Pavarotti Ans Telefon
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KULTUR zu erkennen ist. Zudem singt Startenor Luciano Pavarotti. Stolz berichtet Bo- no: „Pavarotti rief tagelang bei mir zu Hause an. Weil ich nie zurückrief, brüll- te er meine Haushälterin an, sie solle Gott ausrichten, daß er Pavarotti ein Lied zu schreiben habe.“ Bono gab nach und komponierte „Miss Sarajevo“. Daß der Experimental-Pop durchaus gelungene Momente enthält, ist eher Brian Eno als den U2-Musikern zu ver- danken, die sich offenbar nur aus Orien- tierungslosigkeit auf das Projekt einge- lassen haben. Als die vier Schulfreunde Paul „Bono“ Hewson, Dave „The Edge“ Evans, Adam Clayton und Larry Mullen Jr. vor fast 20 Jahren U2 gründe- ten, hatten sie noch einen Plan: Sie woll- ten laut sein, und sie wollten die Welt erobern. Beides ist U2 zeitweilig gelun- gen. Unter der Führung des hochbegab- ten PR-Strategen Bono schreckten sie auch vor großen Themen aus Religion R. HAUGHTON und Politik nicht zurück. Passengers-Stars Bono, Pavarotti: Klänge zum Badezimmer-Aufwischen Zu Beginn der neunziger Jahre hatte die Band sich verlaufen. Die Musiker ment sein. Sie nennen es ein Projekt. verkündeten, daß sie genug davon hät- Pop „Mit den Passengers können wir Dinge ten, „gute Menschen“ zu sein. Was sie wagen, mit denen wir als U2 nicht statt dessen anfangen wollten, wußten durchkommen würden“, erklärt Bono sie nicht so genau. Am Ende des letzten das Werk, an dem auch prominente U2-Konzertes in den achtziger Jahren Pavarotti Gäste wie Luciano Pavarotti und Brian sprach Bono zu den Fans: „Wir müssen Eno beteiligt sind. uns eine Zeitlang zurückziehen und alles Brian Eno, der vor mehr als 20 Jah- noch einmal überdenken.“ ans Telefon ren seine Karriere als exzentrisch ge- Als die Musiker lange genug meditiert schminkter Keyboarder bei Roxy Mu- hatten, trafen sie sich im Studio, um zu Die irische Popband U2 strebt nach sic begann, gilt dieser Tage als Trend- streiten. Bono und Gitarrist The Edge Höherem: Auf ihrer neuen Platte Forscher und ist als Produzent gut im wollten Veränderung. Warum etwas Geschäft. Für U2 hat er die Alben verändern, das noch gut funktioniert, nennen sie sich „Passengers“ und „The Joshua Tree“ und „The Unfor- gaben die beiden anderen zu bedenken. beschäftigen einen Startenor. gettable Fire“ produziert; die Band „Du hast nicht einmal deinen Haar- verehrt ihn als Autorität und hat ihm schnitt in den vergangenen zehn Jahren auch diesmal uneingeschränkt die Re- verändert“, keifte Bono eines Nachts er Mann will aufregend sein, und er gie überlassen. seinen Schlagzeuger an. „Schreib lieber strengt sich mächtig dafür an. Auf Das ist vom ersten Ton an zu hören. mal wieder ein brauchbares Lied“, kon- D der letzten Tournee seiner Band „Wer ein U2-Album erwartet, wird terte Larry Mullen Jr. Die daraufhin er- U2 verkleidete sich Paul Hewson, der enttäuscht sein“, warnt Bono die Käu- schienene Platte „Zooropa“ und die an- mit Künstlernamen Bono heißt, jeden fer: Statt der gewohnten Rockmusik schließende Multimedia-Tour verdank- Abend als Mephisto. Wenn der Behorn- gibt es Elektro-Kunst mit U2-Schnip- ten U2 den Ideen von Brian Eno. „Die te nicht sang, telefonierte er während seln. Da zirpen und blubbern die Mo- Lieder sollten den Eindruck erwecken, der Show mit Regierungsbeamten oder dule, und ab und zu rauscht das Echo die Hi-Fi-Anlage sei kaputt“, sagte der bestellte 10 000 Pizzas für sein Publi- einer verzerrten Gitarre durch die un- angemietete Kreative. kum. endlichen Weiten des Klang-Univer- Nach dem Imagewandel von boden- „Die erste Pflicht des Rock’n’Roll- sums. Das amerikanische Fachblatt En- ständigen Politrockern zu postmoder- Stars ist es, kein Langweiler zu sein“, er- tertainment Weekly befand, „daß man nen Popzynikern zogen sich U2 erst ein- klärte der 35jährige neulich als Gast ei- zu den Klängen auch wunderbar das mal ins Privatleben zurück und schrie- ner literarischen Fragestunde. Weil er Badezimmer aufwischen“ könne. ben Film-Soundtracks für „Batman“ das Problem der Langeweile kennt, wird Die „Original Soundtracks 1“ sind und James Bond. Bono ließ sich einen es den Künstler auch nicht überrascht weitgehend instrumentale Kompositio- Bart wachsen und schwieg. Bassist haben, daß die Anwesenden ihn nicht nen für 13 Filme eher obskurer Regis- Adam Clayton wollte das Fotomodell nach den Erstausgaben in seiner Hausbi- seure. Zu den Ausnahmen gehört Bo- Naomi Campbell heiraten, aber die bliothek fragten, sondern nach der De- nos Hausfreund Wim Wenders. Für wollte nicht. büt-CD der Passengers. Einer Platte, das Werk „Jenseits der Wolken“, das Brian Eno blieb der Band treu. Was über welche die U2-Musiker sowenig wie der Deutsche mit dem Altmeister Mi- er vielleicht bereuen wird. Nach der lite- möglich reden möchten und zu der Bono chelangelo Antonioni drehte, kompo- rarischen Fragestunde sagte der Heraus- deshalb nur an jenem Literatur-Abend nierten die Passengers gleich zwei Ti- geber einer U2-Fanzeitschrift: „Es war und dann niemals wieder ein paar offi- tel. Die größte Aufmerksamkeit hat schon eindrucksvoll, wie sich Bono von zielle Erklärungen abgegeben hat. bisher das Lied „Miss Sarajevo“ erregt, der Passengers-Platte distanziert hat. „Original Soundtracks 1“, das neue das verzweifelten U2-Fans Halt geben Falls es ein Reinfall wird, schieben sie Album der U2-Leute, soll ein Experi- wird, weil es als Melodie mit Gesang einfach alles auf Brian Eno!“ Y 262 DER SPIEGEL 46/1995.