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Anja Kuhlmann

WIFREDO LAM: Identitätskonstruktionen und Multikulturalität

Dissertation Fachbereich III, Kunstgeschichte Universität Trier

Dezember 2013 Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktortitels der Kunstgeschichte, Fachbereich III, Universität Trier

Erstgutachterin: Prof. Dr. Viktoria Schmidt-Linsenhoff (†) Zweitgutachterin: Prof. Dr. Alexandra Karentzos

Datum der letzten mündlichen Prüfung, Abschluss des Promotionsverfahrens: 5. Dezember 2011 DANK

Die vorliegende Arbeit ist die für die Publikation überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die 2011 an der Universität Trier bei Professorin Dr. Viktoria Schmidt-Linsenhoff fertig gestellt wurde. Ihr danke ich posthum sehr herzlich, wie auch Professorin Dr. Alexandra Karentzos für die Zweitkorrektur und ihre Betreuung in der Phase der Veröffentlichung dieser Arbeit, Professor Dr. Gerhard Wolf danke ich für seinen Zuspruch.

Mein besonderer Dank gilt der in Paris lebenden Familie Lam, vor allem Lou Laurin-Lam und Eskil Lam, in deren herzlichen und offenen Haus ich Gast sein durfte. Auch die Zusammen- kunft mit Helena Benitez in Saarbrücken beeindruckte mich nachhaltig. Ihr danke ich für ihre sehr persönlichen Einblicke in die gemeinsame Zeit mit ihrem damaligen Mann Wifredo Lam in den 1940er Jahren in Havanna.

Ohne das Stipendium für einen Studienaufenthalt in Havanna des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) 1998-99, sowie das Stipendium der Fundación Ludwig de Cuba in Havanna hätte ich möglicherweise nicht den Entschluss des Themas der vorliegenden Disser- tation gefasst. Dem Graduiertenkolleg „Identität und Differenz. Geschlechterkonstruktion und Interkulturalität (18. – 21. Jahrhundert)“ an der Universität Trier danke ich für anregende Diskussionen.

All die Jahre haben mich viele Personen begleitet und mir durch Lektorat, Diskussionen und Anregungen Unterstützung geboten. Namentlich danke ich: Nadia Audi, Jennifer Emmerich, Dr. Thomas Grötz, Ortrud Hücherig, Mária Lopéz, Birgit Niemeyer, Janne Schumacher, Iris Syré, Dr. Nina Trauth, Wibke Weiser, für das finale Lektorat danke ich Meike Rötzer.

Auf andere Weise danke ich meiner Familie, meinen Eltern, ohne deren langjährige Unterstüt- zung und Vertrauen das Projekt nicht begonnen worden wäre, meinem Mann für Freiraum, kritische Anmerkungen und Zuspruch. Ihnen, im Besonderen jedoch meinen beiden Kindern Malena und Leander, ist diese Dissertation gewidmet.

Berlin, im Dezember 2013 Anja Kuhlmann Inhaltsverzeichnis

I WIFREDO LAM: Identitätskonstruktionen und Multikulturalität 1 Einleitung 7 2 Forschungsstand 10 3 Theoretische Basis und Methode 14 3.1 Selbstpositionierung 19 4 Gliederung der Arbeit 21

II WIFREDO LAM und sein Werk: Eine Einführung 23

1 Lebensdaten und biografische Verweise 23 1.1 LAMs künstlerischer Werdegang 27 2 Einführung in das Gesamtwerk 33 2.1 Der kubistische Einfluss in LAMs Bildern 36 2.1.1 Überschneiden, überblenden, kombinieren: LAMs neue Gesichter 41

2.2 Surrealismus in LAMs Werk 45

2.3 Die Santeria im Werk von WIFREDO LAM// 49 Exkurs: Die afrokubanische Mischreligion Santeria 49 2.3.1 Ellegua und Changó: LAMs kleine Gehilfen 52 3 Zusammenfassung 55

III Repräsentation und Rezeptionsmechanismen 56

1 Die ambivalente Freundschaft zwischen LAM und PICASSO 58 1.1 PICASSO in der Rezeptionsgeschichte des LAMschen Werkes 64 1.2 Die Stilisierung der Heimat: LAMs Rückkehr nach Kuba in der Rezeption 68 2 Paris – New York: Surrealismus im Exil 74 2.1 Surreal, primitiv, exotisch: Die Rezeption der 1940er Jahre unter wechselnden Vorzeichen 77 3 Der lateinamerikanische Diskurs zur kulturellen Identität 83 3.1 Ein Bild für Lateinamerika: La Jungla in CARPENTIERs wunderbaren Wirklichkeit 84 3.2 „La cosa negra“. Kulturelle kubanische Identitätskonstruktionen 88 3.3 WIFREDO LAM und die Revolution 93 4 Mystisch, fremd und anders: Neue diskursive Vorzeichen für altbekannte Rezeptionen 97 4.1 Internationale Aufmerksamkeit: LAMs Repräsentation nach dem Zweiten Weltkrieg 97 5 Diskontinuitäten und Brüche in der Rezeption 105

4 IV Werkanalyse an ausgewählten Bildbeispielen 111

1 La Jungla – Der Dschungel (1943) 113 1.1 Bildbeschreibung 113 1.2 Aufnahme und Entzug: Der emanzipatorische Moment in La Jungla 124 2 Les Noces – Die Hochzeit (1947) 130 2.1 Bildbeschreibung 130 2.2 Karibisch paradiesische Hochzeit: Synkretismus und die Auflösung eindimensionaler Betrachterstandpunkte 135 3 El Tercer Mundo – Die Dritte Welt (1965/66) 139 3.1 Bildbeschreibung 139 3.2 Die Eroberung der Welten in ästhetischen Räumen 144 4 Les Abalochas dansent pour Dhambala, dieu de l´unité – Die Abalochen tanzen für Dhambala, Gott der Einheit (1970) 147 4.1 Bildbeschreibung 148 4.2 Die flüchtige Einheit des Dhambala 152 5 Hybridität als ästhetischer Ausdruck 156

V WIFREDO LAMs homogenes Gesamtwerk: Ein alternatives ästhetisches Identitätsmodell? 160

1 Redundante Kompositionsstrukturen im LAMschen Œuvre 161 1.1 Charakteristiken figürlicher Posen und ihre ästhetische Redundanz 161 1.2 Kompositorische Einheiten des Bildraumes 166 2 Homogenität versus Hybridität? 168 2.1 Der LAMsche Bildraum als Kontaktzone 169 2.2 Einheit und Differenz: Ein Annäherung an ein alternatives Identitätsmodell 171

VI Zusammenfassung und Ausblick 174

VII Literaturverzeichnis 178 VIII Abbildungsverzeichnis 205

5 Meiner Familie

6 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

I WIFREDO LAM: Identitätskonstruktionen und Multikulturalität

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit ist der Künstlerpersönlichkeit und dem Werk des Kubaners WIFREDO

LAM gewidmet. LAM wurde 1902 auf Kuba als Sohn eines Chinesen und einer Kubanerin geboren und starb 1982 in Paris. Die vielen unterschiedlichen Lebensstationen des Künstlers bezeugen seine Mobilität und Reiselust, zeichnen aber auch gleichzeitig die historischen Turbulenzen und Umbrüche des 20. Jahrhunderts nach. So hielt er sich seit 1923 zunächst in und auf, reiste 1938 weiter nach Paris, floh 1940 vor dem Weltkrieg zurück nach Kuba und lebte ab 1954 erneut in Paris, aber auch in Albisola Mare in Italien. Zu LAMs

Freunden und Bekannten gehörten unter anderem , ANDRÉ BRETON, MICHEL

LEIRIS, PIERRE MABILLE, ALEJO CARPENTIER, LYDIA CABRERA, AIMÉ CÉSAIRE, BENJAMIN PERÉT und .

LAM gilt heute als einer der Hauptvertreter der lateinamerikanischen Kunst des 20. Jahrhun- derts und als Künstlerikone Kubas. Sein Werk, das aus Gemälden in Öl, aus Gouachen, Zeich- nungen, Aquarellen und getöpferten Plastiken besteht, ist durch den Kubismus und den Surrealismus beeinflusst. Auch interessierte er sich für die lokalen Gegebenheiten, Kulturen und Traditionen seiner jeweiligen Aufenthaltsorte. So setzte er sich beispielsweise in Paris vor dem Zweiten Weltkrieg mit dem „Primitiven“ auseinander, wie es auch PICASSO tat. Er beschäftigte sich nach seiner Rückkehr ins Heimatland Kuba mit der afrokubanischen Misch- religion Santeria und fühlte sich politisch wie intellektuell mit der karibischen Négritude verbunden. Diese und andere Eindrücke und Einflüsse hinterließen Spuren in LAMS Werk, die er in eine Formensprache umsetzte, die seinem Œuvre einen unverwechselbaren Ausdruck verleiht.

Die Lesarten des Werkes von WIFREDO LAM wurden durch den engen Kontakt zu einigen Vertretern der europäischen Avantgarde vor dem Zweiten Weltkrieg in Madrid und Paris, während seines Aufenthalts in der Karibik und durch den Austausch mit lateinamerikanischen Intellektuellen nachhaltig bestimmt. So unterschiedlich die Rezipienten, deren Prägungen und eigene Interessen waren, so vielseitig lesen sich die Auseinandersetzungen mit der Künstler- persönlichkeit und mit seinem Œuvre. Vor allem LAMs „exotisches“ Erscheinungsbild – das eines chinesisch-kreolischen Kubaners – verbunden mit dem Interesse der europäischen Avantgarde an Afrika sowie die emanzipatorischen Bewegungen der Karibikstaaten und

7 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

Lateinamerikas waren für die Repräsentation und Reputation des Künstlers entscheidend.

Dabei sind es bis heute die Aussagen von PICASSO, BRETON, CARPENTIER1 und ORTIZ2, deren

Glaubwürdigkeit als Maßstab gilt und die die LAMsche Rezeption im Kontext eines stabilen kunsthistorischen Diskurses der „Moderne“3 des 20. Jahrhunderts anführen.

Unbestritten nahm LAM die Impulse des jeweiligen Umfeldes – geografisch wie kulturell – auf und verarbeitete diese in den Bildern. Beschreibungen, die in den vorgefundenen Zeichen und Darstellungen ein unmittelbares Zeugnis, ein Abbild vor allem der karibischen und latein- amerikanischen Realität lesen, klingen jedoch oft stereotyp. Es ist nicht die Absicht dieser Arbeit, den unzähligen Interpretationen eine weitere hinzuzufügen. Stattdessen stellt sich die

Frage, warum das LAMsche Werk eine Vielzahl sich widersprechender Interpretationen provo- ziert hat. Worin liegt die spezifische Offenheit der Werke, die solch eine Fülle von Interpreta- tionsmöglichkeiten hervorruft? Weshalb erscheinen die Bilder den Betrachtern einerseits vertraut, während sie sich gleichzeitig der Möglichkeit einer konkreten Bildaussage entzie- hen? Im Kontext dieser Fragen ist es ein Ziel der vorliegenden Arbeit, zu einer Neupositionie- rung des Künstlers und seines Werkes zu gelangen. Vor diesem Hintergrund wird sein Werk anders bewertet und die hohe Brisanz und Aktualität der Auseinandersetzung mit WIFREDO

LAM deutlich werden.

Dies wird nicht nur durch die Betrachtung einzelner, repräsentativ ausgewählter Bildbeispiele gelingen. Auch die Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk des Künstlers ist relevant. Das Œuvre zeichnet sich nämlich durch eine bemerkenswerte Homogenität in der Darstellungs- weise aus. Diese stilistische Formalität wurde von den Kritikern des LAMschen Werkes bisher nicht beachtet. Möglicherweise jedoch sind die über Jahrzehnte hin praktizierte Wiederholung von Bildformeln und die stilistische Homogenität des Gesamtwerkes Teil des künstlerischen

1 CARPENTIER, ALEJO, geboren 1904 in Havanna, französisch-russischer Abstammung, gestorben 1980 in Paris. Er war Schriftsteller und Kulturkritiker, Mitherausgeber verschiedener Zeitschriften. 1977 erhielt er den Cer- vantespreis. 2 ORTIZ, FERNANDO gilt als der Begründer der kubanischen Anthropologie. Er war als Kulturkritiker und Musikethnologe äußerst einflussreich, gerade als es um die Ausformulierung der eigenen kulturellen Identität Kubas in den 1940er Jahren ging. ORTIZ wurde in Havanna 1881 geboren und starb dort 1969. 3 „Moderne“ wird in Anführungsstriche gesetzt, in der Überzeugung, dass die „Moderne“ lange Zeit haupt- sächlich als kulturübergreifend und Unterschiede nivellierend, als unter anderem zeitlich und räumlich abge- schlossene Kategorisierung verstanden wurde. Auch galt die binäre Logik des Entweder-oder in der „Moder- ne“ als unangefochten. Mit der Wertschätzung von kulturellen Konzepten, die von instabilen und sich stetig verändernden Prozessen der Identitätsbildung ausgehen, wird heute mehr das Prinzip des Sowohl-als-auch fa - vorisiert. „Ein solcher Ansatz, der das Homogenitätsstreben in der Moderne aufbricht, könnte ein anderes Verhältnis zur Differenz entwickeln.“ (HA, KIEN NGHI: Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen „Rassenbastarde“. Bielefeld 2010: 212). Die vorliegende Arbeit operiert mit Begriffen der Vielschichtigkeit, der Poliphonie und der Hybridität und negiert somit die Abgeschlossenheit der „Moderne“.

8 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

Programms von WIFREDO LAM. Mit dieser These könnte das Werk als ein kritischer Kommen- tar zu Überzeugungen der „Moderne“, die künstlerische Entwicklung mit Stilbrüchen und Veränderungen gleichsetzt, gelesen werden. Deren Innovationszwang, so eine These der

Arbeit, suchte sich LAM zu widersetzen.

Auf der Basis dieser neu erarbeiteten Erkenntnisse kann WIFREDO LAM als Fallbeispiel für übergeordnete Fragestellungen dienen und zentrale Aspekte der cultural studies illustrieren.

Denn LAMs künstlerische Formgestaltung verweist auf ein alternatives ästhetisches Identitäts- modell, das Synkretismus und Hybridität nicht als Verlust von Identität, sondern als eine Praxis von Differenz versteht. Diese Ausrichtung der Lesart ermöglicht es, das Gesamtwerk als eine künstlerische Antwort auf Fragen kultureller Identität und Multikulturalität zu deuten, ein Diskurs, der heute von besonderem Interesse ist.

9 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

2 Forschungsgegenstand und Literaturlage

WIFREDO LAM ist trotz seiner zeitgenössischen Popularität heute in Europa ein recht unbe- kannter Künstler. Obwohl er als Paradebeispiel für die aktuellen Diskussionen um kulturelle Differenz dienen kann, bleibt er weitgehend unbeachtet. Dies liegt unter anderem daran, dass das Werk nicht hinreichend unter thematisch übergeordneten Fragestellungen analysiert wurde. So folgen die bisherigen Bildbeschreibungen meist Rhetoriken, die durch eine proble- matische Kontextlosigkeit das Werk auf eine isolierte Außenseiterposition festschreiben. Eine

Dekonstruktion dieser Rhetoriken und Kontexte, in denen das LAMsche Werk verortet wurde, ist bislang ausgeblieben. Wohl aus Ehrfurcht vor den bezeugenden Personen und Rezipienten, die den Kunst- und Kulturdiskurs des 20. Jahrhunderts prägten und die auch LAM die Aner- kennung seines Werkes entgegenbrachten, wurden deren Sichtweisen bisher nicht infrage gestellt. Hier setzt das vorliegende Dissertationsvorhaben an.

Das Untersuchungsmaterial zur Rezeption und Repräsentation besteht aus Publikationen in Zeitungen und Zeitschriften, Künstlermonografien und Textbeiträgen in Ausstellungskatalo- gen. Eine relevante öffentliche Rezeption zu LAM setzte vermehrt erst Mitte bis Ende der 1940er Jahre ein und steigerte sich danach stetig. Stellvertretend werden hier einige der wich- tigsten Schriften zu LAM genannt. Die erste Monografie erschien 1950 und wurde von dem anerkannten kubanischen Kulturhistoriker FERNANDO ORTIZ4 herausgegeben. Es war gleichzei- tig das erste ausführliche Werk zu WIFREDO LAM, dem über zwanzig weitere Monografien und

Ausstellungskataloge bis heute folgten.5 1970 veröffentlichte eine erste Mono- grafie im europäisch-US-amerikanischen Kontext zu WIFREDO LAM6. Die Publikation ist ein Beispiel dafür, wie die bisherige Auseinandersetzung die biografische Faktizität mit dem Werk parallelisierte und so einen vermeintlich authentischen Ausdruck der kubanischen Reali- tät im Werk festschrieb. 1976 erschien das Buch von MAX-POL FOUCHET Wifredo Lam7. Es ist das einzige, das in mehrere Sprachen, darunter auch ins Deutsche, übersetzt wurde. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis macht deutlich, dass FOUCHET der biografischen Abfolge der Ereig- nisse in LAMs Leben folgte. Auch war er der traditionellen Kunstgeschichtsschreibung Frank-

4 ORTIZ, FERNANDO: Wifredo Lam y su obra vista a través de significados críticos. Publicaciones del Ministe- rio de Educación, Havanna 1950. Eine genauere Aufarbeitung der Monografie von ORTIZ findet sich in Kapi- tel III 3 Der lateinamerikanische Diskurs zur kulturellen Identität. 5 Zuletzt erschienen: LEENHARDT, JACQUES: Wifredo Lam. Paris 2009. Sowie Publikation zur Ausstellung: MAXIMIN, DANIEL (Hrsg.): Césaire et Lam. Insolites bâtisseurs. HC Éditions, Paris 2011. Anmerkung: Der Katalog konnte nicht mehr in den Ausführungen der vorliegenden Dissertation berücksichtigt werden. 6 LEIRIS, MICHEL: Wifredo Lam. Mailand 1970. 7 FOUCHET, MAX-POL: Wifredo Lam. Barcelona/Paris: Poligrafa/Cercle d' Art, 1976; ebenso dt. Ausgabe 1976; New York: Rizzoli International Publishers, 1978; Abridged Czech. ed. Odeon, 1988; Abridged Eng. ed. Barcelona: Poligrafa, 1989.

10 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT reichs verbunden, in der Kubismus, Surrealismus und Primitivismus zum nationalen kunsthis- torischen Selbstverständnis des 20. Jahrhunderts gehören. Kapitelüberschriften wie „Die afri- kanische Dimension“, „Kontinent mit Zukunft“, „Rückkehr in die Heimat“, „Tiefen des Dschungels“ und „Die konvulsivische und die andere Schönheit“ verdeutlichen dies.

1983 veranstaltete das Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris eine Retrospektive zu

WIFREDO LAM. Es erschien auch ein Ausstellungskatalog.8 Beiträge vieler großer Namen sind darin zu finden: ANDRÉ BRETON, MICHEL LEIRIS, PIERRE MABILLE, ALEJO CARPENTIER, VICTOR

SERGE und andere9, selbst WIFREDO LAM wurde zu seiner Begegnung und Freundschaft mit und zu PICASSO 1938 zitiert.10 Die Aneinanderreihung von Texten bekannter Zeitzeugen und anerkannter Persönlichkeiten der Avantgarde unterstreicht zunächst die Einzigartigkeit der

Künstlerpersönlichkeit LAM. Doch der Eindruck wird geschmälert, denn bei den meisten Texten handelt es sich um Zeugnisse, die bereits vor Jahrzehnten schon einmal publiziert und hier erneut abgedruckt wurden.11 Die Wiederholung der anerkannten bezeugenden Personen, verbunden mit dem Namen einer bedeutenden Institution, stützte und festigte das bestehende

Bild von WIFREDO LAM und seiner Kunst erneut nachhaltig.

Des Weiteren soll auf die Publikation Wifredo Lam von ANTONIO NÚÑEZ JIMÉNEZ12 1982 hingewiesen werden. Das Buch erschien in Havanna. NÚÑEZ schrieb aus einer Mischung von fiktiven Gesprächen, geführten Interviews und der LAMschen Biografie eine Monografie, in der sich LAM ganz in die politische Linie FIDEL CASTROS einzugliedern scheint. Zwar erklärte sich LAM mit der kubanischen Revolution solidarisch und gab seine kubanische Staatsbürger- schaft nicht aufgab – diesem Buch jedoch stimmte er nicht zu. Dies bestätigte ESKIL LAM13 in einem persönlichen Gespräch.14

8 Wifredo Lam 1902-1982. Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris (Hrsg.), 23. März - 22. Mai 1983, Paris 1983. 9 Des Weiteren finden sich darin Gedichte u.a. von „Crédule. À Wifredo Lam“ (KAT. LAM 1983: 58.) oder von AIMÉ CÉSAIRE „Conversation avec Mantonica Wilson“ (KAT. LAM 1983: 32.). 10 LAM, WIFREDO: „Mon amitié avec Picasso 1938“. (In: KAT. LAM 1983: 13-17.) Anmerkung: Die gleichen Ausführungen finden sich bereits in der Monografie von FOUCHET 1976. 11 Der Text von MICHEL LEIRIS (KAT. LAM 1983: 1-4.) stammte aus dem Jahr 1970 (LEIRIS, MICHEL: Wifredo Lam. Mailand 1970.), der Text von BRETON „Wifredo Lam. À la longue nostalgie des poètes ...“ (KAT. LAM 1983: 16-17.) erschien erstmals 1941 (BRETON, ANDRÉ: „Wifredo Lam. À la longue nostalgie des poètes ...“. In: „Genèse et perspective artistiques du surréalisme“ (1941), wiederabgedruckt in: BRETON, ANDRÉ: Le sur- realisme et la peinture. Paris, 1965: 224.) Der Text von PIERRE MABILLE, „La Jungle“ (KAT. LAM 1983: 44- 46.) wurde 1945 publiziert (MABILLE, PIERRE: „La Jungle“. In: Tropiques. Revue culturelle, No. 12, Fort-de- France, Januar 1945: 173-187.). 12 NÚÑEZ JIMÉNEZ, ANTONIO: Wifredo Lam. Letras Cubanas, Havanna 1982. 13 ESKIL LAM ist der erstgeborene Sohn aus dritter Ehe des Künstlers mit LOU LAURIN-LAM. 14 Persönliches Gespräch mit LOU LAURIN-LAM und ESKIL LAM, während eines mehrwöchigen Studienaufent- haltes in Paris 2001. 1982 erschien ebenfalls von NÚÑEZ ein Artikel in Bohemia, der Passagen des Buches ab-

11 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

1984 richtete das in New York die beachtete Ausstellung „Primiti- vism“ in 20th Century Art: Affinity of the Tribal and the Modern15 aus. Im Ausstellungskata- log eröffnete EVAN MAURER seinen Beitrag „ und Surrealismus“16 auf der gesamten ersten Seite mit der Abbildung von La Jungla von WIFREDO LAM, das als sein Schlüsselwerk erachtet wird und sich seit 1943 im Besitz des MoMA befindet. MAURER schloss seinen Kata- logbeitrag mit ausführlichen Verweisen und Kommentaren zu LAM, die dessen Verbindung zwischen dem Surrealismus und dem sogenannten Primitiven herausstellten. WIFREDO LAM kam in dem Text eine Klammerfunktion zu.17

Zuletzt soll das Œuvreverzeichnis Lam. Catalogue Raisonné of Painted Work Volumen I und

II von 1996 und 200218 genannt sein. Es ist von LOU LAURIN-LAM herausgegeben. Das Verzeichnis ist bei der wissenschaftlichen Arbeit zum künstlerischen Werk überaus hilfreich, denn es bildet das gemalte Œuvre ab, das über die Welt verteilt ist und sich nicht selten in Privatbesitz befindet.19 In Lam. Catalogue Raisonné of Painted Work findet sich neben einem detaillierten Abbildungsverzeichnis auch eine sorgfältig aufgearbeitete Bibliografie und ein ausführlicher Lebenslauf des Künstlers.

Auch im Internet ist LAM zu finden, so beispielsweise auf der offiziellen Homepage des Nach- lasses von WIFREDO LAM20.

Die Analyse der Rezeptionen in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt nur Publikationen in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Während englische Zitate nicht übersetzt werden, sind die in spanischer und französischer Sprache in den Fußnoten von mir ins Deutsche transferiert. Soweit möglich, sind die Quellen in der Sprache ihrer Ersterschei- nung wiedergegeben.

druckte und im Stil des Interviews LAM Aussagen zuordnete, die dieser so nicht gemacht haben soll. Vergl. NÚÑEZ JIMÉNEZ, ANTONIO: „Lam habla de Fidel“. In: Bohemia, año 74, No. 20: 14. 15 RUBIN, WILLIAMS (Hrsg.): „“ in 20th Century Art: Affinity of the Tribal and the Modern. Museum of Modern Art, New York 1984. 16 MAURER, EVAN: „Dada und Surrealismus“. In: RUBIN, WILLIAMS (Hrsg.): Primitivismus in der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts. München 1984: 546-607. 17 Vergl. Hinweis in Kapitel III 1 Die ambivalente Freundschaft zwischen LAM und PICASSO. 18 LAURIN-LAM, LOU: Lam. Catalogue Raisonné of Painted Work. Volumen I 1923-1960. Lausanne 1996; LAURIN-LAM, LOU/LAM, ESKIL: Lam. Catalogue Raisonné of Painted Work. Volumen II 1961-1982. Lausanne 2002. 19 Besonders großes Interesse haben nach Aussage von ESKIL LAM asiatische Sammler an LAMs Bildern. 20 www.wifredolam.net/ Die Homepage ist in französischer Sprache und gibt einen Überblick über die Biogra- fie des Künstlers. Auch einige Bildbeispiele finden sich auf der Seite.

12 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

WIFREDO LAM hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Die Familie LAM, LOU LAURIN-LAM und einer ihrer gemeinsamen drei Söhne, ESKIL, leben in Paris und verwalten das Erbe. Ihnen ist es zu verdanken, dass eine internationale Aufarbeitung der Rezeptionsgeschichte zum

LAMschen Werk möglich ist, denn sie verfügen über ein fast lückenloses Archiv von Katalo- gen, Zeitungsartikeln und anderen Medien wie Videofilmen und Tonaufnahmen sowie über ein Bildarchiv. LOU LAURIN-LAM und ESKIL LAM gilt mein großer Dank für ihre Unterstützung und Gastfreundschaft.

13 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

3 Theoretische Basis und Methode Überlegungen zu Repräsentationsformen „kultureller Identität“ und deren auf Stabilität und Macht angelegten Bedeutungsmuster sind die Basis dieser Dissertation in der diskursiven

Auseinandersetzung mit dem Künstler LAM, dessen Reputation und Künstlermythos. Beson- ders hilfreich sind dabei zunächst die theoretischen Ausführungen von STUART HALL zur

Konstruktion von Identität, im Besonderen zur kulturellen Identität. HALL weist darauf hin, dass Ereignisse, Verhältnisse und Strukturen nur innerhalb diskursiver Sphären ihren Bedeu- tungsrahmen konstituieren. „Auch wenn wir den räumlichen Anspruch des Diskursiven nicht unbegrenzt erweitern wollen, spielen die Repräsentationen von Sachen, die Kulturindustrien und kulturellen Repräsentationsregimes eine konstitutive und keine bloß reflexive, erst nach dem Ereignis auftretende Rolle. Das gibt den Fragen der Kultur und Ideologie und den Reprä- sentationsszenarien – Subjektivität, Identität, Politik – einen gestaltenden und nicht lediglich einen expressiven Charakter bei der Konstitution von sozialem und politischem Leben.“21

Auch HOMI BHABHA führt die mächtige, kulturpolitische Positionierung, in der kulturelle Iden- tität den diskursiven Rahmen vorgibt, auf die Abhängigkeit von Repräsentations- und Rezep- tionsmechanismen sowie deren Beschreibungsrhetoriken zurück.22

Des Weiteren stellt sich kulturelle Identität als ein Prozess stetiger Veränderung dar, der Brüche und Diskontinuitäten auf sich vereint. Einerseits erscheint Kultur „nicht mehr als das integrierte Bedeutungssystem, in dem die einzelnen Menschen nur Akzidenten oder Bedeu- tungsträger darstellen. Vielmehr konstituieren und rekonstruieren die verschiedenen Handeln- den die sozialen Beziehungen und Bedeutungen, Diskurse und Repräsentationen in ihrem Zusammenspiel. (...) Kultur wird zum Mit- und Gegeneinander unterschiedlicher, oft wider- streitender Stimmen, Diskurse und Praktiken.“23 Identitäten unterliegen einem steten Prozess der Veränderung, können eindeutig und ambivalent zugleich sein.

21 HALL, STUART: Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg 1994: 17. 22 BHABHA, HOMI (1988). „Cultural diversity and cultural differences”. In: ASHCROFT, BILL/GRIFFITHS, GARETH/TIFFIN, HELEN: The Post-Colonial Studies Reader. Routledge 2. Auflage, Oxford 2006: 156. „The re- ason a cultural text or system of meaning cannot be sufficient unto itself is that the act of cultural enunciation – the place of utterance – is crossed by difference of writing or écriture. It has (…) to do (…) with the struc - ture of symbolic representation – not the content of the symbolic or its 'social function', but the structure of symbolization. It is this 'difference' in language that is crucial to the production of meaning and ensures, at the same time, that meaning is never simply mimetic and transparent.” 23 STRAUB, JÜRGEN: „Personale und kollektive Identität. Zur Analyse eines theoretischen Begriffs.” In: ASSMANN, ALEIDA/FRIESE, HEIDRUN (Hrsg.): Identitäten. Erinnerung, Geschichte, Identität 3. 2. Auflage, Frankfurt/Main 1999: 102.

14 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

Als Gegenentwürfe zu stabilen, geschlossenen und absoluten Beschreibungskategorien kultu- reller Identität fungieren auch Beschreibungen von Hybridität und Synkretismus, die den Begriff der kulturellen Differenz beinhalten. Dabei ist zu beachten, dass „die Vorstellung, dass wir heute in einer hybriden Kulturlandschaft der Überlappungen und Vermischungen leben, deren instabile Grenzziehungen kreuz und quer zu geschlechtlich, national, ethnischen, reli- giös wie sozial konstruierten Differenzierungen verlaufen, ein Ansatz (ist), der infolge wach- sender Zustimmung und inflationärer Wiederholungen fast schon ein akademischer Gemein- platz ist.“24 Und während noch bis Ende der 1990er Jahre Hybridität als harmoniestiftende dynamische und nicht endende Vermischung von Kulturen verstanden wurde, weisen nun vermehrt kritische Stimmen auf den Umstand hin, dass eine solche Lesart der positiven Aner- kennung von Differenz und Vermischung allzu schnell in implizite Macht- und Wissenspro- duktionen übergehen. Beispielsweise sollte nicht übersehen werden, dass, historisch gesehen, dem Hybriden auch immer die Geschichten kolonialer Verbrechen, rassistischer Exotisie- rungsfantasien und Verunreinigungsängste immanent sind.25

HOMI BHABHA versucht Hybridität mit seiner einflussreichen Metapher eines „space in-bet- ween“ oder auch „third space“ zu fassen. Demnach versteht sich Hybridität hier nicht als absolute Beschreibungs- und Repräsentationskategorie, sondern als eine Annäherung an einen außerhalb dichotomer Beschreibungsmuster befindlichen Raum. BHABHA besteht auf eine Perspektive, die „den Weg zur Konzeptualisierung einer internationalen Kultur weisen könnte, die nicht auf die Exotik des Multikulturalismus oder der Diversität der Kulturen, sondern auf der Einschreibung und Artikulation der Hybridität von Kultur beruht. Dabei sollten wir immer daran denken, dass es das 'inter' – das Entscheidende am Übersetzen und Verhandeln, am

Raum dazwischen – ist, das den Hauptteil kultureller Bedeutung in sich trägt.“26 BHABHA setzt nicht auf ein Hybriditätskonzept der harmonischen und ästhetischen Form der „kulturellen Vermischung“ oder gegenseitigen Durchdringung. Vielmehr ist Hybridität hier als ein Prozess gedacht, der dichotome Beschreibungen unterläuft und deren Konstrukthaftigkeit bloßlegt.27

YVONNE SPIELMANN führt mit Bezug auf BHABHA in Hybridkultur aus, dass Hybridation

24 HA 2010: 65. 25 HA hat in Unrein und vermischt ein ausführliches Kapitel der „Hybridität als 'Rassenvermischung' im kolo- nialen Wissenschaftsdiskurs“ gewidmet. HA 2010: 129-194. Vergl. des Weiteren: BELOW, IRENE/VON BISMARCK, BEATRICE (Hrsg.): Globalisierung/Hierarchisierung. Kulturelle Dominanzen in Kunst und Kunst- geschichte. Marburg 2006. Oder: GOLDBERG, DAVID THEO: „Heterogeneity and Hybridity: Colonial Legacy, Postcolonial Heresy”. In: SCHWARZ, HENRY/RAY, ANGEETA (Hrsg.): A Companion to Postcolonial Studies. Ox- ford 2000: 12 ff. 26 BHABHA, HOMI: Die Verortung der Kultur. Tübingen 2000: 58. 27 Ich werde auf die Ausführungen von BHABHA zu einem späteren Zeitpunkt zurückkommen, um seinen Be- griff der Hybridität auf das Werk von LAM zu beziehen.

15 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT gekennzeichnet ist durch „besondere Formen der Interaktion, die sich in Zwischenbereichen abspielen, wo verschiedene Einflüsse koexistieren und die Auseinandersetzung mit Differenz zu einer Vielfalt führt, die das Ineinandergreifen von Gleichzeitigkeiten widerspiegelt.“28 Und weiter: „Phänomene interkultureller Provenienz, die den Kontakt zwischen den verschiedenen Einflusszonen und nicht eine Festschreibung von Dichotomien (des Eigenen und des Frem- den) in den Vordergrund rücken, sollten dem Bereich der Hybridbildungen zugerechnet werden. Desgleichen macht es Sinn, zwischen den westlichen und den nichtwestlichen Kultu- ren wandernde Konzepte, Stile und Diskurse dem Feld der Hybridation zuzurechnen, wenn erkennbar wird, dass die Kontextverschiebung in eine transkulturelle Partizipation einmün- det.“29

Im Werk von WIFREDO LAM finden diese Überlegungen ihre ästhetische Entsprechung. Dem Künstler wird in vielen Publikationen ein vermeintlich authentisch „anderer“ Ausdruck bescheinigt, der sich durch seine „Ethnizität“ nachhaltig zu bestätigen scheint. Gänzlich vernachlässigt wird dabei jedoch der Umstand, dass sich seine künstlerische Prägung unter wechselnden Vorzeichen ausbildete. Auch die „durchmischte“, kreolisch-chinesische Abstam- mung negiert Vorstellungen von „Authentizität“ als absolute Kategorie und verweist viel eher auf das Bewusstsein eines synkretistischen und heterogenen Ausdrucks. Deshalb kann das

Werk von LAM mehr als ästhetisches Zeugnis einer Vorstellung von Hybridität verstanden werden, die als Ausbildung einer neuen Form von kultureller Identität und Praxis gelten kann.

Und doch ist anhand des Werkes von WIFREDO LAM zu prüfen, ob Hybridität in ihrer unein- deutigen Ambivalenz als eine kulturelle Widerstandspraxis in post-/kolonialen Diskursen fungieren kann. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, die hier zuletzt dargestellten

Überlegungen auf das LAMsche Werk anzuwenden und die Theorien in eine ästhetische Spra- che zu überführen.

Die Annäherung an eine solche Lesart des LAMschen Werkes soll durch zwei methodische Verfahren gelingen. Zunächst gilt es, die Diskurse und Kontexte, in denen sich die bisherigen Interpretationen ausgebildet haben, zu dekonstruieren. Dies soll vor allem durch eine „Enttar- nung“ der gesteuerten Intentionen gelingen, die kulturpolitischen und persönlichen Interessen der Rezipienten folgen. Indem die Kontexte, in denen die Repräsentationen und Rezeptionen verortet sind, offengelegt werden, kann auch die Konstruktion der Aussagen in Bezug auf

28 SPIELMANN, YVONNE: Hybridkultur. Berlin 2010: 50. 29 SPIELMANN 2010: 50.

16 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

LAM deutlich werden. Im Anschluss an diese Aufarbeitung werden Brüche und Ungereimthei- ten in den bisherigen Auslegungen deutlich, die das Werk aus der einseitigen und auf Geschlossenheit angelegten Positionierung herauslösen. Damit wird eine Offenheit im Werk sichtbar, die die Möglichkeit einer „vielstimmigen“ Deutung bieten wird. Besonders auffällig wird sich zeigen, dass die häufig kontextlos eingesetzte Kategorie der „Ethnizität“ keine ange- borene Identität oder in uns schlummernde Eigenschaft ist, sondern konstruiert und durch kulturelle Repräsentationen immer wieder neu geschaffen wird.

Als zweiter methodischer Ansatz wird deshalb ein poliperspektivistischer Blick auf das Werk favorisiert.30 Nur viele unterschiedliche Blickwinkel und sich zuweilen widersprechende

Stimmen können den Aussagen in den Bildern von LAM gerecht werden, so die sich abzeich- nende Einschätzung. Poliperspektivität ist auch deshalb notwendig, um dem Zugeständnis der Unmöglichkeit einer objektiven Darstellungsweise gerecht zu werden und um nicht eine post- koloniale Fortschreibung zu festigen, die vom „Wir“ ausgeht, um über „die Anderen“ zu schreiben.31 Besonders prägend für diese methodische Herangehensweise war die Lektüre von

UMBERTO ECO Das offene Kunstwerk32, WOLFGANG ISER Der implizite Leser33 sowie die medientheoretischen Ausführungen zum radikalen Konstruktivismus34 unter anderem von

ERNST VON GLASERSFELD35 und PAUL WATZLAWICK36.

Die vielen unterschiedlichen Interpretationen und Zugänge zum Werk geben den Anlass, über die skizzierten Fragestellungen wie die nach der Offenheit des Werkes, nach der Pluralität der

30 Bezogen auf das Werk schlägt schon MOSQUERA 1995 eine „plurality of perspectives“ vor. MOSQUERA, GERARDO „Wifredo Lam”. In: Art Nexus, No. 15, Januar - März 1995: 74. 31 Außerdem wird „Postkolonialität“ in dieser Dissertation nicht als eine zeitliche Zäsur begriffen, sondern folgt HALL, der Postkolonialität als ein „archäologisches Schichtenmodell“, als ein Darüberhinaus und nicht als ein zeitliches Nacheinander versteht. HALL, STUART: „Wann gab es 'das Postkoloniale?' Denken an der Grenze“. In: CONRAD, SEBASTIAN/RANDERIA, SHALIN (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt/Main / New York 2002: 219 ff. „Das Modell erlaubt, die Formen und Strukturen einer postkolonialen Ästhetik der Differenz in der Kunst der Vergangenheit, die ästhetische Gegenwart ist, zu aktualisieren.” SCHMIDT-LINSENHOFF, VIKTORIA: Ästhetik der Differenz. Postkoloniale Perspektiven vom 16. bis 21. Jahrhundert. Band 1, Marburg 2010: 13. 32 ECO, UMBERTO: Das offene Kunstwerk. Frankfurt/Main 1993. 33 ISER, WOLFGANG: Der implizite Leser. 1. Auflage 1972, München 1994. 34 MERTEN, K., SCHMIDT, S. J., WEISCHENBERG, S. (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Opladen 1994. Sowie beispielsweise LUHMANN, NIKLAS: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt/Main 1984. 35 Vergl. beispielsweise: GLASERSFELD, ERNST VON: „Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objek- tivität“. In: GUMIN, HEINZ/MOHLER, ARMIN (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus. München 1985: 1- 26. Oder GLASERSFELD, ERNST VON: Wissen, Sprache und Wirklichkeit. Arbeiten zum radikalen Konstruktivis- mus. Braunschweig/Wiesbaden 1987. 36 Vergl. beispielsweise: WATZLAWICK, PAUL: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? München 1979. Und: WATZLAWICK, PAUL (Hrsg.): Die erfundene Wirklichkeit. Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Mün- chen 1981.

17 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

Aussagen und der Homogenität des Œuvre nachzudenken. Multikulturalität, Authentizität, Ethnizität und Hybridität, diese übergeordneten Themen, die bisher nicht in die Auseinander- setzung mit dem Werk von WIFREDO LAM einbezogen wurden, sind die Ausgangspunkte der vorliegenden Dissertation. In diesem Vorgehen liegt ein gänzlich neuer Ansatz, sich dem Künstler und seinem Œuvre zu nähern.

18 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

3.1 Selbstpositionierung

Kunst- und Kulturinteressierte stoßen in Kuba unweigerlich auf WIFREDO LAM. Der Künstler gilt als nationale Ikone der kubanischen Kunst und ist in dieser Funktion bis heute unange- fochten. Die Zeitlosigkeit seiner Anerkennung äußert sich beispielsweise im Namen der wich- tigsten zeitgenössischen kubanischen Kulturinstitution, dem Centro Wifredo Lam, die unter anderem die Biennale in Havanna ausrichtet.37 WIFREDO LAM war auch der konzeptuelle Ausgangspunkt der Neuordnung des Museo Nacional de Bellas Artes in Havanna und dessen Sammlung des 20. Jahrhunderts. Ihm sind mehrere Räume des Museums gewidmet.38

Ich habe 1998/99 für ein Jahr in Havanna Kunstgeschichte studiert. Als ich dort einer Kommi- litonin sagte, ich wolle über LAM promovieren, fragte sie mich, was ich noch schreiben wolle, es sei doch schon alles gesagt. Tatsächlich scheint es so, als müsse man den unzähligen Publi- kationen zu LAM nichts mehr hinzufügen. Ich widmete mich zunächst der zeitgenössischen kubanischen Kunst der 1990er Jahre39 und fand doch – nun zurück in Deutschland – erneut zu

LAM.

Das Werk des Künstlers blieb mir lange verschlossen. Aussagen zu Bildinhalten oder den komplexen Kompositionen zu treffen, fiel mir schwer. 2001 sah ich in der Ausstellung „Lam métis“40 in Paris zum ersten Mal Originale des Künstlers. Mit der Präsenz der Bilder im Raum, dem Geheimnisvollen und gleichzeitig Vertrauten kam jedoch endgültig die Neugierde, mehr über den Kubaner erfahren zu wollen.

In dieser Ausstellung wollten Kinder von ihren Eltern wissen, was auf den Bildern zu sehen sei und ob es sich um Geister und Dämonen handele; eine Teilnehmerin fragte während des

Vortrages von JEAN PAUDRAT, der sich intensiv mit den Elementen der Santeria im LAMschen Œuvre auseinandersetzt, was die Erkenntnis dieser unübersehbaren Zeichen in vielen der

37 Nach LAMs Tod 1982 schlug FIDEL CASTRO der Witwe LOU LAURIN-LAM vor, ein Zentrum für zeitgenössi- sche Kunst zu gründen, das LAMS Namen tragen sollte. Die erste Biennale in Havanna fand 1984 statt und er- öffnete in zwei großen exklusiven Sälen mit Bildern von WIFREDO LAM. 38 Während meines Aufenthaltes in Havanna war das Museum für mehrere Jahre geschlossen. Ich hatte jedoch die Möglichkeit, durch die damalige Direktorin in die zukünftigen Raumpläne nach der Renovierung Ein- blick zu erhalten und mich mit ihr über die neue Konzeption zu unterhalten. LAM sollte dem Museum als Ausgangspunkt der nationalen kubanischen Kunst dienen, anhand seiner Kunst auch kulturpolitisch der na- tionale kubanische Ausdruck entwickelt und präsentiert werden. Nach langer Renovierungsphase ist das Mu- seum nun wieder geöffnet. Die Sammlung geht chronologisch vor und zeigt LAM im Themenumfeld der ers- ten und zweiten kubanischen Avantgarde von unter anderem VICTOR MANUEL GARCÍA und LEÓN DE PONCE. 39 Inselutopien. Zeitgenössische kubanische Kunst im Wandel. Magisterarbeit von ANJA GEIGER. Universität Trier, Fachbereich III Kunstgeschichte, 10. Mai 2000. 40 Lam métis. Musée Dapper, 26. September 2001 - 20. Januar 2002, Paris 2001.

19 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

Bilder für ihre Aussage bedeute.41 In beiden Fällen herrschte Ratlosigkeit, trotz der scheinbar unendlich vielen Aussagen und Interpretationsversuche des LAMschen Werkes verschiedener Autorinnen und Autoren. Die Hilflosigkeit, mit der häufig Aussagen zum Œuvre getroffen werden, wie auch die redundanten und nicht selten oberflächlichen Äußerungen, machten

LAM für mich spannend und festigten meinen Wunsch, dem in Deutschland wenig bekannten Künstler mein Dissertationsvorhaben zu widmen.

Im Zuge der Auseinandersetzung mit der Künstlerpersönlichkeit und den Bildern wurde mir immer deutlicher, dass es sich bei dem LAMschen Werk um einen ästhetischen Ausdruck handeln muss, der die Anerkennung kultureller Vielfalt und Unterschiedlichkeit favorisiert. Die ihm zugeschriebene „Andersartigkeit“, die Ab- und Ausgrenzung der „Anderen“ und die eigene Erfahrung dessen, kommentierte LAM durch ein Werk, das Differenz in der Einheit erfahren ließ und lässt.

Die Jahre meiner Beschäftigung mit LAM sind durch politisch zugespitzte Kategorisierungen gekennzeichnet, die kulturelle Unterschiede zum Anlass nehmen, sich einer nationalen Identi- tät zu vergewissern. Schlagworte wie die der „Leitkultur“, „Assimilation und Integration“ oder die Debatte um „Multikulturalismus“ prägen in Deutschland die Auseinandersetzung um kulturelle, nationale Identität. International polarisierten beispielsweise die USA unter der

Präsidentschaft von GEORG W. BUSH, indem sie die Welt in eine „gute“ und eine „böse“ einteilten.42

Das Werk von WIFREDO LAM öffnet sich diesen Themen mit brisanter Aktualität, bezieht man – den skizzierten aktuellen Kontroversen folgend – Überlegungen zum Postkolonialismus, zur

Multikulturalität und kulturellen Identität auf die Kunst LAMs. Die Möglichkeit, solche Über- legungen auf eine spannende und zeitlose Auseinandersetzung LAMs mit diesen Themen zu beziehen, gibt mir Anlass, sich mit der Künstlerpersönlichkeit und seinem Werk auseinander- zusetzen.

41 Die Ausstellung wurde von einer Vortragsreihe zu WIFREDO LAM und seiner Kunst begleitet. 42 Unter der Parole „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“ unterteilten US-Präsident GEORG W. BUSH und sein Verteidigungsminister DONALD RUMSFELD Europa in ein Neues und in ein Altes.

20 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

4 Gliederung der Arbeit Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Der Einleitung schließt sich eine Einfüh- rung in Leben und Werk von WIFREDO LAM an. Dieser zweite Teil der Arbeit ist dem Untersu- chungsgegenstand – der Künstlerbiografie und seinem Œuvre – gewidmet. Der Lebenslauf ist chronologisch festgehalten und nennt die wichtigen Lebensstationen und Personen in LAMs Umfeld. Die Einführung in das Werk verfolgt eine andere Vorgehensweise. Nach einem kurzen Überblick werden anhand einiger Bildbeispiele die kubistischen und surrealistischen

Einflüsse auf das LAMsche Werk verdeutlicht. Aber auch der Impuls auf das Werk durch die Auseinandersetzung mit der Santeria soll dargelegt werden.

Der dritte Teil der Arbeit ist den Rezeptions- und Repräsentationsmechanismen des LAMschen Werkes und seiner Künstlerpersönlichkeit gewidmet. Dabei interessieren vor allem die Aussa- gen, die den Künstlermythos nachhaltig aufgebaut und gefestigt haben. Die Rezeption spaltet sich – vereinfacht dargestellt – in zwei Positionen: in die der europäischen Avantgarde, vertre- ten durch PICASSO und BRETON, und die der lateinamerikanischen und kubanischen Intellektu- ellen, vertreten durch CARPENTIER, ORTIZ und CASTRO, Letzterer stellvertretend für die Kultur- politik des postrevolutionären Kubas. Inwieweit sich beide Positionen aufeinander bezogen, sich einerseits bestätigten und sich andererseits voneinander abzugrenzen suchten, und wie sich unter diesen Vorzeichen der „Künstlermythos Lam“ herausbildete, wird im Kapitel III Repräsentation und Rezeptionsmechanismen deutlich.

In Kapitel IV Werkanalysen wird anhand vier repräsentativer Gemälde das Werk von WIFREDO

LAM analysiert. Dabei wird die detaillierte Bildbeschreibung der Werke La Jungla – Der Dschungel (1943) (Abb. 1)43, Les Noces – Die Hochzeit (1947) (Abb. 2)44, El tercer mundo – Die Dritte Welt (1965-1966) (Abb. 3)45 und Les Abalochas dansent pour Dhambala, dieu de l'unité – Die Abalochas tanzen für Dhambala, Gott der Einheit (1970) (Abb. 4)46 den Äuße- rungen und Interpretationen verschiedener Autoren gegenübergestellt und deren Aussagen mit meinen eigenen Beobachtungen verglichen.

43 Abb. 1: La Jungla 1942-43. Öl auf vorbearbeitetes Papier, 294,4 x 229,9 cm, Sammlung des Museum of Modern Art New York, New York, (42.12). Die Nummerierung in Klammer hinter jedem Bild entspricht der Kennzeichnung der Werke im Œuvreverzeichnis LAURIN-LAM, LOU 1996 und 2002. 44 Abb. 2: Les Noces 1947. Öl auf Leinwand, 216 x 200 cm, Sammlung Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin, (47.53). 45 Abb. 3: El tercer mundo 1965-66. Öl auf Leinwand, 251 x 300 cm, Sammlung Museo de Bellas Artes, Havanna, (66.11). 46 Abb. 4: Les Abalochas dansent por Dhambala, dieu de l'unité 1970. Öl auf Leinwand, 213 x 244 cm, Privatsammlung, Aspen (United States), (70.72).

21 I WIFREDO LAM: IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN UND MULTIKULTURALITÄT

Kapitel V legt eine Neupositionierung des LAMschen Werkes vor und bietet eine Zusammen- fassung der Arbeit. Zunächst wird auf die Homogenität des Gesamtwerkes eingegangen. Ausgehend von zwei Bildbeispielen, wendet sich der Blick zunächst zurück zu den Anfängen der künstlerischen Entwicklung, um dann Gemälde des Spätwerks zu fokussieren. Die Gemälde Figure (1948) (Abb. 5)47 und Je suis (1949) (Abb. 6)48 dienen dabei als Dreh- und Angelpunkte. Die beiden Bilder sind beispielhaft, weil sie kompositorische Merkmale aufgreifen, die sich in vielen Arbeiten des Künstlers wiederfinden. Von den ersten, frühen Studien bis zu den komplexen Gemälden der späten 1960er und 1970er Jahre zeigen sich ähnliche Kompositionen wie die in den genannten Bildern. Einerseits gibt die Einführung in das Gesamtwerk von WIFREDO LAM einen Überblick, andererseits können die im Werk redun- danten Kompositionsstrukturen nachgewiesen werden – eine Beobachtung, die für die Bewertung des Werkes im weiteren Verlauf relevant sein wird. Schließlich soll die Zusam- menfassung das Werk von WIFREDO LAM im aktuellen, zeitlich und kulturpolitisch brisanten Kontext verorten, um vor diesem Hintergrund die Bedeutung des Künstlers und seines Werkes zu erfassen.

47 Abb. 5: Figure ca. 1948. Öl auf Leinwand, 183 x 216 cm, Sammlung des Museo Nacional de Bellas Artes, Havanna, (48.17). 48 Abb. 6: Je suis 1949. Öl auf Leinwand, 125 x 108 cm, Privatsammlung, Paris, (49.04).

22 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

II WIFREDO LAM und sein Werk: Eine Einführung

1 Lebensdaten und biografische Verweise

WILFREDO OSCAR DE LA CONCEPCIÓN LAM Y CASTILLA (Abb. 7)49 wurde als achter Sohn eines chinesischen Einwanderers und einer „Mulattin“50 in Sagua la Grande auf Kuba am 8. Dezem- ber 1902 geboren.

LAMs Mutter ANA SERAFINA CASTILLA wurde 1862 auf Kuba geboren, über sie ist nur wenig bekannt. Sie war Tochter einer Kreolin und eines Spaniers, der vermutlich aus Kastilien stammte. Der Sklavenhandel der Spanier wurde 1817 verboten, die kolonialen Zustände hiel- ten sich jedoch noch bis 1868 auf der Insel. In diesem Jahr brach der Aufstand und Bürger- krieg gegen Spanien aus, der zehn Jahre dauern sollte. 1895 begann der zweite kubanische

Unabhängigkeitskrieg, der unter der Leitung von JOSÉ MARTÍ und MÁXIMO GÓMEZ dieses Mal zugunsten der Aufständischen entschieden wurde. Bereits im 18. Jahrhundert zeichnete sich eine Spaltung der kubanischen Gesellschaft ab, die grob in Spanier, Sklaven und Criollos, auf der Insel geborene Kubaner, unterteilt wurde. Während die Hierarchie zwischen ersteren eindeutig war, begannen die Criollos Mitte des 18. Jahrhunderts sich zu emanzipieren und der Verwaltung der Insel anzunehmen. Sie interessierten sich für die Geschichte der Insel und entwickelten daraus ein kulturelles Selbstverständnis. Am leichtesten fiel dies dem kreoli- schen Großbürgertum, den Besitzern der Haziendas und Zuckerfabriken. Aus einer solchen

Familie, so die heutige Annahme, stammte auch die Mutter von WIFREDO LAM.

LAMs Vater LAM-YAM stammte aus China. Er wurde 1820 in Canton geboren. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten in Havanna ca. 35.000 Asiaten, die durch Menschenhandel, vergleichbar der Versklavung der afrikanischen Bevölkerung, ins Land gekommen waren. Auch sie muss- ten auf den Plantagen arbeiten. Nach Ablauf eines Vertrages, in dem festgeschrieben war, nach wie vielen Jahren man sich freigekauft hatte, waren 1883 alle Asiaten frei. Die meisten Chinesen gingen nach Havanna und ließen sich im traditionellen Chinesenviertel nieder, das heute noch im Zentrum Havannas existiert. Gegen 1860 kamen noch weitere asiatische Sied- ler ins Land, freie Einwanderer. Als ein solcher kam auch WIFREDOs Vater nach Kuba.

49 Das „l“ in seinem Namen ging aufgrund eines amtlichen Schreibfehlers zwischen 1924 und 1930 in Spanien verloren. LAM übernahm die neue Schreibweise und nannte sich von nun an „Wifredo Lam“. Vergl. LAURIN- LAM 1996: 176. Vergl. Abb. 7: LAM.1914. 50 „Mulattin“ wird bewusst in Anführungsstriche gesetzt, um zu verdeutlichen, dass diese noch immer in der kubanischen Alltagssprache präsente Beschreibung einem zutiefst kolonial-rassistischen Kontext entspringt.

23 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Tausende Chinesen kamen aus Kalifornien über Mexiko und New Orleans auf die Karibikin- sel und bauten in Havanna ein florierendes Dienstleistungsgewerbe auf. YAM-LAM begann als

Bauer, doch als WIFREDO geboren wurde, besaß er bereits einen eigenen kleinen Laden. Dane- ben arbeitete er als Schreiber der lokalen chinesischen Gemeinschaft.

Als LAM geboren wurde, war sein Vater bereits über 80 Jahre alt. Im stabilen Umfeld der

Familie und ohne soziale Not besuchte WIFREDO die örtliche Schule. Die Familie leistete sich für die Kinder eine Ziehmutter. Diese, MANTONICA WILSON, war neben ihrer Anstellung bei der Familie auch Lucumi Priesterin (Abb. 8)51. Durch MANTONICA war WIFREDO LAM von seiner Kindheit an mit den afrokubanischen Mythen und Riten der afrikanisch-christlichen Mischreligion Santeria52 vertraut.

Nach einem abgebrochenen Jurastudium nahm LAM zunächst Malunterricht an der Escuela

Professional de Pintura y Escultura in Havanna. Schließlich erlaubten die Eltern WIFREDO, an der Academia San Alejandro in Havanna Kunst zu studieren. Nach seinem Abschluss 1923 wurde LAM ein Stipendium seiner Heimatprovinz Sagua la Grande für ein weiterführendes Studium im europäischen Ausland zugesprochen53. Im Herbst 1923 reiste er mit dem Schiff nach Europa. Eigentlich war geplant, Madrid als erste Anlaufstelle zu nutzen, um bald weiter nach Paris, dem ersehnten Ort der „modernen“ Kunst, zu reisen. Doch aus dem geplanten

Kurzaufenthalt in Spanien wurden 14 Jahre. 1926 lernte er EVA PIRIZ kennen und heiratete sie (Abb. 9)54. Sie bekamen einen Sohn. Beide, Mutter und Kind, starben 1931 an Tuberkulose, ein traumatisches Erlebnis, das LAM in eine tiefe emotionale Krise stürzte. 1932 zog er in eine studentische Wohngemeinschaft, dessen Mitbewohner55 sich intensiv mit kommunistischen

Ideologien beschäftigten. LAM begann sich ebenfalls politisch zu engagieren, und als 1936 Unruhen in den Spanischen Bürgerkrieg führten, beteiligte er sich auf der Seite des republika- nischen Lagers im offenen Straßenkampf gegen die Truppen von FRANCO (Abb. 10)56. 1938

51 Vergl. Abb. 8: MANTONICA WILSON, LAMs Kinderfrau, 1900. Lucumi oder auch unter dem Namen Yoruba be- kannt, ist eine Glaubensgemeinschaft, die ursprünglich aus dem heutigen Nigeria, aber auch dem heutigen Benin und Ghana stammt. „Yoruba civilization goes back at least a thousand years to the founding of Ile-Ife, holy city of the Yoruba and center of their empire.“ CANIZARES, RAUL: Cuban Santeria. Walking with the Night. Vermont 1993: 2. Vor allem im 17. Jahrhundert kamen Sklaven aus dem heutigen Nigeria und dem Kongo nach Kuba. Die Santeria ist der Oberbegriff der synkretistischen afrokubanischen Mischreligionen Kubas, die unterschiedliche Glaubenspfade unter diesem Begriff vereinigen. 52 Vergl. Kapitel II 2.3 Die Santeria im Werk von WIFREDO LAM. 53 Das Geld sollte an eine junge, schwarze Person in Not gehen. LAURIN-LAM 1996: 174. 54 Vergl. Abb. 9: WIFREDO LAM und EVA PIRIZ in Madrid, 1927. 55 Seine Mitbewohner waren Studenten der Naturwissenschaften wie beispielsweise der Biologiestudent FAUSTINO CORDÓN, später ein bekannter Biologe. CORDÓN war schon zuvor mit LAM befreundet und ver- schaffte ihm den Kontakt zur Familie CARRETERO, die LAM gegen Honorar malte. LAURIN-LAM 1996: 178. 56 Vergl. Abb. 10: LAM mit Freunden aus dem Militär, 1936. Der Spanische Bürgerkrieg währte von 1936-

24 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG wurde er verletzt und verließ deshalb Madrid, reiste nach Barcelona, um dort eine Kur zu machen. Die katalanische Hauptstadt war durch ein Klima der politischen Verweigerung gegenüber FRANCO und intellektueller Offenheit für die avantgardistische „Moderne“ geprägt.

Hier erholte sich LAM zusehends und doch kreuzte der Bürgerkrieg erneut seine Aufent- haltspläne. Er verließ Barcelona und reiste 1938 nach Paris. Zuvor hatte LAM in Barcelona seine zweite Frau HELENA HOLZER (Abb. 11)57 kennengelernt, mit der er bis Anfang der 1950er Jahre verheiratet war.

Zwar waren mit der Ankunft in Paris 1938 alle Wünsche und Hoffnungen, die er an einen

Aufenthalt in Europa knüpfte, in Erfüllung gegangen. Sein Freund MANUEL HUGUÉ aus Barce- lona hatte LAM an PICASSO empfohlen. PICASSO unterstützte LAM mit Malutensilien und einem Atelier und führte ihn in die Kreise der Pariser Avantgarde ein58. Doch als die deutsche Armee in Paris einzog, musste LAM erneut vor einem Krieg fliehen. Als einer der Letzten reiste er 1940 von der französischen Hauptstadt nach , um von hier aus mit dem Schiff in

Richtung USA und der Karibik aufzubrechen. Auf Martinique musste LAM erneut eine herbe Enttäuschung hinnehmen. Während die anderen Europäer als politisch Verfolgte nach New York, Mexiko oder Martinique einreisten, wurde ihm ein Aufenthaltsvisum verweigert.59 Frus- triert kehrte LAM 1941 in dem Gefühl, sich ins ungeliebte Exil zu begeben, nach Kuba, seiner

Heimat zurück. Die politische Situation auf Kuba empfand LAM als bedrückend und frustrie- rend und doch blieb er über die Zeit des Zweiten Weltkriegs hinaus in Havanna.

1902 war Kuba offiziell unabhängig geworden. Vertraglich wurde jedoch festgelegt, dass die USA immer dann auf der Insel intervenieren konnten, wenn ihre wirtschaftlichen und politi-

1939. 1936 löste General FRANCISCO FRANCO in Spanisch-Marokko einen Putsch aus und setzte mit deutscher Hilfe auf die Mutterinsel Spanien über. Die Republik gründete zur Verteidigung zunächst ein Milizsystem. Auf freiwilliger Basis stellten sich die Internationalen Brigaden der Republik zur Verfügung. Große interna- tionale Solidarität erfuhren die Republikaner unter den europäischen Intellektuellen. Schließlich galten die selbst ernannten Truppen im zunehmend faschistisch politischen Klima in Europa als rebellische Aufständi- sche und politisches Gewissen der Linken. Viele Spanier wie PABLO PICASSO, ÓSCAR DOMÍNGUEZ oder JOAN MIRÓ lebten zu diesem Zeitpunkt im französischen Ausland. Mit Entsetzen verfolgte man, was in Spanien vor sich ging. 1939 eroberten FRANCOs Truppen Katalonien, Madrid wurde kampflos besetzt. Damit brach die Republik endgültig zusammen. FRANCO wurde spanischer Staatschef, errichtete eine Diktatur, die er bis zu seinem Tod 1975 aufrecht erhielt. (Siehe u.a. DTV LEXIKON BROCKHAUS 2010, Stichwort „Franco“, „Spani- scher Bürgerkrieg“). 57 Vergl. Abb. 11: LAM und HELENA HOLZER in Marseille, 1940. BENITEZ, HELENA, geborene HOLZER, ist Deut- sche und studierte Biologie. LAM und sie heirateten während ihres Aufenthaltes in Havanna, ab 1951/52 be- schlossen jedoch beide, getrennte Wege zu gehen. Sie heiratete erneut in New York, FABIAN BENITEZ lebt heu- te in Saarbrücken. 1999 veröffentlichte HELENA BENITEZ ihre Erinnerung an die gemeinsame Zeit mit WIFREDO LAM unter dem Titel Wifredo and Helena. My Life with Wifredo LAM. 1939-1950. Lausanne 1999. 58 Zur Verbindung zwischen PICASSO und LAM und deren Bekanntschaft vergl. Kapitel III 1 Die ambivalente Freundschaft zwischen LAM und PICASSO. 59 Als kubanischer Staatsbürger galt LAM nicht als politisch Verfolgter.

25 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG schen Interessen bedroht waren. Dies war der Grund, weshalb zwischen 1902 und 1959 beständig wechselnde Präsidenten das Land regierten. Während der „Pseudo-Republik“ wurde immer wieder ein kubanischer Präsident durch einen US-Militärgouverneur ersetzt. Korruption, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch waren an der Tagesordnung. Unter den

Präsidenten GERARDO MACHADO (1925-1933) und FULGENCIO BATISTA (1940-1944 und wieder von 1952-1958/59) wurde das Land von den USA kontrolliert und faktisch diktatorisch verwaltet. Unter FULGENCIO BATISTAS Amtszeit bereitete FIDEL CASTRO aus dem mexikani- schen Exil den Umsturz vor. Im Dezember 1956 erreichten CASTRO und seine Verbündeten mit dem Schiff Kuba. Nach einem zweijährigen Guerilla-Kampf, der aus der Sierra Maestra gegen das BATISTA-Regime organisiert wurde, begannen 1958 die Rebellen ihre Offensive. Sie erfuhren eine breite Unterstützung in der Bevölkerung, ohne die die Revolution wohl nicht geglückt wäre. Am 1. Januar 1959 floh der Diktator BATISTA in die Dominikanische Republik, am 8. Januar 1959 erreichte CASTRO Havanna.60

Obwohl LAMs Popularität gegen Ende der 1940er Jahre in den USA und Europa stark gestie- gen war, verbesserte sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs seine finanzielle Lage nicht, und auch seine insulare Isolation sowie die bedrückende politische Situation Kubas wurden für ihn immer unerträglicher. Seine Frau HELENA beschloss nach New York zu gehen, um Arbeit zu suchen. Die vielen guten Kontakte der beiden, die sie über die Jahre aufgebaut hatten, halfen ihr, in den USA Fuß zu fassen. WIFREDO allerdings verweigerten die USA abermals die Aufenthaltsgenehmigung, dieses Mal, weil die asiatische Einwanderungsquote übererfüllt war. So kehrte er 1954 endgültig nach Europa zurück und wohnte fortan in Paris. Die Ehe zwischen WIFREDO LAM und HELENA HOLZER wurde in den 1950er Jahren geschieden. 1955 lernte LAM seine dritte Frau LOU LAURIN kennen, mit der er drei Söhne hat (Abb. 12 sowie Abb. 13).61

1954 reiste LAM nach Albisola Mare in Italien. ASGER JORN (Abb. 14)62 hatte ihn eingeladen. Unter anderem wegen der ausländerfeindlichen Stimmung in Paris, hervorgerufen durch den

60 BLIESEMANN DE GUEVARA, BERIT/REIBER, TATJANA (Hrsg.): Charisma und Herrschaft: Führung und Verführung in der Politik. Frankfurt/Main 2011. 61 Vergl. Abb. 12: LAM, LOU LAURIN und ihre Söhne TIMOUR und ESKIL vor dem Bild Umbral in Stockholm, 1967. Sowie: Abb. 13: Umbral 1950. Öl auf Leinwand, 185 x 170 cm, Sammlung Musée National d' Art Moderne, Paris, (50.48). 62 Vergl. Abb. 14: LAM und JORN im Hof des Keramikstudios von San Giorgio, Albisola, 1958. JORN, ASGER (1914-1973) war ein dänischer Maler, lebte 1936 in Paris, kehrte jedoch mit Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Dänemark zurück. Er war Gründungsmitglied der Gruppe CoBrA (siehe unten) und lebte später in Albi- sola Mare.

26 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Krieg der Franzosen in Algerien, richtete sich LAM nun in Albisola Mare ein. Er wählte Frank- reich und Italien als seine ständigen Aufenthaltsorte.

LAM engagierte sich in Künstlerorganisationen. So war er beispielsweise Mitglied der Gruppe COBRA.63 Auch mit der kubanischen Revolution 1959 erklärte er sich solidarisch, seine Sympathien galten der Karibik, seine kubanische Staatsbürgerschaft gab er nie auf. Zwischen

1980 und 1982 arbeitete LAM nicht mehr als Künstler. Er war schwer krank und zog sich, auf einen Rollstuhl angewiesen, zurück. Während der Vorbereitungen zur großen Retrospektive im Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris starb LAM im September 1982. Seine Urne wurde auf dem zentralen Friedhof Colon in Havanna am 8. Dezember 1982, auf den Tag genau an seinem 80. Geburtstag und dem Wunsch des Künstlers entsprechend, überführt und beigesetzt.

1.1 LAM s künstlerischer Werdegang

Das Frühwerk von LAM – von den ältesten erhaltenen Zeugnissen bis zu seiner Ankunft in Paris 1938 – ist weitestgehend unerforscht.64 Der 14-jährige Aufenthalt in Spanien fand bisher nur wenig Aufmerksamkeit in der Rezeption. Das biografische Schlüsselmoment für die Ausbildung eines augenscheinlich emanzipierten Werkes fällt für die Forschung meist erst mit der Rückkehr LAMs nach Kuba zusammen. Die Ausführungen zu den Jahren davor setzen bei seiner Ankunft in Paris ein. Vermutlich erleichterten die Verbindung zu PICASSO und die Freundschaften zu anderen Intellektuellen in der französischen Metropole bisher die Einord- nung des Werkes. Die Kategorisierung innerhalb des Kubismus und Surrealismus und die

Verbindung zu PICASSO führten dazu, dass der Künstler in den dominanten Diskursen der europäischen Avantgarde, aber auch in der Kunstgeschichtsschreibung meist unter primitivis- tischen und exotistischen Vorzeichen vereinnahmt wurde. Paris diente somit als relevanter Ausgangspunkt für die Einordnung des künstlerischen Werkes.

63 COBRA auch CoBrA: Abkürzung für Copenhagen-Brüssel-Amsterdam: „1948 in Paris gegründete avantgar- distische Gruppe, bestand bis 1951. Die Mitglieder nutzen die Stilmittel des Informellen, um damit die Ab- kehr vom Surrealismus und eine Wiederbelebung des Expressionismus zu erreichen. Sie verwenden Stilele- mente aus der naiven Volkskunst und Themen aus Kinderzeichnungen mit abstrakt-figurativen Farb- und Formgebungen. Ihre Mitglieder verstanden sich als politisch agierende Gruppe“. (Vergl. DTV-LEXIKON 2010, Stichwort „COBRA“.) Federführend war vor allem ASGER JORN, mit dem LAM eine innige Freundschaft ver- band. 64 Einen der wenigen Beiträge zu LAMs Ausbildung und Einflüssen in Madrid verfasste MARIA-LLUISA BORRÀS: „Lam in Spain“. In: LAURIN-LAM 1996: 18-53.

27 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Betrachtet man jedoch das Gesamtwerk, zeigt sich, dass auch die Jahre in Spanien für die künstlerische Entwicklung LAMs sehr wichtig waren. In Madrid führte er seine auf Kuba begonnene akademische Ausbildung fort. Unter dem späteren Direktor des Prado, FERNANDO

SOTOMAYOR, studierte LAM intensiv den Bildaufbau und die Maltechniken von VELÁSQUEZ und

GOYA, aber auch BOSCH und BRUEGHEL DEM ÄLTEREN. Es werden die Kunstwerke dieser Vorbilder sein, die sich in den Bildkompositionen bis in sein Spätwerk finden.

Parallel zur Ausbildung bei SOTOMAYOR besuchte LAM die private Kunstschule Escuela Libre de Paisaje von JULIO MOISES. Hier kam LAM mit Künstlern wie BENJAMIN PALENCIA und

MORENA VILLA zusammen, die sich von den aktuellen Bewegungen der „Moderne“, vor allem dem spanischen und französischen Surrealismus, angezogen und inspiriert fühlten.65 1937 lernte LAM während eines Kurzaufenthaltes in Valencia JOSEP RENAU, den Direktor des Museo de Artes Fines, kennen. Dieser ermutigte den jungen Künstler, ein Bild zum Thema „Krieg“ zu malen, mit der Aussicht, es im spanischen Pavillon der Pariser Weltausstellung zu zeigen.66

Doch der Kontakt brach durch die Wirren des Bürgerkriegs ab. 1938 reiste LAM schließlich nach Paris. Er nahm nur wenige Bilder mit, viele blieben bei Freunden zurück, die meisten gelten heute als verschollen.

Bei Ankunft in Paris konnte LAM mittlerweile auf ein fundiertes Wissen der europäischen Kunstgeschichte wie auch auf akademisch ausgebildete Maltechniken zurückgreifen. Auch hatte er sich intensiv mit den Künstlern der Jahrhundertwende, vor allem jedoch mit MATISSE

65 Die Kunstgeschichte der Zeit vor dem Spanischen Bürgerkrieg wurde bisher nur wenig erforscht. Unter an- derem ist die vorherrschende Meinung, dass es in Spanien, vor allem in Madrid, zu diesem Zeitpunkt keine innovative Kunstszene gab. Ausgehend von der Beobachtung, dass sich die meisten spanischen Surrealisten in Paris aufhielten, wie beispielsweise LUIS BUÑUEL oder SALVADOR DALÍ, ging man lange davon aus, dass die Kunstszene in Spanien nicht als Einheit in Erscheinung trat. Sie wurde deshalb als inhomogen und schwach empfunden. Zwar öffnete sich die Kunstszene Ende der 1920er Jahre für Strömungen der internationalen Avantgarde. Doch mit Beginn des Spanischen Bürgerkriegs wurden die intellektuellen Kontakte beispiels- weise in die französische Hauptstadt empfindlich gestört. Viele spanische Intellektuelle beteiligten sich nun- mehr am politischen Widerstand und an den Straßenkämpfen. Trotzdem gab es avantgardistische Bewegun- gen in Spanien, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann. Zum weiteren Studium siehe u.a.: LAHUERTA, JUAN JOSÉ: Decir ANTI es decir PRO. Escenas de la vanguardia en Espana. Museo de Teruel, Te- ruel 1999. // MORRIS, CYRIL B.: El Surrealismo y España. 1920-1936. Madrid 2000. // GARCÍA DE CARPI, LUCÍA: La pintura surrealista española (1924-1936). Madrid 1986. // El surrealismo y la guerra civil españo- la. Museo de Teruel. Teruel 1998. // TRUEBA, JOSEFINA ALIX/GEHRMANN, LUCAS (Hrsg.): Das grausame Spiel des Surrealismus in Spanien 1924-1939. Staatsgalerie Stuttgart, Kunsthalle Düsseldorf, Kunsthalle Wien 1994/1995. 66 LAM nahm zu diesem Zeitpunkt an verschiedenen Ausschreibungen und Wettbewerben in Barcelona und Umgebung teil und stellte Poster für das Ministerium für Propaganda auf Seiten der Republikaner her. Zur Teilnahme an der Weltausstellung kam es nicht. PICASSO wurde beauftragt, ein Bild für den Pavillon zu ma- len, obwohl dieser nicht mehr in Spanien lebte. Dies zeigt unter anderem, wie eng die Verbindungen der Sze- ne zwischen Spanien und Frankreich trotz aller Umstände war.

28 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

und CÉZANNE beschäftigt67, einzig der persönliche Austausch mit Mitgliedern der Avantgarde fehlte ihm zu diesem Zeitpunkt.68 Kurz nach seiner Ankunft in der französischen Hauptstadt kam LAM mit PICASSO zusammen. Dieser forcierte für LAM wichtige Kontakte. So sorgte er dafür, dass PIERRE LOEB – ein bedeutender Galerist, der vor allem durch Ausstellungen afrika- nischer und ozeanischer Kunstobjekte in den 1930er Jahren auffiel69 – LAM unter Vertrag nahm70 – und ihm 1939 die Möglichkeit zu einer ersten Einzelausstellung gab. Im gleichen Jahr fand in der Perls Gallery in New York die Ausstellung „Drawings by Picasso and Goua- ches by Wifredo Lam“ statt (Abb. 15)71. Hier konnte sich PICASSO gemeinsam mit seiner neuen „Entdeckung“ LAM präsentieren. LOEB wurde zu einem der wichtigsten Wegbegleiter für LAM. Er ging mit ihm gemeinsam ins kubanische Exil nach Havanna und versuchte, ihn von dort aus in den Galerien New Yorks zu platzieren. Er blieb sein Galerist auch nach dem Krieg.

LAM wähnte 1939 endlich den Durchbruch seines künstlerischen Erfolgs, denn nun konnte er zum ersten Mal von den verkauften Bildern leben. Doch als 1940 die deutsche Armee in Paris einzog, wurde er wie viele andere gezwungen, Europa zu verlassen. Unter den Flüchtlingen, die in Marseille auf ihre Ausreise warteten, befanden sich einige Pariser Intellektuelle wie

PIERRE MABILLE, RENÉ CHAR, , , ANDRÉ MASSON, ÓSCAR

DOMÍNGUEZ und BENJAMIN PÉRET. Auch die Familie BRETON war in Marseille. ANDRÉ BRETON hatte die Villa Air Bel gemietet und versammelte täglich die anwesenden Mitglieder der Pari- ser Avantgarde bei sich im Haus, unter ihnen auch WIFREDO LAM (Abb. 16).72 Erneut hatte

LAM das Gefühl, in dem künstlerischen Umfeld angekommen zu sein, in dem er sich seit

67 „As Lam mentions in a letter of September 24th, he allowed himself the luxury to buy a fine book on Matis- se, the painter, along Cézanne, whom he most admired.“ BORRÀS 1996: 45. 68 LAMs Eintreffen in Paris wird in der Rückschau zwar als ausschlaggebender Impuls für seine Entwicklung angesehen – dies nicht zuletzt durch PICASSO und BRETON legitimiert. Aber auch in Madrid kann das avant- gardistische Umfeld nicht spurlos an ihm vorübergegangen sein. Um dies detaillierter zu belegen, fehlt je- doch die Forschung und auch im Rahmen dieser Arbeit kann dem nicht nachgegangen werden. 69 PIERRE LOEB hatte sich bereits früh einen Namen gemacht, indem er Reisen nach Ozeanien finanzierte und Händler ozeanischer Kunst sowie der Vertreter der surrealistischen Maler in Paris war. In seiner Galerie wur- den viele Künstler mit der Kunst des pazifischen Raums vertraut. Vergl. PELTIER, PHILIPPE: „Aus der Südsee“. In: RUBIN 1984: 108-133. 70 PIERRE LOEB stellte 1939 erstmals zwei Gemälde von LAM in seiner Galerie aus. 71 „Drawings by Picasso and Gouaches by Wifredo Lam”. Perls Gallery New York, 13. November - 2. Dezem- ber 1939. (Vergl. Abb. 15: Einladung zur Ausstellung in der Perls Gallery, New York, 1939). 72 Vergl. Abb. 16: Villa Air Bel, Marseille: ÓSCAR DOMÌNGUEZ, HELENA HOLZER und ein Freund von DOMÍNGUEZ, LAM, ANDRÉ BRETON, JACQUES HÉROLD, HENRIETTE GOMEZ, 1941. Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass LAM BRETON bereits kurz in Paris kennenlernte und in Marseille zur Gruppe der Surrealis- ten stieß. LAM galt als Exot unter den Flüchtlingen, aber auch als physischer „Beweis“ eines Kontinents, den BRETON nach seiner Reise nach Mexiko zurück in Paris euphorisch als Ort des wahren Surrealismus be- schrieb. Es herrschte eine Art Vorfreude unter den meisten Avantgardisten auf die neue, fremde Welt auf der anderen Seite des Atlantiks. Dies bestätigte mir HELENA BENITEZ im Interview 2001.

29 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG seiner Einreise nach Europa sehen wollte. Die surrealistischen Ideen überzeugten ihn politisch wie auch künstlerisch. In den Wochen des Aufenthalts in Marseille zeichnete LAM gemeinsam mit den anderen Künstlern Kartenspiele und kleinere Gouachen (Abb. 17)73. PEGGY

GUGGENHEIM kam im Dezember nach Marseille und nahm zwei seiner Zeichnungen mit nach

New York. Noch zu Beginn des Jahres 1941 begann LAM BRETONs Buch Fata Morgana zu illustrieren, Zeichnungen, die er während der Überfahrt in Richtung „Neue Welt“ fertigstellte (Abb. 18)74.

Nach der abgelehnten Einreise in die USA und Martinique fühlte sich LAM auf Kuba kulturell isoliert. Auch kamen Jahre der Armut, zuweilen des Hungers und der ständigen Angst vor dem sozialen Abstieg. Um dem drohenden intellektuellen Abseits gegenzusteuern, pflegte

LAM den intensiven Austausch mit seinen Freunden und Bekannten, wann immer es möglich war. Er reiste mehrfach auf Einladung von nach New York, meist in Verbin- dung von Ausstellungseröffnungen in der Pierre Matisse Gallery. Auch besuchte er seine auf

Martinique und Haiti ansässigen Freunde PIERRE MABILLE und AIMÉ CÉSAIRE und traf dort den in Mexiko lebenden BENJAMIN PÉRET. Bereits 1942 illustrierte er die spanische Edition

CÉSAIRES Cahier d'un retour au pays natal, die auf Spanisch mit dem Titel Retorno al pais natal (Abb. 19)75 publiziert wurde. Auch zu ANDRÉ BRETON hielt LAM weiterhin Kontakt.

1946 reisten beide auf Einladung der französischen Botschaft und von PIERRE MABILLE nach Port-au-Prince, um an einem Kulturkongress teilzunehmen. Begleitend zeigte die Centre d'

Art Gallery eine Einzelausstellung von LAM76 (Abb. 20).

73 Vergl. Abb. 17, 1940. Cadavre exquis von ANDRÉ BRETON, und LAM, 1940. Privatsammlung, Paris. Vergl. CONVENTS, RALF: Surrealistische Spiele: vom „Cadavre exquís" zum „Jeu de Marseille". Frankfurt/Main, Berlin 1996. // VASSEUR, CATHERINE: Le cadavre exquis. Diss. Universität Paris 1995. // BAZZOLI, FRANÇOIS, MARTINE SORIA (Hrsg.): et les candidats à l'exil: Marseille, 1940- 1941. Actes Sud, Arles 1999. // KLEIN, ANNE: Flüchtlingspolitik und Flüchtlingshilfe 1940-1942: Varian Fry und die Komitees zur Rettung politisch Verfolgter in New York und Marseille. Berlin 2007. 74 Vergl. Abb. 18: Einzelblatt aus Fata Morgana. BRETON, 1941. ANDRÉ: Fata Morgana. Spanische Edition, Buenos Aires 1942. Das Vichy Regime verbot die Veröffentlichung von Fata Morgana in Frankreich. Das Buch erschien schließlich in Argentinien. „Le 4 février 1941, il écrit à son ami Léon-Pierre Quint, directeur des éditions du Sagitaire: 'Je me propose de publier ici un long poème, Fata Morgana, avec des illustrations de Wifredo Lam, un jeune peintre, né de père chinois et de mère cubaine (noire) qui est, de tous les artistes que je connais, celui qui me paraît actuellement avoir le plus à dire'." www.chapitre.com (Ü: „Am 4. Februar 1941 schreibt er seinem Freund Léon-Pierre Quint, Direktor des Verlags Sagitaire: 'Ich werde vorstellig, um hier ein langes Gedicht, Fata Morgana, zu veröffentlichen, mit Illustrationen von Wifredo Lam, einem jungen Maler, der (Sohn) eines chinesischen Vaters und einer kubanischen (schwarzen) Mutter ist und der, unter all den Künstlern die ich kenne, wie mir scheint zurzeit am meisten zu sagen hat.'"). 75 Vergl. Abb. 19: Cover zu Retorno al pais natal von AIMÉ CÉSAIRE. Sowie Poster zur Ausstellung in der Pier- re Matisse Gallery, New York, 1942. CÉSAIRE, AIMÉ: Cahier d'un retour au pays natal. Paris 1939. Ein erster Vorabdruck des Cahier d'un retour au pays natal war bereits in Volontés. Revue mensuelle, 2ème année, No. 20, August 1939: 23-51 erschienen. Kommentierte Ausgabe von IRELE, ABIOLA, New York 1994. Und: CÉSAIRE, AIMÉ: Retorno al pais natal. Spanische Edition, übersetzt von LYDIA CABRERA, Vorwort von BENJAMIN PÉRET, Havanna 1942. 76 Am Rande dieses Kongresses kam es nach einer Vorlesung von BRETON vor Studenten zu Ausschreitungen,

30 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Auch auf Kuba hielt LAM Kontakt zu vielen bekannten Persönlichkeiten, die zu Besuch kamen oder mehrere Monate auf der Insel verbrachten, unter ihnen ERIC KLEIBER, IGOR

STRAVINSKY und ERNEST HEMINGWAY. Daneben lebten PIERRE LOEB und MICHEL LEIRIS über mehrere Monate in Havanna77. Unter den Kubanern gehörten LYDIA CABRERA und ALEJO

CARPENTIER zu seinen engsten Vertrauten (Abb. 21 und Abb. 22)78. Die junge Schriftstellerin

CABRERA79 war 1927 nach Paris gereist und hatte dort zunächst Malerei studiert. 1938 kehrte sie nach Kuba zurück und widmete sich verstärkt dem Studium der afrokubanischen Mytholo- gie, Musik und Religion. 1940 erschien ihr Buch Cuentos Negros80. Später folgte eine umfangreiche Abhandlung über die afrokubanischen Mischreligionen der Santeria unter dem Titel El Monte81. Die Publikation ist noch heute ein Standardwerk über die Santeria-Kulte auf

Kuba und brachte CABRERA schon nach der Erstpublikation den Ruf einer der bedeutendsten

Forscherin und Kennerin der afrokubanischen Mythologie ein. LAM und CABRERA verband eine enge Freundschaft. Sie war es, die dem Künstler die Details der Zusammenhänge der Götter und deren Geschichten erzählte und ihm die Mythen und Riten der kubanischen Sante- ria näherbrachte.82 Trotz der wirtschaftlich prekären Lage LAMs, dem Gefühl der Isolation und der deprimierenden politischen Situation zählt der Aufenthalt auf der Insel zu LAMs produk- tivster Zeit. 1943 zeichnete sich ein erster Durchbruch ab. Denn ALFRED BARR kaufte das Bild

La Jungla für das Museum of Modern Art New York. Mit dem Ankauf war LAM die Anerken- nung seiner Kunst der zu diesem Zeitpunkt wohl wichtigsten Kulturinstitution sicher und verschaffte ihm plötzlich eine westliche und damit in den 1940er Jahren auch internationale

Aufmerksamkeit. Auf Kuba allerdings hielt das geringe Interesse an LAM und seiner Kunst über die 1940er und 1950er Jahre an, obwohl von wichtigen nationalen Kulturvertretern wie

CABRERA, CARPENTIER und ORTIZ vehement mehr öffentliche Aufmerksamkeit für den Künst- ler eingefordert wurde. Erst Ende der 1950er Jahre stellte sich die Anerkennung ein.

die sich gegen das diktatorische Regime Haitis richteten. Diese mündeten in einen Generalstreik und zwan- gen den haitianischen Diktator schließlich, das Land zu verlassen. Vergl. Abb. 20: ANDRÉ BRETON, LAM, PIERRE MABILLE in der Ausstellung im Centre d' Art, Port-au-Prince, 1946. 77 PIERRE LOEB engagierte sich auch weiterhin als Galerist und fungierte als einer der Vertreter der Pariser Avantgarde in der Karibik. So organisierte er beispielsweise die erste PICASSO Ausstellung mit aus Paris mit- gebrachten Bildern in Havanna. 78 Vergl. Abb. 21: ALEJO CARPENTIER, ERIC KLEIBER und LAM in Havanna, 1942. Und Abb. 22: GRETA GLOGAU, SILVIA LUZZATO, HELENA HOLZER, CARLOS RIGAUDIAS, LAM und PIERRE LOEB in Havanna, 1942. 79 LYDIA CABRERA ging nach der kubanischen Revolution nach Miami ins Exil und starb 1991.Weiterführende Literatur: CANNAVACCIUOLO, MARGHERITA: Habitar el margen: sobre la narrativa de Lydia Cabrera. Sevilla 2010. // GUTIÉRREZ, MARIELA A.: An ethnological interpretation of the Afro-Cuban world of Lydia Cabrera (1900-1991). Lewiston 2008. // RODRÍGUEZ-MANGUAL, EDNA M.: Lydia Cabrera and the construction of an Afro-Cuban cultural identity. Chapel Hill, NC, London 2004. 80 CABRERA, LYDIA: Cuentos negros. Havanna 1940. 81 CABRERA, LYDIA: El Monte. Erste Auflage 1954, kubanische Neuauflage, Havanna 1996. 82 BENITEZ zufolge telefonierten CABRERA und LAM täglich und sahen sich drei bis vier Mal die Woche. BENITEZ 1999: 67.

31 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Mit der Revolution 1959 stieg LAMs Popularität und Reputation auf Kuba, aber auch in ganz Lateinamerika, entscheidend durch das Bekenntnis der offiziellen kubanischen Kulturpolitik zu LAM. Ob es der künstlerische Ausdruck LAMs oder doch eher die Ethnizität des Künstlers war, die sich in das Konzept der neuen postrevolutionären nationalen Identität einbinden ließ, soll zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden.83

1962 kaufte LAM ein Haus in Albisola Mare, in unmittelbarer Nähe zu seinem Freund ASGER

JORN. Der kleine Ort an der Ligurischen Küste ist auch heute als Zentrum der italienischen

Keramikindustrie bekannt. LAM nahm sich aber erst 1975 dem Werkstoff Ton an und gestal- tete Plastiken mit den für ihn typischen Ornamenten und Formen.

1963 besuchte LAM Kuba zum ersten Mal nach der Revolution. Vor Ort stellte er fest, dass sein Studio und alle zurückgelassenen Bilder in das nationale Eigentum des Museo Nacional de Bellas Artes übergegangen waren.84 1966 und 1967 reiste LAM häufiger nach Kuba und beteiligte sich mehrfach an öffentlichen Kunstaktionen (vergl. Abb. 23, Abb. 24 und Abb. 25).85 Ab 1980 reiste er nur noch wenig und zog sich aus gesundheitlichen Gründen zurück.

83 Vergl. unter anderem das Kapitel IV 3 El tercer mundo – Die Dritte Welt (1965/66). 84 ESKIL LAM bestätigte in einem Interview, dass es noch immer Streitigkeiten mit der Regierung Kubas, zwi- schen dem Museo und der Familie LAM gibt, da die Eigentumsrechte ungeklärt sind. 85 1967 gelang es WIFREDO LAM, gemeinsam mit seinem kubanischen Freund CARLOS FRANQUI eine Präsenta- tion im Zusammenhang mit dem 23. Salon de Mai des Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris nach Kuba zu holen. Für den Salon in Paris hatte LAM das Ausstellungsplakat gestaltet. (Vergl. Abb. 23: Poster zum XXIIIe Salon de Mai in Paris), 1967. Von FIDEL CASTRO unterstützt, der möglichst viele europäische Intellek- tuelle für sich und seine sozialistische Idee gewinnen wollte, fand nun erstmalig eine große Ausstellung mit zeitgenössischen Künstlern in dem sozialistischen Land statt. LAM übernahm die Veranstaltungsorganisation zwischen Paris und Havanna. Vor Ort entstand zeitgleich mit dem Salon eine gemeinschaftlich gestaltete Wandmalerei. (Vergl. Abb. 24: Arbeiten am Mural „Cuba Colectiva“, 1967; Abb. 25: LAM vor „Cuba Colecti- va“ im Kubanischen Pavillon, 1967.)

32 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

2 Einführung in das Gesamtwerk

Den kunsthistorischen Einflüssen auf WIFREDO LAMs Werk ist die Einführung in das Œuvre gewidmet. Nach einem Gesamtüberblick stehen vor allem der Kubismus und der Surrealismus als entscheidende Impulse für die Werkentwicklung im Vordergrund. Aber auch die karibi- schen und lateinamerikanischen Bezüge sind für die LAMsche Bildästhetik entscheidend.

LAMs Werk wird in der Literatur meist entlang biografischer Schlüsselmomente in künstleri- schen Entwicklungsphasen gelesen und interpretiert. Entscheidend sind hier die Ankunft in Paris 1938, die Rückkehr nach Kuba 1941, die Jahre seines dortigen Aufenthalts und schließ- lich die Phase seit Ende der 1950er Jahre, als LAM zurück nach Europa ging, aber fortan viel reiste und sich stärker als zuvor politisch engagierte. Die Entwicklung des Werkes vollzog sich jedoch weder abrupt in Bezug auf veränderte Aufenthaltsorte, noch wurden frühere formelle und kompositorische Ästhetiken zugunsten eines neuen Stils verworfen. Es handelt sich vielmehr um fließende Übergänge, was die fokussierte Lesart auf biografische Schlüssel- momente für die Entwicklung des Werkes weitestgehend entkräftet. Das soll nicht heißen, dass die Kunst in einem kontextfreien Raum entstand. Selbstverständlich reflektierte LAM einschneidende Erfahrungen, wie beispielsweise den Spanischen Bürgerkrieg, den drohenden Weltkrieg oder auch den Wechsel in andere Kulturräume, einerseits von Kuba nach Europa, andererseits von Europa zurück nach Kuba. Inwieweit und in welchem Maße sich dies als ein nachweisbarer Impuls in den Werken ablesen lässt, wird sich im Laufe dieser Arbeit zeigen.

Die erhaltenen künstlerischen Zeugnisse der 1920er Jahre weisen einen uneinheitlichen

Charakter auf. LAM versuchte sich an Stilrichtungen und Studien, mit denen er seine Malkunst perfektionieren wollte. Während der Ausbildung von FERNANDO SOTOMAYOR86 besuchte LAM das regelmäßig. Er nahm sich die großen Meister des spanischen Barocks vor, um an ihnen Bildaufbau und Maltechniken zu studieren.87 Er begeisterte sich für die

Porträt- und Landschaftsmalerei. LAM beschloss, sich in diesen Genres zu perfektionieren88, nicht zuletzt, um mit Auftragsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen (vergl. Abb. 26) 89.

86 „(...) the academic painter and author of genre scenes (gemeint ist Sotomayor, Anmerkung der Autorin), considered the best portraitist of this time, welcomed Lam who presented him with a letter of introduction from the Director of the Museo Nacional de la Habana, Antonio Rodriguez Morey. Lam received an immediate invitation from Sotomayor to work in his studio.” BORRÀS 1996: 18. 87 Er besuchte den Prado „where he would patiently copy the great masters. It was there that his passion for Velásquez and Goya and, above all, for El Greco took a hold of him.“ BORRÀS 1996: 19. 88 „Thus he devoted himself to a training in academic painting – his first ambition to become the world's best portraitist.“ BORRÀS 1996: 18. 89 Abb. 8: Doña Teresa Jiménez Heras de Carretero 1931. Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, Privatsammlung, Madrid, (31.08).

33 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Nach seiner Ankunft in Paris 1938 orientierte sich LAM an der Avantgarde. Er nahm vom akademischen Stil Abstand und beschäftigte sich nun mehr mit den neuen Richtungen seit der Jahrhundertwende. In Paris interessierte er sich mehr noch als zuvor für den Kubismus. Er malte und zeichnete vor allem Gesichter und menschliche Figuren in unterschiedlichen Haltungen.

Erst ab 1940 lässt sich der Übergang zu einem prägnanteren, individuell künstlerischen

Ausdruck für das Werk herausarbeiten. Denn nun entfernte sich LAM von seinen starren, uniformen Pariser Maskengesichtern. In diesem Jahr individualisierten sich die Gesichtsfor- men seiner Figuren deutlich, ohne jedoch den Bezug zur Bildtradition des Kubismus gänzlich zu verlieren. Auch distanzierte er sich vom menschlich-natürlichen Abbild. Er zeichnete und malte tierartige Fabelwesen, kombiniert mit Frauenköpfen, die häufig eine große Ähnlichkeit mit seiner damaligen Frau HELENA haben (Abb. 18)90, dazu einer surrealen Welt entlehnte Bildelemente und grafisch inszenierte Fantasiegebilde, die entscheidend für die Entwicklung der eigenen Form sein sollten.

Noch bis vor 1942 blieben komplexe, große Kompositionen die Ausnahme (Abb. 27)91. Die meisten Bilder variierten nur ein oder zwei Figuren. 1942 malte LAM erstmals zwei größere Kompositionen, La Réunion (Abb. 28)92 und Le Mariage (Abb. 29)93. 1943 entstand La

Jungla (Abb. 1)94, das bis heute als das Schlüsselwerk des Œuvres gilt. LAM malte jetzt einige großformatige Bilder, wie 1944 Le Présent éternel (Abb. 30)95 und Harpe Astrale (Abb. 31)96.

Ab 1943 reflektierte der Künstler stärker die kubanische Umgebung, indem er typisch florale Elemente Kubas wie auch Insignien der Santeria in einige seiner Bilder aufnahm. So trägt 1943 das Bild Le Sombre Malembo, Dieu du carrefour (Abb. 32)97 erstmalig einen Titel mit

90 LAURIN-LAM 1996: 186. Vergl. erneut Abb. 18: Einzelblatt aus Fata Morgana, 1941. 91 Einzig ein großformatiges Bild ist zu nennen, das LAM kurz vor seiner Abreise aus Paris gemalt haben muss. Abb. 27: Composition (Les Trois Oranges) 1940. Tempera auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 189 x 149 cm, Privatsammlung, Paris, (40.33). 92 Abb. 28: La Réunion 1942. Tempera auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 180 x 120 cm, Privatsammlung, Paris, (42.101). 93 Abb. 29: Le Mariage 1942. Tempera auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 192 x 124 cm, Sammlung G. Van Zuylen, Paris, (42.121). 94 Abb. 1: La Jungla 1943. 95 Abb. 30: Le Présent éternel (Hommage à Alejandro García Caturla) 1944. Öl auf Leinwand, 213,9 x 196,9 cm, Sammlung Museum of Art, Rhode Island School of Design, Providence (United States), (44.04). 96 Abb. 31: Harpe Astrale (Harpe Cardinale) 1944. Öl auf Leinwand, 210 x 190 cm, Sammlung Baron B. Urvater, Brüssel, (44.58). 97 Abb. 32: Le Sombre Malembo, Dieu du carrefour 1943. Öl auf Leinwand, 153 x 126,4 cm, Sammlung B. und I. Rudman, Santo Domingo, (43.06). Der Titel assoziiert zwar, dass „Malembo“ eine Gottheit sei, dem ist

34 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Bezug auf die afrokubanische Mischreligion. Mitte der 1940er Jahre schritt die kontinuierli- che Weiterentwicklung im Werk fort, die erneut von vielen Einzelstudien wie Symbolen, Gesichtern oder Blattstrukturen begleitet wurde. Häufig überlagerten sich jetzt die Bildele- mente und gingen ineinander über. Auch reduzierte LAM seine Figuren mehr und mehr. Nicht selten erwecken sie den Eindruck von Metamorphosen, Zeichen und Symbolen.

Der Übergang zur Abstraktion verlief nicht kontinuierlich. Mit Les Noces (Abb. 2)98 kehrte

LAM 1947 erneut zur Figurengruppe zurück, die sich in einigen Bilddetails wie auch komposi- torisch auf Le Présent éternel zu beziehen scheint. Auch Bélial, empereur des mouches (Abb. 33)99 von 1948 und Arpas cardinales (Abb. 34)100 (1948-1957) schließen kompositorisch an die vorangegangenen großformatigen Bilder an. Im Zeitraum von 1947 bis 1949 trennte sich

LAM von der bisherigen Raumtiefe seiner Bilder zugunsten eines meist dunklen, zweidimen- sionalen Hintergrundes. Er gestaltete seine Figuren immer weniger aus und definierte sie zunehmend einzig durch ihre Umrissformen und -linien. In dieser Konsequenz wird die Entwicklung erstmalig in Grande Composition (Abb. 35)101 von 1949 deutlich.

Zu Beginn der 1950er Jahre nahm der Abstraktionsgrad im Werk weiter zu. Auf meist mono- chrome dunkle Flächen setzte er seine formreduzierten Figuren in helles gleißendes Licht, so dass sich die Hell-Dunkel-Spannung im Bild erhöht und die Bildstruktur nun fast schon kalli- grafisch ist. Auch wirken die Bilder von nun an ornamental, grafisch und häufig in einem hohen Maß spirituell. In diesem Zusammenhang können zwischen 1961 und 1970 einige Werke genannt werden: Tropique du Capricorne (Abb. 36)102 (1961), Les Enfants sans âme

jedoch nicht so. Der Gott der Weggabelungen ist in der Santeria Ellegua zugeordnet. Einzig der vage Bezug zu einer Gottheit des Kongo ist denkbar. Auch – wie so oft – war es nicht LAM, der dem Bild den Titel gab, sondern LYDIA CABRERA. „In 1943, Cabrera began to give titles to many of Lam's works, a practice that continued for several years. According to Helena Holzer Benitez, Cabrera suggested titles because the images in the paintings reminded her of specific experiences she was documenting. Among the works she named is Malembo of 1943, a major painting in which anthropomorphic images personify the force of nature. When Cabrera saw this particular painting, she apparently thought about malembo, which means evil at the crossroads in the belief of the Congo (...). It should be pointed out that contrary to the title recently given it, Malembo, Deity of the Crossroads ,'malembo' is not a deity.“ HERZBERG, JULIA P.: „Wifredo Lam: The Development of a Style and World View, the Years, 1941-1952“. In: KAT. WIFREDO LAM AND HIS CONTEMPORARIES 1938-1952. New York 1992/1993: 40. 98 Abb. 2: Les Noces 1947. 99 Abb. 33: Bélial, empereur des mouches 1948. Öl auf Leinwand, 216 x 200 cm, Privat-sammlung, Turin (Italien), (48.11). 100 Abb. 34: Arpas cardinales (Les Visiteurs Nénomita) 1948-1957. Öl und Kreide auf Leinwand, 212 x 196,2 cm, Sammlung The Menil Collection, Houston (United States), (48.16). 101 Abb. 35: Grande Composition 1949. Öl auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 291 x 421 cm, Sammlung Baron B. Urvater, Brüssel, (49.11). 102 Abb. 36: Tropique du Capricorne 1961. Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung Sonja Henie, Niels On- stad Foundacion, Høvikkoden (Norwegen), (61.01).

35 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

(Abb. 37)103 (1964), El tercer mundo (Abb. 3)104 (1965-66), Le Corps et l'âme (Abb. 38)105 (1966) und Les Abalochas dansent por Dhambala, dieu de l'unité (Abb. 4)106 (1970).

Bei aller Reduktion der Figuren und des Bildraums und der Entwicklung des eigenen

Ausdrucks behielt LAM jedoch entscheidende Einflüsse als kontinuierliche Spuren in seinem künstlerischen Selbstverständnis bei.

2.1 Der kubistische Einfluss in LAM s Werk

LAMS Figurenstil ist seit seinem Aufenthalt in Paris entscheidend von dem europäischen Kubismus beeinflusst; am prägnantesten zeigt sich dies bei der Gestaltung der Gesichter seiner Figuren.107 Der Annahme jedoch, LAM hätte erst mit dem Eintreffen in Paris, dem persönlichen Kennenlernen von PICASSO, die kubistischen Formen reflektiert, muss wider- sprochen werden.108 Denn bereits in früheren Bildzeugnissen ist die zugegeben vorsichtige Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen europäischen Tendenzen nachvollziehbar. So entstand 1937 eine Gouache mit zwei Akten (Abb. 39)109, die dies bezeugt. Die linke, männli- che Figur wendet dem Betrachter den Rücken zu, die rechte, weibliche Figur hat ihren Kopf zur Seite gekippt und schaut den Betrachter an. Ihre Gesichtszüge weisen ein erstes Mal die kubischen Formen auf. Richtig ist jedoch auch, dass sich LAM ab 1938 weitaus intensiver mit dem Kubismus auseinanderzusetzen begann. PICASSO trug zweifellos dazu bei110.

103 Abb. 37: Les Enfants sans âme 1964. Öl auf Leinwand, 210 x 250 cm, Sammlung Musées Royaux des Be- aux Arts de Belgique, Brüssel, (64.18). 104 Abb. 3: El tercer mundo 1965-66. 105 Abb. 38: Le Corps et l'âme 1966. Öl auf Leinwand, 147 x 215 cm, Privatsammlung (Belgien), (66.13). 106 Abb. 4: Les Abalochas dansent por Dhambala, dieu de l'unité 1970. 107 Im folgenden Kapitel II 2.1.1 Überschneiden, überblenden, kombinieren: LAMs neue Gesichter wird dies nä- her ausgeführt. 108 Vergl. Kapitel III 1.1 PICASSO in der Rezeptionsgeschichte des LAMschen Werkes. 109 Abb. 39: Sans titre 1937. Gouache auf Papier, 130 x 84 cm, Sammlung M.-A. and M. Capriles, Caracas, (37.32). 110 „Les structures des statuettes et masques d' Afrique vont manifester leur effet dans l'œuvre de Lam d'abord comme condensation des lignes et des volumes essentiels, selon une démarche que présentera des affinités, trente ans après, avec celle du Picasso des Demoiselles d' Avignon, des études préparatoires de cette toile et des œuvres de la même époque qui ont suivi.“ DUBANTON, JACQUES: „Les Tropiques fantômes de Wifredo Lam.” In: Lam métis. Musée Dapper, 26. September 2001 - 20. Januar 2002, Paris 2001: 53. [Ü: „Die Struk- turen der Plastiken und der Masken Afrikas behaupten ihren Effekt im Werk von Lam zunächst als verdichte- te Linien und essentielle Körper, gemäß einer Vorgehensweise, die dreißig Jahre danach Affinitäten mit denen von Picassos Demoiselles d' Avignon verdeutlicht, und die vorbereitende Studien dieses Bildes und der Werke der gleichen Epoche, die diesem Bild folgten, zeigen.“] Vergl. des Weiteren die Parallelen zwischen La Jung- la und Les Demoiselles in Kapitel IV 1.2 Aufnahme und Entzug: Der emanzipatorische Moment in La Jungla.

36 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Auch dass LAM mit den Kultobjekten der sogenannten „primitiven Völker“ vertraut wurde, ging nicht zuletzt von PICASSO aus, der ein persönliches Interesse daran hatte, dass sich LAM in der Kultur Afrikas wiederfand.111

Seit der intensiven Auseinandersetzung mit dem Kubismus von 1938 an malte LAM viele ovale Köpfe, mit geradlinigen Nasenrücken, reduzierten Mündern und Augenpaaren, mal als Strich skizziert, mal mandelförmig (Abb. 40 und Abb. 41)112. Die als Einheit zu erachtende zentrale Mittelpartie, die aus Nase, Lippen und Kinn besteht, die starre Symmetrie von geometrischen Formen wie Dreiecken, Quadraten und Kreisen zeigen die kubistische Formge- winnung auf. Auch die Gesichtsschraffuren, die RUBIN bei PICASSO als Parallelisierung von „Hautritzungen“ durch Studien afrikanischer Masken erkannt haben möchte113, bestimmen die

Köpfe und Gesichter LAMs Bilder dieser Zeit (vergl. Abb. 42)114 und ähneln der Abstraktion der Masken des Trocadero, für die PICASSO vorbildlich war. Aus heutiger Sicht wirken die

Bilder LAMs von 1938 und 1939 mehr als Formstudien denn als Bildkompositionen.

Die Auseinandersetzung mit dem Kubismus ging mit der Begeisterung und der Affinität für die „primitiven“ Objekte des afrikanischen Kontinents einher, der sich LAM bei gemeinsamen

Besuchen im Trocadero mit MICHEL LEIRIS, bei PIERRE LOEB in der Galerie wie auch bei

PICASSO im Atelier nicht entziehen konnte, ganz davon abgesehen, dass für ihn ebenfalls eine große Faszination von diesen Objekten ausging, was durch seine spätere Sammelleidenschaft ozeanischer und afrikanischer Objekte bestätigt wird (Abb. 43)115. Folglich lässt sich die Aufnahme dieser Impulse und Einflüsse in manchen Bildern aus der Zeit ablesen. So folgt beispielsweise Madame Lumumba (Abb. 44)116 von 1938 stärker als die üblichen Gesichtsstu- dien vor allem im Bereich der Mundpartie der Ästhetik einer Maske.

111 Kritische Stimmen bewerteten die Affinität „moderner“ Künstler zur Stammeskunst als klares Zeichen der Erschöpfung und als Hinweis darauf, dass die „moderne“ westliche Kunst mit ihrer Anleihe neue Impulse im künstlerischen Schaffen benötigte. (Vergl. WEISS, JUDITH ELISABETH: Der gebrochene Blick. Primitivismus – Kunst – Grenzverwirrungen. Univ.-Diss. Heidelberg 2005: 84ff.) Weitere Ausführungen zu PICASSOs Intentio- nen, die Rezeption des LAMschen Werkes zu lenken, können in Kapitel III 1 Die ambivalente Freundschaft zwischen LAM und PICASSO nachgelesen werden. 112 Beispielsweise: Abb. 40: Figure assise 1938. Tempera auf Papier auf Leinwand, 123 x 94 cm, Privatsammlung, Paris, (38.26). Oder: Abb. 41: Sans titre 1939. Gouache auf Karton, 27,7 x 21,5 cm, Privatsammlung, Châtillon, Frankreich, (39.15). 113 RUBIN 1984: 274. 114 Abb. 42: Sans titre 1939. Öl auf Papier. 29 x 22 cm, Privatsammlung, Paris, (39.13). 115 Vergl. Abb. 43: LAM in seinem Wohnzimmer in Albisola Mare, im Hinter- grund das Bild: Les Abalochas dansant pour Dhambala, dieu de l'unité, ca. 1974. 116 Abb. 44: Madame Lumumba 1938. Gouache auf Papier, 64,5 x 49,5 cm, Privatsammlung, Châtillon (Frank- reich), (38.32). Den Titel des Bildes erfand nach Erzählungen im Übrigen nicht LAM, sondern eine illustre Runde von Freunden in Paris bei einem Glas Wein im Atelier von LAM, so die Ausführungen von LOU LAURIN-LAM im Gespräch 2001.

37 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Unweigerlich wurden die Maskengesichter von LAM ebenso wie die von PICASSO mit konkre- ten ozeanischen und afrikanischen Vorbildern in Verbindung gebracht.117 LAM selbst hatte sich jedoch nie zu Kenntnissen von Stammesritualen der Afrikaner geäußert, zumindest findet sich hierzu keine verlässliche Quelle.118 Eher befremdlich wirken die vermeintlichen Bezüge von

LAM zu Afrika aus heutiger Sicht, denn schließlich waren seine Ausbildung und intellektuelle Orientierung von Beginn an durch Europa und durch eine westliche Auslegung und Rezeption der Kunstgeschichte geprägt. Daneben zeigen Beobachtungen und Ausführungen von JEAN-

LOUIS PAUDRAT, dass LAM ebenso aus dem „primitiven“ Formenrepertoire der europäischen

Avantgarde schöpfte und nicht wie von PICASSO und später auch von BRETON hervorgehoben, seinen „ureigenen Wurzeln“, dem „Primitiven“, nachging. PAUDRAT weist in seinem Beitrag

„Afriques en confluence“119 darauf hin, dass LAM direkt nach seiner Ankunft in Paris bei

PICASSO im Atelier afrikanische Skulpturen gesehen haben kann. In der Vergrößerung der

Fotografie, die LAM in seinem Atelier 1940 zeigt (Abb. 45)120, findet sich ein Abzug einer der

„Masques africains“ aus dem gleichnamigen Buch von CHARLES RATTON (Abb. 26)121 von 1931.122 Bei dem Kopf handelt es sich um eine Maske aus Nigeria oder Kamerun. Wie bereits nicht anders vermutet, bestätigt dies, dass LAM zu diesem Zeitpunkt unter dem Einfluss solcher Objekte Studien betrieb. 1938/39 wurden in Paris „primitive“ Objekte als gängiges Formenrepertoire der Avantgarde angesehen und können als Teil des kollektiven Bewusstseins gelten. Der formalistische Einfluss dieser Plastiken für LAM ist deshalb selbstverständlich anzunehmen. Konkrete Vorbilder afrikanischer Masken sind in den Bildern von LAM jedoch nicht zu finden. „There is no strict reference to specific types of masks, given the degree of decomposition, the combining and re-working of his sources.“123

117 MAURER sieht darin einen Hinweis auf „Züge afrikanischer Stile“ und Elemente von Skulpturen der Dogon und der Teke. MAURER 1984: 602/604. 118 ROUSSEAU zitiert LAM in „Wifredo Lam – peintre cubain” in Présence africaine 1948 angeblich im Hinblick auf eine Baule-Maske in seiner Sammlung mit den Worten: „Sie sehen – ich habe diese Formen ganz spontan wiedergewonnen! Sie sind in mir wie eine angestammte Überlieferung lebendig geworden!“ (ROUSSEAU, MADELEINE: „Wifredo Lam – peintre cubain”. In: Présence africaine 1948: 591. Nach MAURER 1984: 601). Wie glaubhaft diese überlieferten Aussagen sind, muss offenbleiben. So führte HELENA BENITEZ im Interview mit der Autorin 2001 beispielsweise aus, dass LAM sich und seine Bilder nie erklärte und dem Betrachter riet, genau hinzusehen. In einem Interview 1963 „15 minutos con Lam“ erklärte er auf die Frage: Wie würden Sie Ihre Kunst charakterisieren? ruppig: „He dicho en muchas ocasiones que yo no soy el más apto para enjui- ciarla.“ SIXTO QUINTELA: „15 minutos con Lam“. In: mena, 18. Mai 1963. [Ü: „Ich habe schon zu vielen Ge- legenheiten gesagt, dass ich nicht der Richtige bin, um sie zu beurteilen.“] 119 PAUDRAT 2001: 73-100. 120 Vergl. Abb. 45: LAM in Paris 1940 in seinem Atelier in der 6, rue Armand-Moisant. Detail einer Fotografie von MARC VAUX. 121 CHARLES RATTON: Masques africains. Paris 1931. Vergl. Abb. 26: CIMIER JANIFORME EJAGHAM (Nigeria oder Camerun), 1931. Reproduktion aus Masques africaines (1931), von CHARLES RATTON. 122 PAUDRAT meint, dass LAM einen intensiven Kontakt und Austausch mit CHARLES RATTON pflegte, der sich über die Galerie von LOEB ergeben hatte. PAUDRAT 2001: 77. 123 MOSQUERA, GERARDO: „The Third World. at the Crossroad”. In: LAURIN-LAM, LOU/LAM, ESKIL: Lam. Catalogue Raisonné of Painted Work. Volumen II 1961-1982. Lausanne 2002: 104.

38 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

LAM als Mitglied der europäischen Avantgarde zu bezeichnen, wäre irreführend. Denn die „Erfindung“ des Kubismus und die Auseinandersetzung mit der „Art Nègre“ in Paris lagen bereits dreißig Jahre zurück, und die Kunst war längst etabliert und in verschiedenen Samm- lungen international vertreten. So studierte LAM vielmehr die Formen von PICASSO und inter- essierte sich für die Auseinandersetzung und Affinitäten der „primitiven“ Objekte der Pariser Avantgarde – dies als Ausgangspunkte für die eigene Weiterentwicklung seiner Formen und seines künstlerischen Ausdrucks. Bereits Ende der 1930er Jahre entwickelte LAM parallel zu den schemenhaften Gesichtern eine Darstellung, die durch eine individuellere und von

PICASSO distanzierte Ausdrucksform sein weiteres Werk dominieren sollte. Als Ausgangspunkt für die neue Ausrichtung kann das Bild Figure (Abb. 47)124 von 1938 genannt werden. Im Bild entwickelte LAM einen Kopf, bei dem die Nase nicht mehr nur als Längsrechteck oder Balken gestaltet ist. Zwar ganz in kubistischer Manier aufgeklappt, führt die Nasenpartie die unter- schiedlichen räumlichen Ebenen in der Fläche zusammen. So sind die Nasenflügel aneinan- dergeheftet, die Nasenlöcher aus der Unteransicht ebenfalls in die Fläche gekippt und auf die Nasenflügel gelegt. Neu ist die Kombination, bei der sich an die „kubistische“ Nasenpartie volle Lippen sowie ein verlängertes Kinn mit rundem Abschluss anschließen. Damit nahm

LAM eine spätere Formentwicklung der prägnanten, mittleren Gesichtspartie vieler seiner Figuren ein erstes Mal auf.125 Das Kinn lässt sich als die Abstraktion oder Umgestaltung der bisherigen Halspartie erklären, die LAM ebenfalls in kubistischer Manier vom Korpus löste und der Gesichtspartie zuwies, wie beispielsweise in Figure totémique 1938 (Abb. 48)126. Für die Umgestaltung des Halses spricht auch die Behandlung eines prägnanten Details in Sans titre von 1939 (Abb. 42)127. Die Unterlippe erfährt in diesem Bild eine Verlängerung in Form eines hakenähnlichen „Kringels“, deutlich unterhalb der Gesichtsrundung, im Bereich des Halses, ähnlich der mehrseitigen kubistischen Ansicht eines ausgeprägten Kehlkopfes. In

Couple 1940 (Abb. 49)128 nahm LAM erneut diesen „Kringel“ auf, der nun ganz an der Unter- lippe ansetzte und gleichzeitig auf das Bild Sans titre von 1939 rückschließen lässt. 1940 tauchte das ausgeprägte Kinn bereits häufiger auf, wobei nun auch „Fransen“, die Barthaare assoziieren lassen, am Kinn ansetzten. Die Entwicklung dieses besonderen Teils der Gesichter

124 Abb. 47: Figure 1938. Gouache auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 64 x 48 cm, Sammlung Dr. A. Passare, Mailand, (38.81). 125 Vergl. hierzu beispielsweise die Gesichter der beiden Figuren links im Bild in La Jungla 1943. Ausführlicher wird auf die Entwicklung der Visagen und deren besonderen Formen im folgenden Kapitel II 2.1.1 Über- schneiden, überblenden, kombinieren: LAMs neue Gesichter, sowie in Kapitel IV 1.2 Aufnahme und Entzug: Der emanzipatorische Moment in La Jungla eingegangen. 126 Abb. 48: Figure totémique 1938. Gouache auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 100 x 70 cm, Privatsammlung, Mailand, (38.77). 127 Abb. 42: Sans titre 1939. 128 Abb. 49: Couple 1940. Gouache auf Papier, 93 x 78 cm, Privatsammlung, Como (Italien), (40.30).

39 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

bezeichnete eine neue, von LAM ausgebildete Form, die vielen seiner späteren Figuren eigen ist und die den Moment der Loslösung von den schematischen Masken hin zu individuelleren Gesichtsfeldern kennzeichnen. Die Betonung dieses Details erweist sich als relevant, denn

LAMs Werk, das häufig parallel zu PICASSOs rezipiert wird, bricht hier ein erstes Mal auf und entfernt sich somit von der üblichen primitivistischen Behandlung der Maske der Pariser

Avantgarde jener Zeit. Dies vollzog sich jedoch zu einem Zeitpunkt, als LAM noch in Paris lebte. Details seines Werkes näherten sich somit konzeptuell einer neuen Ästhetik an, als er in Europa lebte und noch nicht in die Karibik zurückgekehrt war. Die Beobachtung widerspricht der Vorstellung, dass LAM erst mit seinem Eintreffen auf Kuba einen Impuls seiner Heimat erfahren hat, der nach der Meinung einiger Kritiker in neuen gestalterischen Formen im Werk zum Ausdruck kam.

LAM strebte keine Resemantisierung der afrikanischen Masken an, indem er ihnen eine vermeintlich originale Bedeutung zuwies. Vielmehr nutzte er einerseits deren geometrische Form zur Ausgestaltung seiner eigenen, in den 1950er Jahren deutlich vom europäischen Avantgardekontext losgelösten, ästhetischen Sprache. Andererseits setzte er die Assoziation des Betrachters der afrikanischen Maske als semantische Oberfläche ein, dies in „his own means and within the context of a more personal imagery, that which the creators of the masks themselves had sought: the construction of something both fantastic and natural, at once linked with a context and a conception of the world“129. Mit der Neugestaltung von Masken- gesichtern, die nicht mit ihrem afrikanischen Hintergrund, sondern in einem imaginierten und losgelösten Kontext der LAMschen Bilder eine Bedeutung erhalten, unterscheiden sich die

Masken von LAM deutlich von der oberflächlichen und dekontextualisierten Rezeption der Masken der europäischen Avantgarde.

Nach La Jungla von 1943 emanzipierten sich LAMs Figuren immer mehr zu eigenständigen

Formen, die schließlich gänzlich ihre vorherige Individualität verloren. Auch als LAM dazu überging, seine Figuren nahezu zeichenhaft zu reduzieren, blieb der Kubismus als prägender

Stil in seinen Bildern erhalten. LAM reflektierte so weiterhin implizit auf eine Bildsprache, die an PICASSO erinnerte. Dessen im kollektiven Gedächtnis und Kunstverständnis eingeprägter

Stil bewirkte, dass die Figuren in LAMs späteren Bildern für den Betrachter häufig vertraut wirken. So lesen sich die einzelnen Formen und Elemente bis ins Spätwerk hinein wie Spuren der europäischen, avantgardistischen Bild- und Formensprache, die ein vertrautes Repertoire

129 MOSQUERA 2002: 104.

40 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG seiner Betrachter ansprechen.130 Doch gleichzeitig erschlossen die neue und freie Zusammen- stellung und die Abstraktion und Verfremdung der vorherigen maskenartigen Gesichter der

Pariser Phase eine neue Bild- und Formensprache, die LAMs unverwechselbaren Stil nachhal- tig prägte.

2.1.1 Überschneiden, überblenden, kombinieren: LAM s neue Gesichter

Inwieweit LAM den theoretischen Ansatz des Kubismus, der die gleichzeitige Mehrfachansicht des Objektes, aber auch die Simultanität dargestellter Situationen einfordert, verinnerlichte, zeigte sich konsequent ab Mitte der 1940er Jahre in einigen seiner Werke. Er behandelte diese theoretischen Überzeugungen einerseits mithilfe des Stilmittels der Maske, die immer schon das doppelte Gesichtsfeld – das der Maske und das des darunterliegenden Gesichtes – einschließt. Anderseits nutzte er das spielerische Element des Vexierbildes, das dem Betrach- ter unterschiedliche Betrachtermomente aufzwingt und damit einen sich ständig relativieren- den Perspektivenwechsel provoziert. In diesen beiden Vorgehensweisen der Gestaltung und deren theoretischen Anknüpfungspunkten von Simultanität und Perspektivenwechsel liegen interpretatorische Schlüsselmomente für das gesamte LAMsche Werk, so die Annahme der vorliegenden Arbeit.

Die Umsetzung des formalen Themas der Überblendung und Gleichzeitigkeit der verschiede- nen Ansichten verfolgte LAM mit Darstellungen, die das wechselseitige Ergänzen und Erset- zen von Gesichtsfeld und Maske fast schon programmatisch im Bild behandeln. In Composi- tion (Abb. 27)131 von 1940 malte LAM erstmals zwei Figuren, die ein Wechselszenario von Gesicht und Maske deutlich thematisieren. Zwei Figuren stehen aufrecht und in Toga oder rockartigem Gewand gekleidet zum Betrachter. In kubistischer Manier sind die Körper und Kleidungsstücke in ihre Einzelteile zerlegt und neu zusammengesetzt. Beide Figuren besitzen einen Kopf, der durch eine Maske teilweise verdeckt wird. Während die linke der beiden Figuren sich gerade die Maske auf- oder auch absetzt, überblenden sich die Gesichter oder aber zwei Masken der rechten Figur scheinbar schwebend. Welches der beiden nun das eigentliche Gesicht und welches die Maske ist, kann nicht ausgemacht werden. Eine Weiter- entwicklung des doppelten Gesichtsfeldes findet sich im Bild La Réunion (Abb. 28)132 von

130 Die wechselseitige Beziehung von bekannten Elementen und dem gleichzeitigen Entzug einer konkreten Aussage der Bilder, wird für die Interpretation des Bildes Les Noces in Kapitel IV 2.2 Karibisch paradiesi- sche Hochzeit: Synkretismus und die Auflösung eindimensionaler Betrachterstandpunkte entscheidend sein. 131 Abb. 27: Composition (Les Trois Oranges) 1940. 132 Abb. 28: La Réunion (Groupe) 1942.

41 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

1942, ein Bild, das eine Vorbereitung auf die Komposition von La Jungla zu sein scheint. Die maskenartigen Gesichter sind gedoppelt: Die äußerst linke Figur im Bild hat ein Gesicht in Gestalt eines beige-gelben Halbkreises, dessen Struktur, die Form der Nase und der angedeu- tete Mund eine Maske assoziieren. Das kleine Auge wird von einem größeren ergänzt, wobei dieses über den Maskenrand hinaus auch Teil des darunterliegenden Gesichts sein könnte. Denn unter der Halbkreismaske erscheint ein weiteres Gesicht, das mit vollen Lippen, gespal- tenem Kinn und einem langen Bart versehen ist. Die beiden spitzen Enden der Köpfe erinnern an Ohren und gehören einerseits zur Halbkreismaske, andererseits sind sie auch Teil des Gesichtes darunter. Ähnlich verhält es sich mit dem großen Halbkreiskopf in der Mitte, an dem eine weitere Variante der Überschneidung zu beobachten ist. Der Halbkreis und die

Gesichtsschraffuren machen erneut einen Bezug zur Maske möglich. Allerdings gab LAM dem Gesicht eine „kubistische“ Nase, an deren oberem Nasenrücken auf der Stirn zwei engsteh- ende Augen ansetzen. Zentral und ohne konkreten Bezug zum Gesichtsfeld sieht ein weiteres großes Auge den Betrachter direkt an. Die äußerst rechte Figur im Bild besitzt einen Kopf mit zwei spitz zulaufenden Ohren, die beide mit einem Auge versehen sind. Überblendet wird es von einem grünen, kubistisch nach beiden Seiten ausgeklappten Nasenrücken, an dessen unte- rem Ende Lippen und das doppelte Kinn mit Barthaaren anschließen.

Noch im gleichen Jahr entstand das Bild Le Mariage (Abb. 29)133. Teilweise bis zur Unkennt- lichkeit aufgelöste Körperteile schichten sich übereinander, scheinen um die Aufmerksamkeit der stärker profilierten Frau links im Bild zu wetteifern. Die Gesichter rechts im Bild sind reduziert auf Augenpaare, Nasenrücken und die vollen Lippen. Hinzu kommen das gespaltene Kinn, spitze Ohren und zwei Brüste. Deutlich fallen die Anleihen beim Motiv der Maske mit der Neuentwicklung eines neuen Gesichtstyps zusammen.

Ab 1942 lassen sich übereinander und ineinander geschachtelte Gesichter immer häufiger nachweisen. Schnell verbinden sich die zunächst als Paar gezeigten Visagen wie in Homme- femme (Abb. 50)134 von 1942 zu einem Kopf, der anfangs noch als Doppelvisage ausgeführt ist (Abb. 51)135. Mitte der 1940er Jahre, nach der Vollendung des Bildes La Jungla, reduzierte

LAM die Köpfe häufig auf die wesentlichen Elemente der Nase, der Lippen und des Kinns. Er vereinfachte erneut im Sinne des Kubismus das Gesicht auf die Grundform der Nasen, mal

133 Abb. 29: Le Mariage 1942. 134 Abb. 50: Homme-femme 1942. Öl auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 105 x 83 cm, Privatsammlung, Como (Italien), (42.78). 135 Vergl. beispielsweise die Abb. 51: Femme 1942. Guache auf Papier, 103 x 79 cm, Sammlung M.-A. und M. Capriles, Caracas, (42.43).

42 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG mit rechteckigen, mal mit längs-ovalen Abschlüssen (Abb. 52, Abb. 53 und Abb. 54)136. Die Entwicklung der Gesichter geht von der Überblendung aus und führt schrittweise zur Ausfor- mulierung individualisierter Gesichter der Figuren.

LAM näherte sich den formalen Gesetzen des Kubismus von Gleichzeitigkeit und Perspekti- venwechsel noch auf eine andere Weise. Er nutzte eine Methode, die an ein Vexierbild erin- nert, das durch seine spezielle Konstruktion aus verschiedenen Blickrichtungen unterschiedli- che Bildinhalte vermitteln kann oder aber wie ein Suchbild funktioniert, das eine nicht auf den ersten Blick erkennbare Figur enthält und erst durch Drehen oder genaueres Hinsehen unter- schiedliche Figuren zum Vorschein bringt. In dieser Abbildungsmethode ist das Gestaltungs- prinzip der Mehrfachansicht, der Gleichzeitigkeit und des Perspektivenwechsels implizit. Das Bild Couple (Abb. 49)137 passt auf diese Beschreibung und ist ein weiterer wichtiger Baustein in der Entwicklung der LAMschen Ästhetik ab den 1940er Jahren. Die Gouache zeigt auf den ersten Blick zwei Figuren, bei näherem Betrachten jedoch entwickelt sich aus den beiden eine weitere Figur, die Teile der einen wie der anderen überlappt, um ihrem Körper Form zu geben. Die linke Figur besitzt die weichen Konturen eines Frauengesichts und ihre langen Haare fallen hinter den Schultern auf ihren Rücken. Das Augenpaar ist in Seitenansicht darge- stellt, sodass die Figur den Betrachter nicht ansieht. Ihre Nase ist einzig durch eine vertikale Linie angedeutet, die ebenso Teil der Hand ist, die auf ihrem Gesicht ruht und den Kopf stützt. Rechts im Bild, ebenfalls im Profil, befindet sich ein weiteres Gesicht. Ein großes Auge blickt den Betrachter an. Wie eine Überblendung mithilfe einer Art Maske wird jedoch ein Teil des Gesichtes verdeckt. Dunkler und vom hellen Gesicht darunter abgesetzt, legt sich eine trans- parente Haube – ursprünglich die kubistische Nase – über den Kopf und einen Teil der Visage. Auch diese hat „kubistische“ Nasenflügel, an deren oberen Enden am Nasenrücken zwei kleine kreisrunde Augen eng aneinanderstehen. Gekrönt ist die maskenartige Haube mit zwei kleinen spitzen Ohren, die an Hörner erinnern. Das hellere, darunterliegende Gesicht schließt in der Verlängerung der Lippen mit dem kehlkopfartigen Bart ab, nun in der Kombination von verlängerten Kinn- und Barthaaren. Die Körper der beiden hellen Gesichter stehen dunkel zurück, wobei die beiden Unterarme und Hände hell betont sind. Deren dunkler Korpus ist zugleich Körper der dritten Figur. Diese ist aus Teilen der beiden beschriebenen Figuren

136 Beispielhaft können folgende Bilder genannt werden: Abb. 52: Lisamona 1950. Öl auf Leinwand, 130 x 97 cm, Sammlung S.M. Greenbaum, Goffstown (USA), Ausleihe an das Museum of Modern Art of Latin America, Washington DC, (50.10). Abb. 53: La Finacée 1950. Öl auf Leinwand, 105 x 84 cm, Privatsammlung, Paris, (50.06). Abb. 54: Personnage 1972. Öl auf Leinwand, 55 x 45,7 cm, Privatsammlung, Paris, (72.161). 137 Abb. 49: Couple 1940.

43 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG zusammengesetzt. Bindendes Element ist das große helle Lippenpaar, das mittig, als zunächst verwirrendes Einzelelement dominant ins Bild gesetzt ist. Versehen mit einem längsrechtecki- gen Kinn, einem Nasenrücken und Nasenflügel, nutzt das Gesicht das große Auge der rechten Figur sowie das rechte Auge des Frauengesichtes für die eigene Form. Die Haartracht der Haube einerseits und der dunkle Hintergrund, der wie eine Kopfrundung nach oben abge- schlossen wird, formen die Nase der Figur, die sich zwischen die beiden anderen drängt. Auf den dunklen Korpus setzt LAM zwei runde Frauenbrüste, die durch Schraffuren und Brustwar- zen deutlich zu erkennen sind und sich im Werk immer wieder finden. Die erhobenen Hände schließlich sind mehr Teil dieser dritten Figur im Zentrum als die der beiden anderen. Insofern formen die beiden helleren Gesichter die eigentliche Figur im Raum und definieren deren zusammengesetzten Corpus. Die Arme bilden das verbindende Element zwischen den drei Gestalten.

Im Bild Couple zeigen sich gleich mehrere konzeptuelle Elemente, die sich in LAMs Werk häufig wiederholen und auf einen Aspekt der Gesamtaussage des Werkes verweisen. Neben der konsequenten kubistischen Ausführung, die die Mehrfachansicht und die Gleichzeitigkeit des Gezeigten fordert, ist in diesem Vexierbild auch die Möglichkeit einer dynamischen Verbindung angelegt. Dabei überlagern sich zwei Figuren so, dass aus ihnen eine weitere hervorgeht – unterschiedliche Einzelmomente formieren sich unter Bezug auf das Vorgege- bene zu einem Neuem.

Auch wenn Figure und Couple 1940 noch Einzelfälle waren, zeigen sie doch LAMs Forment- wicklung von den ovalen, PICASSO ähnlichen Gesichtern hin zu einem eigenen Konzept. Die Symbiose, Überblendung und Ausformulierung eines eigenen, von der Behandlung der Maske im europäischen Avantgardekontext losgelösten Moments sind entscheidend für LAMs Stilbil- dung. Dabei machte LAM einerseits die Quellen seiner Inspiration deutlich und für den Betrachter kenntlich, baute jedoch andererseits mithilfe eben gerade jener vertrauten Elemente eigene und neue Figuren, mit denen ihm die Abgrenzung von PICASSO und der primitivisti- schen Behandlung der afrikanischen Masken gelang. Die Bildbeispiele zeigen, dass LAM seine Figuren kontinuierlich weiterentwickelte, ohne jedoch auf Zeichen und Elemente vorangegan- gener Gestaltungen zu verzichten. Die Spuren der Vorbilder bleiben in seinem Werk als vertraute Elemente erhalten und entfalten ihre neue und eigene Qualität in der Kombination aus gerade jenen wiedererkennbaren Einzelteilen.

44 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

2.2 Surrealismus in LAM s Werk Der Surrealismus war zunächst eine literarische und philosophische Bewegung, in der die bildhafte Ästhetik eine sekundäre Rolle spielte, auch wenn die heutige Auseinandersetzung mit dem Surrealismus als prominenteste Vertreter bildende Künstler erinnert.138 Auch ANDRÉ

BRETON, der als Künstler, aber vor allem als Kunstkritiker in Erscheinung trat, wird dazu beigetragen haben, dass der Surrealismus stärker mit den Bildenden Künsten als mit Poesie und Philosophie in Verbindung gebracht wird. Als Gründungstexte können das Surrealistische

Manifest von 1924 und Le Surréalisme et la Peinture139 von 1925 von BRETON genannt werden. Während das Manifest einzig Bezug auf Poeten, nicht jedoch auf bildende Künstler nahm, erweiterte BRETON in Le Surréalisme et la Peinture den Begriff um diese Sparte. „' and Painting' shows to full advantage Breton's talent not only as critic but also as a polemicist and promoter. In the Manifesto, he had already noted that when an automatic (unconscious) phrase occurred to him, it was often accompanied by a visual image. Now, he set about establishing the surrealist nature of certain artworks via a detailed discussion of examples by a select handful of painters – all manifestations of the eye as it 'exists in its sauvage state'.“140

Die Surrealisten meinten, im Rückgriff auf „verborgenen Quellen“ ihren ästhetischen Ausdruck zu finden. Daraus resultierte eine „Verweigerungshaltung“ gegenüber jeder Art von Kunst und deren Einflüsse, die einer logischen oder rationellen Konzeption entstammten. Als Bezugspunkte kamen in der europäischen Kunst lediglich die „archaischen Epochen” in Betracht. In der logischen Konsequenz fanden die Hinterlassenschaften des präkolumbiani- schen Amerika bei den Surrealisten eine hohe Anerkennung und Aufmerksamkeit, ebenso wie die um die Jahrhundertwende entdeckte „Negerkunst“ Afrikas, die Kunst Ozeaniens, die der Indianer und der amerikanischen Eskimos.141

Zunächst galt für BRETON PICASSO als Wegbereiter des Surrealismus in der Kunst, was er in Le Surréalisme et la Peinture begeistert ausführte. Eine reichhaltige Quelle der Inspiration für

138 Zu nennen sind Personen wie DALÍ, MASSON, MIRÓ, ERNST eher als die Poeten ELUARD, ARAGON, DESNOS, PÉRET oder SOUPAULT. 139 Dieses Buch, in dem zum ersten Mal Fragen erhoben wurden, die das Verhältnis des Surrealismus zur Kunst betreffen, wurde zuerst als Beilage in „La Révolution Surréaliste“ (Nr. 4.6.7.9-10/1925) veröffentlicht. 1928 wurde es in der Edition Gallimard in Paris erstmalig als Buch publiziert. Eine englische Übersetzung bildete später die Einleitung zum Katalog der Peggy Guggenheim Galerie „Art of this Century“, 1941. 140 POLIZZOTTI, MARC: Einleitung zu „Surrealism and Painting“ von ANDRÉ BRETON. Boston 2002: XViii. 141 An dieser Stelle sei auf die „ideale Landkarte“, die die Surrealisten um 1929 gezeichnet hatten, verwiesen, auf der beispielsweise die Inseln des Pazifiks zwei Drittel der Welt einnehmen und auf der Alaska und Mexi - ko riesig erscheinen.

45 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

„our integral primitivism“142 jedoch fand BRETON zehn Jahre später in Mexiko. Dorthin war er

1938 gereist, um seine surrealistischen Theorien bekanntzumachen. Vor Ort stellte BRETON zwei Monate nach seine Ankunft in einem Interview fest, dass Mexiko „le lieu surréaliste par excellence“143 sei.

Nach seiner Rückkehr und unter dem Eindruck der „konvulsiven Schönheit“144 Lateinameri- kas traf BRETON 1939/40 in Frankreich auf WIFREDO LAM. In der Verbindung von menschli- chen, tierischen und pflanzlichen Elementen zu einer erfundenen, traumhaft imaginierten Welt in den Bildern des Kubaners fand BRETON seine ästhetischen Schlüsselmomente, die für ihn

LAM zu einem wahrhaften Surrealisten machten. LAM gelänge es, in seiner Kunst instinktiv aus „the rich resources of primitive vision“145 zu schöpfen und gleichzeitig die geistreichen Erkenntnisse europäischer Kunst- und Kulturgeschichte „weltklug“146 in seinem Werk zu reflektieren.

142 BRETON, ANDRÉ: Surrealism and Painting. New York 1972. Hier zitiert in der Auflage von 2002: 3. 143 Dialog zwischen ANDRÉ BRETON und RAFAEL HELIODORO VALLE. Wiedergegeben in: INBA (Instituto National de Bellas Artes): Los Surrealistas en México. Museo Nacional de Arte (MUNAL)/Secretaria de Educación Publica (SEP). Mexiko 1996: 102-106. [Ü: „der surrealistische Ort par excellence“]. „Breton découvrit dans l'art mexicain, imbibé d'humour noir, une ligne directe vers la psyché mexicaine. C'était un contexte où les opposés – la vie et la mort, par exemple – coexistaient confortablement. Il le discernait dans l'imagerie pré-colombienne, l'art colonial, la peinture contemporaine et dans les arts populaires, comme les ex-votos, les retables, les flancs de bateaux, même la pourriture et les jouets.“ GRIMBERG, SALOMON: „Mexico réfléchi par le miroir d' André Breton.” In: ALIX, JOSEFINA/SAWIN, MANTONICA: Les Surréalistes en Exil et les débuts de l'école de New York. Musée d' Art Moderne et Contemporain de Strasbourg, 12. Mai - 27. August 2000, Straßburg 2000: 191. [Ü: „Breton entdeckte in der mexikanischen Kunst, die vom schwarzen Humor durchdrungen ist, eine direkte Linie zur mexikanischen Psyche. Es existierte ein Kontext, in dem die Gegenteile – das Leben und der Tod beispielsweise – nebeneinander ohne Brüche existent waren. Dies erkannte er in der pre-kolumbianischen Bildersymbolik, der kolonialen Kunst, der zeitgenössischen Malerei und in den volkstümlichen Künsten, wie den Votivbildern, den Retablen, den Schiffsflanken, ebenso wie in der Fäulnis und den Spielsachen.“] 144 BRETON nutzte den Begriff „konvulsiv“ ein erstes Mal in den Schlussworten seines 1928 erschienenen Ro- mans „Nadja“. Er schreibt: „Die Schönheit wird KONVULSIV sein oder sie wird nicht sein." (In der 1963 vom Autor redigierten Ausgabe der deutschen Übersetzung, erschienen bei Suhrkamp 2002.) In der Zeit- schrift „La révolution surréaliste“ von 1928 nahm BRETON den Begriff erneut auf, dieses Mal im Kontext der Behandlung der Hysterie. VERENA KRIEGER weist in „Metamorphosen der Liebe“ darauf hin, dass schön „demnach gerade das bis dahin als schrecklich und hässlich empfundene hysterische Gebaren, das sich in krampfartigen und zuckenden Verrenkungen der Körpers zeigt“ ist. (KRIEGER, VERENA: Metamorphosen der Liebe. Kunstwissenschaftliche Studien zu Eros und Geschlecht im Surrealismus. Münster/Berlin 2006: 21.) 1937 erweiterte BRETON den Begriff in „L' Amour Fou“. (Zuvor bereits erwähnt in einer Abhandlung 1934 in der Zeitschrift Minotaure.) „La beauté convulsive sera érotique-voilée, explosante-fixe, magique-circonstan- cielle ou ne sera pas.“ BRETON L' Amour Fou 1937: 12. [Ü: „Die konvulsive Schönheit wird erotisch verhüllt, berstend starr, magisch-umstandsbedingt sein oder sie wird nicht sein.“] „Der surrealistische Schönheitsbe- griff beinhaltet also eine Aufhebung der Gegensätze hin zu einer Einheit und schließlich die Realisierung ei- ner neuen, surrealen Bemächtigung der Wirklichkeit. (...) Gemeint sind hiermit die Wiederherstellung der verlorenen Einheit in der Welt und die Rückkehr zum mythischen Goldenen Zeitalter.“ KRIEGER 2006: 22. 145 BRETON 1972: 78. 146 MAURER 1984: 601.

46 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Als WIFREDO LAM in Marseille gemeinsam mit BRETON auf seine Ausreise wartete, fühlte er sich sogleich ihm und den anderen ausreisenden Avantgardisten verbunden. HELENA BENITEZ schreibt aus der Erinnerung, dass sich LAM wie „getauft“ gefühlt habe, als er mit der surrealen Ästhetik und den Überlegungen der Anwesenden vertraut wurde.147 Noch in Marseille bat

BRETON LAM, sein Buch Fata Morgana zu illustrieren.148

Betrachtet man einige Bilder LAMs seit den 1940er Jahren, lassen sich diese durchaus im

Rahmen der surrealistischen Ausführungen BRETONs beschreiben. Vor allem La Jungla (Abb. 1) bietet der surrealistischen Rezeption genügend Anhaltspunkte: Die Komposition verbindet überdimensionierte, menschliche Füße und Hände mit unförmigen Gliedmaßen, die wie Zuckerrohrstangen aussehen, mit ausladenden Gesäßen, an deren Steiß minotaurenartig Pfer- deschweife ansetzen; dazu maskenartige Gesichter und Wesen, die in einem dichten Wald aus Zuckerrohr und Tabakpflanzen stehen. Gerade in der Kombination tierischer, menschlicher und pflanzlicher Fragmente in ein- und derselben Figur fand BRETON die Auseinandersetzung mit seinen Überzeugungen in LAMs Werk. Als weitere Bildbeispiele können Ta propre vie (Abb. 55) von 1942149 oder Harpe Astrale (Abb. 31) von 1944150 genannt werden.

LAM bezog sich auch auf eines der zentralen surrealistischen Bildthemen – das des Stierkamp- fes151 –, indem er seine Figuren mit Pferdeschweifen versah. Zunächst zeigte LAM seine weib- lichen Figuren mit langen vom Kopf herabfallenden Haaren, die über das Gesäß am Körper hinabglitten, wie beispielsweise in Sans titre (Abb. 56)152 von ca. 1942. Schon bald danach wurden aus Haaren Pferdeschweife. In Les Noces (Abb. 2)153 von 1947 finden sich beispiels- weise die Schweife, ergänzt durch Beine, die den Fesseln von Pferden ähneln und in hufarti-

147 „Now in Marseille Wifredo's art tended to be more diverse. Novel images of flowers and magical creatures, and of male and female sexual attributes, attested to his newfound spontaneity. One Sunday when we were all assembled, André – quick to recognize Wifredo's inner visionary world, an untapped fountain sustained by a great talent and anususal genertic mosaic – asked Wifredo if he would illustrate a poem he was working on, Fata Morgana. All guests applauded: Wifredo was suddenly launched into Surrealism. As we went home that night he said with a little smile: 'I guess I was baptised today'.“ BENITEZ 1999: 38. 148 Mit der Illustration seines surrealistischen Buches – wie es BRETON bezeichnete – band er die LAMsche Kunst unmittelbar in den surrealistischen Diskurs ein. 149 Abb. 55: Ta propre vie, 1942. Gouache auf Papier, 105,4 x 86,4 cm, Privatsammlung, Washington DC, (42.75). 150 Abb. 31: Harpe Astrale 1944. 151 Das erotisierende Motiv des Stierkampfes, „als letztes primitivistisches Spektakel mit alten Regeln und vor- geschriebener Ordnung und der stierköpfige Menschenfresser Minotaurus als ambivalente Gestalt mit ambi- gem Konnex”, tauchte in den Bildern mancher Surrealisten in den 1930er Jahren wiederholt auf. WEISS 2007: 136. 152 Abb. 56: Sans titre 1942. Gouache auf Papier, Maße unbekannt, Privatbesitz USA, (42.01). 153 Abb. 2: Les Noces 1947.

47 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG gen Füßen enden. Auch mit der Verstärkung abstrahierender Tendenzen um 1950 blieben die Minotaurenelemente als Spuren erhalten, wie in Lumière d'argile (Abb. 57)154 von ca. 1950, in Grande Composition (Abb. 58)155 von 1960, Les enfants sans âme (Abb. 37)156 von 1964 und

Fruits tropicaux (Abb. 59)157 1969. Wie zuvor mit der Wahl des Kubismus, reihte sich LAM nun in die surreale Bildtradition PICASSOs, aber auch in BRETONs theoretische Ausführungen ein und positionierte sich erneut mit seinem gesamten Œuvre in dem Diskurs der damaligen europäischen „Moderne“.

Für die Einschätzung, LAMs Werk sei ein Surrealistisches, war seine Rückkehr nach Kuba entscheidend. Häufig ist zu lesen, dass LAM in seinen Werken die mythische und spirituelle Wirklichkeit der afrokubanischen Mischreligion Santeria und deren in Trance ausgeübte Riten ins Bild brachte. Damit könnte die von den Surrealisten beschworene Unterwelt, zu der man im Traum und in Trance Zugang hat, in den Bildern von LAM ein ästhetisches Pendant finden.

Womöglich sah gerade hier BRETON seine Vorstellungen eines wahrhaftigen surrealen Kultur- raumes visuell in LAMs Bildern bestätigt.158 Dafür sprechen auch die Inhalte des zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 1957 von BRETON veröffentlichten Kunstbuchs L' Art magique159. Darin begründete er „eine Kunstanthropologie, in deren Zentrum spirituelle Energien stehen, die als überzeitliche und transkulturelle Werte die Substanz der Kunst ausmachen.“160 LAMs

Authentizität schien BRETON durch einen engen Bezug zu den primitiven Riten und Traditio- nen der Afrokubaner gegeben, die sich in seiner Kunst spiegelte. Magie, Spiritualität und

Ursprünglichkeit fand BRETON zeitlos, über den Zweiten Weltkrieg hinaus, in LAMs Bildern161, ein kulturtheoretischer Anspruch, den er in L' Art magique generalisieren wollte. Trotz dieser

Anknüpfungspunkte ist es schwierig zu definieren, was LAMs Kunst als spezifisch surrealis- tisch auszeichnet. Sind es die Zerstücklungen der Körperteile, oder sind es die überdimensio- nalen Füße und Hände vieler seiner Figuren, ist es die fantastisch anmutende Ausgestaltung seiner Bildwelten, die sich surreal zwischen Realem und Erfundenem auszubilden scheinen, zwischen Traum und Wirklichkeit, wie das Surreale von BRETON gekennzeichnet wurde? Ist es

154 Abb. 57: Lumière d'argile ca. 1950. Öl auf Leinwand, 177,5 x 216,5 cm, Sammlung des Museo de Bellas Artes, Caracas, (50.42). 155 Abb. 58: Grande Composition 1960. Öl auf Leinwand, 213 x 208 cm, Privatsammlung, Paris, (60.06). 156 Abb. 37: Les enfants sans âme 1964. 157 Abb. 59: Fruits tropicaux 1969. Öl auf Leinwand, 116 x 89 cm, Privatsammlung, Lausanne, (69.57). 158 Inwiefern die Rezeption von BRETON darüber hinaus kultur- und machtpolitischen Interessen folgte, wird in Kapitel III 2.1 Surreal, primitiv, exotisch: Die Rezeption der 1940er Jahre unter wechselnden Vorzeichen aus- führlich besprochen. 159 BRETON, ANDRÉ: L' Art magique. Mit einem Vorwort von GÉRARD LEGRAND. Paris 1957. 160 SCHMIDT-LINSENHOFF, VIKTORIA: Ästhetik der Differenz. Postkoloniale Perspektiven vom 16. bis 21. Jahrhundert. Band 1, Marburg 2010: 327. 161 BRETON 1957: 253. Anmerkung 31.

48 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG das Erkennen von vermeintlich bekannten Formen in Kombination mit einem fremd und zuweilen unheimlich anmutenden Bildinhalt? Oder ist die Charakterisierung des Werkes als surrealistisch und primitivistisch nur der Versuch einer Kategorisierung, die es für den Kunst- markt kompatibel machen soll? Auch eine Instrumentalisierung des Werkes von Seiten

BRETONs ist denkbar, der viele Künstler für sich und seine Positionierung vereinnahmte. 162 Dass diese Beobachtung naheliegend und die Rezeption durch persönliche Interessen

BRETONs geprägt ist, wird in Kapitel III 2 Paris – New York: Surrealismus im Exil und in Kapitel III 2.1 Surreal, primitiv, exotisch: Die Rezeption der 1940er Jahre unter wechselnden Vorzeichen ausgeführt.

2.3 Die Santeria im Werk von WIFREDO LAM Die Rezeption des Werkes im Rahmen des Surrealismus und Primitivismus erfährt durch

LAMs Bezüge auf die kubanischen Kultur eine weitere argumentative Legitimation. Vereinzelt nahm LAM Komponenten der afrokubanischen Mischreligion Santeria auf, Zeichen, die in der

Konsequenz für das Werk einen besonderen Ausdruck der kubanischen Kultur, unter FIDEL

CASTRO gar einen von nationaler Tragweite bestätigen sollten. Um diese Argumentation zu verstehen, ist es hilfreich, sich einen Überblick über die Santeria sowie die zentralen Gotthei- ten des Glaubens zu verschaffen.

Exkurs: Die afrokubanische Mischreligion Santeria Die Santeria163 vereint unterschiedliche „Wege“, beispielsweise Lucumi, Regla Conga und Mayombe. Die verschiedenen Richtungen leiten sich aus deren jeweiligen afrikanischen Ursprungsorten her und konkurrieren nicht selten um größtmögliche Nähe zur ursprünglichen afrikanischen „Mutterreligion“. Die Santeria basiert auf der Verehrung der , Gotthei-

162 In diesem Zusammenhang kann genannt werden, die sich selbst nach ihrer Aussage nicht als Surrealistin sah, BRETON sie jedoch sehr wohl als eine solche in New York lobpreiste. 1938 bereits organisier- te BRETON mit ihren Bildern eine Ausstellung in New York, 1939 präsentierte er die Künstlerin dem Pariser Publikum. Auch Fotos von MANUEL ÁLVAREZ BRAVO waren zu sehen. Die Künstler wurden gemeinsam mit pre-kolumbianischer Kunst und mexikanischer Porträtmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts ausgestellt. Der Vereinnahmung unter dem Vorzeichen des Surrealismus eher skeptisch gegenüber, schrieb KAHLO an ihren Galeristen in New York, der eine Ausstellung mit ihren Bildern plante: „Je n'ai jamais su que j'étais une surréaliste jusqu'à ce qu' André Breton arrive au Mexique et me l'apprenne. Pour ma part, j'ignore toujours ce que je suis.“ In: ALIX, JOSEFINA/SAWIN, MANTONICA: Les Surréalistes en Exil et les débuts de l'école de New York. Musée d' Art Moderne et Contemporain de Strasbourg, 12. Mai - 27. August 2000, Straßburg 2000: 197. [Ü: „Ich habe niemals gewusst, dass ich eine Surrealistin bin, bis André Breton nach Mexiko kam und es mir beibrachte. Für mich gesprochen, ignoriere ich bis heute, was ich bin.“] 163 Neben der Santeria existieren auf Kuba auch die beiden anderen großen Glaubensrichtungen Monte und Abakuá, wobei die Santeria heute die am meisten praktizierte Reli-gion Kubas ist.

49 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG ten, die als mythologische Gestalten jeweils mit Naturelementen sowie einer Symbolik von Attributen, Farben und Geschlechtern assoziiert werden.

Die afrikanischen Religionen kamen mit den Sklaven nach Kuba. Zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert wurden Menschen vornehmlich aus dem Volk der Yoruba, dem heutigen Nigeria und Kongo, für die spanische Kolonie versklavt. Auf Kuba untersagten die spanischen Kolonisatoren die Ausübung der rituellen Zeremonien und Messen der afrikanischen Religio- nen, deren Musik und Tänze und zwangen den Sklaven ihren christlichen Glauben auf.164 Um der Unterdrückung ihres Glaubens und dem Vergessen ihrer Riten zu entgehen, gingen die Sklaven in die katholischen Messen und verehrten in der Anbetung eines christlichen Heiligen zugleich ein „afrikanisches Pendant“, das sich für sie aus dem Verborgenen in den christlichen Figuren offenbarte.165 Durch die Jahrhunderte hinweg vermischten sich die Gottheiten und Heiligen beider Religionen und zeigen sich so bis heute miteinander verbunden in der synkre- tistischen Santeria, die deshalb als afrokubanische Mischreligion bezeichnet wird.166

Die Santeria wurde als eigenständige Religion lange nicht anerkannt. Auch nach der Unab- hängigkeitserklärung Kubas 1902 wurden ihre Anhänger stigmatisiert und ausgegrenzt. Einzig unter der verharmlosenden Zuschreibung des Folklorismus konnte der Glaube praktiziert werden. Auch für FIDEL CASTRO ließen sich Glaube und Revolution ideologisch zunächst nicht verbinden. In den 1990er Jahren, mit der drohenden Demontage der sozialistischen Ideologie und der fortschreitenden und anhaltenden wirtschaftlichen Krise auf Kuba, verzeichnete die Santeria einen enormen Zulauf. Unter diesem Einfluss wurde 1991 der paradigmatische Widerspruch zwischen revolutionärem und religiösem Bekenntnis offiziell aufgehoben. 1992 kam es zu einer Verfassungsänderung, bei der sich Kuba von einem atheistischen Staat hin zu einem säkularisierten positionierte. Im heutigen Kuba sind die Riten und Bräuche im Alltag eines jeden Kubaners präsent, mischen sich mit Aberglaube und Talisman-Devotionalien. Nicht zuletzt auch unter dem Einfluss eines auf den exotischen Reiz der Mystik vermarkteten spirituellen Tourismus ist die Santeria alltagstauglich geworden. Ohne gläubiger Santeria-An-

164 Mit Recht wird darauf hingewiesen, dass auch der katholische Glaube im 16. Jahrhundert von Riten, Mystik und kultischen Zeremonien geprägt war. Heute finden sich in den katholischen Messen auf Kuba Teile der afrikanischen Glaubensrichtungen wieder. So werden zu bestimmten Zeiten Trommeln geschlagen und an ho- hen Feiertagen darf in der Kirche geraucht werden, damit sich die Götter, vor allem Changó, zeigen können. Die Santeria und die christliche Kirche können heute auf Kuba nicht als konkurrierende Überzeugungen ge- dacht werden. Der Glaube an die Santeria schließt die Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft nicht zwingend aus. 165 Es handelt sich hier ebenfalls um eine sehr verkürzte und vereinfachte Darstellung. 166 Diese Erkenntnisse und Beschreibungen stammen aus einer Vorlesung zur Santeria an der Universidad de La Habana 1998/1999, an der ich im Rahmen meines DAAD-Studienaufenthaltes in Havanna teilnahm.

50 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG hänger zu sein, nutzen viele Kubaner den Besuch bei einer Santera oder einem Santero, um sich Rat in zwischenmenschlichen, geschäftlichen oder anderen Fragen zu holen. Die Faszina- tion der synkretistischen Religion ist unbestritten. Es ist vor allem die Idee einer bodenständi- gen, eng mit den Menschen und an deren Bedürfnissen orientierten Religion des Alltags, die den Reiz ausmacht. Auch die Haptik der Kultgegenstände wie bunte Ketten, kleine bunte Altäre in den Hauseingängen und selbstgebastelte Maskottchen, wirken selbst auf Nichtgläu- bige durch den spielerischen Umgang mit den Gottheiten anziehend.

Die Heiligen der Santeria – die Orishas – sind streng hierarchisch organisiert. Trotz ihrer magischen Kräfte haben sie menschliche Eigenschaften und sind dadurch manipulierbar. Dies versetzt den Gläubigen in die Lage, sein Schicksal bis zu einem gewissen Grad selbst mitzu- bestimmen. So können die Götter durch Opfergaben und Feste wohlgesonnen gestimmt werden. Von zentraler Bedeutung sind als persönliche Schutzgottheiten in der Santeria vor allem Ochún als Göttin der Weiblichkeit, der Liebe und Bewohnerin der Flüsse, Changó als Gott des Feuers, der Trommeln und der Männlichkeit, Yemayá als Herrscherin des Meeres, die zugleich als Urmuttergestalt verehrt wird und Obatalá, Gott der Weisheit und des Friedens. Von niedrigerem Rang, aber mit viel Sympathie und Verehrung von den Kubanern bedacht, ist der Ellegua zu nennen.

Changó ist einer der präsentesten Orishas auf Kuba. Viele halten ihn für die stärkste Gottheit überhaupt. Er ist energisch, steht für Männlichkeit und Sexualität. Changó ist ein gewalttäti- ger und streitsüchtiger Gott, der während der Zeremonie die „Besessenen“ mit Palmfächern zu schlagen pflegt und Blitze und Donner krachen lässt. Sein Refugium ist die Königspalme, das Wahrzeichen Kubas. In der katholischen Übersetzung findet Changó ein weibliches Äqui- valent in der Heiligen Barbara.167 Changós Farben sind Rot und Weiß. Ihm wird nachgesagt, dass er Ausschweifendes liebe: den Tanz, die Trommeln, Frauen, Gesänge und gutes Essen. Seine Symbole sind die Doppelaxt, der Mambostab und die Rassel aus Schildkrötenpanzer.

Changó zur Seite steht dessen Mutter Yemayá, die Mutter aller Orishas der Santeria. Die majestätische Herrscherin der Ozeane kann aufbrausend und eingebildet, streng und hochmü- tig, aber ebenso verständnisvoll, versöhnend und ausgleichend sein. Ihre Tugenden sind Intel- ligenz, Versöhnlichkeit und Mütterlichkeit, ihre Zeichen der Halbmond und kleine Muscheln,

167 Bei der Übersetzung einer afrikanischen Orisha in sein christliches Pendant ist das Geschlecht nebensäch- lich. So kann der männliche Gott Changó durchaus in der Heiligen Barbara erscheinen.

51 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG ein Anker und silbern blitzende Metalle. Sie trägt meist sieben Röcke oder Tücher in blau und weiß. Yemayá findet zwar keinen direkten Bezug in der christlichen Ikonografie. Doch die Verehrung und die Übermacht, die Yemayá zukommt, könnte man mit der Heiligen Maria im christlichen Glauben vergleichen.

Der Orisha Ellegua gehört zu einer der wichtigsten Gottheiten des Alltags. Denn er öffnet Türen, Pforten und Wege. Außerdem achtet es auf die Familie und auf deren Beziehungen zueinander. Er tritt als Vermittler auf, nicht nur zwischen den Menschen, sondern auch zwischen der menschlichen und der göttlichen Welt und ist deshalb zentraler Bestandteil der Santeria-Zeremonie. In dieser Aufgabe obliegt es Ellegua auch, die Wege zu schließen, zu verkürzen und Beziehungen auseinanderdriften zu lassen oder sie in letzter Konsequenz zu zerstören. Ellegua steht so für Beziehungsparadigmen168 aller Art. Normalerweise thront er in einer Schale, sein Köpfchen wird beispielsweise durch eine halbe Kokosnuss dargestellt, aber auch aus Ton geformt, die Augen und der Mund werden durch aufgesetzte Muscheln gestaltet (Abb. 60)169. Seine Farben sind Rot und Schwarz. Er ist dem Heiligen Antonius zugeordnet.

Die Gottheiten zeigen sich im Alltag ebenso wie in den Zeremonien. Während eine Palme, das Meer, ein Sturm oder ein Gewitter sinnbildlich für einen der Orishas stehen kann, werden in den Zeremonien die Götter beschworen und angelockt, in der Hoffnung, dass sie sich offen- baren. Währenddessen werden laut und rhythmisch Trommeln geschlagen, zu denen die Zere- monieteilnehmer tanzend in einen Trancezustand geraten.170 Schließlich nehmen die Götter Besitz von den Menschen, „reiten“ auf ihnen, bis diese ermattet am Boden liegen. Es gehört zu den Vorstellungen des Santeriakultes, dass die Götter im Trancezustand durch den Körper des „Besessenen“ erscheinen und lebendig werden. Auch der Rauch von Zigarren kann das Erscheinen der Götter begünstigen.

2.3.1 Ellegua und Changó: LAM s kleine Gehilfen

Es ist unbestritten, dass LAM Motive der Santeria in einige seiner Werke aufnahm und so auf den kubanischen Kontext reflektierte. In den 1940er Jahren erfuhr er von der Ethnologin

LYDIA CABRERA mehr Details über die Zeremonien und die Götter. Dabei betonte er immer,

168 Vergl. PAUDRAT 2001: 83. 169 Vergl. Abb. 60, o.J.: Éleguá, afrokubanische Gottheit der Wege. Privatsammlung. 170 Der Rhythmus der Trommel gehört zu den zentralen Elementen der Zeremonie. Dabei unterscheidet man verschiedene Trommelgrößen und unterschiedliche Rhythmen, die je einer Gottheit zugeordnet sind.

52 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

kein gläubiger Anhänger der Santeria zu sein. WIFREDO LAM arbeitete mit Verweisen auf die Santeria. Das gesamte Werk nur im Hinblick auf die Bezüge zur afrokubanischen Mischreli- gion zu untersuchen und es daraus folgend mit einer spezifischen kubanischen Ästhetik gleichzusetzen würde jedoch bedeuten, andere wichtige und bereits genannte Impulse zu übergehen. Dementsprechend werden zwar die vielen vorhandenen Beiträge aus der Santeria in LAMs Werk nicht negiert171, allerdings mit dem Hinweis, dass es sich lediglich um eine Möglichkeit handelt, sich dem Werk anzunähern, die Santeria-Embleme nur einen Baustein unter vielen des künstlerischen Ausdrucks von LAM darstellen.172

Ellegua ist „Türöffner” der Religion und fungiert als solcher auch für die Interpretation eines spezifisch kubanischen Ausdrucks. Besonders deutlich ist der kleine Orisha in manchen

Bildern auszumachen. Den in der Halbschale thronenden Gott zeigte LAM beispielsweise in Bélial, empereur des mouches (Abb. 33)173 1948, in Rites secrets (Abb. 39)174 1950 oder Clairvoyance (Abb. 62)175 1950. Neben diesem eindeutigen Kopf können möglicherweise auch die kleinen runden Köpfchen mit den „Knopfaugen“ und den Hörnchen in LAMs Bildern als Ellegua gelesen werden. Als prägnantes Element im Werk finden sich die runden Köpf- chen seit Anfang der 1940er Jahre und werden als ein redundantes Zeichen in darauf folgende Bilder aufgenommen. Er thront häufig auf und über den zentralen Figuren, wie beispielsweise in Sans titre (Abb. 63) 1942176, einer der frühesten Nachweise dieses figürlichen Elements. Der kleine Kopf scheint über der Szene zu sitzen und fast humoristisch wie „ein Schalk im Nacken“, ein weiteres Ego der Figur, um die Situation zu kontrollieren. Häufig sind die Köpfe körperlos, reihen sich wie Perlen einer Ketten aneinander oder blicken aus vielen Augenpaa- ren mit rautenförmigen, runden oder dreieck-halbmondartigen Kopfformen den Betrachter an, wie beispielsweise in Le Parade antillaise (Abb. 64)177 1945. Als späte Zeugnisse seines Œuvre können stellvertretend Notre nuit (Abb. 65) 1962178, Sans titre (Abb. 66) 1965179 und

171 Stellvertretend sollen genannt sein: HERZBERG, JULIA P.: „'Wifredo Lam'. The return to Havana and the Afro- Cuban Heritage”. In: Qualifiying Paper, Institute of Fine Arts, New York University 1986: o.S.. // MARTINEZ, JUAN: „Afrocubans and National Identity: Modern 1920s-1940s.” In: Athanor 11, 1992: 70-75. // DIANTEILL, ERWAN: „Les religions afro-cubaines et la société secrète Abakuá“. In: KAT. LAM MÉTIS 2001: 181-196. 172 Besonders herauszustellen ist der bereits genannte Artikel von JEAN-LOUIS PAUDRAT „Afrique en confluence“. In: Kat. LAM MÉTIS 2001: 73-100. 173 Abb. 33: Bélial, empereur des mouches 1948. 174 Abb. 39: Rites secrets 1950. Öl auf Leinwand, 155 x 110 cm, Sammlung H.H. Benitez, Saarbrücken, (50.51). 175 Abb. 62: Clairvoyance 1950. Öl auf Leinwand, 239 x 253 cm, Sammlung Musée Boymans van Beuningen, Rotterdam, (50.56). 176 Abb. 63: Sans titre 1942. Gouache auf Karton, 46,5 x 34,2 cm, Privatsammlung, Madrid, (42.35). 177 Abb. 64: Le Parade antillaise 1945. Öl auf Leinwand, 125,5 x 110 cm, Privatsammlung, Miami, (45.27). 178 Abb. 65: Notre nuit 1962. Öl auf Leinwand, 105 x 90 cm, Collection D. Brach, New York, (62.15). 179 Abb. 66: Sans titre 1965. Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, Besitz nicht angegeben, (65.07).

53 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

Les Ami, II (Abb. 67) 1972180 genannt werden. Daneben stützen manche Bildtitel wie Le Sombre Malembo, Dieu du carrefour (Abb. 32)181 1943, Mofume (Abb. 68)182 1943 oder Omi

Obini (Abb. 69)183 1943, die Vorstellung, LAM verhandele in seinem Werk konkrete afrokuba- nische Inhalte.184

Das redundante Stilelement des runden Kopfes, das LAM in konsequenter Wiederholung in viele Bilder integrierte, steigerte den Wiedererkennungswert des gesamten Œuvre enorm. Es ist nicht übertrieben, wenn man es gar mit einer Art Signatur oder Label des Künstlers gleich- setzt. Dies festigte nachhaltig die Einschätzung, LAMs gesamtes Werk könne im Rahmen einer afrokubanischen Ästhetik gelesen und interpretiert werden. Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass das runde Köpfchen eine Erfindung der LAMschen Formensprache ist und in der Santeria außer dem vagen Verweis auf die Halbschale keine Entsprechung findet.

Während der Hinweis auf den Orisha Ellegua leicht nachvollziehbar ist, lassen sich weitere

Orishas schwerer ausmachen. Mitte der 1940er Jahre malte LAM einige seiner Figuren in der Szenerie eines Palmenwaldes (vergl. Le Présent éternel, Abb. 30 und Buen retiro, Abb. 70)185. In Harpe Astrale (Abb. 31) 1944186 scheinen die rhythmisch schraffierten Blätter gar mit der Kleidung der Dargestellten eins zu sein. Die Verbindung aus menschenähnlichen Figuren und den Palmblättern interpretierten manche Kritiker als Zeichen von Changó, dem Bewohner der

Königspalme. Auch baute LAM wenige Zeit später die Struktur der Blätter zu Körperteilen der Figuren um, sodass der Übergang zwischen dem menschlichen Wesen – durch Füße, Arme, Hände und Lippen gekennzeichnet – und dem Orisha Changó, der sich in der Königspalme zeigt, durchaus fließend sind. Erneut kann auch hier als ein Beispiel Bélial, empereur des mouches (Abb. 33)187 genannt werden. Die Haare der rechten Figur sind rippenartig aufgeglie- dert und erinnern an die starken Blattadern der Palmfächer. Doch die Aufnahme des floralen Elements, der für Kuba so typischen Palme, muss nicht zwingend mit Changó in Verbindung gebracht werden. Ebenso kann es sich bei den Palmblättern um die Bearbeitung einer rein

180 Abb. 67 Les Amis, II 1972. Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm, Privatsammlung, Paris, (72.144). 181 Abb. 32: Le Sombre Malembo, Dieu du carrefour 1943. 182 Abb. 68: Mofumbe (Ce qui importe) 1943. Öl auf Leinwand, 184,2 x 128,3 cm, Ort unbekannt, (43.22). 183 Abb. 69: Omi Obini 1943. Öl auf Leinwand. 178 x 126 cm, Privatsammlung, Santo Domingo, (43.23). 184 Erneut soll darauf hingewiesen werden, dass es in erster Linie LYDIA CABRERA war, die LAMs Bildern in den 1940er Jahren die Titel gab. Die interpretatorische Dimension, LAMs Werk als ein typisch Kubanisches zu lesen, fällt somit auch immer mit den Überzeugungen und Ausführungen CABRERAS sowie denen von ORTIZ zusammen. 185 Abb. 30: Le Présent éternel 1944, Abb. 70: Buen retiro 1944. Öl auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 93,5 x 73,5 cm, Sammlung J.-J. Lebel, Paris, (44.48). 186 Abb. 31: Harpe Astrale (Harpe Cardinale) 1944. 187 Abb. 33: Bélial, empereur des mouches 1948.

54 II WIFREDO LAM UND SEIN WERK: EINE EINFÜHRUNG

formalistischen Struktur handeln. Deshalb sind die Figuren und Zeichen von LAM auch immer unter formalen und ästhetischen Gesichtspunkten zu betrachten.

3 Zusammenfassung

Der Überblick über das Œuvre von WIFREDO LAM hat gezeigt, dass der Künstler erst spät, Ende der 1930er Jahre eine eigenständige künstlerische Position fand, die sein Werk unver- wechselbar machte. Konsequent arbeitete LAM die Impulse aus seinem unmittelbaren Umfeld aus: Erlerntes (wie beispielsweise die akademischen Anleitungen von SOTOMAYOR), kritische

Auseinandersetzungen (wie etwa die Besuche im Trocadero, Zusammenkünfte mit PICASSO,

LEIRIS und BRETON) und Beobachtungen und Erkenntnisse über das Umfeld (wie die Rück- kehr nach Kuba und die dortige Alltagsrealität) integrierte LAM schrittweise in seine Kunst. Er vollzog keine abrupten Veränderungen und wechselte nicht zwischen Extremen des künstleri- schen Ausdrucks, sondern integrierte alle Impulse und Einflüsse in die Ausformulierung seiner Ästhetik.

Der Kubismus und der Surrealismus beeinflussten das Werk nachhaltig. Während sich LAM mit dem Surrealismus vor allem intellektuell und programmatisch auseinandersetzte, blieb der Kubismus formal für das gesamte Werk prägend. Die gestalterischen Momente seines

Ausdrucks lösten sich nie gänzlich von LAMs europäischer Ausbildung und Prägung und verweisen gerade hier auf einen zentralen Bezugspunkt seines künstlerischen Selbstverständ- nisses. LAM verhandelte die Frage nach Kontinuität und Kontextabhängigkeit, nach Tradition und Weiterentwicklung kulturell und formalästhetisch.

55 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

III Repräsentation und Rezeptionsmechanismen

Die exotische Erscheinung des Künstlers, das Interesse der europäischen Avantgarde an Afrika und die emanzipatorischen Bewegungen der Karibikstaaten und Lateinamerikas haben die Rezeption des Werkes und die Reputation des Künstlers maßgeblich beeinflusst. Der Teil- komplex III der Arbeit widmet sich der Repräsentation des Künstlers und seines Werkes sowie den Rezeptionsrhetoriken und den Konstruktionsmechanismen, die einen exotischen „Künstlermythos Lam“ ausgebildet haben.

Die Rezeption des LAMschen Werkes vor dem Zweiten Weltkrieg war von keiner besonderen Relevanz. Und doch werden aus der zeitlichen Distanz die Pariser Jahre zu einer der prägendsten Phasen für die Reputation des Künstlers und für die Rezeption und Repräsenta- tion des Werkes. So genügte es beispielsweise, PICASSOs Formensprache des „Primitiven“ auf die Kunst von LAM zu beziehen, um den Kubaner als wichtigen Vertreter der zeitgenössischen Kunst zu präsentieren. Die primitivistische Rhetorik wirkte argumentativ nicht zuletzt durch

LAMs „schwarze Ethnizität“ besonders überzeugend. Diese Rezeption und Repräsentation

LAMs und seiner Kunst ist so dominant und nachhaltig, dass es wichtig erscheint, auf die Zeit zwischen 1938 und 1940 in Paris näher einzugehen.

Wie bereits erwähnt, verfolgte auch BRETON ein eigenes Interesse an der Rezeption des

LAMschen Werkes. Gezielt wollte er den Künstler thematisch und ästhetisch an den Surrealis- mus binden, um einige seiner theoretischen Ausführungen bildhaft zu untermauern. Gerade der Kubaner, der zuvor PICASSOs Rezeption Afrikas unter dem Vorzeichen des „Primitiven“ gestützt hatte, konnte nun auch die Verbindung zwischen dem Surrealismus und dem ursprünglichen Kulturraum Lateinamerika und der Karibik bauen. Mit der Vorstellung einer kontinentalen wie auch spirituellen Rückkehr ins Heimatland von WIFREDO LAM kam dabei eine weitere rezeptorische Komponente hinzu. Diese Verbindung war für BRETON äußerst wichtig, bedeutete sie doch die Möglichkeit, einen großen Anteil der künstlerischen, aber auch kulturpolitischen Deutungshoheit im Exil – vor allem in Mexiko und in New York – zu erlan- gen. Auf die komplexe Neupositionierung der europäischen Avantgarde durch die Exilsitua- tion und die Position BRETONs soll in einem der folgenden Kapitel eingegangen werden.

56 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Die lateinamerikanische und im Speziellen die kubanische Rezeption reflektierte weniger auf die „Heimkehr“ LAMs nach Kuba. Vielmehr fokussierten unter anderem CARPENTIER und

ORTIZ die Beobachtung, dass LAM vor Ort eine für sie authentische Ästhetik der kubanischen Alltagsrealität fand. Nicht nur diese beiden kubanischen Intellektuellen, sondern auch die neue Kulturpolitik unter FIDEL CASTRO wussten LAM in ihre kulturpolitischen Ideen zu inte- grieren.

Deshalb stellt sich die Frage, inwiefern die Positionen Einzelner, die möglicherweise ein Interesse daran haben, ihren kulturpolitischen Einfluss zu stabilisieren oder gar auf- und auszubauen, auf die Repräsentation des Werkes einwirken. Sich dem „Künstlermythos Lam“ zu nähern, bedeutet das Hinterfragen dieser Interessen sowie diese zu den Rezeptionsrhetori- ken und Deutungshoheiten des Werkes in Bezug zu setzen.

57 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

1 Die ambivalente Freundschaft zwischen LAM und PICASSO

Als LAM 1938 nach Paris kam, hatten der Nationalsozialismus in Deutschland und die erkenn- bare Ausweitung des Krieges auf ganz Europa bereits viele Intellektuelle und große Teile der Avantgarde veranlasst, Paris zu verlassen und ins Exil zu gehen. Das kreative Potenzial der französischen Metropole löste sich auf. Daneben war die Avantgarde der französischen Hauptstadt in eine Art Sackgasse geraten. Denn die einst auf Konfrontation, Provokation und Neuerung gesetzten Inszenierungen zu Beginn des Jahrhunderts in den Galerien und Ateliers hatten längst als anerkannte Kunst das öffentliche Bewusstsein erreicht und an Brisanz einge- büßt. Besonders augenscheinlich war dies mit der Ausstellung „Exposition internationale du

Surréalisme“188 1938 zutage getreten. In den Räumen der Galerie Beaux-Arts von GEORGES

WILDENSTEIN organisierten ANDRÉ BRETON und PAUL ÉLUARD189 federführend eine nach ihren Vorstellungen skandalöse und gleichzeitig medienwirksame Ausstellung, die nicht allein surrealistische Kunst zeigte, sondern die Schau selbst als surreales Ereignis inszenierte.

Namhafte Künstler beteiligten sich, unter ihnen , ÓSCAR DOMÍNGUEZ,

SALVADOR DALÍ, , , PABLO PICASSO, , JOAN MIRÓ,

YVES TANGUY und , weitere Namen ließen sich anführen. Die Ausstellung wollte das Publikum durch obszöne und mystifizierte Darstellungen provozieren. Auch unter dem Eindruck des nahenden Krieges wollten die Ausstellungsmacher explizit eine Atmo- sphäre der Beklommenheit hervorrufen.190 Doch das zumeist bürgerliche Publikum, das die Ausstellung sah, war nicht irritiert. Die Presse urteilte die Ausstellung als „bemühte Verrückt- heit“191 der Surrealisten, als eine „Sammlung trauriger Scherze“192 ab, das Paris Midi bezeich- nete die Surrealisten gar als „eine Gruppe von netten Jungs, die nostalgisch und unterentwi- ckelt“193 ihren künstlerischen Neigungen nachgingen. Die Ausstellung war der Schlusspunkt der surrealistischen Bewegung, nicht zuletzt auch, weil die künstlerische Sprengkraft durch Unstimmigkeiten und eine Zerrissenheit innerhalb der Gruppe zum Erliegen kam. Ausgangs- punkt waren die zwischen 1936 und 1938 stattgefundenen Moskauer Prozesse gegen promi- nente sowjetische Intellektuelle, unter ihnen LEO TROTZKI, der im Zuge dessen als Verräter

188 „Exposition internationale du Surréalisme“, Galerie Beaux-Arts, Paris, 17. Januar - 24. Februar 1938. 189 war einer der wichtigsten Schriftsteller der surrealistischen Bewegung. Neben seinen Werken verfasste er gemeinsam mit BRETON, und anderen politische Texte, die unter anderem in den Zeitschriften Littérature und La Révolution Surréaliste abgedruckt wurden. ÉLUARD galt als enger Vertrauter von BRETON, bis es zwischen beiden 1938 zum Bruch kam. 190 COGNIAT, RAYMOND: „L'exposition surréaliste“. In: Beaux-Arts, 14. Januar 1938. Vergl. GÖRGEN, ANNABELLE: Exposition internationale du Surréalisme, Paris 1938. Bluff und Enttäuschung. Die Ausstellung als Werk. Einflüsse aus dem 19. Jahrhundert unter dem Aspekt der Kohärenz. München 2008: 245. 191 Vendemiaire, 26. Januar 1938. GÖRGEN 2008: 291. 192 La Semaine à Paris, 28. Januar 1938. GÖRGEN 2008: 292. 193 Paris Midi, 22. Januar 1938. GÖRGEN 2008: 248.

58 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN verurteilt wurde und ins Exil nach Mexiko floh. Diese Situation teilte die politische intellektu- elle Linke in zwei Lager: In die Befürworter der Prozesse, die somit der stalinistischen Argu- mentation folgten und in die Anhänger Trotzkis.194 BRETON trennte sich von ÉLUARD und DALÍ, als sich beide politisch dem Stalinismus annäherten. BRETON hingegen reiste 1938 nach

Mexiko, besuchte und lernte dort TROTZKI kennen. Gemeinsam konzipierten

BRETON und TROTZKI ein Manifest, das mit dem Titel „Pour un art révolutionaire indépendant“195 im Herbst 1938 in Partisan Review erschien.196 Damit war der Bruch zwischen ÉLUARD und BRETON offensichtlich.

PICASSO war zu diesem Zeitpunkt als Künstler international anerkannt, die frühere Provoka- tion, die von seiner Kunst ausging, war in das kulturelle Selbstverständnis vieler eingetreten. Hinzu kam, dass sich der Künstler Ende der 1930er Jahre einer Kritik seiner „primitiven“ Phase ausgesetzt sah, die versuchte, seine Bezüge zu Afrika zu demontieren. Einst lag darin der große Moment der künstlerischen Innovation, der die „Moderne“ mitbegründete und als dessen Vertreter PICASSO angetreten war. Die Kritik an PICASSOs „primitiver“ Phase hielt sich beständig. Besonders ärgerlich aus der Sicht des Künstlers waren Äußerungen von MARIUS DE

ZAYA und dessen Umfeld in Mexiko bereits aus dem Jahr 1916, die die gesamte „moderne“

Abstraktion als „Nachfahre“ der „Negerkunst“ sahen. DE ZAYA behauptete zudem, die

„Negerkunst“ sei der „Ausgangspunkt“ der „ganzen Entwicklung“ von PICASSOs Denken und Fühlen seit dem Bild Les Demoiselles d' Avignon (Abb. 71) von 1907/1908197 gewesen.198

194 Vergl. ausführliche Erläuterungen bei GUILBAUT 1997: 39-70: „Die Ent-Marxisierung der Intelligenz, 1935- 1941“. 195 Der Text wurde zwar von TROTZKI und BRETON verfasst, unterschrieben wurde er jedoch von RIVERA und BRETON. 1940 wurde TROTZKI von einem stalinistischen Agenten in Mexiko ermordet. ANDRÉ BRETON/RIVERA, DIEGO/TROTZKI, LEO: „Pour un art révolutionaire indépendant“. In: Partisan Review, 25. 7. 1938. Dt. „Für eine freie revolutionäre Kunst“, übers. von MÖLK, ULRICH: Leo Trotzki, Literaturtheorie und Literaturkritik. Ausgewählte Aufsätze zur Literatur. München 1973: 154-160. 196 „Die Verbindung Breton-Rivera-Trotzki war bestechend und hatte großen Einfluss auf Intellektuelle (in den USA – Anmerkung der Autorin), die einen Ausweg aus dem politischen und künstlerischen Labyrinth suchten, in dem sie sich verirrt hatten: Breton repräsentierte die künstlerische Avantgarde Europas, Rivera die politische Kunst des Freskos und Trotzki die politische Avantgarde.“ GUILBAUT 1997: 55. 197 Abb. 71: PABLO PICASSO: Les Demoiselles d' Avignon 1907/08. 244 x 238 cm, MoMA, New York. 198 DE ZAYAS, MARIUS: African Art: Its Influence on Modern Art. New York 1916: 41. Zu Beginn des Jahrhun- derts 1907/08 hatte PICASSO mit Les Demoiselles d' Avignon eines der Schlüsselbilder der europäischen „Mo- derne“ gemalt. RUBIN legt in die Entwicklung des Bildes „den Beginn der Stammesphase von Picassos Primi- tivismus“, den Übergang von einer wahrnehmungsorientierten hin zu einer konzeptuellen Arbeitsweise im Werk des Künstlers. Die „Offenbarung“ gegenüber der Art nègre soll PiCASSO Während eines Besuchs im Trocadero widerfahren sein, als er sich mit „Stammeskunst“, mit Masken des afrikanischen Kontinents, einer provozierenden und ihm bislang unvertrauten Kunst konfrontiert sah. RUBIN weist DE ZAYAS Anmerkungen zurück und versucht diese zu entkräften, indem er ihnen einen intendierten Rassismus vorwirft: „Trotz der Bewunderung de Zayas' für die afrikanische Plastik hielt er die Afrikaner für Beispiele stagnierender Ent- wicklung.” RUBIN 1984: 347, Fußnote 61. Vor dem Hintergrund der Ausstellungskonzeption „Primitivism”, deren Kurator RUBIN war, wäre abzuwägen, ob es RUBINs Rhetorik entsprach, DE ZAYAS Argumentation zu entwerten, oder ob die Bedenken gerechtfertigt sind. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist es allerdings

59 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Diese Interpretation der afrikanischen Masken als Vorbilder für seine Entwicklung war

PICASSO zuwider, so dass er seit dem Zweiten Weltkrieg darauf bestand, „nicht nur keine Stammeskunst vor den Demoiselles gesehen zu haben, sondern auch, dass sein berühmter Besuch im Trocadero eher nach als vor der Ausführung des Gemäldes stattgefunden habe.“199 Die Interpretationslinie der Demoiselles und damit seiner gesamten primitivistischen Phase, die PICASSO vorschwebte, sollte eher eine tiefe Verbundenheit mit jener Kunst, eine Art Bluts- verwandtschaft nachzeichnen, die so seine Ästhetik bezeugen könne. Zwischen 1937 und

1939 stand PICASSO somit unter interpretatorischem Zugzwang, jede Art der Legitimierung seiner künstlerischen Inspiration war hier rechtens.

Mitten in die Zeit der umstrittenen Rezeption und der möglichen Infragestellung der künstleri- schen Integrität PICASSOS traf WIFREDO LAM 1938 in Paris ein. Um als Mitglied der europäi- schen Avantgarde rezipiert zu werden, kam der junge Kubaner zu spät in die französische

Metropole. Er profitierte jedoch nachhaltig von PICASSOs Engagement. Denn PICASSO nahm

LAM euphorisch auf, als sich dieser bei ihm vorstellte. Obwohl viele lateinamerikanische

Künstler Paris besucht und vor Ort gelebt hatten, zeigte sich PICASSO besonders interessiert an

LAM und seiner Kunst. Die aus der Rückschau skizzierten Berichte vieler damaliger Zeitge- nossen scheinen dies zu bezeugen. MICHEL LEIRIS schrieb 1970 aus der Erinnerung: „Picasso welcomed a Cuban-born artist much younger than himself, an artist who would become so close to him that he was later jokingly to call him his 'nephew', a kind of spiritual adoption in which the beneficiary takes real pride to this day.”200 HELENA BENITEZ beschreibt die Verbin- dung als „a deep affection (…) between Picasso and Wifredo.”201 „Picasso called Wifredo 'mi primo' and often jokingly alluded to some distant familial connection.”202 PICASSO soll geäu- ßert haben: „Auch wenn du mir keinen Brief von Manolo gebracht hättest, hätte ich dich auf der Straße bemerkt und gedacht: Ich muss der Freund dieses Menschen werden!“203 Und weiter: „Ich glaube du hast etwas von meinem Blut in dir, du sollst mein Verwandter werden,

nicht möglich, dem weiter nachzugehen. 199 RUBIN 1984: 270. „Picasso sagte in dem Interview im Jahre 1923 zu Fels: „Je vous ai déjà dit que je ne pou- vais plus rien dire de l'art nègre. (...) L'art nègre, connais pas.” Aufsatzsammlung von FELS, FLORENT: Le Ro- man de l'art vivant. Darin: „Les Nouvelles Littéraires“. Paris 1959: 172-175. Zitiert nach RUBIN 1984: 348, Fußnote 64. [Ü: „Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich absolut nichts zur Negerkunst sagen kann. (...) Die Negerkunst kenne ich nicht.“] Und PICASSO weiter: „Les statues africaines que traînent un peu partout chez moi, sont plus des témoins que des exemples.“ Ebenda. RUBIN 1984: 348, Fußnote 65. [Ü: „Die afrika- nischen Statuen, die sich allerorten bei mir anhäufen, sind mehr Zeugen als Beispiele.“] 1937 stellte der Künstler jedoch in Gesprächen mit ANDRÉ MALRAUX Zwischen den Demoiselles und der Art nègre wieder eine Beziehung her. MALRAUX, ANDRÉ: „La Tête d'obsidienne“, 1937: 17-19. In: RUBIN 1984: 260-262. 200 LEIRIS 1970: o.S. 201 BENITEZ 1999: 22. 202 BENITEZ 1999: 22. 203 FOUCHET 1976: 108. Sowie: GASCH, SEBASTIÀ (Hrsg.): Wifredo Lam à Paris. Barcelona 1976: 25.

60 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

ein Primo!“204 PICASSO betonte seine Verbindung zum Kubaner möglicherweise aus kalkulier- tem Eigennutz und setzte sich deshalb besonders für LAM und dessen Kunst ein. Mit dessen

Hilfe nämlich, besonders mit der Betonung der „Blutsverwandtschaft“, könnte PICASSOs „primitive“ Ästhetik legitimiert und die bestehenden Vorwürfe und Zweifel dieser „Schaffen- speriode“ entkräftet werden. Der Kubaner nahm viele vertraute Elemente der Kunst von

PICASSO in seine Bildkompositionen auf.205 Wie bereits ausgeführt, studierte er in Paris die „primitive“ Formensprache der Masken und orientierte sich an der künstlerischen Beschäfti- gung mit dem Kubismus und afrikanischer Zeugnisse PICASSOs früherer Jahre. Betrachter der

LAMschen Werke dieser Zeit fühlen sich bis heute an PICASSO erinnert. Darüber hinaus paral- lelisierte die Rezeption das „exotische“ Erscheinungsbild von WIFREDO LAM mit seinem ästhetischen Ausdruck und bekräftigte somit gleichzeitig die Einschätzung des „primitiven“ künstlerischen Ausdrucks PICASSOs. Auch diesem muss die Parallele aufgefallen sein und anstatt auf die Formensprache als individuellen Ausdruck seiner Kunst zu bestehen, förderte er mit Nachdruck den jungen Kubaner, motivierte ihn, auf Formen der „Stammeskunst“ zurückzugreifen, schließlich seien sie die in LAM wurzelnden Traditionen, aus denen er „instinktiv schöpfen“206 könne.

Mit der mit Nachdruck bekundeten Seelenverwandtschaft zu LAM scheint PICASSO in seinem Sinne die öffentliche Rezeption des Kubaners in Paris vorweggenommen zu haben. Einfluss und Macht genug hatte der Künstler durchaus in der Stadt. So berichtete PIERRE LOEB, dass seine Zweifel am Ankauf der LAMschen Bilder von PICASSO entrüstet beiseitegeschoben wurden. PICASSO habe mit Nachdruck darauf verwiesen, dass LAM das Recht habe zu malen wie die Neger, schließlich sei er einer.207 LOEB konnte sich wohl nach diesem brüsken

204 FOUCHET 1976: 110. 205 Eine Anekdote aus dieser Zeit besagt, dass LAM gemeinsam mit MICHEL LEIRIS in das Museé de l' Homme ging, um – PICASSOs Anweisungen folgend – die authentischen Zeugnisse der afrikanischen Herkunft LAMs zu studieren. So beschrieben von FOUCHET in Exposición Antologica: „Homenaje a Wifredo Lam” 1902- 1982. Museo Nacional de Arte Contemporaneo, Madrid. Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris, Paris. Musée d' Ixelles, Brüssel, 1982: 23. HELENA BENITEZ ihrerseits dementiert vehement, dass LAM jemals im Museé de l' Homme gewesen sei. Quelle: Interview mit HELENA BENITEZ 2001. 206 BRETON in Surrealism and Painting 1972: 78. Vergl. hierzu MAURER 1982: 601. Bezeichnend auch die fol- gende Überlieferung: Erinnerter Dialog zwischen PICASSO und LAM in Anwesenheit von LEIRIS. PICASSO: „Usted debe estar orgulloso.“ LAM: „¿De qué? Le pregunté.“ „De que esta escultura la haya hecho un africa- no y de que usted lleve sangre de esa raza.“ „Y dirigiéndose a Michel Leiris, le dijo:“ „Ensénale a Lam el arte negro.“ [Ü: „Sie müssen sehr stolz sein.” „Auf was? Fragte ich ihn.“ „Darauf, dass diese Skulptur ein Afrikaner gemacht hat, und darauf, dass Sie das Blut dieser Rasse in sich tragen.“ „Und an Michel Leiris ge- wandt, sagte er ihm:“ „Zeige Lam die Kunst der Schwarzen.“] In: KAT. LAM 1982: 23. Darin FOUCHET aus „Memoria de Lam“. 207 LOEB, PIERRE: „Wifredo Lam“. In: Tropiques. Revue culturelle, No. 6-7, Fort-de-France, Februar 1943: 61. „Quand on doute ou quand on est mis en présence d'une œuvre inconnue, on cherche à étayer un jugement, à le baser et je dis à Picasso: il est influencé par les nègres! Picasso, furieux me répondit avec brusquerie: „Il a le droit, lui. Il est Nègre!“ LOEB 1943: 61. Ü: „Wenn man Zweifel hegt oder mit einem unbekannten Werk

61 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Einwand von PICASSO einem Ankauf nicht mehr entziehen. Im Gegenzug forderte PICASSO alle noch verbliebenen Avantgardisten der Stadt auf, sich die bevorstehende Einzelausstellung des jungen Kubaners in den Galerieräumen LOEBS anzusehen.

Die Einzelausstellung fand vom 30. Juni bis 14. Juli 1939 statt (Abb. 72).208 Gezeigt wurden Werke, die zum Teil noch in Barcelona, aber in der Hauptsache in Paris entstanden waren.

Folgt man den überlieferten Ausführungen, muss PICASSO begeistert ob seiner „neusten Entde- ckung“209 gewesen sein. FOUCHET schrieb 1976 dazu: „Der Maler selbst (gemeint ist LAM, Anmerkung der Autorin) berichtet uns über die Vernissage: Natürlich waren Picasso und seine Freunde anwesend. Marc Chagall, Le Corbusier, die meisten der schon Erwähnten umgaben den Kubaner. 'Als ich dir begegnete' sagt Picasso, 'wußte ich, dass ich einen großen Maler entdeckt hatte.' (...) Als die Galerie schloss, wollte man den Abend zusammen verbringen.“210

Es ist davon auszugehen, dass viele Künstler und Intellektuelle aus dem Umfeld von PICASSO die Ausstellung sahen.211

Die Pressestimmen lesen sich verhalten. LAMs Malstil sei spontan, frei im Sinne des Atavis- mus, jedoch ohne jeglichen Archaismus – so THÉOPHILE212. Die Formen stammen sichtbar von präkolumbianischen Plastiken ab, auch verwies er in seinem Artikel auf die afrikanischen und asiatischen Vorfahren des jungen Kubaners. Daneben entwickle der Künstler einen befremdli-

in Berührung kommt, bemüht man sich darum, sein Urteil zu stützen, es zu untermauern: So sagte ich zu Picasso: 'Er ist von den Negern beeinflusst!' Picasso, wütend, antwortete mir schroff: 'Er hat das Recht dazu, er ist Neger!'“ (Zitat ebenfalls bei: LEIRIS 1970: O.S. und FOUCHET 1976: 110.) 208 „Wifredo Lam”, Peintures. Paris, Galerie Pierre (30. Juni - 14. Juli 1939). Vergl. Abb. 72: Einladung zur Ausstellung in der Galerie Pierre, Paris, 1939. 209 PIERRE LOEB schrieb in der Rückschau und sich im Exil befindend 1944: „Todavía no le conocía a usted, Lam, aquel día en que Picasso me decía: 'He descubierto a un pintor, y he hablado a X y a X: Les he conduci- do a su atelier como hice quince años atrás con Miró. ¡Ni ellos entonces lo comprendían ni lo comprenden ahora! Usted busca un pintor joven. ¡Ahí tiene usted uno!'” LOEB, PIERRE: „Carta a Wifredo Lam.” In: Diario de la Marina, Havanna 20. Januar 1944. [Ü: „Noch kannte ich Sie nicht, Lam, an dem Tag, an dem Picasso mir sagte: 'Ich habe einen Maler entdeckt, und ich habe mit zig Verschiedenen gesprochen: Ich habe sie in sein Atelier geführt, so wie ich es mit Miró vor fünfzehn Jahren tat. Damals verstanden sie ihn nicht und noch heute verstehen sie ihn nicht. Sie suchen einen jungen Maler. Hier haben Sie einen!'”] 210 FOUCHET 1976: 110. 211 Dazu auch BENITEZ 1999: 25. „Seeing his paintings exhibited and visited by the cream of the artistic and in- tellectual community was deeply satisfying for both of us. The presence of Picasso and his statements about the new member of the art world emphasized Wifre- do's talent and hopes for his development.” Hier lernte LAM auch MICHEL LEIRIS und kennen, die fortan zu seinen Freunden zählten. FOUCHET nennt weitere Namen: „Picasso stellte den „Vetter” seinen Freunden vor. So lernte Lam die Maler Fernand Léger, , , Joan Miró, die Kunstkritiker und Sammler Daniel-Henri Kahnweiler, Yvonne und Christian Zervos, die Dichter Michel Lei- ris, Paul Eluard, Tristan Tzara und andere kennen. (…) Picasso führte Lam bei André Breton und Benjamin Péret ein, und wir sehen später, welche engen Beziehungen zwischen dem Maler und den beiden Schriftstel- lern entstanden.” FOUCHET 1976: 110. 212 THÉOPHILE, CHARLES: „Wifredo Lam: Peintures et dessins.” In: Marianne, Paris, 12. Juli 1939: o.S.

62 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN chen Sinn von Komposition und spartanischer Aufteilung von Wertigkeit und Formen.213 In

Le Soir schrieb GEORGES BESSON: „Ses thème exotique ne sont pas nouveaux – et cela a peu d'importance.“214 Die Ausstellung war den beiden Journalisten lediglich eine Kurzmeldung in Form einer schmalen Spalte in dem künstlerisch ausblutenden Paris wert. Ihr Nachrichtenwert steht im eindeutigen Gegensatz zur betonten Euphorie PICASSOs.

Auch die Ausstellung unter dem Titel „Drawings by Picasso and Gouaches by Wifredo Lam“ in der Perls Gallery in New York vom 13. November bis 2. Dezember 1939 fand in der Presse kein Echo.215 Und doch ist sie in der Rückschau brisant. Denn unter dem Eindruck des nahen- den Weltkriegs, mit der Emigration eines großen Teils der europäischen Avantgarde in die USA verlagerte sich das intellektuelle und kulturelle Zentrum der Avantgarde von Paris nach

New York. Indem PICASSO sich gemeinsam mit einem zeitgenössischen „Neger“ präsentierte, gab er sich und seiner Kunst die interpretatorische Facette, die sein Werk auch für die New Yorker Kunstszene interessant machte.216

LAM kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Paris zurück und lebte fortan in Frankreich und Italien. Hier begegneten sich die beiden Künstler zwar weiterhin freundschaftlich, doch die Beziehung war eher abgekühlt und distanziert. Möglicherweise deutet dies darauf hin, dass

PICASSOs Freundschaft zu einem wesentlichen Anteil eine kalkulierte Beziehung war, die vor allem auf die eigene Reputation bedacht war. Aber auch LAMs Position hatte sich deutlich verändert. Mit der Rückkehr nach Europa war es für ihn sicherlich undenkbar, erneut einzig mit PICASSO in Verbindung gebracht zu werden und auf eine gemeinsame Rezeption beschränkt zu bleiben. Vielmehr hatte er sich von der europäischen Avantgarde emanzipiert und verfolgte für sich und seine Kunst einen anderen Weg.217

213 THÉOPHILE 1939. 214 BESSON. In: Le Soir, Paris 1939: o.S. [Ü: „Seine exotischen Themen sind nicht neu – und deshalb von geringer Relevanz.“] 215 Es liegt keine Dokumentation zu dieser Ausstellung vor. Vergl. erneut Abb. 15: Einladung zur Ausstellung in der Perls Gallery, New York, 1939. 216 Vergl. die Ausführungen zum „modernen“ Kulturkonzepttransfer von Europa in die USA im folgenden Kapitel III 2 Paris – New York: Surrealismus im Exil. 217 Dies wird in der detaillierten Werkanalyse an ausgewählten Bildbeispielen in Kapitel IV deutlich werden. Auch hatte sich LAM während und nach dem Zweiten Weltkrieg mit den politischen Diskursen der Négritude befasst. Die Veröffentlichung Discours sur le colonialisme von AIMÉ CÉSAIRE 1950 (CÉSAIRE, AIMÉ: Discours sur le colonialisme. Éditions Réclame, Paris 1950.) oder 1951 das Buch von FRANTZ FANON „Schwarze Haut, weiße Masken“ (FANON, FRANTZ: Peau noire, masques blanches. Éditions du Seuil, Paris 1951.) bestärkten LAM sicherlich darin, sich der primitivistischen Aneignung seiner Ethnizität und künstlerischen Ästhetik von u.a. PICASSO vor dem Weltkrieg entgegenzustellen und auf seine Subjektposition zu bestehen.

63 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

1.1 PICASSO in der Rezeptionsgeschichte des LAM schen Werkes

1942 erschien ein erster ausführlicher Artikel von LYDIA CABRERA in der Tageszeitung Diario de la Marina in Havanna zu WIFREDO LAM. Darin stellt sie zunächst die „Genialität” PICASSOs heraus und verdeutlicht anschließend dessen Einfluss auf LAMs Werk. Sie schreibt: „(...) Picasso ... El gran español – figura central de una de las épocas más ricas e intensas de la historia del arte – que nos deslumbra con la audacia de su genio prodigioso, que no cesa de crear, de señalar nuevos derroteros desconocidos, nuevas posibilidades estéticas hasta para él insospechadas (...) más no sería justo decir que la sentida influencia de Picasso en Lam dismi- nuya en lo más mínimo su personalidad, sino todo lo contrario; la fortalece y explica. (...) la influencia de Picasso se hace sentir justamente por la noción de creación lírica, y de libre iniciativa, que es lo preciso y fundamental de su influencia.“218 Zeitgleich zur Ausstellung von

WIFREDO LAM in der Pierre Matisse Gallery in New York publizierte erneut ANDRÉ BRETON diesen Text und ergänzte ihn durch eine lange Passage. BRETON parallelisierte gleichfalls die künstlerischen Aussagen LAMs mit denen von PICASSO, nun fokussiert auf den Surrealismus und die „primitive” Komponente beider Künstler.219 Er schrieb: „Es probable que Picasso hallase en Lam la confirmación más interesante de su propria obra; la de un hombre que se había realizado en un terreno enteramente opuesto. Lam, partiendo del mito primitivo que le es innato, asimilando a su manera los conocimientos, la erudición del arte europeo, alcanza el punto más alto de conciencía; que es el punto de contacto con Picasso, quien partiendo del más completo dominio de las disciplinas del arte, llega – a traves de la necesidad de un conti- nuo retornar a los primeros principios – a renovar contacto con el mito.”220

218 CABRERA, LYDIA: „Un gran pintor, Wifredo Lam”. In: Diario de la Marina, Havanna, 17. Mai 1942. [Ü: ... Es ist „Picasso ... der große Spanier – zentrale Figur einer der bedeutendsten und intensivsten Epochen der Kunstgeschichte – der uns mit dem Wagemut seines außerordentlichen Genies/Geistes blendet; er kreiert unaufhörlich, zeigt immer wieder neue unbekannte Wege, neue bis überraschende ästhetische Möglichkeiten auf (...) es wäre falsch, einen gewissen Einfluss von Picasso auf Lam zu negieren und diesen auf seine Per- sönlichkeit zu reduzieren. Das Gegenteil ist der Fall: Er (der Einfluss) stärkt und erklärt. (...) das Einwirken von Picasso wird in der lyrischen Kreation und dem freien Entschluss spürbar, was das Besondere und Fun- damentale seines Einflusses darstellt.“] 219 Der Artikel nahm Textteile von LYDIA CABRERA auf, wie auch Ausschnitte des Textes von BRETON später in anderen Zusammenhängen erneut abgedruckt wurden. Beispielsweise verwandte CABRERA einige Elemente des Textes für ihre Publikation zur 1944 gezeigten Ausstellung von LAM in New York. Auch zitiert MAURER BRETON in „Dada und Surrealismus“ 1984 in gleicher Weise. (MAURER 1984: 601). Hier allerdings wird ihre Quelle auf 1941 datiert. Es handelt sich jedoch um einen Artikel, der zur Ausstellung Wifredo Lam in New York am 29.12.1942 publiziert wurde. Auch ULRICH KREMPEL kam in seinem Katalogbeitrag „Das Eigene und das Fremde“ zur Ausstellung Wifredo Lam der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1988 auf BRETON zurück und zitierte aus diesem Text. (KREMPEL 1988: 7-11). 220 BRETON, ANDRÉ: „La exposición de Wifredo Lam en la galería Pierre Matisse de Nueva York”. In: Diario de la Marina, Havanna 29. Dezember 1942: o.S. [Ü: „Es ist möglich, dass Picasso bei Lam die einzige Bestäti- gung gefunden hat, an die er sich halten konnte, die eines Mannes, der im Vergleich zu ihm den umgekehrten Weg gegangen ist. Ausgehend vom Primitiven und Wunderbaren, das er in sich trug, suchte er das größtmög- liche Bewusstwerden, indem er sich die höchsten Ausdrucksformen der europäischen Kunst zu eigen machte, und gelangte bis zu jenem Punkt des Bewusstwerdens, der zugleich der der Begegnung mit dem Künstler war

64 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Bereits 1928 hatte ANDRÉ BRETON in seinem Essay „Surrealismus und die Malerei“ den

Surrealismus ideologisch an das sogenannte Primitive angeschlossen.221 Daneben sah BRETON einzig im Surrealismus PICASSOs seinen Entwurf des „Wirklichen“ in Abhängigkeit des Unbe- wussten ästhetisch verwirklicht. Das Werk von WIFREDO LAM duplizierte diese Vorstellung jedoch und wirkte auf BRETON möglicherweise durch LAMs Herkunft sogar noch aussagekräf- tiger als bei PICASSO. In der Folge schrieb BRETON PICASSO und LAM eine parallele, wenn auch umgekehrte Bildentwicklung zu, deren beider Orientierungspunkte das „Primitive“ darstellte.

BRETON gelang es so, LAM einerseits innerhalb der surrealistisch-primitivistischen Lesart mit Bezug zum „Ursprünglichen” zu positionieren, andererseits ihn jedoch auch innerhalb der europäischen „Moderne” in Relation zu PICASSO zu setzen. In dieser Deutlichkeit hatte bisher nur PICASSO selbst versucht, die Beziehung zwischen sich und LAM festzulegen.

BRETON bekräftigte seine Einschätzung zum LAMschen Werk 1946 erneut, als er auf Haiti im

Rahmen einer Konferenzreihe eine Ausstellung mit Bildern von LAM organisierte und über den kubanischen Maler schrieb: „Le trésor de la vision primitive n'est pas perdu pour Lam qui, de par ses origines (il est de père chinois et de mère cubaine noire) a la chance unique d'en disposer instinctivement, tout en participant de la manière la plus émue de la conscience sociale de ce temps et en s'étant rendu maître de la technique la plus évolucée.” 222

– mit Picasso, der zwar anfangs Herr und Meister seiner Ausdrucksformen war, der aber auf die Notwendig- keit einer ständigen Rückkehr zu den Ursprüngen verwiesen hat, um dadurch mit dem Wunderbaren immer wieder neue Beziehungen anknüpfen zu können.“] MAURER merkt an, dass für BRETON die Verbindung zwi- schen dem Surrealismus und LAM darin bestand, dass „das moderne Auge die unendliche Vielfalt jener Ob- jekte der sogenannten 'Wilden' allmählich entdecke (...) und im Bewusstsein der unvergleichlichen Ressour- cen der primitiven Vision sich schließlich in diese Vision so verliebe, dass es das Unmögliche wünscht und sich mit ihm vereinigen will.“ MAURER 1984: 601. 221 Darin schrieb er: „Ein sehr enger Begriff von Nachahmung, die als Ziel aller Kunst eingestellt wurde, steht am Anfang des tiefgreifenden Missverständnisses. (…) Der Irrtum, der begangen wurde, lag in der Meinung, der Bildgegenstand könne nur der äußeren Welt entnommen werden, oder es war einfach der Irrtum, ihn da überhaupt zu suchen. Gewiss kann das menschliche Empfinden einen Gegenstand von ganz gewöhnlichem Äußeren ganz unerwartet hervorbringen. Ebenso sicher heißt es aber auch, sich einen kläglichen Gebrauch von der magischen Kraft des Gestaltens zu machen. (….) Darin liegt ein unentschuldbarer Verzicht. (…) Die Werte des Wirklichen müssen einer grundlegenden Prüfung unterzogen werden. (…) Und um dieser Notwen- digkeit zu gehorchen, muss sich das bildnerische Werk einem rein inneren Vor-Bild zuwenden, oder es wird aufhören, zu sein.“ Das „Vor- Bild” beschrieb BRETON folgendermaßen: „Ich meine etwas Isolierendes dank dem dieser Geist sich nun auf ideale Weise befreit fühlt. Anfängt, sich in sein eigenes Leben zu verlieben.“ BRETON, ANDRÉ: „Le Surréalisme et la peinture“, Paris Nouvelle Revue Française, 1928. In: HARRISON, CHARLES/WOOD, PAUL (Hrsg.): Kunst/Theorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilo- sophie, Manifeste, Statements, Interviews. Band 1, 1895-1941, Oxford & Cambridge 1992: 551. 222 BRETON, ANDRÉ : „Genèse et perspective artistiques du surréalisme“. Port-au-Prince 1945: 100-101. In: La Révolution surréaliste 2002: 98. [Ü: „Die reichen Quellen der primitiven Vision sind bei Wifredo Lam nicht versiegt; aufgrund seiner Herkunft (sein Vater ist Chinese, seine Mutter schwarze Kubanerin) hat er die ein- malige Chance, instinktiv aus ihnen zu schöpfen, während er gleichzeitig vom Gefühl her dem sozialen Be- wusstsein dieses Zeitalters tief verhaftet bleibt und die am höchsten entwickelte Technik beherrscht.“]

65 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

BRETON publizierte nur wenige Texte, die sich unmittelbar mit dem Werk von WIFREDO LAM beschäftigen. Seine starke Position innerhalb der avantgardistischen Szene in Paris wie auch im Exil in New York manifestierte allerdings diese singulären Aussagen und förderte die

Rezeption des LAMschen Werkes unter dem Vorzeichen des Surrealismus nachhaltig.223

Die beschworene enge Verbindung zu PICASSO sollte sich für LAM zunächst als Vorteil erwei- sen. Noch zu Beginn der 1940er Jahre konnte PICASSO der LAMschen Rezeption eine argumen- tative, stabile Basis für dessen künstlerische Laufbahn bieten. Niemand konnte glaubhafter sein als PICASSO selbst, der als einer der Wegbereiter der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts angesehen wurde und der sich zudem intensiv um LAM bemüht hatte.

Wie dominant und nachhaltig die Bezüge zu PICASSO in der Rezeption des LAMschen Werkes reichten, verdeutlicht ein herausragendes Beispiel aus den 1980er Jahren. Das Museum of Modern Art in New York zeigte 1984 die Ausstellung „'Primitivism' in 20th Century Art: Affi- nity of the Tribal and the Modern“. Die Ausstellung präsentierte etwa 150 Werke der „Moderne“ und daneben über 200 „primitive“ Objekte. Ein ausführlicher Katalog in der Dimension eines Nachschlagewerkes wurde vom Museum herausgegeben. Nach Angaben der Ausstellungsmacher diente primitive Kunst als maßgeblicher Impuls der „Moderne“. Die „Kunst und Kultur der Naturvölker“ initiierte „die Anregung des Denkens und Schaffens moderner Künstler“, die daraus „Schlüsselthemen der Kunst des 20. Jahrhunderts“224 entwi- ckelten, schreibt RUBIN in seiner Einführung. Zweifelsohne versuchte das MoMA mit der Ausstellung zu Beginn der 1980er Jahre den Kanon der „Moderne“ erneut aufzuwerten. Modernismus sollte als „innocent and universal“225 präsentiert werden, um somit ihr hausin- ternes Selbstverständnis zu unterstreichen. Im Rückblick gab die Präsentation und erneute Auseinandersetzung mit dem sogenannten Primitiven den Startschuss für eine kontroverse Diskussion, die mehr noch als den Umgang mit der „art nègre“ durch die Avantgarde, die Fokussierung auf die „Anderen“ in den aktuellen Kontext vollzog.226

223 Detailliert wird darauf in Kapitel III 2.1 Surreal, primitiv, exotisch: Die Rezeption der 1940er Jahre unter wechselnden Vorzeichen näher eingegangen. 224 RUBIN 1984: 9. 225 MCEVILLEY 1984: 58. 226 Heftige Kritik äußerte u.a. THOMAS MCEVILLEYS. Er leistete sich im Magazin Artforum einen Schlagabtausch mit den Ausstellungsmachern. Seine Hauptangriffspunkte lagen zum einen in der postkolonialen Exklusion der Historie der gezeigten „primitiven“ Objekte, die in ihrer ausgestellten Kontextlosigkeit degradiert und in ihrer Bedeutungslosigkeit „zahm und harmlos“ wirkten. Diese Herabsetzung wiederum bestätige die westliche Dominanz gegenüber non-western cultures, wobei die Ausstellung darüber hinaus zu zeigen suchte, dass „the primitive 'looks like' the Modern is interpreted as validaing the Modern by showing that its values are universal.“ (MCEVILLEY 1984: 60. MCEVILLEY, THOMAS: „Doctor, Lawyer, Indian Chief 'Primitivism in 20th century art' at the Museum of Modern Art in 1984”. In:

66 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

EVAN MAURER versuchte in seinem Katalogbeitrag die Verbindung von Dada und Surrealis- mus zum Primitivismus herauszustellen. LAM nahm in dessen Argumentation eine zentrale

Position ein. Denn MAURER bezog sich auf den Kubaner als glaubhaften Zeugen der Verbin- dung von Surrealismus und „Stammeskunst“, eine Allianz, die dem Kubaner und seiner Kunst zur großen Synthese eines wahren Surrealisten227 verhalf, so MAURERS Ausführungen. Er argu- mentierte wie viele andere vor ihm mit der Unterstützung von „ausgewiesenen Experten”, deren Meinung bis heute institutionalisierte Züge tragen. So soll MICHEL LEIRIS auf „die engen Beziehungen des Künstlers zur primitiven Bildwelt und Magie“228 wiederholt hingewiesen haben. „Er entwickelte ein rituelles Bewusstsein für die Kräfte des Dschungels und die Natur- geister, und er war mit afrikanischen oder von Afrika beeinflussten Gegenständen vertraut, die in den magisch-religiösen Zeremonien benutzt wurden“ schrieb MAURER in Berufung auf

LEIRIS229. Auch das bereits angeführte Zitat von BRETON, in dem er auf die primitiven Quellen hinweist, aus denen LAM instinktiv schöpfen könne230, zitiert MAURER. Im Anschluss daran wird auf LAMs „mächtiges Empfinden des primitiven Bewusstseins im Herzen seines

Erbes“231 hingewiesen. Scheinbare Bestätigung fand MAURER in den Bildern des Künstlers, in denen er „die zentralen Aspekte der primitiven Naturauffassung“232 entdeckte, die „eine vom Primitiven inspirierte Darstellung der Vereinigung der Menschheit mit der Natur“233 darstelle.

Zuletzt ging der Katalogbeitrag auf die Beziehung zwischen PICASSO und LAM ein, in dem La Jungla und Les Demoiselles in der Inspiration und der Bildkonzeption parallelisiert wurde.234

Die von PICASSO früh inszenierte „Blutsverwandtschaft“, die auch LEIRIS beschrieb und die von BRETON betonte Zusammengehörigkeit der beiden Künstler hallten bei MAURER nach und verdeutlichen, wie weitreichend die Rezeption und die Mythenbildung in Bezug auf die

Künstlerpersönlichkeit durch die erneute parallele Beschreibung PICASSOs und LAMs sind. Auch zeigt sich hier, wie nachhaltig die frühen Ausführungen der 1940er Jahre auf die Rezep- tion des LAMschen Œuvre prägend einwirkten.

Artforum 23, No. 3, 1984: 54-61.) RUBIN verfolge in seinem Katalogtext die Aufwertung der Modernisten, indem er ihnen bescheinigt, sie selbst hätten die primitiven Formen in ihren Werken „erfunden“ oder sogar in sich selbst „entdeckt“. „Rubin suggests that the European artists were on the verge of producing forms similar to primitive ones on their own account.“ (MCEVILLEY 1984: 55.) Leider kann auf die diskursive Auseinandersetzung weiter nicht eingegangen werden. 227 MAURER 1984: 601. 228 MAURER 1984: 601. Unter Verweis auf: CHARPIER, J.: Lam. Paris 1960: 26. 229 MAURER 1984: 601. Und: LEIRIS 1970: 7. 230 MAURER 1984: 601. Und: BRETON 1972: 78. 231 MAURER 1984: 601. 232 MAURER 1984: 602. 233 MAURER 1984: 602. 234 Zur parallelen Betrachtung beider Bilder vergl. Kapitel IV 1.2 Aufnahme und Entzug: Der emanzipatorische Moment in La Jungla.

67 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

1.2 Die Stilisierung der Heimat: LAM s Rückkehr nach Kuba in der Rezeption

WIFREDO LAMs Rückkehr nach Kuba ist eines der Schlüsselereignisse für die Interpretation des Werkes. In den 1940er und 1950er Jahren erschienen mehrere Publikationen zu LAM, vornehmlich in der Karibik, wie etwa auf Kuba und auf Martinique. Hier wurden einige Arti- kel zu WIFREDO LAM und seinem Werk abgedruckt, so beispielsweise in den kubanischen

Zeitungen Diario de la Marina, Carteles, der Gaceta del Caribe und in der von RENÉ MÉNIL auf Martinique herausgegebenen Zeitschrift Tropiques. Revue culturelle. Die Kommentare und Beiträge waren von bekannten Vertretern der lateinamerikanischen Kulturszene wie

LYDIA CABRERA (1942 und 1944) und ALEJO CARPENTIER (1944, 1948 u.a.) geschrieben. Hinzu kamen Texte von PIERRE LOEB (1943, 1944, 1945), den als Galerist verständlicherweise ein kommerzielles Interesse an Veröffentlichungen bewegte. Auch PIERRE MABILLE, ab 1945 Kulturattaché der französischen Regierung in Port-au-Prince, Haiti, schrieb 1943 und 1949

über LAM. Immer blieben die Verweise auf PICASSO und auf den französischen Surrealismus auch in diesen Beiträgen immanent.

Die Rezeption des LAMschen Werkes der 1940er Jahre wurde durch ein weiteres Detail bestimmt. Seit der Rückkehr nach Kuba pflegte LAM eine innige Freundschaft zu AIMÉ

CÉSAIRE.235 Vor allem LAMs Illustration der spanischen Ausgabe des Cahier d'un retour au pays natal von CÉSAIRE236 (erneut Abb. 19) schuf in der logischen Konsequenz für eine westli- che Rezeption die Verbindung zwischen LAM und der Négritude, LAM und Afrika, LAM und den spirituellen, den primitiven und ursprünglichen und damit auch gleichfalls surrealen

Momenten. AIMÉ CÉSAIRE nutzte das Wort „Négritude“237 im Cahier d'un retour au pays natal mehrfach und besonders herausgehoben. Der Begriff und das Cahier sind somit untrennbar miteinander verbunden, das „Konzept“ findet hier, wie auch in der Zeitschrift Tropiques, ein schriftliches Manifest. AIMÉ CÉSAIRE, seine Frau SUZANNE und RENÉ MÉNIL hatten im April 1941 die erste Ausgabe der Zeitschrift Tropiques. Revue culturelle auf Martinique herausge- bracht – die letzte Ausgabe erschien im September 1945. Zwischen 1931 und 1939 lebten und studierten sie gemeinsam in Paris. Unter dem Einfluss einerseits der Ausbildung der Universi-

235 Vergl. Ausstellung: Aimé Césaire, Lam, Picasso 'Nous nous sommes trouvés'. Grand Palais, Galeries nationales, Paris 16. März 2011 - 6. Juni 2011. 236 Vergl. erneut Abb. 19: Cover zu Retorno al pais natal von AIMÉ CÉSAIRE. Sowie Poster zur Ausstellung in der Pierre Matisse Gallery, New York 1942. 237 Bis heute sind die philosophischen und ästhetischen Dimensionen der Négritude Gegenstand kontroverser Diskussionen. „Das Wort findet einen Nukleus von Bedeutungen, um die herum sich die künftigen Diskus- sionen lagern werden.“ RIESZ 2006: 231. RIESZ, JÁNOS: „Verlorene Söhne und Propheten kommenden Un- -Heils“. In: WENDL, TOBIAS/VON LINTIG, BETTINA/PINTHER, KERSTIN (Hrsg.): Black Paris. Kunst und Ge- schichte einer schwarzen Diaspora. Peter Hammer Verlag. Wuppertal 2006: 225-251.

68 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN tät Sorbonne und andererseits der anti-kolonialen Debatten in den Kreisen des Black Paris238 der 1930er Jahre entwickelten sie Inhalte und Konzepte für die spätere Zeitschrift. Darin sah man sich „einem offenen Konzept der Négritude verpflichtet (...) – weniger als manifeste Ideologie denn als poetische Camouflage unter dem Zensurdruck des Vichy-Regimes, weni- ger als Positivierung rassistischer Zuschreibungen, denn als spielerische Bricollage heteroge- ner Denkweisen und Ausdrucksformen. (...) Immer ging es in Tropiques um die Kreolisierung heterogener Traditionen im Interesse einer schwarzen Kreativität.“239 Neben dem Trauma der Sklaverei waren jedoch auch die klassische Antike, die afrikanischen Riten und Mischreligio- nen wie Voodoo und Santeria oder aber der Surrealismus und Marxismus für die Herausgeber und die Autoren in Tropiques wichtig und interessant. LAMs ideologische Verbundenheit mit

CÉSAIRE und den Ideen der Négritude ist unbestritten. Die Unterdrückung und Verleumdung schwarzer Subjektpositionen, deren kulturelle Abwesenheit in kolonialen und postkolonialen Kontexten, wie es in Tropiques thematisiert wurde240, entsprach der politischen Alltagsrealität auf Kuba.241 Daneben waren es Erfahrungsmomente wie „die Trennung und Ablösung vom 'Land der Geburt', der zivilisatorische Schock Europas, die Erfahrung einer alles durchdrin- genden 'kolonialen Kultur', das Nachdenken über die gemeinsame historische Vergangenheit, kulturelle wie 'rassische' Gemeinsamkeiten“242, mit denen sich die Négritude wie auch

WIFREDO LAM auseinandersetzten. Allerdings kann LAM nicht als ein Vertreter der Négritude oder als aktiv Beteiligter der Bewegung genannt werden.243

In der Zeitschrift Tropiques erschienen einige Beiträge zu LAM.244 Auch CÉSAIRE schrieb über seinen Freund. 1943 erschien mit „Tam-Tam II, pour Wifredo“ in der surrealistischen Zeit-

238 Vergl. unter anderem die Einführung zum Katalog: WENDL, TOBIAS/VON LINTIG, BETTINA/PINTHER, KERSTIN (Hrsg.) 2006: 15-36. 239 SCHMIDT-LINSENHOFF 2010: 329-330. 240 „Aimé Césaire erinnert in einem Interview rückblickend die Gründung der Zeitschrift Tropiques 1941 in Fort-de-France als Versuch, die kulturelle Leere, d.h. das Fehlen eines unabhängigen, künstlerisch- intellektuellen Ausdrucks der Schwarzen in den Antillen zu beheben.“ SCHMIDT-LINSENHOFF 2010: 329. Mit Verweis auf „Entretien avec Aimé Césaire par Jacqueline Leiner“. In: Tropiques. Revue culturelle 1941-1945, Collection Complète, Edition JEAN MICHEL PLACE, Paris 1978. 241 Auf der Insel setzte sich in den 1940er und 1950er Jahren politisch die rassistische Unterdrückung der Be- völkerung durch die von den USA eingesetzte Regierung fort. Das Machtgefüge zwischen Zentrum / USA und Peripherie/ Kuba zeigte sich nun als postkoloniale Variante auf der Insel. 242 RIESZ 2006: 226. 243 Auch findet sich kein Nachweis darüber, ob LAM bereits in Paris den Versammlungen der Afroamerikaner und Kariben des Black Paris beiwohnte, und so bereits in Europa die fundamental kritische Haltung gegenüber den kolonisierenden Zivilisationen wahrnahm. 244 Vergl. LOEB 1943: 61-62. // MABILLE, PIERRE: „La Jungle“. In: Tropiques. Revue culturelle, No. 12, Fort-de- France, Januar 1945: 173-187. //Aber auch: DESNOES, EDMUNDO: „Wifredo Lam y la forma“. In: Espacio, Ha- vanna 1950: o.S.

69 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN schrift VVV ein erster Artikel245, es folgten 1946 mit „Wifredo Lam“246 und 1948 mit „Wifredo

Lam y las Antillas“247 weitere Publikationen. CÉSAIRE beschrieb LAM darin als einen empfind- samen, von Gefühlen geleiteten Künstler. Er verstehe LAM als einen ästhetischen Poeten, eine

Beschreibung, die LAM als die zutreffendste seiner Person und Kunst empfand.248 So schrieb

CÉSAIRE: „Par les soins de Lam, l'esprit premier, je veux dire le sentiment, le rêve, l'hérédité, se projette et hallucine. (...) Wifredo Lam ne regarde pas. Il sent. Il sent le long de son corps maigre et de ses branches vibrantes passer, riche de défis, la grande sève tropicale.”249

Auf der Suche nach einer Beschreibung und Neuausrichtung einer unabhängigen Kultur für

Martinique, die auch Kuba betreffen konnte, nutzte CÉSAIRE unter anderem den französischen Surrealismus, dessen politische und künstlerische Ausrichtung, als eine Strategie des „schwar- zen“ Widerstands und der kulturpolitischen Kritik, nicht ohne auch lokale Gegebenheiten mit zu berücksichtigen. So stützte er sich in seinen Beschreibungen des LAMschen Werkes auf eine Rhetorik, die an Ideen und Überzeugungen einerseits des europäischen Surrealismus erinnert und andererseits das Lokale der Karibik250 sowie den lateinamerikanischen Magi- schen Realismus251 einschließt. CÉSAIRE betonte darüber hinaus als einer der ersten das politi- sche Statement der LAMschen Bilder. „La peinture une des rares armes qu'il nous reste contre

245 CÉSAIRE, AIMÉ: „Tam-Tam II, pour Wifredo“. In: VVV, No. 2-3, New York, März 1943: 132. 246 CÉSAIRE, AIMÉ: „Wifredo LAM“. In: Cahier d'art XX-XXI, Paris, 1945/46: 360-366. 247 CÉSAIRE, AIMÉ: „Wifredo Lam y las Antillas.” In: La Musica, No.1, Januar - März, Havanna 1948: o.S. Die- ser Artikel entspricht dem 1945 im Cahier d'art erschienenen Beitrag und ist lediglich ins Spanische über- setzt. 248 Die Feststellung, dass LAM und CÉSAIRE sich gleichermaßen der Poesie verpflichtet sahen und sich LAM in einem Interview auf „the spirit of the Negroes” bezog, hat einige Kritiker dazu veranlasst, LAM als einen Ma- ler der Négritude zu bezeichnen. So überschreibt beispielsweise ROBERT LINSLEY seinen Artikel 1988 mit „Wifredo Lam: Painter of Negritude”. Darin LAM: „My idea was to represent the spirit of the Negroes in the situation in which they were then. I have used poetry to show the reality of acceptance and protest.” (LINSLEY, ROBERT: „Wifredo Lam: Painter of Negritude”. In: Art History, Vol. II, No. 4, 1988: 532. Siehe auch: FOUCHET 1976: 199.) Die argumentativ zentralen Zitate, auf denen LINSLEY seinen Artikel aufbaut, sind entlehnte Zitate der Biografie von FOUCHET 1976. Die Beiträge der Monografie wiederum entstanden, als FOUCHET und LAM gemeinsam nach Havanna reisten und FOUCHET seine Ausführungen auf Tonbandmit- schnitte und Zitaten stützte, die er als „authentische“ Quellen bezeichnete, deren Nachweis er seinen Lesern jedoch unterschlug. (Vergl. hierzu die Kritik der Monografie in Kapitel III 4.1 Internationale Aufmerksam- keit: LAMs Repräsentation nach dem Zweiten Weltkrieg.) 249 CÉSAIRE 1945/46: 357. [Ü: „In der Sorgfalt von Lam kommt an erster Stelle der Geist, ich möchte sagen, das Gefühl, der Traum, das Erbe, es zeichnet sich ab und verwirrt. (...) Wifredo Lam schaut nicht. Er fühlt. Er fühlt mit seinem ganzen langen und schmalen Körper und mit seinen ergreifenden Armen die große tropische Kraft, die reich an Herausforderungen ist.“] 250 CÉSAIRE 1945/46: 357. „Wifredo Lam roule bord sur bord sa cargaison de révolte: homme pleins de feuilles, sexes germés poussés à contre-sens, hiératiques et tropicaux: des dieux.“ [Ü: „Wifredo Lam entlädt seine aufrührerische Ladung: Menschen voller Blätter, fruchtbare Geschlechter in ihr Gegenteil verkehrt, sakral und tropisch: Götter.“] Und weiter unten: „Wifredo Lam célèbre la transformation du monde en mythe et en connivence.” [Ü: „Wifredo Lam feiert die Transformation der Welt im Mythos und im heimlichen Einverständnis.“] 251 Auf den Magischen Realismus wird im folgenden Kapitel III 3 Der lateinamerikanische Diskurs zur kulturellen Identität näher eingegangen.

70 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN la sordidité de l'histoire. Wifredo Lam est là pour l'attester. Et tel est un des sens de la peinture riche plus qu'aucune de Wifredo Lam: elle arrête la geste du conquistador. (...) Wifredo Lam, le premier aux Antilles, a su saluter la liberté.”252 Das Besondere an CÉSAIREs Ausführungen zu LAMs Werk ist, dass er in Abgrenzung zu den europäischen Stimmen auf die karibische Position bestand, die sich von Kuba aus an das Zentrum Paris richtete. Gemessen an den durchaus ähnlichen Biografien und kulturpolitischen Interessen verwundert, dass CÉSAIRE nicht mehr über LAM geschrieben hat.

Für Außenstehende war die Verbindung zwischen CÉSAIRE und LAM – wie bereits angemerkt – durch die Illustration der spanischen Ausgabe des Cahiers d'un retour au pays natal gegeben.

Das „Schlüsselwerk“ der Négritude mit den Zeichnungen von LAM versehen und die gemein- same schwarze Ethnizität: diese starken, bezeugenden Momente schufen für die Rezeption eine nicht aufzulösende Verbindung zwischen LAM, CÉSAIRE und der Négritude. Konsequen- terweise leitete die kubanische Rezeption nach 1959 daraus den spezifischen nationalen

„schwarzen“ Ausdruck ab. Darüber hinaus beziehen sich auch Argumente, die LAMs Werk als revolutionär postkoloniales, politisches Werk lesen, auf die Négritude und deren politische Ausführungen.

PIERRE MABILLE publizierte 1944 mit „La Mañigua“ und im gleichen Jahr mit „La Jungla“ zwei Artikel zu LAM, wobei letzterer 1945 erneut auf Spanisch erschien.253 Nach einer ausführlichen Einführung über unter anderem den Kunstmarkt, die Möglichkeiten der Repro- duktion und einer Stellungnahme zur Fülle an Kunstjournalen bezog sich der Beitrag „La

Jungla” in Tropiques inhaltlich vor allem auf das Bild. Dieses gab MABILLE Anlass, sogleich einen interpretatorischen Codex des bisherigen LAMschen Œuvre auszuarbeiten. Dabei folgte er argumentativ den Verbindungen zwischen der Rückkehr ins Heimatland und dem Bezug zu

BRETONs theoretischen und künstlerischen Ausarbeitungen, wobei er sich vor allem auf „La beauté convulsive”254 bezog. Hinzu kam MABILLEs Ansicht nach ein stark politisch motivierter Moment, den er im pazifistischen Ausdruck des Bildes entdeckte255, und in dem er seine

252 CÉSAIRE 1945/46: 357. [Ü: „Die Malerei ist eine der wenigen Waffen, die uns noch gegen die Verschmut- zung der Geschichte bleibt. Wifredo Lam ist da, um sie zu bezeugen. Und mehr als irgendeines dieser reichen Gefühle gelingt es der Malerei von Wifredo Lam, die Haltung des Eroberers zum Stillstand zu bringen. (...) Wifredo Lam wusste als Erster der Antillen die Freiheit zu begrüßen.“] 253 MABILLE, PIERRE: „La Nañigua”. In: Cuardernos americanos, XVI, No. 4, Mexiko, Juli - August 1944: 245- 246. // MABILLE, PIERRE: „La Jungle“. In: Tropiques. Revue culturelle, No. 12, Fort-de-France, Januar 1945: 173-187. 1949 folgte ein Artikel von MABILLE mit dem Titel „The Ritual Painting of Wifredo Lam“. In: Ma- gazine of Art 42, Mai 1949: 186-188. 254 MABILLE, PIERRE: „La Jungle“. In: Tropiques. Revue culturelle, No. 12, Fort-de-France, Januar 1945: 185. 255 MABILLE 1945: 187.

71 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Ausführungen in der Nähe zu CÉSAIRE positionierte. In diesem Artikel verfasste MABILLE aber auch eine Rezension zu „Retour au pays natal“.256 Besonders wichtig erschien ihm der

Verweis auf die ethnische Verwandtschaft von CÉSAIRE und LAM.257 Auch die gemeinsame Erfahrung in der Fremde, in Paris, gepaart mit der Rückkehr in die karibische Heimat verbinde die beiden Künstler, wie auch das koloniale Trauma eine politische Basis ihrer Werke wurde. Er bettete die Beschreibungen zu La Jungla in die Nacherzählung einer „Voodoo - Nacht“ auf Haiti (Une nuit dans la plaine en Haiti258) ein und bestätigte hier primi- tivistische Vorstellungen europäischer Projektionen. Mit der biografischen Nacherzählung

LAMs bisheriger Lebensstationen, verwoben sich im Text von MABILLE Faktizität und Imagi- nation von Außen- und Innenwelt erneut in Bezug auf theoretische, surrealistische Vorstellun- gen.

Bei all den Ausführungen darf nicht übersehen werden, dass MABILLEs Äußerungen zur kari- bischen Kultur und dem künstlerischen Ausdruck ihrer Vertreter an die Intention gekoppelt waren, die französische Kultur und deren Selbstverständnis als Wiege des Abendlandes auch im Exil aufrechtzuerhalten. Als Freund unter anderem von BRETON lag es denn auch für ihn nah, die vorgefundene Exotik und Andersartigkeit Haitis, aber auch des gesamten karibischen Raumes mit dem europäischen Surrealismus zusammen zu denken. Seine Rezeption des

LAMschen Werkes hat somit auch eine kulturpolitische Dimension und ignoriert die Komple- xität der karibischen Realität und deren kulturelle Identität weitestgehend.

PIERRE LOEB hingegen hatte ein wirtschaftliches Interesse daran, LAM im Rahmen der exilier- ten europäischen Avantgarde zu positionieren. Als Galerist des Künstlers vor, während und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg war LOEB nicht nur Initiator der Ausstellungen in der Pierre Matisse Gallery in New York. Auch erschien bis 1946 in jedem Jahr je ein Artikel des Galeristen in Tropiques, Diario de la Marina und Horizon. Wie es die gängige und vorgege- bene Rhetorik bereits bezeugte, folgte auch er den Interpretationsvorschlägen BRETONs. Die nach der Rückkehr LAMs in die Heimat vorgefundene Ursprünglichkeit schrieb er in Sätzen weiter wie „Lam, de quien la obra tanto nos interesaba a todos en París, finalmente se ha

'encontrado' aquí al contacto con su tierra natal”259. Auch für ihn war LAM vor allem ein ethni-

256 MABILLE 1945: 173-187. 257 LAMs Verwandtschaft sei durch die kongolesische Mutter bezeugt, so MABILLE. 258 MABILLE, PIERRE: „La Jungle“. In: Tropiques. Revue culturelle, No. 12, Fort-de-France, Januar 1945: 184- 187. 259 LOEB 1944. [Ü: „Lam, dessen Werk uns alle in Paris so sehr interessierte, hat sich schließlich hier im Kon- takt mit seiner Muttererde 'gefunden'.“]

72 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

scher Künstler, der die tropikale Karibik in seinen Bildern zeigte. LOEB sah sich auch als

„Promoter” der europäischen Avantgarde. So initiierte er in Havanna die erste PICASSO

Ausstellung mit Bildern aus seinem eigenen Bestand. Auch wenn es ihm wichtig war, LAM und PICASSO in nicht allzu großer Nähe zueinander zu positionieren, und er vielmehr auf die

Eigenständigkeit des LAMschen Œuvre verwies, war LOEB sich des Einflusses und der bezeu- genden Kraft PICASSOs für das LAMsche Werk durchaus bewusst.

73 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

2 Paris – New York: Surrealismus im Exil

1940 reiste BRETON aufgrund der sich zuspitzenden politischen Situation aus Europa aus, um in den USA Exil zu finden. In den folgenden Jahren seines Aufenthaltes vor allem in New York gelang es ihm, zu einem der führenden kulturpolitischen Akteure zu werden. Dies verwundert zunächst, denn noch in Paris Mitte bis Ende der 1930er Jahre war sein Einfluss auf die Avantgarde stark zurückgegangen. Die Surrealisten hatten sich wegen politischer

Unstimmigkeiten in verschiedene Lager aufgespalten. BRETON, der durch die Auflösung seiner Gruppe in Paris ins avantgardistische Abseits geraten war, reiste 1938 nach Mexiko260 und traf dort unter anderem FRIDA KAHLO und DIEGO RIVERA. BRETON zeigte sich begeistert von Mexiko, es sei geheimnisvoll, geprägt durch eine magische Kraft, die in der Kunst des Landes aufgehe.261 So schrieb er später in Surrealism and Painting: „The power of inspiration here is nourished by the strange ecstasies of puberty and the mysteries of generation.“262 Mit diesen Eindrücken kehrte er nach Paris zurück um kurz danach wie viele andere europäische Intel- lektuelle in die USA zu emigrieren.

Die Exilsituation einte zunächst viele Mitglieder der europäischen Avantgarde, die sich vor dem Krieg nicht selten im Streit auseinanderdividiert hatten. Es war vor allem die theoretische Basis des Surrealismus, die geeignet schien, sich vor dem Hintergrund der zerfallenden kultu- rellen Werte in Europa, nun auf neuem Boden eine gemeinsame intellektuelle Identität zu geben und sich geschlossen in der US-amerikanischen Kulturlandschaft, aber auch in Teilen der lateinamerikanischen zu positionieren. Unter der veränderten Situation zu Beginn der

1940er Jahre, als sich BRETON zum Wortführer der exilierten Avantgarde machte, sah er die

260 BRETON war aufgrund einer Einladung des französischen Außenministeriums zu vier Vorträgen nach Mexiko gereist. Vor Ort referierte er an der Universität von Mexiko beispielsweise zum Thema: „Les transformations modernes de l'art et du Surréalisme“. 261 Seine Begeisterung für Lateinamerika teilte BRETON mit vielen europäischen Intellektuellen, für die eine große Faszination vom fremden Kontinent Amerika ausging. Ihre Annäherung war vor allem durch ein ethno - logisches Interesse geprägt. Prominente wie , und BENJAMIN PÉRET ver- fassten ethnologische Abhandlungen zu den vorgefundenen „realen“ Begebenheiten. schrieb 1936 an ARAGON nach Paris, „Nous sommes sur une terre de beauté convulsive, dans la partie des dé- lires mangeables.“ (Vergl. SCHNEIDER, LUIS MARIO: „Méxiko y el Surrealismo”. Band 1, 1925-1950, Mexiko 1978: 39-40. Hier in: GRIMBERG, SALOMON: „Mexico réfléchi par le miroir d' André Breton”. In: KAT. LES SURRÉALISTES EN EXIL 2000: 189.) [Ü: „Wir befinden uns auf einer Erde des konvulsiv Schönen, in dem Teil des verschlingenden Deliriums.“] 1942 schrieb PÉRET an SELIGMANN: „He comenzado a trabajar en una anto- logía de mitos, leyendas y cuentos populares, tanto del presente como de la época precolombina. Naturalmen- te, los trato desde el punto de vista de lo maravilloso y estoy seguro de que hay suficiente como para poder formar una magnífica colección.” (SAWIN, MANTONICA: „Surrealism in Exile and the Beginning of the New York School”. In: El surrealismo entre el viejo y el nuevo mundo. Centro Atlantico de Arte Moderno, Cabildo Insular de Gran Canaria. Las Palmas de Gran Canaria, 4. Dezember 1989 - 4. Februar 1990: 84. [Ü: „Ich habe begonnen, an einer Anthologie über Mythen, Legenden und Volksmärchen aus der heutigen wie auch aus der prekolumbianischen Zeit zu arbeiten. Natürlich behandele ich sie aus dem Blickpunkt des Wunderba- ren, und ich bin sicher, dass es genügend gibt, um eine große Sammlung entstehen zu lassen.“] 262 ANDRÉ BRETON 1972: 144.

74 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Chance, sich erneut inmitten eines mächtigen Diskurses zu positionieren, bei dem er sich gar an den Kopf der Bewegung setzen konnte. Er stellte sich vor, den Surrealismus unter ästheti- schen wie auch politischen Vorzeichen an die Erfahrung des Natur- und Kulturraums Latein- amerika anzuschließen. Diesen nahmen auch die europäischen Exilanten als fremd und im

Sinne ihrer Vorstellung als verwurzelt und „primitiv“ wahr. Damit konnten BRETONs Überle- gungen zum Surrealismus und dem „Primitiven“ erneut zu einer brisanten und aktuellen Quelle avancieren. Die Möglichkeit bestand, dass die Surrealisten „unter seiner Ägide zu Meistern der Kunst des globalisierten modernistischen Amalgams werden konnten.“263

Darüber hinaus entwarf BRETON angesichts des Zweiten Weltkrieges eine Vision kultureller Werte und Normen, die in Zukunft aus eigener Kraft Bestand hätten und einer ähnlich barbari- schen kulturellen Zerstörung standhalten würden. Das 'Ursprüngliche', das 'primitiv Verwur- zelte', das Authentische bildete für BRETON die Basis eines universellen kulturübergreifenden Kanons, mit dem die „Re-Mythisierung der europäischen Zivilisation“264 gelingen sollte.

Neben dem Einfluss, den BRETON aktiv auf die Kulturszene hatte, kam ihm das politische Klima in den USA zur Zeit des Zweiten Weltkrieges zugute. Die offizielle US-amerikanische Kulturpolitik forderte hier eine internationale Neupositionierung, aus der die USA nach dem Krieg als hegemoniale Macht hervortreten sollten. Eine Säule dessen konnte die Ausformulie- rung der kulturellen Identität sein, die in der Kunst ihren ästhetischen Ausdruck finden musste. Das neu geforderte Selbstverständnis schlug sich auch im Bewusstsein der Bevölke- rung für die europäische Avantgarde und deren Kunst nieder. „Die europäischen Emigranten hatten in ihrem Gepäck eine Kultur, die die amerikanischen Künstler schon immer bewundert hatten, ohne sie sich gänzlich anzueignen. Sie machten vor allem den New Yorkern plötzlich bewusst, dass sich die USA tatsächlich im Zentrum der Kulturkatastrophe befanden, die der Krieg mit sich brachte.“265 Der exilierten europäischen Avantgarde würde eine tragende Rolle zuteil werden.

263 RESTANY, PIERRE: „Der Westen und sein 'anderes'“. In: SCHEPS, MARC/DZIEWIOR, YILMAZ/ THIEMANN, BARBARA M.: Kunstwelten im Dialog. Von Gauguin zur globalen Gegenwart. Museum Ludwig Köln, 5. November 1999 - 19. März 2000: 21. 264 SCHMIDT-LINSENHOFF 2010: 326. SCHMIDT-LINSENHOFF weist an dieser Stelle auf verschiedene Publikationen hin, in denen BRETONs Diskurs zur Re-Mythisierung ablesbar wird: „... im Katalogbeitrag zur Ausstellung First papers of Surrealism in New York, im Dritten Manifest des Surrealismus (1942), in Arcane 17 (1944), in Ode an Charles Fourier (1945), im Mythen-Konzept der Ausstellung Le Surrealism en 1947 und in dem illustrierten Kunstbuch L' Art magique (1957).“ 265 GUILBAUT 1997: 85.

75 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Sehr verkürzt dargestellt, offenbarte sich die politische und kulturpolitische Situation in den USA zum Zeitpunkt des Eintreffens der europäischen Exilanten folgendermaßen: Die Kapitu- lation von Paris vor dem Nationalsozialismus wurde in den USA als symbolische Zerstörung der abendländischen Zivilisation und Kultur gewertet. Die USA sahen es als ihre Aufgabe an, sich der großen Leere anzunehmen, die sich kulturell durch den Wegfall der französischen Hauptstadt als Zentrum des Abendlandes ausdehnte. Politische Interessen waren an kulturpoli- tische Inhalte gebunden und verschränkten sich diskursübergreifend.266 Unterstützung erhielt die Politik aus den Reihen der Intellektuellen in New York. Diese waren sich einig, dass die Kunst zukünftig vor faschistischen Übergriffen zu schützen sei und sie als Intellektuelle von nun an eine wichtige ideologische und verantwortungsvolle Rolle zu tragen hätten. In den USA bewegte sich deshalb der Versuch, die kulturelle Identität beschreiben zu wollen, zwischen den beiden ambivalent anmutenden Polen eines bekennenden Nationalismus – in

Abgrenzung zu den national-faschistischen Ausführungen STALINs und HITLERs – und dem Wunsch, internationale Gültigkeit zu erlangen. Der Weg sollte über das Besondere, das Einzigartige ihrer Kultur führen, das nach außen gekehrt und an die Traditionen der europäi- schen „Moderne“ so anzuschließen sei, dass die eigene kulturelle Identität als Kontinuität der „modernen“ Bewegung auf neuem Boden nachvollziehbar würde. Es lag nah, dass das Beson- dere der amerikanischen Kultur in den vermeintlich ursprünglichen, primitiven Kulturen wie denen der Eskimos oder Indianer zu suchen sei.

Inmitten dieser turbulenten Phase der kulturellen Neuausrichtung, der „Positionskämpfe“ und komplex aufeinander bezogenen Diskurse um die Ausformulierung nationaler Identitäten versuchte WIFREDO LAM von Havanna aus, sich in der neuen Kulturmetropole New York zu positionieren. Wie auch schon zuvor durch PICASSO, erwies es sich zunächst als hilfreich, in den erneut erstarkenden Diskurs des Surrealismus unter der Führung von BRETON eingebun- den zu sein. BRETON wiederum knüpfte seine Überlegungen zum Surrealen an den lateiname- rikanischen Kulturraum und stellvertretend unter anderem an den Künstler WIFREDO LAM.

266 Um die Nation auf die Notwendigkeit einer Beteiligung am Zweiten Weltkrieg und ihre spätere Vormacht- stellung vorzubereiten, förderte die Politik außerdem eine starke Identifikation mit der amerikanischen Nati- on über die Proklamation von Freiheit und Frieden weltweit, ein Ideal, das einzig die Vereinigten Staaten noch fähig waren durchzusetzen. 1940 nahmen dies Rundfunksendungen beispielsweise mit Themen wie „Auf welchem Weg zum dauerhaften Frieden?“ auf. HENRY LUCE, Verleger der einflussreichen Zeitschriften Time, Life und Fortune beschrieb in dem Aufsehen erregenden Artikel „The American Century“ (Life, 17. Fe- bruar 1941: 61-65) die künftige Rolle Amerikas: „Der wichtigste Punkt ist einfach der, dass uns Möglichkei- ten, die Führung zu übernehmen, offen stehen.“ Das kommende Jahrhundert, sagte er, könne das Jahrhundert Amerikas werden, so wie das 19. Jahrhundert das Jahrhundert Englands und Frankreichs war. Vergl. GUILBAUT, SERGE: Wie New York die Idee der modernen Kunst gestohlen hat. Abstrakter Expressionismus, Freiheit und Kalter Krieg. Dresden/Basel 1997: 82 ff.

76 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

2.1 Surreal, primitiv, exotisch: Die Rezeption der 1940er Jahre unter wechselnden Vorzeichen

In New York kannten die meisten exilierten Avantgardisten LAM unter anderem durch die Ausstellungen in der Pierre Matisse Gallery. Die Galerie war eine der bekanntesten in der

Szene und Forum sowie Plattform für die Europäer. Ab 1939 konnte sich LAM häufig dem

New Yorker Publikum zeigen. Die Pierre Matisse Gallery, die bereits 1939 LAM und PICASSO gemeinsam ausgestellt hatte, wurde für LAM zur wichtigen Anlaufstelle. LAM hatte – vermit- telt von PIERRE LOEB – mit der Galerie einen Vertrag geschlossen. Im Anschluss daran zeigte

PIERRE MATISSE LAM in den folgenden Jahren in mehreren Einzelausstellungen: 1942 „Lam Paintings“, 1944 „Lam Paintings“, 1945 „Lam, Recent Paintings“, 1948 „Wifredo Lam“ und 1950 „Lam“. Hinzu kamen Kollektivausstellungen und Präsentationen, so 1942 in New York unter dem Namen „First Paper of Surrealism“, eine von BRETON initiierte Ausstellung und 1943 ebenfalls in New York „The Latin American Collection of the Museum of Modern Art“, auf die BRETON einen entscheidenden Einfluss hatte. Seine Vorgaben zur Interpretation des

LAMschen Werkes setzen sich binnen kurzer Zeit in New York durch, nun durch die latein- amerikanische Dimension des „wunderbar Wirklichen“ ergänzt.267 Die Rede war von „Lam's paintings have been filled with Picasso-like motivs (the horse face, double profile, etc.)“268 oder aber zu La Jungla bereits 1946: „Wifredo Lam fills his canvases with strange winged creatures and voodoo gods which suggest rather than represent the mysteries of the jungles in his native Cuba.“269. In einem Artikel in Art Digest 1944 schrieb der Autor, dass die Werke zwar unverkennbar surrealistisch orientiert seien, dass LAM jedoch mehr noch die wiederent- deckten Bezüge seines Heimatlandes Kuba zitiere. Bei all der Exotik mache LAMs Werk jedoch keine überzeugende Figur.270 Die Textpassagen folgen der Rezeption des LAMschen

Werkes, die BRETON entscheidend geprägt hatte. Einerseits gestanden die Ausführungen LAM einen künstlerischen Ausdruck zu, der sich im Austausch mit PICASSO ausgebildet hatte und somit avantgardistische Züge enthielt. Andererseits wurde LAMs vermeintlich angeborene „Afrikanität“ betont, die sich in der Thematisierung der afrokubanischen Mythen in den

Bildern spiegelte. In solchen Zuschreibungen verbanden sich BRETONs Überlegungen von

Überzeitlichem und Primitiv-Visionärem in LAMs Werk mit dem damaligen, anhaltenden

267 Auf den Diskurs des „Wunderbar Wirklichen“ des „real maravilloso“ werde ich im folgenden Kapitel III 3 Der lateinamerikanische Diskurs zur kulturellen Identität detaillierter eingehen. 268 KEMPER RILEY, MAUDE: „The Lore of Cuba“. In: The Art Digest, Vol. 18, No. 17, New York, 1. Juni 1944: 14. 269 ANONYM: „The way to kill space“. In: Newsweek, 12. August 1946: 108. 270 KEMPER RILEY 1944: 14. Zur Einzelausstellung der Pierre Matisse Gallery 1944/45 gab es ein geringes Presseecho. Die Veröffentlichungen diskutierten die Ausstellung im Rückgriff auf Bezüge zum „Magischen Surrealismus“ aber auch zum „Fantastischen“ und „Okkult-Primitiven“ des „eigenen inneren Anderen“.

77 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Diskurs um das „eigene Andere“ in der amerikanischen Kultur – Vorstellungen der US-ameri- kanischen Öffentlichkeit zur kulturellen Identität, die sich zu diesem Zeitpunkt durchgesetzt hatten.

Erneut versuchte BRETON LAM als argumentatives Bindeglied von Surrealismus und dem „Primitiven“ in die Rezeption zu integrieren, indem er die Kunst des Kubaners als „visio- när-totemistisch“271 bezeichnete. Unterstützung erhielt er von anderen Rezipienten, wie

MARGARET BREUNING, die über das Gesehene in Art News schrieb: „A world of fantasy appears, reflecting something of the character of Chinese paintings, of Primitive African art and even in the many round, otarine heads, a suggestion of the symbolic figures of the Alas- kan Indians. (…) The world that Lam creates is an end in itself, an occult, mysterious universe governed not by the laws that regulate our cosmos, but by some undercurrent of magic that makes itself felt in every canvas. There are recognizable forms in some of the paintings – fruits, leaves, insects, birds – but they appear not so much realities as the symbols of an inner mystic existence.”272 BREUNING hob zwar auf das Magische und Mythische in den Bildern ab, erklärte jedoch auch gleichzeitig entgegen BRETON, dass LAMs Kunst eindeutig keine europä- isch-surrealen Komponenten besäße. LOWERY STOKES SIMS merkt 1992 dazu verwundert an: „Breuning's analysis of Lam's work is pertinent for its attention to the issues of the totemic and the occult, which were central in New York School ideology during that period. It is inte- resting that Lam clearly was not seen as another Surrealist progenitor to the New York School. (...) Within four years, Lam had progressed from being viewed in association with the exiled

Surrealists to being considered part of the new art emerging in New York.“273 SIMS führt weiter aus, dass ab 1950 LAMs Kunst ausschließlich zur lateinamerikanischen Kunst gezählt wurde und damit der harte Bruch und das erstarkende Selbstverständnis der sogenannten

„New York School“ auch an der Rezeption des LAMschen Werkes und dessen Vereinnahmung ablesbar wird. Diese Zitate verdeutlichen, wie unterschiedlich die Rezeption der LAMschen Kunst verlaufen konnte und wie vielseitig sie in wechselnde Kontexte schon seit den 1940er Jahren eingebaut wurde.

Im Zusammenhang mit der Ausstellung in der Pierre Matisse Gallery 1944 traten weitere Unsicherheiten der Rezipienten offen zutage, ein Bruch, der sich jedoch abseits der medialen

271 BRETON 1957: 116, Anmerkung 31. 272 BREUNINGEN, MARGARET: „Lam's magical Incantations”. In: The Art Digest, 1. Dezember 1945: 16. 273 SIMS, LOWERY STOKES: „Myths and Primitivism: The Work of Wifredo Lam in the Context of the New York School and the School of Paris, 1942-1952”. In: Wifredo Lam and his Contemporaries 1938-1952. The Studio Museum of Harlem New York, 6. Dezember 1992 - 11. April 1993, New York 1993: 75.

78 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Öffentlichkeit abspielte. Das MoMA zeigte unter dem Titel „Modern Cuban Painters“ eine

Ausstellung der sogenannten kubanischen Avantgarde, an der sich LAM nicht beteiligte. Viel- mehr zeigte er zeitgleich in der Pierre Matisse Gallery die Einzelausstellung „Lam

Paintings“. Dort war auch das soeben fertiggestellte Bild La Jungla zu sehen. LAMs Bestre- ben, sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb von Kuba klar als Europäer, vor allem in Abgren- zung zur kubanischen Avantgarde zu positionieren, trat hier offen zutage.274 Durch die

Vermittlung von ANDRÉ BRETON kaufte ALFRED BARR das Bild La Jungla, aber auch zugleich die gesamte kubanische Avantgarde-Ausstellung für das MoMA an. Die Summen, die für die kubanische Kunst gezahlt wurden, müssen sich in erheblicher Diskrepanz zur Summe des Einzelankaufs von La Jungla bewegt haben. Diese offenkundige Bewertung verstärkte den ohnehin bestehenden Ruf LAMs, arrogant zu sein bei seinen kubanischen Landsleuten275 und provozierte das New Yorker Publikum und die kubanische Avantgarde gleichermaßen. Warum der Ankauf die New Yorker reizte, darüber kann nur spekuliert werden. GUILBAUT weist daraufhin, dass die Aktionen und Präsentationen der Avantgarde zwar zunächst das Publikum irritierten, doch „1943 waren die Surrealisten schon seit zwei Jahren in New York, und die Öffentlichkeit hatte sich bereits an die Extravaganzen gewöhnt.“276 Das „Primitive“ wurde durch den avantgardistischen Filter als Bestandteil der Kunst angenommen, was nicht heißen soll, dass dem „eigenen inneren Anderen“ politische und soziale Gleichberechtigung zuge- sprochen wurde – die Anerkennung der „Negerkunst“ bedeutete nicht die Achtung und Wert- schätzung ihrer Produzenten. War die Empörung gegen den Ankauf rassistisch motiviert?

BENITEZ deutete dies an.277 Sie beschrieb die gemeinsamen Aufenthalte in New York und sagte, viele wären es nicht gewohnt gewesen, mit einem Mann „dunkler Hautfarbe“ nach den abendlichen Vernissageempfängen an einem Tisch zu sitzen. Die Leute empfanden LAMs Anwesenheit als „seltsam“278. Echauffierte man sich im bürgerlichen Milieu also weniger über die Ankaufspolitik von BARR, der die europäische Avantgarde mit Vorzug sammelte, als viel- mehr über das Zugeständnis, einem Vertreter der „primitiven Anderen“ direkten Zugang zur

274 LAM grenzte sich auf Kuba deutlich von den Künstlern der dortigen Avantgarde ab. Nur sehr selten präsen- tierte er sich in gemeinsamen Ausstellungen. Er legte Wert darauf, nicht mit den anderen kubanischen Künst- lern in Verbindung gebracht zu werden. (Vergl. nähere Ausführungen zum Verhältnis LAM und die kubanische Avantgarde in Kapitel III 3.3 WIFREDO LAM und die Revolution sowie in Kapitel IV 1 La Jungla – Der Dschungel (1943). 275 Womöglich waren die Kubaner auch verstimmt, weil sie auf LAM neidisch waren – so stellte es zumindest HELENA BENITEZ im Interview 2001 dar. 276 GUILBAUT 1983: 97. Und weiter: „Selbst dem Mann auf der Straße waren sie vertraut, zieht man etwa Salvador Dalís Ausstellungen in den Schaufenstern großer New Yorker Warenhäuser in Betracht. Max Ernst galt als Liebling der Damen und Museen, Matta, der junge Exzentriker, wurde von Künstlern ernst genommen, und Masson machte seine automatischen Zeichnungen. Das Unbewusste war keinem mehr unbekannt.“ 277 Interview mit HELENA BENITEZ der Autorin in Saarbrücken 2001. 278 Ebenda.

79 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Kunstinstitution MoMA und damit zur „weißen“ Gesellschaft zu gewähren? Richtete sich der

Protest gegen das Zugeständnis, LAMs Kunst und ihn als gleichwertigen Künstler neben die

Ikonen der europäischen Avantgarde zu stellen? Wenn dem so war, wusste BARR dies zu stei- gern, indem er La Jungla direkt neben Les Demoiselles hängte und die parallele Rezeption der beiden Bilder und auch der beiden Künstler vorgab.

In diesen Ausführungen zeigt sich, wie komplex die unterschiedlichen Kulturdiskurse jener

Zeit in die Rezeption des LAMschen Werkes einflossen und wie schwierig es angesichts dieser turbulenten Jahre während des Zweiten Weltkrieges ist, die Richtungen und Interessen der einzelnen Kulturakteure auseinander zu halten. Denn hier verzahnten sich die persönlichen

Interessen von ANDRÉ BRETON mit dem Wunsch der US-amerikanischen Intellektuellen nach einer neuen konzeptuellen Orientierung in Bezug auf die einheimische Kunst und Kultur. Das „Primitive“, das unter surrealistischem Vorzeichen ebenso wie unter der neuen Ausrichtung der Vertreter der New Yorker „New School“ eingebunden wurde, gab die legitimatorische

Basis für BRETON und den Ausgangspunkt für die US-amerikanischen Intellektuellen und deren Neuorientierung. Das LAMsche Werk passte in beide Argumentationsstränge, die darin als wichtigsten Impuls das „Authentische“, das „Primitive“ und damit „Ursprüngliche“ für die eigene Weiterentwicklung verwirklicht sahen. Die „exotische Andersartigkeit“, LAMs Ethnizi- tät, wirkte dabei bezeugend und schien die Vereinnahmung zu legitimieren.

Bis heute greift die Klassifizierung des LAMschen Werkes im Rahmen des Surrealismus besonders stark. Nach dem Zweiten Weltkrieg verstärktes sich in den 1960er Jahren diese

Rezeption international erneut.279 In diesem Zusammenhang wurde auch LAMs Kunst unter Titeln wie „Marche autour du Surréalisme“280, „Metamorphosen, Surrealismus heute“281 oder „Dada, Surrealism and their Heritage“282 in Kollektivausstellungen gezeigt. Zu diesem Zeit-

279 Vergl. beispielsweise: GRAU, MARIANO: „Lam, el Surrealismo y Cuba“. In: El Mundo, 23. November 1947: 22. // DORIVAL, BERNARD: „Fantômes du Surréalisme“. In: Les Nouvelles Litteraires, No. 1037, 17. Juli 1947. // SCHMIED, WIELAND: „Mehr Négritude als Surrealismus: Der Maler aus der Karibik”. In: Merian 7: XLIII/C: 92. Darin: „Wurde sie (Lams Malerei) anfänglich mit gutem Recht der zweiten Welle des Surrealis- mus zugerechnet – in der Tat war Wifredo Lam der letzte Surrealist von originärer Kraft, der zum Kreis um André Breton stieß – so wird sie heute mit Nachdruck für die Sache der Négritude reklamiert.“ Die Interpre - tation der LAMschen Kunst bekam in den 1950er Jahren jedoch auch eine stärker auf Kuba fokussierte Aus- richtung. Die Rezeption des Werkes konzentrierte sich auf den lateinamerikanischen, vor allem kubanischen Kontext. Bis auf wenige Ausnahmen erschienen Beiträge zu WIFREDO LAM vornehmlich in Havanna. LAM be- teiligte sich erstmals 1959 an der documenta 2 (ebenfalls an der documenta 3, 1964), die vor allem die Kunst der Nachkriegszeit und Vertreter des US-amerikanischen Abstrakten Expressionismus zeigte. Auch in diesem Zusammenhang schien LAMs Kunst konzeptuell integrierbar. 280 Caen (France) Théâtre-Maisson de la Culture, 1965. 281 Leverkusen (Deutschland), Städtisches Museum, 1965. 282 New York (USA), Museum of Modern Art, 1968.

80 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN punkt kam jedoch eine weitaus dominantere Lesart des Werkes hinzu, die sich bis in die 1990er Jahre festigen sollte. Die gesteigerte Aufmerksamkeit von Seiten des „Westens” galt nun der sogenannten Dritten Welt sowie dem lateinamerikanischen Kontinent. Die Ausstel- lungen, an denen sich LAM deshalb nach seiner Rückkehr nach Paris Mitte der 1950er Jahre beteiligte, waren dominiert durch Projekte mit Titeln wie: „L' Art latino-américain à Paris“283, „Arte Fantastica“284 oder „Art of Ancient and Modern Latin Americans in US -

Collections“285. Auch im deutschsprachigen Raum wurde LAM in Kollektivausstellungen unter dem Aspekt des Surrealismus rezipiert und das Werk mit lateinamerikanischem Bezug auf das „Magisch-Mystische“ fokussiert. So lesen sich Titel wie beispielsweise „Idole und Dämonen“286, „Reiche des Phantastischen“287 oder „Malerei des Surrealismus von den Anfän- gen bis heute“288 als eine logische und ideologisch erhabene Verbindung aus Surrealismus und

Primitivismus, die LAM für die Betrachter seiner Bilder ästhetisch bezeugen konnte. Aber auch Ausstellungsprojekte neueren Datums schließen an die surrealistische Kategorisierung des Werkes an. So war LAM in den Ausstellungen 2002 des „La Révolution surréaliste“, 2000 im Musée d' Art moderne et contemporain in Straßburg unter dem Titel „Les surréalistes en exil et les débuts de l'école de New York“ oder auch im New Yorker Solo- mon R. Guggenheim Museum 1999 unter dem Titel „Surrealism: Two Private Eyes“ vertreten – weitere Beispiele ließen sich anführen.289

Die am „Westen“ und Europa orientierte Rezeption, die von BRETON ausging und bis heute von europäischen Kuratoren wiederholt wird, ist nur eine Facette der Interpretation des

LAMschen Œuvre. Parallel zur Idee BRETONs, den lateinamerikanischen Kulturraum zum surrealen Territorium zu erklären und in seine Ausführungen zu integrieren, zeichnet sich unter der Federführung von ALEJO CARPENTIER und ab den 1950er Jahren auf Kuba verstärkt von FERNANDO ORTIZ ein weiterer mächtiger Diskurs zur kulturellen Identität Lateinamerikas ab. Dieser allerdings wurde von lateinamerikanischer Seite geführt und sollte einen Gegenent- wurf zur europäischen Position darstellen. Der Definition des Real-Magischen, „de lo real maravilloso“ Lateinamerikas kam eine Schlüsselfunktion zu. Durch ihre Ausführungen erlangte LAM schließlich auch Aufmerksamkeit und Anerkennung in der sogenannten Dritten

283 Paris (France) Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris, 1962. 284 Trieste (Italien) Museo de Castello di San Giusto, 1964. 285 New Orleans (USA), The Isaac Delgado Museum of Modern Art, 1968. 286 Wien, Museum des 20. Jahrhunderts, 1963. 287 Recklinghausen, Städtische Kunsthalle, 1968. 288 Hamburg, Kunstverein, 1969. 289 Eine Auflistung aller Einzel- und Kollektivausstellungen, an denen LAM beteiligt war, findet sich bei LAURIN-LAM, LOU: Lam. Catalogue Raisonné of Painted Work. Volumen I und II, 1996/2002.

81 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Welt. Wie komplex sich die vorangegangenen Ausführungen der zuletzt genannten Protago- nisten in den eigenen inneren Diskurs der kulturellen Vergewisserung Lateinamerikas und Kubas mischten, soll im folgenden Kapitel aufgezeigt werden.

82 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

3 Der lateinamerikanische Diskurs zur kulturellen Identität Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzten in Lateinamerika und in der Karibik Unabhängigkeits- bewegungen ein. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass sich ein von Europa distanziertes politisches Selbstverständnis ausbilden konnte, das sich in der Ausformulierung der eigenen kulturellen Identität spiegelte. Es erstarkte ein Bewusstsein für den besonderen Naturraum, der Flora und Fauna sowie für die jeweiligen kulturellen Traditionen der präkolonialen Zeit. Auf Kuba war der kulturelle Anschluss an eine Zeit vor der Kolonisation kaum möglich. Über die Jahrhunderte hatten sich so gut wie keine Zeugnisse der Ureinwohner Kubas – der Nañi- gos – erhalten. Dieser Umstand bewirkte, dass die Kubaner, wie viele andere Karibikstaaten auch, ihre kulturelle Identität in der Betonung des „schwarze Elements“ verkörpert sahen und noch heute sehen.290

Gleichzeitig mit der gewünschten Abgrenzung zu Europa und der Betonung der eigenen kulturellen Identität bezogen sich manche Lateinamerikaner jedoch auch auf die „Moderne“, in dem Wunsch an Europa anzuschließen.291 Diese scheinbare Ambivalenz ist nachvollziehbar, schließlich hatten sich viele Intellektuelle lange Zeit in Europa aufgehalten und fühlten sich den „modernen“ Ideen aber ebenso der Kultur ihres Heimatlandes verbunden. So auch der

Kubaner ALEJO CARPENTIER. CARPENTIER verstand sich als einer der Wortführer des erstarken- den lateinamerikanischen und karibischen Selbstverständnisses. Er hatte sich vor 1940 lange und oft in Europa, vor allem in Paris, aufgehalten. Doch anstatt die Möglichkeit einer mehrfa- chen intellektuellen Zugehörigkeit zu betonen, fokussierte sich CARPENTIER auf die Beschrei- bung eines vermeintlich authentischen Natur- und Kulturraumes Lateinamerikas und der Kari- bik. Amerika sei seiner Meinung nach „por la virginidad del paisaje, por la formación, por la ontología, por la presencia fáustica del indio y del negro, por la revelación que constituyó su reciente descubrimiento, por los fecundos mestizajes”292 gekennzeichnet. Für ihn stellte sich die Geschichte des Kontinents als „una crónica de lo real-maravilloso”293 dar, eine Formulie- rung, die bald essentiell für die Beschreibung kultureller Identität in der lateinamerikanischen Rezeption wurde.

290 Vergl. hierzu auch Kapitel III 3.3 WIFREDO LAM und die Revolution. 291 SCHEPS 1999: 17. 292 CARPENTIER, ALEJO: „De lo real maravilloso americano“. In: PALLEIRO, CARLOS (Hrsg.): Obras Completas de Alejo Carpentier. Vol. 13, ensayos, Mexico 1990: 117. [Ü: „durch seine jungfräuliche Landschaft, seine geo- logische Formation, seine Ontologie, durch die faustische (Synonym zu: wißbegierig, wissendurstig, von Neugier erfüllt, vorwitzig, sensationslüstern) Präsenz des Indios und Schwarzen, durch die Offenbarung, die seine neue Entdeckung darstellt, durch das fruchtbare Mestizentum“]. 293 CARPENTIER 1990: 117. [Ü: „eine Chronik des wunderbar Wirklichen“].

83 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Den Ausdruck „real-maravilloso” nutzte CARPENTIER ein erstes Mal in der Einleitung zu seinem Buch „El reino de este mundo“294. Das Vorwort, das schnell unabhängig vom eigentli- chen Roman zur Bezugsquelle avancierte und durch die vielfache Wiederholung in Abhand- lungen und Zitaten vor allem des Wortes „maravilloso“ zum eigenständigen Text wurde, gab schließlich der Stilrichtung ihren Namen, die – unabhängig von jeglichen Unterschieden – den lateinamerikanischen Kulturraum bis heute festschreibt: der Magische Realismus Lateiname- rikas.295 In der Übersetzung ins Deutsche findet „maravilloso“ seine Entsprechung in Worten wie „mystisch“, „magisch“, „wunderbar“, mit denen auch das Werk von WIFREDO LAM beschrieben wird. Daneben sind Wortvarianten des Magischen Realismus als „Fantastischer Realismus“ oder „Ausdruck einer fantastischen Kunst“ zu finden.

3.1 Ein Bild für Lateinamerika:

La Jungla in CARPENTIERS wunderbaren Wirklichkeit

In LAMs Werk sah CARPENTIER die karibische Alltagsrealität gespiegelt. In einem 1944 veröf- fentlichten Artikel296 stellte der Kulturhistoriker ausführlich dar, wie das LAMsche Werk Kuba, aber auch all die anderen Inseln der Karibik ästhetisch nachbilde. Darin hieß es: „Lam comenzó a crear su atmósfera por medio de figuras en las que lo humano, lo animal, lo vege- tal, se mezclaban sin delimitaciones, animando un mundo de mitos primitivos, con algo ecuménicamente antillano, profundamente atado, no sólo al suelo de Cuba, sino al de todo el rosario de islas.“297 Vier Jahre später nahm CARPENTIER Textpassagen dieser Ausführungen zum LAMschen Werk erneut auf und überschrieb seinen Artikel mit „Lo Real Maravilloso de

Nuestra America“. Sinn und Zweck dieses Artikels war es, auf CARPENTIERS neu erschienenen Roman „El reino de este mundo“ hinzuweisen. Das Vorwort des Buches hatte er herausgelöst und in der Zeitschrift El Nacional abdrucken lassen. In der Mitte seines Artikels zeigte

CARPENTIER das imposante Bild La Jungla. Es sollte seinen Ausführungen des „Real Maravil- loso“ Lateinamerikas als ästhetische Beweisführung dienen. Denn zentral in den Artikel

294 CARPENTIER, ALEJO: El reino de este mundo. Editorial Pueblo y Educación, Havanna 1949. 295 Der Ausdruck ist nicht zwingend die „Erfindung“ CARPENTIERs. Einer der ersten, die den Begriff nutzten, war FRANZ ROTH, deutscher Kunstkritiker, der sein Buch „Nach-Expressionismus. Magischer Realismus. Pro- bleme der neusten europäischen Malerei“ bereits in den 1920er Jahren veröffentlicht hatte. Unter Verweis auf: RODIGUEZ MONEGAL, EMIR: „Lo real y lo maravilloso en El reino de este mundo”. In: Revista Iberoame- ricana 37, 1971: 620. 296 CARPENTIER, ALEJO: „Reflexiones Acerca de la Pintura de Wifredo Lam”. In: Gaceta del Caribe, Havanna, Juni 1944: 27. 297 CARPENTIER 1944: 27. [Ü: „Lam begann seine Atmosphäre mithilfe von Figuren zu schaffen, in denen sich das Menschliche, das Tierische, das Pflanzliche ohne Abgrenzung vermischen, um dabei eine Welt der primi- tiven Mythen mit etwas [ökumenisch?] Antillenhaftem zum Leben zu erwecken, das nicht nur dem Boden Kubas, sondern mit der ganzen Inselreihe tief verbunden ist.“]

84 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN gesetzt, bezogen sich Bild und Sprache aufeinander und verband sich argumentativ schlüssig das lateinamerikanische „wunderbar Wirkliche”, wie es CARPENTIER vordachte.298 Ungeachtet aller Unterschiede, die sich bereits oberflächlich betrachtet zwischen Lateinamerika und der

Karibik finden, band CARPENTIER das LAMsche Werk in die lateinamerikanische Kultur ein.

Bei aller Abgrenzung zu Europa ist auffällig, dass CARPENTIERs Beschreibungsrhetoriken mit jenen der europäischen Avantgarde nahezu identisch sind. So beschrieb er 1944 das LAMsche Werk folgendermaßen: „La realidad y el sueño se confunden. La poesía y la plástica se hacen una.“299 Diese Zeilen ließen sich problemlos ebenso BRETON zuschreiben. Auch in

CARPENTIERs Beschreibung des „real-maravilloso“ scheinen Rhetoriken der Surrealisten anzu- klingen – die deutliche Abgrenzung hingegen blieb in seinen Ausführungen vage, undifferen- ziert, zuweilen schwer verständlich, wenn auch nicht weniger nachdrücklich. So führte

CARPENTIER in Bezug auf das LAMsche Werk aus: „Lo maravilloso comienza a serlo de manera inequívoca, cuando surge de una inesperada alteración de la realidad (el milagro), de una revelación privilegiada de la realidad, de una iluminación inhabitual o singularmente favorecida de las inadvertidas riquezas de la realidad, de una ampliación de las escalas y cate- gorías de la realidad – percibidas con particular intensidad en virtud de una exaltación del espírtu que lo conduce a un modo de 'estado límite'.“300 CARPENTIER bestand auf dem unbe- dingten und exklusiven Recht der Amerikaner, das Wunderbare ihres Kulturraumes zum Ausdruck zu bringen. Den Europäern, die es zuvor gesucht und versucht hatten, sprach er die Möglichkeit einer Reflexion darüber ab. Einfallslos und bürokratisch hätten die Surrealisten sinnentleerte kodierte Bilder hervorgebracht, in denen sich das Wunderbare in einer Nähma- schine oder einem Regenschirm zeigen sollte.301 Vielmehr bedürfe es eines Künstlers wie

298 Die Kritik an Europa und dessen Vereinnahmung des „Wunderbaren” Lateinamerikas wurde bereits vor CARPENTIER und wesentlich früher in Brasilien ausgeführt. Unter dem Namen „Das Antropophagische Mani- fest“ des Brasilianers OSWALD DE ANDRADE, 1928 veröffentlicht, richtete sich die Proklamation gegen das Ko- loniale und Postkoloniale, gegen die Vereinnahmung des Westens und prophezeite ein alles „Andere” ver- schlingende Lateinamerika. (DE ANDRADE, OSWALD: „Das Antropophagische Manifest”. In: Revista de Antro- pofagia, Nr. 1, Sao Paulo 1928 (siehe auch LETTRE International, Nr. 11, 1990: 40-41.)) 299 CARPENTIER 1944: 27. [Ü: „Die Realität und der Traum werden austauschbar. Die Poesie und die Kunst ver- einen sich.“] 300 CARPENTIER, ALEJO: „Lo real Maravilloso de América”. In: El Nacional 4. August 1948. [Ü: „Das Wunder- bare beginnt eindeutige Form anzunehmen, wenn es als eine unerwartete Veränderung der Wirklichkeit (als Wunder) auftritt, als privilegierte Offenbarung der Wirklichkeit, als ungewöhnliche Erleuchtung oder, einfach begünstigt durch unentdeckte Reichtümer der Wirklichkeit, als Erweiterung der Skalen und der Kategorien der Wirklichkeit, die mit einer besonderen Intensität kraft einer Lobpreisung des Geistes begriffen wird und ihn in eine Art Grenzzustand überführt.”] 301 „De ahí que lo maravilloso invocado en el descrimiento – solo lo hicieron los surrealistas durante tantos años – nunca fue sino una artimaña literaria, tan aburrida, al prolongarse, como cierta literatura onírica 'arre- glada', ciertos elogios de la locura. [Ü: „Daher war das ungläubig beschworene Wunderbare – woran sich die Surrealisten so viele Jahre hindurch versuchten – nie mehr als ein literarischer Kunstgriff, so langweilig in seiner Wiederholung wie jene regelrecht produzierte Traumliteratur, jene Lobreden auf die Verrücktheit, von

85 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

WIFREDO LAM, der „den Zauber der tropischen Vegetation, die zügellose Formgestaltung unse- rer Natur – in all ihren Metamorphosen und Symbiosen – mit einer für die zeitgenössische Malerei einzigartigen Ausdruckskraft in monumentalen Gemälden vor Augen“302 führen könne.

ALEJO CARPENTIERS Abgrenzung von Europa scheint gut begründet, ist jedoch nur bedingt nachvollziehbar. CARPENTIER hatte in Paris studiert und sich erst unter der Anleitung der Surrealisten für die Traditionen der lateinamerikanischen Länder zu interessieren begonnen.303

Zurück in Kuba formulierte CARPENTIER in auffälliger Distanzierung zum europäischen Surrealismus seine Vorstellungen einer allgemein gültigen, lateinamerikanischen Kulturrezep- tion. So behauptete er zwar, sich bereits in Paris vom Surrealismus innerlich gelöst und Amerika zugewandt zu haben, doch weist gerade „El reino de este mundo“ eine starke, surrealistische Note auf. Im Vorwort nahm er diese zwar programmatisch auf, löste die Ästhe- tik des Surrealismus jedoch aus ihrem Kontext; das heißt, er „amerikanisierte“304 sie und nahm „nun für seinen Kontinent das Heimatrecht für die surrealistische Formel von der Einheit von Traum und Wirklichkeit und vom Wunderbaren des Alltags in Anspruch“.305

CARPENTIERs Prägung als Ethnologe, Schriftsteller und Kulturwissenschaftler ist ohne den Einfluss der europäischen Avantgarde nicht denkbar; seine Ausführungen zum Magischen

Realismus sind immer auch in diesem Zusammenhang zu lesen. RÖSSNER zeigt auf, dass in

CARPENTIERs Theorie „der Begriff 'Wunderbares' – 'maravilloso' – auf den surrealistischen Kernbegriff 'merveilleux'“ verweist und einzig der Begriff „real“ die Unterscheidung ausma- che.306 Die Aufwertung der eigenen 'Andersartigkeit' definierte CARPENTIER als einen authen-

denen wir uns gänzlich abgewendet haben.“] CARPENTIER 1944: 27. 302 In der deutschen Übersetzung in: STRAUSFELD, MECHTHILD: Materialien zur Lateinamerikanischen Literatur. Frankfurt/Main 1976: 327. CARPENTIER hatte zuvor die Kunst von MASSON als Gegenbeispiel zur LAMschen Kunst eingeführt. „Aber man beachte, wie die wunderbare Wahrheit des Gegenstands André Masson ver- schlang, als der Maler den Urwald der Insel Martinique mit der unglaublichen Verschlungenheit der Pflanzen und der obszönen Promiskuität einiger Früchte zu zeichnen versuchte und sozusagen machtlos vor dem wei- ßen Papier sitzenblieb.” 303 Damit stand CARPENTIER jedoch nicht allein da. Denn Paris prägte das Bewusstsein vieler Lateinamerikaner vor allem dahingehend, dass ihnen eine durch Exotismus und Faszination am „Fremden“ und „Anderen“ ge- lenkte Aufmerksamkeit zuteil wurde, die nachhaltig gerade ihre „Andersartigkeit“ bestätigen sollte. Ähnliche Biografien lassen sich hier anführen. So war auch der Guatemalteke MIGUEL ANGEL ASTURIAS in Paris gewe- sen. Wie RÖSSNER schreibt, sei ASTURIAS im Hörsaal der Universität in Paris als „echter Maya“ „identifiziert“ worden (deren Sprache er im Übrigen nie beherrschte) und daneben von den Surrealisten als „echter Primiti- ver“ angesehen worden. (RÖSSNER, MICHAEL: „Magischer Realismus und mythisches Bewußtsein. Die Litera- tur Lateinamerikas zwischen europäischer Erwartung und lateinamerikanischem Selbstverständnis”. In: ARCHETTI, EDUARDO/MADER, ELKE: Von der realen Magie zum Magischen Realismus. Frankfurt/Main 1999: 106.) 304 RÖSSNER 1999: 107. 305 RÖSSNER 1999: 109. 306 ASTURIAS sagte in einem Interview, dass das Wunderbare für die Surrealisten im dekadenten, rationalisti- schen Europa immer artifiziell bleibe. Hingegen sei es für die Amerikaner „real“. Denn aufgrund ihres Reich-

86 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN tisch-wahren Selbstausdruck. Dieser folgt jedoch den Vorgaben der europäischen Surrealisten, die das Magische und Mythische in der lateinamerikanischen Kulturlandschaften betont hatten. Die Ausführungen der lateinamerikanischen Intellektuellen wurden so zum Spiegel der europäischen Perspektive auf die Natur- und Kultur Lateinamerikas. Es ist denn auch nicht verwunderlich, dass die Surrealisten ihre primitivistischen Ideen durch die lateinamerikani- schen Beschreibungen nachhaltig bestätigt sahen. Die unzureichende Abgrenzung des Magisch-Mythischen vom Surrealen könnte bedeuten, dass die Beschreibung des „real-mara- villoso“ nicht so sehr eine eigene lateinamerikanische Positionierung darstellt. Die Forschung sieht sich deshalb heute mit der schwierigen Frage konfrontiert, ob der Magische Realismus eine eigenständige Position formulierte, oder ob er nicht die europäische Debatte um kultu- relle 'Andersartigkeit' Lateinamerikas wiederholt.

Auch europäische Rezeptionen des LAMschen Werkes bedienten sich des Vokabulars, das

CARPENTIER exklusiv den Lateinamerikanern zugestehen wollte. So ist wiederholt die Rede von „magical power“307, von der „inspiration from mythical and poetic sources“308, von „le prestige d'un merveilleux et redoutable inconnu“309 oder „la conception d'un univers merveil- leux“310. Diese Beschreibungen europäischer Rezeptionen schließen an Ausführungen zum Surrealen ebenso wie zum „Magisch-Realen“ an. Gerade in der Unmöglichkeit, diese vonein- ander zu unterscheiden, zeigt sich erneut die gegenseitige Rückbestätigung der impliziten Diskurse.

tums an indigenen und afrikanischen Bevölkerungselementen verfügten sie noch über den entsprechenden „Wunderglauben“. Vergl. RÖSSNER 1999: 107. In einem Interview von 1968 stellt ASTURIAS außerdem klar: „Ich glaube, der französische Surrealismus ist sehr intellektuell, während der Surrealismus in meinen Bü- chern einen gänzlich Magischen, gänzlich andersartigen Charakter annimmt. Es ist keine intellektuelle Hal- tung, sondern eine vitale, existentielle Haltung. Es ist die Haltung des Indios, der mit seiner primitiven und kindlichen Mentalität das Reale und das der Traumwelt Angehörige vermischt.“ AZAÑA-CLAUDE MIE, MANUEL: „Entrevista con Miguel Angel Asturias, Premio Nobel“. In: Bulletin Hispanique 70/1968: 136. 307 MABILLE 1949: 188. 308 ANONYM. In: The Havana Herald, 22. April 1951: 7. 309 WALDBERG, PATRICK: „Wifredo Lam et les idoles creusculaires!” In: Quadrum 3, 1957: 32. [Ü: „das Ansehen eines wunderbaren und furchterregenden Unbekannten“]. 310 PIEYRE DE MANDIARGUES, ANDRÉ: „W Lam!” In: XXe siecle, Panorama 1974. Le surréalisme II, XLIII 24. [Ü: „die Konzeption eines wunderbaren Universums”].

87 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

3.2 „La cosa negra“ . Kulturelle kubanische Identitätskonstruktionen Auch Kuba bestand nach der endgültigen Unabhängigkeit 1902 auf eine kulturelle Abgren- zung von der ehemaligen Kolonialmacht Spanien. Sie zeigte sich in einem starken nationalen Selbstbewusstsein und in der Betonung der eigenen, kulturellen Identität. Die Loslösung sollte auch im intellektuellen Ausdruck deutlich werden. Allerdings waren die meisten einheimi- schen Künstler und Intellektuelle von Europa geprägt; viele hatten dort studiert und fühlten sich der „Moderne“ verbunden – so auch LAM. Die kubanischen Kulturtheoretiker standen somit vor der Aufgabe, die kulturelle Identität in der Kontinuität der europäischen „Moderne“ zu konzipieren. Gleichzeitig sollte die Besonderheit und Einzigartigkeit der eigenen Kultur deutlich werden. Dieser Widerspruch führte zu ähnlich ambivalenten Diskursen, wie sie auch in Lateinamerika und in den USA geführt wurden. Wie bereits einführend angemerkt, versuchte man auch in Kuba durch das Erbe des spezifisch „schwarzen Elements“ eine neue, nationale kulturelle Identität zu konstruieren.

FERNANDO ORTIZ war einer der einflussreichsten Wortführer dieser Debatte.311 Bevor er jedoch in den 1940er Jahren „la cosa negra“ als positiven Entwurf einer kubanischen Nationalität einführte, hatte er über Zivilisation und Barbarei in der kubanischen Gesellschaft in einer Art geschrieben, die von kolonialen Ideologien des Rassismus geprägt war. Unter anderem heißt es in der Abhandlung zum Proceso de blanqueamiento (Prozess der „Verweißlichung“): „La raza negra es la que bajo muchos aspectos ha conseguido marcar característicamente la mala vida cubana, comunicándole sus supersticiones, sus organizaciones, sus lenguajes, sus danzas, etc., y son hijos legítimos suyos la brujería y el nañiguismo, que tanto significan en el hampa cubana.“312 Deutlich lassen sich in diesen Äußerungen die Rassismen der privilegierten kuba- nischen Oberschicht ablesen. ORTIZ wandte sich jedoch im Verlauf seiner publizistischen Arbeit von derart diskriminierenden Vorstellungen ab.313 Er würdigte stattdessen das

311 Zu ORTIZ Publikationen gehörten unter anderem: Hampa afro-cubana: Los negros esclavos (Die afrokubani- sche Unterwelt: Die schwarzen Sklaven, 1916), Historia de la arqueología indocubana (Geschichte der indo- kubanischen Archäologie, 1922), Contrapunteo cubano del tobaco y el azúcar (Kuba: Kontrapunkt des Ta- baks und des Zuckers, 1940), Martí y las razas (Martí und die Rassenfrage, 1942), Los Bailes y el teatro de los negros en el folclore de Cuba (Tänze und Theater der Schwarzen in der kubanischen Folklore, 1951), La africanía de la música afrocubana (Das Afrikanische in der afrokubanischen Musik, 1955). 312 ORTIZ, FERNANDO: Los negros brujos. Havanna 1917. Zitiert nach: PATTERSON, ENRIQUE: „Cuba: Discurso so- bre le identidad”. In: Encuentros de la cultura cubana 2, Herbst 1996: 57. [Ü: „Die schwarze Rasse ist dieje- nige, die unter vielen anderen Aspekten das schlechte kubanische Leben geformt hat. Im Verbreiten ihres Aberglaubens, ihrer Organisationen, ihrer Sprachen, ihrer Tänze etc. sind sie die legitimierten Kinder der He- xerei und des Nañiguismus, die so sehr für das kubanische Gesindel von Bedeutung sind.“] 313 ORTIZ übertrug das vorherrschende kulturelle Klima auf die kulturelle Debatte Kubas. Schließlich bestand man nun in weiten Teilen Lateinamerikas auf die positive Anerkennung des eigenen inneren „Anderen“, eine Überzeugung, die sich nicht zuletzt bei seinem kubanischen Kollegen ALEJO CARPENTIER deutlich gezeigt hatte.

88 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

„schwarze Element“ als einen festen Bestandteil kubanischer Identität im positiven Sinne. Das spezifisch Kubanische der Kultur wurde nun über das „Schwarze“ definiert. Die afrikani- schen Wurzeln der ehemaligen Sklavenpopulation wurden nicht mehr verleugnet, sondern identitätsstiftend integriert. Die Musik, der Tanz, die Yoruba-Religion, der Synkretismus und die lebendige Mythologie wurden von ORTIZ zu Merkmalen kubanischer Identität stilisiert. Diese Elemente, die sich in dem mystifizierten Bild der „Mulattin“ festigten, haben bis heute Bestand.314

Auch die kubanische Avantgarde grenzte sich zunächst von dem akademischen Kulturbegriff der Engländer und Spanier ab.315 Propagiert wurde eine ästhetische Aufbereitung der kubani- schen Alltagsrealität, der Besonderheiten und die Einzigartigkeit der Natur und der Gesell- schaft. „Dejaban de considerar el negro, la mulata o el guajiro como exponentes del tipismo para hacer de ellos auténticos protagonistas con los que crear una identidad cubana obtenida de la fusión de la cultura rural del guajiro con la vida urbana hispana y barroca.“316 In der Konsequenz malte man vor allem figurativ mit einem starken Hang zum Folkloristischen. Motivisch hielt man am „schwarzen Element“ fest.

Ausstellungen in Havanna wurden unter Titeln wie „Exposición de Arte Nuevo“ (1927)317 und „Arte Cubano Contemporaneo“ (1941) präsentiert. Auch in New York wurde die beschriebene kulturpolitische Linie Kubas verfolgt. In „La Primera Exposición de Arte Moderno“ (1937) und „Pintores Cubanos Modernos“ (1944) präsentierte sich die Avantgarde und wurde unter

314 PATTERSON 1996: 57. Vergl. dazu auch MARTÍNEZ, JUAN A.: „Una introducción a la pintura cubana moderna 1927-1950.” In: Cuba Siglo XX. Modernidad y sincretismo. Centro Atlantico de arte moderno. Las Palmas de Gran Canaria, 16. April - 9. Juni 1996: 44. „La formulación de una identidad nacional colectiva en el arte había comenzado, y La Habana como tema y símbolo cubano se ha mantenido hasta nuestros días en el arte cubano.“ [Ü: „Die Ausbildung einer nationalen, kollektiven Identität in der Kunst hatte begonnen und Havanna hat sich als Thema und stellvertretend als Symbol Kubas bis zum heutigen Tag gehalten.“] 315 In der Hauptsache handelte es sich hierbei um eine Rebellion gegen die bisherigen akademischen Positionen in der Bildenden Kunst der Academia de San Alejandro. Die Kunsthochschule war bereits 1818 gegründet, die Unterrichtsinhalte orientierten sich an spanischen und englischen Vorbildern, beispielsweise in der Land- schafts- und Porträtmalerei. Erstmalig formulierte eine Gruppe von Intellektuellen, die „minoristas“, 1927 in ihrer Zeitschrift Revista de Avance das Ziel, „dar a la pintura un estilo, un lenguaje nacional.“ BORRÀS 1996: 27. [Ü: „... der Malerei einen Stil, einen nationalen Ausdruck zu geben.“] Weitere Informationen zur Gruppe Minorista siehe unter anderem: CAIRO, ANA: El Grupo Minorista y su tiempo. Havanna 1978. Weitere Infor- mationen zur kubanischen Avantgarde siehe unter anderem: VÁZQUEZ DÍAS, RAMÓN/JOSÉ A. NAVARRETE: La Vanguardia. Surgimiento del arte moderno en Cuba. Ensayo de catálogo. Museo Nacional, Havanna 1988. // MARTINÉZ, JUAN A.: Cuban Art and National Identity: The Vanguardia Painters 1927-1950. Gainesville, Uni- versity Press of Florida 1994. 316 BORRÀS 1996: 27. [Ü: „Sie ließen es, den Schwarzen, die Mulattin oder den Guajiro als typisierte Exponate zu betrachten, um aus ihnen authentische Protagonisten zu machen, mithilfe derer sie eine kubanische Identi- tät kreierten, um die Fusion zwischen der ländlichen Kultur des Guajiro und dem urbanen hispanen und baro- cken Leben zu erlangen.“] 317 Vertreten waren hier unter anderem Künstler wie: EDUARDO ABELA, VÍCTOR MANUEL, CARLOS ENRÍQUEZ, MARCELO POGOLOTTI und AMELIA PELÁEZ.

89 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN einem nationalen Stil rezipiert, der sich in der Religiosität und dem eigenen Charakter der kubanischen Alltagsrealität zeige, so die Ausführungen zur Ausstellung 1937.318 ALFRED BARR schrieb im Bulletin des Museums, dass er die kubanische Kunst im Spannungsfeld zwischen einem indigen afrikanischen und einem europäisch kolonialen Einfluss sehe. Er hob die zentralen Elemente in den Bildern hervor: Hahnenkämpfe, Zuckerrohrschneider, Früchte wie Ananas und Papaya, die Farbe, das Licht und die kubanischen Formen und Motive, die sich im Alltag in ganz Kuba wiederfinden lassen. Folkloristische Elemente und Alltägliches seien

Ausdrucksmöglichkeiten der Kunst, die kubanische Identität artikuliert, so BARR.319

Doch nicht alle waren von der offiziellen Linie der kubanischen Avantgarde überzeugt. So

äußerte der kubanische Kunstkritiker GASTON BAQUERO beispielsweise im Zusammenhang mit der Ausstellung in New York 1944, das größte Problem der kubanischen Kunst sei, dass sie keine Seele besitze. Sie habe keinen Tiefgang, ihr fehle der Mut einer stolzen Nation, der Saft der Wurzeln, die sich in der Kunst zeigen könnten. „La cultura no está hecha de nosotros, no está nacida ni nutrida en nuestras entrañas, sino es una cultura a la cual asistimos como hués- pedes apenas solicitados.“320 Ähnlich argumentierte VIGILIO PIÑERA in seinem Artikel von 1944 „Situación y Problemas de la Pintura Cubana Moderna“. Die kubanische Kunst könne weder auf eine artistische noch theoretische Tradition zurückgreifen, die ausreiche, der Bildenden Kunst einen Ausweg aus ihrer Selbstreferenzialität aufzuzeigen.321 Gleichzeitig wies PIÑERA darauf hin, dass Kuba durch die Insellage abgeschlossen und isoliert sei und keine Anregungen von außen erhalte.322 Weniger radikal kritisierte LYDIA CABRERA in einem

318 BORRÀS 1996: 31, Fußnote 10. Zitiert nach: VELÁZQUEZ, JOSÉ SERGIO: „Hallazgo de un arte nacional”. Text zur Ausstellung „Primera Exposición de Arte Nuevo” Havanna 1937. 319 BARR, ALFRED: „Modern Cuban Painters.“ In: MoMA Bulletin, XI, No. 5, New York, April 1944. 320 BAQUERO, GASTON: „La pintura cubana in Nueva York”. In: Diario de la Marina, 29. März 1944: o.S. [Ü: „Die Kultur ist nicht von uns gemacht, sie ist weder aus uns geboren, noch gedeiht sie in uns, vielmehr handelt es sich um eine Kultur, der wir assistieren, wie sich eifrig bemühende Gäste.”] 321 PIÑERA, VIGILIO: „Situación y Problemas de la Pintura Cubana Moderna.“ In: Diario de la Marina, 21. Mai 1944. „Que no teniendo los pintores cubanos una tradición plástica suficiente; privados de la contemplación directa de las obras de la pintura universal, y sin un medio plástico real, vénse constreñidos a preguntarse y responderse por sí mismos; a hacerse de un mundillo, que en razón de su misma proyección teórica no puede ofrecer al artista una salida real, y que acaba por aniquilar una a una las fuerzas reales de este artista.“ [Ü: „Denn die kubanischen Künstler haben keine ausreichende künstlerisch-bildende Tradition; festgelegt auf die direkte Betrachtung der Werke der universalen Kunst, und ohne ein reales künstlerisch-bildendes Medium, sehen sie sich gezwungen, sich immer wieder selbst zu fragen und sich selbst zu antworten; sie bauen sich eine kleine Welt, die wegen ihrer eigenen theoretischen Projektion dem Künstler keinen realen Ausweg bieten kann, was letztendlich dazu führt, dass die Kräfte dieses Künstlers verlöschen werden.“] 322 PIÑERA 1944. „Que la especial situación geográfica de Cuba la hace sujeto de aislamiento, y dificulta, por tanto, la confrontación de arte y vida con otros medios.“ [Ü: „Die besondere geografische Situation Kubas ist von der Isolation abhängig und verkompliziert darüber hinaus die Konfrontation der Kunst und des Lebens mit anderen Medien.“] PIÑERA schließt in diesem Punkt allerdings die Künstler und Intellektuellen aus, die bereits nach Europa gereist waren und auch die dortigen Kunstszenen sehr gut kannten. Die Isolation der In- sel ist für PIÑERA selbst der unglücklichste Umstand, wie er in seinem eindrucksvollen Gedicht „La Isla en Peso“ zum Ausdruck bringt. Das Gedicht ist vor allem in den 1990er Jahren, mit der zunehmenden internatio-

90 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Artikel von 1943: Die kubanischen Künstler in den Galerien seien Amateure, die unfähig seien, eine universale Kunst mithilfe eines kubanischen Vokabulars zu schaffen. In diesem

Zusammenhang wies CABRERA LAM eine Sonderposition zu. Man könne von ihm lernen, wie dieses Ziel zu erreichen sei.323 Der Künstler sei unter diesem Aspekt besonders wichtig.324

Die Zurückhaltung der kubanischen Kunstkritik gegenüber LAM änderte sich erst in den

1950er Jahren. Denn zwei Jahre nachdem CARPENTIER LAM den ästhetischen Ausdruck Latein- amerikas bescheinigt hatte, veröffentlichte FERNANDO ORTIZ die erste Monografie über den Künstler mit dem Titel Wifredo Lam y su obra vista a través de significados críticos325. Die

Abhandlung des einflussreichen Kulturkritikers bescherte LAM mehr Aufmerksamkeit auf

Kuba. Während von 1942 bis 1950 im Schnitt zwei Artikel pro Jahr zu LAM publiziert wurden und es sich häufig nur um kurze Einspalter der kubanischen Presse handelte, erschienen nun drei Mal so viele Artikel wie in den Jahren zuvor. Allein 1950/51 fanden sich 14 Artikel in der

Presse Havannas zu WIFREDO LAM, darunter zwei weitere größere Publikationen von

FERNANDO ORTIZ und EDMUNDO DESNOES.326 Nun wurde es auch möglich, dass LAM 1950 und 1951 jeweils in einer Einzelausstellung in Havanna seine Bilder zeigen konnte327.

Diese erste Monografie zu WIFREDO LAM fasste zunächst die bisherigen Rezeptionen zusam- men. Wichtige Wegbegleiter LAMs wie PICASSO und BRETON wurden genannt. Die Nennung

nalen Isolation Kubas, erneut rezipiert worden, bringt es doch das Befinden vieler Kubaner poetisch zum Ausdruck. VIRGILIO PIÑERA: La Isla en Peso. „La maldita circunstancia del agua por todas partes // me obliga a sentarme en la mesa del café. // Si no pensara que el agua me rodea como un cáncer // hubiera podido dor- mir a pierna suelta.” PIÑERA, VIRGILIO: La Isla en Peso. Havanna 1944. Neuauflage von 1998. [Ü: „Der ver- fluchte Umstand von überall Wasser // zwingt mich, mich an einen Tisch im Café zu setzen // Wenn ich nicht daran denken würde, dass das Wasser mich wie ein Krebsgeschwür umgibt// hätte ich mich mit übergeschla- genen Beinen schlafen legen können.“] 323 CABRERA, LYDIA: „Exposición de Wifredo Lam en New York”. Diario de la Marina, Havanna 29. Dezember 1943. 324 CABRERA 1942A. „Sus cuadros figuran en las colecciones más exclusivistas de Europa y América, y su nom- bre, que ya pertenece a una elevada categoría de artistas, es imperdonable se silencie por más tiempo en Cuba, su propia tierra.“ [Ü: „Seine Bilder sind Bestandteil der exklusivsten Sammlungen Europas und La- teinamerikas, sein Name verbindet sich bereits mit denen hoch angesehener Künstler. Es ist unverzeihlich, sich gegenüber ihm auf Kuba, seiner eigenen Heimat, länger ruhig zu verhalten.“] Interessanterweise scheint CABRERA mit der Unkenntnis ihrer Leser zu rechnen. Denn LAM hatte in Madrid für einige Privatpersonen Porträts gemalt, hatte möglicherweise über LOEB Bilder verkauft und PEGGY GUGGENHEIM hatte zwei Gua- chen des Künstlers von Marseille aus mit nach New York genommen. Der Ankauf von La Jungla geschah erst im Jahr 1943. LAM war somit noch nicht in vielen bedeutenden Sammlungen – von PEGGY GUGGENHEIM einmal abgesehen – vertreten. 325 ORTIZ, FERNANDO: Wifredo Lam y su obra vista a través de significados críticos. Havanna 1950. WIFREDO LAM hatte ORTIZ über LYDIA CABRERA kennengelernt, deren Schwester mit ORTIZ verheiratet war. 326 1950 erschienen zehn Artikel, 1951 erschienen vier Artikel, 1954 erschienen fünf Artikel, 1955 erschienen sieben Artikel usw. 327 Havanna, Parque Central 2. - 20. Mai 1950. Zur Ausstellung erschien ein Katalog: Lam obras recientes 1950. Mit einem Vorwort von FAUSTINO FERNÁNDEZ. Und: Havanna, Galería Sociedad Nuestro Tiempo 7. April 1951, Lam y nuestro tiempo, Paris 1938 - 1951. Katalog mit einem Vorwort von CARLOS FRANQUI.

91 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

dieser europäischen Einflüsse war relevant, wollte ORTIZ doch die „Moderne“ in seinen

Ausführungen berücksichtigen und in deren Kontinuität das LAMsche Werk positionieren.

Doch parallel dazu sollte auch die Trennung von Europa vollzogen werden. ORTIZ versuchte dies, indem er zentrale Begriffe der europäischen Avantgarde aus der Rezeption herauslöste, um sie unter dem Anspruch des authentisch Kubanischen – „la cosas negra“ und der Betonung der „mulatez“ – erneut auf das Werk anzuwenden. Es ist ein umständliches Verfahren, das sich in seinen Ausführungen zum Primitivismus des LAMschen Œuvre nachvollziehen lässt: „Es primitivismo el de Lam no por la cronología de su técnica ni por la nomenclatura de su estilo en la historía del arte, sino por lo atávico de su temario y su simbolismo. Un primiti- vismo ideológico del protoevo, con expresión plástica de los presentes tiempos.”328 Das ambi- valente Verfahren der Abgrenzung bei gleichzeitiger Bezugnahme wirkt konstruiert und undif- ferenziert. Darüber hinaus nahm ORTIZ eine unkritische Vermischung der Ethnizität des Künstlers und der vermeintlichen werkimmanenten Authentizität vor. Er schreibt: „Es primiti- vismo afroide el de Lam, porque éste para su mulatez de su mente y de su pueblo y en la escuela surrealista en que aprendió.”329

Den spezifisch kubanischen Ausdruck des LAMschen Werkes wollte ORTIZ ebenso über die Symbolik und die Religion herausstellen. „Él no pinta sátiros, ni lamias, ni paraísos ni infier- nos, ni jerarquías de dioses, ángeles y demonios, ni una Madonna ni una Venus, ni siquiera orishas ni babujales; su arte místico es anicónico.”330 Doch auch hier blieben seine Ausfüh- rungen vage. ORTIZ ließ den Leser der Monografie im Unklaren, worin er den „anachronisti- schen“ Ansatz des LAMschen Werkes sah. Die Rhetorik des Kulturwissenschaftlers fußt meist auf einer verschlüsselten, umschreibenden und verschlungenen Ausdrucksweise, deren Argu- mentationsstrang auf Thesen und Antithesen basiert.331 Auch Schlüsselbegriffe wie „mulatez“

328 ORTIZ 1950: 13. [Ü: „Das ist Primitivismus, eben jener von Lam, und zwar nicht wegen der Chronologie sei- ner Technik, nicht wegen der Nomenklatur seines Stils in der Kunstgeschichte, sondern wegen der Ursprüng- lichkeit seiner Themen und seiner Symbolik. (Es handelt sich um) einen vorzeitlichen, ideologischen Primiti- vismus mit einem künstlerischen Ausdruck der gegenwärtigen Zeiten.“] (Anmerkung: Das Wort protoevo existiert im Spanischen nicht. Es kann jedoch als etwas „Vorzeitliches“ übersetzt werden.) 329 ORTIZ 1950: 13. [Ü: „Der Primitivismus von Lam ist ein afroider, wegen der 'mulatez' seines Geistes und der seiner Herkunft und wegen der surrealistischen Schule, in der er gelernt hat.“] 330 ORTIZ 1950: 8.[Ü: „Er malt keine Teufel, keine Lamias] (Anmerkung: Lamia = südamerikanisches kamelar- tiges Wild- und Haustier), [keine Paradiese und keine Höllen, keine Hierarchien von Göttern, Engeln und Dä- monen, keine Madonna und keine Venus, noch nicht einmal Orishas oder Babujales] (Anmerkung: karibi- scher „Hexenglaube“), [seine mystische Kunst ist „anicónico“] (Anmerkung: vermutlich ein Rechtschreib- fehler im Wort „anicónico”. Am ehesten trifft in diesem Zusammenhang das Wort „anacrónico“ = anachro- nistisch zu.) 331 Ein weiteres Beispiel für eine solche Argumentation ist: „La pintura de Lam no es monoteísta, ni politeísta, ni siquiera panteísta; sus elementos religiosos son preteístas.” [Ü: „Die Kunst von Lam ist nicht monotheis- tisch, nicht politheistisch, seine religiösen Elemente sind vorgöttlich.“] (preteista – keine spanische Vokabel, Wort eigentlich nicht existent). ORTIZ 1950: 12. Oder: „Ni arriba ni abajo de la real, sino fuera de la realidad.”

92 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN oder „primitivismo“ nutzte er undifferenziert und kontextlos. In dem Verfahren liegt die große

Schwäche dieser ersten ausführlichen Abhandlung zum LAMschen Werk. Möglicherweise ist die komplizierte Beschreibungsrhetorik auch ein Grund dafür, weshalb in folgenden Rezeptio- nen die Monografie als Bezugsquelle praktisch keine Beachtung fand.

Die Ausführungen von ORTIZ wie jene von CARPENTIER waren für die Ausformulierung einer nationalen kubanischen Identität nach der Revolution 1959 von großer Bedeutung. Im Zusam- menspiel zwischen der Konstruktion von kultureller Identität, der durch eine nationale Ästhe- tik Ausdruck verliehen werden sollte, und den Ausführungen der kubanischen Kulturelite zur

„cubanidad“ erlangten WIFREDO LAM und das Œuvre im weiteren Verlauf unter der neuen, postrevolutionären Regierung endgültig einen Kultstatus.

3.3 WIFREDO LAM und die Revolution

Der „Revolutionsführer“ FIDEL CASTRO, aber vor allem sein Kultur- und Innenminister

ERNESTO (CHE) GUEVARA schickten sich zu Beginn der 1960er Jahre an, die Kultur in den Dienst der revolutionären Idee zu stellen und als propagandistisches Werkzeug anzusehen. Dabei bereitete die Suche nach einer nationalen Identität den Ausgangspunkt ihres Programms mit politischer Zielsetzung. GUEVARA veröffentlichte im Jahre 1965 El socialismo y el hombre de Cuba (Der Sozialismus und der Mensch in Kuba). Darin hieß es unter anderem, dass sich die kubanische Identität in der Kultur wiederfinden solle. Ihre Aufgabe es sei, „por la vía de la 'conciencia', la que provocaría la inflexión necesaria para generar el hombre nuevo, un sujeto desprovisto de intereses materiales, sin un pasado capitalista, alejado de la mercancía y de las mezquinades del dinero.“332 Der Auftrag der Kultur nach 1959 war jedoch nicht revolutionär anders, sondern hielt sich sehr stringent an die Rhetoriken der Jahrzehnte davor. Nicht nur, dass CARPENTIERS und ORTIZ' kulturtheoretische Kritiken weiterhin aufmerksam gelesen wurden. Auch die postrevolutionären Ausführungen zur kulturellen Identität und deren ästhe- tische Umsetzung glichen denen der einheimischen Avantgarde.

[Ü: „Weder über noch unter dem Realen (übernatürlich // unternatürlich), sondern außerhalb der Realität.“] ORTIZ 1950: 11. 332 DE LA NUEZ, IVÁN: „Al encuentro de los pasos perdidos.” In: Cuba Siglo XX. Modernidad y sincretismo. Centro Atlantico de arte moderno. Las Palmas de Gran Canaria, 16. April - 9. Juni 1996: 63. [Ü „Über den Weg des 'Bewusstseins', das den notwendigen Wendepunkt herbeiführen wird, um einen neuen Menschen, ein Subjekt bar jeglicher materieller Interessen, ohne kapitalistische Vergangenheit, weit entfernt von materi- ellen Gütern und Geldmechanismen zu schaffen.“]

93 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Noch während seines Aufenthaltes auf Kuba in den 1940er und 1950er Jahren legte LAM großen Wert darauf, nicht mit der kubanischen Avantgarde in Verbindung gebracht zu werden. Paradoxerweise wurde er jedoch nach der Revolution mit denselben Beschreibungsrhetoriken und sogar in deren Kontinuität rezipiert, was den Ikonencharakter und Künstlermythos festigte. Man fokussierte sich auf LAMs Kreolität und seine Kenntnisse der afrikanischen Magie und Mythen. Dies – so betonte man – habe der Künstler besonders nach seiner Rück- kehr auf Kuba ästhetisch im Werk umgesetzt.333 Hinweise darauf geben Ausführungen zu seinem Œuvre. So beschreibt BUENO LAMs Werk als „selvática y mágica“, als „fetiches africa- nos aposentan su imagen en estos lienzo de mágica atmósfera” und als „realidad antillana en imágenes de luz y color, de paisajes, sueños y angustias del trópico. (...) Lam captó el luju- rioso mundo vegetal que nos rodea, los mágicos símbolos de antiguas teogonías”334. Aber auch die Konfrontation mit dem „anderen“ Kontinent hätte LAMs künstlerischen Ausdruck in Abgrenzung zu Europa ausgebildet: „Lam descubre lo negro de su propia existencia cubana, no a través de su madre mulata, sino después del deslumbramiento de Picasso y Matisse frente al arte africano. Es en Europa ... donde Lam aprende a ver lo cubano auténtico.”335 Erneut zeigt sich an diesen Zitaten, wie man versuchte, den spezifisch kulturellen Ausdruck in der Kontinuität der „Moderne“ zu lesen. Diesem schwierigen Unterfangen der Abgrenzung von und des Rückbezugs auf Europa konnte LAMs Kunst einen bildhaften Ausdruck geben.

Wie die meisten Intellektuellen in den 1960er Jahren erklärte sich auch WIFREDO LAM mit der kubanischen Revolution und FIDEL CASTRO solidarisch.336 Der kubanische Sozialismus stellte für ihn die humane Befreiung des Landes nach langer zunächst kolonialer und anschließender diktatorisch US-amerikanischer Fremdherrschaft dar, eine Sichtweise, die international viele mit ihm teilten und die angesichts des Umstandes, dass Kuba seit 1959 erstmalig frei ist, nachvollziehbar wird. 1963 reisten LAM und seine Frau LOU-LAURIN LAM erstmals nach der Revolution offiziell nach Kuba. In Havanna wurden sie frenetisch empfangen. In der einhei-

333 Siehe beispielsweise: BUENO, SALVADOR: „Lam“. In: Bohemia, No. 21, Havanna, 24. Mai 1963: o.S. 334 BUENO 1963. [Ü: „urwaldmäßig und magisch“, „in diesen Gemälden der magischen Atmosphäre beherber- gen seine Figuren afrikanische Fetische“ und „antillische Realität in Bildern des Lichts und der Farbe, der Landschaft, Träume und der tropischen Beklemmung. (...) Lam hielt die wollüstige vegetative Welt, die uns umgibt, und die magischen Symbole einer alten Theogonie fest.“]. 335 DESNOES, EDMUNDO: „Wifredo Lam y la forma“. In: Espacio, Havanna 1950: o.S.. [Ü: „Lam entdeckt das Schwarze seiner eigenen kubanischen Existenz nicht über die mulattische Mutter, sondern nach der Erleuch- tung durch Picasso und Matisse im Angesicht der afrikanischen Kunst. Es ist in Europa ... wo Lam lernt, das authentisch Kubanische zu sehen.“] 336 LAM behielt sein Leben lang die kubanische Staatsbürgerschaft bei. Außerdem war er 1958 für einen kurzen Aufenthalt in Havanna gewesen und hatte zusehen müssen, wie das „Batista Regime” viele seiner Freunde inhaftierte. Der Druck, der unter der diktatorischen Verwaltung BATISTAs auf die Bevölkerung ausgeübt wur- de, war in Havanna deutlich spürbar.

94 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

mischen Presse erschienen mehrere Artikel, die LAM den Status und die Aufmerksamkeit eines Popstars verliehen. CARPENTIER schrieb enthusiastisch: „Wifredo Lam nos revelaba las posibilidades de un nuevo realismo cubano: porque, y esto deberá subrayarse siempre, el arte del gran pintor se afinca en los valores poéticos, plásticos, expresivos, de una serie de elemen- tos reales que funcionan dentro de nuestro ambiente, de nuestro 'hábitat'. (...) Wifredo Lam se mueve dentro de su mundo que es, a la vez, nuestro mundo.”337 Und er schloss seinen Artikel mit den Worten, die die Euphorie verdeutlicht: „Bienvenido Wifredo Lam, en tu patria transfi- gurada por la Revolución!“338 LAM wurde eine Ausstellung in der Bibliotheca Nacional José Martí ermöglicht.339 Auch hier betonten die Pressestimmen den immanenten Zusammenhang zwischen der LAMschen Ästhetik und der kubanischen Revolution. Zur Vernissage führte

RICARDO PORRO aus: „Si hay una pintura revolucionaria en nuestra época y en nuestro país, lo es la de Wifredo Lam, pues revolución es cambiar radicalmente lo establecido para que se valorice lo humano. (...) Lam ha sido siempre un revolucionario, como hombre y como artista. El mal que plantea en sus cuadros, sólo la revolución podía sentar las bases para suprimirlo.“340

Auch LAM trug zur Mystifizierung seiner Kunst unter authentischem kubanischen Vorzeichen bei und nutzte die internationale Aufmerksamkeit, die die Revolution unter den Intellektuellen der „westlichen Welt“ genoss, um sich, im Gegensatz zu den 1940er und 1950er Jahren, nun stärker denn je im kubanischen Kontext zu positionieren. So war gesichert, dass er auch inter- national Aufmerksamkeit erhielt. Artikel waren beispielsweise überschrieben mit „Lam: Artista que pone el corazón revolucionario de Cuba en sus obras.”341 Darin äußerte sich der Künstler zu seinem Werk: „Mi pintura es el reflejo del drama de mi pueblo y especialmente

337 CARPENTIER, ALEJO: „El regreso de Wifredo Lam”. In: El Mundo, Havanna, 30. April 1963. [Ü: „Wifredo Lam entwickelte für uns die Möglichkeiten eines neuen kubanischen Realismus: weil, und das muss immer unterstrichen werden, die Kunst dieses großen Malers in den poetischen, plastischen, ausdrucksstarken Wer- ten unseres 'natürlichen Lebensraumes' zu finden ist. (...) Wifredo Lam bewegt sich in seiner Welt, die zu- gleich die unsrige ist.“] 338 CARPENTIER 1963. [Ü: „Willkommen, Wifredo Lam, in deiner Heimat, die durch die Revolution verwandelt ist!“] Ein weiterer Artikel eines anonymen Autors trug die Überschrift: „Lam. Artista que pone el corazón re- volucionario de Cuba en sus obras.“ In: Sierra Maestra, Santiago de Cuba, 10. Mai 1963. [Ü: „Lam. Ein Künstler, der sein revolutionäres kubanisches Herz in sein Werk legt.”] 339 Einzelausstellung „Wifredo Lam“. Havanna, Bibliotheca Nacional José Martí, 13. Mai - 13. Juni 1963. Diese Ausstellung wurde danach in Cienfuegos, Camagüey und Matanzas gezeigt. 340 PORRO, RICARDO: Vorwort im Katalog zur Einzelausstellung, Bibliotheca Nacional José Martí 1963. Zitiert in: El Mundo, 14. Mai 1963. [Ü: „Wenn es eine revolutionäre Kunst in unserer Zeit und unserem Land gibt, dann ist es die von Wifredo Lam, denn Revolution ist radikaler Wechsel des Etablierten, damit das Humane aufgewertet wird. (...) Lam war immer ein Revolutionär, als Mensch und als Künstler. Einzig die Revolution kann die Basis bilden, um das Böse, was sich in seinen Werken ausbildet, zu überwinden.“] 341 ANONYM: Sierra Maestra, Havanna 10. Mai 1963. [Ü: „Lam: Ein Künstler, der das revolutionäre Herz Ku- bas in seine Bilder bringt.“]

95 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

del negro.“342 Auch äußerte sich LAM erstmalig öffentlich zum Politischen seiner Kunst. In einem Interview in Havanna mit ALEJO BELTRAN führte er aus: „No he tomado nunca la pintura como un metier de sabiduría. Siempre me ha interesado el drama del hombre por sobre todas las cosas.“343 Wenn Sozialismus dazu beitrage, zu Harmonie und einem besseren

Miteinander zu finden, sei auch seine Kunst sozialistisch, wurde er zitiert.344 LAM führte sein Verständnis zur Aufgabe der Kunst aus, die immer im Kontext ihrer Entstehung zu verorten sei und somit auch die Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst und seiner Umge- bung abfordere. „Yo creo que lo importante en el Arte es el afrontamiento. El pintor debe afrontar los problemas que el mundo plantea al hombre. Quiero decir que debemos cesar de ver los cuadros únicamente en la estrechez de su proporción. Ellos son la vida misma.“345 Mit solchen Äußerungen bestimmte LAM die Sichtweise auf seine Bilder gezielt mit. Noch Ende der 1970er Jahre ließ LAM im kubanischen Umfeld verlauten. „Mi pintura es un manifesto plástico del Tercer Mundo.“346

342 [Ü: „Meine Kunst ist ein Spiegel des Dramas meines Volkes und besonders des der Schwarzen.“] Ebenda. 343 BELTRAN 1963. [Ü: „Ich habe die Malerei niemals als einen Beruf des Wissens verstanden. Mich hat immer das Drama des Menschen in all seinen Ausmaßen interessiert.“] 344 BELTRAM, ALEJO: „Mi pinture es también socialista.” In: Hoy, Havanna, 11. Mai 1963: o.S. 345 EDITH SOREL: „Entrevista”. In: Revolución, 17. April 1963. [Ü: „Ich denke, das wichtigste in der Kunst ist die Konfrontation. Der Maler muss sich mit den Problemen konfrontieren, die die Welt dem Menschen berei- tet. Ich möchte damit sagen, dass wir aufhören müssen, die Bilder einfach nur in den Ausmaßen ihrer Propor- tion zu sehen. Sie sind das Leben selbst.“] 346 SÁNCHEZ, JUAN: „Mi pintura es un manifesto plástico del Tercer Mundo.” In: Bohemia, LXIX, Havanna, 24. Juni 1977: o.S. [Ü: „Meine Kunst ist ein künstlerisches Manifest der Dritten Welt.“] Vergl. Kapitel IV 3 El tercer mundo – Die Dritte Welt (1965/66).

96 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

4 Mystisch, fremd und anders: Neue diskursive Vorzeichen für altbekannte Rezeptionen

Die internationale Rezeption zu LAMs Werk nach dem Zweiten Weltkrieg unterschied sich nicht wesentlich von der in den Jahren zuvor. Doch die Ausführungen wurden durch eine Rhetorik, die sich aus unterschiedlichen Kontexten speiste, immer komplexer. In den 1940er Jahren konnte man die Interpreten, deren Einzelpositionen und Interessen benennen und somit die Konstrukthaftigkeit ihrer Aussagen aufzeigen. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch überlagerten sich vorherige Ausführungen zum Werk und wurden in Diskursen unter zeitgenössischem Vorzeichen neu interpretiert. Altbekannte Aussagen erhielten einen neuen rezeptorischen Rahmen und erschienen so innovativ. Für das LAMsche Werk zeigte sich, dass es auch unter wechselnden Vorzeichen problemlos in unterschiedliche Repräsentationen eingebunden werden konnte.

4.1 Internationale Aufmerksamkeit:

LAM s Repräsentation nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Krieg und seiner Rückkehr nach Europa bekam LAM immer häufiger die Möglich- keit sein Werk in Einzel- wie auch Kollektivausstellungen zu präsentieren. Es wurden viele Artikel publiziert und Ausstellungskataloge herausgegeben.347 Auch wurden einige Bücher zu

LAM verlegt, unter anderem von MICHEL LEIRIS348 und SEBASTIÀ GASCH349. LEIRIS zeichnete zunächst entlang der biografischen Daten die künstlerische Entwicklung nach. Er führte aus, dass „Lam's work appears as the focal point of a mingling of two currents that have united within him: one corresponding to his deliberate will to transcend, and the other to his almost immemorial fascination with the Negro question.“350 LEIRIS betonte wie bereits viele vor ihm die afrikanischen Elemente, den Bezug zum Surrealismus und die Verweise auf die Santeria in den Bildern von LAM. Die Publikation gab einmal mehr einen Überblick und eine Zusammen- fassung vorangegangener Ausführungen, ohne einen neuen Fokus auf das Werk zu bieten.

Ähnlich verhielt es sich mit der Veröffentlichung von GASCH. Kurze Textpassagen reihen sich darin aneinander, die weniger einem Fließtext als mehr einer stakkatoartigen Aufzählung von

Ereignissen aus LAMs Leben, Interpretationen seiner Kunst und wiedergegebenen Aussagen von Zeitgenossen gleichen.

347 Einige Beispiele, wie die Monografie von ORTIZ 1950 und die Ausführungen von CARPENTIER sind bereits genannt und näher ausgeführt worden. 348 LEIRIS, MICHEL: Wifredo Lam. Mailand 1970. 349 GASCH, SEBASTIÀ (Hrsg.): Wifredo Lam à Paris. Barcelona 1976. 350 LEIRIS 1970: O.S..

97 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Wie ein selbstreferentielles System, in dem sich die unterschiedlichen Protagonisten gegensei- tig zitieren, bestätigen, bereits Gesagtes wiederholen, in neuen Kontexten in ihre jeweiligen Referenzrahmen einbauen, weisen schon die Texte der 1940er und 1950er Jahr die Bildung eines stabilen „Künstlermythos Lam“ auf.

Wie stark diese Referenzen auch in späteren Zusammenhängen wirken, zeigen des Weiteren verschiedene Beiträge in Ausstellungskatalogen zu WIFREDO LAM bis in die 1980er Jahre hinein. Diese Publikationen gaben die seit den 1940er Jahren durch etablierte und berufene Stimmen gefestigte Lesart des Werkes wieder. Bereits publizierte Texte wurden erneut abge- druckt und stabilisierten die darin enthaltenen Aussagen durch deren Redundanz. Beispiels- weise richtete das Museo Nacional de Arte Contemporaneo in Madrid 1982 zum 80. Geburts- tag von WIFREDO LAM eine Retrospektive aus, eine Ausstellung, die vom Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris 1983351 und vom Musée d' Ixelles, Brüssel übernommen wurde.

Der begleitende Ausstellungskatalog fokussierte erneut die 1940er Jahre des LAMschen

Werkes und konzentrierte sich vor allem auf La Jungla. Er druckte Texte von ANDRÉ BRETON von 1941, von PIERRE MABILLE von 1944, aus der genannten Publikation von MICHEL LEIRIS von 1970, ein Auszug von FERNANDO ORTIZ aus dessen Monografie von 1950 und von ALEJO

CARPENTIER sowie von SEBASTIÀ GASCH von 1976. Zentraler Bestandteil des Kataloges war ein chronologischer Künstlerlebenslauf. Hinzu kamen drei Gedichte von AIMÉ CÉSAIRE,

VICTOR SERGE und TRISTAN TZARA und ein Auszug aus „Memorias de Wifredo Lam”. Dieser rekapitulierte aus LAMs Sicht die erste Begegnung mit PICASSO in Paris in dessen Atelier – den genauen Nachweis der Quelle blieben die Organisatoren der Ausstellung jedoch schuldig.352

Der Katalog schloss mit dem Nachruf auf LAM „La Jungla perdida”353 („Der verlorene Urwald”), denn der Künstler war während der Vorbereitungen für die Ausstellung verstorben.

Die Reihung der bedeutenden Namen, unter ihnen auch zeitgenössische Autoren wie PER

HONDENAKK oder ROBERT LEBEL, verdeutlicht nachhaltig den intendierten Bezugsrahmen:

BRETON, MABILLE, LEIRIS, ORTIZ, CARPENTIER, CÉSAIRE, SERGE, TZARA – das „Who is who” einer vergangenen Epoche, die als eine der prägnantesten des 20. Jahrhunderts für das kultu- relle Selbstverständnis Europas gelesen wird. Nach Meinung der Kritiker des Kataloges konnte WIFREDO LAM dies in der Verbindung seiner Ästhetik, seiner Ethnizität und seiner Verbundenheit mit wichtigen kulturpolitischen Akteuren der Zeit nachhaltig bestätigen. Die redundante Geschichtsschreibung und Bekräftigung des Mythos' innerhalb des auf sich selbst

351 Der Ausstellungskatalog wurde auf Spanisch und auf Französisch publiziert. 352 Wahrscheinlich bezog man sich auf die Monografie von FOUCHET Wifredo Lam aus dem Jahr 1976. 353 SAURA, ANTONIO: „La Jungla perdida”. In: El País Madrid, 13. Dezember 1982.

98 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN reflektierenden Systems findet zuletzt auch durch die drei bedeutenden Museumseinrichtun- gen in Madrid, Paris und Brüssel weitere Bestätigung und Absolution.

In Paris/Barcelona erschien 1976 die Monografie von MAX-POL FOUCHET354, die in mehrere Sprachen übersetzt wurde und zu einer der wichtigsten Referenzen für die Rezeption in den folgenden Jahrzehnten avancierte. FOUCHET folgte der Biografie des Künstlers chronologisch und rekonstruierte eine von Beginn an logische Reihung von Ereignissen, die sich seiner Meinung nach im Werk spiegeln. Gleich zu Beginn der Publikation verwies er auf die kubani- sche Umgebung, die bereits WIFREDO als Kind geprägt habe. Konfrontiert mit der Magie und den Mythen der Santeria, deren Geschichten ihm zuweilen auch Angst eingejagt hätten, habe

LAM von Beginn an ein Gespür für die Traditionen und das Erbe Kubas wie auch, damit unweigerlich verbunden, für die des afrikanischen Kontinents entwickelt. Die Geburt und somit die ethnische Zugehörigkeit LAMs wurden zum argumentativen Ausgangspunkt, eine Lesart, die sich in nichts von den Ausführungen der 1940er und 1950er Jahren unterschied.

In der Monografie folgen Beschreibungen der Treffen mit PICASSO und der Aufenthalt in

Paris, die Ausreise über Marseille und die Bekanntschaft mit BRETON, die Freundschaft mit

CÉSAIRE sowie die Integration der Schlüsselwerke von LAM in die biografischen Abläufe – allen voran das Werk La Jungla. Diese Publikation wäre eine Zusammenfassung des Bisheri- gen und von wenig Einfluss, wenn nicht allen Ausführungen ein entscheidender argumentato- rischer Moment innenliegend wäre: Fouchet und Lam kannten sich nämlich sehr gut. Sie waren befreundet und reisten oft gemeinsam, unter anderem bereits Ende der 1960er Jahre nach Kuba. Legitimiert durch die persönliche Nähe kam FOUCHET eine Position zu, aus der er das LAMsche Werk und die Künstlerpersönlichkeit schlüssig erklären zu wissen glaubte.

Somit liegt in den von FOUCHET zitierten Textpassagen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Die Monografie darf jedoch nicht unkritisch als Bezugsquelle vermeintlich authentischer

Aussagen LAMs in die Rezeptionsanalyse einfließen. Denn FOUCHET wusste seine Nähe zum Künstler wirksam einzusetzen. Die chronologische Aufzählung der Rezeptionen der dreißig Jahre zuvor, die er im Erzählstil aufbereitete, unterlegte er mit Zitaten des Künstlers. Zu den langen Originalpassagen von LAMs Ausführungen schrieb er, sie seien in Gesprächen zwischen ihnen gefallen und bedürften keines Quellennachweises.355

354 FOUCHET, MAX-POl: Wifredo Lam. Barcelona/Paris: Poligrafa/Cercle d' Art, 1976; ebenso dt. Ausgabe 1976; New York: Rizzoli International Publishers, 1978; Abridged Czech. ed. Odeon, 1988; Abridged Eng. ed. Bar- celona: Poligrafa, 1989. 355 „Alle zitierten Sätze sind bei unseren Gesprächen mit Wifredo Lam in Paris, Havanna, Sagua-la-Grande und in seinem Atelier in Albisola Mare auf Band aufgenommen oder aufgezeichnet worden.“ Im Anschluss daran

99 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Die Prägnanz wird aus nur wenigen Beispielen deutlich: FOUCHET zitierte LAM, der sich als Fünfjähriger bereits bewusst geworden sei, dass er ein Anderer sei, dass er sich nicht im Spie- gel ansehen könne, „ohne dass der Andere, ein Anderer sich zeigt.“356 Auch fragte er LAM in seinen Ausführungen, ob „Mantonica Wilson die visionären Gaben des kleinen Wifredo“357 gekannt habe, den sie als den „Erben ihres Wissens“358 ausgewählt habe. Und schließt daran an: „Eine große Enttäuschung wartet auf sie (auf Mantonica Wilson, Anmerkung der Autorin). Wifredo lehnt ab. Nein, er würde kein Zauberer werden, denn er fühlte nicht die Gabe. 'Weißt du,' sagte er mir (es spricht FOUCHET, Anmerkung der Autorin), 'ich bin zu fünfzig Prozent

Descartes-Anhänger und zu fünfzig Prozent ein Wilder.' “359 In diesem Zitat FOUCHETS spie- gelt sich die Rezeption PICASSOs und BRETONs, die den Kubaner als einerseits gebildet empfanden und andererseits tief in den primitiven Wurzeln Afrikas verankert sahen. Ließen sich diese jedoch noch als intentionsgesteuerte Rhetoriken entschlüsseln, so schloss das Origi- nalzitat diese Konstruiertheit nun aus und bestätigte sogar im Nachhinein die Einschätzungen von PICASSO und BRETON. So ist es nicht verwunderlich, dass auf das Zitat immer wieder an prominenten Stellen zurückgegriffen wurde, um letztendlich die gesamte primitivistische

Lesart des Werkes zu legitimieren. FOUCHET verhalf der Ausrichtung mit weiteren Ausführun- gen an anderer Stelle zu mehr Tiefe. Er nahm ein Zitat von LAM über PICASSO zum Anlass, um die primitivistische Argumentation weiterzuführen. Das Kapitel „VIII Die afrikanische Dimension“ beginnt folgendermaßen: „Weiter sagt Lam über Picasso: Vor allem empfand ich so viel Sympathie für seine Malerei wegen der Ausstrahlung afrikanischer Kunst und afrikani- schen Geistes, die ich darin entdeckte. Als Kind hatte ich Statuen in Mantonica Wilsons Haus gesehen. In Pablos Werk erschien mir nun eine Art Kontinuität.“360 Auch dieses Zitat hatte eine Klammerfunktion für vergangene und zukünftige Ausführungen zum Œuvre.

Mit zwei weiteren Zitaten aus der Monografie wird deutlich, dass FOUCHET das Werk als poli- tisches Manifest der sogenannten Dritten Welt sah. Das Unrechtsbewusstsein LAMS gegenüber einer kolonial unterdrückten Kultur wie der kubanischen ließ sich für FOUCHET bereits in

Madrid, während der Studien im Prado, ablesen. Er bereitete dies in folgendem Zitat von LAM auf: „'Man riet mir das Betrachten. Ich betrachtete' sagte er. 'Aber das Porträt der Herzogin von Alba, alle Retratos im Prado, sind für mich künstlich. Ich finde sie sehr schön, aber sie

wird LAM von FOUCHET im kontextfreien Raum ohne Nachweis zitiert. FOUCHET 1976 in der deutschen Fas- sung unter „Anmerkungen“: Fußnote 2: 227. 356 FOUCHET 1976: 38. 357 FOUCHET 1976: 44. 358 FOUCHET 1976: 44. 359 FOUCHET 1976: 44. 360 FOUCHET 1976: 120.

100 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN liegen außerhalb von dem, was ich von der Malerei verlangte und was ich malen wollte.' In einem anderen Gespräch erklärt Lam seine damaligen Empfindungen: 'Im Prado hatte ich den Eindruck, zu einem außerordentlichen Bankett geladen zu sein, wo man mir dennoch nicht zu essen gab, was ich wünschte, was mir entsprach. Ich war nicht persönlich eingeladen. Ich sollte die Nahrung der Herren zu mir nehmen.'“361 Und an späterer Stelle führte FOUCHET aus, indem er LAM, zurück auf Kuba, zitiert: „Das ganze Kolonialdrama meiner Jugend lebte in mir auf.“362 Und weiter im Text: „Meine Malerei sollte nicht das Gegenstück einer pseudo- kubanischen Musik für Tanzlokale sein, niemals. (...) Ich wollte mit ganzer Kraft das Drama meines Landes malen, aber dem Geist der Neger, der Schönheit der Negerkunst zutiefst

Ausdruck geben.“363 In diesen Worten sind einerseits die politischen Überzeugungen von LAM – unter anderem die Solidarität zur kubanischen Revolution – andererseits auch die politische Seite der Négritude implizit.

Auch wenn die hier aufgezeigten Zitate aus wissenschaftlicher Sicht nur mit skeptischer

Distanz zu verwerten sind, griffen doch viele Kritiker des LAMschen Werkes auf sie zurück.

Sie waren und sind so prägnant und, bezogen auf LAMs Biografie und die Lesbarkeit seiner Kunst, in sich schlüssig, dass man ihnen kaum widerstehen kann.364 Aus heutiger Sicht ist es unmöglich, die Zitate von LAM in der Monografie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Allein ihre Freundschaft, die implizierte Intimität und Nähe und die sich darin aufbauende

Authentizität der Äußerungen von LAM konnten erstaunlich einflussreich auf folgende Publi- kationen einwirken. Inwieweit es sich bei den Zitaten um tatsächlich geäußerte oder aus der

Erinnerung FOUCHETs rekonstruierte Zeugnisse handelt, muss offenbleiben.365

Die späten 1980er und 1990er Jahre verliefen für die LAMsche Rezeption auch weiterhin nach alten Paradigmen. Das Schlagwort „Authentizität“ markierte dabei neue kulturpolitische und soziologische Diskurse, die unter anderem die Auseinandersetzung mit dem „Fremden und

361 FOUCHET 1976: 74. 362 FOUCHET 1976: 183. 363 FOUCHET 1976: 188. Ähnliches hatte LAM bereits 1963 gegenüber der kubanischen Presse geäußert. (In: Sierra Maestra, Havanna 10. Mai 1963.). 364 Auch FOUCHET wusste um die Wirkung dieser Aussagen: „Lams Gedanken bewegen und entwickeln sich nicht an der Oberfläche. Sie werden immer von einem Hintergrund magnetisch angezogen, in dem sich artverwandte gelebte Gegenwart und unsterbliche Vergangenheit begegnen.“ FOUCHET 1976: 75. 365 Die Problematik, die sich in der Wiedergabe erinnerter Äußerungen zeigt, wird in HALLs Anmerkungen zu Geschichte und Geschichten deutlich. Er führt aus: „Es ist nicht möglich, mündliche Geschichten und Zeug- nisse zu nutzen, als ob sie die reine Wahrheit wären. Sie müssen auch gelesen werden. Es sind auch Ge - schichten, Positionierungen, Erzählungen. Damit werden neue Erzählungen ins Spiel gebracht, die aber nicht als das 'Reale', mit dem Geschichte gemessen werden kann, missverstanden werden dürfen.“ HALL 1994: 85. Deshalb müssen auch die Zitate von FOUCHET mit kritischer Distanz behandelt werden.

101 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Eigenen“ aufzeigten. Wieder – wie schon bei CARPENTIER – scheint LAM prädestiniert, dieser Kulturanalyse einen bildhaften Ausdruck zu verleihen. Deutlich wird dies beispielsweise im Katalog zur Ausstellung „Wifredo Lam“ der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düssel- dorf 1988, kuratiert von ULRICH KREMPEL und WERNER SCHMALENBACH. Bereits im Vorwort des Katalogs wird klar, in welchem Kontext die Ausstellung positioniert ist. Die Kuratoren schreiben: „Das Zusammentreffen mit den Künstlern der europäischen Avantgarde gab Lam die Möglichkeit, mit der Überwindung der Formtraditionen seine eigene Authentizität zu entdecken. Dass dabei Afrika und dessen Kunst zu einer bewegenden Kraft wurden, kann nicht verwundern. (...) Lam selbst entdeckte seine Afrikanität über die Werke der europäi- schen Moderne. Aus dieser Auseinandersetzung entstand sein Werk als eine Synthese des einen und des anderen.”366 Auch der Beitrag von KREMPEL zeichnet die Aufmerksamkeit auf das Andere, auf das Fremde in der LAMschen Kunst und dessen Persönlichkeit nach. Unter der

Überschrift „Das Eigene und das Fremde” schreibt KREMPEL von den „wilden Visionen des

Dschungels, der Götter und Dämonen”367 einerseits, andererseits betont er, dass LAMs Dschun- gel nur in seinen Bildern existiere. Und weiter: „Die Figuren seiner Kompositionen entstam- men den Mythen und Riten der karibischen Neger, schildern sie aber nicht, sind keine ethno- grafischen Dokumente. Lams Visionen sind formuliert unter dem Vorbehalten der Qualität und Authentizität.”368

Die Besprechungen der Ausstellung in den Zeitungen nehmen diese Rhetoriken auf. HEINZ

LIESBROCK schreibt in der Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Anders als bei den Künstlern der europäischen Moderne (...), für die die Begegnung mit Afrika eine ästhetische war, (...) ist Lams Zusammentreffen mit der Wirklichkeit Afrikas ein unmittelbares, existentielles Ereig- nis.”369 Mit Bedauern stellt der Autor jedoch im Spätwerk LAMs die Zersetzung des Magisch- Mystischen fest, das zugunsten formalistischer Kompositionen zurückgedrängt wird. Womög- lich sprechen aus LIESBROCKs Ausführungen seine eigenen Erwartungen an das „exotisch Andere”, das Ursprüngliche und Unverbrauchte, wenn er festhält: „Doch es bleibt angesichts der späten Bilder (...) undeutlich, ob man sie allein als Ausdruck einer geglückten ästhetischen Harmonie verstehen darf oder ob nicht die aus Europa mitgebrachte, starke Betonung forma- ler Ponderation auch wieder eine Überfremdung jenes afrikanischen Erbes bedeutet, dessen eigentümliche Qualität zu zeigen LAM angetreten war. Denn evident ist, dass hier die unmit-

366 KAT. LAM 1988: 3. 367 KREMPEL 1988: 7. 368 KREMPEL 1988: 7. 369 LIESBROCK, HEINZ: „Dschungel zwischen den Welten”. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 170, Frankfurt/Main, 25. Juni 1988: 25.

102 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN telbare, magische Geste, die seine frühen Figurationen auszeichnete, gezähmt und ihrer besonderen Kraft beraubt ist.”370

Diese letzten Auszüge machen erneut deutlich, wie unmittelbar sich die Aussagen zum

LAMschen Werk auf die biografische Faktizität und auf die dominanten Rhetoriken führender Persönlichkeiten beziehen und wie nachhaltig Vorstellungen einer vermeintlichen Ethnizität und Authentizität auf die Rezeption einwirkten.

Aber nicht nur einzelne Aussagen wurden redundant aufgenommen. Auch unterschiedliche, zuweilen kontroverse Diskurse und Formen der Repräsentation fügen sich zu einem argumen- tatorischen Ganzen zusammen, in dem sich LAMs Werk unter wechselnden Vorzeichen schein- bar problemlos integrieren lässt. Seit den 1960er Jahren präsentierte sich LAM regelmäßig und international in Einzelausstellungen, die meist einzig mit LAMs Namen warben. In Kollek- tivausstellungen hingegen knüpfte das Werk bis zu Beginn der 1980er Jahre an den Surrealis- mus, an Afrika, an den als fantastisch beschriebenen Kulturraum Lateinamerikas und an Kuba an. Diese Kategorisierungen werden anhand der Ausstellungstitel jener Zeit deutlich: „Marche autour du Surréalisme“371, „Artistes latino-américains de Paris“372, „Latin american group show“373, „Dada, Surrealism and their Heritage“374, „Reiche des Phantastischen“375 oder „Malerei des Surrealismus von den Anfängen bis heute“376, „Der Surrealismus. Le Surréa- lisme 1922-1942“377, „Surrealist Masters“378, „El surrealismo en Espana“379, „Maestros latino- americanos“380, „Proposition pour une définition d'un art fantastique contemporain“381,

370 Ebenda 371 „Marche autour du Surréalisme“. Théâtre-Maison de la Culture, 20. März - 15. April 1965, Caen (Frank- reich). 372 „Artistes latino-américains de Paris“. Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris, Paris, Juni 1965. Katalog mit einem Text von DENYS CHEVALIER. 373 „Latin American Group Show.“ Cisneros Gallery, New York 1966. 374 „Dada, Surealism and their Heritage“. The Museum of Modern Art, 27. März - 9. Juni 1968, New York / Los Angeles Country Museum of Art, 16. Juli - 8. September 1968, Los Angeles / The Art Institute of Chicago, 19. Oktober - 8. Dezember 1968, Chicago. Katalog mit einer Einführung von WILLLIAM S. RUBIN. 375 „Reiche des Phantastischen“, Städtische Kunsthalle Recklinghausen 1968. 376 „Malerei des Surrealismus von den Anfängen bis heute.“ Hamburger Kunstverein, 12. April - 26. Mai 1969, Hamburg. 377 „Der Surrealismus 1922-1942“. Haus der Kulturen der Welt, 11. März - 7. Mai 1972, München. „Le Surréa- lisme 1922-1942“. Musée des Arts décoratifs, 9. Juni - 24. September 1972, Paris. Katalog mit einem Text von PATRICK WALDBERG. 378 „Surrealist Masters“. The Surrealist Art Center, London 1974. 379 „El Surrealismo en España“. Galería Multitud, Madrid 1975. 380 „Maestros latinoamericanos.“ Museo de Arte Moderno, Mexiko 1976. 381 „Proposition pour une définition d'un art fantastique contemporain“. Musée des Beaux-Arts, 5. November - 2. Dezember 1977, Tours (Frankreich).

103 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

„Expression afro-cubain“382 oder „Two Centuries of Cuban Art: 1759-1959“383. In diesen Zusammenhängen erschienen Kataloge und ausführliche Beiträge in Zeitungen.

Seit den frühesten Ausstellungen, in denen das LAMsche Werk gezeigt wurde, verwundert eine Beobachtung besonders: nämlich die Tatsache, dass sich das Werk scheinbar ohne Brüche und fragwürdige Zuschreibungen als repräsentatives Beispiel in unterschiedliche Rezeptionsdis- kurse integrieren lässt. So kontrovers sich die Referenzrahmen gegeneinander aufbauten, so selbstverständlich war doch die Vereinnahmung des Werkes für die jeweils eigenen Inhalte.

Weshalb das LAMsche Werk diese Mehrfachrezeption und Repräsentation zulässt, wird sich in der detaillierten Analyse repräsentativer Bildbeispiele im Teilkomplex IV zeigen.

382 „Expression afro-cubaine“. Maison de la Culture-Théâtre des Amandiers, Nanterre (Frankreich) 1979. 383 „Two Centuries of Cuban Art: 1759 - 1959“. Ringling Museum, 18. Januar - 23. März 1980, Sarasota (USA).

104 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

5 Diskontinuitäten und Brüche der Rezeption Zuletzt hat sich gezeigt, dass sich zwei Referenzsysteme deutlich voneinander unterscheiden lassen: Da sind zum einen PICASSO und BRETON, auch LOEB und LEIRIS, die die stabile Katego- rie des „Primitiven“, des Verborgenen, des Surrealen und damit Unwirklichen besetzt hielten. Viele zeitgenössische Rezeptionen seit den 1980er Jahren führten diese Zuschreibungen in dem Wort „fremd“ weiter und behalten sich bis heute in der Dichotomie zum „Eigenen“ die beabsichtigte Abgrenzung vor. Und da sind zum anderen CARPENTIER, ORTIZ und die (post-) revolutionäre kubanische Kulturpolitik, die dem „anderen“ System mit der Kennzeichnung realer und wahrhaftiger Naturräume und einer eigenen besonderen kulturellen Identität begeg- neten. Beide Seiten markieren scheinbar geschlossene Repräsentationsrahmen, beide bestehen auf ihren Aussagen und Standpunkten.

Die Absolutheit dieser Rhetoriken ist jedoch instabil. Dies zeigt sich, will man die Diskurse des Surrealen, des „lo real maravilloso“ und Ausführungen zur kubanischen kulturellen Iden- tität getrennt voneinander fassen. Die Problematik ergibt sich aufgrund der ähnlichen Beschreibungsrhetoriken. Deutlich wurde dies, als europäische wie lateinamerikanische und kubanische Stimmen das LAMsche Werk rezipierten. So könnten Ausführungen zum Œuvre von CARPENTIER zum „Wunderbar Wirklichen“ in Teilen ebenso BRETON zugeschrieben werden. Und tatsächlich bezogen sich die unterschiedlichen Vorstellungen aufeinander, bestä- tigen sich gegenseitig mehr, als dass sie sich voneinander abgrenzen. Den besonders heraus- gestellten Positionen BRETONs, CARPENTIERs und ORTIZ' war gemeinsam, dass sie ihre Ausfüh- rungen in der Kontinuität der „Moderne“ sahen. Für die lateinamerikanischen und kubani- schen Intellektuellen kam erschwerend hinzu, dass sie gleichzeitig die eigene kulturelle Iden- tität davon unabhängig ausformulieren wollten. Dass dieses Unterfangen nicht selten konstru- iert wirkt, ist nachvollziehbar.

Die Komplexität der ineinander verwobenen Diskurse zeigt sich auch in der Rezeption und

Repräsentation des Werkes. Bis heute versuchen Kritiker die LAMsche Ästhetik mit Worten wie mythisch, magisch, verwurzelt, besonders, kubanisch, lateinamerikanisch etc. kontext- übergreifend und unabhängig voneinander zu beschreiben. Die jeweiligen Positionen und Intentionen der Rezipienten des Œuvre mögen unterschiedlich sein. Die Basis aller Reflexio- nen jedoch beruht auf einenden, scheinbar stabilen Beschreibungskategorien: die der Authen- tizität und Ethnizität. Das „Primitive“, das Surreale, das Magisch-Wunderbare, die Kenn- zeichnung der kubanischen Identität durch „la cosa negra“ – diese Beschreibungen vereinen

105 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN sich unter einem bezeugenden Moment der Authentizität. Sie lesen sich als ineinander verschränkte Rezeptionskontinuitäten und nicht als Oppositionen. Hinzu kommt, dass beide Seiten – die europäische und die lateinamerikanische Rezeption – mit einem Authentizitäts- begriff in Bezug auf das Werk operieren, der in der Frage nach der Ethnizität von WIFREDO

LAM begründet liegt. Schlagworte wie „Neger“, „Verwurzelung“, „la cosa negra“, „art nègre“ oder „mulatez“ als Beschreibungskategorien der Ethnizität und Identität des Künstlers folgen der gleichen Rhetorik wie die der Authentizität in Bezug auf sein Werk.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es das Zusammenspiel aus kulturtheoretischen

Machtdiskursen, der Profilierung einzelner Kulturakteure und die Rezeption des LAMschen Werkes unter dem Vorzeichen einer authentischen Ästhetik waren und sind, die die stabile Basis für den „Künstlermythos Lam“ ergeben.

Verfolgt man die Dekonstruktion der dominanten Diskurse, die auf das LAMsche Œuvre einwirkten und weicht man von den gängigen Rhetoriken und Deutungen in Bezug auf das Werk und die Künstlerpersönlichkeit ab, müssen sich zwangsläufig Brüche ergeben. Um die Diskontinuitäten der Rezeption aufzuspüren, ist es hilfreich, deren absolute Vereinnahmung des LAMschen Werkes zu hinterfragen und ihnen die einengende Positionierung in der Konse- quenz zu entziehen. So trägt die Möglichkeit, mit gleichem oder ähnlichem Vokabular von unterschiedlichen Betrachterpositionen aus auf das Werk zuzugreifen, dazu bei, die stabilen Deutungshoheiten der Diskurse infrage zu stellen. Sie werden labil und durchlässig und können die gewünschte Abgrenzung nicht betonen. Sie sind in ihrem alleinigen Anspruch untauglich, um sich dem LAMschen Werk anzunähern.

Ebenso brüchig ist die Beschreibung der LAMschen Ästhetik unter dem Vorzeichen einer spezifischen Authentizität, die sich gar durch seine Ethnizität bestätigen soll. Denn auch diese Zuschreibungen werden von sich zuweilen gegenüberstehenden Rezeptionen beansprucht. Wenn Authentizität als etwas Echtes, Unverfälschtes und Wahrhaftiges beschrieben wird, zielt sie auf Vollkommenheit, auf einen Moment, der frei von Inszenierung ist, auf einen Urzu- stand, einen Ausgangspunkt von Identität.384 Parallel zu solchen Ausführungen versuchten viele Rezeptionen das LAMsche Werk derart festzuschreiben. Doch die Abhängigkeiten und Kontextualisierungen, denen die Betrachtungen folgten, zeigen deutlich, dass kulturelle Iden-

384 Zur weiteren Abgrenzung des Begriffs ist es hilfreich auch den Gegenbegriff der Inauthentizität zu reflektie- ren. In ihr verbirgt sich die Vorstellung der Entfremdung und greift diesen Zustand als eine fehlerhafte Reprä- sentation des Eigentlichen und Wahren.

106 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

tität, wie sie sich in LAMs Bildern zeigen soll, so nicht greifbar wird. Zudem geht der Begriff der Authentizität davon aus, „dass Vergangenheit fixiert ist, kontextlos, isoliert zu betrachten und das Vergangene einfach nur wiederzuentdecken sei und in die Gegenwart transferiert und integriert werden kann.“385 Dass LAM auch diesem Anspruch in seinem Œuvre nicht nachkam, wird sich im folgenden Kapitel zeigen.

Mit der Auslöschung der Kategorie des Authentischen zerfällt die Basis des „Künstlermythos Lam“, der sich gerade unter diesem Vorzeichen und in den stabilen Einheiten von geschlosse- nen Deutungen und (Nach-) Erzählungen ausgebildet und gefestigt hat. Bei der Dekonstruk- tion des Mythos muss konsequenterweise eine Position eingenommen werden, die ohne eine derartige Kategorisierung auskommt. Die einzige vielversprechende Möglichkeit bietet eine detaillierte Analyse, die im folgenden Teilabschnitt IV anhand von repräsentativ ausgewählten Bildbeispielen vorgenommen wird.

Die Rezeptionsforschung wäre unvollständig, würde nicht nach der Mitwirkung LAMs an seinem Künstlermythos gefragt werden. Aufschluss darüber können Fotografien geben, die

LAM als Maler zeigen und in ihrer fotografischen Inszenierung Rückschlüsse auf das Selbstverständnis des Künstlers zulassen.

1940 – kurz vor seiner Abreise aus Paris – lässt sich LAM inmitten seiner Werke fotografieren (Abb. 45386), die in den vergangenen Jahren entstanden waren und die er zurücklassen würde. Er steht hinter einer Art Tafel, auf der kleinformatige Bilder ordentlich neben- und übereinander auf gedrängtem Raum zusammengestellt sind. Die Fotografie stellt eine künstlerische Bestandsaufnahme dar, die nicht zuletzt die Urheberschaft der Bilder durch die Präsenz des Künstlers eindeutig festhalten. Während diese Szene an eine Dokumentation erinnert, sind die Fotografien der 1940er Jahre deutliche Inszenierungen, in denen sich LAM als Künstler meist vor einem seiner Gemälde präsentiert (Abb. 73)387/ Abb. 74388/ Abb. 75389). Dabei bedient er nicht das Bild eines sich in Aktion befindlichen Künstlers, sondern lässt sich meist in weißem Hemd und Bundfaltenhose ablichten. Einzig Attribute, die seine Profession verdeutlichen, sind zu sehen – hier ein Maltisch, da ein Pinsel, eine Staffelei, Farbtuben,

385 HALL 1994: 61. 386 Erneut Abb. 45: LAM in Paris 1940 in seinem Atelier in der 6, rue Armand-Moisant. Detail einer Fotografie von MARC VAUX. 387 Abb. 73: LAM vor La Jungla und La mañana verde, 1943. 388 Abb. 74: LAM vor Les Noces, 1947. 389 Abb. 75: LAM vor Le Présent éternel und Alofi Incana, Havanna., 1947.

107 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Gläser. Gänzlich ausgeblendet sind Details, aus denen der Betrachter LAMs vermeintlich authentische, afrikanische Identität ableiten könnte. Bewusst scheint sich LAM der Inszenierung zu widersetzen, die eine Ethnitisierung seiner Künstlerpersönlichkeit verstärken und bestätigen könnte.

In den 1970er Jahren schließlich entstehen Fotografien, die von einer professionellen fotografischen Inszenierung des Künstlers zeugen. 1970 sitzt LAM in seinem Atelier in Albisola Mare (Abb. 76390) auf einem Stuhl, das Kinn nachdenklich auf die Hand gestützt, mit leicht nach vorn gebeugtem Oberkörper und übereinandergeschlagenen Beinen. Sein Blick ist nach rechts gerichtet, als würde er sich etwas oder jemandem außerhalb des Ausschnitts zuwenden. Im Hintergrund ist das fertige Bild Les Abalochas auf einer Staffelei aufgebaut. Der etwas chaotische Gesamtzustand des Ateliers betont zunächst die Zufälligkeit der Aufnahme. Die eigentliche Inszenierung findet denn auch mehr im dargestellten Raum statt. Zwar kommt das private Künstleratelier ohne prestigeträchtige Repräsentationsutensilien aus: zu sehen sind ein Bücherregal, ein Sessel mit achtlos darübergeworfenen Kleidern, Staffeleien, bemalte Leinwände, ein niedriger Tisch mit Zeitschriften darauf. Doch gerade mit der zurückgenommenen Szenerie und einem klaren „Understatement“ wird für den Betrachter eine Arbeits- und Lebensatmosphäre inszeniert, die auf eine belesene, unprätentiöse, strukturierte und gleichzeitig etwas chaotische Künstlerpersönlichkeit rückschließen lassen sollen.

Einen Einblick in seine privaten Räume gewährt auch die Aufnahme von 1977 (Abb. 77391).

LAM zeigt sich inmitten seiner beachtlichen Sammlung von afrikanischen und ozeanischen, teilweise sehr großen Objekten, denen er erst mit dem Ankauf seines Haus in Albisola Mare 1962 einen repräsentativen Rahmen geben konnte. Die Objekte sind nicht in einen Wohnraum integriert, auch sind sie nicht Teil des Künstlerateliers, wo sie unmittelbare Anreize und

Impulse für das künstlerische Schaffen LAMs geben könnten. Die Sammlung wird vielmehr in einem eigenen Repräsentationsraum gezeigt, in den sich der Künstler für die Fotografie begeben hat. LAM sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen, die verschränkten Arme auf den Knien abgelegt, auf einem neuzeitlichen Hocker und schaut den Betrachter direkt an. Zurückgenommen in seiner Mimik und Haltung, gewohnt seriös gekleidet präsentiert sich

LAM vor seiner Sammlung.

390 Abb. 76: LAM in seinem Studio in Albisola Mare, ca. 1970. 391 Abb. 77: LAM und seine Sammlung afrikanischer und ozeanischer Kunst, Albisola Mare, 1977.

108 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

Zuletzt soll noch eine Fotografie genannt sein, die das Spannungsfeld von „privatem, zufälligen Schnappschuss“ und stolzer Dokumentation seiner Sammelleidenschaft afrikanischer und ozeanischer Objekte vereint. 1974 entstand eine Aufnahme im Wohnzimmer des Künstlers (erneut Abb. 43392). Das Wohnzimmer ist ein öffentlicher Raum der Repräsentation, ein Ort der Zurschaustellung des persönlichen Selbstverständnisses und der eigenen Lebenswelt. Prestigeträchtig und doch kaum auf den ersten Blick zu erkennen, sitzt

LAM inmitten seiner Skulpturensammlung unter dem Bild Les Abalochas, das zentral im Raum an der Wand aufgehängt ist. Hier lässt er sich fotografieren, versunken in einem dunkelbrauen Sofa, farblich in seiner Kleidung gänzlich auf die Ausgestaltung des Raumes und die der Sammelobjekte abgestimmt. Die außereuropäischen Objekte sind vor einer verspiegelten Wand aufgebaut. Durch die fotografierte Spiegelung öffnet sich der Raum, in dem LAM so erst sichtbar wird. Die Objekte, der Künstler und die Gemälde an den Wänden sind die Elemente der räumlichen und fotografischen Inszenierung. Wie eine gestaltet Einheit verweisen die Sammelobjekte auf die Gemälde an den Wänden, wie auch die Anwesenheit des Künstlers die Objekte, die Inhalte und Zeichen seiner Bilder zu bestätigen scheint.

Die Bandbreite der Selbstdarstellung in den Fotografien verweist auf LAMs künstlerisches Selbstverständnis. Einerseits bezeichnete er sich als den europäischen Intellektuellen zugehö- rig. Er positionierte sich als reflektiertes westliches Künstlersubjekt und entzog sich eindeutig den stereotypen Konstruktionen seiner ethnisierten Künstlerpersönlichkeit. Nicht nur die Aufnahmen in seinem Atelier oder vor den Gemälden stellen dies dar. Auch die Präsentation im Rahmen seiner Sammlungsobjekte zeugt davon, dass er – wie andere Avantgardemitglie- der auch – eine Leidenschaft für außereuropäische Kunst hatte. Die besondere Haltung LAMs jedoch wird in Abgrenzung zu ANDRÉ BRETON deutlich: Nicht nur, dass dieser seine Samm- lung außereuropäischer Objekte „nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1946 von professionel- len FotografInnen wie Henri Cartier-Bresson, Gisèle Freund, Sabine Weiss u.a. systematisch fotografieren ließ.“393 Auch ließ sich BRETON mit Objekten seiner Sammlung abbilden. Dabei funktionieren „die Stammes-Objekte im Bild nicht als Attribute, die Auskunft über Vorlieben und Reisen des Sammlers oder die Inspirationsquellen des Dichters geben, sondern als perso- nifizierte Gegenüber, mit denen Breton vor der Kamera wie für ein Gruppenbildnis posiert. Das Medium der Fotografie verschleift die Grenze zwischen dem Porträt des Sammlers und dem seiner Sammlung, zwischen der Figur des Autors und der Konfiguration seiner Besitztü-

392 Erneut Abb. 43: LAM in seinem Wohnzimmer in Albisola Mare, im Hintergrund das Bild: Les Abalochas dansant pour Dhambala, ca. 1974. 393 SCHMIDT-LINSENHOFF 2010: 319.

109 III REPRÄSENTATION UND REZEPTIONSMECHANISMEN

mer.“394 LAM jedoch inszenierte kein fetischistisches Verhältnis zu den Objekten, sondern bewahrte deren Autonomie und versuchte ein „Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz zur Negerkunst“395 herzustellen. Eine bewusst entgrenzte Durchdringung von Stammesobjekten und Künstlerpersönlichkeit lässt sich in den Fotografien, die LAM zeigen, nicht nachvollzie- hen. Und doch zeigt gerade die Aufnahme von 1974, wie LAM in der fotografischen Fixierung und der Verbindung von afrikanischen und ozeanischen Objekten mit der seiner Kunst und Person die parallele und somit primitivistische Rezeption auch steuerte, möglicherweise bewusst provozierte. Es ist davon auszugehen, dass WIFREDO LAM in den Diskurs um seine Künstlerpersönlichkeit und die Rezeption seines Werkes selbstbestimmend einzugreifen versuchte. So konnte er nicht zum passiven Objekt der Kunstkritik werden, sondern wirkte an der Konstruktion seines Künstlermythos mit.

394 SCHMIDT-LINSENHOFF 2010: 322. 395 SCHMIDT-LINSENHOFF 2010: 323.

110 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

IV Werkanalyse an ausgewählten Bildbeispielen

Die Verwobenheit der Aussagen, die sich bereits in der Aufarbeitung der Rezeptionen und Repräsentationen zeigte, bestimmt auch den Großteil der bisherigen Analysen des Werkes von

WIFREDO LAM. Dabei lesen sich die Ausführungen, in denen auf das Œuvre Bezug genommen wird, wie Fortführungen der Beschreibungsrhetoriken unter dem Vorzeichen der vermeintli- chen Ethnizität und Authentizität, deren Intentionen im vergangenen Kapitel deutlich wurden. Es ist offensichtlich, dass sich die meisten Kritiker weniger unmittelbar mit den Bildern auseinandersetzen, weshalb nur wenige Texte das Werk ins Zentrum ihrer Ausführungen stel- len. Die Bilder fungieren vielmehr als illustrierende, allgemeingültige Platzhalter, die den in Kapitel III beschriebenen Rezeptionen zur Seite gestellt werden, ohne näher auf deren konkrete Inhalte einzugehen.

Die Werkanalyse mithilfe repräsentativ ausgewählter Bildbeispiele soll diesen Festschreibun- gen in der Rezeption eine Gegenposition aufzeigen. Trotzdem werden, falls vorhanden, die „vielstimmigen“ Deutungen, die den Werken bisher zugeschrieben wurden, in die Betrachtun- gen einbezogen. Daneben wird der Versuch unternommen, zentrale Bildaussagen herauszuar- beiten, um diese möglicherweise auf das gesamte Œuvre zu übertragen. Die folgenden Bild- beispiele sind in dieser ausführlichen Form bisher noch nicht beschrieben worden. Die detail- lierten Bildbeschreibungen und die Lesbarkeit der Bilder unter poliperspektivistischem Vorzeichen werden deshalb im Mittelpunkt stehen.

Ohne Zweifel ist La Jungla von 1943 das Schlüsselbild des LAMschen Werkes. Es steht am

Anfang der Ausführungen. Hier gelang es LAM, sein bisher Erlerntes, seine Beobachtungen und Reflexionen zusammenzufassen und die Inhalte vor diesem Hintergrund in seine eigene Bildsprache zu transformieren. Dies ist die emanzipatorische Basis des nachfolgenden Œuvres.

Das Bild Les Noces von 1947 zeigt denn auch den ästhetischen Wandel und die Entwicklung des emanzipierten und eigenständigen Werkes von WIFREDO LAM auf. Bereits in diesem Bild abstrahierte LAM den Bildraum und machte eine konkrete geografische Zuordnung wie noch in La Jungla unmöglich. Mit dem fortschreitenden Entzug einer sicher zu verortenden Erfah- rungswirklichkeit seiner Betrachter baute LAM im Bild illusionistische ästhetische Räume auf, die unterschiedliche Zugänge und Interpretationen für das gesamte Werk ermöglichen.

111 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

El tercer mundo von 1965/66 ist ein Auftragswerk, das LAM ausführte. Die kubanische Regie- rung bat ihn, ein monumentales Bild für den Präsidentenpalast zu malen, in dem die kubani- sche Kultur ästhetisch zum Ausdruck kommen sollte. Wurden die Erwartungen bestätigt? Sagt das Bild etwas über LAMs Position in Bezug auf die sogenannte Dritte Welt aus? Der Titel, verbunden mit dem sozialistischen Auftraggeber gab dem Bild, aber auch dem Œuvre eine interpretatorische Richtung, die das LAMsche Werk vor allem seit den 1970er Jahren verstärkt unter einem postkolonialen politischen Vorzeichen positionierte. Und obwohl es die rezeptori- sche Ausrichtung des Gesamtwerkes nachhaltig prägte, wurde es in der Rezeption nur sehr wenig beachtet.

1970 malte LAM mit Les Abalochas dansent pour Dhambala, dieu de l'unité eines seiner größ- ten Bilder, das zugleich sein letztes Werk größeren Ausmaßes ist. Denn in den Folgejahren war er mehr und mehr durch eine Krankheit in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und malte folglich einzig noch kleinformatige Ölbilder und Guachen. So setzt das Bild den

Schlusspunkt dreier Jahrzehnte großformatiger Werke. Es waren Jahre, in denen LAM einer- seits durch politische Zwänge seine Aufenthaltsorte diktiert wurden, in denen er andererseits aber auch die Freiheit besaß, Reisen in verschiedene Länder und zu unterschiedlichen Konti- nenten zu unternehmen. Möglicherweise kann Les Abalochas als eine Art Zusammenfassung seiner Eindrücke, seines ästhetischen Ausdrucks und seines kulturpolitischen Verständnisses gelesen werden. Der Titel wirkt in diesem Zusammenhang fast programmatisch. Deshalb ist es nur konsequent, über die Bedeutung des Bildes hinaus auch nach einem erweiterten Deutungsrahmen für das Gesamtwerk zu fragen, nicht ohne zugleich die drei übrigen Bilder in diese Betrachtung einzubeziehen.

112 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

1 La Jungla – Der Dschungel (1943)

WIFREDO LAM beendete La Jungla 1943 (Abb. 1, Abb. 73)396. Es handelt sich um ein

239 x 229,9 cm großes Bild. Den Titel La Jungla wählte nicht LAM aus. Es war seine Frau

HELENA BENITEZ, die bei dessen Anblick den Namen erfand.397

La Jungla wurde erstmalig im Institute of Modern Art in Boston und bald darauf in der Pierre Matisse Gallery im Juni 1944 in New York im Rahmen einer größeren Präsentation mit dem

Titel „Lam Paintings“398 ausgestellt. Dort sah es ALFRED BARR und kaufte das Bild im April des Folgejahres für das MoMA an, in dessen Besitz es sich seitdem befindet. Der Ankauf sorgte für viel Aufregung: Die New Yorker waren entsetzt über dessen Rohheit und Vulgarität.

Auch geriet BARR im Zuge einer wachsenden Kritik unter Druck, die besagte, er unterstütze die einheimische, junge amerikanische Kunst zu wenig und kaufe stattdessen zu viele interna- tionale Bilder an.

Das Bild wurde für die Lateinamerikanische Sammlung des MoMA angekauft aber auch im Kontext der europäischen Avantgarde verstanden. Annähernd gleicher Größe wie Les Demoi- selles d' Avignon von PICASSO (Abb. 71)399, das sich ebenfalls in der Sammlung des MoMA befindet, hingen die beiden Bilder zunächst nebeneinander. Dies bestärkt die Vermutung, dass sich La Jungla und Les Demoiselles bereits für BARR aufeinander bezogen. Nach dem letzten Umbau des Museums 2005 hängt La Jungla nun, wie auch bereits viele Jahre zuvor, im Trakt der lateinamerikanischen Kunst. Bis heute wird es als eines der Schlüsselbilder der Malerei des 20. Jahrhunderts in Lateinamerika angesehen.

1.1 Bildbeschreibung Der Betrachter des Bildes sieht sich mit Figuren konfrontiert, die symbiotisch in die Natur integriert sind. Nicht nur, dass die schmalen und ungelenken Gliedmaßen der Figuren eine Entsprechung in der rhythmischen Reihung der sie umgebenden Pflanzenstangen finden. Auch die farbliche Ausgestaltung der einzelnen Bildelemente macht keinen Unterschied zwischen Körper und Vegetation. Aber obwohl sich die Figuren nur schwer und erst auf den zweiten Blick aus dem Blatt- und Laubwerk, den festen Pflanzenstangen herauslösen, trifft

396 Abb. 1: La Jungla 1943. Sowie Abb. 73: LAM vor La Jungla und La mañana verde, 1943. 397 BENITEZ 1999: 80. Ebenfalls bestätigt durch LOU LAURIN-LAM. 398 „Lam Paintings“, New York, Pierre Matisse Gallery, 6. - 24. Juni 1944. 399 Abb. 71: PICASSO, PABLO: Les Demoiselles d' Avignon 1907/08.

113 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN die Aussage einer Einheit von Figur/Mensch und Pflanzen nicht zu.400 Mit diesem Einstieg in das Bild La Jungla deuten sich bereits die Problematik der Bildbeschreibung wie auch die der interpretatorischen Ansätze an.

Der Bildraum wirkt wie eine Bühne, die durch den glatten Untergrund ebenso wie durch den zu den Seiten und nach hinten begrenzten Bildraum in ihrer Fläche beschrieben ist. Definiert wird der Raum durch kräftige runde Halme, die durch ihre rhythmische Einzelgliedrigkeit und im kubanischen Kontext an Zuckerrohr denken lassen, obwohl auch die Assoziation von Bambus nicht ausgeschlossen ist. Zwischen die Rohrstangen schiebt sich kreuz und quer großes ovales Blattlaub, ähnlich dem der Tabakpflanze. Einige der Zuckerrohrstangen und Blätter sind abgeschlagen und liegen nun auf dem Boden. Auf der Freifläche tummeln sich vier Figuren. Stehend, sitzend und in Tätigkeit haben sie auf der „Bühne” Position bezogen. Deutlich sind vier Köpfe zu unterscheiden, die maskenartige Gesichtszüge tragen und den Betrachter scheinbar allesamt ansehen. Daneben fallen die überdimensional großen Füße und Hände sowie ihre langen schmalen Gliedmaßen auf. Die ungelenk wirkenden Stockbeine, teil- weise durch angedeutete Kniegelenke unterbrochen, machen den Hauptteil der Figuren aus.

Bei den vier Figuren handelt es sich um individuelle Wesen. Die äußerst linke, mit einer pfer- dekopfähnlichen Visage wendet mit ihren Kopf dem Betrachter zu. Ihr Gesäß jedoch und die in den Raum hineingestellten Füße verdeutlichen ihre ins Bild gerichtete Haltung. Über ihre Schulter einerseits zurück – aber doch auch zugleich in das Bild blickend übernimmt sie die Funktion, den Betrachter mit in das Geschehen hineinzunehmen. Mit ihren ausgestreckten Armen und Händen drückt sie das Zuckerrohr und das übrige Blattwerk zur Seite, damit der Blick auf die Szene frei wird.

Die im hinteren Bereich, vom Bildzentrum aus links befindliche Figur ist mit einem längs ovalen maskenartigen Gesicht versehen. Sie hat die Beine auseinandergespreizt und sitzt in dieser aufreizenden Haltung auf einem unsichtbaren Gegenstand, dem Betrachter in Dreivier- telposition zugewandt. Der Betrachterblick fällt auf den Innenunter- und Oberschenkel,

400 So geschehen bei MAURER: „So getarnt bilden sie (die weiblichen Figuren) einen wesentlichen Bestandteil ihrer natürlichen Umgebung – eine vom Primitiven inspirierte Darstellung der Vereinigung der Menschheit mit der Natur.“ MAURER 1984: 602. Darin folgt sie unter anderem Ausführungen von Mabille, der 1945 zu „La Jungla“ schrieb: (...) „la jungle-là où la vie explose partout, libre, dangereuse, jaillissante de la végétation la plus luxuriante, prête à tout les mélanges, à toutes les transmutations, á toutes les possessions“ (...). MABILLE, PIERRE: „La Jungle“. In: Tropiques. Revue culturelle, No. 12, Fort-de-France, Januar 1945: 187. [Ü.: (...) „dieser Urwald hier, in dem das Leben überall hervortritt, frei und gefährlich, aus der Vegetation von größter Üppigkeit sprudelnd, bereit sich zu vermischen, zu verwandeln und in Besitz zu nehmen.” (...).]

114 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN provokativ geht ein schmaler Arm ohne Körper aus dem Bildhintergrund durch ihren Schritt hindurch. Ihren rechten Arm hat sie nach oben ausgestreckt und hinter dem Kopf verschränkt. Die Hand stützt jedoch weder den Nacken noch den Kopf, sondern ist ebenfalls darum bemüht, die Pflanzen, die aus dem hinteren Bildraum kommen, wegzudrücken. Die Haltung der vom Bildzentrum aus rechts stehenden Figur ist schwieriger zu beschreiben. Denn während ihr Oberkörper und das auf den ersten Blick durch die drei Augen, zwei Lippenpaare und zwei angedeutete Kinne verwirrend wirkende Gesicht der Figur dem Betrachter zuge- wandt ist, zeigen die Füße in den Bildraum hinein. Der Betrachterblick fällt auf eine Pobacke, die mit einer Art Schweif versehen ist. Ihre Arme stützt sie, aus den Ellenbogen heraus, nach oben ab und auf ihren geöffneten Handflächen präsentiert sie Blätter oder vielleicht auch Früchte.

Zuletzt steht im Vordergrund, am äußerst rechten Bildrand, eine Figur im Profil. Mit dem Körper allerdings wendet sie sich ab, in den Bildraum hinein. Sie dreht dem Betrachter Rücken und Gesäß zu. Ihre Zehen sind nach hinten in den Raum gedoppelt, was die Füße selt- sam verzerrt wirken lässt. Im Gegensatz zu den anderen Figuren ist ihr Oberkörper nicht eindeutig mit einem Kopf verbunden. Das Mondgesicht, das dem Körper am nächsten ist, blickt den Bildbetrachter an. Es bleibt unklar, ob dieser Kopf und der Körper zusammengehö- ren oder ob sich womöglich noch eine weitere Figur im Bild befindet. Denn auch die Arme und Hände am oberen Bildrand sind nicht zuzuordnen: ein abgewinkelter Arm, der das Mond- gesicht abstützen könnte, zwei Finger mit angedeutetem Handrücken, die die Zuckerrohr- stange nach hinten wegzudrücken scheinen, eine lang ausgestreckte geöffnete Hand am oberen Bildrand, die erneut eine Pflanze auf dem Handteller präsentiert und schließlich eine Hand, die das Gelenk einer großen Schere umgreift, die sie dem Betrachter direkt entgegen- streckt. Die Undefinierbarkeit der Teile des Körpers ist hier durch die verschlungene Überwu- cherung der Pflanzen provoziert, die den Oberkörper der Figur und das Mondgesicht umhül- len. Diese Teile scheinen wie in den Bildhintergrund einzutauchen oder auch aus ihm aufzu- tauchen, das Bild ist an dieser Stelle transzendent und vage.

La Jungla ist in Primär- und Sekundärfarben gehalten. Blau und Grün wirken dominant, Orange, Rot und Weiß bringen die Helligkeit und die Lichtreflexe ins Bild. Nur wenig Tages- licht fällt auf den Boden. Hier handelt es sich um einen punktuellen Lichteinfall, der im Bild durch die hellgelben Lichtreflexe zur Geltung kommt und den Figuren durch das Licht- und Schattenspiel Dimensionalität verleiht. Gleichzeitig scheint jedoch auch weißes Licht,

115 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN womöglich vom Mondgesicht aus, die Figuren zu erhellen. Eine schwarze Umrisslinie gibt die Formen und Strukturen der einzelnen Bildelemente vor. Dadurch wirken die Figuren und die Pflanzen definiert und konkret, sie bekommen einen realen Charakter. Die Dominanz von Grün und Blau, das Blattwerk und die scheinbar störrische Pflanzenwucherung, die ständig drohen Überhand zu nehmen, mögen den Titel La Jungla für das Bild nachvollziehbar machen. Nur handelt es sich hier nicht um wild wuchernden Urwald, sondern um kultivierte Plantagenbepflanzung in Form von Zuckerrohr und Tabakpflanzen.

Zu Recht wird La Jungla als Schlüsselbild des Œuvre von WIFREDO LAM bezeichnet. Es entstand an einem Wendepunkt seiner künstlerischen Laufbahn, an dem er das in Europa Erlernte verinnerlicht hatte und von dessen avantgardistisch-theoretischem wie praktisch- künstlerischem Repertoire er sich durch einen eigenen Ausdruck emanzipierte. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass La Jungla vor allem auf den Kubismus und den Surrealismus reflektiert, zwei Einflüsse, die zuletzt dominant auf den Künstler einwirkten. Die Beschrei- bung der kubistischen Formgewinnung ist bis heute ein wichtiger Fokus der ästhetischen Auseinandersetzungen mit dem Werk. Interpretatorisch hingegen bezieht sich die Rezeption von La Jungla auf den Surrealismus und den Magischen Realismus. In der Auseinanderset- zung mit diesen stilistischen Einflüssen kommt man nicht umhin, sich erneut dem Element der Maske und deren ästhetische Behandlung von WIFREDO LAM zuzuwenden. Dies leistet jedoch immer auch primitivistischen Vorstellungen einer vermeintlichen Afrikanität des Œuvre besonderen Vorschub, schließt eine derartige Gestaltung doch unmittelbar an die Rezeption und Ästhetik der europäischen Avantgarde vor dem Zweiten Weltkrieg an.

Es sind vor allem die Gesichter der Figuren, die die kubistische Kategorisierung untermauern und für den Betrachter unmittelbar immer an PICASSO erinnern. Die linaren Formen und der geometrische Aufbau der Komposition machen zudem das kubistische Moment im Bild aus.401 Am deutlichsten lässt sich die Auseinandersetzung mit dieser Stilrichtung anhand der Figur außen links im Bild beschreiben. Die ovale, zum Kinn hin spitz zulaufende konkav geschwun- gene Gesichtsform lässt wie bereits festgehalten an einen Pferdekopf denken. Durch den langen, tiefen Schatten wird der Unterkiefer besonders betont, und auch die spitzen Ohren und die angedeutete Pferdemähne sowie der Schweif bestärken den Eindruck. Die Nasenpartie ist für diese, wie auch für die rechts neben ihr stehende Figur gleich ausgestaltet: Der Nasen- rücken formt sich in einer geradlinigen Fläche, an dessen beiden Seiten sich die Nasenflügel

401 Vergl. auch: DESNOES, EDMUNDO: Lam: Azul y Negro. Havanna 1963: 8.

116 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN sowie die Schatten der Nase legen. Auch die Nasenlöcher sind in die Ebene gekippt. Alle Umrisse des Nasenprofils bilden eine Art Dreieck. Verstärkt werden die Schatten durch eine Längsschraffur, die in späteren Werken häufig nur noch angedeutet wird. Die vom Kubismus geforderte gleichzeitige Mehransicht in geometrisch, geradlinig begrenzten Flächen, wie die Behandlung der Schatten als Schraffur, treten bei der Nasengestaltung am augenscheinlichsten auf. Die horizontale Linie, die die Nase abschließt, ist gleichzeitig der obere Lippenbogen des vollen, rund geschwungenen Lippenpaares. Die Lippen liegen geschlossen wie zwei kleine Halbmonde aufeinander, die Oberlippe gewinnt durch geschwungene vertikale Rillen an Volu- men. Formal hat der linke Kopf die Kunstkritik verschiedentlich Bezüge zu PICASSOs Guer- nica nachvollziehen lassen, aber auch zu konkreten Masken, die LAM beispielsweise im

Atelier von PICASSO gesehen haben soll.402

Die im rechten Bildzentrum stehende Figur erinnert an ein Bild, das bereits ausführlich besprochen wurde. In der Ausgestaltung der Gesichtsform und der komplex ineinanderge- schobenen Haube bezieht sich die Visage dieser Figur unmittelbar auf das Bild Couple (Abb.

49)403. Auch wenn dies hier gezeigte Detail mehr noch als Couple LAMs eigener Formenspra- che nachkommt, sind einige Parallelen deutlich zu erkennen. Von Couple nahm LAM nur die rechte Bildhälfte und setzte sie in La Jungla als Kopf der Mittelfigur ein.404 So sind von der dritten Figur in Couple einzig der rechte Teil des Nasenrückens und ein Teil der Lippen geblieben. Anders als in Couple jedoch nahm LAM die Verbindung von der Maske und dem dahinterliegenden Gesicht vor und definierte so durch den Farbwechsel neue Zugehörigkeiten. Der linke Nasenflügel der Haube gehört nun zum Gesicht, ebenso das linke spitze Ohr. Mit dem Zerschlagen der Form und dem neuen Zusammensetzen der Gesichtsteile verwirklichte

LAM erneut auch in dieser Figur den kubistischen Anspruch. Die Armhaltung übernahm LAM teilweise, auch wenn gerade diese Pose in vielen Bildern zuvor von ihm studiert wurde und nicht unbedingt auf Couple zurückgehen muss.

Zuletzt kann noch die halbmondartige Visage rechts im Bild beschrieben werden. Auf das Gesichtsfeld sind ein rundes Augenpaar, die beiden kubistischen Nasenflügel und ein kleiner schmaler Mund gelegt. Das Gesicht ist nicht gedoppelt oder überblendet, es besteht aus einer

402 PAUDRAT 2001: 74. 403 Vergl. die Ausführungen zum Bild Couple 1940 in II 2.1 1 Überschneiden, überblenden, kombinieren: LAMs neue Gesichter. Abb. 49: Couple 1940. 404 Das große linke Auge schielt auf den Boden aus dem Bildrahmen heraus, die haubenähnliche Maske ver- deckt einen Teil des Gesichtes, die zwei kleinen eng stehenden Augen blitzen auf der Stirn, die zwei spitzen Ohren/Hörner wie auch die breiten Lippen lassen sich parallel zu Couple lesen.

117 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN eindeutig definierten, wenn auch als Feld halbierten Fläche. Abermals, wie auch bei der Beschreibung der vorangegangenen Figuren, ist eine Parallelität zu maskenartigen Vorbildern möglich, bleibt jedoch auch rein spekulativ.

In La Jungla finden sich Visagen, die alle von LAM erarbeiteten Formen der vergangenen Jahre aufzeigen. Deutlich hielt er am Kubismus fest, nahm Fragmente dieser Ästhetik in La Jungla auf, indem er wie aus der Erinnerung auf Elemente der möglicherweise gesehenen

Masken reflektierte. LAM bezog sich so unweigerlich auf die Tradition der europäischen Avantgarde, und doch spricht die Entwicklung seiner Gesichter eine andere Sprache, als die der rein ästhetischen Übernahme. Denn in La Jungla sind die Visagen nicht länger maskenar- tige Artefakte. Sie behaupten sich in ihrer Eigenständigkeit, die Figuren haben sich verselbst- ständigt und emanzipiert. Sie erscheinen „personalisiert“ und sind als individuell zu beschrei- ben. Sie kommunizieren durch die Sprache der „Moderne“, um verstanden zu werden, sind jedoch in ihrem Ausdruck und ihrer Ausgestaltung eigenständig. Teile der Visagen verweisen lediglich als Zeichen auf einen europäischen Avantgardekodex und bilden so den Transmitter für die Übersetzung in LAMs eigene künstlerische Sprache.

LAM dachte auch nicht an eine Übernahme der afrikanischen Ästhetik, wie sie einst der formalen Erneuerung der europäischen Avantgarde dienen sollte und so ihrer religiösen Bedeutungen und Funktionen beraubt wurde. In der Ausgestaltung seiner Figuren – dies nicht nur in Bezug auf die Visagen, sondern ganzkörperlich – nahm er eine Vitalisierung vor, die nicht einer Wiederbelebung, sondern einer gänzlich neuen Ausformulierung gleichkommt. Die Figuren sind nun Bedeutungsträger, sie sind keine passiven Wesen, sondern behaupten sich vom afrikanischen Bezug losgelöst. So entzog sich LAMs Bildsprache sukzessive der einseiti- gen europäischen Rezeption und Aneignung, die das „Primitive“ seines Werkes in der Tradi- tion einer europäischen Afrikarezeption betont sehen wollten. Der damit verbundene „Authen- tizitätsanspruch“, der auf der Basis einer parallelen Beschreibung der Maske nach dem

Vorbild PICASSOs funktioniert, wird spätestens mit der Zerstücklung, der neuen Zusammenset- zung und eindeutig anderen Nutzung der Visagen in La Jungla hinfällig.

So eindeutig sich die kubistischen Bezüge in La Jungla lesen lassen, so vage und unsicher sind die des Surrealismus. Denn sucht man nach den surrealistischen Elementen des Bildes, drängt sich der Eindruck auf, man wiederhole die ideologisch vorgedachten Rhetoriken

BRETONs. Dieser betonte, er finde sein Verständnis einer „surrealen Wirklichkeit“ in La

118 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

Jungla ästhetisch umgesetzt. Vor allem bezog er seine Ausführungen auf die Verbindung von einer inneren, primitiven und einer äußeren, durch Ratio gelenkten Welt.405 Es sind die zwischen maskenhaften, tierischen und menschlichen Elementen changierenden Visagen und Körperteile der Figuren in La Jungla, aber auch in späteren Bildern, die die Vermittlung zwischen der magischen und rationalen und somit zwischen der inneren und der äußeren, zwischen der unbewussten und bewussten Welt für die Surrealisten leisten konnten. Auch in der Gesamtgestaltung der Figuren, die einerseits erfunden und fantastisch wirken, andererseits in ihrem Habitus und ihrer Präsentation menschliche Züge tragen und so der realen Welt zuge- hörig scheinen und sich zudem in einer vermeintlich klar zu identifizierenden Umgebung aufhalten, liegt ein surrealer Augenblick. Unterstützt wird der Eindruck des Transzendenten in La Jungla durch das Gesamtgefüge des Bildes, das ähnlich eines Altargemäldes den Einstieg in die „Unterwelt“, eine Welt der Mythen und Riten zu ermöglichen scheint. Auch in diesem Punkt würde somit einmal mehr den Überzeugungen der Surrealisten, die Alltagswelt Kubas mit der magischen Welt der „Primitiven“ verbunden, entsprochen. Dies sind sicherlich die stärksten Momente in La Jungla, die die Kritik dazu veranlassten, dieses Bild mit dem Surrea- lismus in Verbindung zu bringen.

Während der surrealistische Ansatz darauf bestand, die magische, mystische und damit entrückte Welt der Karibik in La Jungla zu erkennen, begreifen die lateinamerikanischen und karibischen Kritiker bis heute das Bild als sichtbaren Ausdruck der „identidad afrocaribeña en los más altos niveles del arte moderno internacional“406, als „realidad antillana“407, als die Entdeckung der „cosa negra“. Es scheint gerade die entgegenstehende surrealistische Argu- mentation zu sein, der entsprechend sich im Bild nun die reale Wirklichkeit Kubas zeige. So ist es für die Kubaner „el descubrimiento del paisaje cubano y de su herencia afrocubana“, die

LAM in ein formales Vokabular umsetzte „para simbolizar el poder y la persistencia de las deidades y mitos africanos injertados en la cultura cubana.“408 In Verbindung mit dem Surrea- lismus folgen seit den 1960er Jahren auch die meisten der europäischen und US-amerikani- schen Rezeptionen diesen Ausführungen. HERZBERG schreibt 1990: „From the Surrealist view- point Lam's works confirmed an understanding of the relationship between aesthetics and

405 BRETON 1972: 171. 406 MARTÍNEZ, JUAN A.: „Introducción a la Pintura cubana moderna 1927-1950”. In: Cuba Siglo XX. Modernidad y sincretismo. Centro Atlantico de arte moderno. Las Palmas de Gran Canaria, 16. April - 9. Juni 1996: 54. [Ü: „afrokaribischen Identität von allerhöchstem Niveau in der modernen internationalen Kunst.“] 407 DESNOES 1963: 16. [Ü: „die Realität der Antillen“]. 408 MARTÍNEZ 1996: 53. [Ü: „die Entdeckung der kubanischen Landschaft und die des afrokubanischen Erbes“ (...) „um die Kraft und die Nachhaltigkeit der afrikanischen Götter und Mythen zu symbolisieren, die der kubanischen Kultur immanent sind.“]

119 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN creative freedom. Visually the body of work seems to subvert traditional subjects by redefi- ning the empirical world in terms of the spiritual world. For the Surrealist the spiritual world was part of the unconscious. For the Afrocuban, however, it was part of a conscious, everyday reality. Lam brought this aspect of Afrocuban culture to center stage.“409 Die Suche nach konkret zu benennenden Elementen der afrokubanischen Realität gerät jedoch leicht an Gren- zen. Denn was erinnert die lateinamerikanische, wie auch die „westliche“ Rezeption des Werkes bis heute neben den Pflanzen im Bild noch an die karibische Realität, „lo tropico“ 410?

Weiterhin sind es die maskenartigen Gesichter der Figuren, die nun auch von Seiten der kari- bischen Rezeption an Afrika und somit an die kubanische Kolonialgeschichte anschließen.

Die Ambivalenz, die sich in dem Entzug konkreter Vorbilder in den LAMschen Visagen offen- bart, ist bereits genannt worden. Es finden sich jedoch für viele Kritiker auch Hinweise auf die afrokubanische Mischreligion Santeria, die den besonderen Fokus legitimiert. In den 1940er und 1950er Jahren bezogen sich die meisten Ausführungen auf das vermeintlich Tropi- sche und Mystische im Bild. Auf die Betonung des Kubanischen in der Monografie von

FERNANDO ORTIZ ist bereits hingewiesen worden. 1963 schreibt CARPENTIER: „La Jungla, con sus faunas imaginarias, mitos inspirados en la santería afrocubana, en leyendas negras de Cuba. (...) Realismo cubano: Wifredo Lam se mueve en su mundo que es a la vez nuestro mundo.“411 Und ebenfalls im gleichen Jahr, im Zusammenhang mit LAMs erstem Aufenthalt auf Kuba seit der Revolution wird EDMUNDO DESNOES in der nationalen Presse Bohemia zitiert und weiter ausgeführt: „'Este cuadro parece una alfombra compuesta por miembros humanos, frutos y hojas tropicales y símbolos africanos, y produce la impresión de unidad impenetrable de la naturaleza virgen en la jungla y a la selva tropical.' En el camino de la propia expresión, Wifredo Lam había tropezado consigo mismo.“412 Auch die europäische Rezeption schloss sich an. So stellte MABILLE 1945 fest: „L'immense valeur de la toile de Wifredo Lam appelée 'La Jungle' est d'évoquer un univers de cette sorte, dans lequel les arbres, les fleurs, les fruits

409 HERZBERG, JULIA P.: „Wifredo Lam”. In: II, 3, Sommer 1990: 20. 410 „'Tropical, mais d'où?' éscrivit un jour Michel Leiris.“ In: DAVID, CATHERINE: „Lam dans son siècle.“ In: Wifredo Lam. Voyages entre Caraïbes et avant-gardes. Le Musée des Beaux-Arts de Nantes, 29. April - 29. August 2010, Nantes 2010: 15. [Ü: „'Tropisch, aber wo?' schrieb einmal Michel Leiris.“] 411 CARPENTIER 1963. [Ü: „La Jungla, mit seiner imaginierten Fauna, ist von den Mythen der afrokubanischen Santeria und den Legenden der Schwarzen von Kuba inspiriert. Kubanischer Realismus: Wifredo Lam be- wegt sich in seiner Welt, die zugleich auch unsere Welt ist.“] 412 DESNOES, EDMUNDO: „Lam”. In: La Bohemía, 55, No. 21, Havanna, 24. Mai 1963: o.S. [Ü: „Dieses Bild scheint ein aus menschlichen Körperteilen, Früchten und tropischen Blättern sowie afrikanischen Symbolen zusammengesetzter Teppich zu sein, und erweckt den Eindruck einer Einheit von undurchdringbarer jung- fräulicher Natur eines Dschungels und tropischem Urwald. Auf dem Weg zu einem eigenen Ausdruck, hat sich Lam selbst tropikanisiert.“]

120 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN et les esprits cohabitent grâce à la danse.“413 1949 betonte er, dass in La Jungla „the emotions of black magic were clearly expressed.“414 Leider lässt MABILLE offen, woran er seine Ausfüh- rungen im Bild festmacht, doch wahrscheinlich reflektierte er auf die Riten und Gebräuche der afrokubanischen Mischreligion, wie sich gleich zeigen wird. In der Fortführung dessen schreibt 1988 KREMPEL: „Die Figuren seiner Kompositionen entstammen den Mythen und Riten der karibischen Neger, schildern sie aber nicht, sind keine ethnografischen Dokumente.“415 Der Verweis auf die „Mythen und Riten der Neger“ oder die „emotions of the black magic“, die sich in der afrokubanischen Santeria bis zum heutigen Tag auf synkretisti- sche Weise transferiert und umgewandelt finden, bezieht sich auf die religiösen Praktiken der Mischreligion. Wie bereits ausgeführt, gehört es zur Santeriazeremonie, dass in Trance die Götter die Körper der Gläubigen in Besitz nehmen und auf ihnen „reiten“. Die Beschreibung dieser Praktik nehmen viele Kritiker zum Anlass, die durchaus dominant bis ins Spätwerk zu findenden Details der Pferdeschweife und Hufe der LAMschen Figuren als afrokubanische Elemente zu interpretieren. Auch die surrealistischen Vorstellungen vom Unbewussten und das gestalterische Element des Stieres und des Kampfes bezeugen die Rezeption der Mischre- ligion im Werk. Das aktuellste Beispiel für den Bezug und die Betonung der afrokubanischen

Komponente, die sich in La Jungla aber auch in anderen Bildern LAMs finden sollen, stammt aus dem Ausstellungskatalog „Wifredo Lam“ 2010 in Nantes, in dem ANNE TROCHE zu La Jungla ausführt: „Œuvre maîtresse de cette période, La jungle (1942), qualifiée par Max-Pol Fouchet de 'poème barbare, monumental, superbe' (Max-Pol Fouchet, Wifredo Lam, Paris Cercle d' Art, 1976), est une puissante synthèse d'une excitation poétique née de le résurgence des cultures afro-cubains, de la vision des plantations de cannes à sucre et des improvisations de la pensée affrontant les audaces picturales du XXe siècle. Si le mystère des cérémonies ritu- elles se retrouve dans cette œuvre, les figures, qui atteignent à une intensité presque cruelle, ne sont pas pour autant les avatars de la sculpture africaine, ni les relais d'une symbolique précise.“416

413 MABILLE 1945: 187. [Ü: „Der unermessliche Wert des Gemäldes 'Der Dschungel' von Wifredo Lam ist, dass es ein Universum solcher Art in Erinnerung bringt, in dem die Bäume, die Blumen, die Früchte und die Geister dank des Tanzes zusammenleben.“] 414 MABILLE 1949: 187. 415 KREMPEL 1988: 7. 416 TROCHE, ANNE: „Une morphologie totémique de l'invisible.“ In: Wifredo Lam. Voyages entre Caraïbes et avant-gardes. Le Musée des Beaux-Arts de Nantes, 29. April - 29. August 2010, Nantes 2010: 26. [Ü: „Das Hauptwerk dieser Epoche, Der Dschungel (1942), von Max Pol-Fouchet als 'barbarisches Gedicht, als monu- mental und prachtvoll' beschrieben, ist eine kraftvolle Synthese der poetischen Anregung, die aus dem Aufer- stehen afro-kubanischer Kulturen, der Sicht auf Zuckerrohrplantagen und der Improvisation eines Denkens erwächst, (Eigenschaften) die sich kühn der Kunst des 20. Jahrhunderts entgegenstellen. Wenn sich das Mys- terium der rituellen Zeremonien in diesem Werk wiederfindet, dann sind die Figuren, die fast eine grausame Intensität erreichen, nicht so sehr Kunstfiguren der afrikanischen Skulpturen, und sie vermitteln auch keine bestimmte Symbolik.“]

121 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

Auch die Freundschaft zu CÉSAIRE hat die Interpretation des Werkes beeinflusst und wirkt auf die Betrachtungsweisen mit afrokubanischem Fokus stabilisierend. Im Zusammenhang mit der Négritude wurde La Jungla bereits in den 1940er Jahren im Rahmen eines eindeutigen politischen Diskurses rezipiert. Zunächst in CARPENTIERs Ausführungen zu „real maravilloso“, aber auch in jenen von CÉSAIRE zeigte sich für beide im Bild das karibische Kolonialdrama.417

YAU wies 2002 daraufhin, dass LAM möglicherweise bereits vor der Ankunft in Havanna über die Konzeption des Bildes La Jungla nachdachte. „It would prove a long and arduous journey. Certainly, one suspects that during the latter part of that journey, Césaire's poems were in the forefront of Lam's thinking. The poet's concept of Negritude and 'return' would have provided him with a radically different perspective on both his cultural identity and Picasso's use of African art.“418 1959 wird die politische Ausrichtung zur Proklamation für die neue kubani- sche Regierung wie auch für eine mit der Revolution sympathisierende, internationale Rezep- tion. So wies beispielsweise GLISSANT in seinem Beitrag in Lam métis auf die Parallelität des Zuckerrohrs, der Ernte und der kolonialen Ausbeutung der Menschen wie auch der Erde hin.419 Die Totalität und die Aggression, die LAM zum Ausdruck bringen wolle, spiegele sich in den Zuckerrohrstangen wider.420

Tatsächlich lassen sich derartige Interpretationen afrokubanischer Komponenten herleiten: Die Pflanzen – Zuckerrohr und Tabak – können durchaus für Versklavung, Ausbeutung und Kolonialismus stehen. Dieser Teil der Geschichte verbindet sich mit den Figuren im Bild. Doch wie selbstverständlich wird in den Ausführungen die Vegetation auf die Figuren übertra- gen, die eine Mischung aus surrealistischen und afrokubanischen Rezeptionen nach sich zieht. Schnell werden die mythische Religion Santeria und deren Gottheiten, die häufig in Palmen und Gestrüpp wohnen oder die sich nur im Qualm der Zigarren zeigen, mit den Fantasiefigu- ren in La Jungla zusammengelesen.421 Allerdings lässt sich gerade in diesem Bild der Verweis

417 CÉSAIRE 1945/46: 357. „La peinture une des rares armes qu'il nous reste contre la sordidité de l'histoire. Wifredo Lam est là pour l'attester. Et tel est un des sens de la peinture riche plus qu'aucune de Wifredo Lam: elle arrête la geste du conquistador; elles signifie son échec à l'épopée sanglante de l'abâtardissement par son affirmation insolente qu'il se passe désormais quelque chose aux Antilles.” [Ü: „Die Malerei ist eine der wenigen Waffen die uns gegen den Schmutz der Geschichte geblieben ist. Wifredo Lam ist da, um sie zu bezeugen. Und so ist die Malerei von Wifredo Lam an Bedeutungen reicher als irgendeine andere: sie bricht die Geste der Eroberer. Sie verweist auf den Misserfolg seines blutigen Heldenepos, die Entartung seiner ehrfurchtslosen Behauptung, die sich nunmehr auf den Antillen zeigt.”] 418 YAU, JOHN: „From Hollowed Place to Pure Sign.” In: LAURIN-LAM, LOU/LAM, ESKIL: Lam. Catalogue Rai- sonné of Painted Work. Volumen II 1961-1982. Lausanne 2002: 44. 419 GLISSANT, ÉDOUARD: „Iguanes, busards, totems fous.“ In: Lam métis. Musée Dapper, 26. September 2001 - 20. Januar 2002, Paris 2001: 15. 420 GLISSANT 2001: 19. 421 „De 1943 a 1945 las figuras aisladas se integran en la naturaleza en antropomorfismos que revelan alusiones a los orishas. (...) La Jungla, acabada en 1943, con un grupo de figuras que dan vida a una narrativa, es la

122 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN auf die afrokubanische Mischreligion nicht konkretisieren. Festzuhalten ist, dass die Figuren in La Jungla aus der Vegetation hervortreten, sich aus ihr entwickeln, Teil von ihr, aber auch eigenständig sind. Die Figuren werden nicht durch die Natur dominiert. Sie sind nicht die Untätigen, die Unterdrückten, sondern schieben aktiv Teile der Pflanzen beiseite, verschaffen sich Platz, damit sie als Wesen sichtbar werden. Es ist der sensible Moment, in dem die Figu- ren einerseits das koloniale Erbe in Form der Plantagenpflanzen zurückdrängen und sich andererseits ihre Körperlichkeit erst durch die Vergangenheit ausbildet, weil die Zuckerrohr- stangen die Funktion von einzelnen Gliedmaßen der Figuren übernehmen. Nur noch im meta- physischen Sinn würde LAM „la realidad antillana“422 hier spiegeln. Vielmehr offenbaren die Plantagenpflanzen eine historische Begebenheit, die die kulturelle Identität Kubas mit ausbil- dete. YAU führt aus, dass das Bild keine Szene, sondern viel eher „an hallucination and the embodiment of a state of endless transformation“ sei. „We are not seeing the painting, we are dreaming it.“423 In der Schere am äußersten rechten Bildrand, die er als Handwerkszeug der versklavten Zuckerrohrarbeiter liest, sieht er eine Aufforderung an den Betrachter, mit der Vergangenheit zu brechen und einen „Schnitt“ zu setzen.424 Aber auch könnte La Jungla als Aufforderung gelesen werden, sich der historischen Vergangenheit, der individuellen wie auch der kulturellen Identität anzunehmen und diese aus den bestehenden Kontexten und Bezügen eigenverantwortlich weiterzuentwickeln.425

obra cumbre del período.“ BORRAS 1996: 41. [Ü: „Von 1943 bis 1945 integrieren sich die einzelnen Figuren in die Natur durch einen Antropomorphismus und sie entwickeln Bezüge zu den Orishas. (...) La Jungla, 1943 fertiggestellt und das Hauptwerk dieser Periode, krönt er mit dieser Gruppe von Figuren, die einer Geschichte Leben verleihen.“] 422 DESNOES 1963: 16. [Ü: „die Realität der Antillen“]. 423 YAU 2002: 43. 424 YAU 2002: 43. „Either we want to cut through this dream, and return to our lives, or we choose to recognize that the scissors, were used by the slaves working in the sugar cane fields. By offering us the scissors, Lam compels us to decide not only what our relationship is to this instrument, but also to our past and future. Will we reject the scissors? Will we cut the painting apart? Or will we link ourselves to those who wish to cut their way to freedom?“ HURTADO führte bereits 1965 dazu aus: „La Jungla es la interpretación de nuestro paisaje visto por Lam. Este paisaje, por supuesto, es nuestro anterior paisaje colonial. En cierta ocasión, por el año 36, Lam me dijo que la tijera de La Jungla significaba el corte con el pasado colonial y en esto fue proféti- co.“ HURTADO, OSCAR: „Lam”. In: Bohemia, Carneval de La Habana, Havanna, 28. März 1965: 22. [Ü: „La Jungla ist die Interpretation unserer Landschaft, wie sie von Lam gesehen wird. Diese Landschaft ist, selbst- verständlich, unsere frühere koloniale Landschaft. Einmal, um das Jahr 36, sagte mir Lam, dass die Schere in La Jungla der Schnitt mit der kolonialen Vergangenheit bedeute und darin war er prophetisch.”] 425 Dieser Interpretationsansatz impliziert Ideen von CÉSAIRE, der im Hinblick auf eine eigenständige und unabhängige Kultur für Martinique auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, sich die afrikanischen Traditionen und den europäischen Modernismus so zu eigen zu machen, dass das koloniale Trauma überwunden werden kann. Vergl. Editorial in Tropiques 10/Oktober 1943: 7.

123 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

1.2 Aufnahme und Entzug: Der emanzipatorische Moment in La Jungla Die Aufnahme einzelner Elemente der Ästhetik der europäischen Avantgarde, vor allem denen von PICASSO, ist genannt worden. Der Möglichkeit, dass es sich dabei nicht nur um eine ästhe- tische Rezeption, sondern auch um ein semantisches Verfahren handeln könnte, das mögliche Umdeutungen einschließt, soll nun eine gesteigerte Aufmerksamkeit zukommen.

Mit dem Versuch, La Jungla mit anderen Vorbildern in Verbindung zu bringen, wird häufig auf PICASSOs Les Demoiselles d' Avignon verwiesen. Tatsächlich lassen sich verbindende Elemente in beiden Bildern herausarbeiten. Die meisten Rezeptionen sind jedoch oberfläch- lich und ungenau und belassen es bei der schlichten Beobachtung der kompositorischen Zusammenhänge. Die Parallelisierung der beiden Werke entspricht vermutlich dem Wunsch,

PICASSO rückwirkend in die Leserichtung eines vermeintlich primitivistischen, im Sinne eines authentisch-originären Ausdrucks einzubetten und damit dessen Genialitätshoheit aufrechtzu- halten.426 In diesen Zusammenhang könnte auch passen, dass, wie schon erwähnt, BARR dem Bild La Jungla unmittelbar nach dem Ankauf einen Platz im MoMA neben Les Demoiselles zuwies. Ob die Bilder als gleichberechtigt verstanden wurden oder ob La Jungla als erklä- rende Ergänzung und sozusagen als Interpretationshilfe der Les Demoiselles für das irritierte und aufgebrachte New Yorker Publikum gedacht war, muss offenbleiben.

Die europäische Rezeption zielte bisher größtenteils einzig auf die strukturellen und komposi- torischen Aspekte der beiden Werke ab, ohne nach dem offensichtlichen und provokanten Sinnzusammenhang eines solch ähnlichen, großformatigen Bildes wie La Jungla zu fragen. In der Vereinheitlichung, der Betonung der Gleichheit der beiden Bilder und Künstler liegt die interpretatorische Falle und letztendlich die Degradierung des bedeutungsschweren Bildes La Jungla.

Die kompositorischen Gemeinsamkeiten beider Bilder sind auffällig und schnell genannt. Beide haben annähernd gleiche Maße. In La Jungla wie auch in Les Demoiselles sind vier bzw. fünf Figuren zu sehen, die isoliert voneinander und ohne sichtbare Bezüge im Bildraum posieren. In Les Demoiselles schiebt die äußerste linke Figur einen Vorhang beiseite, um dem Betrachter den Blick auf die Szene freizugeben. Die Posen der anderen sich im Bild befinden- den Figuren erinnern an die traditionelle Aktmalerei. Sie sitzen, liegen oder sind in die Fläche gekippt, verschränken ihre Arme hinter dem Kopf. Posen, die der klassischen Bildikonografie

426 So geschehen bei MAURER, nach dessen Meinung LAM mit dem Bild PICASSO „huldigt“. MAURER 1986: 602.

124 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN vergangener Jahrhunderte entsprechen und dem Betrachter vertraut sind. Gleichzeitig verwir- ren die unterschiedlichen Perspektiven und die unklare Position die Orientierung im Bild. Vor allem die sexuelle Provokation, die beispielsweise von der breitbeinig sitzenden Figur vorne rechts im Bild ausging, brach mit den Blickgewohnheiten der Betrachter.

In La Jungla übernimmt die außen links stehende Figur ebenfalls die Aufgabe, die Bildfläche freizugeben: Sie drückt mit ihren Armen und Händen die Halme des Zuckerrohrs beiseite und blickt ähnlich einer Mittlerfigur zwischen Bildraum und Betrachter auf die Szene. Einige der Figuren haben ihre Arme hinter den Hals geschoben und imitieren ein klassisches Haltungsre- pertoire. Schließlich verweist auch die sich breitbeinig präsentierende Figur auf PICASSOs sitzende Frau, ebenso wie auf CÉZANNES Badende und rechtfertigt so einmal mehr den Bezug auf die Bildtradition der europäischen „Moderne“. MAURER sieht des Weiteren eine Verwandt- schaft zwischen den Bildern und zwar „in der großen Frau auf der äußersten rechten (Seite) von Der Dschungel, deren Kopf in Form einer Mondsichel Lam direkt der roten Sichelform des Stillebens entlehnte, das im Vordergrund der Demoiselles erscheint. Ihr Körper erinnert auch an die Figur im oberen rechten Teil von Picassos Gemälde, denn in beiden sind die Arme angehoben, sodass ihre Ellbogen auf die Bildmitte zurückweisen“427. Als letzter Punkt soll die Beobachtung genannt sein, dass der Abstraktionsgrad der Figuren in Demoiselles und La Jungla gleichermaßen von links nach rechts zunimmt.

Die Bekanntheit des Bildes Les Demoiselles ist unbestritten. In den 1940er Jahren gehörte es zum diskursiven Repertoire der „Moderne“ und wurde auch in New York als ein ästhetisches

Schlüsselbild rezipiert. Deshalb liegt der Gedanke nah, dass LAM mit seinem Bild nicht nur auf PICASSO, sondern auf die europäische Avantgarde, deren Vorstellungen und theoretische Konzepte insgesamt abzielte.

Betrachtet man beide Bilder nebeneinander, assoziiert La Jungla eine Variation des Themas der Demoiselles, aber auch eine Spiegelung. Doch, so ist zu fragen: „Is The Jungle nothing more than Lam's homage to Picasso's Les Demoiselles d' Avignon, as many American art historians and critics have proposed? Or is it both a purposeful re-evaluation and critique of

Picasso's painting?“428 Unweigerlich stellt sich somit auch die Frage, ob LAM PICASSO mit La Jungla ein Spiegelbild lieferte, das dem Altmeister nicht wie erwartet ein „primitives“ Gegen-

427 MAURER 1986: 602. 428 YAU 2002: 43.

125 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

über zurückwarf, sondern unvermittelt ein emanzipiertes Bild des „Anderen“ hervorbrachte?

War La Jungla ein Kommentar zu PICASSOs Wunsch nach symbiotischer Vereinigung seines Bewusstseins mit der „primitiven“, ins Unterbewusstsein verdrängten Seite429, und interpre- tierte LAM in La Jungla die Aufnahme und Behandlung „primitiver“, vermeintlich authentisch afrikanischer Zeugnisse der europäischen Avantgarde? Es liegt nah, hier erstmals in dieser Deutlichkeit eine neue konzeptuelle Position des Künstlers zu lesen, die sich zukünftig gänz- lich von der europäischen unterscheiden sollte und die sich in den folgenden Jahren zu einem eigenen Ausdruck profilierte.

Die Distanzierung zugunsten einer eigenen Künstlerposition gelang LAM in seinem Werk einerseits mit dem Rückgriff auf vertraute Elemente der zu dekonstruierenden europäischen Avantgardepositionen und andererseits gleichermaßen durch die Integration eben dieser

Elemente in den eigenen Ausdruck. Die Gliedmaßen der Figuren, die an PICASSO erinnern, der Rückgriff auf den Kubismus und auf die intendierten Bezüge zum Surrealismus, der ähnliche Bildaufbau von La Jungla wie jener der als Ikone der europäischen „Moderne“ zu bezeich- nenden Les Demoiselles d' Avignon und die klassischen Posen der Figuren sind der Anschluss an eine europäische Betrachtererfahrung. Sie erleichtern die Rezeption des Bildes zunächst. Vertrautes tritt dem Betrachter durch die Aufnahme der bekannten Elemente und Kompositi- onsstrukturen entgegen. Wie bereits dargestellt, bestärken auch die maskenartigen Gesichter anfänglich diesen Eindruck. Doch in der Umarbeitung der Masken zu Visagen, die zwar frei erfunden sind, aber an das „primitive“ Formenrepertoire denken lassen, deutete sich der Bruch und Entzug einer solchen einseitigen Rezeption an. Sie sind nicht länger Artefakte, sind keine ästhetischen Übernahmen in das eigene Bildrepertoire, wie es PICASSO praktizierte. Durch ihre Umgestaltung und die darin liegende neue Erscheinung entstehen Visagen, die für die Figuren eine Eigenständigkeit und emanzipatorische Position einfordern. Tatsächlich enttarnte LAM hier die primitivistische Konstruktion der Avantgarde mit deren eigenem Voka- bular. Gesteigert wird dies, indem LAM die Figuren in den Zuckerrohrwald und in das dicke Blattlaub der Tabakpflanzen stellte. Den primitivistischen und surrealistischen Vorstellungen folgend, verband er seine Wesen annähernd symbiotisch mit der Natur, lässt jedoch nicht zu, dass sich die Pflanzen über die Figuren erheben. Gleichzeitig bezog er sich eindeutig auf die Komposition der Les Demoiselles. Indem er seine Figuren jedoch in der kubanischen Umge- bung zeigte, nahm LAM eine Entkopplung des europäischen Referenzrahmens vor und veror- tete dessen Vorstellungen kurzerhand im karibischen Raum. Gerade an diesen beiden Punkten

429 Vergl. RUBIN 1986: 341.

126 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN sind die Aufnahme und der gleichzeitige Entzug besonders deutlich, geht die Verbindung beider Momente fließend und bruchlos ineinander über. In dieser ambivalenten Betrachterer- fahrung der gleichzeitigen kompositorischen Ausgeglichenheit liegt die Komplexität des

Bildes. Erneut wird klar, dass die Vorstellung unbedacht und irreführend ist, LAM formuliere in La Jungla ein im Sinne einer afrikanischen Ursprünglichkeit authentisches künstlerisches Zeugnis.

Am Ende ausführlicher künstlerischer Studien und der Vertiefung von philosophischen, politi- schen und kulturtheoretischen Zusammenhängen erarbeitete sich LAM mit diesem Bild einen eigenen Standpunkt. Im Rückgriff auf die europäischen Überlegungen und Inspirationen hat

LAM sicherlich die tiefe Ambivalenz der Aneignung des „primitiv“ Afrikanischen und der

Aberkennung an gleichberechtigter Bedeutsamkeit verstanden. Denn während sich LAM der Sprache der europäischen Avantgarde bediente, von ihr lernte und schließlich seinen eigenen

Ausdruck fand, blieb er für PICASSO doch immer der „Neger“, auf den der Altmeister in der

Überzeugung blickte, seine „Verwandtschaft“ mit dem „Fremden“ in LAM zu entdecken.

Dieses referentielle System betraf LAM nachhaltig, denn die Rezeption und Aneignung seiner Kunst und Person in Paris während seines Aufenthaltes verliefen synchron zu denen der Rezeption der „primitiven“ Objekte seit Beginn des Jahrhunderts. Mit La Jungla entzog sich

LAM in aller Deutlichkeit diesem Rückbestätigungsmechanismus. Möglicherweise wollte er nicht länger als Legitimation und Zeugnis einer vermeintlichen Genialität von PICASSO oder ganz allgemein der europäischen Avantgarde hinzugezogen werden.

WIFREDO LAM verortet in La Jungla jedoch nicht nur die europäische Avantgarde in der Kari- bik. Mit diesem Bild stieß er auch von der Karibik aus in das Zentrum der „Moderne“ vor.430 In einem für die Rezeption zentralen Zitat zeigt sich die Entkopplung und das gleichzeitige

Vordringen in den europäischen Raum besonders deutlich. LAM nutzte die Metapher des troja- nischen Pferdes, um seine Position und sein Anliegen zu verdeutlichen. Nach FOUCHETs

Darstellungen soll LAM gesagt haben: (...) „I could act as a Trojan horse that would spew forth hallucinating figures with the power to surprise, to disturb the dreams of the exploiters.“431

Das trojanische Pferd wird zum Sinnbild für Interpretationen, die LAM den „anderen“ Blick bescheinigen. Dies geschah jedoch meist einzig im Zusammenhang mit einer einfachen,

430 Wie bereits ausgeführt, war es vor allem CÉSAIRE, der schon 1945 auf das provokante und politische Potenzial in La Jungla hingewiesen hat. Vergl. Kapitel III 1.2 Die Stilisierung der Heimat: LAMS Rückkehr nach Kuba in der Rezeption in dieser Arbeit. 431 FOUCHET 1976: 188.

127 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN eingleisigen Leserichtung, die von der äußeren Hülle als dem Anderen ausgeht, als ein Fremd- körper im europäischen Diskurs. Die verwirrende Doppeldeutigkeit von innen und außen eines trojanischen Pferdes wurde in ihrer Komplexität erst Mitte der 1990er Jahre von

MOSQUERA ein erstes Mal aufgenommen. In Art Nexus schreibt er: „Lam's cultural sources have been subordinated to Western avantgarde art; they have never been examined from the point of view of their own effect on that art, in terms of their own particular construction of contemporary 'high' culture. The displacement (...), that the emphasis would no longer be placed on the intervention of these cultural elements in Surrealism, rather, this movement would be seen as a space in which those elements are given expression outside their traditio- nal sphere, transformed into agents of the avantgarde culture by themselves. This is what Lam must have meant when he said that he was a 'Trojan horse'.“432 Auch die Vorstellung des exotisch „Anderen“, personifiziert in LAM, machten es dem Kubaner möglich, ins Zentrum der Avantgarde, in deren Diskurse vorzudringen, um nun durch seine Uminterpretation und Aufwertung des Afrokubanischen diese zu unterlaufen, zu durchdringen und zu dekonstruie- ren. Nicht zuletzt mithilfe der avantgardistischen Ressourcen bediente sich LAM der Repräsen- tationsräume des „Zentrums“ und der mächtigen Legitimationssysteme, um das Karibische in die Kunsthoheit des Westens einzubringen. „For him Europe, as it was symbolized by Paris, became Troy, the fortress he had to infiltrate.“433

Was LAM für die Betrachter seiner Bilder vorsah, setzte er auch für sich konsequent um. Er positionierte sich mit La Jungla mit dem von ihm eingeforderten Selbstbewusstsein: Deutlich fasste er durch die Verweise und Zeichen seine vergangenen Jahrzehnte der Ausbildung, die erlernten künstlerischen Sprachen zusammen, nicht ohne diese in seinem eigenen Sinn weiter- zuentwickeln. Er löste sich von der europäischen Avantgarde und gab noch im Rückblick darauf einen beißenden Kommentar. Dafür wählte er eine Sprache, die international verstan- den wurde, und die ihn als Künstler Teil einer kunsthistorischen Kontinuität werden ließ und ihn somit inmitten des Diskurses um sich selbst unübersehbar platzierte. Die Bildsprache, die

LAM wählte, nutzte die Sehgewohnheiten und Erwartungen vieler Betrachter und brach diese gleichzeitig. LAM gelang eine Synthese im eigenen Ausdruck, die die Spuren seiner Prägun- gen nicht negierte und zu verdrängen versuchte, sondern mit deren Hilfe die Emanzipation erst gelingen konnte. Er positionierte sich als internationaler Künstler – nicht allein als kuba- nischer, schon gar nicht als „primitiver“ oder als afrikanischer – sondern als Künstlerpersön-

432 MOSQUERA 1995: 73. 433 YAU 2002: 32.

128 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN lichkeit mit europäisch avantgardistischer Ausbildung, mit verschiedenen kulturellen Prägun- gen, die auch seine kubanische Identität integrierte und er dies in seinem ästhetischen Ausdruck zusammenführte. Es gelang ihm mit La Jungla, sich in seinem ihn umgebenden Kontext zu verorten, nämlich auf Kuba als Ort und umgebende Realität ohne exotische, primi- tivistische Rückbezüglichkeiten. Mit La Jungla positionierte er sich international.

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2 Les Noces – Die Hochzeit (1947) Les Noces (Abb. 2, Abb. 74) ist ein Ölgemälde auf Leinwand, hat die Maße von 216 x 200 cm und befindet sich seit 1966 im Besitz der Sammlung der Neuen Nationalgalerie der Staatli- chen Museen zu Berlin434. Zwischen La Jungla und Les Noces liegen vier bis fünf Jahre, in denen LAM mit Le Présent éternel 1944 (Abb. 30, Abb. 74)435und Harpe Astrale (Abb. 31)436 nur zwei weitere nennenswerte großformatige Bilder malte. Um die Entwicklung dieser Jahre zu verdeutlichen, ist es angebracht, Les Noces und Le Présent éternel miteinander zu verglei- chen. Beide Bilder ähneln sich in ihrem Bildaufbau, auch lassen sich ähnliche Zeichen und Einzelelemente ausmachen, sodass deren Gegenüberstellung die Weiterentwicklung des Œuvre vor allem in Bezug auf die dem Werk immanente kompositorische Kontinuität wie auch die der besonderen ästhetischen Sprache LAMs verdeutlichen kann.

2.1 Bildbeschreibung Es sind drei Figuren im Bild Les Noces zu erkennen: Eine ist im Zentrum frontal platziert und wird von je einer weiteren Figur zu ihrer Linken und Rechten in Seitenansicht flankiert. Die Mittelfigur der Dreiergruppe steht mit ihren nackten Füßen auf einem Wagenrad, sie scheint darauf zu balancieren. Ihre unförmigen Unterschenkel ragen aus einem die Knie bedeckenden dunklen Rock oder Kleid heraus und heben sich in grellem Weiß vom dunklen Hintergrund und dem Kleidungsstück ab. Auf diesen dunklen Rock ist ohne erkennbaren Bezug eine dünne Halbmondsichel gemalt. Der Oberkörper der Figur besteht aus einer dunklen Raute. Deutli- cher und ebenfalls in Rautenform geben schmale stockartige Streifen in hellerem Grau-Blau dieser und weiteren Figur einen Körper. In Höhe der Brust hängen zwei runde Busen mit spit- zen Brustwarzen an einer Art Wirbelsäule. Von dort aus entwickelt sich ein Kopf ebenfalls in Rautenform. Die Figur scheint nach links zu sehen, ihre beiden Ohren, die an die einer Giraffe erinnern, stehen zu beiden Seiten ab. Ihr Haupt wird von zwei spitzen Hörnern sowie einer Art Spange in Form einer Hand mit abgespreizten Fingern gekrönt. Die Assoziation einer Klam- mer liegt nah, weil Hand und Hörner dynamische Strahlen bündeln, die als Haare, aber auch als Lichtstrahlen oder andere „Erleuchtungen”, gar als ein Sternenschweif beschrieben werden können.

434 Abb. 2 Les Noces 1947. Und Abb. 74: LAM vor Les Noces, 1947. 435 Abb. 30: Le Présent éternel 1944. Und Abb. 75: LAM vor Le Présent éternel und Alofi Incana, Havanna., 1947. 436 Abb. 31: Harpe Astrale 1944. Öl auf Leinwand, 210 x 190 cm, Sammlung Baron B. Urvater, Brüssel.

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Im Zentrum der Komposition befindet sich ein kleines rundes Gesicht mit spitzen, fleder- mausartigen Zähnchen und langen schmalen Hörnern. Dieses Wesen ist kopfüber in die Raute eingesetzt, die den Körper der mittleren Figur bildet. Die beiden engstehenden, runden Augen mit Pupillen fixieren den Betrachter. Das kleine Wesen wird von weiteren rundäugigen Köpf- chen begleitet, die am Hals wie eine mehrgliedrige Kette miteinander verbunden sind und dem Verlauf des Rocksaums der mittleren Figur folgen. Aus dem dunklen Bildhintergrund scheinen sie nach vorne ins Licht zu drängen und dem Schwung des Rocksaums ins Dunkle zu folgen. Die kugeligen Fratzen blicken erschrocken, die aufgerissenen Münder zeigen ihre kleinen Zähnchen. Die Köpfchen-Kette wirkt nicht als abstraktes Ornament, sondern als Reihung lebendiger, teuflischer Wesen.

Die Mittelfigur teilt das Bild streng horizontal mit ihren ausgebreiteten Stockarmen und verti- kal vom Kopf bis zu den Beinen. Die vom Betrachter aus rechte Hand hält einen dreiarmigen Leuchter mit brennenden Kerzen. Die linke Hand versucht kraftvoll die Figur am linken Bild- rand auf Höhe ihrer ineinander verschränkten Hände wegzudrücken, vielleicht um sich das angreifende Wesen vom Leib zu halten oder um die Figur am rechten Bildrand vor einem Angriff zu schützen. Ihre ausgestreckten Arme im Zentrum assoziieren eine schlichtende Trennung von Kontrahenten und erinnern gleichzeitig an eine Kreuzigungsszene.

Die Figur am rechten Bildrand ist in Seitenansicht gezeigt. Wie auf Zehenspitzen oder Stöckelschuhen balanciert sie ihren großen schmalen, gar anmutigen Körper. Die schlanke

Figur besitzt einen rechteckig geschwungenen Kopf, wie ihn LAM ein erstes Mal in der Illus- tration von Fata Morgana (Abb. 18)437 und von da an häufiger wählte. Wie die beiden anderen Figuren ist auch sie besonders bekrönt. Einem Diadem gleich trägt sie ein helles und ein dunkles Hufeisen auf dem Kopf, aus dem ein Pfeil nach oben weist. Die Haare fallen wie ein gleitender Schleier zu Boden. Ihren Arm – oder handelt es sich um einen Flügel – hat sie andächtig bis auf Höhe ihrer Schultern nach vorne ausgestreckt, so als wolle sie der mittleren Figur huldigen.

Der Luftsprung der Figur am linken Bildrand torpediert jede Vorstellung andächtiger Vereh- rung. Die Figur hat ihr rechtes Bein angewinkelt und ihr linkes ist zum Sprung vom Boden gelöst. Ihr stämmiges Gesäß ist eine der hellsten Partien des Bildes und vermittelt die Vorstel- lung kompakter Leiblichkeit. Das Körperbild ist nach oben bis zum Kopf hin deutlicher

437 Vergl. die Kopfform in Abb. 18: Einzelblatt aus Fata Morgana, 1941.

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entwickelt als das der beiden anderen Figuren. LAM fertigte zu dieser Figur eine Vorstudie an, die den Titel Le Guerrier I (Abb. 78)438 von 1947 trägt. Die Vorstudie zeigt den „Krieger“ in der Frontalen, in der Komposition Les Noces ist er im Halbprofil zu sehen. Deutlich sind die Parallelen zwischen den beiden Versionen zu erkennen: so die vor dem Körper gekreuzten spitzen Klingen mit angedeutetem Vogelkopf als Knauf, die von einer Hand zusammengehal- ten werden. An ihrer rechten Schulter durchbohrt eine der beiden Klingen den eigenen Körper ähnlich wie in Les Noces. Der runde Kopf beides Mal mit langen, glatt fallenden Haaren versehen und wird von zwei Vogelköpfen gekrönt. Der helmartige Kopfschmuck verleiht dem „Krieger“ und der entsprechenden Figur in Les Noces einen erhaben Ausdruck. Während sich der „Krieger“ andächtig präsentiert, verweist der dynamische Unterkörper der Figur in Les Noces auf große Aktivität. Ober- und Unterkörper bilden hier eine Diskrepanz.

Das Bild ist in dunklen, gedeckten Braun- und Grautönen gehalten, die durch Weiß kontrastiv aufgebrochen werden. Die Abstufungen der Grautöne und das Rotbraun bringen weiche Über- gänge hervor. Die unterschiedlichen Abstufungen von hell nach dunkel markieren verschie- dene Bildzonen: Während die grellhellen und fast weißen Bereiche wie mit einer Art Spotlight im Bildvordergrund ausgeleuchtet sind, verschwinden andere Elemente nahezu im lila-grau

Bereich des Bildhintergrunds. LAM evoziert hier die Vorstellung eines Schwelbrandes ohne Feuer oder einer dämmrigen Verdüsterung – ein koloristisch erzeugter Eindruck, den die Reproduktionen nicht wiedergeben. Eine Zwischenzone, die den Betrachter mit Unsicherhei- ten konfrontiert, ist in abgestuftem Grau-Blau gehalten. Die Grenzen zwischen den einzelnen Bildbereichen sind hier fließend, und die Körper können sowohl in der vorderen, wie den hinteren Bildebenen verortet werden. Gleichwohl bleiben die Figuren konkret und werden durch die schwarze Kontur klar definiert. Mit dem Tiefen-Bildraum, der von LAM nunmehr zum geografisch undefinierbaren Bereich umgestaltet wurde, näherte sich der Künstler erst- malig einer abstrakten Zone seines hinteren Bildraumes an, die er in den Folgejahren konse- quent zu einer einheitlichen Fläche ohne Zuordnungen reduzierte. Von dessen Bedeutung wird noch im Kapitel zum Bild El tercer mundo konkreter die Rede sein.

Les Noces ist nach La Jungla ein weiteres zentrales Bild im Œuvre von WIFREDO LAM. Die Figuren in Les Noces sind im Vergleich mit La Jungla weitaus abstrakter konzipiert, ohne an Individualität einzubüßen. Die detaillierte Beschreibung der Körperformen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es schwerer fällt, die Figuren in Form von konsistenten Körperbildern

438 Abb. 78: Le Guerrier I 1947. Öl auf Leinwand, 107 x 84 cm, Galerie Lelong, Paris, (47.52).

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zu beschreiben. Bereits in Les Noces wird deutlich, dass LAM figurative Reste in seinen Bild- kosmos zu visuellen Zeichen zusammenfügte, eine Tendenz, die in den Folgejahren in eine zunehmende Abstraktion führte. Diese Entwicklung lässt sich nachvollziehen, wenn man das 1944 entstandene Bild Le Présent éternel mit Les Noces vergleicht.439 Wie in Les Noces finden sich in Le Présent éternel auch drei Figuren, die hier allerdings in einem Wald stehen, dessen Bäume vage an dickstämmige Palmen erinnern. Die drei Gestalten sind in die Vegeta- tion eingebunden, ihre Körperteile und Kleidungsstücke heben sich kaum vom rhythmischen Gefieder der Palmen ab. Die beiden Figuren links und rechts im Bild sind auf die mittlere ausgerichtet. Diese thront in frontaler Ansicht dominant im Bildzentrum. Sie hat ihre beiden Arme ungefähr auf Höhe der Armgelenke gekreuzt und in den Schoß gelegt. In ihrer rechten präsentiert sie in einer Schale einen Ellegua in der typischen Pose und Darstellung der Sante- ria.440

Die Figur rechts in Le Présent éternel schaut aus einem pausbackigen Gesicht mit zwei eng am Nasenrücken stehenden runden Augen sowohl den Betrachter an, als auch in die Szene, die sich ihr bietet. Ihren floral besetzten Hut mit Krempe hat sie in den Nacken geschoben, der einzig durch einen überdimensionierten Finger wie eine Kralle an ihrem Hals gehalten wird. Ebenfalls aus zwei großen Augen schaut die außen links stehende Gestalt den Betrachter an. Es scheint, als hätte sie sich über die Schulter zurückgewandt, anders wäre ihre mit dem Körper ins Bild gerichtete Haltung nicht zu erklären. Sie schaut unter ihrem großen ausladen- den und mit feinen Blättern geschmückten Hut hervor. Ihr Nasenrücken endet, wie oft bei

LAM, in dem vollen Lippenpaar und dem runden bauchigen Kinn. Zu ihrer Rechten, ebenfalls in Richtung Betrachter gedreht, ist ein weiteres Lippenpaar, mit gespaltenem Kinnabschluss und langen Barthaaren zu sehen. Vielleicht schaut ihr eine Figur über die Schulter, oder aber es handelt sich ein weiteres Mal um ein Doppelgesicht, das LAM in unterschiedlichen Varian- ten entwickelte. Die Figur präsentiert auf der demonstrativ hochgehaltenen und emporge- streckten Hand einen Vogel, möglicherweise eine Taube. Von dem Tier scheint eine Licht- quelle auszugehen, die ihm einen überhöhten, transzendenten Status verleiht. Eine ähnliche

439 Das Œuvreverzeichnis von LOU LAURIN-LAM nennt neben dem Titel Le Présent éternel den Zusatz, Homma- ge à Alejandro García Caturla. GARCÍA CATURLA wurde 1906 auf Kuba geboren und 1940 ermordet. Er zähl- te zu den wichtigsten kubanischen Komponisten. Seine Verbundenheit galt der kubanischen Kultur, doch stand er darüber hinaus auch in engem Kontakt mit der internationalen Musikszene. Die Verbindung zwi- schen dem lokal Kubanischen und Einflüssen aus der europäischen und US-amerikanischen Musik fand in seinen Symphonien Ausdruck. Les Noces wiederum trägt den Titel des gleichnamigen Balletts von IGOR STRAWINSKY von 1917. 1942 besuchte STRAWINSKY gemeinsam mit ERIC KLEIBER Havanna und war Gast von WIFREDO LAM. Dieser war 1942 zum Vizepräsident der „Symphonischen Gesellschaft“ in Havanna gewählt worden, ein Umstand, der ihn in das intellektuelle und künstlerische Milieu Havannas vordringen ließ. 440 Vergl. auch Kapitel II 2.3 Die Santeria im Werk von WIFREDO LAM.

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Erscheinung wiederholt LAM in der Mitte am oberen Bildrand: Dort, wo wir den Kopf der mittleren Figur erwarten, leuchtet ein helles, gleißendes Licht. Aus einem Hut in Gestalt eines flachen Bootes, den auch die anderen beiden Figuren tragen, lugt ein gehörntes Wesen hervor.

Nur ein Jahr nach der Fertigstellung von La Jungla malte LAM Le Présent éternel. Die in die Vegetation eingebetteten Figuren, die ausladenden Gesäße, die überdimensionierten Hände und Füße sowie das Gesicht der links im Bild stehenden Figur schließen an La Jungla an.

Deutlicher als ein Jahr zuvor reflektierte LAM in Le Présent éternel kubanische Alltagsrealität, indem er Ellegua zentral ins Bild platzierte. Durch diese Konkretisierung verortete LAM die surreale Bilderzählung eindeutig im sozialen, kubanischen Kontext. Die Gestalten sind zwar in Le Présent éternel durch ihre Accessoires näher mit der menschlichen Welt verbunden – florale Hüte, Gamaschenschuhe, deren Hände Messer umgreifen. Der Maler reduzierte jedoch zugleich seine Figuren im Sinne einer stärkeren Abstraktion. Vom Motiv der Maske, das er noch in La Jungla benutzte, hatte er sich verabschiedet.

Es ist zunächst die zunehmende Abstraktion der „Gesichter” seit Mitte der 1940er Jahre, mit der LAM eine andere, eine neue Figürlichkeit bis hin zu einer transhumanen Zeichenwelt entwickelte. Zwar ließen sich die überdimensionierten Gliedmaßen, Hände und Füße, Pferde- hufe sowie die Zerstückelung der Formen und deren neue Zusammenstellung immer noch auf

PICASSO zurückführen. Der Bezug auf die europäischen Bildtraditionen des Surrealismus und des Kubismus ist auch in dem Gemälde La Jungla und Les Noces gegeben. Doch bereits mit

Le Présente éternel vollzog LAM ein erstes Mal in der Ausgestaltung der Gesichter seiner Figuren eine deutliche Abgrenzung zu La Jungla. Während in El Présente éternel die linke Gestalt noch an vorangegangene Gesichtstypen und Masken erinnert, ist das Gesicht im Bild- zentrum nicht mehr als solches zu beschreiben. In Les Noces entfernt sich LAM von dem

Vorbild der Maskengesichter PICASSOs. Durch die Reduktion des Gesichtes auf ein geometri- sches Feldes fungiert dieses nun als allgemeingültiges Zeichen. So ist der Kopf der linken Gestalt lediglich kreisrund. Die Ausgestaltung des Kopfes des rechten weiblichen Körpers erinnert an vorangegangene konkav und konvex geschwungene Formen. Ihr Gesichtsfeld besteht aus einem zur geometrischen Form reduzierten, ungleichmäßigen Viereck. Die „Visage“ der mittleren Figur ist in ihrer Form ähnlich konzipiert. Am breiteren Ende befinden sich hier noch drei freistehende Zähne, eine gestalterische Komponente, die sich in vielen der nachfolgenden Bilder zeigt.

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Auch mit den Körpern der Gestalten verfuhr LAM in ähnlicher Weise. Er definierte den Ober- körper der mittleren Figur in Le Présente éternel allein durch die beiden voluminösen, auf

Höhe des Handgelenks gekreuzten Arme. Kompositorisch schloss LAM in Les Noces an diese mittlere Figur an. Die gekreuzten Arme bilden in Le Présent éternel ein Dreieck zur Rauten- form aus, die in Les Noces zwar abstrakter erscheint, aber dennoch an diese Haltung erinnert. Auch die spitz zulaufenden pflanzlichen Blattformen in Le Présent éternel, die am oberen Bildrand in den Vordergrund drängen, haben eine Parallele in den rippenartigen Strahlen, die in Les Noces vom Rumpf der Mittelfigur ausgehen.

Die Figurenkörper reduzierte er seit den 1950er Jahren konsequent weiter. In den großen Kompositionen existieren sie oft nur noch als Ensemble kalligrafischer, frei im Raum flottie- render Zeichen der Abstraktion.

2.2 Karibisch paradiesische Hochzeit: Synkretismus und die Auflösung eindimensionaler Betrachterstandpunkte Wie bereits angedeutet, kann die Komposition Les Noces als ein Altarbild, etwa als Mitteltafel eines Triptychons, gelesen werden. Die weit ausgebreiteten Arme, der überhöhte Körper der Figur im Bildzentrum und die Lichtstrahlen, die den Eindruck erwecken, als fahre just in diesem Augenblick der Heilige Geist in die Figur, erinnern an die christliche Kreuzigung. Der Eindruck einer Andacht wird durch die Figur rechts im Bild verstärkt. Wie zum Gebet hat sie den großen flügelähnlichen Arm erhoben, wirkt zurückgenommen und scheint sich ganz auf die mittlere Figur zu konzentrieren.

Aber auch eine gänzlich andere Lesart ist denkbar: Die rechte Figur ist als eine weibliche gekennzeichnet. Grazil wie auf Hufen, die an Stöckelschuhe erinnern, balanciert sie ihren Körper, ihre langen Beine kommen durch die helle Farbgebung des vorderen Unter- und Oberschenkels zur Geltung. Ihre Haare fallen fast bis auf die Erde. Ansonsten wirkt sie voll- kommen nackt. Die Schlange und der Apfel, den sie zwischen ihren Zehen eingekeilt hat, könnte sie als biblische Eva kennzeichnen. Die Schlange findet auch in der Santeria ihre Entsprechung. In ihr zeigt sich Obbatalá, eine Gottheit, die für den Anfang von allem steht. In der Verbindung der paradiesischen Schlange Evas können Santeria und christlicher Glaube ihre jeweiligen Entsprechungen finden. Der „Krieger“ auf der linken Seite versucht die weib- liche Figur mit seiner Wildheit und Aggression zu beeindrucken. In der Verbindung von Tier

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und Mensch, von menschlichen und pferdeähnlichen Gliedmaßen nimmt LAM Bezug zu einem mächtigen Gott der Santeria, zu Changó. Er ist der herrschsüchtigste Gott unter den Orishas und an der Seite von Yemaya ihr männliches Pendant, von höchstem Rang und aller

Orishas Anfang. Es ist denkbar, dass LAM Changó mit Adam gleichsetzte und sich so einer- seits auf eine der klassischen Ikonografien der Bildgeschichte bezog, andererseits die Santeria als Teil der kubanischen Tradition in der Figur links im Bild aufnahm. Les Noces bildet so das Thema „Adam und Eva“ in einer karibischen Variante aus.

Die linke Gestalt hält zudem eine Unsicherheit für den Betrachter bereit: Während sich ihr Oberkörper nach oben hin recht eindeutig entwickelt, ist die Zuordnung des Unterkörpers und die an ihm ansetzenden Gliedmaßen problematisch. Die menschlich erscheinenden Körper- teile sind hell beleuchtet, ihre Form wird durch den schwarzen Konturstrich eindeutig festge- schrieben, an den Beinen setzen menschliche Füße an. Der Oberschenkel des linken Beines der Figur liegt jedoch in einer zweiten Bildebene im Dunkeln. Hier im Übergang von Licht und Schatten, von Vorder- und Hintergrund wird ein weiteres Bein mit einem gespalten Huf sichtbar. In der äußersten linken Ecke des Bildes findet sich noch ein weiterer Huf mit finger- nagelähnlichem Abschluss, der körperlos bleibt. In der Mischform zwischen menschlichen und tierischen Gliedmaßen findet sich ein weiterer Bezug zur Santeria. Wie bereits im Zusam- menhang mit dem Gemälde La Jungla erwähnt, reitet der Orisha in Trance auf dem Gläubi- gen. Verschiedentlich ist darauf hingewiesen worden, dass LAM sich auf diesen Teil der Sante- riazeremonie bezog, indem er im Bild eine Kombination aus Tier und Mensch vornahm. Stell- vertretend für viele Autoren, die diesen Aspekt betonen, soll HERZBERG zitiert werden: „The horse, inevitably, is a key source for this new iconography. In Santeriá the horse symbolizes a phenomenon in which the exchange of life-forces occurs during spiritual possession. (...) During sacred celebrations, the drums are played in honor of a specific orisha/saint who takes possession of the practicant, who is referred to as the caballo, or horse.“441 In dieser Beobach- tung sehen viele Autoren das Magisch-Mystische in LAMs Malerei begründet. Begrenzt durch den Wunsch nach Kategorisierung wird jedoch die Chance vertan, im Synkretismus der Sante- ria über den ethnografischen Inhalt hinaus eine ästhetische Annäherung an ein Konzept von kultureller Hybridität442 zu sehen.

441 HERZBERG 1990: 20. 442 Der Begriff der Hybridität wird in Kapitel IV 5 Hybridität als ästhetischer Ausdruck eingeführt. Eine kriti- sche Auseinandersetzung wird in Bezug auf das Werk an dieser Stelle deutlich werden.

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Der Synkretismus der Santeria steht für Verbindungen, Bezüge und Übergänge. In den Mythen und Erzählungen der Santeria kommt es zu ständigen Überlagerungen von unter- schiedlich gekennzeichneten Welten in immer anderen Realitäten. Die in Les Noces gezeigte

Vereinigung findet somit inhaltlich zwischen LAMs Adam und Eva statt, aber auch konzeptu- ell, indem LAM das Europäisch-Abendländische mit dem Karibisch-Kubanisch-Afrikanischen – hier bedingt durch die afrikanische Komponente der Santeria – dem Bildtitel folgend „verheiratet“. Mehr noch als in La Jungla hat Les Noces somit die Verbindung der beiden Kulturräume vor Augen.

Wie auch schon in La Jungla zielte die Darstellung – die Figuren und deren eindeutige Bezie- hungen zueinander – auf vertraute Sichtweisen und Betrachtergewohnheiten. Noch in älteren Gemälden waren die Zugehörigkeiten der einzelnen Bildelemente deutlich voneinander getrennt. Nun in Les Noces kombinierte LAM die unterschiedlichen, vertrauten Einzelelemente fugenlos und fordert so deren wechselseitige Durchdringung. So entsteht aus den Formen- kombinationen eine neue imaginäre Einheit, die sich als unauflösbar erweist, mit mehreren Sinnebenen aufwartet und den Figurationen letztlich ihren mimetischen Charakter entzieht.

Mit bekannten Elementen konstruierte LAM eine andere Wirklichkeit, die die Erkenntnis- sicherheiten seiner Betrachter zu untergraben vermag. Die Basis für diesen Transfer liegt in der Wiedererkennung einzelner Formen, die sich auf spezifische Betrachtersehgewohnheiten beziehen, an denen die Rezipienten anknüpfen können. Die Überblendungen jedoch provozie- ren eine ständige Relativierung des eindimensionalen, subjektiven Blick.

LAM hielt für den Betrachter auch einen unerwarteten neuen Rezeptionsrahmen bereit. Denn je nach Referenzrahmen des Betrachters tritt anstelle der festgeschriebenen Eindeutigkeit eine Mehrfachcodierung der Bildkomposition wie auch der einzelnen „Figuren“, die unterschiedli- che Zugänge zum Bild aufzeigen können. Die Sehgewohnheiten bestätigen sich nun nachhal- tig auf verschiedenen Ebenen, sodass das Werk dem Rezipienten vertraut und doch unbe- stimmt und fremd entgegentritt. Dem Betrachter wird es möglich, Bekanntes in neuer Zuord- nung zu erfahren, die letztendlich in der Rückkopplung eine differenzierte Vorstellung von der menschlichen Erfahrungswirklichkeit bewirken kann.443 Mit diesem Vorgehen ist es möglich, den jeweils gegenüberliegenden Zugang – surrealistisch-europäisch versus afrokubanisch – zu sehen, zu erkennen und in den eigenen Referenz- und Interpretationsrahmen zu integrieren. An diesem unsicheren Punkt angelangt, ist das Werk nun nicht mehr einseitig zu greifen,

443 Vergl. ISER, WOLFGANG: Der implizite Leser. München 1994: 130.

137 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN sondern entfaltet eine von Dualitäten losgelöste Position. Der Bildraum öffnet sich für unter- schiedliche Interpretationen der Elemente, Zeichen und Komposition und bietet darin einen Raum für unkonventionelle, poliperspektivistische Annäherungen.444

Erst die wechselseitige Ausprägung des einen im anderen evoziert die Vorstellung einer Ganz- heit, die den Anspruch auf Vervollständigung einfordert. LAM integrierte figurative Reste und erfand einen neuen Kosmos visueller Zeichen, die dem Betrachter abstrakt, allgemeingültig und trotzdem nicht weniger individuell und in starker Profilierung entgegentreten. Mit der Favorisierung eines poliperspektivistischen Blicks verweigert sich Les Noces denn auch der Eindeutigkeit eines allein konzeptuellen Ansatzes für die Interpretation. Denn die Ansprache des Betrachters auf unterschiedlichen Erwartungs- und Erfahrungsebenen entzieht die Möglichkeit, singuläre Aussagen in Bezug auf das Bild zu treffen, und fordert stattdessen eine offene und differenzierte Reflexion gegenüber den komplex verwobenen Gestaltungselemen- ten des Bildraumes. So scheinen LAMs Bilder prädestiniert, die Komplexität von Wirklichkeit zu zeigen. Denn die empirische Wirklichkeit erscheint umso differenzierter, je mehr Modelle zu ihrer Betrachtung miteinander kombiniert werden.

In der bruchlosen Zusammenführung unterschiedlicher Interpretationsansätze und Betrachter- blicke in einem Bildraum gelingt es LAM, Deutungshoheiten in Bezug auf sein Werk, aber auch übergeordnet, auf die Kunst der sogenannten Anderen, der „Dritten Welt“ zu entmach- ten. Der gebrochene Blick forderte nicht nur die europäischen Sehgewohnheiten der Zentren der Avantgarde (Paris/New York) heraus. Er betonte auch den besonderen Beitrag Lateiname- rikas, der sich nicht außerhalb oder an der Peripherie der Moderne abspielte, sondern in einem polyzentristischen Feld der Beziehungen und des Austauschs stattfand.

444 „Los signos conformados y conformadores del discurso artístico no son absolutamente decodificables en su- puestos significados unívocos (...) porque es imposible reducir el arte a una convencionalidad absoluta.” MENÉNDEZ 2000: 74. [Ü: „Die ausgeformten Zeichen und die Formen des künstlerischen Diskurses sind gar nicht durch eine Spekulation über ihre eindeutigen Bedeutungen zu decodieren. (...) Es ist nämlich unmög- lich, die Kunst auf eine absolute Übereinkunft zu reduzieren.“]

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3 El tercer mundo – Die Dritte Welt (1965/66)

LAM hielt sich Ende des Jahres 1965 in Havanna auf und malte dort das Bild El tercer mundo (Abb. 3, Abb. 79)445. Es war ein Auftragswerk der kubanischen Regierung für den Präsiden- tenpalast in Havanna und sollte der kubanischen Revolution einen bildhaften Ausdruck geben. Von Beginn an ist das Werk im Besitz des kubanischen Staates und gehört heute dem Museo

Nacional de Cuba. 1966 traf LAM FIDEL CASTRO zum ersten Mal. Dieses großformatige Werk provozierte eine neue Kategorisierung des Œuvre in der Rezeption: „Wifredo Lam – Maler der 'Dritten Welt'“ titelte STEFAN MILLER im Vorwärts zur Ausstellung der Kunsthalle Basel446.

„Mi pintura es un manifiesto plástico del tercer mundo“ überschrieb SANCHES sein Interview mit LAM in Havanna447. „Kommunistische Kunst in Stockholm“ lautete 1970 die Überschrift eines Artikels zur Ausstellung im Moderna Museet, in dem LAM eine enge Beziehung zu

FIDEL CASTRO bescheinigt wird.448 Auch sein politisches Engagement auf Kuba und in Europa trug zur Ausbildung seines „linkspolitischen“ Künstlerimages bei. El tercer mundo ist ein wichtiges Bild im LAMschen Œuvre. Umso erstaunlicher ist es, dass es bisher wenig Aufmerksamkeit fand.

3.1 Bildbeschreibung Wir sehen ein unüberschaubares Gewirr: Köpfe, Körper, verschlungene stabartige Glied- maßen, kleine runde Gesichter mit „Kulleraugen“, Hoden und kugelförmige Kiefer, flügel- ähnliche Armenden, Hände, Füße, Kleidungsstücke, Hufeisen, große flache Füße mit Zehen, spröde fallende Haarsträhnen. Aus diesen figürlichen Resten setzt LAM seine widersprüchli- chen und für den Betrachter unsicheren, zeichenhaften Körperbilder in „Die Dritte Welt“ zusammen. Die Zeichen scheinen in einem dunklen Raum zu schweben, so, als hätten die Gravitationskräfte ausgesetzt. Nur vereinzelt scheinen die „Figuren“ in der vorderen Bilde- bene auf einem Absatz vor einem Abgrund zu stehen. Wie von einem Spot angestrahlt, fällt Licht auf sie.

445 Abb. 3: El tercer mundo 1966. Und Abb. 79: LAM arbeitet im Museo Nacional de Bellas Artes Havanna an El tercer mundo., 1966. 446 MILLER, STEFAN: „Wifredo Lam – Maler der 'Dritten Welt'“. In: Vorwärts, 29. September 1966: 5. MILLER schreibt: LAM „benutzte seinen Aufenthalt (...) in Havanna um ein großes Ölbild voller Dämonie zu machen, das er seiner Heimat hinterlassen hat.“ 447 SANCHES 1977: O.S.. 448 BRAWN, ROBERT: „Kommunistische Kunst in Stockholm“. Zur Ausstellung von WIFREDO LAM im Moderna Museet 1970.

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Wieder sind es LAMS bizarre Köpfe und Gesichts-Typen, die als erstes den Betrachterblick bannen: langgezogene und spitz zum Kinn hin auslaufende Kopfformen, mal als Sichel, mal als Dreiecksform, mit kleinen Ohren oder Hörnchen versehen, mit runden Augen, einer Nasenpartie mit schraffierten Nasenflügeln, der Nasenrücken rüsselartig ausgestaltet. Hatte

LAM in Les Noces die Gesichter als geometrische Form und ohne Andeutungen von Augen, Mündern oder Nasen gezeigt, sind die Gesichtsfelder nun wieder deutlicher zu erkennen. Auch die überdimensionierten Hände und Füße, die langen stangenartigen Gliedmaßen sind aus den früheren Gemälden bereits bekannt. Zentral im Bild ist eine Figur erkennbar, deren langgezogener Körper sich im unteren Bilddrittel quer über die gesamte Bildfläche erstreckt. Sie hat ihre Hände gefaltet und wie zur Kopfstütze entlang der Schläfe auf ihr Gesicht gelegt. Ihr Körper ist jedoch einzig als eine schmale langgezogene helle Fläche definiert. Eine schwarze Linie durchtrennt diese und lässt so Beine erahnen. Zu ihren großen nackten Füßen, auf Höhe des Schienbeins, hat sich eine weitere Gestalt gesetzt. Deren Stockbeine stecken in einer Art Rock. Ihr Körper mit ausladender Brust mündet in einen langen, dünnen, vorge- streckten Hals. Auf Höhe ihres Schoßes ist noch ein weiterer Körper mit Kopf zu erkennen. Dieser wird von einer Hand aus dem Hintergrund nach unten, auf den Körper der liegenden Figur gedrückt. Die Dreiergruppe erinnert kompositorisch an frühere Bilder wie beispiels- weise Figure von 1948 (Abb. 5)449. Parallel zu diesem Bild ließen sich auch andere Figuratio- nen in El tercer mundo beschreiben, so jene am rechten oberen Bildrand, mit langer Gesichts- form, Hals und breitem dreieckigen Oberkörper oder der über dem Geschehen in der linken, oberen Bildecke liegende Sichelkopf. Verwirrung stiften hingegen andere Elemente im Bild El tercer mundo. Hier ein vogelähnliches Wesen, das einen anderen Körper zu durchbohren scheint, dort einzelne Hände, wie am Faden aufgezogene Gliedmaßen, wieder die runden Köpfe, die auf dünnen Hälsen sitzen. Als Einzelelemente gerade noch beschreibbar und durch die konkrete schwarze Umrisslinie eindeutig in ihrer Form definiert, sind sie in ihrer Gesamt- heit, ihren Verbindungen zueinander, ihren Positionen im Bild in Bezug auf eine mögliche Information oder Lesbarkeit für den Betrachter nicht zu entschlüsseln. Lediglich in Anbe- tracht vorangegangener Bildbeispiele finden sich Erinnerungsspuren, die von der künstleri- schen Prägung LAMs zeugen. Darin wird erneut deutlich, dass sich LAM einerseits nicht von seinen bisherigen Einflüssen entfernt hatte, andererseits in der Kombination bekannter Elemente neue zeichenhafte Figuren, eine neue Ästhetik, ein anderes Raumgefüge entstehen ließ.

449 Abb. 5: Figure ca. 1948.

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Der Titel des Bildes fordert, nach einem programmatischen und politischen Statement von

LAM zu fragen, nicht zuletzt, weil es sich um ein Auftragswerk im politischen Kontext handelt. Seltsamerweise wird der Aufenthalt von LAM auf Kuba medial nicht begleitet. Noch

1963 war LAM auf Kuba wie ein Weltstar empfangen worden und auch ein Jahr nach der

Entstehung von El tercer mundo 1967 war LAM medial wieder voll präsent. In diesem Jahr nämlich organisierte er im Zusammenhang mit dem Salon de Mai in Paris (erneut Abb. 23)450 einen Kongress in Havanna. Unter der Leitung von LAM lud FIDEL CASTRO alle Künstler, Schriftsteller, Journalisten und Verleger, die im Salon de Mai vertreten waren, aber auch andere Personen nach Kuba ein, unter ihnen JEAN-PAUL SARTRE und SIMONE DE BEAUVOIR.

Von Paris aus unterstützte CARLOS FRANQUI das Unternehmen. Vor Ort in Havanna lud LAM die anwesenden Künstler ein, ein kollektives Wandgemälde, ein Mural, zu malen, das den Namen „Cuba Colectiva“ erhielt. Es entstand in der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 1967 im Kubanischen Pavillon in Havanna, versammelte über 100 Künstler und wurde von großem medialem Interesse begleitet (vergl. Abb. 24 und Abb. 25)451. LAM blieb über den Jahreswech- sel auf Kuba und initiierte im Januar 1968 einen weiteren „Congreso cultural de La Habana“, an dem Intellektuelle aus der ganzen Welt teilnahmen, unter ihnen AIMÉ CÉSAIRE, MICHEL

LEIRIS, HANS MAGNUS ENZENSBERGER, PIERRE NABILLE, ASGER JORN und ANTONIO SAURA. Diskutiert wurde über „the conditions for cultural expression in Asia, Latin America and

Africa.“452 Einen repräsentativen Abschluss dieses „kulturpolitischen“ Jahres für LAM bildete das Cover des Kataloges des XXIIIe Salon de Mai in Paris, das das Mural „Cuba Colectiva“ zeigte.

Das kulturpolitische Engagement von LAM ist unbestritten. Die Tatsache, dass ihm ein Auftragswerk für den repräsentativen Ort des Präsidentenpalastes angetragen wurde, zeugt von der großen Anerkennung für seine Kunst von Seiten der kubanischen Regierung. Nach deren Vorstellung sollte es ein Werk zur Huldigung der Revolution werden. Zwischen 1961 und 1965 hatten sich FIDEL CASTRO und CHE GUEVARA mehrfach an die kubanischen Intellek- tuellen gewandt453 und ihre Vorstellungen einer revolutionären Kultur aufgezeigt.

450 Vergl. erneut Abb. 23: Poster zum XXIIIe Salon de Mai in Paris 1967. 451 Vergl. erneut Abb. 24: Arbeiten am Mural „Cuba Colectiva“, 1967. Und Abb. 25: LAM vor „Cuba Colectiva“ im Kubanischen Pavillon, 1967. Das Mural wurde zwei Jahre später in der Casa de las Americas aufgestellt. Der Salon reiste später weiter ins Museo bacardi in Santiago de Cuba. 452 LAURIN-LAM 1996: 197. 453 Die kulturpolitische Linie des Revolutionären Staates wurden u.a. in „Palabras a los Intelectuales“ (Worte an die Intellektuellen) von FIDEL CASTRO 1961 und in CHE GUEVARA „El Socialismo y el hombre de Cuba“ (Der Sozialismus und der Mensch aus Kuba) von 1965 festgehalten. Zu Beginn der 1970er Jahre hatte sich die kulturpolitische Linie verfestigt. 1971 tagte zum ersten Mal der Congreso de la Educación y Cultura. In der Zusammenlegung von Erziehung und Kultur in einem Ministerium zeigte sich bereits die angestrebte Verbin-

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Gerade weil es FIDEL CASTRO ein großes Anliegen war, sich über Kunst und Kultur zu insze- nieren, ist es umso auffälliger, dass über das Bild mit dem proklamatischen Titel El tercer mundo auf Kuba, aber auch international fast gar nicht berichtet wurde. Was war aus Sicht der kubanischen Regierung „falsch gelaufen“? Was hatte sie erwartet und was hatte LAM geliefert? LOU LAM, die ihren Mann nach Kuba begleitete, erwähnte (schmunzelnd) im

Gespräch 2001, LAM habe mit diesem Bild wohl nicht die Erwartungen erfüllt, die man an ihn und das Auftragswerk gestellt habe.454 Der kulturpolitischen Weisung der kubanischen Regie- rung folgend, müsste es sich um ein Bild handeln, das vom Volk verstanden wird, das einen klaren kulturpolitischen Auftrag verfolgt, nämlich die Illustration des „Kubanischen”, das die kubanische Identität nachvollziehbar macht und die Verbundenheit Kubas mit Lateinamerika verdeutlicht. Wahrscheinlich wird es den offiziellen Vertretern der kubanischen Kulturpolitik schwergefallen sein, diesen Auftrag anhand des Bildes El tercer mundo auszumachen, schließ- lich waren sie Darstellungen „ihrer” kulturellen Identität und Alltagsrealität mit meist eindeu- tig folkloristischer Ausrichtung gewohnt. Themen wie „die Mulattin”, Hahnenkämpfe, länd- liche Guajiros oder die subtropikale Landschaft Kubas waren zentral, waren schon vor der

Revolution Themen der kubanischen Avantgarde gewesen und hatten unter CASTRO weiter

Bestand. LAM jedoch malte ein Bild, auf dem diese Alltagsrealitäten der kubanischen Kultur keine Rolle zu spielen scheinen. Kein Detail assoziiert etwas typisch Kubanisches – außer vielleicht die kleinen runden Ellegua-Köpfchen, die mittlerweile zum Markenzeichen von

LAM geworden waren. Welche Hinweise finden sich dann im Werk, die auf eine Beschreibung der sogenannten Dritten Welt schließen lassen?

Der Bildraum, der größtenteils aus einer einheitlichen, dunklen, zweidimensionalen Oberflä- che besteht, öffnet sich einzig am unteren rechten Bildrand hin zur Dreidimensionalität. Am hellen Absatz stehen die Figuren am vorderen rechten Bildrand an einer Schwelle, wobei die äußerste rechte Figur mit ihrem rechten Fuß ins Leere zu treten scheint. Die große Figur, die

dung der propagandistischen Forderung, Kunst bzw. Kultur als Mittel der Volkserziehung einzusetzen. ELIGIO 1996: 282 weist darauf hin, dass mit der Deklaration La actividad cultural dem bürokratisch organisier- ten Nationalkongress ein aggressives Programm an die Hand gegeben wurde, das dem des Realen Sozialis- mus glich und das als einzige Methode des revolutionären Ausdrucks angesehen wurde. Zu diesem Zeitpunkt gewannen „Hardliner“ in der kulturellen Debatte die Oberhand. In der Deklaration des Nationalkongresses hieß es unter anderem: „... el arte es un arma de la Revolución. Un producto de la moral combativa de nuestro pueblo. Un instrumento contra la penetración enemiga.“ La actividad cultural (Fragmento de la Declaración del Primer Congreso Nacional de Educación y Cultura. Havanna, April 1971) In: „Politica Cultural de la Re- volución Cubana, Documentos“. Ed. de Ciencias Sociales, Havanna 1977: 49-64. [Ü: „... Die Kunst ist eine Waffe der Revolution. Ein Produkt der zu verteidigenden Moral unseres Volkes. Ein Instrument gegen die feindliche Durchdringung ...“]. Zensur war in diesem Zusammenhang legitim und „all divergent practices were banned, from homosexuality to 'extravagance' (long hair, rock music, speaking English, ambiguity, rela- tions with families in exile, and much more, that the reader can easily imagine).“ WATSON 1997: 8. 454 Studienaufenthalt der Autorin 2001 im privaten Wohnhaus von LOU LAURIN-LAM in Paris.

142 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN sich längs über die gesamte Bildfläche ausgestreckt hat, schwebt über dem Abgrund oder auch über dem vorderen Absatz. Eindeutig ist ihre Position nicht zu klären. Die Figurationen aus der dunklen Tiefe des Bildes sind im Bildraum, der im hinteren Bereich keine Einteilung der Raumdimension vorsieht, hintereinander und übereinander gelegt. Kreuz und quer nehmen sie den Bildraum ein, der ganz der ihrige zu sein scheint. Sie sind jedoch nicht verunsichert, viel- mehr wirken die Figuren vital und selbstbewusst in Bezug auf ihre Position. Wie Auferstan- dene aus der Tiefe, die sich unterhalb und damit außerhalb des Bildes befindet, nehmen sie sich den Bildraum und machen den Anschein, sich im nächsten Moment auch eines Raumes bemächtigen zu können, der außerhalb des Bildes, im Bereich des Betrachters liegt. In El tercer mundo führt LAM möglicherweise ein emanzipatorisches Aufbegehren der „Dritten Welt“ aus. Eigenständige Wesen erheben sich, lassen sich keine Positionen zuweisen, sondern dringen aktiv in den Bildraum und so in die Betrachterrealität vor. Sie „erobern“ und platzie- ren sich inmitten der „Dritten Welt“, formen einen eigenen Kosmos aus visuellen Zeichen. So gesehen würde El tercer mundo nicht nur das neue, starke, durch die Revolution gewonnene Selbstbewusstsein Kubas ästhetisch aufbereiten. Auch ließe sich das Bild als eine historische

Fortführung und einen gesellschaftlichen Kommentar lesen: Die nach der LAMschen Ästhetik gestalteten Wesen, die unter anderem für die immer präsente koloniale Vergangenheit stehen, die Befreiung aus der kolonialen Herrschaft, das Auferstehen und sich Emanzipieren, all dies sind Themen, die im Bild nachvollziehbar sind.

Mit der Revolution 1959 stellte sich für die Kubaner das lang ersehnte Gefühl ein, nun endlich frei und nicht mehr fremdbeherrscht zu sein. Die Herrschaft eines diktatorisch regie- renden Präsidenten unter US-amerikanischer Kontrolle noch in den 1940er und 1950er Jahren fühlte sich auch für LAM wie die Fortführung der kolonialen Unterdrückung der vergangenen

Jahrhunderte an.455 Die neue kubanische Regierung unter FIDEL CASTRO versöhnte LAM poli- tisch mit seinem Geburtsland.

El tercer mundo beinhaltet den Ausblick auf die Emanzipation und Eigenständigkeit, die sich für LAM durch die neue Regierung abzeichneten und die nach Vorstellungen auch von CHE

GUEVARA auf ganz Lateinamerika und die restliche „Dritte Welt“ übergreifen sollten. El tercer mundo fasst somit die in den 1960er Jahren vorherrschende gesellschaftliche und politische Situation zusammen: Eine durch den Kolonialismus geprägte Gesellschaft Kubas, deren

455 FOUCHET über LAM: „Es gibt immer noch das gleiche Elend, das er nicht hinnehmen will. Und die gleiche Rassendiskriminierung, auf die sich die Ausbeutung durch die Reichen stützt. Sklaven gibt es nicht mehr, sagt man. Aber die Verhältnisse ihrer Nachkommen sind kaum besser.“ FOUCHET 1976: 183.

143 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN wechselvolle Vergangenheit und die politische Revolution finden sich in dem Bild wieder. So gesehen hatte LAM den an ihn gestellten Auftrag erfüllt, ein Bild zur Huldigung der Revolu- tion zu malen.

3.2. Die Eroberung der Welten in ästhetischen Räumen Der Abstraktionsgrad der Figuren im Bild El tercer mundo ist weit fortgeschritten. Die schwarze Umrisslinie, die die Formen vor dem Flüchtigen bewahrt und festhält, entscheidet über konkrete Form und abstrakte Fläche.456 Wie in Les Noces bereits ausgeführt, provoziert die Ausgestaltung der zeichenhaften Figuren und die Abstraktion eine Illusion der Betrachter- realität, in der differenzierte Vorstellungen menschlicher Erfahrungswirklichkeiten ausgebil- det werden. Diese Beobachtung ist ebenso auf El tercer mundo übertragbar.

Aber auch dem Bildhintergrund fällt mit zunehmender Reduktion als einem abstrakten Bühnenraum eine besondere Aussage zu.457 „Starting in the late 1940s, Lam's recurring dipic- tion of attenuated figures against a moody, atmospheric ground (or abstract space) suggests that he was trying to synthesize aspects of gestural abstraction. (...) Hence, Lam moved away from depicting his figures within a wild and sacred space (the Jungle) to transforming them into pure signs. Lam brings about this transformation, starting around 1960, by placing the flat, attenuated figures within a shallow abstract space rather than within a recognizable or worldly one.“458 Der flächige Untergrund in den Bildern von LAM seit Les Noces lässt keine Assoziation auf einen konkreten Raum zu. Wie Yau richtig feststellt, ist der Raum frei von geografischer, territorialer Zuordnung, der indifferente Ort tritt an die Stelle eines konkret zu verortenden.

Die Abstraktion und Zurückgenommenheit der figurativen Zeichen wird im Vergleich zu Les Noces in El tercer mundo noch gesteigert. Ohne Tiefe und Dimensionalität sind die Wesen

456 Diese Festschreibung, die in ihrer Zuspitzung keine weitere Reduktion zulässt, erinnert YAU an chinesische Kalligrafie, die er auf LAMs Erfahrungen in der Kindheit und dessen Ethnizität zurückführt. LAMs Vater war Schreiber und Übersetzer der chinesischen Gemeinde in Havanna. Obwohl LAM niemals Chinesisch schrei- ben und reden konnte, ist YAU davon überzeugt, dass asiatische Einflüsse LAMs ästhetisches Empfinden be- einflussten. Auch teilt YAU das LAMsche Werk an dieser Stelle in zwei Phasen, die er hinsichtlich des Ab- straktionsgrads zeitlich in eine Zeit vor und nach 1960 voneinander trennt. 457 Die Fläche der hinteren Bildebene in LAMs Gemälden erinnert an die dunklen abgründigen Räume in ROBERTO MATTAS Gemälden der 1940er Jahre. MATTAs Grandes Transparents wurde zeitgleich mit La Jungla in der Pierre Matisse Gallery 1943 präsentiert. Im Rahmen dieser Arbeit können Werke von MATTA nicht detaillierter eingebunden werden. 458 YAU 2002: 63.

144 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN nun in die Bildfläche gesetzt und bilden mit dem Untergrund eine Fläche. Einzig der vordere Absatz lässt eine Raumdimension nachvollziehen, Räumlichkeit ist jedoch als eine Beschrei- bungskategorie fast gänzlich ausgeschlossen. Dadurch abstrahiert sich die Fläche zur imagi- nären Zweidimensionalität. Der polisemantischen Betrachtungsweise der „Figuren“, deren

Sinnzusammenhänge in den LAMschen Bildern je nach Betrachterposition wechseln können, wird der flächige Untergrund gegenübergestellt. Dieser bewirkt eine Zurückgenommenheit im Bild, die dem Werk ästhetische Stabilität und Einheit verleiht. Darüber hinaus ist es möglich, den Bildraum als eine Art Projektionsfläche zu nutzen, die für unterschiedliche Lesarten offen ist, dies ebenfalls unabhängig von kulturellen Kontexten und Referenzrahmen seiner Betrach- ter. In der Undefiniertheit und Offenheit des Ortes liegt somit ein gemeinschaftlicher Moment, in dem unterschiedliche Positionen zusammenfinden können.

Doch WIFREDO LAMs Bilder sind nicht nur Projektionsfläche verschiedener Betrachterpositio- nen. Die Werke positionieren sich – dies bereits seit La Jungla – auch inmitten der Erfah- rungswelten ihrer Rezipienten, stoßen in sie vor und verorten sich darin. Deshalb plädiert

GERARDO MOSQUERA für eine Ausweitung des Bezugsrahmens, indem er im Bild El tercer mundo nicht allein einen Verweis auf den Zustand und die Position der „Dritten Welt“ sieht.

Mit der Möglichkeit eines weiteren Vordringens in den Betrachterraum vollzieht LAM für

MOSQUERA einen emanzipatorischen Vorstoß von der Peripherie aus in die Diskurszentren.459 Denn man hätte bisher völlig verpasst, „to fully recognize Wifredo Lam as the first visual artist who have introduced a vision from Africa-in-the-Americas into 'high' art.“460 MOSQUERA fordert, man möge LAM in umgekehrter Richtung in den primitivistischen Diskurs der „Moderne“ um Afrika einbinden, denn das Werk insgesamt sei „the first vision ever of Modern art from the standpoint of Africa within Latin America.“461 Vor diesem Hintergrund komme WIFREDO LAM und seiner Kunst eine Brückenfunktion zu, mit der er ästhetisch „Peri- pherie” und „Zentrum” verbinde. Das Nachvollziehen einer solchen Bewegung allerdings schließt alte Paradigmen einer beschreibenden Abgrenzung der unterschiedlichen Territorien und kultureller Identitäten ein, was letztendlich eine Stabilisierung gerade jener Kategorien bedeutet, die es zu überwinden gilt. Deshalb ist das Anliegen MOSQUERAS richtig, einen

Perspektivenwechsel in Bezug auf das LAMsche Werk vorzunehmen, er verschließt sich

459 MOSQUERA, GERARDO: Beyond the fantastic: Contemporary art criticism. London 1995: 74. „Lam constructs identity by assuming, what is diverse from non-Western angle (...) This turning in the interpretation of Lam is a response to a new orientation of the discourse of action which is taking place from the periphery towards the center.” 460 MOSQUERA 1995: 76. 461 MOSQUERA 1995: 76.

145 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

jedoch der Möglichkeit, LAMs Œuvre inmitten einer Debatte zu positionieren, die ohne die dichotomen Kategorien „Peripherie” und „Zentrum” auskommt. Es liegt nah, den Bogen dieser Überlegungen noch etwas weiter zu spannen und nach den Konsequenzen einer solchen Wende zu fragen.

Auf der indifferenten Projektionsfläche des Raums treffen verschiedene Betrachterpositionen aus unterschiedlichen Positionen und Kontexten zusammen. Gleichzeitig jedoch entfernen sich die LAMschen Bildwelten von der Realität, indem der Maler in seinen Gemälden einen erfundenen Kosmos entwickelte, in dem visuelle Zeichen und figurative Reste zu wider- sprüchlichen, nicht deckungsgleichen Körperbildern zusammengesetzt sind. Sie sind für den Betrachterblick keine zuverlässigen Einheiten mehr, irritieren und können verstörend wirken.

Gleichzeitig scheinen LAMs abstrakte Bildräume eine Art Kontaktzone auszubilden. Unwei- gerlich führt diese Beobachtung zur Vorstellung eines Raumes, in dem Unterschiedliches als Einheit erfahrbar werden kann. In dieser Zuordnung liegt eine Steigerung des Perspektiven- wechsels MOSQUERAs, die sich an theoretische Ausführungen HOMI BHABHAS anschließen lassen. Er definiert seine Kontaktzone als Moment der „zwischenräumlichen Übergänge”. „Dieser zwischenräumliche Übergang zwischen festen Identifikationen eröffnet die Möglich- keit einer kulturellen Hybridität, in der es einen Platz für Differenz ohne eine übernommene oder verordnete Hierarchie gibt“.462

Seit La Jungla zeigen sich die Bruchstellen zwischen festen Zuschreibungen, einseitigen Betrachtungen und Rhetoriken vermeintlicher Authentizitätsansprüche und dem Werk. Das

LAMsche Œuvre scheint geradezu ein Paradebeispiel für die ästhetische Auseinandersetzung des Raumes zu sein, den BHABHA als space in-between gekennzeichnet hat. An dieser Stelle der Arbeit wird nicht näher auf diese Beobachtung eingegangen, da den Ausführungen im Kapitel V nicht vorgegriffen werden soll. Dort wird es um die Bewertung des Gesamtwerkes gehen, wobei auch die Überlegungen BHABHAS ihre Anwendung finden werden.

462 BHABHA, HOMI: „Einleitung. Verortungen der Kultur. Grenzexistenzen: Die Kunst der Ge-genwart”. In: BHABHA, HOMI: Die Verortung der Kultur. Tübingen 2007: 5.

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4 Les Abalochas dansent pour Dhambala, dieu de l'unité – Die Abalochas tanzen für Dhambala, Gott der Einheit (1970)

LAMs internationale Popularität erreichte in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt. Es wurden zahlreiche Einzelausstellungen organisiert und auch in Kollektivausstellungen war er vertre- ten. Vor allem in den Jahren 1966/67 sowie 1970 war LAM häufiger als sonst zu sehen.463

1961 hatte LAM gemeinsam mit seiner Familie Paris verlassen, weil er sich ob des politischen fremdenfeindlichen Klimas infolge des Algerienkrieges in der Hauptstadt nicht mehr wohl- fühlte. Sie wohnten zunächst in Zürich, doch bereits 1962 kaufte LAM ein Haus in Albisola Mare. Das kleine italienische Städtchen machte er schließlich ab 1970 zu seinem ständigen Aufenthaltsort. Durch den neuen künstlerischen Einfluss vor Ort – Albisola Mare ist noch heute ein bekannter Künstlerort für Keramik – begann LAM 1970, sich mit dem Werkstoff Ton auseinanderzusetzen. Er gestaltete zunächst Küchenkeramik wie Schalen und Teller, später auch Skulpturen (Abb. 80)464. In den 1960er und 1970er Jahren reiste LAM außerdem viel und arbeitete an unterschiedlichen Orten.465

1970 malte LAM mit Les Abalochas dansent pour Dhambala, dieu de l'unité (Abb. 4)466 sein letztes großformatiges Bild, eines der größten Werke seines Œuvre überhaupt. Es hat die Maße 213 x 244 cm und befindet sich in Privatbesitz. Der Betrachter ist geneigt, durch den Verweis auf Dhambala und die Abalochen im Titel, konkret zu identifizierende Götter und Wesen finden zu wollen. Dhambala, oder auch in der haitianischen Religion in der Schreib- weise Dhamballa bekannt, ist ein Schöpfergott, ein Gott der Fruchtbarkeit und der Sexualität sowie des Bewahrens von kultureller Tradition aller Völker. Wie seine Frau wird er häufig als Schlange dargestellt. Da er männlich und weiblich zugleich sein kann, steht er für das absolut Göttliche. In der Santeria entspricht Dhambala Obbatalá. Beide kennzeichnet ihre Androgyni- tät und geschlechtliche Dualität. Darüber hinaus ist Dhambala „un dios de la pureza y de la justicia. También representa la verdad, lo inmaculado, la paz – de ahí que a veces se le

463 Zwischen 1965 und 1970 war LAM international in über 100 Einzelausstellungen und Galeriepräsentationen zu sehen. Zwischen 1960 und 1965 waren es rund 50 Ausstellungen. 464 Vergl. Abb. 80: Studio San Giorgio, Albisola Mare, 1975. 465 ESKIL LAM schreibt: „Working between Albisola, Milan and Paris, throughout the 1960s and '70s, my father also traveled extensivley to India, Burma, Kenya and Egypt, taking the family and friends with him, and re- turning on many occasions to Cuba.“ ESKIL LAM. In: LAURIN-LAM 2002: 14. 466 Abb. 4: Les Abalochas dansent pour Dhambala, dieu de l'unité, 1970. Im Folgenden wird der Titel des Bil- des mit Les Abalochas verkürzt wiedergegeben.

147 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN presente con una paloma blanca – , y la sabiduría.“467 Obbatalá ist in der Überzeugung der Gläubigen der Anfang von allem. Während sich durch Dhambala mögliche Bezüge zur haitia- nischen Religion und zur Santeria nachweisen lassen, gelingt dies mit den „Abalochen“ nicht. Les Abalochas scheint eine erfundene Bezeichnung der Wesen im Bild zu sein, es lassen sich zumindest keine ähnlichen oder verwandten Namen anderer Gottheiten in der Santeria oder den haitianischen Religionen finden, die einen Verweis auf die „Abalochen“ geben könnten (vergl. Abalocha 1964, Abb. 81 und Reflects de Dhambala 1968, Abb. 82)468. Auch wählte

LAM im Titel die beiden Sprachen, die ihm am nächsten lagen: die Abalochas und Dhambala sind in spanischer, die übrigen Wörter in französischer Sprache.

4.1 Bildbeschreibung Auf der Fläche eines dunklen Bildraumes haben sich unterschiedliche Wesen eingefunden. Wieder handelt es sich hier um die Zusammensetzung figurativer Körperteile und Motive, die zwar als Einheit gelesen werden können, gleichzeitig jedoch zwischen Zeichen und abstrakten Körperbildern pendeln. Zentral und über fast die gesamte Bildbreite streckt sich ein schmaler, hellbeiger Körper. Dieser wird von einer am rechten Bildrand und in gebückter Haltung stehenden „Figur“ auf Höhe des Schienbeins gehalten. Diese weibliche Gestalt – durch den spitzen Busen als solche gekennzeichnet – dupliziert sich in einer weiteren, dahinterstehenden Figur, die über die Schulter zurück auf das Geschehen oder den Betrachter des Bildes blickt.

Zentrale Aufmerksamkeit erlangt die in der Mitte liegende schmale Figur, die über dem Boden zu schweben scheint. Bei näherer Betrachtung jedoch fällt auf, dass sie am Rücken gestützt wird und wie auf einer Art Liege auf dem Körper eines Wesens mit Tierhufen, Vogel- gelenken, menschlichen Händen und Fingern und einem blattstrukturartigen Oberkörper und Kopf ruht. Der hellbeige bis weiße Körper dieser zentralen Figur ist durch die langen schma- len stockartigen Beine mit menschlichen Füßen und Zehen, durch einen spitzen Busen und einen Kopf mit kreisrunden Augen definiert. Am Armansatz der Schulter formen sich flügelar- tig zwei weitere Körperteile aus, die durch eine Art Band oder Schlauch miteinander verbun- den sind. Aus ihrem Nasenrücken bildet sich eine Hand aus, die auf den Hintergrund gerichtet

467 BARNET, MIGUEL: Cultos afrocubanos. La Regla de Ocha. La Regla de Palo Monte. Havanna 1995: 56. [Ü: „ein Gott der Reinheit und der Gerechtigkeit. Auch verkörpert er die Wahrheit, das Reine (das Unbefleckte), den Frieden – deshalb präsentiert er sich manchmal mit einer weißen Taube – und des Wissens.“] 468 Einzig in zwei weiteren Bildbeispielen tauchen im Titel die Abalochen wie auch Dhambala auf: Abalocha 1964 (Abb. 81: Abalocha. Öl auf Leinwand, 120 x 100 m, (64.05)) und Reflects de Dhambala 1968. (Abb. 82: Reflects de Dhambala 1968. Öl auf Leinwand, 97 x 130 cm (68.13)).

148 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN erhoben ist und wie zum Einhalten einer Raumgrenze auffordert. Auf Höhe des Herzens entspringt eine schlauchartige Ader, aus der sich eine Ausstülpung ähnlich eines Ganglions weitet, die einen der typischen kleinen auf dem Kopf stehenden Elleguas ausbildet. Aus dessen Halsverlauf entsteht ein runder Kopf, aus dem zwei hellgelbe Augen blitzen. Aus diesem Körper wiederum formt sich eine nächste Schlauchbahn mit runder Verdickung, wie über den Wesen ein weiteres aus den typischen runden Augen blickt, aus deren Nasen sich wieder Verbindungen zu anderen Körpern formen.

Entschlossen umgreift die Hand der weiblichen Figur am rechten Bildrand das rechte Bein der Liegenden. Sie trägt ein knielanges Kleid. Sie steht auf Hufen, die Gelenke erinnern an die Fesseln eines Pferdes. Die Gestalt scheint sichtbar Spaß an der Szene zu haben, denn aus ihrem längsovalen, oben und unten spitz zulaufenden Gesicht lacht ein offener Mund. Deut- lich sind ihre drei stark auf Lücke stehenden Zähne im Oberkiefer und ein einziger Zahn im Unterkiefer zu erkennen. Ihr ganz ähnlich, steht unmittelbar dahinter eine identisch gekleidete weitere Figur. Diese hat dem Betrachter den Rücken zugewandt und blickt über ihre Schulter auf die Szene zurück. Ihre menschlich wirkenden Füße stehen wie an einer Art Stufe, die Zehen scheinen sich an den Absatz zu krallen. An dieser Stelle ist der Raum durch den helle- ren, ins Grünlich-Blaue abgetönten Untergrund definiert. Der Absatz gibt die Tiefe des vorde- ren Bildraumes vor und teilt so das Bild in einen vorderen, helleren und einen hinteren dunk- leren Bodenbereich. Die aufrecht stehende Figur hat ihren rechten Arm am Ellenbogen abge- winkelt und nach oben ausgestreckt, ihre Handfläche hält sie geöffnet, möglicherweise eine Geste, die eine Handhaltung beim Tanz imitieren soll. Zwischen den Fingern ihrer linken Hand hat sie ein Wesen am Hals fest eingeklemmt. Es besitzt einen Kopf mit zwei Hörnchen, einem runden Augenpaar und drei langen Zähnen, die frei am Kinn ansetzen. Ihr Hals geht in einen vogelähnlichen Federschwanz über, der wiederum über einen dünnen Faden mit ande- ren Figuren im Bild verbunden ist. Das Band läuft durch die Handfläche der stehenden Figur, an deren Kopf vorbei, am Rücken hinunter, wo der Faden sich zu einem runden Köpfchen mit Augen und einer spitzen Nase erweitert; er endet in der oberen Spitze des Kopfes der lachen- den Figur, um möglicherweise durch deren rechtes Auge, nun als sich zum Schlauch vergrö- ßerten Verbindungsstück, einen weiteren kantigen Kopf auszubilden. Der eventuell dazugehö- rige Arm – Kopf und Arm sind in Ocker-Gelb gemalt – ist nach oben ausgestreckt. Die Hand ahmt eine Drehung nach, die an eine spielerische Gestik des Flamenco erinnert und wie eine Dopplung der Bewegung der Figur rechts neben ihr wirkt.

149 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

In der Bildmitte, jedoch in den Hintergrund gerückt, blickt der Betrachter in ein hellgelbes Augenpaar, das wie durch einen von hinten angeleuchteten Guckschlitz aufblitzt. Die Augen gehören zu einem Gesicht mit langen Zähnen, das einem im tiefen Bildgrund stehendem dunklen weiblichen Wesen die Hand zu reichen scheint. Aus zwei runden Eulenaugen schaut dieses auf die Szene. Seine spitz zulaufende, ganz in schwarz gehaltene Kopfform lässt an eine Haube erinnern, die es sich übergezogen hat. Ganz am äußersten linken Bildbereich schließlich hängt in der Art einer Fledermaus mit dem Kopf nach unten eine Figur vom oberen Rand herab. Ihr Kopf erinnert erneut an Ellegua. Ihr Körper changiert durch einen Hell-Dunkelkontrast, in dem offenbleibt, in welcher Verbindung der helle Korpus und die Augen zur dunklen Kopf-Hals-Beckenachse steht. Ihre unförmigen Arme führt sie an ihrem Körper entlang und stützt die Hände auf Höhe der Hüften in die Seiten. Vom oberen Bildrand her wird sie durch zwei helle Streifen abgehalten, die Hände assoziieren lassen. Das Wesen scheint etwas abseits der Szene zu stehen, zumindest verweist ihre eher starre Körperhaltung darauf, dass sie sich nicht am Tanz beteiligt.

Die figurativen Einzelelemente und deren Zusammensetzung lassen sich im Rahmen der

LAMschen Ästhetik lesen. Die Wiedererkennbarkeit einzelner Formen, die konkrete Umriss- linie sowie die Ausgestaltung der Körperbilder in ihrer Gesamtheit kennzeichnen seit den 1940er Jahren das Werk und sind auch in Les Abalochas eingeschlossene Kontinuitäten: auf runde Augenpaare und Nasenrücken reduzierte Gesichtsfelder, stockartige Gliedmaßen, über- dimensionierte Hände und Füße, spitze Busen, kugelförmige Gesichtswesen, mal gehörnt, mal mit offenen Mündern versehen; die übergangslose Verbindung aus tierischen, menschlichen und pflanzlichen Elementen, aus denen sich die Figurationen ausbilden. Erneut lässt sich auch die fehlende Individualität der Figuren beschreiben. Im Bild Les Alabochas lassen sich viele Details parallelisieren, „Gesichter“ sind identisch gestaltet und einzelne Körperteile mehrfach in gleicher oder ähnlicher Form im Bild eingebaut.

Der Titel des Bildes verweist auf Dhambala als die zentrale Figur des Geschehens. Die hier in der Bildmitte liegend-schwebende ausgestreckte Figur, die sich deutlich durch ihre Farbe, die Exponiertheit und die im Vergleich zu den anderen Figuren komplexere Ausgestaltung heraus- hebt, kann mit der Gottheit assoziiert werden. Somit wären die anderen Beteiligten Abalochas, die für den Gott der Einheit tanzen. Nicht zuletzt ihre ausgelassenen Armbewegungen und die teilweise wie zu einem Lachen verzerrten Münder machen diese Zuordnung möglich. Über verschiedene Schlauchbahnen verbinden sie sich im Bild miteinander, kommunizieren über

150 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

Ketten oder Adern. An den Stellen, an denen die Schläuche an andere Körperteile anschlie- ßen, hat der Betrachter den Eindruck, die Wesen tauschten gegenseitig ihre Lebenssäfte aus und brächten sie zur Zirkulation.

LAM arbeitete in den 1960er Jahren häufig mit dem Motiv der Verbindung durch Schläuche und Energiebahnen. Auch in El tercer mundo sind derartige Verbindungen in dem komplexen Figurengefüge zu finden. Daneben lassen sich Beispiele kleinformatiger Gemälde anführen. In Horizons chauds (Abb. 83)469 fallen die Schläuche mit ihren runden Ganglionausbuch- tungen stärker als bildgestalterische Elemente ins Gewicht als die als Längsrechtecke stilisier- ten Visagen mit ihren reduzierten Auslassungen, Augen, Münder und Nasen andeutend. Auch Adam et Ève von 1969 (Abb. 84)470 ist ein repräsentatives Bildbeispiel: Aus Augen und Nasen, aus Körperöffnungen bilden sich Schläuche und Adern aus, die die beiden zentralen Figuren im Bildzentrum mit allen anderen Wesen verbinden, sie teilweise gar definieren. Nicht nur

ästhetisch, auch inhaltlich lässt sich nachweisen, dass es LAM ein großes Anliegen war, Verbindungen und Kontaktzonen in seinen Bildthemen zu greifen. Vermehrt lassen sich Figu- ren herausarbeiten, die einander stützen, die sich gegenseitig dem Betrachter präsentieren und deren Hände zwischen den Fingern Körperteile anderer Wesen im Bild einklemmen oder fest- halten.

Während die Kompositionen in den 1960er Jahren durch Überlagerungen, Uneindeutigkeiten und von einer großen Zeichenhaftigkeit geprägt sind – beispielsweise im Bild El tercer mundo aber auch in Les Invités (Abb. 85)471 oder La Toussaint (Abb. 86)472 (die beiden Letzte- ren aus dem Jahr 1966) – nimmt LAM in Les Abalochas die Komplexität zurück, um die Komposition deutlicher zu strukturieren und in der Aussage klarer zu machen. Die Identifika- tion der einzelnen Figurationen und ihrer Körperelemente wird in diesem Bild auch durch die Farbigkeit erleichtert. Auf der Basis Gelb, Ocker und Weiß einerseits und Grün, Blau, Grau und Schwarz andererseits und deren jeweilige Abstufungen sind die Figuren und Flächen wie koloriert. Dabei wählte LAM Ocker als Grundfarbe, die er den dunklen wie auch den grell- beige erscheinenden Bereichen unterlegt. Damit verleiht er dem Bild Ausgewogenheit und Harmonie. Der betonten Farbigkeit und den Hell-Dunkel-Kontrasten kommt in Les Abalochas eine entscheidende erzählerische Rolle zu. Die helleren und dunkleren Bereiche der Komposi-

469 Abb. 83: Horizons chauds 1968. Öl auf Leinwand, 79 x 130 cm, Privatsammlung, Paris, (68.17). 470 Abb. 84: Adam et Ève 1969. Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung Yokohama Museum of Art, Yokohama (Japan). 471 Abb. 85: Les Invités 1966. Öl auf Leinwand, 210 x 250 cm, Galerie Lelong, Paris, (66.09). 472 Abb. 86: La Toussaint 1966. Öl auf Leinwand, 210 x 250 cm, Privatbesitz, Brüssel, (66.06).

151 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN tion dienen jedoch nicht der Tiefenstafflung von Raumebenen. Die farblichen Entsprechungen zwischen den Körperteilen der Figuren finden sich auf den vorderen wie auf den hinteren Bildebenen, was der Logik einer ausgeleuchteten Bühne widerspricht.

Der Titel des Bildes ist mit dem Verweis auf Dhambala als Gott der Einheit programmatisch.

Die Beschwörung der Einheit zieht die Frage nach sich, welcher Einheit LAM mit diesem Bild huldigt und wie er Einheit definierte. Schließlich ist zu fragen, ob das Bild Rückschlüsse auf ein übergeordnetes Rahmenthema des LAMschen Œuvre zulässt.

4.2 Die flüchtige Einheit des Dhambala

In den 1980er Jahren erfuhr LAMs Werk durch die postcolonial und cultural studies473 eine neue interpretatorische Komponente. Der Blick auf die „Anderen“ und ein anwachsendes

Interesse an der Kunst der „Dritten Welt“ beeinflussten auch die Rezeption des LAMschen Werkes. 1984 wurde zum ersten Mal eine Biennale der „Dritten Welt“ eröffnet. Sie fand in Havanna statt und war zunächst Künstlerinnen und Künstlern Lateinamerikas und der Karibik vorbehalten, um diesen abseits des Kulturbetriebs des sogenannten Zentrums eine Präsenta- tionsplattform zu bieten. Im Zuge dessen richtete sich die Aufmerksamkeit auch auf LAM. Nicht nur, dass ihm bei der ersten Biennale in Havanna eine konzeptuelle Funktion zukam.

Auch galt LAM über seinen Tod hinaus nun im Rahmen verschiedener Kulturdebatten als Vermittler „zwischen den Welten“, zwischen dem „Fremden“ und dem „Eigenen“, zwischen „Peripherie und Zentrum“. Wie schwer man sich jedoch in den Zentren wie beispielsweise New York mit der Anerkennung des „Anderen“ tat, zeigte die 1982 vom MoMA eröffnete und bereits mehrfach genannte Ausstellung „Primitivism“. In MAURERs Beitrag zum Ausstellungs- katalog kam LAM eine vermittelnde Position, wenn nicht gar eine Klammerfunktion zwischen dem „Fremden“, „Primitiven“, Surrealen und dem „Zivilisierten“, Rationalen zu, eine Positio- nierung, die weitestgehend auf die 1940er Jahre zurückgeht. Während PICASSO, BRETON und

LEIRIS in den Ausführungen von MAURER als eindeutig aktive Personen ausgezeichnet wurden, blieb LAM darin passiv, fremdbestimmt und von den handelnden Vorbildern abhängig. Der

Tenor lautete: Man zeigte ihm im Trocadero und im Atelier PICASSOs seine afrikanischen Wurzeln und sagte ihm, dass er aus diesen instinktiv schöpfen könne. Dem rational denken-

473 Als wichtigste Vertreter sind in den 1970er Jahren EDWARD W. SAID und STUART HALL zu nennen. Vergl. bei- spielsweise eine ausführliche histologische Aufarbeitung zur Entstehung der cultural studies: BROMLEY, ROGER: „Cultural Studies gestern und heute“. In: Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung. Lüne- burg 1999: 9-24.

152 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN den Europa steht somit das emotionale und triebgesteuerte Lateinamerika gegenüber. In eben jenem von MAURER beschriebenen Szenario kam LAM eine Brückenfunktion zu, die ihn weder in dem „einen“ noch in dem „anderen“ Teil der Welt positionierte, sondern ihm eine passive Zwischenposition zuschrieb.

Der Katalogbeitrag von KREMPEL wurde bereits an anderer Stelle erwähnt. Auch er betonte die

Konkurrenz der ambivalenten Pole des „Eigenen“ und des „Fremden“ im LAMschen Werk.474

Das Bild Les Abalochas hat für KREMPEL eine besondere Bedeutung, da sich hier mit der Einzelinterpretation das gesamte Werk erkläre. „Die Abalochen tanzen für Dhombala, den Gott der Einheit. In dieser Beschwörung der Einheit des Eigenen und des Fremden liegt das Grundthema, das sich als Leitmotiv durch das Lamsche Œuvre zieht.“475 Die Beschwörung der Einheit im Titel führt dazu, dass KREMPEL nach polarisierenden Kategorien sucht, die im Bild vereint werden. Aufgrund der Biografie des Künstlers und seiner Stilbildung wirkt die Beschreibung einer Zusammenführung vermeintlich fremder und eigener Elemente besonders plausibel. Da Dhambala zudem ein Gott der Dualitäten ist, interpretiert KREMPEL das Gemälde mit dem dichotomen Prinzip.

Die postcolonial studies haben die Konstruktion von Alterität infrage gestellt. Auch steht der angeblichen Dualität des „Einen“ und des „Anderen“ im Fall der LAMschen Bildästhetik das Ergebnis der ästhetischen Analyse entgegen. Zudem widerspricht die Auseinandersetzung mit dem gesamten Werk einer derartigen Interpretation. LAM ging es weder um einen wechselsei- tigen Austausch, noch um die Abgrenzung kultureller Identitäten, sondern um deren Verbin- dungen. GERARDO MOSQUERA assoziierte 2002 im Bild eine „unity of life“476, in dem alles mit allem kommuniziere und verbunden sei „one within the other“477.

Tatsächlich entspricht dieses Modell der Evidenz der Bildgestalt. Die vielen Schläuche und teilweise starren, aber auch locker herunterhängenden Stangen und Seile wirken wie stabile Verbindungsstücke, die alle Binnenelemente miteinander vereinen. Den Armen und Händen

474 KREMPEL 1988: 8/9. „Lange, bevor er eigene Lösungen findet, liegt im Künstler Lam die Auflösung des Widerspruchs verborgen, den er in Spanien erlebt. Ihm wird das Fremde, in dem er das Eigene zu finden hoffte, eigentlich unerreichbar; und doch finden sich für ihn in diesem Fremden, als das er die europäische Malerei erlebt, Elemente der Annäherung da, wo er die Gemeinsamkeiten mit den Kulturen außerhalb Europas entdeckt.“ 475 KREMPEL 1988: 11. 476 MOSQUERA 2002: 90. 477 MOSQUERA 2002: 90. „Lam's representation is anti-toxinomic: everything is connected and everything parti- cipates, one within the other, thus readically fracturing the relationship created by the Western world between les mots et les choses.“

153 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN der Figuren kommt zudem eine stützende, haltende und einander berührende Funktion zu. Diesem stabilen Gefüge ist der Gedanke der im Titel gekennzeichneten Einheit verpflichtet.

Bei genauerem Hinsehen ist zudem eine kreisende Dynamik zwischen den einzelnen Figuren und dem vorderen und hinteren Bildraum festzustellen. Dhambalas rechtes Bein wird von der Hand der gebückt stehenden Figur rechts gegriffen. Über deren Schultern und langen Hals geht die Verbindung zu dem Gesicht mit den hellen Augen in den Bildhintergrund. Der Arm, der sich aus ihrer Nase stülpt berührt das schwarze Wesen im Bildhintergrund. Aus deren Körpermitte entstehen blatt- oder auch wirbelsäulenartige Konturen eines weiteren Körpers. Diese gehören im Übergang zum Bildvordergrund noch im dunklen Bereich zum Gesicht der Dhambala tragenden Figur, die in Verbindung mit Dhambala nun gelb bis beige erhellt ist. Auch kompositorisch ist somit das verbindende, kreisende und kommunizierende Element von LAM durchgehalten. Doch die Figuren sind nicht nur miteinander verbunden. Aus ihnen entstehen auch ganglionartige Ausbuchungen, die kleine Wesen mit Augen, Mündern, Nasen und Hörnern ausbilden. Sie schließen aneinander an, aus Augen formen sich Gesichter, aus Körpern kleine Wesen. Teilweise scheinen sich die Figurationen gerade in diesem Augenblick auszumodellieren – wie beispielsweise Kopf und Vogelflügel oder Schwanz der äußersten rechten Figur im Bild.

Auch der unterschiedlichen Hell-Dunkel-Ausführung der Körperteile liegt eine inhaltliche Betonung zugrunde. Der Körper der Figur, die an die Gottheit Dhambala erinnern könnte, tritt durch die hell-grelle Ausmalung besonders hart und in aller Deutlichkeit in Erscheinung. Sie ist der Ausgangspunkt, von dem aus sich dem Betrachter das Bild erschließt. Ebenfalls heben sich die Hand, der Arm und die spitze Brust der Figur, die das Bein Dhambalas fest umschlun- gen hält, kontrastiv vom dunklen Bildgrund ab. Auch der kleine kopfstehende Ellegua in der Bildmitte ist grell-weiß, seine Augen und der Mund sind einzig durch die dunklen Umriss- linien markiert. Auffällig ist, dass sich die Farbigkeit der Gliedmaßen, Körper und Gesichter nicht nach einer einzigen Lichtquelle ausrichtet. Die Figur der beinumgreifenden Hand beispielsweise besitzt einen Arm und eine Brust, die hell betont sind. Auch die unförmigen Beine mit Tierhufen und ihre vier Zähne sind hell-beige bis weiß gemalt. Der übrige Körper ist jedoch in unterschiedlichen Abstufungen von Blau-Grau-Grün gehalten, das Gesichtsfeld nur durch eine schwarze Umrisslinie von dem dunklen Hintergrund abgehoben. Aus ihrem rechten Auge wächst ein Schlauch, der in einem Gesicht in hellem Ocker endet. Obwohl sich deren angewinkelter Arm eindeutig hinter den Figuren befindet, ist er nicht weniger hell,

154 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN sondern ebenfalls in leuchtend gelber Farbe gemalt. Gerade an dieser Stelle – der erhobene Arm in der Ebene des Bildhintergrundes, das Gesicht möglicherweise mehr im Bildvorder- grund – ist keine Zuordnung der Farbigkeit zu unterschiedlichen Raumebenen festzustellen.

Weitere Beispiele ließen sich anführen, die dafür sprechen, dass LAM mit der Farbigkeit keine Aufteilung des Bildraumes vornahm, sondern möglicherweise andere Zugehörigkeiten farb- lich etablieren wollte. Klar definiert und konkret wirken die Teile, die durch die hellen Farben gekennzeichnet sind: Die weißen Stellen erreichen hier die höchste Präsenz, aber auch die Abstufungen in Ocker und Gelb gehören noch in den Bereich des Konkreten im Bild. Andere Teile, die in dunklen Farben gehalten und in denen Körperteile einzig durch die schwarze Umrisslinie konturiert sind, erscheinen eher zurückgenommen und teilweise vage. Zwischen diesen beiden Extremen besteht jedoch eine Balance, die sich in einem Zustand des Ausfor- mulierens und Konkretisierens einerseits und dem des sich wieder Auflösens und Entfernens andererseits zeigt. So finden sich im Bild durch die farbliche Zuordnung unterschiedliche Seinszustände, die an den hellsten Stellen dem Moment des Konkreten, an den dunkelsten Stellen dem des Flüchtigen entspricht. Gleichzeitig ist durch den farblich gekennzeichneten Übergang eine Dynamik implizit, die im ständigen Ausbilden und Vergehen auch die zeitliche Komponente der Zukunft einschließt. Alles kommuniziert, alles entsteht aus allem, alles vergeht und formuliert sich neu aus. Es handelt sich also um eine transformatorische Einheit, die LAM in diesem Bild festgehalten hat. Es ist ein Augenblick, eine Momentaufnahme einer Einheit, die in ihrem Bestand flüchtig ist, sich verändert, um sich so oder anders erneut zu zeigen. Es ist der dynamische und zugleich flüchtige Prozess der Ausbildung von Seinszu- ständen, den LAM als einen Kreislauf beschreibt.

Mit 70 Jahren konnte LAM auf ein sehr bewegtes, zuweilen durch dramatische Ereignisse fremdbestimmtes Leben schauen, das für ihn aber auch Versöhnliches bereithielt. Den Erfah- rungen von mehreren Kriegen stehen positive Ereignisse gegenüber wie die Geburt seiner drei Söhne, enge Freundschaften, die Möglichkeit zu reisen und die Freiheit, seinen Lebensraum selbst zu wählen und zu gestalten. Mit dem Bild Les Abalochas gelang LAM ein zutiefst versöhnlicher Blick auf sein Leben, aber auch auf das Leben an sich. Les Abalochas lässt sich denn auch lesen als Metapher für einen physischen und psychischen Zustand der Welt, wie sie sich LAM darstellte.

155 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

5 Hybridität als ästhetischer Ausdruck: Eine Zusammenfassung Ziel der Werkanalyse war es, den Repräsentationen und Rezeptionen des Œuvre eine detail- lierte Bildbetrachtung entgegenzusetzen. Diese sollte das Werk aus den stereotypen Fest- schreibungen von Ethnizität und Authentizität befreien und eine neue Sicht auf die Bilder ermöglichen. Mit der Analyse ist deutlich geworden, dass die europäische wie auch die latein- amerikanische Rezeption um einen Anspruch wetteifern, der das LAMsche Œuvre als vermeintlich authentisch festschreiben soll. Das Werk entzieht sich jedoch einer einseitigen

Kategorisierung. Denn LAMs Ästhetik ist weder durch ein „primitives“ Vokabular noch durch einen spezifischen Ausdruck von cubanidad gekennzeichnet. Die Kompositionen bilden weder eine wiederentdeckte, ursprüngliche Vergangenheit ab, noch eine politisch begründete nationale Identität Kubas. Vielmehr entwickelt LAM mit künstlerischen Mitteln eine Vielzahl an Bezügen, die einen offenen Prozess der Bedeutungsproduktion auslösen.

Seit den 1940er Jahren ist die Spur der Eindrücke des Aufenthaltes LAMs in Spanien im Werk festzustellen. In Madrid betrieb er formalistische Studien und bildete sich kunsthistorisch weiter. In Paris verfolgte er die primitivistische Rezeption der art nègre der Avantgarde und die Integration der dekontextualisierten Artefakte in die Stilbildung des Kubismus. LAM bezog sich auf die Avantgarde, vor allem auf PICASSO, indem er zum Beispiel seinen Figuren über- dimensionierte Füße und Hände und stockartige Gliedmaßen gab. Mit der Zerstückelung der

Formen und der Zusammensetzung der Teile schloss LAM unmittelbar an Formgesetze des

Kubismus und surrealistische Überzeugungen an. Vordergründig übernahm LAM auch die Ästhetik der Masken, wie insbesondere die Studien der Pariser Zeit und der enge Bezug zu

PICASSO bestätigen. Dabei handelte es sich nicht um eine Übernahme des „originären“

Vorbilds. LAMs Zusammensetzungen zu neuen anderen Figurationen führte das europäische Kunst- und Kulturverständnis nicht fort. Der Künstler wird weder zum „wahren Surrealisten“, noch dienen seine Bilder dazu, einen „primitiven“ Urzustand zu illustrieren. Die LAMschen „Gesichter“ sind keine Zitate afrikanischer Kunst. Vielmehr deutete der Künstler die kulturel- len Artefakte um, entwickelte visuell dominante Elemente der Avantgarde weiter, verfremdete sie, trennte sie auf und wusste dies alles „aufrührerisch neu“478 zu inkonsistenten Körperbil- dern zu verknüpfen. Er entmachtete den avantgardistischen „Fetisch“ PICASSO, indem er sich

478 BHABHA, HOMI: „Postkoloniale Kritik. Vom Überleben der Kultur.“ In: Das Argument 215, 1996: 353. Die- ses Verfahren ist nur konsequent. Durch LAMs eigene Erfahrung der auf Primitivismus und Exotismus basie- renden ethnischen Kategorisierung seiner Person und Kunst in Europa muss die Rezeption der afrikanischen Masken von PICASSO auf LAM wie eine Fortführung des Kolonialismus mit ästhetischen Mitteln gewirkt ha- ben. Das kontextlose Einverleiben von Kultur, das bruchlose Integrieren von Artefakten, die von Europa aus als eigener genialistischer Ausdruck in eine als universal erachtete Kunst eingebracht wurden, diese Demüti- gungen werden LAM nach 1940/41 auf Kuba im Rückblick besonders klargeworden sein.

156 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

in einem emanzipatorischen Akt PICASSOs Ästhetik „einverleibte“, wie jener sich zuvor Afrika „genommen“ hatte.

Gleichzeitig wandte sich LAM jedoch nicht von Europa ab und einer spezifischen karibisch- kubanischen Ästhetik zu. Seine Werke sind keine Illustration der karibischen Kultur, sie verweisen nur gelegentlich und symbolhaft auf Facetten der kubanischen Alltagsrealität. In

Abgrenzung zur kubanischen Avantgarde negierte LAM sogar den falsch verstandenen Multi- kulturalismus, der kulturelle Identität ästhetisch mit Folklore gleichsetzte. Die Wiederent- deckung des „schwarzen Elements“ vieler kubanischer Intellektueller muss sich für LAM als Rückschritt, als Kopie der Vereinnahmung nach europäischem Vorbild angefühlt haben. Trotz der Abgrenzung sah sich LAM jedoch auch dem kubanischen Kulturraum zugehörig. Dies machte er in seinem Werk deutlich, nicht ohne auch die europäische Prägung seiner Kunst zu berücksichtigen.

So setzte LAM die entmachteten avantgardistischen Chiffren in seine Bilderwelten ein, die er zu Beginn der 1940er Jahre deutlich auf Kuba verortete. Aber auch als er dazu überging, den Bildhintergrund zu einer farblich einheitlichen Fläche zu reduzieren, blieben Bezüge zum karibischen Raum ästhetisch nachweisbar: LAM wählte für La Jungla den greifbaren kubani- schen Naturraum, und in Les Noces lassen sich Hinweise auf die Santeria feststellen; der zu einer Art Markenzeichen avancierte Elleguakopf findet sich in fast allen Gemälden bis ins

Spätwerk. Die Santeria ist weniger bildgestalterisch als vielmehr konzeptuell für das LAMsche Werk entscheidend. Die afrokubanische Mischreligion bildete sich durch die Vermischung christlicher und afrikanischer Religionen aus, deren kulturelle Zeichen sich gegenseitig über- lagerten und in ihrer neuen Zuordnung teilweise Umdeutungen erfuhren. Die Ausbildung der Religion und deren praktizierte Ausübung zeigen somit eine Möglichkeit des kulturellen Widerstands auf, der sich nicht außerhalb, sondern inmitten kolonialer Referenzsysteme befindet und dort seine „widerspenstige“479 Kraft entfaltet. Neben dieser positiven Praxis ist der Mischreligion jedoch auch der brutale koloniale Akt der Versklavung eingeschrieben.

Die LAMsche Bildästhetik kann in Anlehnung an die Santeria gedeutet werden. Die avantgar- distisch-europäischen und karibisch-kubanischen Elemente lassen sich nicht voneinander isolieren. Erst ihre Kombination und eine neue Kontextualisierung machen LAMS künstleri- sche Stilbildung aus. Vorgefundenes zeigt sich in neuen Zuordnungen, bekanntes Vokabular

479 BHABHA 2007: 171.

157 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN wird fragmentiert und zu neuen bildkompositorischen Einheiten zusammengesetzt. Auch lassen sich die Einzelelemente nicht nebeneinander beschreiben, denn sie überlappen sich und erscheinen als transformierte neue Zeichen. Ihre ästhetisch mehrdimensionale und vielschich- tige Verwendung verweist auf kulturelle Diskurse, die dem LAMschen Werk eingeschrieben sind. Das Œuvre tritt dem Betrachter somit mehrstimmig und polisemantisch entgegen. Es erweist sich als unterschiedlichen Orten zugleich zugehörig.480

Die Auseinandersetzung mit dem Werk erfordert somit eine poliperspektivische Rezeption, die sich deutlich von dualistischen und statischen Beschreibungskategorien abgrenzt. Man kann sich dem Werk von verschiedenen Betrachterstandpunkten annähern. Auf diese Weise zeigen sich unterschiedliche, sich auch zuweilen widersprechende Interpretationen. Der mehr- dimensionale Zugriff ermöglicht denn auch, den „eigenen“ und den konträr „anderen“ Blick auf das Werk zu erkennen. Erst Kommunikation und Austausch von unterschiedlichen Stand- punkten kann die Vorstellung von einer komplexen und vielschichtigen Realität wiedergeben. Sie unterliegt jedoch einer Prozesshaftigkeit und ist durch stete Veränderung flüchtig, immer im Zustand des Übergangs.

Trotz der verschiedenen intellektuellen Prägungen LAMs, der Offenheit des Werkes für verschiedene Rezeptionen und der ästhetischen Durchdringung unterschiedlicher Einflüsse kann das Œuvre nicht als ein fragmentiertes oder in sich zerrissenes Werk beschrieben werden. Mit seinen mehrfach aufgeladenen Bedeutungen und semantischen Ebenen erweist es sich vielmehr als komplexe Plattform, die Differenzen zur Einheit verwebt.

Dieser Beschreibung des Werkes ist ein theoretischer Diskurs immanent, der sich im Begriff der Hybridität wiederfindet. Dem Werk soll jedoch keine weitere Beschreibungskategorie zugewiesen werden. Vielmehr ist es das Ziel, den Beitrag, den das Œuvre zur aktuellen Debatte um Hybridität leisten kann, herauszustellen. Zur Vorstellung, wie Hybridität zu fassen ist, gibt es kein einheitliches Konzept.481 Es lassen sich jedoch Grundsätze herausarbeiten, die derzeit allgemein anerkannt sind und mithilfe derer eine Annäherung an die Beschreibungs- kategorie gelingt. Hybridität wird meist als dynamische und unaufhörliche Vermischung von

480 RÉNE MÉNIL hat in einem Beitrag in Tropiques als einer der ersten auf den hybriden Ausdruck der LAMschen Bilder hingewiesen. Hier bescheinigte er dem Kubaner auch eine Ästhetik, die als bildnerisches Modell für Tropiques verstanden werden kann. (MÉNIL, RÉNE: „Pour une lecture critique de Tropiques“. In: Tropiques 1978: 24.) 481 Auch haben die folgenden Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sind im Hinblick auf die Beurteilung des LAMschen Werkes unter dem Vorzeichen der Hybridität und Hybridisierung gedacht.

158 IV WERKANALYSE AN AUSGEWÄHLTEN BILDBEISPIELEN

Kulturen verstanden, die neue produktive Mischkulturen entstehen lässt. Hybrid ist demnach alles, „was sich einer Vermischung von Traditionslinien oder von Signifikantenketten verdankt, was unterschiedliche Diskurse und Technologien verknüpft, was durch die Technik der collage, des samplings, des Bastelns zustande gekommen ist.“482 Im internationalen wie im deutschen Kontext ist der Begriff der Hybridität vor allem von dem Kultur- und Literatur- wissenschaftler HOMI BHABHA in den Diskurs um kulturelle Identität eingebracht worden. Kulturelle Hybridität versteht sich heute als ein Prozess der ständigen Auflösung, des Über- gangs und der Neuformation von Identitäten483, „in dem Kultur zum Mit- und Gegeneinander unterschiedlicher, oft widerstreitender Stimmen, Diskurse und Praktiken“484 wird und sich so ein gemeinschaftlicher Ort für Differenzen485 ausbilden kann.

In diesem Diskurs-Rahmen erscheint das LAMsche Werk geradezu prädestiniert, Überlegun- gen zur kulturellen Identität unter dem Vorzeichen der Hybridität ästhetisch aufzubereiten.

Denn die Bildsprache LAMs ist durch eine hierarchielose Kombination von kulturellen Zeichen und Bedeutungen geprägt, die im Werk umgedeutet und hybridisiert erscheinen. Der künstlerische Ausdruck verweist somit auf ein Verständnis von kultureller Identität, das durch mehrfach gebrochene Chiffren und deren erneute Aufladung gekennzeichnet ist.

482 BRONFEN, ELISABETH/MARIUS, BENJAMIN/STEFFEN, THERESE (Hrsg.) 1997: 14. 483 LÜTZELER, PAUL MICHAEL: „Vom Ethnozentrismus zur Multikultur. Europäische Identität heute.“ In: KESSLER, MICHAEL/WERTHEIMER, JÜRGEN (Hrsg.): Multikulturalität: Tendenzen, Probleme, Perspektiven im europäischen und internationalen Horizont. Tübingen 1995: 95. 484 STRAUB 1999: 117. In: ASSMANN/FRIESE: Identitäten 1999. (Vergl. auch in der Einleitung der vorliegenden Arbeit). 485 Vergl. BHABHA 1997: 127. Auf die von BHABHA als Kontaktzone, als einen space in-between charakterisier- ten Raum, wird im letzten Kapitel der Arbeit detaillierter eingegangen und dies auf die Ästhetik des LAM- schen Werkes bezogen.

159 V WIFREDO LAMS HOMOGENES GESAMTWERK: EIN ALTERNATIVES ÄSTHETISCHES IDENTITÄTSMODELL?

V WIFREDO LAMs homogenes Gesamtwerk: Ein alternatives ästhetisches Identitätsmodell?

Während die Ausbildung der hybriden Formen im vorangegangenen Kapitel anhand detaillier- ter Werkanalysen deutlich geworden ist, soll nun die Homogenität des Gesamtwerkes im Zentrum stehen. Das erste Kapitel von Teil V ist der Entwicklung der strukturierenden wie auch redundanten Kompositionselemente der Bilder sowie deren kunsthistorischen Einflüsse auf WIFREDO LAMs Werk gewidmet. Repräsentativ werden die Bilder Figure (Abb. 5)486 von 1948 und Je suis (Abb. 6)487 von 1949 herausgegriffen. Anhand dieser beiden Beispiele kann eine signifikante, kompositorische Kontinuität verdeutlicht werden, die sich von den 1920er Jahren bis ins Spätwerk nachvollziehen lässt und die in hohem Maß den Eindruck eines in sich geschlossenen und homogenen Œuvre hervorruft.

WIFREDO LAM fordert den Betrachter auf, die Dichotomie „homogen versus hybrid“ in ein „Sowohl-als-auch“ aufzulösen. Denn das Werk ist nicht ambivalent, sondern führt einheit- liche, homogene wie auch differente Strukturen zusammen. So kann die Ästhetik des Gesamt- werkes in seiner hybriden und zugleich homogenen Ausgestaltung auf ein Identitätsmodell verweisen, das nicht allein durch die Kategorie der Differenz zu fassen ist. Vielmehr finden Momente im Werk zusammen, die Kontinuitäten sowie Gemeinsamkeiten und Unterschied- lichkeiten miteinander verbinden. Das Œuvre zeigt somit eine Gestaltung auf, die in der Auseinandersetzung mit den cultural studies als ein alternatives Modell von kultureller Identi- tät erkennbar wird. Die Beschreibung hybrider und homogener Elemente stellt eine neue Posi- tionierung des Werkes dar. Darüber hinaus wird mit der Feststellung, dass das Werk aktuelle Debatten um kulturelle Identität ästhetisch aufbereitet, die Brisanz der Auseinandersetzung mit dem Künstler WIFREDO LAM und seines Œuvre deutlich.

486 Abb. 5: Figure ca. 1948. 487 Abb. 6: Je suis 1949.

160 V WIFREDO LAMS HOMOGENES GESAMTWERK: EIN ALTERNATIVES ÄSTHETISCHES IDENTITÄTSMODELL?

1 Redundante Kompositionsstrukturen im LAMschen Œuvre In der Auseinandersetzung mit dem Œuvre fällt auf, dass der Hybridität der Figuren eine werkspezifische formale Homogenität gegenübersteht, die sich in mehreren gestalterischen Momenten zeigt. So können beispielsweise Haltungen der Figuren beschrieben werden, die sich in Einzelstudien wie auch in großen Kompositionen wiederholen und denen kunsthisto- risch tradierte Bezüge immanent sind. Des Weiteren wird mit dem Blick auf das Gesamtwerk deutlich, dass sich für viele Werke ein kompositorisch redundantes Bildgefüge nachweisen lässt, das ebenfalls den homogenen Eindruck des Œuvre stützt. Diesen beiden kompositori- schen Strukturen sind die folgenden beiden Kapitel gewidmet.

1.1 Charakteristiken figürlicher Posen und ihre ästhetische Redundanz

1949 malte LAM das Bild Je suis (Abb. 6), ein durch seinen roten Hintergrund prägnantes und aus dem Œuvre hervortretendes Werk. Zentral posiert eine Figur. In erhabener und stolzer Haltung sitzt sie in Seitenansicht auf einem Stuhl, ihr Oberkörper ist dem Betrachter zuge- wandt. Ihre Hände hat sie ineinandergelegt, die Finger sind verschränkt. Mit ihrem rechten Unterarm, auf Höhe des Ellbogens, stützt sie sich auf die Stuhllehne. Sie trägt ein langes schwarzes Kleid, das sich an ihren Brüsten weich abzeichnet und die Figur als Frau identifi- ziert. Ihre langen Haare, die am Haaransatz teilweise zu zwei Zöpfen geflochten und gebun- den sind, fallen ihr über die Schulter, den Rücken hinunter. In ihrem Schoß liegt eine Art weißes Tuch, womöglich auch ein Bündel, genau lässt es sich nicht beschreiben. Während ihr linker Unterarm zum Körper, den Schultern, keine Verbindung hat und wie im Nichts des roten Hintergrunds abknickt, ist der rechte Oberarm in einem ornamentalen Muster gestaltet; weich fällt die Struktur über den Arm und assoziiert so die Stofflichkeit des Kleidungsstücks. Komplizierter als ihr Körper ist die Beschreibung des Kopfes. Das zum Hals hin rund geschwungene und sich über das spitz auslaufende Profil der Nase definierte Gesicht verhan- delt reduziert die „Kopfform“. Der Nasenrücken und im oberen Gesichtsfeld ein kleines Auge schließen die Form und lassen gleichzeitig den Kopf erkennen. An der dunklen Nase setzen zwei weiße, in Dreiecksform gestaltete Nasenflügel an. Daran schließt die schon früh als

Einheit von LAM entwickelte Ausgestaltung des vollen Lippenpaares und dem gespaltenen Kinn mit Barthaaren an.

Je suis nimmt unbestritten auf die klassische Porträtmalerei Bezug. Prominente Beispiele aus der Sammlung des Prado in Madrid lassen sich beispielhaft anführen, so Die Gräfin von

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Chinchón (Abb. 87)488 (1800) von FRANCISCO DE GOYA oder allgemein die flämisch-niederlän- dische Porträtmalerei des 17. Jahrhunderts. Die Aufnahme dieser traditionellen Haltungsstudie in das Formenrepertoire seiner Werke scheint nur konsequent, denn schließlich verdiente LAM bereits in Madrid sein Geld mit Aufträgen als Porträtmaler. Stellvertretend für die wenigen erhaltenen Beispiele aus jener Zeit sei zum einen auf das namenlose Porträt aus einer Privat- sammlung von 1927 (Abb. 88)489 hingewiesen, aber auch auf jenes von Doña Teresa Jiménez

Heras de Carretero von 1931 (Abb. 26)490. In Paris reduzierte LAM die Porträtauftragsarbeiten (Abb. 89)491. Trotzdem hielt er kompositorisch an der Präsentationsform fest, so zum Beispiel nachvollziehbar in Nu assis, I (Abb. 90)492 von 1939 und in Esquisse pour la Chilienne (Abb. 91)493 1939.

Auch mit zunehmendem Abstraktionsgrad und der hybriden Ausgestaltung seiner Figuren bleiben ihre Posen im Einzelporträt erhalten. In Sans titre von 1947 (Abb. 92)494 beispiels- weise sitzt in Seitenansicht eine Figur, die ihre Arme gekreuzt und in ihren Schoß gelegt hat. Mit ihrem Oberkörper wendet sie sich dem Betrachter zu. Trotz des hohen Abstraktionsgrades der Erscheinung ist die repräsentative Haltung unverkennbar. Weiterhin lassen sich La Fian- cée de Kiriwina (1949) (Abb. 93)495 und Femme avec un oiseau (1949) (Abb. 94)496 einreihen.

Sie stehen konzeptuell in unmittelbarer Nähe zu Je suis. LAM hielt auch nach seiner Rückkehr nach Paris und bis in die 1970er Jahre hinein am Bildtypus der sitzenden Figur fest (Abb. 95 und Abb. 96)497. Als letztes spätes Zeugnis kann das Bild Le bien arrivé von ca. 1974 (Abb. 97)498 genannt werden. Auch wenn die Figur nicht eindeutig auf einem Stuhl sitzt, ist doch der sich präsentierende Habitus und die Pose aus den vorangegangenen Beispielen lesbar.

488 Abb. 87: DE GOYA, FRANCISCO: Die Gräfin von Chinchón 1800. Öl auf Leinwand, 226 x 144 cm, Museo del Prado, Madrid. 489 Abb. 88: Porträt 1927. Öl auf Leinwand, 97 x 85 cm, Privatsammlung, Cuenca (Spanien), (27.20). 490 Abb. 26: Doña Teresa Jiménez Heras de Carretero 1931. 491 Eines der seltenen Bilder der Zeit ist Mme Azpiazu von 1941, Abb. 89: Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 105 x 80 cm, Privatsammlung, Miami, (41.03). Das Bild zeigt, wie stark die Porträtmalerei sich im Werk von LAM als kompositorischer Moment festgesetzt und wie LAM gleichzeitig die Einflüsse des Ku- bismus und die Behandlung der Maske, wie es PICASSO vorschlug, verinnerlicht hatte. 492 Abb. 90: Nu assis, I 1939. Gouache auf Papier, 105 x 75 cm, Galerie Albert Loeb, Paris, (39.43). 493 Abb. 91: Esquisse pour la Chilienne 1939. Gouache auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 100 x 68 cm, Pri- vatsammlung, Paris, (39.50). 494 Abb. 92: Sans titre ca. 1947. Öl auf Leinwand, alle weiteren Angaben sind unbekannt, (47.49). 495 Abb. 93: La Fiancée de Kiriwina 1949. Öl auf Leinwand, 128 x 113,5 cm, Sammlung Foundation Margue- rite et Aimé Maeght, Saint-Paul-de-Vence (Frankreich), (49.01). 496 Abb. 94: Femme avec un oiseau 1949. Öl auf Leinwand, 127 x 111 cm, Privatsammlung, Havanna, (49.06). 497 Abb. 95: Femme assise 1955. Öl auf Leinwand, 130,8 x 97,7 cm, Sammlung Hirshhorn Museum and Sculp- ture Garden, Smithsonian Institution, Washington DC, (55.10) und Abb. 96: Entre cinq et six heures 1961. Öl auf Leinwand, 127 x 110 cm, Sammlung Sprengel Museum, Hannover, (61.03). 498 Abb. 97: Le bien arrivé, ca 1974. Öl auf Leinwand, 92 x 72,5 cm, Privatsammlung, Mailand, (74.72).

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Eine Variation dieses sitzenden Typus zeigt sich in der Figur, die in ihren vor dem Körper verschränkten Armen eine weitere, kleinere Figur in den Schoß gelegt hat. Das Thema vari- iert, indem beispielsweise seit den 1950er Jahren an die Stelle der Kindsfigur ein Vogel tritt, wie Mujer con pájaro 1955 (Abb. 98)499 oder Le Merchand d'oiseaux, I (Abb. 99)500 1962.

Für mögliche kompositorische Vorbilder der sitzenden Figur lässt sich nicht allein das weltli- che Figurenporträt nennen. Unverkennbar nimmt LAM darin auch die zentrale Kompositions- struktur „Maria mit dem Kind“ aus der christlichen Ikonografie auf. Tatsächlich beschäftigte ihn das Thema „Mutter mit Kind“ schon seit seiner Ankunft in Madrid. 1930 malte er im futu- ristisch, symbolistischen Stil501 dieser Zeit Maternidad (Abb. 100)502 und zeigte eine Mutter mit einem Kind in ihren Armen. BORRÀS legt den Beginn der Auseinandersetzung mit dem

Thema „Mutter mit Kind“ mit LAMs traumatischer Erfahrung des Todes seiner ersten Frau und seines Sohnes zusammen.503 Tatsächlich aber sind die Bildbeispiele Composición, I (Abb.

101)504 und Maternidad (Abb. 100), die BORRÀS im Zusammenhang einer „dreamlike atmos- phere“ und als „witness to the extreme emotional shock“505 liest, noch vor dem Tod der beiden entstanden. Erst Composición II (Abb. 102)506 entstand 1931. Der biografische Bezug soll an dieser Stelle nicht gänzlich negiert werden, ist jedoch für das zu Zeigende von nicht allzu großer Relevanz.

Erst Ende der 1930er Jahre kehrte LAM zu diesem Thema zurück. In zwei Gouachen von 1937 (Abb. 103 und Abb. 104)507 zeigte er eine Szene, die an Maria mit dem Jesuskind erinnert. 508 Eindeutig durch den langen Umhang gekennzeichnet und der christlichen Ikonografie folgend, legte er der Mutter ein nacktes Kind in den Arm und an die Brust. LAM stellte sich mit in die Szene, nur mit einem Lendentuch gekleidet und isoliert von der Mutter-Kind-

499 Abb. 98: Mujer con pájaro 1955. Öl auf Leinwand, 73,2 x 59,8 cm, Privatsammlung, Miami, (55.07). 500 Abb. 99: Le Merchand d'oiseaux, I 1962. Öl auf Leinwand, 130 x 98 cm, Sammlung des Stedellijk Van Abbe Museum, Eindhoven (Niederlande), (62.27). 501 BORRÀS 1996: 20. 502 Abb. 100: Maternidad 1930. Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, Privatsammlung, Caracas, (30.03). 503 „After this tragedy, Lam began to experience terrible hallucinations which left him haggard, caught in a state of half-sleep, day and night.“ BORRÀS 1996: 24. 504 Abb. 101: Composición, I 1930. Öl auf Leinwand, 80 x 75 cm, Privatsammlung, Paris, (30.02). 505 BORRÀS 1996: 24. 506 Abb. 102: Composición, II 1931. Öl auf Leinwand, 76 x 70 cm, Sammlung M.-A. und M. Capriles, Caracas (31.01). 507 Abb. 103: Sans titre 1937. Gouache auf Papier, 49 x 40 cm, Privatsammlung, Barcelona (37.03) und Abb. 104: Sans titre 1937. Gouache auf Papier, 70 x 55 cm, Privatsammlung, Barcelona, (37.05). 508 Die Auseinandersetzung mit christlicher Ikonografie erschloss sich unweigerlich beim Studium der alten Meister im Prado. So nahm sich LAM 1933 beispielsweise La sagrada Familia von EL GRECO an. LAM ko- pierte das Bild nicht, sondern interpretierte und analysierte es, „to reach a deeper understanding of Greco's subject and style.“ (BORRÀS 1996: 24.)

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Gruppe. Auch zu einem späteren Zeitpunkt, in den 1950er Jahren, lässt sich das Thema nach- weisen. Zu nennen ist beispielsweise das Bild Ibaye (Abb. 105)509. Hier liegt das in ein weißes

Tuch gewickelte Kind im Schoß der Figur. 1952 malte LAM Maternité III (Abb. 106)510, eine Komposition, die möglicherweise an die Bildkomposition in Ibaye anschließt, aber auch an das Bild von 1940 erinnert.511 In Grand Composition (Abb. 58)512 von 1960 nahm LAM das Thema der Mutter mit Kind in der linken Figur im Bild auf und ebenso zentral erneut in Les enfant sans âme (Abb. 37)513, in dem an mehreren Stellen Kindsfiguren geschaukelt werden. Es ließen sich noch weitere Werke anfügen. Mit dem Bild Le bien arrivé (Abb. 97)514 von 1974 soll jedoch ein letztes spätes Beispiel genannt sein.

Anhand des Bildes Figure von 1948 (Abb. 5) lässt sich eine weitere redundant auftretende Pose vieler Figuren des Œuvre zeigen. Der Betrachterblick fällt sogleich auf die zentrale Erscheinung am vorderen Bildrand. Auf einer Art Liege hat sich eine Frau ausgestreckt. Sie hat ihre langen Arme über Kreuz hinter dem Kopf verschränkt und spielt aufreizend mit ihren gespreizten Fingern. Auf einem großen Kissen liegt ihr Kopf, der nicht der einer mensch- lichen Gestalt entspricht, anstelle dessen viel eher ihr Rumpf in einer spitzen, nadelförmigen Haube ausläuft. Ihre Beine sind ebenfalls gekreuzt. Doch im Gegensatz zu den offenen Armen, die den Blick des Betrachters erotisch anziehend auf ihre Achselhöhle und die Brüste lenkt, sind die Beine schamhaft übereinandergeschlagen. Die Pose erinnert unweigerlich an prominente Vorbilder der Kunstgeschichte, wie sie sich im Prado finden lassen. Auf einer Art Bett ausgestreckt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Beine gekreuzt, blickt

GOYAS Die nackte Maya (Abb. 107)515 den Betrachter an. Aber auch allgemein lassen sich diese Haltungen in Allegorien aus dem 16. Jahrhundert zum Beispiel von TIZIAN beschreiben.

Vorbilder aus dem Prado lassen sich bereits in frühen Werken vom LAM nachweisen. In eini- gen seiner ältesten erhaltenen Bilder aus spanischer Zeit ist das Motiv des hinter dem Kopf

509 Abb. 105: Ibaye 1950. Öl auf Leinwand, 104 x 87,6 cm, Sammlung der Tate Gallery, London, (50.20). 510 Abb. 106: Maternité, III ca. 1952. Öl auf Leinwand, 180 x 125 cm, Sammlung des Museo de Bellas Artes, Havanna, (52.01). 511 Wie schwierig sich das Thema Mutter mit Kind an unmittelbare biografische Fakten anschließen lässt, zeigt dieses Beispiel. Denn LAM war im Begriff, sich von HELENA BENITEZ zu trennen, LOU LAURIN-LAM, mit der er später drei Söhne hatte, lernte er erst 1955 kennen. Viel eher entschloss sich LAM, nach Paris zurückzukeh- ren und Kuba endgültig als seinen Aufenthaltsort aufzugeben. Deshalb scheint es konsequenter, die Szene als eine Metapher der Geborgenheit und im Sinne eines emotionalen Verhältnisses zu interpretieren. Die detail- lierte Interpretation muss an dieser Stelle offenbleiben. 512 Abb. 58: Grande Composition 1960. 513 Abb. 37: Les enfants sans âme 1964. 514 Abb. 97: Le bien arrivé ca. 1974. 515 Abb. 107: DE GOYA, FRANCISCO: Die nackte Maya 1789-1805. Öl auf Leinwand, 97 x 190 cm, Museo del Prado, Madrid.

164 V WIFREDO LAMS HOMOGENES GESAMTWERK: EIN ALTERNATIVES ÄSTHETISCHES IDENTITÄTSMODELL? verschränkten Arms zu finden, so in Nu (Abb. 108)516 von 1926 oder in der Körperhaltung der Figuren in Doble desnudo I und II (Abb. 109 und Abb. 110)517. Die beiden zuletzt Genannten, die LAM in der Art wie MATISSE malte, erinnern an Atelierstudien, bei denen unterschiedliche

Körperhaltungen studiert und festgehalten werden sollten. 1938 malte LAM das Bild Figures (Abb. 111)518, in dem zwei Figuren eng ineinander verschlungen dargestellt sind. Die Frau liegt auf einem Bett, den Kopf auf ein großes Kissen gelegt. Mit ihren Beinen umschlingt sie den Körper der männlichen Gestalt, die in ihrem Schoß sitzt. Der in kubistischer Manier gemalten Gouache schien LAM eine tragende Rolle beizumessen. In einem Brief an seine

Freundin BALBINA BARRERA schrieb er: „Hoy he terminado un cuadro que es el primero que he hecho que me gusta. Esta tarde estoy feliz.“519 Über dem Text skizzierte er Figures und klemmte es einer der Figuren im Bild unter den Arm. Die liegende Einzelfigur kann durchaus als Vergleichsabbildung für Figure von 1948 herangezogen werden (Abb. 112)520.

Mitte der 1940er Jahre baute LAM das Element der verschränkten Arme in Kombination mit der Kompositionsstruktur des repräsentativen Porträts für sein Formenrepertoire aus. Er abstrahierte die gekreuzten Gliedmaßen und gestaltete sie zu einer Rauten- oder Dreiecksform um. Besonders deutlich zeigt sich der Übergang in Le Présent éternel (Abb. 30)521 von 1944. Die zentrale Figur des Bildes hat ihre Arme im Schoß gekreuzt. Sie sind an den Ellbogen geknickt und laufen über nicht vorhandene Schultern im Bereich des Kopfes spitz zusammen. Die so entstandene Rautenform ersetzt Körper und Kopf der Figur. Ähnlich lässt sich die zentrale Gestalt in Les Noces (1947) (Abb. 2)522 beschreiben, bei der die zur Raute geknickten und übereinandergelegten Arme den Oberkörper der Figur ersetzen. Auch Figure von 1948 nimmt diese Form in ihrer Körpersilhouette auf. In einem späteren Bildbeispiel von 1962, À trois centimètres de la terre (Abb. 113)523 sind es die formlosen Stockarme einer der Figuren, die noch immer durch die Verschränkung hinter dem Kopf die Raute formen, nun in ihrer Abstraktion zu einem grafischen Zeichen reduziert.

516 Abb. 108: Nu 1926. Öl auf Leinwand, 65 x 70 cm, Privatsammlung, Barcelona, (26.05). 517 Abb. 109: Doble desnudo, II 1937. Pastel und Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 97 x 119 cm, Privatsammlung, Miami, (37.37). Abb. 110: Doble desnudo, III 1937. Gouache auf Papier, 9 x 11cm, Privat- sammlung, Barcelona, (37.39). 518 Abb. 111: Figures 1938. Gouache auf Papier auf Leinwand aufgezogen, 107 x 127 cm, Privatsammlung, Castelldeféls (Spanien), (38.13). 519 BORRÀS 1996: 44. [Ü: „Heute habe ich ein Bild fertiggestellt, das das erste ist, was ich gemacht habe, das mir gefällt. Heute Abend bin ich zufrieden.“] 520 Vergl. Abb. 112: Zeichnung aus dem Brief von LAM an BALBINA BARRERA, ca. 1938.. 521 Abb. 30: Le Présent éternel 1944. 522 Abb. 2: Les Noces 1944. 523 Abb. 113: À trois centimètres de la terre 1962. Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung A. Frailberger, Neuilly Frankreich, (62.33).

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Die hinter dem Kopf verschränkten Arme und die Pose des repräsentativen Sitzporträts sind zwei Beispiele für die Haltung vieler Figuren, die zu LAMs Gestaltungsrepertoire gehören. Der Eindruck eines homogen gestalteten Œuvre wird durch deren wiederholte Aufnahme in den Bildkompositionen gestärkt. Darüber hinaus lassen sich für einige große Werke Komposi- tionsstrukturen aufzeigen, die sich ebenfalls in das Œuvre eingeschrieben haben und somit dessen homogenen Gesamtcharakter unterstreichen.

1.2 Kompositorische Einheiten des Bildraums

In vielen Gemälden ist eine ähnliche kompositorische Anordnung zu beobachten. LAM posi- tioniert seine Bildfiguren oft in ähnlicher Art und Weise zueinander und teilt den Bildraum entlang horizontaler und vertikaler Achsen. Dazu kann wieder Figure (1948) als Beispiel dienen. Die auf der Liege ausgestreckte Figur füllt fast den gesamten unteren Bildraum von links nach rechts aus. Fast in einem Winkel von neunzig Grad stützt sich an der rechten Bett- kante eine große Gestalt auf die Liege. Sie durchmisst fast den gesamten Bildraum von oben nach unten. Im Rückblick ist es vor allem die Skizze des Bildes Figures (1938) im Brief an

BALBINA BARRERA, die die identische Raumaufteilung aufweist. Mit Léda et le cygne (Abb.

114)524 baute LAM 1947 eine ähnliche Bildkomposition auf, die der in Figures von 1938 folgte. Auch hier nimmt die weibliche Figur den gesamten Bildvordergrund ein. Mit überein- andergeschlagenen Beinen, in leicht aufgerichteter Haltung, in Riemensandalen und sonst gänzlich nackt, wendet sie sich dem Betrachter oder auch der Figur im hinteren Bildraum zu. Ein ähnlicher Bildaufbau zeigt sich in Figure (1948). Die liegende Figur wird durch weitere Figurengruppen ergänzt. Über der Szenerie schwebt ein weibliches Wesen mit spitzen Engels- flügeln anstelle von Armen. Ihr linkes Bein wird von einer körperlosen Hand umschlossen, als solle verhindert werden, dass sie davonfliegt. Im Bildhintergrund steht eine Figurengruppe, die nah an die Liegende herangerückt ist. Die größere Figur schaut zur kleineren hinunter, eine Szene, die an eine Konversation zwischen einem Erwachsenen und einem Kind erinnert. Die Ähnlichkeit von Léda und der Schwan zu dem danach entstandenen Bild Figure von 1948 ist deutlich. Annähernd gleiche Kompositionsstrukturen finden sich in Point de départ (Abb. 115)525 von 1950, Clairvoyance (Abb. 62)526 von 1950 oder Sans titre (Abb. 116)527 von ca. 1959.

524 Abb. 114: Léda et le cygne 1947. Öl auf Leinwand, 150 x 150 cm, Privatsammlung, Caracas (47.22). 525 Abb. 115: Point de départ 1950. Öl auf Leinwand, 124 x 155 cm, Sammlung F. Boulakia, Paris, (50.52). 526 Abb. 62: Clairvoyance 1950. 527 Abb. 116: Sans titre ca. 1959. Maße und Verbleib unbekannt, (59.06).

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Tropique du Capricorne (Abb. 36)528 von 1961 ist ein weiteres prägnantes Beispiel für diese Bildkomposition. Auf dem dunklen Untergrund, in dem sich in dunklem Braun die Liegeflä- che nur andeutet, streckt sich eine Figur über den ganzen Bildvordergrund aus. Ihre Arme und Beine sind zugleich der gesamte Körper. Ihren schmalen, sichelförmigen Kopf stützt sie mit einer Hand ab. Im Bildhintergrund und hinter der im Dunkeln liegenden Bare steht eine weitere Figur. Erneut erinnert die Positionierung der Figuren im Bild an die vorangegangenen Beispiele. Eine liegende Figur im Bildvordergrund findet sich in vielen Werken nach 1950. Bildbeispiele wie À trois centimètres de la terre (1962) (Abb. 113)529, El tercer mundo (1965- 1966) (Abb. 3)530, Le Corps et l'âme (1966) (Abb. 38)531 und auch Les Abalochas dansent pour Dhambala, dieu de l'unité (1970) (Abb. 4)532 lassen sich anführen.

528 Abb. 36: Tropique du Capricorne 1961. Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung Sonja Henie, Niels Onstad Foundacion, Høvikkoden (Norwegen). 529 Abb. 113: À trois centimètres de la terre 1962. 530 Abb. 3: El tercer mundo 1965-66. 531 Abb. 38: Le Corps et l'âme 1966. 532 Abb. 4: Les Abalochas dansent por Dhambala, dieu de l'unité 1970.

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2 Homogenität versus Hybridität? In den Debatten der cultural studies um kulturelle Identität ist das Homogene als Ideal einer Kategorisierung verpönt. Der Vorwurf lautet, dass sich in der Verwendung des Begriffs Essen- tialismen spiegeln, die sich als mächtig und in ihrer Exklusivität als das „Andere“ ausschlie- ßend erwiesen haben. Homogenität assoziiert Vorstellungen von Einheit in Form von Gleich- artigem und Konformem, von unverrückbaren Grenzen, gefestigten Identitäten und darin eingeschriebenen Authentizitäten und Ethnizitäten. Gerade letztere werden als Kategorien gedacht, die sich als unveränderbar, als objektiv darstellen und sich somit einer persönlichen Entscheidbarkeit und politischer Veränderbarkeit entziehen. Poststrukturalistische Theorien hingegen „fassen Identitäten als Produkte eines grenzüberschreitenden Austauschs und als Prozesse eines unabschließbaren Aushandelns auf“.533 Insbesondere die postcolonial und cultural studies arbeiten an der Dekonstruktion des Homogenen und untersuchen Themen wie Rasse, Geschlecht, Kultur und Herrschaft, Kolonialismus und Postkolonialismus sowie die Auswirkungen der Globalisierung. Diese Forschungen haben die historische Bedingtheit von Werten und Idealen kultureller Homogenität nachgewiesen. Sie zeigen deshalb die Prozess- haftigkeit kultureller Repräsentationen auf und entwickeln Kategorien wie die der Hybridität, des Synkretismus und der Differenz. In den Diskursen um kulturelle Identität wird Essentia- lismus hinterfragt. Eine oberflächliche Anerkennung von Differenz und Vermischung kann allerdings auch kulturelle Bruchstellen harmonisieren und damit dem Konzept des Hybriden sein „widerspenstiges“534 Potenzial nehmen. Darüber hinaus hat HUTNYK mit Verweis auf

GAYATRI SPIVAK daraufhin gewiesen, „dass die Zelebrierung von Hybridität zu einem Verschweigen von rassistischer Gewalt und Ausgrenzung führen kann“.535 Gerade die Meta- phern der Verschmelzung und Grenzüberschreitung im Hybriditätsdiskurs können nicht ohne die Machtdimensionen von Herrschaft und Ausbeutung gedacht werden. Im Anschluss daran ist ebenfalls kritisch anzumerken, dass die Auflösung von Grenzen zwar eine gewissenhafte Forderung darstellt. Die Negierung von Grenzziehungen jedoch würde eine dominante und meist brutale Alltagsrealität Marginalisierter unterschlagen und im Ausschluss daran eine zentristische, hegemoniale Positionierung offenbaren. Deshalb ist kritisch zu fragen: Ist Einheit durch Differenz zu ersetzen und steht das Hybride dem Homogenen dichotomisch entgegen?

533 ASSMANN/FRIESE 1999: 12. 534 BHABHA 2007: 171. 535 HUTNYK, JOHN: „Adorno at Womad. South Asian Crossovers and the Limits of Hybridity-Talk“. In: WERBNER, PNINA/MODOOD, TARIQ (Hrsg.): Debating Cultural Hybridity. Muli-Cultural Identities and the Politics of Anti-Racism. London 1997: 121.

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2.1 Der LAM sche Bildraum als Kontaktzone Zwar kann das Gesamtwerk als formal homogen, jedoch nicht als starr, in seiner Bedeutung festgelegt oder perspektivisch begrenzt beschrieben werden. Denn wie die hybriden Formen des Werkes ist auch die Homogenität kontextualisiert. So provoziert das redundante Haltungs- repertoire und die wiederkehrende Anordnung des Bildraumes zwar die ästhetische Gleichför- migkeit. Auch verhandelte LAM häufig Varianten eines Grundthemas in seinen Bildern – das repräsentative Figurenporträt und die Mutter-Kind Szene sind genannt worden. Doch die Inhalte und Kompositionsstrukturen sind kunst- und kulturhistorisch eingebunden, ihnen sind kulturelle Bedeutungen intendiert. Die Gleichförmigkeit des Œuvre zeigt somit keinen konservatorischen Zustand, der sich durch die Wiederholung von Vorgefundenem als authenti- sches Material fixieren ließe.

Eine ähnliche dialogische Abhängigkeit lässt sich auch für die Figurationen des LAMschen Werkes aufzeigen. Obwohl sie eindeutig hybrid ausgestaltet sind, lassen sie sich auch als einheitlich beschreiben. Denn sie sind aus immer gleichen oder ähnlichen Elementen kompo- niert: stockartige Gliedmaßen an überdimensioniert proportionierten Füßen und Händen, häufig ausladende Gesäße, lange Haare und tierähnliche Körperteile wie Pferdehufe und Schweife sowie das runde Elleguaköpfchen können genannt werden. Auch die abstrakten, zeichenhaften Körperbilder sind aus redundanten Einzelelementen zusammengebaut und provozieren einen einheitlichen und homogenen Gesamteindruck des Werkes. Doch gleichzei- tig charakterisiert die Kombination der überlagerten und neu ausgebildeten Formen auch deren hybriden Zustand. Diese zweifache Positionierung zeigt sich zugespitzt im Aussehen der zeichenhaften „Körper“ und „Köpfe“. Sie sind einerseits hybrid ausgestaltet, andererseits unterstreicht deren redundante Verwendung den homogenen Charakter des gesamten Werkes.

Die unverwechselbare Ästhetik der LAMschen Figurationen ist somit durch die Möglichkeit einer ambivalenten doppelten Zuweisung gekennzeichnet.

Nicht nur bildgestalterisch lässt sich die Verbindung von Homogenität und Hybridität dar- stellen. Auch konzeptuell beziehen sich die Kategorien im Werk aufeinander. So spiegeln beispielsweise Elemente, die die Santeria ästhetisch aufbereiten, eine religiöse Dimension wie auch eine kulturhistorische Realität der karibischen Bevölkerung. HALL hat darauf hinge- wiesen, dass „schwarze, karibische Identitäten (...) von zwei gleichzeitig wirksamen Achsen oder Vektoren, einem der Ähnlichkeit und Kontinuität und einem der Differenz und des Bruches, 'eingerahmt' werden. Karibische Identitäten müssen immer als die dialogische Bezie-

169 V WIFREDO LAMS HOMOGENES GESAMTWERK: EIN ALTERNATIVES ÄSTHETISCHES IDENTITÄTSMODELL? hung zwischen diesen beiden Achsen gedacht werden. Die eine gibt uns eine gewisse Grund- lage in der Vergangenheit und Kontinuität im Verhältnis zu ihr. Die zweite erinnert uns daran, dass das, was wir miteinander teilen, gerade die Erfahrung tiefgreifender Diskontinuität ist: Die Völker, die in die Sklaverei, Deportation, Kolonisation und Migration getrieben wurden, kamen vor allem aus Afrika.“536 Die Zeichen der Santeria in LAMs Werk versinnbildlichen einerseits die von HALL ausgeführte kontextuelle Abhängigkeit des Gegenwärtigen vom Vergangenen und veranschaulichen gleichzeitig die kontinuierliche Prozesshaftigkeit kultur- eller Identität.

Des Weiteren verdeutlichen die Verweise auf kunsthistorische Vorbilder, dass LAMs Werk auch in deren Kontinuität kontextualisiert ist. Zudem reflektierten die Bilder auf die europäi- sche Avantgarde, die LAM in seiner Stilentwicklung maßgeblich geprägt hatte. So sah der Künstler sein Werk durchaus in einer „modernen“ Tradition und Kontinuität. Allerdings signa- lisiert die Hybridität des Œuvre, dass es sich nicht um einen linearen, sondern viel eher um einen brüchigen Bezug handeln muss. Denn inmitten des LAMschen Werkes tauchen „moderne“ Spuren als hybrid umgestaltete Zeichen auf, die in der Form ambivalent und durch deren neue Verwendung für das avantgardistische Selbstverständnis unpassend gebraucht sind. Die neuen Elemente zeigen eine „unheimliche Ähnlichkeit“537 und konfrontieren den dominanten europäischen Diskurs mit einer Gegenstimme, „die nicht mit eindeutiger Sicher- heit als die authentische Stimme des fremden, unterlegenen Anderen identifiziert werden kann“.538 Auch richtet sich das Werk vom „peripheren“ Raum an den Betrachter und fordert einen dialogischen Austausch mit dem „Zentrum“. Durch die Einbindung der „modernen“

Diskurse konnte LAM so subversiv in deren Repräsentationsfeld vordringen und anerkennende Teilhabe einfordern. Seine Ästhetik nutzt somit einerseits die mächtige europäische Deutungs- hoheit, um sich die Aufmerksamkeit der Rezeption im „Zentrum“ zu sichern. Andererseits wusste LAM das Selbstverständnis der Avantgarde zu brechen. Indem er die umgedeuteten und verfremdeten mächtigen Zeichen und Ikonen der „Moderne“ auf der „marginalen“ Seite wieder einführte, eröffnet der Kubaner eine Gegenposition. Dieser diskursive Machteffekt

536 HALL 1994: 31. 537 Vergl. BHABHA, HOMI: „Von Mimikry und Menschen. Die Ambivalenz des kolonialen Diskurses.“ In: BHABHA 2000: 125-136. 538 HA 2010: 70. Ergänzend dazu führt BHABHA zu Ländern und Gemeinschaften, die „'anders als die Moderne' aufgebaut sind“ aus: „Solche Kulturen einer postkolonialen Gegen-Moderne können in einem angrenzenden, diskontinuierlichen oder oppositionellen Verhältnis zur Moderne stehen, und sie können sich ihrer unter- drückenden, assimilierenden Techniken widersetzen; aber sie setzen die kulturelle Hybridität ihrer Grenzlage auch dazu ein, die soziale Vorstellungswelt der Metropole und der Moderne zu 'übersetzen' und dadurch neu einzuschreiben.“ BHABHA, HOMI: „Die Verortung der Kultur”. In: BRONFEN 1997: 131.

170 V WIFREDO LAMS HOMOGENES GESAMTWERK: EIN ALTERNATIVES ÄSTHETISCHES IDENTITÄTSMODELL? zeigt eine Möglichkeit des kulturellen Widerstands auf, der nicht außerhalb, sondern inmitten der „zentristischen“ Referenzsysteme auszumachen ist.

Die Kategorisierung der Hybridität auf das LAMsche Werk anzuwenden, erschien konsequent. Doch ihr muss die homogene Komponente des Œuvre zur Seite gestellt werden, ohne die die

Beschreibung nur unzureichend wäre. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass LAMs Ästhetik kunstgeschichtliche Vorbilder, kulturhistorische Codes und aktuelle, seine Alltags- realität bestimmende Momente aufnahm. Allerdings erhielt das aus seinem Kontext gelöste Vokabular erst Einzug in die Bilder, als es umgedeutet, verfremdet und neu ausgestaltet war. Die konzeptuellen Kombinationen ermöglichen eine vielschichtige Betrachtungsweise des Werkes, während gleichzeitig die hybriden Formen unterschiedliche Kontinuitäten zum Ausdruck bringen können. Diese Analyse des Werkes lässt sich in einen übergeordneten

Bedeutungsrahmen einbinden. Denn das LAMsche Œuvre kann den von BHABHA beschriebe- nen Raum in „dritter Ebene“ ästhetisch aufbereiten und Diskurse zur kulturellen Identität versinnbildlichen. Dieser Aspekt wird Inhalt des letzten Kapitels dieser Arbeit sein.

2.2 Einheit und Differenz: Eine Annäherung an ein alternatives Identitätsmodell

Eine mögliche Beschreibung von kultureller Identität lässt sich aus dem LAMschen Œuvre ableiten. Denn das Werk zeigt einen ästhetischen Raum auf, in dem kulturelle Insignien,

Codes und Befindlichkeiten transformiert sind. LAM deplatzierte vorgefundenes Material, manipulierte Ikonografien, kombinierte und vermischte Elemente unterschiedlicher Kultur- kreise. So verfremdet und umgedeutet, erhielten sie Einzug in seine Bilder. Diesen hybriden Momenten steht die beschriebene Homogenität des Werkes zur Seite. Beide Kategorien formen sich gegenseitig, bedingen sich und werden durch ihre Gegenüberstellung wie auch in ihrer Kombination erst sichtbar. So ist denn die LAMsche Ästhetik als eine Neuformation zu beschreiben, die den Anspruch verfolgt, einen Raum für Differenzen aufzuzeigen, in dem sich menschliche Gemeinschaften auch in ihrem Widerstreit zueinander, jedoch in ihrer kulturellen Hybridität finden können.

LAMs künstlerisches Selbstverständnis, soweit dies durch seinen ästhetischen Ausdruck beschreibbar ist, bestand darin, sich in der Kontinuität einerseits der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte zu positionieren, nicht ohne auch seine Zugehörigkeit zur Karibik zu beto-

171 V WIFREDO LAMS HOMOGENES GESAMTWERK: EIN ALTERNATIVES ÄSTHETISCHES IDENTITÄTSMODELL? nen. Er verstand die Gemeinsamkeiten, die ihn mit Europa und gleichzeitig mit Kuba verban- den, nicht als konkurrierende Systeme. Konsequenterweise entwickelte er seinen künstleri- schen Ausdruck zwischen den beiden Identitätsbestimmungen, die prägend auf ihn und sein Werk einwirkten. Die Übernahme der unterschiedlichen kulturellen Codes, Repräsentationen und Rezeptionen erfolgte jedoch nicht in einer starren und auf Authentizitäten basierenden Wiederholung. Die Ästhetik der Bilder betont vielmehr die Kontaktpunkte, Bezüge und möglichen Brüche, die sich in der Kombination von unterschiedlichen hybriden Identitäten ergeben können. So offenbart sich im LAMschen Œuvre ein Kulturverständnis, in dem Ambi- valenzen, Differenzen und Brüche vereint erscheinen. Das Werk kann nur in der Beachtung der beiden Beschreibungsfelder, der Verbindung von Homogenität und Hybridität gefasst werden. Darin zeichnet sich ästhetisch ein Alternativmodell ab, das kulturelle Identität nicht allein mit der Kategorie der Differenz beschreibbar macht.

Kulturelle Identität formt sich im Austausch von sich zuweilen gegenüberstehenden und konträren Vorstellungen. So ist „kulturelle Identität als Positionierung zu verstehen, die einer- seits durch die Ambivalenz der gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt wird und andererseits aus den polymorphen Zusammensetzungen von Kultur und Ideologie sowie aus der eigenwil- ligen Rekonstruktion von Geschichte besteht.“539 Es handelt sich also nicht um ein abge- schlossenes System, sondern unterliegt einer fluktuierenden und durchlässigen Prozesshaftig- keit. Kulturelle Identität entwickelt sich im Rahmen unterschiedlicher Deutungen, die sich überlappen, ineinander übergehen und hybrid sind. Sie kann ein Sammelsurium sein, eine Collage, die in einer dynamischen Vermischung von Unterschiedlichkeiten und Gemeinsam- keiten entsteht, die sich in ihren Verbindungen gegenseitig nicht blockieren und nicht ausschließen. Kulturen enthalten Spuren von Vergangenem, die als kulturelle Zeichen und Repräsentationen sichtbar sind.

In LAMs Werk werden diese Verweise nicht in einer sentimentalen Rückwärtsgewandtheit dargestellt, sondern zu ihrer bereits in der Vergangenheit unsteten und hybriden Ausbildung ins Verhältnis gesetzt. Dieser Akt der kulturellen Übersetzung „vergegenwärtigt Vergangen- heit nicht einfach als gesellschaftliche Ursache oder ästhetischen Vorläufer; sie erneuert die Vergangenheit, indem sie sie neu als angrenzenden 'Zwischen'-Raum darstellt, der die konkrete Realisierung der Gegenwart innoviert und unterbricht“.540 Kulturelle Identität

539 HA 2004: 119. 540 BHABHA 1997: 132.

172 V WIFREDO LAMS HOMOGENES GESAMTWERK: EIN ALTERNATIVES ÄSTHETISCHES IDENTITÄTSMODELL? versteht sich so als Prozess des Aushandelns, der ständigen Übergänge, als ein „Konzept, das mit und von – nicht trotz – der Differenz lebt, das durch Hybridbildung lebendig ist“.541 Aber die Ausbildung kultureller Identität würde falsch verstanden werden, wenn Einheit durch Differenz ersetzt würde.

HOMI BHABHAS Raummetapher des „third space“ zielt auf einen Ort, der „durch Praktiken kultureller Mimikrys Uneindeutigkeiten und Ähnlichkeiten erzeugt“542 und so kulturelle Hybridität ausbildet. Darüber hinaus eröffnet ein „zwischenräumlicher Übergang zwischen festen Identifikationen die Möglichkeit einer kulturellen Hybridität, in der es einen Platz für Differenz ohne eine übernommene oder verortete Hierarchie gibt“.543 „Feste Identifikationen“ parallelisieren sich im LAMschen Œuvre in der beschriebenen redundanten Aufnahme kultu- reller Zeichen und Chiffren sowie der kompositorischen Einheit der Bilder. Dieses ästhetische Verfahren bezeichnet die Homogenität des Gesamtwerkes, dem gleichzeitig die Hybridität in der Darstellung der Figurationen und der Vielschichtigkeit der intendierten Bedeutungen und

Diskurse eingeschrieben ist. In diesem Sinne formieren sich das LAMsche Œuvre und „kultu- relle Identitäten durch Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten und durch Differenzen und Brüche“.544

Die Beschreibung des LAMschen Werkes als zugleich hybrides und homogenes stellt die Neupositionierung des Œuvre dar. Mit der doppelten Zuweisung wird der in vielen bisherigen Rezeptionen und Repräsentationen erhobene ästhetische Authentizitätsanspruch negiert. Auch kommt dem Werk keine explizite Brückenfunktion zu, die Positionen der „Peripherie“ und des „Zentrums“ in Kontakt bringen könnte. Denn die Beschreibung eines solch undifferen- zierten Zwischenbereichs würde dichotome Sichtweisen stärken, die das Werk nur umso mehr marginalisieren würden. Das LAMsche Œuvre zeichnet eine Flexibilität aus, die durch die mögliche Zugehörigkeit zu unterschiedlichen, zu jedem Zeitpunkt kontextualisierten Räumen gekennzeichnet ist. In bisherigen Rezeptionen wurde nicht ausgeführt, dass LAM die Darstel- lung einer Einheit, die Differenzen zusammenzubringen vermag, verfolgte. Auch die Einbe- ziehung der cultural studies bedeutet eine neue und somit andere Zugangsweise zum Werk des Künstlers.

541 HALL 1994: 41. 542 BHABHA 2007: 125-136. 543 BHABHA 1997: 127. 544 HA 2004: 119.

173 VI ZUSAMMENFASSUNG

VI Zusammenfassung

Ziel der vorliegenden Dissertation war es, den „Mythos Lam“ zu dekonstruieren und so den Künstler und sein Werk aus den starren und festgelegten Rezeptionen und Repräsentationen zu lösen. In der Konsequenz sollte das Œuvre neu positioniert und dessen Brisanz für die aktuelle Debatte um kulturelle Identität, Hybridität und Differenz deutlich gemacht werden.

Der Künstlermythos wurde unter verschiedenen Vorzeichen aufgebaut. Ausgangspunkt war die Einbindung LAMs in die primitivistische Rezeption Afrikas der Pariser Avantgarde.

Entscheidenden Einfluss nahm PICASSO, der dem Kubaner eine enge Verbindung zu den

„primitiven“ Wurzeln des schwarzen Kontinents bescheinigte. PICASSO wurde zum stabilen Bezugspunkt für viele nachfolgende Rezeptionen. In den 1940er Jahren äußerten sich

Kulturakteure wie BRETON, CÉSAIRE und CARPENTIER zum LAMschen Werk. Mit ihren Namen verbinden sich die Diskurse des Surrealismus und des Magischen Realismus, in deren

Rahmen das LAMsche Werk gesehen wurde. Durch die Aufarbeitung dieser beiden Positionen und ihrer Beschreibungsrhetoriken zeigte sich, dass europäische wie lateinamerikanische Äußerungen darum wetteiferten, unter welchen Vorzeichen das Werk einem vermeintlich authentischen Anspruch kultureller Identität gerecht werden könne. Während BRETON LAM zum wahren Surrealisten stilisierte, feierte CARPENTIER das Magische in LAMs Malerei als Ausdruck der karibischen und lateinamerikanischen Realität. Auffällig ist, dass beide Seiten sich deutlich voneinander abzugrenzen suchten und doch mit einem ähnlichen Vokabular das Werk für sich vereinnahmten. So betonten beide Seiten den ästhetischen Ausdruck als authen- tisches Zeugnis des karibischen Natur- und Kulturraumes. Diese Kategorisierung stabilisierte den „Mythos Lam“ nachhaltig.

Durch die Aufarbeitung der unterschiedlichen Beschreibungsrhetoriken zeigten sich deren intendierte Diskurse, die nicht selten kulturpolitische Interessen einzelner Akteure abbildeten. Mit der Dekonstruktion der Repräsentationen und Rezeptionen wurde ein erster Bruch sicht- bar, der das LAMsche Werk aus den auf Exotismus, Primitivismus und Authentizität basieren- den Zuschreibungen lösen konnte. Aber auch die detaillierte Auseinandersetzung mit reprä- sentativ ausgewählten Bildbeispielen zeigte, dass sich das Werk nicht als einseitig und als einem spezifischen Referenzsystem zugehörig vereinnahmen lässt. Ohne Zweifel ist das Œuvre das Resultat theoretischer, soziologischer, politischer und kultureller Auseinanderset- zungen mit LAMs jeweiligen Umfeldern, stilprägender Einflüsse und Ausbildungen sowie

174 VI ZUSAMMENFASSUNG persönlicher Umstände. Sein bewegtes Leben findet im Werk eine ästhetische Entsprechung und zwar nicht als biografische Faktizität, sondern in der Vielschichtigkeit unterschiedlicher Erfahrungsmomente.

LAM entwickelte eine Bildsprache, die eine mehrdimensionale Metaphorik und eine vielfach durchmischte, hybride Ästhetik aufweist. Die Formen, aus denen sich seine Figurationen zusammensetzen, erinnern einerseits an ein vertrautes Vokabular und erscheinen wie entlehnte Zeichen aus anderen Kontexten. Anderseits sind die Einzelelemente aus ihren vorherigen Zugehörigkeiten gelöst und haben so teilweise ihre Bezüge verloren. Sie finden sich nun im

LAMschen Bildraum neu verortet und sind in ihrer komplexen Verbindung, Überlagerung, Transformation und Neugestaltung als hybrid zu beschreiben. Die zugehörigen und intendier- ten Diskurse der abgeleiteten Zeichen sind in den LAMschen Bildraum transferiert und lassen das Werk polisemantisch, vielstimmig und poliperspektivistisch erscheinen. Am deutlichsten zeigt sich dies in den Ausführungen zu den maskenartigen Köpfen. Auch mit zunehmender Abstraktion ab Ende der 1940er Jahre erinnern die Formen der „Gesichter“ weiterhin an die einer Maske. Ästhetisch knüpfte LAM darin an PICASSO an, aber ebenso an die Idee eines origi- nären Vorbilds afrikanischer Masken. Auf metaphorischer Ebene lassen sich viele unter- schiedliche Assoziationen anschließen. So intendiert das Element der Maske die „moderne“ Interpretation Afrikas und die avantgardistische Deutungshoheit der „primitiven“ Artefakte. Die Maske verweist auf die kontextlose europäische Einverleibung der afrikanischen Zeug- nisse, die einer kolonialen Eroberung mit ästhetischen Mitteln gleichkam. In dem Zeichen der Maske kann sich auch die koloniale Geschichte der Karibik spiegeln und gleichzeitig auf heutige Vorstellungen der kulturellen Identität Kubas verweisen. Die Möglichkeit, unter- schiedliche Betrachterperspektiven im Bildraum zu vereinen, erklärt, warum das Œuvre unter so vielen, sich zuweilen widersprechenden Positionen rezipiert wurde.

Die Aufnahme der verschiedenen kulturellen Zeichen und deren Wiedereinsetzung vollzog

LAM nicht als einfache Übernahme mit Zitatcharakter. Denn er deutete die Insignien zunächst um, verfremdete sie, um sie im nächsten Schritt kontextualisiert und mit neuen Bedeutungen wieder aufzuladen. Diese Vorgehensweise verweist auf einen emanzipatorischen Akt des Künstlers, der sich so den gängigen Repräsentationen zu entziehen wusste und darüber hinaus den Deutungsrahmen seines Werkes mitbestimmte. Kritisch und als widerspenstiger Störfak- tor wenden sich seine hybriden Gestalten an die „Moderne“. Mit diesem Verfahren ignorierte

LAM die vermeintliche Grenze zwischen „Zentrum“ und „Peripherie“, indem er sein Werk

175 VI ZUSAMMENFASSUNG

ästhetisch und konzeptuell inmitten des europäischen Diskurses um die „Anderen“ verortete. Die Hybridität der zeichenhaften, abstrakten Körperbilder wird in einem Raum ausgestaltet, der sich als homogen beschreiben lässt. Besonders durch sich wiederholende Kompositions- strukturen, die redundante Verwendung der hybriden Elemente, aber auch durch die Reduk- tion der hinteren Bildebene seit Ende der 1940er Jahre erscheint das Gesamtwerk gleichför- mig und in sich geschlossen. Die spezifische Homogenität ermöglicht, dass die ausgestalteten Elemente nicht als fragmentiert, als brüchig oder indifferent erscheinen. Auch stehen die hybriden Momente der Bilder der homogenen Erscheinungsform des Gesamtwerkes nicht entgegen. Vielmehr zeigen sich im Bildraum Bezüge, die Differenzen in einer Einheit erfahr- bar machen. Denn LAMs Ästhetik formt sich im Zusammenspiel von gemeinsamen, kontinu- ierlich genutzten kulturellen Zeichen sowie deren metaphorischen Räumen und deren gleich- zeitiger Ausdifferenzierung.

Die Beschreibung des LAMschen Werkes zwischen den meist ambivalent verstandenen Kate- gorien der Hybridität und Homogenität konnte in Überlegungen zur kulturellen Identität parallelisiert werden. Aktuelle Auseinandersetzungen dekonstruieren das Homogene und kennzeichnen kulturelle Identität häufig einzig durch die Kategorie der Differenz. Das

LAMsche Werk allerdings betont die Synthese aus Einheit und Unterschiedlichkeit. So zeigt die doppelte Zuweisung ästhetisch eine Alternative auf, die nicht allein Hybridität als identi- tätsstiftenden Moment von Kultur benennt. Auch Kontinuitäten und Gemeinsamkeiten bilden kulturelle Identität aus. So hat sich in der Auseinandersetzung mit dem Œuvre auch gezeigt, dass der Begriff der Einheit nicht durch den der Differenz zu ersetzen ist.

Mit der Betonung der dialogischen Abhängigkeiten und der Beschreibung des Gesamtwerkes anhand der hybriden und homogenen Momente verfolgte die vorliegende Arbeit einen gänz- lich neuen interpretatorischen Zugang. Dies kommt einer Neupositionierung des Werkes gleich, die weder dichotome Kategorisierungen zulässt noch starre Festschreibungen von Authentizität und Ethnizität für das Œuvre in Betracht zieht.

Die vorliegende Arbeit ist auf die Beschreibung kultureller Identität fokussiert. Im Hinblick auf die beschriebene Hybridität des Werkes hätte sich auch eine Betrachtung unter dem Aspekt der gender studies angeboten. Die Zugangsweise konnte jedoch im Rahmen der Dissertation nicht berücksichtigt werden. Auch ist nicht näher auf die Freundschaft von

WIFREDO LAM zu AIMÉ CÉSAIRE und ASGER JORN eingegangen worden. Eine detailliertere

176 VI ZUSAMMENFASSUNG

Aufarbeitung der mit diesen beiden Namen in Verbindung stehenden „Bewegungen“ der Négritude und der CoBrA hätte womöglich die politische Positionierung des Werkes heraus- stellen und in Verbindung der Négritude mit den cultural studies weitere Zugänge zum Werk aufzeigen können. Auch diese Aspekte mussten in den Ausführungen übergangen werden, in der Anerkennung der komplexen Zusammenhänge, die nicht oberflächlich und unkritisch abgehandelt werden sollten.

LAM äußerte einmal, dass ein echtes Bild die Kraft besitze, die Fantasie anzuregen, auch wenn es noch so lange dauere.545 So ist denn auch über das LAMsche Werk noch lange nicht alles gesagt. Denn es offenbart sich als verblüffend zeitlos wie auch brisant und wartet darauf, in aktuelle Kulturdebatten eingebunden zu werden, wie es der vorliegenden Dissertation ein Anliegen war.

545 FOUCHET 1976: 188.

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[CARPENTIER 1955] CARPENTIER, ALEJO: „Lam. Trayectoria de Wifredo Lam”. In: El Nacional, Caracas, 8. Mai 1955: o.S.

[CARPENTIER 1963] CARPENTIER, ALEJO: „El regreso de Wifredo Lam”. In: El Mundo, Havanna, 30. April 1963: o.S.

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[CARPENTIER 1975] CARPENTIER, ALEJO: „Conciencia e identidad de America”. In: CARLOS PALLEIRO (Hrsg.): Obras Completas de Alejo Carpentier 13, ensayos, Mexiko 1990: 131-140. (Discurso pronun- ciado por Alejo Carpentier en el Aula Magna de la Universidad central de Venezuela el 15 de mayo de 1975).

[CARPENTIER 1990] CARPENTIER, ALEJO: „De lo real maravilloso americano“. In: CARLOS PALLEIRO (Hrsg.): Obras Completas de Alejo Carpentier 13, ensayos, Mexiko 1990.

[CÉSAIRE 1939] CÉSAIRE, AIMÉ: Cahier d'un retour au pays natal. Paris 1939. Ein erster Vorabdruck von Cahier d'un retour au pays natal war bereits in Volontés. Revue mensuelle, 2ème année, No. 20, August 1939: 23-51 erschienen. Kommentierte Ausgabe von IRELE, ABIOLA New York 1994. Und: CÉSAIRE, AIMÉ: Retorno al pais natal. Spanische Edition, übersetzt von LYDIA CABRERA, Vorwort von BENJAMIN PÉRET, Havanna 1942.

[CÉSAIRE 1943] CÉSAIRE, AIMÉ: „Tam-Tam II, pour Wifredo“. In: VVV, No. 2-3, New York, März 1943: 132.

183 VII LITERATURVERZEICHNIS

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[DE LA BEAUMELLE 1991] DE LA BEAUMELLE, AGNÈS ANGLIVIEL (Hrsg.): Breton, André: La beauté convulsive. Centre Georges Pompidou, Paris 1991.

[DE LA NUEZ 1996] DE LA NUEZ, IVÁN: „Al encuentro de los pasos perdidos”. In: Cuba Siglo XX. Modernidad y sincretismo. Centro Atlantico de arte moderno. 16. April - 9. Juni 1996, Las Palmas de Gran Canaria 1996: 59-80.

[DE ZAYAS 1916] DE ZAYAS, MARIUS: African Art: Its Influence on Modern Art. New York 1916.

[DELACROIX 1976] DELACROIX, NICOLAS: „Zurück zum Geburtsland”. In: Die Weltkunst, 15. Januar 1976: 73.

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[DESNOES 1963] DESNOES, EDMUNDO: Lam: Azul y Negro. Havanna 1963.

DTV LEXIKON BROCKHAUS 2010.

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[ECO 1993] ECO, UMBERTO: Das offene Kunstwerk. Frankfurt/Main 1993.

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[FRANQUI 1954] FRANQUI, CARLOS: „El retorno de Wifredo Lam”. In: Carteles XXXV, No. 50, 12. Dezember 1954: 93-98.

186 VII LITERATURVERZEICHNIS

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[FRANZBACH 1984] FRANZBACH, MARTIN: Kuba – Die neue Welt der Literatur in der Karibik. Köln 1984.

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[FROBENIUS 1933] FROBENIUS, LEO: Kulturgeschichte Afrikas, Prolegomena zu einer historischen Gestaltlehre. Zürich 1933.

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[GLISSANT 2001] GLISSANT, ÉDOUARD: „Iguanes, busards, totems fous“. In: Lam métis. Musée Dapper, 26. September 2001 - 20. Januar 2002, Paris 2001: 13-48.

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[GOLDSTEIN 1995] GOLDSTEIN, ZVI: „Es gibt noch eine andere dritte Welt (Gegen Primitivismus)”. In: Neue Bildende Kunst 5, Leipzig, 1995. 56-57.

[GRADUIERTENKOLLEG KÖLN 2005] GRADUIERTENKOLLEG IDENTITÄT UND DIFFERENZ (Hrsg.): Ethnizität und Geschlecht. (Post-) Koloniale Verhandlungen in Geschichte, Kunst und Medien. Köln 2005.

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[KAT. CARIBE INSULAR 1998] Caribe Insular. Exclusion, fragmentación y paraiso. Museo extremeno e ibero-americano de Arte contemporaneo. Casa de Americas Madrid, 30. September - 8. November 1998.

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191 VII LITERATURVERZEICHNIS

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[KAT. KUNSTWELTEN IM DIALOG 1999] SCHEPS, MARC/DZIEWIOR, YILMAZ/THIEMANN, BARBARA M.: Kunstwelten im Dialog. Von Gauguin zur globalen Gegenwart. Museum Ludwig Köln, 5. November - 19. März 2000.

[KAT. LAM 1950] Lam obras recientes. Mit einem Vorwort von FAUSTINO FERNÁNDEZ. Parque Central, Havanna, 2. - 20. Mai 1950.

[KAT. LAM 1951] Lam y nuestro tiempo, Paris 1938-1951. Mit einem Vorwort von CARLOS FRANQUI. Galería Sociedad Nuestro Tiempo, Havanna 7. April 1951.

[KAT. LAM 1982] Exposición Antologica: „Homenaje a Wifredo Lam” 1902-1982. Museo Nacional de Arte Contemporaneo, Madrid. Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris, Paris. Musée d' Ixelles, Brüssel 1982.

[KAT. LAM 1983] Wifredo Lam 1902-1982. Musée d' Art Moderne de la Ville de Paris (Hrsg.), 23. März - 22. Mai 1983, Paris 1983.

[KAT. LAM 1988] Wifredo Lam. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 1988.

[KAT. LAM MÉTIS 2001] Lam métis. Musée Dapper, 26. September 2001 - 20. Januar 2002, Paris 2001.

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192 VII LITERATURVERZEICHNIS

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[KAT. LES SURRÉALISTES EN EXIL 2000] ALIX, JOSEFINA/SAWIN, MANTONICA: Les Surréalistes en Exil et les débuts de l'école de New York. Musée d' Art Moderne et Contemporain de Strasbourg, 12. Mai - 27. August 2000, Straßburg 2000.

[KAT. WIFREDO LAM AND HIS CONTEMPORARIES 1992] Wifredo Lam and his Contemporaries 1938-1952. The Studio Museum of Harlem New York, 6. Dezember 1992 - 11. April 1993, New York 1993.

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[KERNER 2012] KERNER, INA: Postkoloniale Theorien zur Einführung. Hamburg 2012.

[KESSLER/WERTHEIMER 1995] KESSLER, MICHAEL/WERTHEIMER, JÜRGEN (Hrsg.): Multikulturalität: Tendenzen, Probleme, Perspektiven im europäischen und internationalen Horizont. Tübingen 1995.

[KIMMICH 2012] KIMMICH, DOROTHEE (Hrsg.): Kulturen in Bewegung: Beiträge zur Theorie und Praxis der Transkulturalität. Bielefeld 2012.

[KING 1999] KING, CATHERINE: View of Difference: Different Views of Art. London 1999.

[KLEIN 2007] KLEIN, ANNE: Flüchtlingspolitik und Flüchtlingshilfe 1940-1942: Varian Fry und die Komi- tees zur Rettung politisch Verfolgter in New York und Marseille. Berlin 2007.

[KOOTZ 1941] KOOTZ, SAMUEL: „Brief an die New York Times”. In: New York Times, 10. August 1941, Sektion 9: 7.

[KRIEGER 2006] KRIEGER, VERENA: Metamorphosen der Liebe. Kunstwissenschaftliche Studien zu Eros und Geschlecht im Surrealismus. Münster 2006.

[LAHUERTA 1999] LAHUERTA, JUAN JOSÉ: Decir ANTI es decir PRO. Escenas de la vanguardia en Espana. Museo de Teruel. Teruel 1999.

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203 VII LITERATURVERZEICHNIS

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[ZIMMERMANN 2006] ZIMMERMANN, ANJA (Hrsg.): Kunstgeschichte und Gender. Berlin 2006.

204 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

VIII Abbildungsverzeichnis

1. WIFREDO LAM: La Jungla 1942-43, (42.12), Öl auf vorbearbeitetes Papier, 294,4 x 229,9 cm, Sammlung Museum of Modern Art New York, New York. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

2. WIFREDO LAM: Les Noces 1947, (47.53), Öl auf Leinwand, 216 x 200 cm, Sammlung Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

3. WIFREDO LAM: El tercer mundo 1965-66, (66.11), Öl auf Leinwand, 251 x 300 cm, Sammlung Museo de Bellas Artes, Havanna. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

4. WIFREDO LAM: Les Abalochas dansent por Dhambala, dieu de l'unité 1970, (70.72), Öl auf Leinwand, 213 x 244 cm, Privatsammlung, Aspen (United States). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

5. WIFREDO LAM: Figure ca. 1948, (48.17), Öl auf Leinwand, 183 x 216 cm, Sammlung des Museo Nacional de Bellas Artes, Havanna. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

6. WIFREDO LAM: Je suis 1949, (49.04), Öl auf Leinwand, 125 x 108 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

7. LAM, 1914. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

8. MANTONICA WILSON, LAMs Kinderfrau, 1900. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

9. WIFREDO LAM und EVA PIRIZ in Madrid, 1927. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

10. LAM mit Freunden aus dem Militär, 1936. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

11. LAM und HELENA HOLZER in Marseille, 1940. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

12. LAM, LOU LAURIN und ihre Söhne TIMOUR und ESKIL vor dem Bild Umbral in Stockholm, 1967. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

205 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

13. Umbral 1950, (50.48), Öl auf Leinwand, 185 x 170 cm, Sammlung Musée National d' Art Moderne, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

14. LAM und JORN im Hof des Keramikstudios von San Giorgio, Albisola, 1958. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

15. Einladung zur Ausstellung “Drawings by Picasso and Guaches by Wifredo Lam” in der Perls Gallery, New York, 1939. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

16. Villa Air Bel, Marseille, 1941: ÓSCAR DOMÍNGUEZ, HELENA HOLZER und ein Freund von DOMÍNGUEZ, LAM, ANDRÉ BRETON, JACQUES HÉROLD, HENRIETTE GOMEZ. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

17. Cadavre exquis von ANDRÉ BRETON, JACQUELINE LAMBA und LAM, Privatsammlung Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

18. WIFREDO LAM: Einzelblatt aus Fata Morgana, 1941. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

19. Cover zu Retorno al pais natal von AIMÉ CÉSAIRE. Sowie Poster zur Ausstellung in der Pierre Matisse Gallery, New York 1942. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

20. ANDRÉ BRETON, LAM, PIERRE MABILLE in der Ausstellung im Centre d' Art, Port-au-Prince, 1946. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

21. ALEJO CARPENTIER, ERIC KLEIBER und LAM in Havanna, 1942. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

22. GRETA GLOGAU, SILVIA LUZZATO, HELENA HOLZER, CARLOS RIGAUDIAS, LAM und PIERRE LOEB in Havanna, 1942. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

23. Poster zum XXIIIe Salon de Mai in Paris 1967. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

24. Arbeiten am Mural „Cuba Colectiva“, 1967. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

25. LAM vor „Cuba Colectiva“ im Kubanischen Pavillon, 1967. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

26. WIFREDO LAM: Doña Teresa Jiménez Heras de Carretero 1931. (31.08), Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, Privatsammlung, Madrid. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

206 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

27. WIFREDO LAM: Composition (Les Trois Oranges) 1940, (40.33), Tempera auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 189 x 149 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

28. WIFREDO LAM: La Réunion (Groupe) 1942, (42.101), Tempera auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 180 x 120 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

29. WIFREDO LAM: Le Mariage 1942, (42.121), Tempera auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 192 x 124 cm, Sammlung G. Van Zuylen, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

30. WIFREDO LAM: Le Présent éternel (Hommage à Alejandro Garcia Caturla) 1944, (44.04), Öl auf Leinwand, 213,9 x 196,9 cm, Sammlung Museum of Art, Rhode Island School of Design, Providence (United States). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

31. WIFREDO LAM: Harpe Astrale (Harpe Cardinale) 1944, (44.58), Öl auf Leinwand, 210 x 190 cm, Sammlung Baron B. Urvater, Brüssel. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013

32. WIFREDO LAM: Le Sombre Malembo, Dieu du carrefour 1943, (43.06), Öl auf Leinwand, 153 x 126,4 cm, Sammlung B. und I. Rudman, Santo Domingo. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

33. WIFREDO LAM: Bélial, empereur des mouches 1948, (48.11), Öl auf Leinwand, 216 x 200 cm, Privatsammlung, Turin (Italien). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

34. WIFREDO LAM: Arpas cardinales (Les Visiteurs Nénomita) 1948-1957, (48.16), Öl und Kreide auf Leinwand, 212 x 196,2 cm, Sammlung The Menil Collection, Houston (United States). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

35. WIFREDO LAM: Grande Composition 1949, (49.11), Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 291 x 421 cm, Sammlung Baron B. Urvater, Brüssel. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

36. WIFREDO LAM: Tropique du Capricorne 1961, (61.01), Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung Sonja Henie, Niels Onstad Foundacion, Høvikkoden (Norwegen). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

37. WIFREDO LAM: Les Enfants sans âme 1964, (64.18), Öl auf Leinwand, 210 x 250 cm, Sammlung Musées Royaux des Beaux Arts de Belgique, Brüssel. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

207 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

38. WIFREDO LAM: Le Corps et l'âme 1966, (66.13), Öl auf Leinwand, 147 x 215 cm, Privatsammlung (Belgien). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

39. WIFREDO LAM: Sans titre 1937, (37.32), Gouache auf Papier, 130 x 84 cm, Sammlung M.-A. and M. Capriles, Caracas. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

40. WIFREDO LAM: Figure assise 1938, (38.26), Tempera auf Papier auf Leinwand, 123 x 94 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

41. WIFREDO LAM: Sans titre 1939, (39.15), Gouache auf Leinwand, 27,7 x 21,5 cm, Privatsammlung, Châtillon (Frankreich). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013

42. WIFREDO LAM: Sans titre 1939, (39.13), Öl auf Holz, 29 x 22 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

43. LAM in seinem Wohnzimmer in Albisola Mare, im Hintergrund das Bild: Les Abalochas dansant pour Dhambala, dieu de l'unité, ca. 1974, Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

44. WIFREDO LAM: Madame Lumumba 1938, (38.32), Gouache auf Papier, 64,5 x 49,5 cm, Privatsammlung, Châtillon (Frankreich). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

45. LAM in Paris 1940 in seinem Atelier in der 6, rue Armand-Moisant. Detail einer Fotografie von MARC VAUX. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

46. CIMIER JANIFORME EJAGHAM (Nigeria oder Camerun). Reproduktion aus Masques africaines (1931) von CHARLES RATTON. © Aus: Lam métis. Musée Dapper, 26. September 2001 - 20. Januar 2002, Paris 2001: 79.

47. WIFREDO LAM: Figure 1938, (38.81), Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 64 x 48 cm, Sammlung Dr. A. Passare, Mailand. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

48. WIFREDO LAM: Figure totémique 1938, (38.77), Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 100 x 70 cm, Privatsammlung, Mailand. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

49. WIFREDO LAM: Couple 1940, (40.30), Gouache auf Papier, 93 x 78 cm, Privatsammlung, Como (Italien). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

208 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

50. WIFREDO LAM: Homme-femme 1942, (42.78), Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 105 x 83 cm, Privatsammlung, Como (Italien). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

51. WIFREDO LAM: Femme 1942, (42.43), Guache auf Papier, 103 x 79 cm, Sammlung M.-A. und M. Capriles, Caracas. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

52. WIFREDO LAM: Lisamona 1950, (50.10), Öl auf Leinwand, 130 x 97 cm, Sammlung S.M. Greenbaum, Goffstown (USA), Ausleihe an das Museum of Modern Art of Latin America, Washington DC. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

53. WIFREDO LAM: La Finacée 1950, (50.06), Öl auf Leinwand, 105 x 84 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

54. WIFREDO LAM: Personnage 1972, (72.161), Öl auf Leinwand, 55 x 45,7 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

55. WIFREDO LAM: Ta propre vie 1942, (42.75), Gouache auf Papier, 105,4 x 86,4 cm, Privatsammlung, Washington DC. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

56. WIFREDO LAM: Sans titre 1942, (42.01), Gouache auf Papier, Maße unbekannt, Privatbesitz, USA. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

57. WIFREDO LAM: Lumière d'argile ca. 1950, (50.42), Öl auf Leinwand, 177,5 x 216,5 cm, Sammlung des Museo de Bellas Artes, Caracas. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

58. WIFREDO LAM: Grande Composition 1960, (60.06), Öl auf Leinwand, 213 x 208 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

59. WIFREDO LAM: Fruits tropicaux 1969, (69.57), Öl auf Leinwand, 116 x 89 cm, Privatsammlung, Lausanne. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

60. Éleguá, afrokubanische Gottheit der Wege. Privatsammlung. Fotografie. © Archives musée Dapper – Foto HUGHES DUBOIS.

61. WIFREDO LAM: Rites secrets 1950, (50.51), Öl auf Leinwand, 155 x 110 cm, Sammlung H. H. Benitez, Saarbrücken. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

209 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

62. WIFREDO LAM: Clairvoyance 1950, (50.56), Öl auf Leinwand, 239 x 253 cm, Sammlung Musée Boymans van Beuningen, Rotterdam. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

63. WIFREDO LAM: Sans titre 1942, (42.35), Gouache auf Leinwand, 46,5 x 34,2 cm, Privatsammlung, Madrid. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

64. WIFREDO LAM: Le Parade antillaise 1945, (45.27), Öl auf Leinwand, 125,5 x 110 cm, Privatsammlung, Miami. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

65. WIFREDO LAM: Notre nuit 1962, (62.15), Öl auf Leinwand, 105 x 90 cm, Collection D. Brach, New York. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

66. WIFREDO LAM: Sans titre 1965, (65.07), Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, Besitz nicht bekannt. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

67. WIFREDO LAM: Les Amis, II 1972, (72.144), Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

68. WIFREDO LAM: Mofumbe (Ce qui importe) 1943, (43.22), Öl auf Leinwand, 184,2 x 128,3 cm, Ort unbekannt. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

69. WIFREDO LAM: Omi Obini 1943, (43.23), Öl auf Leinwand, 178 x 126 cm, Privatsammlung, Santo Domingo. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

70. WIFREDO LAM: Buen retiro 1944, (44.48), Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 93,5 x 73,5 cm, Sammlung J.-J. Lebel, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

71. PICASSO, PABLO: Les Demoiselles d' Avignon 1907/08. Öl auf Leinwand, 244 x 238 cm, Museum of Modern Art (MoMA), New York. © Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

72. Einladung zur Ausstellung in der Galerie Pierre, Paris, 1939. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

73. LAM vor La Jungla und La mañana verde, 1943. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

74. LAM vor Les Noces, 1947. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

75. LAM vor Le Présent éternel und Alofi Incana, Havanna 1947. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

210 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

76. LAM in seinem Studio in Albisola Mare, ca. 1970. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

77. LAM und seine Sammlung afrikanischer und ozeanischer Kunst, Albisola Mare, 1977. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

78. WIFREDO LAM: Le Guerrier I 1947, (47.52), Öl auf Leinwand, 107 x 84 cm, Sammlung Galerie Lelong, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

79. LAM arbeitet im Museo Nacional de Bellas Artes Havanna an El tercer mundo, 1966. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

80. Studio San Giorgio, Albisola Mare, 1975. Fotografie. © ESKIL LAM, mit freundlicher Genehmigung.

81. WIFREDO LAM: Abalocha 1964, (64.05), Öl auf Leinwand, 120 x 100 cm, Galleria Gissi, Turin (Italien). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

82. WIFREDO LAM: Reflects de Dhambala 1968, (68.13), Öl auf Leinwand, 97 x 130 cm, Galerie , Genf (Schweiz). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

83. WIFREDO LAM: Horizons chauds 1968, (68.17), Öl auf Leinwand, 79 x 130 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

84. WIFREDO LAM: Adam et Ève 1969, (69.11), Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung Yokohama Museum of Art, Yokohama (Japan). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

85. WIFREDO LAM: Les Invités 1966, (66.09), Öl auf Leinwand, 210 x 250 cm, Galerie Lelong, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

86. WIFREDO LAM: La Toussaint 1966, (66.06), Öl auf Leinwand, 210 x 250 cm, Privatbesitz, Brüssel. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

87. FRANCISCO DE GOYA: Die Gräfin von Chinchón 1800. Öl auf Leinwand, 226 x 144 cm, Museo del Prado, Madrid.

88. WIFREDO LAM: Porträt 1927, (27.20), Öl auf Leinwand, 97 x 85 cm, Privatsammlung, Cuenca (Spanien). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

89. WIFREDO LAM: Mme Azpiazu 1941, (41.03), Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 105 x 80 cm, Privatsammlung, Miami. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

211 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

90. WIFREDO LAM: Nu assis, I 1939, (39.43), Gouache auf Papier, 105 x 75 cm, Galerie Albert Loeb, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

91. WIFREDO LAM: Esquisse pour la Chilienne 1939, (39.50), Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 100 x 68 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

92. WIFREDO LAM: Sans titre ca. 1947, (47.49), Öl auf Leinwand, alle weiteren Angaben sind unbekannt. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

93. WIFREDO LAM: La Fiancée de Kiriwina 1949, (49.01), Öl auf Leinwand, 128 x 113,5 cm, Sammlung Foundation Marguerite et Aimé Maeght, Saint-Paul-de-Vence (Frankreich). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

94. WIFREDO LAM: Femme avec un oiseau 1949, (49.06), Öl auf Leinwand, 127 x 111 cm, Privatsammlung, Havanna. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

95. WIFREDO LAM: Femme assise 1955, (55.10), Öl auf Leinwand, 130,8 x 97,7 cm, Sammlung Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington DC. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

96. WIFREDO LAM: Entre cinq et six heures 1961, (61.03), Öl auf Leinwand, 127 x 110 cm, Sammlung Sprengel Museum, Hannover. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

97. WIFREDO LAM: Le bien arrivé ca. 1974, (74.72), Öl auf Leinwand, 92 x 72,5 cm, Privatsammlung, Mailand. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

98. WIFREDO LAM: Mujer con pájaro 1955, (55.07), Öl auf Leinwand, 73,2 x 59,8 cm, Privatsammlung, Miami. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

99. WIFREDO LAM: Le Merchand d'oiseaux, I 1962, (62.27), Öl auf Leinwand, 130 x 98 cm, Sammlung des Stedellijk Van Abbe Museum, Eindhoven (Niederlande). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

100. WIFREDO LAM: Maternidad 1930, (30.03), Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, Privatsammlung, Caracas. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

101. WIFREDO LAM: Composición, I 1930, (30.02), Öl auf Leinwand, 80 x 75 cm, Privatsammlung, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

212 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

102. WIFREDO LAM: Composición, II 1931, (31.01), Öl auf Leinwand, 76 x 70 cm, Sammlung M.-A. und M. Capriles, Caracas. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

103. WIFREDO LAM: Sans titre 1937, (37.03), Gouache auf Papier, 49 x 40 cm, Privatsammlung, Barcelona. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

104. WIFREDO LAM: Sans titre 1937, (37.05), Gouache auf Papier, 70 x 55 cm, Privatsammlung, Barcelona. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

105. WIFREDO LAM: Ibaye 1950, (50.20), Öl auf Leinwand, 104 x 87,6 cm, Sammlung der Tate Gallery, London. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

106. WIFREDO LAM: Maternité, III ca. 1952, (52.01), Öl auf Leinwand, 180 x 125 cm, Sammlung des Museo de Bellas Artes, Havanna. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

107. FRANZISCO DE GOYA: Die nackte Maya 1789-1805. Öl auf Leinwand, 97 x 190 cm, Museo del Prado, Madrid.

108. WIFREDO LAM: Nu 1926, (26.05), Öl auf Leinwand, 65 x 70 cm, Privatsammlung, Barcelona. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

109. WIFREDO LAM: Doble desnudo, II 1937, (37.37), Pastel und Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 97 x 119 cm, Privatsammlung, Miami. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

110. WIFREDO LAM: Doble desnudo, III 1937, (37.39), Gouache auf Papier, 9 x 11cm, Privatsammlung, Barcelona. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

111. WIFREDO LAM: Figures 1938, (38.13), Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 107 x 127 cm, Privatsammlung, Castelldeféls (Spanien). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

112. Zeichnung aus dem Brief von LAM an BALBINA BARRERA, ca. 1938. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

113. WIFREDO LAM: À trois centimètres de la terre 1962, (62.33), Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung A. Frailberger, Neuilly (Frankreich). © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

114. WIFREDO LAM: Léda et le cygne 1947, (47.22), Öl auf Leinwand, 150 x 150 cm, Privatsammlung, Caracas. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

213 VIII ABBILDUNGSVERZEICHNIS

115. WIFREDO LAM: Point de départ 1950, (50.52), Öl auf Leinwand, 124 x 155 cm, Sammlung F. Boulakia, Paris. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

116. WIFREDO LAM: Sans titre ca. 1959, (59.06), Maße und Verbleib unbekannt. © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

214 Abbildungen

215 1. WIFREDO LAM: La Jungla 1942-43. Öl auf vorbearbeitetes Papier, 294,4 x 229,9 cm, Sammlung Museum of Modern Art New York, New York, (42.12).

216 2. WIFREDO LAM: Les Noces 1947. Öl auf Leinwand, 216 x 200 cm, Sammlung Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin, (47.53).

217 3. WIFREDO LAM: El tercer mundo 1965-66. Öl auf Leinwand, 251 x 300 cm, Sammlung Museo de Bellas Artes, Havanna, (66.11).

218 4. WIFREDO LAM: Les Abalochas dansent por Dhambala, dieu de l ´unité 1970. Öl auf Leinwand, 213 x 244 cm, Privatsammlung, Aspen (United States), (70.72).

219 5. WIFREDO LAM: Figure ca. 1948. Öl auf Leinwand, 183 x 216 cm, Sammlung des Museo Nacional de Bellas Artes, Havanna, (48.17).

220 6. WIFREDO LAM: Je suis 1949. Öl auf Leinwand, 125 x 108 cm, Privatsammlung, Paris, (49.04).

221 7. LAM, 1914. 8. MANTONICA WILSON, LAMs Kinderfrau, 1900.

9. WIFREDO LAM und EVA PIRIZ 10. LAM mit Freunden aus dem Militär, in Madrid 1927. 1936.

222 11. LAM und HELENA HOLZER 12. LAM, LOU LAURIN und ihre in Marseille, 1940. Söhne TIMOUR und ESKIL vor dem Bild Umbral in Stockholm 1967.

13. WIFREDO LAM: Umbral 1950. Öl auf Leinwand, 185 x 170 cm, Sammlung Musée National d´Art Moderne, Paris, (50.48).

223 14. LAM und JORN im Hof des Keramik 15. Einladung zur Ausstellung in der Perls Studios von San Giorgio, Albisola, 1958. Gallery, New York 1939.

16. Villa Air Bel, Marseille, 1941: OSCAR DOMINGUEZ, HELENA HOLZER und ein Freund von DOMINGUEZ, LAM, ANDRÉ BRETON, JACQUES HÉROLD, HENRIETTE GOMEZ.

224 17. Cadavre exquis von ANDRÉ BRETON, JACQUELINE LAMBA und LAM, Privatsammlung Paris.

18. Einzelblatt aus Fata Morgana, 1941. 19. Cover zu Retorno al pais natal von AIMÉ CÉSAIRE. sowie Poster zur Ausstellung in der Pierre Matisse Gallery, New York 1942.

225 20. ANDRÉ BRETON, LAM, PIERRE MABILLE 21. ALEJO CARPENTIER, ERIC KLEIBER und LAM in Havanna, 1942. in der Ausstellung im Centre d´Art, Port-au-Prince, 1946.

22. GRETA GLOGAU, SILVIA LUZZATO, HELENA HOLZER, CARLOS RIGAUDIAS, LAM und PIERRE LOEB in Havanna, 1942.

226 23. Poster zum XXIIIe Salon de Mai 24. Arbeiten am Mural Cuba Colectiva, in Paris 1967. 1967. Unten: LAM und CASTRO.

25. LAM vor Cuba Colectiva im Kubanischen Pavillon, 1967.

227 26. WIFREDO LAM: Doña Teresa Jiménez Heras de Carretero 1931. Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, Privatsammlung, Madrid, (31.08).

Erneut 18. Einzelblatt aus Fata Morgana, 1941.

228 27. WIFREDO LAM: Composition (Les Trois Oranges) 1940. Tempera auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 189 x 149 cm, Privatsammlung, Paris, (40.33).

28. WIFREDO LAM: La Réunion (Groupe) 1942. 29. WIFREDO LAM: Le Mariage 1942. Tempera auf Papier, auf Leinwand Tempera auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 180 x 120 cm, aufgezogen, 192 x 124 cm, Privatsammlung, Paris, (42.101). Sammlung G. Van Zuylen, Paris, (42.121).

229 Erneut 1. WIFREDO LAM: La Jungla 1943.

30. WIFREDO LAM: Le Présent éternel (Hommage à Alejandro Garcia Caturla) 1944. Öl auf Leinwand, 213,9 x 196,9 cm, Sammlung Museum of Art, Rhode Island School of Design, Providence (United States),(44.04).

31. WIFREDO LAM: Harpe Astrale (Harpe Cardinale) 1944. Öl auf Leinwand, 210 x 190 cm, Sammlung Baron B. Urvater, Brüssel, (44.58).

230 32. WIFREDO LAM: Le Sombre Malembo, Dieu du carrefour 1943. Öl auf Leinwand, 153 x 126,4 cm, Sammlung B. und I. Rudman, Santo Domingo, (43.06).

231 Erneut 2. WIFREDO LAM: Les Noces 1947.

33. WIFREDO LAM: Bélial, empereur des 34. WIFREDO LAM: Arpas cardinales mouches 1948. Öl auf Leinwand, (Les Visiteurs Nénomita) 1948-1957. 216 x 200 cm, Privatsammlung, Turin Öl und Kreide auf Leinwand, (Italien), (48.11). 212 x 196,2 cm, Sammlung The Menil Collection, Houston (United States), (48.16).

232 35. WIFREDO LAM: Grande Composition 1949. Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 291 x 421 cm, Sammlung Baron B. Urvater, Brüssel, (49.11).

36. WIFREDO LAM Tropique du Capricorne 1961. Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung Sonja Henie, Niels Onstad Foundacion, Høvikkoden (Norwegen), (61.01).

233 37. WIFREDO LAM: Les enfants sans âme 1964. Öl auf Leinwand, 210 x 250 cm, Sammlung Musées Royaux des Beaux Arts de Belgique, Brüssel, (64.18).

Erneut 3. WIFREDO LAM: El tercer mundo 1965-66.

234 38. WIFREDO LAM: Le Corps et l´âme 1966. Öl auf Leinwand, 147 x 215 cm, Privatsammlung (Belgien), (66.13).

Erneut 4. WIFREDO LAM: Les Abalochas dansent pour Dhambala, dieu de l´unité, 1970.

235 39. WIFREDO LAM: Sans titre 1937. Gouache auf Papier, 130 x 84 cm, Sammlung M.-A. and M. Capriles, Caracas, (37.32).

40. WIFREDO LAM: Figure assise 1938. Tempera auf Papier auf Leinwand, 123 x 94 cm, Privatsammlung, Paris, (38.26).

236 41. WIFREDO LAM: Sans titre 1939. 42. WIFREDO LAM: Sans titre 1939. Öl auf Holz, 29 x 22 cm, Gouache auf Leinwand, 27,7 x 21,5 cm, Privatsammlung, Paris, (39.13). Privatsammlung, Châtillon (Frankreich), (39.15).

43. LAM in seinem Wohnzimmer in Albisola Mare, im Hintergrund das Bild Les Abalochas dansant pour Dhambala, ca. 1974.

237 44. WIFREDO LAM: Madame Lumumba 1938. Gouache auf Papier, 64,5 x 49,5 cm, Privatsammlung, Châtillon (Frankreich), (38.32).

45. LAM in Paris 1940 in seinem Atelier in 46. CIMIER JANIFORME EJAGHAM der 6, rue Armand-Moisant. Detail einer (Nigeria oder Camerun). Reproduktion aus Fotografie von MARC VAUX. Masques africaines (1931) von CHARLES RATTON.

238 47. WIFREDO LAM: Figure 1938 48. WIFREDO LAM: Figure totémique Gouache auf Papier, auf Leinwand 1938. Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 64 x 48 cm, aufgezogen, 100 x 70 cm, Privatsammlung Sammlung Dr. A. Passare, Mailand, Mailand, (38.77). (38.81).

49. WIFREDO LAM: Couple 1940. Gouache auf Papier, 93 x 78 cm, Privatsammlung, Como (Italien), (40.30).

239 Erneut 27. Erneut 28. WIFREDO LAM: Composition WIFREDO LAM: La Réunion (Groupe) (Les Trois Oranges), 1940. 1942.

Erneut 29. WIFREDO LAM: Le Mariage 1942.

240 50. WIFREDO LAM: Homme-femme 1942. 51. WIFREDO LAM: Femme 1942. Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, Guache auf Papier, 103 x 79 cm, 105 x 83 cm, Privatsammlung, Sammlung M.-A. und M. Capriles, Como (Italien), (42.78). Caracas, (42.43).

52. WIFREDO LAM: Lisamona 1950. Öl auf Leinwand, 130 x 97 cm, Sammlung S.M. Greenbaum, Goffstown (USA), Ausleihe an das Museum of Modern Art of Latin America, Washington DC, (50.10).

241 53. WIFREDO LAM: La Finacée 1950. 54. WIFREDO LAM: Personnage 1972. Öl auf Leinwand, 105 x 84 cm, Öl auf Leinwand, 55 x 45,7 cm, Privatsammlung, Paris, (50.06). Privatsammlung, Paris, (72.161).

Erneut 49. WIFREDO LAM: Couple 1940.

242 Erneut 1. WIFREDO LAM: Erneut 31. WIFREDO LAM: La Jungla 1943. Harpe Astrale 1944.

55. WIFREDO LAM: Ta propre vie, 1942. Gouache auf Papier, 105,4 x 86,4 cm, Privatsammlung, Washington DC, (42.75).

243 Erneut 31. WIFREDO LAM: 56. WIFREDO LAM: Sans titre 1942. Harpe Astrale 1944. Gouache auf Papier, Maße unbekannt, Privatbesitz USA, (42.01).

Erneut 2 WIFREDO LAM: Les Noces 1947.

244 57. WIFREDO LAM: Lumière d`argile ca. 1950. Öl auf Leinwand, 177,5 x 216,5 cm, Sammlung des Museo de Bellas Artes, Caracas, (50.42).

58. WIFREDO LAM: Grande Composition 1960. Öl auf Leinwand, 213 x 208 cm, Privatsammlung, Paris, (60.06).

245 Erneut 37. WIFREDO LAM: Les enfants sans âme 1964.

59. WIFREDO LAM: Fruits tropicaux 1969. Öl auf Leinwand, 116 x 89 cm, Privatsammlung, Lausanne, (69.57).

246 Éleguá, afrokubanische Gottheit. Erneut 33. WIFREDO LAM: o.J. Privatsammlung. Éleguá, Bélial, empereur des mouches 1948. afrokubanische Gottheit.

61. WIFREDO LAM: Rites secrets 1950. Öl auf Leinwand, 155 x 110 cm, Sammlung H.H. Benitez, Saarbrücken, (50.51).

247 62. WIFREDO LAM: Clairvoyance 1950. Öl auf Leinwand, 239 x 253 cm, Sammlung Musée Boymans van Beuningen, Rotterdam, (50.56).

63. WIFREDO LAM: Sans titre ca. 1947. Öl auf Leinwand, alle anderen Angaben sind unbekannt, (47.49).

248 64. WIFREDO LAM: Le Parade antillaise 1945. Öl auf Leinwand, 125,5 x 110 cm, Privatsammlung, Miami, (45.27).

65. WIFREDO LAM: Notre nuit 1962. Öl auf Leinwand, 105 x 90 cm, Collection D. Brach, New York, (62.15).

66. WIFREDO LAM: Sans titre 1965. Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, Besitz nicht bekannt, (65.07).

249 67. WIFREDO LAM: Erneut 32. WIFREDO LAM: Les Amis, II 1972. Öl auf Leinwand, Le Sombre Malembo, Dieu du 60 x 50 cm, Privatsammlung, Paris, (72.144). carrefour 1943.

68. WIFREDO LAM: 69. WIFREDO LAM: Mofumbe (Ce qui importe) 1943. Omi Obini 1943. Öl auf Leinwand, 184,2 x 128,3 cm, Öl auf Leinwand, 178 x 126 cm, Ort unbekannt, (43.22). Privatsammlung, Santo Domingo, (43.23).

250 Erneut 30. WIFREDO LAM: Le Présent éternel 1944.

70. WIFREDO LAM: Buen retiro 1944. Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 93,5 x 73,5 cm, Sammlung J.-J.- Lebel, Paris, (44.48).

Erneut 31. WIFREDO LAM: Erneut 33. WIFREDO LAM: Harpe Astrale 1944. Bélial, empereur des mouches 1948.

251 71. PABLO PICASSO: Les Demoiselles d´Avignon 1907/08. Öl auf Leinwand, 244 x 238 cm, Museum of Modern Art (MoMA), New York.

252 72. Einladung zur Ausstellung in der Galerie Pierre, Paris, 1939.

Erneut 15. Einladung zur Ausstellung in der Perls Gallery, New York, 1939.

Erneut 19. Cover zu Retorno al pais natal von AIMÉ CÉSAIRE. sowie Poster zur Ausstellung in der Pierre Matisse Gallery, New York 1942.

253 Erneut 45. LAM in Paris 1940 in seinem Atelier in der 6, rue Armand-Moisant. Detail einer Fotografie von MARC VAUX.

73. LAM vor La Jungla und La mañana verde, 1943.

254 74. LAM vor Les Noces, 1947.

75. LAM vor Le Présent éternel und Alofi Incana, Havanna 1947.

255 76. LAM in seinem Studio in Albisola Mare, ca. 1970.

77. LAM inmitten seiner Sammlung afrikanischer und ozeanischer Kunst, Albisola 1977.

256 Erneut 43. LAM in seinem Wohnzimmer in Albisola Mare, im Hintergrund das Bild Les Abalochas dansant pour Dhambala, ca. 1974.

257 Erneut 1. WIFREDO LAM: Erneut 73. La Jungla 1942-43. LAM vor La Jungla und La mañana verde, 1943.

Erneut 71. PABLO PICASSO: Erneut 49. WIFREDO LAM: Couple 1940. Les Demoiselles d´Avignon 1907/08.

258 Erneut 2. WIFREDO LAM: 74. LAM vor Les Noces, 1947. Les Noces 1947.

Erneut 30. WIFREDO LAM: 75. Lam vor Le Présent éternel Le Présent éternel 1944. und AlofiI ncana, Havanna.

259 Erneut 31. WIFREDO LAM: Erneut 18. WIFREDO LAM: Harpe Astrale (Harpe Cardinale) 1944. Einzelblatt aus Fata Morgana, 1941.

78. WIFREDO LAM: Le Guerrier I 1947. Öl auf Leinwand, 107 x 84 cm, Galerie Lelong, Paris, (47.52).

260 Erneut 3. WIFREDO LAM: El tercer mundo 1965-66.

79. LAM arbeitet im Museo de Bellas Artes Havanna an El tercer mundo, 1966.

Erneut 5. WIFREDO LAM: Figure ca. 1948.

261 Erneut 23. Poster zum XXIIIe Salon de Mai in Paris 1967.

Erneut. 24. Colectiva, 1967. Unten: LAM und CASTRO Arbeiten am Mural Cuba.

Erneut 25. LAM vor Cuba Colectiva im Kubanischen Pavillon, 1967.

262 80. Studio San Giorgio, Albisola Mare, 1975.

Erneut 4. WIFREDO LAM: 81. WIFREDO LAM: Abalocha 1964. Les Abalochas dansent por Öl auf Leinwand,. 120 x 100 cm, Galleria Dhambala, dieu de l ´unité 1970. Gissi, Turin (Italien), (64.05).

263 82. WIFREDO LAM: Reflects de Dhambala 1968. Öl auf Leinwand, 97 x 130 cm, Galerie Jan Krugier, Genf (Schweiz), (68.13).

83. WIFREDO LAM: Horizons chauds 1968. Öl auf Leinwand, 79 x 130 cm, Privatsammlung, Paris, (68.17).

84. WIFREDO LAM: Adam et Ève 1969. Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung Yokohama Museum of Art, Yokohama (Japan), (69.11).

264 85. WIFREDO LAM: Les Invités 1966. Öl auf Leinwand, 210 x 250 cm, Galerie Lelong, Paris, (66.09).

86. WIFREDO LAM:La Toussaint 1966. Öl auf Leinwand, 210 X 250 cm, Privatbesitz, Brüssel, (66.06).

Erneut 5. WIFREDO LAM: Figure ca. 1948.

265 Erneut 6. WIFREDO LAM: 87. FRANCISCO DE GOYA: Je suis 1949. Die Gräfin von Chinchón 1800. Öl auf Leinwand, 226 x 144 cm, Museo del Prado, Madrid.

88. WIFREDO LAM: Porträt 1927. Erneut 26. WIFREDO LAM: Doña Teresa Öl auf Leinwand, 97 x 85 cm, Jiménez Heras de Carretero 1931. Privatsammlung, Cuenca (Spanien), (27.20).

266 89. WIFREDO LAM: Mme Azpiazu 1941. Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 105 x 80 cm, Privatsammlung, Miami, (41.03).

90. WIFREDO LAM: Nu assis, I 1939. 91. WIFREDO LAM: Esquisse pour Gouache auf Papier, 105 x 75 cm, la Chilienne 1939. Galerie Albert Loeb, Paris, (39.43). Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 100 x 68 cm, Privatsammlung, Paris, (39.50).

267 92. WIFREDO LAM: Sans titre ca. 1947. 93. WIFREDO LAM: La Fiancée de Kiriwina Öl auf Leinwand, alle anderen 1949. Öl auf Leinwand, 128 x 113,5 cm, Angaben sind unbekannt, (47.49). Sammlung Foundation Marguerite et Aimé Maeght, Saint-Paul-de-Vence (Frankreich), (49.01).

94. WIFREDO LAM: Femme avec un oiseau 95. WIFREDO LAM: Femme assise 1955. 1949. Öl auf Leinwand, 127 x 111 cm, Öl auf Leinwand, 130,8 x 97,7 cm, Privatsammlung, Havanna, (49.06). Sammlung Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington DC, (55.10).

268 96. WIFREDO LAM: Entre cinq et six heures 97. WIFREDO LAM: Le bien arrivé, 1961. Öl auf Leinwand, 127 x 110 cm, ca. 1974. Öl auf Leinwand, 92 x 72,5 cm, Sammlung Sprengel Museum, Privatsammlung, Mailand, (74.72). Hannover, (61.03).

98. WIFREDO LAM: Mujer con pájaro 1955. Öl auf Leinwand, 73,2 x 59,8 cm, Privatsammlung, Miami, (55.07).

269 99. WIFREDO LAM: Le Merchand d´oiseaux, I 1962. Öl auf Leinwand, 130 x 98 cm, Sammlung des Stedellijk Van Abbe Museum, Eindhoven (Niederlande), (62.27).

100. WIFREDO LAM: Maternidad 1930. Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, Privatsammlung, Caracas, (30.03).

101. WIFREDO LAM: Composición, I 1930. 102. WIFREDO LAM: Composición, II 1931. Öl auf Leinwand, 80 x 75 cm, Öl auf Leinwand, 76 x 70 cm, Privatsammlung, Paris, (30.02). Sammlung M.-A. und M. Capriles, Caracas, (31.01).

270 103. WIFREDO LAM: Sans titre 1937. 104. WIFREDO LAM: Sans titre 1937. Gouache auf Papier, 49 x 40 cm, Gouache auf Papier, 70 x 55 cm, Privatsammlung, Barcelona, (37.03). Privatsammlung, Barcelona, (37.05).

105. WIFREDO LAM: Ibaye 1950. 106. WIFREDO LAM: Maternité, III ca. 1952. Öl auf Leinwand, 104 x 87,6 cm, Öl auf Leinwand, 180 x 125 cm, Sammlung der Tate Gallery, Sammlung des Museo de Bellas Artes, London, (50.20). Havanna, (52.01).

271 Erneut 58. WIFREDO LAM: Erneut 37. WIFREDO LAM: Grande Composition 1960. Les enfants sans âme 1964.

Erneut 97. WIFREDO LAM: Erneut 5. WIFREDO LAM: Le bien arrivé, ca. 1974. Figure ca. 1948

272 107. FRANZISCO DE GOYA: Die nackte Maya 1789-1805. Öl auf Leinwand, 97 x 190 cm, Museo del Prado, Madrid.

108. WIFREDO LAM: Nu 1926. Öl auf Leinwand, 65 x 70 cm, Privatsammlung, Barcelona, (26.05).

273 109. WIFREDO LAM: Doble desnudo, II 1937. Pastel und Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 97 x 119 cm, Privatsammlung, Miami, (37.37).

110. WIFREDO LAM: Doble desnudo, III 1937. Gouache auf Papier, 9 x 11cm, Privatsammlung, Barcelona, (37.39).

274 111. WIFREDO LAM: Figures 1938. Gouache auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 107 x 127 cm, Privatsammlung, Castell-Deféls (Spanien), (38.13).

112. WIFREDO LAM: Zeichnung aus dem Brief von LAM an BALBINA BARRERA. ca. 1938.

275 Erneut 30. WIFREDO LAM: Erneut 2. WIFREDO LAM: Le Présent éternel (Hommage à Alejandro Les Noces 1947. Garcia Caturla) 1944.

113. WIFREDO LAM: À trois centimètres de la terre 1962. Öl auf Leinwand, 146 x 218 cm, Sammlung A. Frailberger, Neuilly (Frankreich), (62.33).

276 114. WIFREDO LAM: Léda et le cygne 1947. Öl auf Leinwand, 150 x 150 cm, Privatsammlung, Caracas, (47.22).

115. WIFREDO LAM: Point de départ 1950. Öl auf Leinwand, 124 x 155 cm, Sammlung F. Boulakia, Paris, (50.52).

277 Erneut 62. WIFREDO LAM: Clairvoyance 1950.

116. WIFREDO LAM: Sans titre ca. 1959. Maße und Verbleib unbekannt, (59.06).

Erneut 36. WIFREDO LAM: Tropique du Capricorne 1961.

278 Erneut 113. WIFREDO LAM: À trois centimètres de la terre 1962.

Erneut 3. WIFREDO LAM: El tercer mundo 1965-66.

Erneut 38. WIFREDO LAM: Le Corps et l´âme 1966.

279 Erneut 4. WIFREDO LAM: Les Abalochas dansent por Dhambala, dieu de l ´unité 1970.

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