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Notizen zur Hamburger 16. Ausgabe, Nov. 2017 Rotkreuzgeschichte

Newsletter des DRK Landesverbandes Hamburg e. V. „Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. “

Richard von Weizäcker (1920 - 2015) Bundespräsident BRD 1984-1994

Liebe Rotkreuzfreundinnen und -freunde, liebe an Hamburgs Rotkreuzgeschichte Interessierte,

1933 begann eines des dunkelsten Kapitel der Geschichte des Roten Kreuzes in Hamburg und in Deutschland insgesamt - die Geschichte unserer Organisation im Nationalsozialis- mus. Begann die enge organisatorische und später auch personelle Vernetzung mit den neu- en Machtstrukturen und Machthabern auch bereits 1933, so wurde sie endgültig mit dem Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz von 1937 besiegelt. Das Rote Kreuz wurde nunmehr in mehr oder weniger jeglicher Hinsicht gleichgeschaltet. Die vorliegende Ausgabe beschäf- tigt sich vorrangig mit den organisatorischen Veränderungen jener Jahre zur Erreichung die- ses Ziels, aber auch mit Haltungen von Rotkreuzverantwortlichen, die anhand von Zitaten veranschaulicht werden. Sich diesem Kapitel der eigenen Geschichte zu stellen heißt auch zuzugestehen, dass es - wenn überhaupt - nur vereinzelt und dann eher zaghaften Wider- stand im Verband gegen diese Entwicklung gegeben hat, sondern diese vielmehr in großen Teilen auch auf Seiten des Roten Kreuzes begrüßt wurde. Um so mehr sind diese Erfahrun- Dr. Volkmar Schön gen aus der eigenen Geschichte auch heute noch Ermahnung und Ansporn, die Grundsätze Konventionsbeauftragter der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung nicht nur zu kennen, sie strikt anzuwenden son- des DRK Landesverbandes dern auch jederzeit und überall aktiv für sie einzutreten. Hamburg e. V. Ihr

Themenübersicht Das Rote Kreuz im Nationalsozialismus und das DRK-Gesetz von 1937

„Ein Wunder hat Parole: „Gemeinnutz Vorwort Seite 1 Deutschland 1933 geht vor Eigennutz“, erlebt. Gott hat uns begrüßen es jubelnd, Das Rote Kreuz im Nationalsozialismus und Seite 1 den Führer daß unsere Arbeit im das DRK-Gesetz von 1937 gesandt, um den dritten Reich mit den wir in tiefster und Worten: „Das Rote Hamburg im National- bitterster Not Kreuz ist ein Bau- Seite 6 sozialismus jahrelang gefleht stein im lebendigen haben. Dieser, Gefüge unseres Präsidium Babelsberg Seite 8 , hat Volkes“, „Dienst im uns vom Abgrunde Roten Kreuz ist Dammtorstraße 14-15 Seite 9 des Verderbens Dienst für Volk und zurückgerissen; er Vaterland“, voll aner- Dr. Isaac Wolffson Seite 10 hat Deutschland kannt wird.“ neugemacht, in- Hans-Ernst Tietzen Seite 10 dem er alles Faule, Und weiter heißt es Rotkreuzmuseum Morsche, alle Kor- an anderer Stelle: Seite 11 Schlangen ruption hinwegge- fegt und ihm seine Rotkreuz Haus- und Straßensammlung „Nach der knappen Rotes Kreuz in Deutsch- Ehre und Selbst- 1936 Darstellung der Seite 11 land und Antisemitismus, achtung wieder ge- äußeren Eingriffe in schenkt und uns zu einer Volksge- der Entwicklung unserer Organisation meinschaft zusammengefügt hat. müssen wir noch kurz der inneren Literaturtipp Seite 13 Umstellung gedenken. Sie in Worte zu Impressum Seite 14 Wir von der Sanitätskolonne, deren fassen, ist nicht leicht, denn der Natio- Arbeit wahrer Nationalsozialismus von nalsozialismus ist ein Gefühl, eine jeher gewesen ist im Sinne der von unserem Führer ausgegebenen (Fortsetzung auf Seite 2) Seite 2

Willensergreifung, eine Weltanschau- eins, vormals Hamburgischer Landes- Damit wurde einerseits der Fortbe- ung, ja, eine Religion. Die Umstellung verein, für 1933/1934 spricht uneinge- stand des DRK auch im nationalsozia- fiel uns aber nicht schwer, denn, wie schränkte Begeisterung für die neuen listischen Staat gesichert, andererseits vorher schon zum Ausdruck kam: Sie Machthaber: „Mit dem 30. Januar das Rote Kreuz dem Einfluss der Nati- lag uns nahe.“ 1933 fand die Sehnsucht aller Deut- onalsozialisten weit geöffnet. schen, die ihr Volk und Vaterland über Mit dieser Meinung, wiedergegeben in alles setzten, die Erfüllung. Aus Kurze Zeit später wurde dann auch mit der Festschrift zum 50jährigen Jubilä- banger Not und Sorge brach die jun- der ersten grundlegenden Umgestal- um der Hamburger Kolonne vom ge, stürmende Gewalt der deutschen tung der DRK-Satzung begonnen. In Roten Kreuz vom 26. Januar 1934, Revolution hervor. Dumpfe Verzweif- den durch eine außerordentliche stand Carl Sauer, der Vorsitzende der lung ward von freudiger Hoffnung und Mitgliederversammlung im Frühjahr Hamburger Kolonne, nicht allein im hoffnungsfroher Belebung verdrängt. 1933 beschlossenen Leitsätzen für die Roten Kreuz, schon gar nicht im Be- Viel verkannt und gelästert in früheren neue Satzung wurden folgende Krite- reich der Sanitätskolonnen. Zeiten, sah auch das Rote Kreuz sei- rien genannt: „Die straffere Zusam- ne tiefsten, innigsten Wünsche der menfassung unter Führung des Präsi- Ein Großteil der Sanitätskolonnen war Erfüllung entgegenreisen, Wünsche, denten; die Anwendung des Führer- von den Kriegervereinen Ende des die einerseits dem treuen, vaterlands- prinzips in allen Gliederungen; die Hin- 19./Anfang des 20. Jahrhunderts ge- liebenden Dienst galten, andererseits wendung zu den Ursprungsaufgaben gründet worden. Die als Schmach der betreuenden Fürsorge für be- des Roten Kreuzes, das zur Erfüllung empfundene Niederlage des Ersten drängte Volksgenossen. Das Rote der Verpflichtungen aus der Genfer Weltkriegs und die auferlegte De- Kreuz sah in der Bewegung der deut- Konvention in erster Linie berufen ist, militarisierung Deutschlands hatte schen Revolution sein Streben in un- ohne daß die Aufgaben der Friedens- viele Angehörige der Kolonnen in eine geahntem Maße verwirklicht, die natio- arbeit bei den Männer- und Frauen- Sinnkrise gestürzt. Zwar hatten die nale Ehre und die soziale Treue waren organisationen etwa darunter leiden Kolonnen auch schon von Anbeginn nun der Wille eines ganzen Volkes dürfen.“ Gerade der letzte Halbsatz an Friedensaufgaben, wie die Erste geworden.“ war für die Frauenverbände im Roten Hilfe bei Unglücksfällen, Krankenbeför- Kreuz wichtig. Fürchteten Sie doch - derung und den öffentlichen Sanitäts- Dabei war den Betroffenen nicht be- nicht zu Unrecht, wie sich später her- dienst, zu erfüllen. Aber letztendlich wusst, dass die Nationalsozialisten ausstellte - die Gefahr, dass die karita- ging es ihnen im Kern immer darum, dem Roten Kreuz vor dessen Umfor- tiven Aufgaben aus dem Roten Kreuz sich auf den Einsatz im Krieg gemäß mung und Gleichschaltung nicht so herausgelöst werden könnten. Eine der Genfer Konvention vorzubereiten. offen und positiv gegenüberstanden, Reihe von Verbänden plante vor die- Dieser Aufgabe entzog der Versailler wie von ihnen erwartet. Im April 1933 sem Hintergrund bereits, trotz Drohun- Vertrag die Grundlagen. Daher hoffte beschwerte sich gar der ansonsten zur gen das Rote Kreuz zu verlassen. man in den Sanitätskolonnen, durch Anpassung durchaus bereite die neuen Machthaber zur alten Rolle Präsident des Deutschen Roten Aber noch sollte einer Verunsicherung und Stärke zurückzufinden. Kreuzes, Joachim von Winterfeld- entgegengewirkt werden. Auf der Menkin, beim Reichspräsidenten Hin- außerordentlichen Mitgliederver- Auch aus dem Jahresbericht des denburg - dem Schirmherrn des DRK - sammlung des Roten Kreuzes am Hamburgischen Landesmännerver- über die Übergriffe durch Parteiorgani- 8. Juni 1933 erklärte daher Reichs- sationen der Nationalsozialisten. Ende innenminister Frick u.a.: „Alte und des Monats fand daraufhin ein Junge, Mütter und Kinder sind der Ge- Gespräch des DRK-Präsidenten mit genstand unserer täglichen Fürsorge. dem Reichsinnenminister statt, der Das Rote Kreuz sucht Notstände zu dann am 15. Mai auf Antrag der beseitigen, sucht Schwache stark zu Reichsleitung der NSDAP und im Ein- machen und Kranke gesunden zu las- verständnis mit Winterfeld-Menkin den sen. Es arbeitet deshalb schon mit den damaligen Chef des Sanitätswesens Schulkindern im Jugendrotkreuz, um der SA, Generaloberstabsarzt a.D. Dr. sie den Weg zu Gesundheit, Frohsinn Paul Hocheisen, zu seinem Beauftrag- und Kameradschaft zu führen... In die- ten beim Kommissar der freiwilligen sem Geiste ist das Deutsche Rote Krankenpflege ernannte - allerdings Kreuz ein Baustein im lebendigen Ge- blieb nach Winterfeld-Menkin die füge unseres Volkes, und Dienst für „ernsteste Würdigung“ und die das Rote Kreuz ist Dienst für Volk und Existenz sichernde Bestätigung des Vaterland.“ DRK durch das neue Regime einst- weilen noch aus. Der Präsident gab Am nächsten Tag waren im die Anregung des Innenministers wei- „Völkischen Beobachter“ die Zwi- ter, überall dort, wo noch nicht ge- schenergebnisse der Beratungen zur schehen, Mitglieder der NSDAP zu neuen Satzung des DRK zu lesen. bitten, in die Vorstände Roten Kreuzes Nach Paul Hocheisen war man sich einzutreten (Rundschreiben von Win- u.a. darüber einig, terfeld-Menkin Nr. 241 vom 18. Mai Joachim von Winterfeld-Menkin, DRK- 1933). (Fortsetzung auf Seite 3) Präsident 1921-1933 Seite 3

• die Grundsätze der NSDAP bezüg- sation, Tätigkeit und Finanzverwaltung Im Folgejahr nahmen die Auseinan- lich der arischen Rassenabstam- blieben erhalten. Das Führerprinzip dersetzungen des DRK mit der mung für alle Funktionärspositio- hingegen wurde durchgesetzt. Fortan NS-Volkswohlfahrt und der nen zu übernehmen, wurden die Präsidenten der Landes- NS-Frauenschaft zu. Die vereine nicht NS-Volkswohlfahrt beanspruchte die • den Kolonnen- mehr gewählt Führungsrolle in der Wohlfahrtspflege angehörigen sondern vom in Deutschland. Ferner wurde eine und den Präsidenten des NS-Schwesternschaft aufgebaut, der Schwestern das Deutschen Roten durch eine Anordnung des Amtes für Tragen des Kreuzes auf vier Volkswohlfahrt vom März 1934 erheb- NSDAP- Jahre ernannt, liche Privilegien eingeräumt wurden. Parteiabzei- sie selbst er- Zudem versuchte man einen Einfluss chens an der nannten die Vor- der NS-Frauenschaft bei der Be- Dienstbeklei- sitzenden der setzung von Vorstandspositionen in dung zu gestat- ihnen nachgeord- den Rotkreuz-Frauenvereinen und ihre ten, neten Vereine. Interessen bei der Gründung von neu- Für die Betreu- en Ortsgruppen der Frauenvereine • in alle Vorstän- ung einer Reihe durchzusetzen. Im Juli 1934 erfolgte de vom Beauf- von Aufgabenge- dann die seit längerem gewünschte tragten des bieten wie Bereit- Verfügung des Stellvertreters von Reichsinnenmi- schaftsdienst und Adolf Hitler, Rudolf Heß. Danach wur- nisteriums be- Schwesternwe- de das Deutsche Rote Kreuz als not- nannte Natio- sen konnte der wendiger Bestandteil des nationalsozi- nalsozialisten Präsident alistischen Staates anerkannt, die Mit- zu wählen, Reichsverwalter arbeit von Parteigenossinnen und - benennen. Aber genossen an der Rotkreuzarbeit als • dass die Sani- noch hatten die wünschenswert und notwendig be- tätskolonnen Feindseligkeiten zeichnet und selbstständige Eingriffe mit dem Sani- gegenüber dem in dessen Organisation und Beschrän- Einheitliche DRK-Dienstkleidung tätsdienst von Roten Kreuz an- kungen seiner Tätigkeit durch Partei- SA und SS zusammenarbeiten, gehalten, so dass der Reichsinnenmi- stellen verboten. Gleichzeitig machte nister mit einem Rundschreiben vom Heß jedoch deutlich, dass die Partei • über die Nutzung des DRK- 7. November 1933 versuchte, die das Rote Kreuz auch weiterhin be- Zentraldepots durch die Sanitäts- Gauleiter und Reichsstatthalter anzu- obachten werde. Am 1. September dienste von SA und SS (die bald weisen, die Angriffe gegen das Rote 1934 übernahm Adolf Hitler die danach auch die Erlaubnis erhiel- Kreuz einzustellen und das Rote Schirmherrschaft über das Deutsche ten, den Amtlichen Sanitätsdienst Kreuz zu unterstützen - eine Weisung Rote Kreuz. bei öffentlichen Notständen und bei mit nur mäßigem Erfolg. inneren Unruhen zu unterstützen In den folgenden Jahren folgte eine und dadurch das Rote Kreuz auf immer stärkere Einbindung in und weißem Grund als Schutzzeichen Ausrichtung auf die Interessen des führen durften) nationalsozialistischen Staates.

• über die Übernahme des ASB un- Mit Wiedereinführung der allgemeinen ter nationalsozialistische Leitung Wehrpflicht durch das Gesetz vom 16. und Überführung in das DRK. März 1935 wurde die praktische Tätig- keit der Sanitätskolonnen im täglichen Gleichzeitig versuchte Hocheisen den Rettungsdienst, Straßenhilfsdienst, Parteimitgliedern zu verdeutlichen, Hilfsdienst bei Unglücksfällen und im warum das Deutsche Rote Kreuz kei- Sicherheitsdienst bei großen Aufzügen ne Parteigliederung sein und werden nach Aussagen des Reichsverwalters könne. für den Bereitschaftsdienst und die Sanitätskolonnen, Generalstabsarzt Die angekündigte neue Satzung trat a.D. Weineck, jetzt unter dem Blick- am 29. November 1933 in Kraft. Die winkel „Schule für den Ernstfall“ gese- Dominanz der „Ursprungsaufgabe“ hen. des Roten Kreuzes, also der Mitwir- kung im amtlichen bzw. militärischen Der Verband der Mutterhäuser vom Sanitätsdienst, kam bereits in der Prä- Roten Kreuz - nicht das Mutterhaus- ambel zum Ausdruck. Aber noch blie- system als solches - wurde 1935 auf- ben die Landesvereine - vergleichbar gelöst und durch die den weiterhin bestehenden Ländern - „Schwesternschaft des Deutschen eigene Rechtspersönlichkeiten; Plakat, NS VOLKSWOHLFAHRT Selbstständigkeit hinsichtlich Organi- (Fortsetzung auf Seite 4) Seite 4

Roten Kreuzes e.V.“ mit dem Reichs- weite Sicht hinaus das Richtige ist. verwalter für das Schwesternwesen an Und auch wenn wir manches vielleicht der Spitze ersetzt; die einzelnen nicht ganz verstehen können, werden Schwesternschaften wurden selbst- wir uns voll Vertrauen in unsere Füh- ständige Rechtspersonen und somit rung in das fügen, was von uns ver- endgültig aus den Frauenvereinen langt wird. So werden wir auch das herausgelöst. Wenn auch die Schwes- Tischgebet, an dem wir bisher noch ternschaften selbst diese neue Unab- festgehalten haben, nicht mehr spre- hängigkeit zunächst begrüßten, so chen. Ich … bitte Sie nun nur noch zeigten sich doch auch bei Ihnen bald einmal, eingedenk zu sein, dass nie- Änderungen, die eher resignierend mandem durch diese Änderung die hingenommen wurden. So waren die persönliche religiöse Freiheit genom- Rotkreuzschwesternschaften einer- men ist und dass das die Hauptsache seits konfessionell ungebunden, pfleg- ist.“ ten aber gleichwohl christliche Traditio- nen wie die Abhaltung von Gottes- Die verbleibende Arbeit der Frauen- diensten, Abendandachten und Tisch- vereine wurde zunehmend auf die gebeten. Diese Tradition wurde jedoch Ausbildung weiblicher Hilfskräfte für im Laufe der NS-Zeit untersagt. So den Amtlichen Sanitätsdienst reduziert findet sich in den Unterlagen der und auch deren Organisationsstruktur Kolonennachwuchs, ehemals JRK Schwesternschaft Hamburg folgende durch Ernennung von Landesleiterin- Bekanntmachung von Pfingsten 1942: nen und Kreis-Gruppenleiterinnen im Verboten wurden ab 1936 zudem eige- Januar 1935 im Sinne des ne Rotkreuzsammlungen, das DRK Nationalsozialismus ge- erhielt nur noch - allerdings unzu- strafft. Ab dem 1. Oktober reichende - Mittel aus den Sammlun- 1935 durften weibliche gen des Winterhilfswerks. Hilfskräfte des Deutschen Roten Kreuzes im Alter von Den letzten Schritt der Gleichschaltung 18-21 Jahren nur noch vollzogen die nationalsozialistischen unter den Mitgliedern des Machthaber mit dem Gesetz über das nationalsozialistischen Deutsche Rote Kreuz vom 9. Dezem- Bundes Deutscher Mädel ber 1937 und der darauf aufbauenden (BDM) ausgebildet und neuen Satzung vom 27. Dezember verpflichtet werden. 1937.

Aufmarsch weiblicher Bereitschaftsmitglieder Das Abkommen des DRK Damit erhielt das DRK einen eigenen, mit der Reichsjugendfüh- spezifischen Rechtsstatus im Reich. „Wir haben nun, nachdem wir unseren rung vom 1. Oktober 1935 regelte zu- Die Aufsicht oblag letztendlich dem alten Betsaal aufgeben mussten, seit dem, Reichsinnenminister, der Wehrmacht Jahren unsere Abendandachten hier und der Partei. Präsident blieb der seit im Wohnzimmer [des Mutterhauses] • dass in Zukunft der gesamte Nach- 1934 amtierende überzeugte National- halten können und ich habe immer wuchs des Deutschen Roten Kreu- sozialist Carl Eduard Herzog von wieder gesehen, dass eine gute An- zes ausschließlich durch die Hitler Sachsen-Coburg und Gotha, zum ge- zahl Schwestern, darunter auch gera- Jugend (HJ) sicherzustellen sei schäftsführenden Präsidenten ernann- de die Jungen, daran teilgenommen und sich die Weiterführung eigener te Hitler den Reichsarzt-SS, haben. Nun muss ich Ihnen heute sa- Jugendgruppen des DRK damit gen, dass wir unsere Andachten jetzt erübrige, einstellen müssen und ich möchte Sie bitten, das mit ruhiger Überlegung zu • die in den Jugendgruppen des verstehen. Unsere Andachten sollten DRK befindlichen Jugendlichen der Gemeinschaft der Schwestern unter 18 Jahren, die noch nicht der dienen und taten es früher selbstver- HJ angehören, bei Eignung zum ständlich. Wir wissen aber wohl … 30.6.1936 in diese zu überführen dass der Erziehung der neuen Zeit seien, folgend, die kommende Jugend sich mehr und mehr dem kirchlichen • das DRK zur Ergänzung seines Brauchtum abwendet. Nun ist es so, Nachwuchses alljährlich seinen dass aber die Andachten, die nicht Bedarf bis zum 30. Juni bei der mehr der gesamten Gemeinschaft Reichsjugendführung anzumelden dienen, jetzt nicht mehr gehalten wer- habe. den sollen. Wir sind uns doch alle ei- Carl Eduard von Sachsen Coburg und Go- nig, dass wir einmütig hinter unserer Damit war das Jugendrotkreuz faktisch tha, DRK-Präsident 1933-1945 Führung stehen, die wissen muss, aufgelöst. was im Sinne des Ganzen und auf (Fortsetzung auf Seite 5) Seite 5

Dr. Ernst-Robert Grawitz. An die Stelle Kommissars der freiwilli- der historisch gewachsenen Landes- gen Krankenpflege und vereine sowie der vielfältigen Vereins- somit zuständig für die struktur mit Männer- und Frauenverei- Unterstützung des militäri- nen traten Landesstellenbereiche, die schen Sanitätsdienstes sich mit den fünfzehn Wehrkreisen der waren. Die Leiter der Wehrmacht deckten. Auf jeder regio- Kreisstellen - meist de- nalen Ebene gab es ab jetzt nur noch ckungsgleich mit den eine zuständige Rotkreuzstelle. Land- bzw. Stadtkreisen - wurden auf Vorschlag der Landesführer und mit Zu- stimmung der Gauleiter Abzeichen aus der NS-Zeit der NSDAP ernannt. Die praktische In das Abzeichen des Deutschen Ro- Arbeit wurde von Kreis- ten Kreuzes mit dem Reichsadler war und Ortsgemeinschaften ab 1934 das Hakenkreuz eingefügt wahrgenommen. Jeder worden, mit der Satzung von 1937 in Kreisbereich war ver- der veränderten Form, nach der die pflichtet, mindestens eine Fänge des Adlers den Mittelbalken männliche und eine weib- des Kreuzes hielten und das verklei- liche Bereitschaft aufzu- nerte Rote Kreuz insgesamt von den stellen. Die Schwestern Flügeln umschlossen wurde. Schon vom Roten Kreuz blieben vorher, seit dem 1. Mai 1933, war an Grawitz erläutert die Organisationsstruktur des DRK in den errichteten den Kolonnenhäusern neben der Rot- Schwesternschaften zu- kreuzfahne und der schwarz-weiß- Die Aufgaben des DRK wurden auf die sammengefasst. roten Fahne die Hakenkreuzflagge zu Vorbereitung für den und den Einsatz hissen. im Krieg reduziert. An Friedensaufga- Die für den Rotkreuzdienst vorgesehe- ben blieben lediglich die im Kern als nen Männer und Frauen hatten gemäß Veränderungen in der Hamburger Rot- Übungsfeld für den Kriegsfall angese- der Satzung vom 24. Dezember 1937, kreuzwelt henen wie die Angehörigen der Wehrmacht, einen Eid abzulegen: „Ich schwöre Die neue DRK-Satzung vom Novem- • Hilfeleistungen bei öffentlichen Treue dem Führer des Deutschen Rei- ber 1933 wurde in Hamburg mit Wir- Notständen und bei Unglücken zu ches und Volkes Adolf Hitler. Ich gelo- kung vom 2. März 1934 umgesetzt. Landes und zu Wasser, be Gehorsam und Pflichterfüllung in Der Landesverein trug jetzt den Na- der Arbeit des Deutschen Roten Kreu- men „Deutsches Rotes Kreuz, Ham- • Dienst an der Gesundheitspflege zes nach den Befehlen meiner Vorge- burgischer Landesmännerverein“. Die des deutschen Volkes und die setzten. So wahr mir Gott helfe.“ Be- Satzung sah eine künftig engere Zu- reits ab dem Sommer 1933 war man sammenarbeit zwischen dem Männer- • Fürsorge für Kriegsgefange- und dem Frauenverein, wie

ne und Kriegsbeschädigte national gefordert, vor. Statt im Krieg. des Vorstandes gab es jetzt einen Verwaltungsrat, dessen Ausdrücklich ausgeschlossen Vorsitz, nachdem Louis Sanne blieb der Bereich der Kriegs- sein Amt zur Verfügung gestellt wohlfahrtspflege, der wie die hatte, am 26. Mai 1934 der gesamte bisher seitens der Oberarzt Dr. Hans-Ernst Frauenvereine wahrgenomme- Tietzen als Präsident über- ne Wohlfahrtsarbeit der NS- nahm. DRK-Inspektor wurde Volkswohlfahrt überantwortet 1935 Generalstabsarzt Dr. wurde. Damit hatte das DRK Kersting. Im selben Jahr wurde sowohl seinen eigenen Jugend- der „Gauärzteführer“ und SS- verband als auch seine Stellung Arzt Professor Dr. Willy Holz- als Spitzenverband der freien mann Mitglied des Verwal- Wohlfahrtspflege eingebüßt. tungsrates. Er leitete in Perso- Vereidigung in der Musikhalle nalunion das Hauptamt für Die Landesführer wurden vom dazu übergegangen, bei den Sanitäts- Volksgesundheit und das Rassen- Präsidenten des DRK ernannt und kolonnen den sogenannten Hitlergruß politische Amt der NSDAP in Ham- hatten ihre Landesstelle nach dessen einzuführen; auch Briefe innerhalb des burg. Ein Jahr später wurde seine Weisungen zu führen. Unterstützt wur- Rotkreuzschriftverkehrs wurden nun- Frau Anni Holzmann Vorsitzende des den sie durch Inspektoren des Roten mehr in der Regel mit „Heil Hitler“ un- Kreuzes, die zugleich Beauftragte des terschrieben. (Fortsetzung auf Seite 6) Seite 6

Landesfrauenvereins und gehörte da- übergeben. mit ebenfalls dem Verwaltungsrat an. Beim Ham- Beide waren überzeugte Nationalsozi- burger Ro- alisten und Antisemiten. ten Kreuz verblieb aus Aufgrund neuer Mustersatzungen er- diesen Auf- folgte 1935 auch bei den Sanitäts- gaben- kolonnen eine Umbenennung, in der feldern le- neben der Zugehörigkeit zum DRK diglich die gleichzeitig die räumliche Zuständig- Kranken- keit zum Ausdruck kam. Aus der Ham- hausfür- burger Kolonne vom Roten Kreuz wur- sorge. de Deutsches Rotes Kreuz, Kreis- Männerverein Hamburg-West, aus Neu ent- dem Verband Hamburg der Genos- stand die senschaft freiwilliger Krankenpfleger Landesstel- der DRK-Kreis-Männerverein Ham- le X als Zu- burg-Südost und aus der Kolonne für sammen- Barmbek, Uhlenhorst und Umgegend schluss der der DRK-Kreis-Männerverein Ham- Rotkreuz- burg-Ost. vereine von Hamburg, Mit dem Gesetz über das Deutsche Oldenburg- Rote Kreuz und der darauf folgenden Bremen, aus Teilen von - burger Stadtgebietes wurden zehn mit Satzung vom Ende des Jahres 1937 Lübeck, aus denen der preußischen den Hamburger Wehrkreisen identi- war auch in Hamburg die neue Rot- Provinz Schleswig-Holstein und denen sche NSDAP-Kreisstellen gebildet, kreuzstruktur umzusetzen. Zum aus den nördlichen Teilen der preußi- deren Leiter ab Januar 1938 zugleich 1. April 1938 waren endgültig alle Ge- schen Provinz Hannover. Innerhalb als Führer der räumlich identischen meindepflegestationen und Kinder- des mit dem Groß-Hamburg-Gesetz DRK-Kreisstellen fungierten. ▀ tagesstätten der NS-Volkswohlfahrt zu von 1937 erheblich vergrößerten Ham-

Unser Hamburg damals

Hamburg im Nationalsozialismus

Am 30. Januar 1933 ernannte Reichs- verhaftet. Bereits zwei präsident Hindenburg Adolf Hitler zum Tage vorher waren Reichskanzler. Unverzüglich machten die SPD-Senatoren sich die Nationalsozialisten daran, den im Hamburger Senat Staat strukturell und inhaltlich auf die aufgrund der neue Ideologie auszurichten. Drohungen von Reichsinnenminister Die letzte vorausgegangene Bürger- Frick zurückgetreten. schaftswahl vom 24. April 1932 hatte Nachdem dann die den Nationalsozialisten zwar 51 der Nationalsozialisten 180 Sitze, aber damit noch längst nicht bei der Reichstags- die Mehrheit beschert. Zunächst wur- wahl am 5. März den nach dem Reichstagsbrand und 43,9%, in Hamburg der darauf folgenden Reichstags- jedoch nur 38,8%, brandverordnung vom 28. Februar erzielt hatten, besetz- 1933 die 26 Abgeordneten der ten nach Schließung Kommunistischen Partei in der Ham- der Wahllokale SA- burgischen Bürgerschaft ausgeschal- Einheiten das Ham- Sitzung der Hamburger Bürgerschaft am 10.05.1933 mit tet, denen nunmehr die Verhaftung burger Rathaus und „Saalschutz“ durch SA-Männer drohte und die daher nicht mehr zu hissten die Haken- Am 8. März 1933 wurde daraufhin eine den Sitzungen erscheinen wollten. kreuzflagge. In den nächsten beiden Koalition von NSDAP, DStP, DVP und Doch auch der Druck auf die Sozial- Tagen traten auch der bürgerliche, DNVP gebildet, die über 81 der 160 demokraten, mit 49 Abgeordneten fast schwer kranke Bürgermeister Carl Wil- Mandate in der Hamburgischen gleichstark wie die NSDAP in der helm Petersen (Deutsche Staatspartei) Bürgerschaft, also die denkbar Bürgerschaft vertreten, nahm stetig zu und der ebenfalls bürgerliche Senator - am 5. März wurden auch hier die Paul de Chapeaurouge von der (Fortsetzung auf Seite 7) ersten Abgeordneten trotz Immunität Deutschen Volkspartei zurück. Seite 7 knappste Mehrheit verfügte. Diese Sitzung dauert noch knapp 30 Minuten 1935 wird Hamburg die Zuständigkeit Koalition wählte mit 84 bzw. 79 - Diskussionen sind nicht gestattet, für die Justiz entzogen und dem Stimmen einen neuen, aus zwölf NSDAP-Anträge gelten als angenom- Reichsjustizministerium unterstellt. In Personen bestehenden Senat, was men, andere sind nicht zugelassen. der zweiten Jahreshälfte 1936 wird rechnerisch nur möglich war, weil die Die letzte Sitzung der Bürgerschaft vor Reichsstatthalter Kaufmann von Hitler kommunistischen Abgeordneten nicht Ende der nationalsozialistischen mit der direkten Führung der Landes- mehr dabei waren. Dieser neue Senat Herrschaft findet am 28. Juni 1933 regierung beauftragt, bei Krogmann bestand zur Hälfte aus Mitgliedern der statt, inzwischen sind auch die Sozial- verbleibt lediglich die Zuständigkeit für NSDAP oder von der Partei Benann- demokraten aufgrund eines die Gemeindeverwaltung. Der Senat ten. Der Senat wählte dann Carl Betätigungsverbotes durch den hat nur noch beratende Funktion, es Vincent Krogmann, zur damaligen Zeit Reichsinnenminister vom 21. Juni aus- finden keine offiziellen Senatssitzun- noch nicht Mitglied der NSDAP aber geschlossen (am 14. Juli wird die Par- gen mehr statt, die Senatoren werden bei der Zeremonie in SA-Uniform auf- tei ganz verboten). Die anderen Partei- faktisch zu politischen Beamten. Mit tretend, zum 1. Bürgermeister. en werden in diesen Wochen aufgefor- dem Gesetz über Verfassung und Ver- dert oder gezwungen, waltung der Hansestadt Hamburg vom

sich aufzulösen, die 9. Dezember 1937 fällt per 1. April Gruppierung des Stahl- 1938 der Senat ersatzlos weg, auch helm schließt sich der wenn die bisherigen Senatsmitglieder SA an. ihre Senatorentitel behalten dürfen. Neu eingeführt wird die Funktion des Gleichzeitig mit dem Ratsherrn. Dazu heißt es in dem strukturellen Umbau Gesetz lediglich: Die Zahl der Rats- zur Diktatur wird das herren beträgt 45; Aufgaben und System der Verfolgung Funktion werden jedoch nicht näher Andersdenkender aus- beschrieben. Die staatliche Verwal- gebaut. Unverzüglich tung liegt nunmehr gänzlich beim wird die Hamburger Reich, Hamburgs Stellung als selbst- Staatspolizei von nicht ständiges Land im Reich wird abge- NS-loyalen Beamten schafft. „gesäubert“ und ein Hitler zu Besuch in Hamburg Sonderkommando ge- Bereits am 26. Januar 1937 war per bildet. Im März und 1. April auf Ebene des Reiches das Aufgrund des 1. Gesetzes zur Gleich- April werden 1.200 Personen - zumin- Großhamburg-Gesetz erlassen schaltung der Länder mit dem Reich dest kurzfristig - in Schutzhaft ge- worden. Mit ihm wurden große Teile vom 31. März 1933 wird der Senat von nommen, d.h., sie werden ohne rich- Preußens, die Stadtkreise Altona, Har- der Bürgerschaft unabhängig und kann terlichen Beschluss ggf. für unbe- burg-Wilhelmsburg und Wandsbek eigenständig Gesetze und den Haus- grenzte Zeit verhaftet. Im November sowie verschiedene kleinere Gemein- halt beschließen. Gleichzeitig wird die 1933 erfolgt die Unterstellung der den, nach Hamburg eingemeindet, Bürgerschaft verkleinert, indem deren Hamburger Staatspolizei unter den während nur kleinere Verluste wie Abgeordnetenzahl um die der ehemals Reichsführer SS, Cuxhaven und kommunistischen Abgeordneten ver- . Geesthacht kleinert wird und sie wird durch Über- Ab 1936 werden aus dem tragung des Ergebnisses der Reichs- auch die restlichen ehemaligen tagswahlen auf die Zusammensetzung Polizeieinheiten Hamburger der Bürgerschaft umgebildet. Mit dem dem Reich unter- Staatsgebiet zu 2. Gleichschaltungsgesetz werden in stellt. verzeichnen Deutschland die Reichsstatthalter ein- waren. Auf- geführt, dem in Hamburg Staat und Im September grund dieses Stadt unterstellt werden. Dieser ist 1933 wird in Ham- Gesetzes ver- dem Senat gegenüber zwar zunächst burg das Landes- größerte sich nicht weisungsbefugt, kann aber verwaltungsgesetz das Stadtgebiet Senatoren benennen und entlassen erlassen. Jetzt ist von 415 auf und ist für die Ausfertigung der der Erste Bürger- 755 km², die Gesetze zuständig. Der 1. Bürger- meister, inzwischen Zahl der Ein- meister ist jetzt formal der Stellvertre- mit der Bezeich- wohner stieg ter des Reichsstatthaltern. Am 16. Mai nung Regierender von 1,19 auf 1933 wird Karl Kaufmann, gleichzeitig Bürgermeister, 1,68 Millionen Leiter des NSDAP-Gaus Hamburg, gegenüber den an. ▀ zum Reichsstatthalter für Hamburg Senatoren berufen. weisungsbefugt. Der Senat wird auf Die drei Bürgerschaftssitzungen nach fünf Senatoren und dem 2. Gleichschaltungsgesetz einen Staatssekre- werden zur reinen Farce. Die zweite tär verkleinert. Wappen Hamburgs im Nationalsozialismus Seite 8

Orte der Rotkreuzbewegung

Präsidium Babelsberg

1896 beschloss Sitz des DRK-Präsidiums bereits offizi- das Zentralko- ell nach Potsdam-Babelberg verlegt mitee des Preu- worden, bis zur Fertigstellung musste ßischen Lan- dieses jedoch provisorisch in den Ge- desvereins vom bäuden des Hauptlagers sowie mehre- Roten Kreuz, ren Berliner Häusern unterkommen. nahe des noch Für das alte Präsidialgebäude in jungen Villen- lag der Räumungstermin bereits bei viertels Neuba- Mitte März jenes Jahres. belsberg ein Depot zur Un- Bei dem Bau handelt es sich um eine terbringung mo- dreiflügelige Anlage von 196 Metern biler Lazarettba- Länge. Den Hauptbau bildet ein 136 m racken zu er- langer, dreigeschossiger Mitteltrakt, an richten. Der den sich quer zur Hauptachse zwei zuständige zweigeschossige Seitenflügel an- Forstfiskus war schließen. In der Mitte befindet sich bereit, ein ge- ein massiver Portalvorbau mit einem eignetes Gelän- obligatorischen „Führerbalkon“, dar- de auf die Dau- über war einst das neu festgelegte er von 40 Jah- DRK-Emblem mit nach rechts blicken- ren als Pacht dem Adler, Hakenkreuz auf dessen zur Verfügung DRK Präsidialgebäude am 20.04.1943 Brust und Rotem Kreuz in seinen Fän- zu stellen. Zwei gen angebracht. Jahre später konnte der Betrieb aufge- für Neubabelsberg in räumlicher An- nommen werden. Im Laufe der Zeit lehnung an das Hauptlager, das zum Nach Auffassung des geschäftsführen- erfolgten bauliche Erweiterungen, so „Mittelpunkt für alle Beschaffungs- und den Präsidenten des DRK, des dass das Zentraldepot des Roten Ausrüstungsmaßnahmen sämtlicher Reichsarztes der SS Dr. Ernst-Robert Kreuzes 1923 aus zwei Wohn- und DRK-Bereitschaften und Schwestern- Grawitz, war der Anspruch, dass das Verwaltungsgebäuden, fünf Lager- schaften “ (siehe Felix Grüneisen) aus- Gebäude „ der großen stolzen Tradition schuppen, einer Werkstatt, einem Des- gebaut wurde . Da in unmittelbarer des Deutschen Roten Kreuzes sicht- infektions- und einem Stallgebäude Nähe zudem die Errichtung eines neu- baren Ausdruck“ verleihen und „ den bestand. es Kulturzentrums mit einem Willen des neuen Deutschen Roten „deutschen Hollywood“ als Filmstadt Kreuzes im Deutschland Adolf Hitlers“ In der Zeit des Nationalsozialismus im Kern entstehen sollte, war auch ausdrücken solle. erfolgte die Umbenennung in DRK- Repräsentationsgründen Genüge ge- Hauptlager, das, gelegen in unmittel- tan. Zwar traf am 9. März 1944 eine barer Nähe des Bahnhofs Babelsberg- Fliegerbombe der alliierten Luftstreit- Ufastadt (heute Griebnitzsee), über Während das Projekt Filmstadt auf- kräfte auch das DRK-Hauptlager und einen direkten Bahnanschluss verfüg- grund des beginnenden Krieges nicht zerstörte dabei die gerade fertig ge- te. mehr zur Ausführung kam, wurden die stellte Kraftfahrzeughalle für das mobi- Planungen hinsichtlich des als kriegs- le DRK-Bereitschaftslazarett, das neue Die Neustrukturierung des Roten Kreu- wichtig eingestuften DRK-Gebäudes Hauptgebäude des Präsidiums blieb zes durch das DRK-Gesetz von 1937 umgesetzt. Im Januar 1939 wurde der jedoch bis zum Kriegsende unbeschä- mit dessen Zentralisierung, der Aus- Grundstein gelegt. Die Planungs- und digt. Im September 1944 erfolgte zu- richtung auf das Führerprinzip mit den Ausführungsarbeiten lagen bei dem dem der Bau eines Luftschutzbunkers neuen Satzungen sowie die gestiege- Architekten und SS-Führer Norbert auf dem Gelände. Dennoch wird das ne Bedeutung des Roten Kreuzes für Demmel. Genau vier Jahre später, im DRK gegen Ende des Jahres seitens den nationalsozialistischen Staat im Januar 1943, war der Bau u.a. durch der Behörden gebeten, das DRK- Zuge der Kriegsvorbereitungen führte den Einsatz von Zwangsarbeitern (auf Hauptlager und das Ausweichlager in auch zu Überlegungen für einen Neu- dem Gelände befanden sich zudem Guben zur „Sicherung der Produkti- bau des DRK-Präsidiums. War zu- zeitweise ein Kriegsgefangenenlager onsgüter gegen Zerstörung bei Luftan- nächst noch ein Neubau an einer der und eine Außenstelle des KZ Sach- griffen“ zu dezentralisieren. Im April großen von Albert Speer geplanten senhausen) soweit fertig gestellt, dass 1945 setzte sich angesichts des Nä- Repräsentationsstraßen in Berlin vor- die - teilweise mit kostbaren Materia- herrückens der Roten Armee die Füh- gesehen, entschied man sich im Fe- lien wie Marmor und Travertin ausge- rungsspitze des DRK nach Flensburg bruar 1938 auch unter Sicherheits-, statteten - Arbeitsräume bezogen wer- Zentralisierungs- und Logistikaspekten den konnten. Zum 1. Juli 1939 war der (Fortsetzung auf Seite 9) Seite 9

ab bzw. beging wie E.-R. Grawitz Selbstmord, am 26. April besetzt die sowjetische Armee das DRK- Hauptlager.

Noch einmal wird unmittelbar nach dem Krieg unter Leitung eines kom- missarischen geschäftsführenden Komitees des DRK-Präsidiums ver- sucht, den Faden in Babelsberg wie- der aufzunehmen. Aber im August 1945 muss das DRK kurzfristig und endgültig das Präsidiumsgebäude räu- men, das ebenso wie Teile des anlie- Früheres Zentraldepot (gelbe Gebäude), heute Universitätsbibliothek Potsdam in Babelsberg genden DRK-Geländes nunmehr von der sowjetischen Militärverwaltung genutzt wird; lediglich ein oder mehre- re DRK-Dienststellen verbleiben noch kurzzeitig in Babelsberg. Am 19. Sep- tember 1945 erfolgt der Befehl der sowjetischen Militärverwaltung, das DRK in der sowjetisch besetzten Zone aufzulösen.

1952 zieht die vier Jahre vorher ge- gründete Deutsche Verwaltungsakade- mie im Tausch mit der sowjetischen Armee gegen ihre bisherigen Gebäude Früheres DRK-Präsidiumsgebäude, heute Wissenschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakul- in Forst Zinna in die alten DRK- tät der Universität Potsdam in Babelsberg Gebäude ein. Seit 1991, nach Abwick- lung der Akademie bzw. später der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftli- Hochschule für Recht und Verwaltung, che Fakultät der Universität Potsdam haben hier die Juristische sowie die ihren Sitz. ▀

Dammtorstraße 14-15

Nach dem Sitz des Hamburgischen aus rotem Landesvereins am Neuen Wall 44 in Mainsandstein der Zeit des 1. Weltkriegs, dem Domi- und ist mit zil in der Feldbrunnenstraße 7, später schmückenden Nr. 5 in den 20er Jahren erfolgte in der Ornamenten ver- ersten Hälfte der 30er Jahre erneut ein sehen, das Haus Umzug. „ Die Hauptgeschäftsstelle des ist inzwischen in Hamburgischen Landesvereins vom die Denkmalliste roten Kreuz (Landes-Männerverein), von Hamburg wie auch die Abteilung „Kranken- unter der Nr. hausfürsorge des Roten Kreuzes“ und 29176 eingetra- die „an- und Verkaufsstelle der Nothilfe gen. Heute sind für den Mittelstand“ werden am 12. im Gebäude u.a. April 1934 vom Rotkreuzhause, Feld- verschiedene brunnenstraße, nach den neuen Räu- Behörden, so z. men des Landesverbandes Hamburg B. die Öffentliche des Deutschen Roten Kreuzes Ham- Rechtsauskunft burg 36, Dammtorstr. 14/15 verlegt“, und das Jugend- heißt es auf einer im Staatsarchiv informations- Hamburg verwahrten Mitteilungskarte. zentrum Ham- burg unterge- Das so genannte Dammtorhaus wurde bracht. ▀ Dammtorstraße 14-15 1908 als Eckgebäude Dammtorwall 1 und Dammtorstraße 14-15 nach den Plänen der Architekten Frejtag und Elingius erbaut. Die Fassade besteht Seite 10

Der besondere Tipp KZ-Gedenkstätte Neuengamme

In Neuengamme, einem der Dörfer in den Vierlanden, hatten die Nationalsozialisten auf einem 57 Hektar großen Gelände auch auf Hamburger Gebiet ein Konzentrationslager errichtet. Mehr als 100.000 Menschen waren hier zwischen 1938 und 1945 inhaftiert, rund die Hälfte davon ist zu Tode gekommen.

Seit 2005 befindet sich auf dem Gelände, das von 1948 bis 2006 durch die Stadt mit zwei Gefängnissen für den Strafvoll- zug genutzt wurde, eine Gedenkstätte der Freien und Hansestadt Hamburg. Sie umfasst eine Hauptausstellung zur Ge- schichte des Konzentrationslagers und Biographien einzelner KZ-Häftlinge in einem ehemaligen Häftlingsblock, in einem anderen ein Studienzentrum. Weitere von insgesamt 17 erhaltenen Gebäuden dienen Dauerausstellungen zu Themen wie Lager-SS, KZ-Zwangsarbeit u.a.; nach dem Ende der Gefängnisnutzung wurden die Gebäude teilweise zurückge- baut. Ferner sind zu sehen: Gebäudereste, Fundamente und Rekonstruktionen ehemaliger Lagereinrichtungen. Hinzu kommen ehemalige Produktionsstätten wie das Klinkerwerk und die Walther-Werke, ein Hafenbecken sowie ein Stichka- nal zur Doven Elbe.

Auf dem Gelände finden sich verschiedene Mahnmale, Denkmalgruppen und ein Haus des Gedenkens. Drei wei- tere, ergänzende Gedenkstätten befinden sich am Bullen- huser Damm, in Fuhlsbüttel und in Poppenbüttel. Erschlos- sen werden kann das Gelände über drei kommentierte Rundwege zwischen 1,5 und 4,5 km Länge. Mit öffentli- chen Verkehrsmitteln ist die Gedenkstätte mit Bussen der Linie 227 und 327 ab S-Bahn Bergedorf erreichbar. Öff- nungszeiten sind montags bis freitags von 09.30 - 16.00 Uhr und samstags, sonntags und feiertags in der Zeit April bis September von 12.00 bis 19.00 Uhr und Oktober bis März von 12.00 bis 17.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.

www.kz-gedenkstaee-neuengamme.de . ▀

Rotes Kreuz - menschlich gesehen

Dr. Isaac Wolffson

Isaac Wolffson wurde sungsfrei war, verlegte er und Wolffson erhielt endlich auch sei- am 19. Januar 1817 sich auf dieses Rechtsge- ne Anwaltszulassung. Von 1853 bis in Hamburg geboren. biet und ließ Schriftsätze 1868 gehörte er dem Vorstand der Er besuchte zunächst in anderen Rechtsangele- Jüdischen Gemeinde an. die Israelitische Frei- genheiten von einem zu- schule und wechselte gelassenen christlichen Als Mitglied der Fraktion der Rechten später auf die Gelehr- Kollegen unterzeichnen. gehörte Wolffson von 1859 bis 1889 tenschule des Johan- Er war Mitbegründer der der Hamburgischen Bürgerschaft an neums, wo er das Gesellschaft für sociale und übernahm als erster Jude in Abitur ablegte. Nach und politische Interessen Deutschland von 1861 bis 1863 die dem Studium der der Juden und gehörte Funktion eines Parlamentspräsiden- Rechtswissenschaf- 1846 zu den Gründungs- ten. Von 1871 bis 1881 vertrat er Ham- ten in Heidelberg, mitgliedern des Vereins burg zudem als Abgeordneter der Nati- Berlin und Göttingen der hamburgischen Juris- onalliberalen Partei im Deutschen kehrte er nach Ham- ten. Reichstag und war u.a. an der Ausar- burg zurück und wurde dort 1839 zum beitung des Bürgerlichen Gesetzbu- Doktor der Rechte promoviert. Anfang 1848 übernahm Wolffson die ches beteiligt. 1879 wurde er zum ers- Redaktion der liberal ausgerichteten ten Präsidenten der Hanseatischen Eine Zulassung als Rechtsanwalt wur- Neuen Hamburger Blätter. Während Rechtsanwaltskammer für Hamburg, de ihm verweigert, weil er als Jude der Märzrevolution 1848 wurde er in Lübeck und Bremen gewählt. Von nicht das Bürgerrecht erwerben konn- die Hamburger Konstituante, eine Art 1888 bis 1892 war Wolffson Vorsitzen- te. Damit war ihm jedoch nicht nur der Vorparlament, gewählt, die 1850 wie- der des hamburgischen Vereins zur Weg zum Anwaltsberuf sondern auch der aufgelöst wurde. 1849 wurden die Pflege im Felde verwundeter und er- der zu weiteren staatsnahen Berufen jüdischen Bürger Hamburgs durch krankter Krieger vom Roten Kreuz. verwehrt. Da andererseits eine Vertre- eine Verfassungsänderung den übri- Isaac Wolffson verstarb am 12. Okto- tung vor dem Handelsgericht zulas- gen Bürgern weitgehend gleichgestellt ber 1895 in Hamburg. ▀ Seite 11

Hans-Ernst Tietzen

Hans-Ernst Tietzen wurde1889 als und Umgegend. 1934 stelle X inne. In den 40er Sohn eines Arztes in Treptow an der löste er Louis Sanne als Jahren sorgte er für den Rega geboren. Nach dem Studium der Präsident des Hambur- Ausbau eines Rotkreuz- Medizin mit abgeschlossener Promoti- gischen Landesvereins Unfall-Hilfsdienstes an on ließ er sich 1922 in Barmbek als bzw. des Landesmän- den Binnenwasserstra- Hautarzt nieder. 1933 wurde er leiten- nervereins vom Roten ßen der Landesstelle X. der Oberarzt am Barmbeker Allgemei- Kreuz ab. Ab 1938 hatte Tietzen kam am 29. Juli nen Krankenhaus. er aufgrund der neuen 1944 bei einem Bomben- DRK-Satzungen zu- angriff auf den Sitz der 1924 trat Tietzen in das Rote Kreuz nächst die Funktion ei- Landesstelle X am Har- ein und übernahm 1931 den stellver- nes Obersthauptführers, vestehuder Weg ums tretenden Vorsitz der Kolonne des Ro- dann die eines General- Leben. ▀ ten Kreuzes für Barmbek, Uhlenhorst führers in der Landes-

(Rotkreuz-) Museen stellen sich vor

Rotkreuzmuseum Schlangen

Im Museum in Schlangen, Parkstraße kleidung von militärischen und zivilen Zudem verfügt das Museum über ein 18, hat die Rotkreuzgeschichtliche Sanitätseinheiten, Orden und Ehren- Archiv mit Fotos, Plakaten und Schrift- Sammlung in Westfalen-Lippe ihre zeichen, Briefmarken und Ganzsachen gut sowie über eine Bibliothek. Heimat gefunden. Vor zwanzig Jah- der Rotkreuz- und Rothalbmondbewe- ren, 1997, wurde mit dem systemati- gung und Feldpostkarten, Automodelle Das Museum ist an jedem 3. Sonntag schen Aufbau dieser Sammlung in und Spielwaren mit Rotkreuzbezug, im Monat von 15.00 bis 18.00 Uhr und Bad Lippspringe begonnen. Seitdem Plakate, Werbematerial, Aufkleber und nach Vereinbarung (Tel. 0157- kontinuierlich ausgebaut umfasst sie Anstecknadeln, Andenken und Utensi- 86026583, info@museum-in-westfalen seit 2013 auf 212 m² Ausstellungsflä- lien der Blutspendedienste und des -lippe.drk.de ) besuchbar. che Expo- Jugendrot- nate von kreuzes. Weiter Informationen zum Museum einst und finden Sie unter: www.museum-in- jetzt aus westfalen-lippe.drk.de ). ▀ den Berei- chen Medi- zinische Gerätschaf- ten, Ver- band- kästen, Gerätschaf- ten und Dienstbe-

Rotes Kreuz in Deutschland und Antisemitismus, Rassismus und Euthanasie

Das Beispiel Isaac Wolffsons in Ham- „Das „Israelitische Familienblatt“ in handelt sich beispielsweise darum, burg zeigt, dass Bürger jüdischen Hamburg teilt einen Erlaß des Gene- daß Bittsteller bei Bejahung der Frage, Glaubens im Roten Kreuz in der Zeit ralleutnants v. Pfuel, des Vorsitzenden ob sie Israeliten seien, den Bescheid vor dem Nationalsozialismus bis in des Zentralkomitees des preußischen erhielten, sie möchten sich an teils höchste Ämter gelangen konnten. Landesvereins vom Roten Kreuz an schon im Frieden vorhanden gewese- Gleichwohl gab es Diskussionen um die einzelnen Abteilungen des Kon- ne, teils erst für den Krieg geschaffe- Antisemitismus im Roten Kreuz auch trollkomitees mit, worin es heißt: nen israelitische Anstalten und Verei- schon in dieser frühen Zeit, wie Pres- ne wenden. severöffentlichungen aus dem Novem- Schon mehrfach sind Beschwerden ber 1914 in Hamburg und Frankfurt laut geworden über eine kränkende Diese Mitteilungen haben auf das zeigen. In der Frankfurter Zeitung vom Behandlung von Angehörigen des peinlichste berührt. Das Rote Kreuz ist 22.11.1914 ist zu diesem Thema Fol- israelitischen Glaubens durch Mitglie- gendes zu lesen: der des Roten Kreuzes in Berlin. Es (Fortsetzung auf Seite 12) Seite 12 interkonfessionell, die in die Erschei- Anwendung des Beamtengesetzes auf nunmehr auch rassistische Artikel wie nung getretenen Zeichen von Unduld- den nächsten Termin zu kündigen. In der von Dr. med. Scheunemann in samkeit widersprechen vollkommen den Sanitätskolonnen und Schwes- „Blätter des Deutschen Roten Kreuzes seinem Geist und ebenso der Aller- ternschaften dürfen keine Juden, 12/1933, Heft 8, über „Die nationale höchsten Willensmeinung unseres Jüdinnen und Judenstämmlinge sein. und soziale Auswirkung menschlicher erhabenen Protektors, Seiner Majestät Zu Lehrkursen dürfen Juden nicht zu- Unterwertigkeit“ oder der von Ministe- des Kaisers und Königs. Eine Erklä- gelassen werden. Auf Einzelmitglieder rialrat Dr. Gütt im Heft 9 über „Das rung für diese Vorkommnisse ist viel- in den Rotkreuzvereinen finden die Gesetz zur Verhütung erbkranken leicht in dem Umstande zu finden, daß Bestimmungen keine Anwendung.“ Die Nachwuchses“. Anfang November seit Ausbruch des Krieges das Rote o.g. Ausschlussregelungen galten 1935 veranstaltete z.B. der Provinzial- Kreuz in großer Zahl von Damen und auch für Vorstandspositionen. Männerverein Ostpreußen eine ras- Herren bei der Arbeit unterstützt wird, senpolitische Tagung für Rotkreuzärz- die seinen Vereinigungen nicht ange- te. Rotkreuzvereine beteiligten sich z. hören und mit seinen Grund-sätzen B. 1934 am Vertrieb von Broschüren daher weniger vertraut sind. Jedenfalls „zur Volksaufklärung über Rassenhy- aber tritt an alle unter dem Roten giene“. Im Jahr 1939 traf der ge- Kreuz tätigen Damen und Herren die schäftsführende Präsident des DRK dringende Pflicht heran, dafür Sorge mit dem Leiter des Rassenpolitischen zu tragen, daß bei ihrer Arbeit nie- Amtes der NSDAP eine Vereinbarung, mand in seinem religiösen Empfinden im Führungshauptamt des DRK- verletzt wird. Präsidiums in der Hauptabteilung Aus- bildung eine Abteilung Wir Deutsche wollen doch zu Hause in „Rassenpolitische Schulung“ aufzu- der Erfüllung unserer großen Aufga- bauen. Vergleichbare Ämter wurden ben der Nächstenliebe ebenso einig auch in den nachgeordneten Landes- zusammenstehen, wie unsere Kriegs- und Kreisstellen eingerichtet. macht draußen.“ Hamburger Quellen über den mögli- Ob es sich bei der Position v. Pfuels chen Ausschluss jüdischer Rotkreuz- um eine durchgängige Grundhaltung Mitglieder sind nach Angaben von A. der verschiedenen Leitungsebenen in Brinckmann (Beständig im Wandel. den deutschen Rotkreuzverbänden Die Geschichte des Roten Kreuzes in handelte, oder ob diese in besonde- Hamburg 1864-1990, 2014, S. 97) rem Maße dem Ziel eines Friedens nicht vorhanden. 1934 erhielt die Ham- nach innen angesichts des Krieges Ahnentafel zum Nachweis arischer Abstam- burger Kolonne noch finanzielle Zu- mung für fünf Generationen“, herausgegeben und äußerer Feinde diente, lässt sich im Auftrag des Dithmarscher Geschlechter- wendungen von den Gebrüdern nicht beurteilen. bundes Robinsohn, den jüdischen Besitzern des in der Progromnacht im November Gleich zu Beginn der nationalsozialisti- In den Sanitätskolonnen ist man in der 1938 zerstörten Modehauses am Neu- schen Herrschaft ändert sich diese Regel nicht einmal bereit, die nach en Wall - aber zunächst galt die Unver- Haltung jedoch schlagartig. Zwar hütet dem Gesetz zugelassenen Ausnah- einbarkeit auch noch nicht für die ge- man sich - wahrscheinlich mit Rück- men zu akzeptieren, weil „der Aus- samte Mitgliedschaft sondern für akti- sicht auf die internationalen Grundsät- schluß sämtlicher Juden und Juden- ve Kolonnenmitglieder, Schwestern ze der Rotkreuzbewegung -, den Aus- stämmlinge eine Ehrenfrage der deut- und Funktionsträger. Es sind einzelne schluss jüdischer Bürger in die Sat- schen Sanitätskolonnen ist und zu Beispiele antijüdischer Aktivitäten bei zung aufzunehmen. So heißt es in erfolgen hat, soweit diese Mitglieder der Aufnahme von Frauen in die DRK- einer Niederschrift über die Sitzung nicht schon von sich aus ausgetreten Bereitschaft durch die DRK- des Zentraldirektoriums des Patrioti- sind“ (A. Pröhl, Der Nationalsozialis- Oberstführerin Anni Holzmann belegt. schen Instituts der Frauenvereine Wei- mus und das Deutsche Rote Kreuz. In: Dennoch ist nicht davon auszugehen, mar vom 11. Mai 1933: „ .. jüdischer Der Deutsche Kolonnenführer dass es sich hierbei um Ausnahmefäl- Glaube und jüdische Abstammung 37/1933, Nr. 14, S. 181). Zwar waren le handelte. [seien] allein kein Grund zum Aus- nicht alle Mitglieder - auch nicht alle schluß“. Aber bereits vor der neuen, jüdischen - und Rotkreuzverbände Nach Information von A. Brinckmann am 29. November 1933 in Kraft treten- bereit, diese willkürlichen, den interna- gibt es ferner Hinweise, dass Rot- den Satzung verkündet der Präsident tionalen Rotkreuzprinzipien entgegen- kreuzfürsorgerinnen der vom Hambur- mit einem Rundschreiben vom 1. Juni stehenden Maßnahmen widerspruchs- ger Roten Kreuz betriebenen Kranken- 1933, „innerhalb des Deutschen Roten los hinzunehmen. Aber große Teile haushausfürsorge vor Operationen Kreuzes werden für alle Funktionsstel- des Verbandes waren nur allzu willig, Motivationsgespräche mit zur Sterilisa- lungen im Roten Kreuz die Bestim- die antisemitischen Maßnahmen aus- tion vorgesehenen Frauen geführt ha- mungen [des Gesetzes über die Wie- zuführen und selbst den belassenen ben. ▀ derherstellung des Berufsbeamten- Handlungsspielraum nicht zugunsten tums] über arische Abstammungen der Betroffenen auszunutzen. übernommen. Wo Nichtarier in bezahl- ten Stellungen sind, ist ihnen unter In Rotkreuzpublikationen erscheinen Seite 13

Literaturtipp

Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945

Nachdem Rolle, Funktion und Eingebundenheit des DRK im NS-Staat auch fünfzig Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs nur unzureichend wissenschaftlich aufbereitet waren, kam der Anstoß hierzu Mitte der 90er Jahre vom Präsidium des DRK. In Zusammenarbeit mit dem Zeitgeschichtler und Lehrstuhlinhaber an der Universität Bochum, Hans Mommsen, gelang es, die Historikerinnen Birgitt Morgenbrod und Stephanie Merkenich für dieses Vorhaben zu gewinnen. Der 483 Seiten umfassenden, 2008 im Schöningh Verlag in Paderborn erschienenen Monographie lagen umfangreiche Recherchen in DRK-internen und externen Archiven zugrunde.

Das Buch zeigt auf, dass das DRK gleich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ins Visier der neuen Machthaber geriet und letztendlich als einzige Massenorganisation außerhalb des unmittelbaren Einflusses der NSDAP übrig blieb. Die Autorinnen weisen die enge Verbundenheit der Verbandsspitze mit der politischen Führung und die weitgehende Akzeptanz der neuen Machthaber nach, zeigen aber auch, wo es innerhalb des DRK Widerstände gegen inhaltliche, strukturelle und personelle Einflussnahme von außen gab. Dieses Werk ist nach wie vor die umfangreichste und detaillierteste Auseinandersetzung mit dem Deutschen Roten Kreuz in den zwölf Jahren des Nationalsozialismus.

Gleichgeschaltet: Rotkreuzgemeinschaften im NS-Staat

Nur ein Jahr nach der Veröffentlichung von Morgenbrod und Merkenich erschien 2009 die nächste, 352 Seiten umfassende Publikation über diesen Abschnitt der DRK-Geschichte im Böhlau-Verlag in Wien/Köln/Weimar. In dieser Arbeit, mit der Peter Poguntke - nach einem Studium der Neuen und Mittleren Geschichte und Politischen Wissenschaften in München - an der Universität promoviert wurde, geht es vorrangig darum, der Frage nachzugehen, ob und inwieweit die Einbindung des DRK in den nationalsozialistischen Staat auch flächendeckend gelang. Ob und in welchem Umfang sich also auch die Gliederungen und Gemeinschaften auf lokaler und regionaler Ebene vereinnahmen ließen.

SS und DRK

2002 als Taschenbuch-Verlag: Book on Demand - erschienen, beleuchtet der Soziologe und Politologe Markus Wicke auf 140 Seiten die intensive personelle Verzahnung von DRK-Angehörigen, die seit 1937 leitende Funktion im DRK- Präsidium einnahmen, mit der SS. Dabei wird auch deutlich, in welcher Form und in welchem Umfang diese Personen die Ressourcen des Roten Kreuzes für die wirtschaftlichen Aktivitäten der SS nutzten und missbrauchten.

Der Universitätscampus Griebnitzsee

2016 ist im Universitätverlag Potsdam die von der Juristischen und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam herausgegebene Broschüre „Der Universitätscampus Griebnitzsee - Eine Standortgeschichte“ im Umfang 80 Seiten erschienen (ISBN 978-3-86956-379-4). Sie schildert die Geschichte des früheren DRK-Zentrallagers, späteren DRK-Hauptlagers und Gebäudes des DRK-Präsidiums in Babelsberg bis zur heutigen Nutzung. Die Broschüre ist reich bebildert und enthält neben den Texten auch eine Chronik. ▀

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Impressum Herausgeber.: DRK Landesverband Hamburg e.V. Behrmannplatz 3, 22529 Hamburg Redaktion/V. i. S. d. P.: Dr. Volkmar Schön Gestaltung: Marie-Luise Manow Fotos: StHH 111-1 Senat CI VII Lit Rf Nr. 64 Rechenschaftsbericht des Central-Comités der dt. Vereine vom Rothen Kreuz 1880 (S. 1); DRK (S. 1) Archiv DRK Landesverband Hamburg e.V. (S. 1); DRK.de (S. 2); .Wikipedia, CC BY-SA 3.0 (S. 2); Wikipedia, gemeinfrei (S. 3); Archiv DRK Landesverband Hamburg e.V. (S. 4); Wikipedia, CC BY -SA 3.0 de (S. 4); DRK, Kurt Friedrich (S. 5); Wikipedia, gemeinfrei (S. 5); Archiv DRK Landesverband Hamburg e.V. (S. 5); DRK-Archiv, Berlin (S. 6); Staatsarchiv Hamburg (S. 6); Archiv DRK Landesverband Hamburg e.V. (S. 7); Wikipedia, gemeinfrei (S. 7); DRK Archiv, Wittig (S. 8); Wikipedia, CC BY -SA 4.0 (S. 9); Universität Potsdam (S. 9); KZ Gedenkstätte Neuengamme (S. 10); Staatsarchiv Hamburg (S. 10); DRK Landesverband Hamburg e.V. (S. 11); Rotkreuzmuseum Schlangen (S. 11); Wikipe- dia, gemeinfrei (S. 12); Ferdinand Schöningh Verlag (S. 13); Böhlau -Verlag (S. 13); VICIA (S. 13); Universitätsverlag Pots- dam (S. 13).

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