Der Jüdische Friedhof Von Mackenheim Im Unterelsass Von Günter Boll
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Heft 98 201 1 1 1. Quartal FORSCHUNG Der jüdische Friedhof von Mackenheim im Unterelsass von Günter Boll Einem Rechtsstreit zwischen der Burgerschafft dess Nidern dorffs Mackhenheim und dem Edlen vnd Vesten Junker Chri- stof Brosinger von Stemenberg, in dem es unter anderem um die Nutzung des gemeindeeigenen Waldes in der Umgebung der Mackenheimer Mühle ging, ist die erste Erwähnung des unweit der Mühle im Auwald gelegenen jüdischen Friedhofs in den einschlägigen Quellen des unterelsässischen Bezirksarchivs in Strassburg zu verdanken. Aufschlussreicher als das, was dem zwölf Klagepunkte umfassenden Memorial der Beschwerdeführer zufolge am 25. September 1608 von wegen der Judenn vnd Irer begreptnus zur Debatte stand,' ist indessen ein gleichfalls in Strassburg archivierter Bericht des Marckolsheimer Amtmanns Peter Emst von Lützelburg an die Zabemer Regierung des Bistums Strassburg vom 4. Juni 1629, der das hohe Alter des auf dem linken Rheinufer gelegenen Friedhofs bezeugt: auf dem bis 1755 auch die Breisacher Juden bestattet wurden: Efiier]: Grnaden]: vnnd g[unsten]: soll Ich vnnderthe- nig zuoberichten nicht vnderlassenn, wie dass die Juden- schafft hieoben Nun vor vilen: vnnd vnuerdenckhlichen Jahren In diser Rejier Ir begreptnus Im Gemeinen Bann Mackhenheim gehaptt, vnd noch Aldort haben, Aber sol- Teilweise verheerende Hochwasser des damals noch un- cher begrepttnus halben, der von Herbstheim sich bitz gebändigt mäandrierenden Rheins: denen der mehrmals her0 Allein Angemast gehapt, Wann aber die Juden mich erweiterte Begräbnisplatz bis in die zweite Hälfte des 19. 3661 berichten, dass der Rhein Ihr begreptnus Mehrer theils Jahrhunderts ausgesetzt war, dürften der Hauptgrund für eingerissenn, vnnd eben gar wenig blatz mehr am sel- das Verschwinden vieler Grabsteine des 17. und 18. Jahr- bigen Ort da-uon verhanden, vnnd baldt gar darumb ge- hunderts im Erdreich des vom Volksmund als ,,Juden- schehen seye, Alss haben sie bey mir Angesucht Ich solt garten" bezeichneten Friedhofs gewesen sein. Von den Inen vonn der Allmendt doch bey derselben Iren begrept- teils vollständig, teils fragmentarisch erhaltenen Steinen, tnus Ein Ackher grundt gross werden lassen, sie wolten die bei den 1982 begonnenen Grabungen auf dem im 18. denselben Bezahlen, wass sonst vngeuorlich Ein Eigner Jahrhundert belegten Teil des Friedhofs unter einer dich- Velt Ackher zuo Mackhenheim wertt sein mechte &p Ge- ten Grasnarbe entdeckt und wieder aufgestellt wurden, langt vnnd Ist derohalben hiemit Ahn E: G: vnnd g: mein lassen sich etwa fünfzig anhand ihrer Inschriften und an- vnderthenigs Bitten, die wollen hierüber mir gnedigen derer Quellen Männem und Frauen zuordnen, die in den bescheidt ertheilen, wessen Ich mich diss Orts verhalten linksrheinischen Ortschaften Diebolsheim, Muttersholtz, solle. Mackenheim, Marckolsheim, Grussenheim, Riedwihr und Biesheim gewohnt hatten. Die jüdischen Gemeinden Die bischöfliche Regierung teilte ihrem Amtmann zu dieser Ortschaften und des kleinen Rieddorfs Bösenbie- Marckolsheim am 8. Juni 1629 mit, dass sie sich seinen Sen, denen der Mackenheimer Judengarten als Begräb- Vorschlag der Judenbegrebnus halben zu Mackhenheimb nisstätte diente, zählten um 1785 insgesamt 8 10 Seelen. nicht missfallen lasse, dannenhero Ihr mit Zuthuen des- sen von Herbstein (Herbsheim) Ihnen Juden einen platz Als von den Gemeinden bevollmächtigte Gabboiin, de- auszeichnen: vnd vmb ein Summa geltts was sonsten sou- nen die Verwaltung des Friedhofs oblag, sind der 1742 iel grundt wehrth sein möchte Anschlagen könde~~Eine verstorbene Parnass der Marckolsheimer Juden, Nöhm weitere Vergrösserung des Friedhofs wurde am 2 1. April Schnerb, der 1788 verstorbene Judenschultheiss zu Grus- 1685 be~illigt.~Aus der Zeit vor dieser zweiten Erweite- senheim, Jacob Wurmser; und der 1797 verstorbene rung sind nur noch zwei vollständig erhaltene Grabsteine Alexander Weyl von Biesheim bezeugt, die alle drei im vorhanden; die Inschrift des ältesten, der zu Häupten des Mackenheimer Bet ha-Chajim begraben liegen. Avraham bar Elasar steht, datiert vom „3. Tammus 429 nach der kleinen Zählung" (2. Juli 1669); die des sechs Jahre jüngeren gedenkt des „am zweiten Tag des Laub- hüttenfests 436 nach der kleinen Zählung" (6. Oktober 1675) verstorbenen Juda bar Mosche ha-Levi: HeA 98 201 1 / 1. Quartal FORSCHUNG Grabstein der 1703 verstorbenen Mindel bat Juda Mosche Jirmeja Grabstein des 1742 verstorbenen Nöhm Schnerb Heft 98 201 1 / I. Quartal FORSCHUNG Crabstcin des 1797 verstorbenen Alexander Weyl Auch die vorderösterreichische Judenschaft im rechts- der erhalten gebliebenen Epitaphien belegen lässt, war rheinischen Altbreisach war bis zur Bewilligung eines der 1685 verstorbene Rabbiner ,,Jirmeja, Sohn des Rab- eigenen Begräbnisplatzes am 4. Juni 1755 auf die Be- bi Jehuda seligen Andenkens", aus Gunzenhausen in der nutzung des Mackenheimer Friedhofs angewiesen.' fränkischen Markgrafschaft Ansbach, der dem Nekrolo- Der erste von dreissig Breisacher Juden beiderlei Ge- gium des Niederehnheimer Memorbuchs zufolge in sei- schlechts, deren Grablegung auf dem 18 km nördlich nem letzten Lebensjahr als „Vorsitzender des Gerichts in von Altbreisach gelegenen Friedhof sich fur die Zeit vom der heiligen Gemeinde Breisach und im ober[elsässisch] 3663 13. September 1685 bis zum 14. Februar 1752 anhand en Bezirk" gewirkt hatte.8 Grabstein des 1685 verstorbenen Rabbiners Jirmeja ben Jehuda In einer Fussnote seiner 1922 erschienenen „Geschich- ten Kreuzkehle gelegenen Ladplatz der RheinschiffTahrt te des Dorfes Mackenheim" hält Joseph Lüdaescher die fest? Die Existenz dieser dem Friedhof benachbarten in die Zeit vor der Regulierung des Oberrheins zurück- Anlegestelle legt die Vermutung nahe, dass man die in reichende Erinnerung älterer Dorfbewohner an einen in Mackenheim bestatteten Breisacher Juden per Nachen nächster Nähe des jüdischen Friedhofs in der so genann- auf dem Rhein dorthin gebracht hat.I0 Heft 98 20 11 1 1. Quartal FORSCHUNG Grabstein des 1727 verstorbenen Joseph Günzburger „Und Gott war mit Josef, und er war ein erfolgreicher Mann (Genesis 39,2). Hier ruht ge- borgen und in Seligkeit die Wonne Israels, der Kazin, der Schtadfan, Parnass und Manhig, bekannt in den Toren seiner Zeit. Schutz und Schild war er dem Volk in der Bedrängnis. Wie eine Mauer und ein Wall hat er es beschützt. Sein Haus war weit geöffnet für die Toralernen- den, sein Tisch war gedeckt. Er wurde nach oben gebeten, der geehrte Herr Josef Josle, Sohn des Herrn Maharam Günzburg seligen Andenkens, von Breisach am Freitag, dem 13. Nissan 487 nach der kleinen Zählung (4. April 1727). Seine Seele sei eingebunden im Bündel des Lebens." Heft 98 20 1 1 / 1. Quartal FORSCHUNG Nur wenige Grabinschriften enthalten Hinweise auf die tokoll der Stadt Offenburg vom 8. Mai 1675 als einen Herkunft der Verstorbenen oder ihrer Angehörigen aus von vier ortsansässigen jüdischen Familienvätern na- anderen rechtsrheinischen Orten. So wird zum Beispiel mentlich genannt finden." Wo die jüdischen Einwohner die im Januar 1696 verstorbene „Frau Sara Jentele, Toch- der 1689 von den Franzosen zerstörten Reichsstadt eine ter des Josef seligen Andenkens", in der Inschrift ihres neue Bleibe fanden und wo die in Mackenheim bestattete Grabsteins als „Gattin des ehrwürdigen Herrn Salman Frau des Salomon von Grafenhausen gestorben ist, wis- von Grave[n]h[a]usenUbezeichnet, den wir im Ratspro- sen wir nicht. Grabstein der 1696 verstorbenen Sara Jentele bat Josef Ebenso unbeantwortet bleibt die Frage, warum die im Juli meinden Biesheim und Grussenheim aus der Verwaltung 1713 verstorbene „Frau Schönlen, Tochter des Naftali Se- des Mackenheimer Friedhofs aus. Der am 25. Mai 18 10 ligen Andenkens, Gattin des Löb Stollhofen" nicht auf verstorbene Joseph Hemendinger war der letzte Grussen- dem jüdischen Friedhof im badischen Kuppenheim, auf heimer Jude, der in Mackenheim beerdigt wurde." Gab- den die Juden von Stollhofen ihre Toten brachten,I2 son- bai des fortan nur noch von den Juden in Mackenheim dem im linksrheinischen Mackenheim beigesetzt wurde. und Marckolsheim benutzten Friedhofs war der Inschrift seines Grabsteins zufolge der aus Westhoffen gebürtige Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts schieden, indem sie und am 20. Dezember 1828 in Mackenheim verstorbene eigene Friedhöfe gründeten, die oberelsässischen Ge- Benjamin Roos. Heft 98 201 1 / 1. Quartal FORSCHUNG Grabstein des 1828 verstorbenen Benjamin Roos 'iüladenijeint. SiSie lebt nur nod) aeine @erneide bemt eine11 &)od$nierenanten griebljoj, ber DerYItufli bija in iw6 16. 3a@= 1)unbert ijinaiiirei6t. Er bienfe lange 8eit ijinbur4 audj beit 3u3en uon Xft=Brcijlid) a12 BegräbnSftätte, iuie metjrere ans 1ii)rijten bemeifea. QinaeIne Gteine frnb Don ljcrborrag-enber 6d)öiii)eit unb uecbienten erijalfen ju merben. Qoijentlia gelingt t'6 uni$ lvenigfteng pIjofDgrq$if@e SIlibilbungen Fr bio @eieiIs fdlaft 8it erlangen. Auszug aus dem ersten Rapport der 1905 gegründeten Gesellschaft für die Geschichte der Israeliten in Elsass-Lothringen Der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts belegte Teil des Friedhofs Heft 98 201 1 1 1. Quartal FORSCHUNG Der um 1764 als Sohn des Priposi der kleinen jüdischen unbestimmte Zahl von Kindern begraben.14 Die Inschrift Gemeinde Bösenbiesen, Hirzel Ach, und der Zippora eines erst 2009 errichteten Gedenksteins hält die Namen Schnerb geborene und am 19. Febmar 1845 in Macken- jener Mitglieder der ausgelöschten jüdischen Gemeinden heim verstorbene Revendeur Moise Ach (Mosche bar Mackenheim und Marckolsheim fest, die der national- Naftali) war einer der ersten Juden,