Fünf Viertausen

Als Seitental des Rhonetals gehört das Val d’Anniviers zum Unterwallis. Die französischsprachige Talschaft vereint südländisches Flair, Walliser Tradition und eine majestätische Bergwelt mit einer breiten Palette hochattraktiver Ziele zum Bergwandern und -steigen.

VON PETER GRIMM UND GEORG HOHENESTER

Zu Beginn des Höhenwegs um das Val d’Anniviers, auf der Bella Tola, öffnet sich der Blick auf die breite Kuppe des Bishorn und den scharfen Nordgrat des .

34 DAV Panorama 3/2005 VAL D’ANNIVIERS UNTERWEGS der und mehr... Foto: Peter Grimm Peter Foto:

DAV Panorama 3/2005 35 Über dem reichen Sagengut des Tales kreist der Geistervogel „Zirizui“.

er Welschwalliser Nachbar des walser- deutschen Turtmanntals heißt Val d’An- niviers. Es löst sich bei /Siders vom Rhonetal und greift wie eine Gabel in den DWalliser Hauptkamm ein. Dieses Tal, auf Walliserdeutsch Eifischtal, beginnt mit einer 400 Meter hohen Stufe und verzweigt sich am Ende der in den Talgrund eingesägten Schlucht ins Val de und Val de Moiry. Seine Viertausender, von Weisshorn bis , sind Westalpenfreunden ein Be- griff. Die Vergnügen auf 900 Wanderkilome- tern zu ihren Füssen kennt man in Deutschland kaum. Für die Vielfalt erlebbarer Landschafts- bilder sorgt schon der eiszeitlich überformte, stark wechselnde Gesteinsuntergrund. Auf der „Tour du Val d’Anniviers“ lassen sich diese in Von den sonnenver- vier bis fünf Tagen rund ums Tal und im An- wöhnten Rebbergen gesicht der hohen Bergriesen genießen. bei Sierre (o.) bis zum Gletscherrund ober- Entrée über die „Pontis“ halb des Lac de Moiry

Zum Eintritt in das Wanderrevier möchte man (1) Tourisme (2), (1), Hohenester Georg Sierre-Anniviers Grimm Stettmayer Peter (2), Friedrich Fotos: (u.) reicht die land- echten Wanderfans den Meidpass (2790 m) schaftliche Vielfalt im empfehlen. Im Meidsee über der Lärchenwald- Val d’Anniviers. An stufe wiegen sich die eisigen Spiegelbilder von Wasser herrscht in die- Weiss- und Bishorn. Freilich beginnt der Auf- sem kleinen Paradies stieg dorthin im Turtmanntal und nicht an der kein Mangel (kl. B.). Rhone. Von Siders aus hingegen könnten die 1500 Meter Anstieg nach die Lust auf die Runde ums Eifischtal verderben, wie- wohl unterwegs der schaurige Einblick in die bröckelnde Felsschrunde des Illgrabens das Er- lebnis Erosion pur bietet. Aus solchen Entscheidungsproblemen ist der PTT-Bus Siders-St-Luc-Chandolin der übli- che Ausweg. Er nimmt die Route der „Pontis“. Hier durch die Felsen der Ostflanke entstand um 1300 durch einen kühnen Hängesteg aus Holzbrückchen die erste Wegverbindung zur Außenwelt. Nicht vor 1840 wurde diese Anla- ge durch einen aus dem Fels gesprengten Fahr- weg mit Tunnelstrecken ersetzt. In , dem ersten Dorf im Val d’Anniviers, begrüßt der Achteckturm mitsamt historischem Bautenen- semble des 16. Jahrhunderts den Gast. Als der Herrgott im Eifischtal die Dörfer er- schuf, soll er eine Handvoll Erde den Berghang hinauf geworfen haben. Darauf erstand nach der Sage das römisch benannte Chandolin. Tat- sächlich hängt der alte Ortskern in toller Aus- sichtslage am Steilhang. Von der Sonne ver- wöhnt hat sich Chandolin nach 1950 zur Skistation gemausert. Im Sommer locken die weiten Rasenhänge der Alpage auch den Wan-

36 DAV Panorama 3/2005 VAL D’ANNIVIERS UNTERWEGS Die Gipfel von Illhorn (u.) und Bella Tola (o.), letzterer über 3000 Meter hoch, dersmann zum Illhorn (2717 m) hinauf, direkt markieren den pro- über dem Rhonetal. blemlos wanderbaren Beim Abstieg könnte es sein, dass am Wege Auftakt des „Eifisch- rabenschwarzes Rindvieh rauft. Das sind die taler Höhenwegs“. kraftstrotzenden Kühe der berühmten Eringer- Die kräftigen schwar- Rasse, die man für unblutige Wettkämpfe hält. zen Eringer-Kühe Auf regionalen und kantonalen Wettbewerben bestreiten unblutige balgen sie sich. Die siegende Kuh wird dann Revierkämpfe – auf zum Stolz des Eigentümers zur „Königin“ ge- der Weide und in krönt. der Wettkampf- Auch St-Luc, mit Chandolin durch einen arena (kl. B.). Waldspaziergang verbunden, hat in den letzten 50 Jahren den Absprung aus den Problemen der Berglandwirtschaft in die des Touristenge- schäfts geschafft. Von alter Bausubstanz blieb im Ort nach mehrfachen Bränden wenig übrig; er trägt jedoch nach den umgebenden Lärchen- wäldern seinen keltischen Namen „Luk“ (Wald). Bei Erdarbeiten kamen bronzezeitliche Relikte zu Tage und im Wald oberhalb erinnert der zerbrochene Schalenstein an Vorgeschichte. Nach solchen Bodenfunden war das Val d’Anniviers seit der Bronzezeit besiedelt. Kelten und Römer haben sich in Ortsnamen verewigt. In dem einst kaum zugänglichen Tal entwi- ckelte sich eine eigenständige Volkskultur, ge- formt vom christlichen Glauben – obwohl die Ur-Anniviarden den eindringenden Sendboten des Christentums, den legendären Zwerg Za- cheo, in eine Gletscherspalte kippten. Über dem reichen Sagengut dieses Tales kreist als fantastische Leitfigur der Geistervogel „Zi- rizui“. Mag auch der Schalenstein von St-Luc einst Wegheiligtum gewesen sein, heute ersteigt man Tignousa (2170 m) mit der Standseilbahn. Im Hintergrund der sagenumrahmten Alp Gar- boula erhebt sich da die Bella Tola (3025 m). Ihrem Prädikat „Top-Panorama“ macht sie seit weit über hundert Jahren Ehre. Einst ritt man auf Mulirücken hinauf oder ließ sich in Sänften aufwärts tragen. Heute muss man sich zu Fuß durch die pistenplanierte Gletschermulde pla- gen. Amüsant wird’s nach dem Steilzickzack zum Grat. Endlich oben, scheinen die Gipfel des Wallis wie zur Parade aufgestellt. Alle Vier- tausender, dazu einige stramme Berner und ein bisschen Montblanc.

Dem „Zirizui“ nach Auf Tignousa beginnt auch der Lehrpfad mit den Planetenmodellen. Beim etwas angejährten Hotel Weisshorn (2337 m) startet dann end- gültig das Abenteuer „Eifischtaler Höhenweg“.

DAV Panorama 3/2005 37 1200 Meter Wand, düsterer Fels, so steil, dass kein Schnee haften bleibt.

Auf etwa gleicher Höhe führt dieser gute Steig über dem Val d’Anniviers entlang. Nahdetails und Szenerie am Weg wechseln; alles zieht vor- bei – Alpenrosenhänge, Blockhalden, Bergwie- sen, Schluchten und zuletzt Lärchenwald. Fü- ße und Augen erobern sich Weite und Raum. Und vielleicht entdeckt man noch die alte ver- blasste Markierung „Z“: Zinal – oder Zirizui? Abstiegsziel nach gut fünf Stunden: Zinal (1675 m). Dort zwängt man nach vollbrachtem Tagewerk in einer urigen Beiz die Beine unter den rohen Tisch und hört beim brutzelnden „Fondue au tomate“ den Singsang der Gesprä- Über dem Orts- che ans Ohr dringen. Nein, hier wird nicht kern von Zinal Schweizer Französisch gesprochen. Die gängige zeigt der Felszahn Mundart, das „Patois“, ist im Anniviers noch des Besso steil immer ein franko-provenzalischer Dialekt. himmelwärts (o.); Oberhalb Zinal kommt Wanderfreude auf Obergabelhorn über der jähen Talflanke am Aussichtseck des (l.u.) und Dent Roc de la Vache (2581 m), direkt vor den Blanche (r.u.) mächtigen dunklen Bergen. Wer da standhaft sind nur zwei der bleibt und unter dem Reißzahn des Besso ein- eindrucksvollen biegt ins Tal von L’Ar-Pitetta, steht fassungslos Gipfel im Glet- vor der unvorstellbaren Wucht der Westabstür- (1) (1), Tourisme Hartmut Gräfenhahn Stettmayer (1), (1), Hohenester Georg Sierre-Anniviers Friedrich Fotos: scherkessel um ze des Weisshorn: 1200 Meter Wand, düsterer die Cabane du Fels, so steil, dass kein Schnee haften bleibt. Fi- Mountet. ligrane Schneegrate, Firnkehlen, Gletscherkes- sel und Eisströme bilden dazu den Kontrast. Urgewalt ohne Gegenstück. Mitten drin die kleine, bewartete Cabane d’Ar-Pitetta (2786 m), ausgezeichnet für ihren mustergültig um- weltschonenden Betrieb. Grün klettert auch an der stämmigen Flan- ke des Besso empor, durch die der Hüttenweg zur Cabane du Mountet (2886 m) quert. Auf Mountet dann überfällt den Wanderer das Ge- fühl, als wäre er im Gletscherkessel einge- schlossen. Statt Horizont sieht man nur die Riesenschilde von , Obergabel- horn, Dent Blanche und Grand Cornier. An- gesichts dieser Riesen bleibt nur Staunen und Bewunderung.

Halbzeit am Eifisch-Höhenweg Vielleicht wäre der Sorebois-Gipfel die Halb- zeit wert, müsste man nicht oberhalb der Seil- bahnstation durch die Spuren der Skisaison stiefeln. Ein Schock nach dem Hochpfad Zinal- Petit Mountet-Sorebois, der sich hangrutsch- gefährdet, aber mit Galablick durch die luftige Bordon-Flanke schleicht. Wäre man da nicht besser auf der Aussichtskanzel P. 2484 der Alp La Lé sitzen geblieben? Der Höhepunkt mit to- pografisch lehrreicher Vogelschau ist am Corne

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BERG- UND WANDERSCHUHE DER SPITZENKLASSE KEIN FILIALIST EIN SPEZIALIST FÜR SCHUHE

Ein Highlight aus unseren 250 Modellen für Jagd und Trekking aus dem aktuellen Katalog ist z.B.:

:info: Unterwegs im Val d’Anniviers

Tourenauswahl Zur Cabane de Moiry (2825 m), 3,5 Std.; Lac de Moiry (Bus) - Hütte - Lac Über den Meidpass (2790 m) ins Val d’Anniviers, 4,5 Std.; Gruben-Meiden/ Großer Höhenweg Eifischtal West, 7-8 Turtmanntal (Bus) – Pass – St-Luc (Bus) Std.; Staumauer Lac de Moiry (Bus) – Basset de Lona (2792 m) - Bergstation Aufs Illhorn (2717 m), 3,5 Std.; Chan- Bendolla (2112 m, Seilbahn von , dolin (Bus) – Gipfel – Chandolin Abstecher auf Aussichtspunkt P. 2816 am Top-Panorama Bella Tola (3025 m), Roc d’Orzival, 2853 m, ca.4 Std.) – Orzival

6,5 Std.; St-Luc – Bahnauffahrt Tignousa – Vercorin (Bus) X-Degree 7-GTX Man 150.- € – Chalet Blanc – Gipfel – St-Luc € Bishorn (4153 m), 11-13 Std., Zweita- X-Degree 7-GTX Lady 150.- Großer Eifischtaler Höhenweg Ost, 7- gestour; Zinal – Combautanna – Cabane Neuer, vielseitiger Trekking- 8 Std.; Chandolin (Bus) – Tignousa (auch de Tracuit (3256 m, 4-5 Std.) – Bishorn schuh mit sehr geringem Auffahrt per Bahn von St-Luc) – Chalet (3-4 Std.) – Cabane – Zinal: Gletschertour, Gewicht, Velourleder mit Blanc – Hotel Weisshorn (ggf. Übernach- nur mit Gletscherausrüstung und -erfah- GORE-TEX® Klimafutter, VIBRAM-Sohle, Schnellschnü- tung) – Nava Secca – Berneuza – Zinal rung zu begehen. rung, bequemer Wanderschuh (Übernachtung, Bus) Informationen für Mittelgebirge und Voralpen. Auf den Roc de la Vache (2581 m), 5 Schweiz Tourismus, Postfach 160754, Besuchen Sie uns Std.; Zinal – Combautanna (von hier auch 60070 Frankfurt, Tel.: 00800/100 200 in Ludwigshafen, im Internet in 2,5 Std. zur Cabane de Tracuit) – Roc 30, europaweit gebührenfrei, oder fordern Sie unseren de la Vache – L’Ar Pitetta – Le Vichiesso Katalog an (gebührenfrei, Fax: 00800/100 200 31, gebührenfrei, – Barma – Zinal unter: 0800-511 22 33) E-Mail: info.de@.com, Zur Cabanne du Mountet (2886 m), 8 www.MySwitzerland.com Std.; Zinal – Le Vichiesso – Cabane – und Nutzen Sie unsere Tourismusbüro Sierre-Anniviers, zurück Stärken: Sierre-Anniviers Tourisme - - große Auswahl Höhensteig La Lé – Sorebois, 6 Std.; Case postale 59 - CH-3960 Sierre, Tel.: - nur beste Qualität Zinal – Petit Mountet – Alp La Lé – Aus- 0041/848 848 027, Fax: 0041/27 451 71 - kompetente Beratung - schnelle Lieferung sichtspunkt P.2484 (allein lohnend) – 15, E-Mail: [email protected], - anerkannter Service Steig durch die Garde de Bordon-Ostflan- www.sierre-anniviers.ch ke (nur bei guten Verhältnissen!) – Sore- Tourismusbüro Zinal, Office du bois – Seilbahntalfahrt Zinal Tourisme de Zinal, CH-3961 Zinal, Übergang über den Corne de Sorebois Tel.: 0041/27 475 13 70, (2896 m), 3 Std.; Zinal – Sorebois (Seil- Fax: 0041/27 475 29 77, E-Mail: Schuh Keller KG bahn) – Corne de Sorebois – Lac de Moiry [email protected], www.zinal.ch Wredestraße 10 67059 Ludwigshafen Pigne de la Lé (3396 m), 4-6 Std., Moi- Bergführerbüro Zinal, Tel.: 0041/27475 Tel.: 06 21/51 12 94 ry-Stausee-Cabane de Moiry-Col du Pig- 12 00, E-Mail: [email protected], Fax: 06 21/51 32 08 ne-Cabane du Moiry-Stausee. www.anniviers-montagne.ch www.schuh-keller.de

DAV Panorama 3/2005 Grimentz, Hauptort des Tales, ist eines der besterhaltenen Dörfer im Welschwallis. de Sorebois (2896 m) erreicht. Jenseits, drunten Durch die Nord- am Lac de Moiry (2249 m) quetscht man sich wand des Oberga- durch die irdische Enge parkenden Blechs. Zur belhorn führt eine Flucht bleibt der Ausflug zum Gletschernest anspruchsvolle der Cabane de Moiry (2825 m). Eistour bis 55° Vom Stausee aus lasse man sich nicht zur (o.); bei der Über- Talwanderung nach Grimentz (1564 m) verlei- schreitung des ten. Die Höhenroute über den Basset de Lona Besso grüßen (2792 m) und den Lac de Lona eröffnet schon Dent Blanche und am Anstieg einen Prachtblick in den Zirkus Grand Cornier im von Moiry. Oben wird’s dann ein anmutiger Hintergrund (M.); Seenausflug auf weiter Hochfläche. Was da al- am Corne de Sore- les wächst, blüht und riecht! Leider beginnt bois überblickt nach ein wenig Felsenweg wieder die Wüste der man den Gipfel- Fotos: Peter Grimm (1) Peter (2), Rudi Lindner Stettmayer (2), Fotos: Friedrich Pistenplanie. kranz jenseits des Von Bendolla (2112 m), der nächsten Weg- Val de Zinal (u.). station, fährt die Sesselbahn hinunter nach Grimentz, Hauptort des Tales. Das Dorf gilt als eines der besterhaltenen im Welschwallis. Die- se Herde ins 16. Jahrhundert zurückreichender Holzbauten verlockt zum Dorfbummel. Ein „Raclette“ dann in einem der stilvollen Res- taurants sollte mit einem Schluck „Gletscher- wein“ enden. Diese Weinspezialität bauen die Einheimischen in ihren Rebbergen drunten im Rhonetal an und in ihren Kellern hier oben aus.

Ehemals Nomaden Jahrhunderte lang mussten die Anniviarden ein Wanderleben führen. Mit Vieh, Fahrhabe, Kind und Kegel pendelten sie jahreszeitlich hin und her zwischen Heimstätte, Maiensäss, Hochalp und Rebgarten im Tal. Ein echtes Nomadenle- ben! Mit einer Abstammung etwa von den Hunnen, wie behautet, hat dies nichts zu tun. Die Ursache vermeldet vielmehr ein Schreiber von anno dazumal, dass nämlich „im Ber- ner(ge)biet das Vieh sein Futter reichlicher be- komme als im Wallis die Menschen“. Das hat sich auch im Val d’Anniviers erst nach dem Zweiten Weltkrieg geändert. Als Ausklang der Eifischtal-Runde sollte man die volle Westseite des Tales ausgehen. Man folgt da der vermutlichen Reiseroute der Urbewohner. Manchmal auf Pfaden, dann auf Saumwegen zieht man entlang der Waldobergrenze über die Alpwiesen am Fuß der großen Karmulde von Or- zival. Als Abstecher lockt der Aussichtsberg Roc d’Orzival (2853 m). Am Crêt du Midi noch ein Abschiedsblick in die weite Runde und dann mit der Bahn hinunter zum Endpunkt nach Vercorin (1322 m) – Ende der Runde! Resümee: Das Wandern vor fünf Viertau- sendern im Val d’Anniviers kann mit den be-

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rühmten Höhenwegen im benachbarten Ober- Sommer ermöglicht sie einen ersten Blick auf wallis sehr wohl mithalten. Auch wenn der Zi- die Hauptattraktion des Zinaltales: den gewal- rizui ausgeflogen ist – seitdem die Anniviarden tigen Gipfelkranz ringsum – Les Diablons, Bis- selbst nicht mehr wandern. horn, Weisshorn, Schallihorn, Zinalrothorn, Trifthorn, Obergabelhorn, Mont Durand, Po- Im hintersten Val d’Anniviers inte de Zinal, Dent Blanche, Grand Cornier, Zinal bildet die letzte Kammer im Eifischtal. Pigne de la Lé, Gardes de Bordon und, mitten- Ehemals Maiensässdorf ist es heute Luftkurort drin, der Besso, dessen Doppelgipfel vom Tal und Ferienziel für Familien, Wandersleute und aus so beherrschend wirkt. Diese Gipfel zu- Bergsteiger. Bei aller touristischen Infrastruktur sammen nennen die Anniviarden „La Grande hat es Zinal verstanden, eine ruhige, einladen- Couronne“, die „Große Krone“, während die de Ortschaft zu bleiben. Kleinere Hotels und Viertausender Bishorn, Weisshorn, Zinalro- Pensionen umgeben den übersichtlichen histo- thorn, Obergabelhorn und Dent Blanche als rischen Ortskern mit den alten Holzhäusern, „Kaiserkrone“ geehrt werden – ein passender eine größere Siedlung von Sommerresidenzen Begriff für diese alpinen Majestäten. und Chalets zieht sich den Hang hinauf – und im Talboden sammelt die Navisence die Die Engländer kommen Schmelzwasser der Eisriesen weit oben. Ein Die Alpingeschichte in Zinal begann 1859 in Stunde von Zinal taleinwärts zeugt die Kupfer- einem der alten Holzhäuser, als ein bergbegeis- mine La Lée von der Pionierzeit des alpinen terter Engländer um Unterkunft nachfragte. Bergbaus – geführte Besichtigungen lassen in Die Bäuerin beherbergte den Gast mit einfa- den Sommermonaten die harte Arbeit der Mi- chen Mitteln – und baute bald darauf einen neure nachvollziehen, die um 1900 ihren Hö- neuen Gasthof für weitere Hochtouristen. Auf hepunkt erreichte. Im Winter erschließt die So- diesen ersten Engländer, den berühmten Ed- rebois-Seilbahn das Zinaler Skigebiet, im ward Wymper, folgten andere – und eine um

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die andere fielen die bis dahin unbestiegenen Gipfelperlen des Zinaltals den Engländern in die Hände. Diese hatten in den hohen Westal- penbergen ihren „Playground of Europe“ ge- Vom Gipfel des funden, eine Bezeichnung, die Leslie Stephen Bishorn blickt man 1871 für diese goldene Epoche des Alpinismus über den Nordgrat prägte. Sieben Jahre zuvor war Stephen zusam- des Weisshorn mit men mit dem Engländer F. Crowford Crove dem Grand Gen- und den beiden Schweizer Führern Melchior darme (kl. B. o. und Jakob Anderegg die Erstbesteigung des Zi- und o.); über die nalrothorns von Zinaler Seite über den Nord- Cabane de Moiry grat gelungen. (kl. B. u.) geht es Was den Engländern Sport und Abenteuer auf die Pigne de la bzw. Lebenszweck war, brachte den Einheimi- Lé – im Hinter- schen Perspektive, Einkünfte und ein neues Be- grund die westli- rufsbild. Lastenträger wurden Bergführer, die che Einfassung des häufig die Verantwortung auf Tour übernah- Moiry-Gletschers. men und mitunter den Eifer ihrer elitären Kundschaft bremsen mussten. Der neue Beruf Jochen Grillenberger Hartmut Gräfenhahn, Rudi Lindner, Hohenester, Georg Fotos: hatte den Vorteil, nicht wie bislang die Heu- ernte einbringen oder zwischen Tal und Berg hin und her ziehen zu müssen. Und er ver- lieh aufgrund der Leistungen am Berg oft entsprechendes Ansehen. Wenigstens teilweise gilt Letzteres noch heute, nicht nur für die Bergführer aus dem Val d’Anniviers. Sie sind rund ums Jahr auch in anspruchsvollem Ge- lände unterwegs und ermöglichen den Kunden Erlebnisse, die ohne ihre verantwortungsvolle Tätigkeit einem wesentlich kleineren Kreis vor- behalten blieben.

Hoch über dem Moiry-Stausee Wer als ambitionierter Bergwanderer ins Val d’Anniviers kommt, wird zumindest damit liebäugeln, auf einem der Zinaler Viertausen- der zu stehen. Bei Weisshorn, Zinalrothorn und Co. bleibt dies ausschließlich erfahrenen Berg- steigern vorbehalten. Beim Bishorn ist es je- doch möglich, so man mit Gletscherausrüstung sicher umzugehen weiß, die Höhe keine Pro- bleme bereitet und die Verhältnisse passen. Mit 4153 Meter Höhe weist der in der alpinen Literatur mitunter etwas abschätzig auch als „Damen-Viertausender“ benannte Gipfel kaum technische Schwierigkeiten auf. Trotzdem sind von Zinal aus fast 2400 Höhenmeter aus eige- ner Kraft bis zum Gipfel zurückzulegen. Entsprechend wichtig ist eine gute Akkli- matisation, für die sich etwa das Gletscherrund oberhalb des Val de Moiry gut eignet. Vom Parkplatz am südlichen Ende des Stausees ist die Cabane de Moiry über die östliche Seiten-

42 DAV Panorama 3/2005 Im Süden verschmelzen Dent Blanche und Grand Cornier zu einem Gipfel. moräne des Moiry-Gletschers in vielen Serpen- Nach dem Auf- tinen zu erreichen. Die Hütte liegt in aussichts- stieg über den reicher Lage auf gestandene und wenig besuch- Mountet-Glet- te Dreieinhalbtausender, die im Sommer wie scher und den Winter interessante und anspruchsvolle Touren anschließenden bieten. Der höchste im Kreis, der Grand Cor- Schneegrat (M) nier, verfehlt mit 3961 Meter die magische verlangt der ra- Viertausendermarke nur knapp und ist ein loh- sante Felszahn nendes eigenständiges Ziel (Nordwestgrat III) des Zinal- mit exzellenten Blicken auf die Nordseite der rothorn Dent Blanche. konzentrier- Fürs Akklimatisieren hingegen tut es auch tes Klettern der „Hausberg“ der Moiry-Hütte, die Pigne de (o.); weit ge- la Lé (3396 m). Von der Hütte steigt man mächlicher unschwierig zum Col du Pigne auf, von wo geht es auf der felsige Nordgrat (I) auf den Gipfel führt. dem Weg zum Auch hier ist die Aussicht fantastisch – zurück Bishorn zu – in den Moiry-Zirkus ebenso wie auf die andere einem idealen Seite, weit über den Zinalgletscher mit den Ziel für ihn speisenden Eisströmen und Gipfel- Viertausender- schönheiten hinweg. Direkt im Süden ver- Einsteiger (u.). schmelzen die höchsten Punkte von Grand Cornier und Dent Blanche scheinbar zu einem (1) Tourisme Rudi Lindner (1), (2), Sierre-Anniviers Hartmut Fotos: Stettmayer Gräfenhahn (1), Friedrich Gipfel – und knapp links davon spitzt das hervor.

Ein Viertausender – nicht nur für Damen Nach erfolgreicher Akklimatisierung geht es nun auf das Bishorn. Dieses hat, wie das lateinische „bis“ verrät, zwei Gipfel. Dem Hauptgipfel ist mit der Pointe Burnaby ein 18 Meter niedrigerer Ostgipfel zur Seite gestellt, dessen Name – wen wundert’s – auf eine Engländerin, Elizabeth Fred Burnaby, zurückgeht. Am 6. August 1884 gelang der damals 23-jährigen die Erstbesteigung mit den Führern Joseph Imboden und Peter Sarbach. Ob sie am selben Tag auch noch auf dem West- gipfel war, ist unsicher. Die unternehmungslusti- ge Engländerin fand jedenfalls ob ihres Erfolgs Eingang in die sehr kurze Liste der Erst- besteigerinnen von Viertausendern in den Alpen. Wenige Tage später, am 18. August 1884, stand eine Viererseilschaft – zwei weitere Engländer mit zwei Führern – auf dem Bishorn-Hauptgipfel, der im Vergleich zu allen anderen Viertausendern erst sehr spät erstbestiegen wurde - die Bezwin- gung des lag zu diesem Zeitpunkt bereits neunzehn Jahre zurück. Vielleicht spielte mit, dass der Bishorn-Gipfel als Ausläufer des Weisshorn-Nordgrats klar im Schatten des rund 350 Meter höheren Weisshorns stand, für viele der schönste Alpengipfel überhaupt.

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Hoch über dem Moiry-Stausee lang: Nach einer Aufwärmstrecke durch die Der Zustieg von Zinal zur Cabane de Tracuit Gletscherpfanne des Turtmanngletschers gilt es (3256 m) zieht sich über stramme 1580 Hö- rund 900 Höhenmeter zu überwinden – bei gu- henmeter. Auf dem Sommerweg geht es direkt ten Verhältnissen, Spaltengefahr ausgenom- und steil vom Dorf zum Roc de la Vache und men, kein Problem. Ist die Kuppe jedoch aus- ab der verfallenen Alp Combautanna über ge- geapert, kann der Aufstieg mühsam werden. stuftes Gelände. Immer wieder bieten sich neue Anseilen ist in jedem Fall Pflicht, denn die Spal- Einblicke in die Hochgebirgswelt zwischen Zi- ten verlaufen oft in der Marschrichtung. nalrothorn und Dent Blanche. Im Profil be- Hat man es dann auf den höchsten Punkt sonders deutlich zu erkennen ist der Nordgrat geschafft, wird einen der weite Rundumblick des Zinalrothorns mit dem rassigen Schneegrat begeistern, der nur nach Süden begrenzt ist: Areté du Blanc und dem darüber steil aufra- vom anspruchsvollen Nordgrat des Weisshorn genden Felszahn aus bestem Gneis. Wer in Zi- mit seinem berühmten Grand Gendarme. nal nicht früh genug losmarschiert ist, wird Angesichts dieser fantastischen hochalpinen Li- jetzt arg ins Schwitzen kommen, denn die Son- nie, die routinierte Bergsteiger vom Bishorn ne brennt erbarmungslos auf die Hänge unter- über das Weißhornjoch angehen, wird dem halb des Col de Tracuit. Erst oben auf Bezwinger des Damen-Viertausenders dem Grat bei der Hütte weht der er- schnell klar: Wer hier rübermarschie- frischende Gletscherwind, dessen kräf- ren will, muss mental wie körperlich tige Böen über den Col blasen. wirklich fit sein. Ob man sich selbst Von der Cabane de Tracuit aus er- dies jemals wird zutrauen können scheint das Bishorn als sanfte Firn- oder wollen, darüber kann man dann kuppe, die sich auch bestens dafür noch lange nachsinnen, beim Abstieg eignet, mit Ski bestiegen zu werden. über fast 2400 Höhenmeter, hinunter Der Weg von der Hütte ist nicht allzu nach Zinal. Tatonka 2005 Tatonka Helfershelfer für den Fall der Fälle: Tatonka’s Erste Hilfe-Taschen

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