Berl. klin. Wochenschr. ~1900. --52. Hirnanatomie und Psycho!ogie. Entgegnung an Herrn Storch. Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorgane 24. -- 53. Uber das H5ren der Fische und an- derer niederer Vertebraten. ZentralbL f. Physiol. 12, Nr. 1. 1908. -- 54. Untersu- chungen fiber den Bau des Gehirns mit Rficksieht auf die Psychologic. Sitzung d. ~irzt. Vereins 1909. -- 55. Tierbeobachtungen in Aqoarien und Terrarien. Kosmos 1909. -- 56. WeiI~ alas neugeborene Kind etwas von seinen Empfindungen? Frankf. Zcitong 1909. -- 57. Die Beziehungen der vergleichenden Anatomic zur ver- gleichenden Psychologie. Leipzig 1909. Journ. of Neurol. and comparat. Neurol. -- 58. Der Hund und sein Gehirn. D. Revue, Augost 1910. -- 59. Warum wir die'Fische ange!n k61men. Das Ergebnis einer Rundfrage. Kosmos 1911, H. 4. -- 60. Die denkendcn Tiere. Das monist. Jahrhundert 1912. -- 61. Etwas veto Schmerz. Frankfurt a. M. 1913. -- 62. Ein Mensch ohne GroBhirn; zusammen mit E. Fischer. Archiv f. d. ges. Physiol. 15~: 1913. -- 63. Die Physiologie des Zentralnervensystems, dargestellt mit spezieller Rficksicht auf die anatomischen Aoordnungeo und die klinischen Erfahrungen. HandwSrterbuch der Natur- wissenschaften yon Kortschelt usw. Fischer, Jena ]913. -- 64. SchgdelausguB des Mannes yon Laehapelle. Vortrag im ~rztl. Verein, Okt. 1913. -- 65. Zur Methodik der Tierpsychologie. Der Hund H. Zeitschr. f. Psychol. ~0. 1914. -- 66. Unterrichtete Pferde. Feuilleton der Frankf. Zeitong 1913.

IlL 67. Das Verhalten der freien Salzs/iurc des Magensaftes in 2 F/*llen von amyloi- der Degeneration der Magenschleimhaut. Berl. kiln. Wochenschr. 1880, Nr. 9. -- 68. Untersuchungen zur Physiologie und Pathologie des Magens. Hirschfcld, Leip- zig 1881. -- 69. {}ber die Physiologie der 8/~uresekretion im Magen. Berl. klin. We- chensehr. 1882, Nr. 19. -- 70. Experimentelle Untersuchungen zur Lehre veto Asthma; zusammen mit Fr. Riedel. Archiv f. d. ges. Physiol. 29. 1882. -- 71. Ein Fall von Rindenepilepsie. Archiv f. Psych. 10, H. 1. 1879. -- 72. Untersuchungen fiber die Zuckungskorve des menSchliehen Muskels und seine Sekretion im kranken und gesunden Zustande. Zcitschr. f. klin. Med. 6. ]883. -r 73. Neuere Unter- suchungen fiber den menschlichen Magen und seine Sekretion im kranken und gesunden Zustand. Med.-ehir. Correspondenzbl. 2, Nr. 3. 1.884. -- 74. Beitr~gc zur Physiologie und Pathologic des Harns. Schmidts Jahrb. f. d. ges. Med. 1883. -- 75. ~lber H~moglobinurie, speziell fiber paroxysmale Form derselben. Ebenda 1883. -- 76. Bericht fiber die neueren Arbeiten uber Aeetonurie. Ebenda 1884. -- 77. Gibt es zentral entstehende Schmerzen ? Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. I. 1892. -- 78. Eine neue Theorie fiber die Ursachen einiger Nervenkrankheiten, insbesondere der Neuritis und der Tabes. Samml. klin. Vortr~ge, N. F. 106. 1894. -- 79. 13ber experimentelle tabesartige Rfickenmarkserkrankungen. Verhandh d. Kongr. f. inn. Med. 1898. -- 80. Einigcs fiber Wesen und Behandlung der Tabes. Verhandh d. 16. Kongr. f. inn. Med. 1898. -- 81. Ober experimentelle Erzeugung tabesghnlicher Rfickenmarkserkrankungen; zusammcn mit C. Helbing. Ebenda 1898. -- 82. Die Aufbrauchkrankheiten des Nervcnsystems. Deutsche reed. Wochenschr. 1904, Nr. 45, 49, 52; 1905, Nr. 1, 4. -- 83. Kasuistisches zum Nerven- aufbrauch. Psychiatr.-neuroL Wochenschr. Jahrg. 9, Nr. 14. 1907. -- 84. Die Rolle des Aufbrauehs bei den Nervenl~'ankheiten. Med. Klin. 1908, Nr. 28. -- 85. Der Anteil der Funktion an der Ents~ehung yon Nervenkrankheiten. Berg- mann, Wiesbaden 1908. -- 86. Vcrlust des SprcehvermSgens und doppelseitige Hypoglossusparese, bedingt dutch einen kleinen Herd im Centrom semiovale. 10" 1 48 K. (iehl~tein:

Deutsche reed. Woctienschr. 1886, Nr. 14. -- 87. Von den Kopfsehmerzen und der Migraine. D. Klin., -Wien 1901. -- 88. Wie lange kann ein intrakranieller, groBer Tmnor symptomlos getragen werden ? Leyden-Festschr. 1, Juni 1901. -- ,q9. Einseitiger, fast totaler Mangel des Cerebellums. Varix oblongatae. Herztod durch Aecessoriusreizung; zusammen mit Th. Neubfirger. Berl. klin. Wochen- sehr. 1898, Nr. 4. --- 90. Gesehiehte eines Patienten, dem opemtiv der ganze Sehl/ifenlappen entfernt wurde. Fin Beitrag zur Kenntnis der Verbindungen des 8ehliifenlappens mit dem iibrigen Oehirn. Deutseh. Arehiv f. klin. Med. Ira. 1902. 91. Ein Ponstumor. Sitzung d. iirztl. Vereins, 5. MRrz 1913. -- 92. ~lber den heutigen Stand der Lehre vom Sehmerz. Deutsche Monatsschr. f. Zahnheilk. Jahrg. 20. 1902. -- 93. [Jber den heutigen Stand der Therapie der Nervenkrank- heiten. Zeitschr. f. grztl. Fortbildung 1906, Jah N. 3. -- 94. Behandlung der Krankheiten im Bereiehe der peripheren Nerven. Handb. d. Therapie inn. Krankh. ;. 1898, 1903, 1910. -- 95. Zur Behandlung yon Nervenkrankheitcn. Jahi~skm, e f. iirztl. Fortbildung. Sarason, Berlin 1911. -- 96. Erkrankungen im Bereiehe der peripheren Nerven. Handb. d. prakt. Med. 1905, Bd. 3; 2. Aufl. -- 97. Veto Bau und einigen Erkrankungen des Nervensystems. Jahreskurse f. /irztl. Fort- hildung 1910, H 5. -- 98. Die Nervosit~it bei Juden. Frankf. Israel. Fam.-Bl. I.q00, Nr. 42. -- 99. Bericht fiber die Tgtigkeit der Frankfurter Poliklinik fiir Nervenkranke 1892--1902; zusammen mit S. Auerbaeh und A. Homburger. 1903. -- 100. [Jber die Regeneration durchschnittener Nerven. Naturwissen- schaften 1916, Jahrg. 4, H. 17. -- 101. l)ber die Vereinigung getrennter Nerven. Zeitschr. f. orthop. Chir. 36, H. 2/3. 1916. 102. l~lher die Vereinigung getrennter Nerven. Grunds/itzliehes und Mitteiluug eines neuen Verfahrens. Mtineh. reed. Woehensehr. 1916, Nr. 7. -- 103. l~ber die Regeneration der entarteten Nerven. l)eutsche recd. Woehensehr. 19.17, Nr: 25. -- 104. Zur Uberbriiekung yon Nerven- de~ekten. Miineh. reed. Wochenschr. 1917, Nr. 7. -- 105. Untersueh~ngen fiber die Neubildung der dnrchtrennten Nerven. Festsehr. z. 60. Geburtstag yon H. Oppenheim. Deutsche Zeitsehr. f.Nervenheilk. 58. 1918. -- 106. 1Jber iohlebogene Sehmerzen. Berl. klin. Woehenschr. 1914, Nr. ll. -- 107. Neue Darstellung der Segmentinnervation des mensehlichen K6rpers. Zeitsehr. f. klin. Med. 5,% 1904. --- 108. Ammonsborn und Epilepsie. Wiener reed. Wochensehr. 1917, Nr. 46. -- 109. Uber Kritmpfe und Besehiiftignngskriimpfe. Med. Klin. 1906, Nr. 48. -- II0. Friedreiehsehe Krankheit. Heredit/ire Ataxie, famili/ire Ataxie. Real- enzyklop~die d. ge,s. Heilk. 1895. / Gesichtsmuskellithmung, minfisehe Gesiehts- lXhmung, faciale Hemiplegie und Diplegie. Ehenda 1895. / Bulb/irparalysen. Ebenda 1907. ~ Friedreichsehe Krankheit. Ebenda 1907. Gesichtsmuskell~ih- mung. Ebend~ 1907. / Unfallkrankheiten. Ebenda ]913.

IV.

111. Notizj betr. die Behandlung ,-on Priiparaten des Zentralnervensystems, welehe zur Yrojektion mit dem Seiopticum dienen sollen. Zeitsehr. f. wissensch. Mikroskopie u. mikrosk. Tecbnik !. 1884. -- 112. Ein neuer Apparat zum Zeieh- nen sehwaeher VergrSgerungen. Eber~la 8. 1891. -- 113. Demonstration eines Riickenmarksmodelles. Neurol. Zentralbl. u. Arehiv f. Psych. 1892. -- 114. Me- dell des oberen Riickenmarksteiles und der Oblongata. Anat. Anz. 1893. -- 115. Die zweckm/iBigste Art der }Iirnsektion. Zeitsehr. f. Psychiatric 50. 1893. -- 116. Zwei neue Apparate zum Zeichnen mikroskopischer Pr//parate. Sitzung d. ~irztl Vereins, Juni 1906. -- 117. Kurze Demonstration yon Itirnmodellen. 7. in- ternat. Physiologen-KongreB Heidelberg 1907. -- 118. Ein neuer Apparat zum Zeiehnen und Projizieren. Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie u. mikro~k. Teeh- Ludwig EdinRer. 14(,~ nik ~4. 1907. -- 119. Das Zeigerdoppelokular. Ebenda ~1. 1910. -- 120. Ersatz des Canadabalsa~ms dutch Gelatine. Vortrag im hrztl. Verein zu Frankfurt a. M. 1913. V. 121. Zum 60. Geburtstage Adolf Kussma~uls. 3Iiinch. reed. Wochenschr. 1902. -- 122. ,,Karl Weigcrt". Nekrolog iln Jahrcsber. d. ~rztl. Vereins Frank- furt a. M. 1901. -- 123. Dr. Victor Cnyrim. Nekrolog in der Deutsch. reed. Wo- ehenschr. 1904, Nr. 30. --124. , eine Darstellung seines wissen- schaftlichen Wi1"kens. Festschr. z. 60. Geburtstage, Mfirz 1914. -- 125. A. van Ge- huchten. Nekrolog. Deutsche reed. Wochenschr. 1915, Nr. 6. -- !26. Ludwig Bruns. Nekrolog. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. ~6. 1916. -- 127. Oskar Kohn- st~mm, Nekrolog. Abcndbl. d. Frankf. Zeitung, 8. Nov. 1917. -- 128. Vorwort zu ,,Ober Wunder". Neuer Frankfurter Verlag, Frankfurt '1908. -- 129. Das Neurologische Institut. Feuilleton d. Frankf. Zcitung, 25. Okt. 1914. -- 130. Der SchSpferische und der Kritische. Deutsche reed. Wochenschr. 1915, Nr. 48. - 131. Vom Mystischen und dem ,Hochmut'" der Wissenschaft. Kulturrundschau der Leipziger Illustl'ierten 1917, Xr. 3845. -- 132. Die Nerven im Kriege. Die gro/~e Zeit 1915.