<<

die Zeitschrift am IfKW der Uni München no 28| 2017

Einmal sterben und zurück Wie es sich zwischen Bobby Leben und Tod anfühlt Brederlow Sein Weg zum Flug ins Extreme Kinohelden Warum Menschen den Risikosport lieben

Weil uns mehr verbindet, als uns trennt: Über die eine Seite, die andere Seite – und das Dazwischen 10 €* für die Zukunft

* Nur so viel macht der monatliche Beitrag zur Absicherung Deiner beruflichen Perspektive als junger Journalist im Bayerischen Journalisten-Verband aus. Dafür erhältst Du Zugriff auf ein professionelles Netzwerk von Berufskolleginnen und -kollegen, ein qualifiziertes Fortbildungsangebot, vielfältige Hilfe vom Mentoring bis zur Rechtsberatung sowie Kontakt und Austausch mit Gleichgesinnten. Solidarität ist machbar – BJV

Der Bayerische Journalisten-Verband vertritt die Interessen von mehr als 7 000 hauptberuflichen Journalistinnen und Journalisten in Bayern. Unsere Mitglieder arbeiten an Tageszeitungen und bei Zeitschriften, in Online-Redaktionen, bei Hörfunk und Fernsehen, als Festangestellte oder freie Journalisten. Nähere Informationen erfährst Du unter www.bjv.de

facebook.com/bjvde twitter.com/bjvde

ANZ_Journalistentage_2016_DINa4_RZ.indd 1 18.10.16 13:05 communichator 28 Fotos: pixabay Fotos: winnspiel! Ge Löse unser GrenzworträtselLöse und gewinne einen von drei Amazon- drei gewinne einen von dies ist die 28. Ausgabe. Als Redaktionsteam Gutscheinen im Wert von je 25 Euro. von Wert Gutscheinen im – erscheint seitüber zehn Jahrenam Institut für Kommunikationswissenschaft undMedienforschung derLMU München. Jedes

erinnen, ator Editorial

und über das, was dazwischen liegt.

Wintersemester produzieren Studierende das Magazin und sammeln dabei journalistische Erfahrung journalistische dabei sammeln und Magazin das Studierende produzieren Wintersemester entwickeln die Teilnehmer ein Heft-Konzept, verfassen Beiträge und übernehmen Marketing- sowie Layoutaufgaben. Layoutaufgaben. sowie Marketing- übernehmen und Heft-Konzept, Beiträge verfassen ein Teilnehmer die entwickeln NINA SPRINGER NINA Der com

liebe Leser, Wir zeigen euch Menschen am Limit und Geschichten darüber. vom Unterschied und vom Miteinander. Es ist ein Heft über Grenzen, die es braucht und über ösen, die überwunden werden. Über die einesolche, Seite die und sich au über die andere Seite Irgendwo hört irgendwo es auf, fängt etwas Neues an. Irgendwo unterscheiden wir uns, irgendwo überschneiden wir uns. Irgendwo ist manchmal uns ganz klar und manchmal braucht irgendwo weder Raum noch Zeit. das ist ein HeftDas hier, übers Irgendwo. Über etwas, das teilt und verbindet. Das hier ist ein Heft über Grenzen. Liebe Les Liebe Eure RedaktionEure Viel Spaß beim Lesen. Dieses Heft zeigt euch: Grenzen Ob oder man davor sind relativ. dahinter steht, kommt darauf an, man wo sie setzt. Klingt doch irgendwo ganz schön, oder? # # Inhalt

Weil uns mehr verbindet, als uns trennt: Über die eine Seite, die andere Seite – und das Dazwischen communichator 28

Einen Schritt weiter. Bis hierher. Und weiter? Grenzen hinter sich lassen. Wo es Grenzen braucht. 06 | Anders? Na klar! – Bobbys Weg zum Kinohelden 38 | Eine Spirale der Illusion 08 | Zwischen Leben und Tod 40 | Wenn Bildung und Glaube sich kreuzen 10 | A Hundred Silent Ways 42 | Hol dir deine Macht zurück! 12 | Alexander Zverev – Ho nungsträger des deutschen Tennis Alles ießt. Zusammen sind wir mehr. Wozu schon Grenzen? Grenzen gemeinsam au ösen. 46 | Der Traum vom Fliegen 48 | Eine neue Ära des Helfens 16 | Tierisch gut drauf 50 | (K)ein Masterplan 18 | Die Universade – Eine eigene kleine Welt 52 | Eine Sprache, die verbindet 20 | Hilfe zwischen Krieg und Krisen 22 | Wie Musik es scha t, Europa zu einen 24 | Mauern im Kopf Keine Grenzen. Zeit für uns. Menschen am Limit. 14 | Deine Gewinnchance: Grenzworträtsel Die eigenen Grenzen testen. 34 | Unser Institut 26 | Up to God and down to Hell – Extremlauf über die Alpen 44 | Während des Studiums Grenzen überwinden: 28 | Wenn die Welt grau wird Dein Auslandssemester mit Erasmus+ und 30 | Shit Happens LMUexchange 32 | Gleitzeit: Flug ins Extreme 54 | Impressum

Anders? Na klar! Bobbys Weg zum Kinohelden Rolf Brederlow spricht als erster deutscher Schauspieler mit Down-Syndrom ein großes Publikum an. Seine Filmauftritte zeigen, wie besonders Menschen mit Trisomie 21 sind. Von Sarah Latzel

Eine Altbauwohnung im Münchner Stadtteil Lehel. Mittendrin: nehmen. „Das kann nicht sein”, sagte er damals. „Ich habe ihn letzte „Bobby, Herr Bredi und Mister Herr Bendel“. Eine verrückte, aber Woche im Fernsehen gesehen.“ Für Bobby vermischen sich Realität liebevolle Männer-WG. Die Hochglanzmagazine schreiben: „Bobby und Film, seit er das erste Mal selbst vor der Kamera stand. Das war Mutmacher“, „Der ganze Bobby ist ein großes Herz“. Ausnahmsweise 1997, im Film „Weihnachts eber“. Diese Komödie legte den Grund- behalten die Klatschblätter stein für Bobbys einzigartige Recht. Und nicht umsonst nennt und besondere Karriere. Seine man Menschen mit Down-Syn- Szene darin war kurz, bestand drom „Sonnenscheinkinder“. nur aus wenigen Worten, aber sie war prägnant. So prägnant, Bobby, der TV-Star und Bambi- dass neben dem österreichisch- Gewinner, kommt gerade von en Regisseur Bernd Fischerauer seiner Arbeit in der Behinder- auch der Bayerische Rundfunk tenwerkstatt im Münchner Nor- auf ihn aufmerksam wurde. den zurück. Jeden Tag fährt er alleine mit dem Bus und kommt Seine erste Hauptrolle folgte gegen 18.00 Uhr zu Hause an. zwei Jahre später mit Senta „Ein geregelter Tagesablauf mit Berger an seiner Seite in „Liebe festen Strukturen, Abläufen und und andere Katastrophen“. Bezugspersonen ist für ihn von Der Vierteiler-Film bereicherte höchster Bedeutung und wich- sein Leben: Während den tig“, sagt sein Bruder Gerd. Dreh arbeiten betreute ihn die Künstlerin Heidi Ha enrichter. Eine herzliche Umarmung, ein Sie nahm Bobby mehrmals mit Gang in Bobbys Zimmer. Um- in ihr Atelier und dort entdeckte geben von au allend bunt be- er seine Leidenschaft fürs malten Wänden, Tiermustern Malen. Heute ist diese Leiden- an der Wand, fällt der Blick auf schaft zu einem seiner liebsten den kleinen Schreibtisch mit Hobbys geworden. seinen Auszeichnungen und da- runter ist die neuste Ausgabe Bald gab es die erste große An- des „Spiegel” zu  nden. „Ich lese erkennung in seiner Karriere: sehr gerne“, sagt Bobby und den Bambi für seine Rolle in „Lie- beginnt stotternd, aber selbst- be und andere Katastrophen”. bewusst und stolz, den Unter- Doch das reicht Bobby nicht: titel zu lesen: „Eeeinee schreck... „Ich will einen Oscar“, sagt er. lich määächtige Familieee“. Die Einen Oscar hat er zwar (noch) Sprachentwicklung bei Men- Stolzer Filmpreis-Gewinner: Bobby zeigt seine Bambi-Trophäe. nicht bekommen, aber es folg- schen mit Down-Syndrom ist ten weitere Auszeichnungen. verlangsamt, doch Bobby wird regelmäßig von einer Logopädin und 1999 wird seine Lebensgeschichte unter dem Titel „Bobby“ ver lmt: Schauspieltrainerin geschult, um sein Stottern zu verringern und Auf den Bambi folgt die Goldene Kamera. Der Name Bobby ge el ihm seinen großen Traum leben zu können: vor der Kamera zu stehen. so gut, prompt benannte er sich selber um. Ließ den Namen sogar von der Stadt München in seinen Pass eintragen. Das echte Leben ist für ihn das, was im Film passiert – alles, was sich auf der Leinwand, im Fernsehen, Kino oder Theater abspielt – bei Im gleichen Jahr folgte die Krönung: Die „Lebenshilfe Deutschland“ ihm  ndet eine Realitätsverschiebung statt. Das zeigt zum Beispiel verlieh ihm einen Preis für den Film „Bobby“, der seine Lebensge- eine Begebenheit während eines USA Auf- schichte aufzeigt. Seither trägt dieser Preis enthaltes vor einigen Jahren: In New York seinen Namen. Er heißt nun „Lebenshilfe- angekommen, wollte er sofort den US- ICH WOLLTE NICHT Preis BOBBY“. amerikanischen Schauspieler „Telly“ Savalas sehen. Sein Bruder Gerd erklärte ihm, dass MEHR ROLF HEIßEN, „Ich will allen Menschen mit Trisomie 21 dieser tot sei. Das wollte Bobby nicht hin- SONDERN BOBBY sagen, dass es sich lohnt zu kämpfen“, sagt

6 | communichator Bobby. Seine Botschaft breitet sich prompt in der ganzen Republik aus. Und weil diese Botschaft wirkt, erhält er im Jahr 2004 das Bundes- verdienstkreuz aus den Händen der damaligen Bundesministerin Ulla Schmidt.

Er selbst sieht sich als Star. Er wollte immer vor der Kamera stehen und berühmt werden. Und er weiß: Er hat es gescha t. Das beweist auch ein gemeinsamer Auftritt mit sei- ner Schauspielkollegin und guten Freundin Veronica Ferres, bei dem er sich auch gerne alleine auf der Bühne feiern lies. Doch das war nicht immer so.

EIN MENSCH OHNE MACKE IST KACKE Bobby und sein Bruder Gerd haben einen langen, steinigen Weg hin- ter sich: Anfang der 1990er Jahre Bobby und sein Bruder Gerd, mit dem er in einer Wohngemeinschaft lebt. Fotos: Sarah Latzel starben beide Eltern kurz hinterei- nander, sodass Bobby gezwungen war, sein gewohntes Umfeld zu seinem Partner, Bobby ein neues Zuhause zu geben. Seither meistern verlassen. Nach immer wieder aufrollenden Streitereien und Kämp- die Drei jede Herausforderung gemeinsam. fen mit den Behörden darüber, ob er bei seinem homosexuellen Bruder und dessen Lebensgefährten leben darf, gelang es Gerd und Bobby ist das beste Beispiel dafür, dass Handicaps niemanden auf- halten sollten. Glaubt man Bobbys Worten, lebt er nach dem Credo: „Ein Mensch ohne Macke ist kacke.” Mit seiner Unterstützung der „Aktion Mensch” und der Kampagne „Du bist Deutschland” will er das der ganzen Welt zeigen und anderen Mut machen. Ebenso engagiert er sich als Pate des Down-Sportfestivals. Und solange „Herr Bredi und Mister Herr Bendel“ an seiner Seite sind, ist alles gut – denn als Trio sind sie unschlagbar.

!Info Die Ursachen des Down-Syndroms liegen in einer Ver änderung des Erbguts. Statt 23 Chromosomen haben betroffene Menschen ein zusätzliches Chromosom. Der Grund: Das 21. Chromosom ist nicht doppelt, sondern drei- fach vorhanden. Deshalb lautet eine weitere Bezeichnung auch Trisomie 21. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit Down-Syndrom geboren wird, liegt bei etwa 1:500.

[email protected]

Auch ein Bundesverdienstkreuz wurde Bobby verliehen.

communichator | 7 Zwischen Leben und Tod

Was passiert, wenn wir sterben? Sven Assmann hat eine Ahnung davon. Er erzählt von seinem schweren Brandunfall, der Nahtoderfahrung, die er dabei gemacht hat – und wie diese sein Leben verändert hat. Von Amelie Pfei er

Sven, du hattest vor einigen Jahren einen Brandunfall. Was ist auch Kraft gezogen und mir gesagt habe: „Euch werde ich‘s schon dabei genau passiert? zeigen! Und sei es, dass ich dir erzähle, was für ein Arschloch du bist“.

Das Ganze war im Oktober 1992. Wir saßen zu viert beim Abend essen, Was passierte, als dein Herz stillstand? zum Erhitzen stand unter dem Topf ein Rechaud (ein Wärmegerät mit brennender Flamme, Anm. d. Redaktion). Das Essen war eigentlich Die ersten beiden Male waren nicht sehr lange, die erlebte ich im schon zu Ende, aber einer bekam nochmal Hunger. Er nahm die Körper. Beim dritten Mal war es allerdings anders. Mein Herz hörte auf Flasche Brennspiritus und wollte den Rechaud erneut füllen. In dem zu schlagen und im selben Moment kam es zu einer Kraftentfaltung, Moment gab es eine Verpu ung, eine Stich amme kam aus dem Re- einer energetischen Entladung. Mit einer unglaublichen Geschwin- chaud. Vor Schreck riss er den linken Arm mit der Flasche in der Hand digkeit bin ich aus meinem Körper herausgeschossen. In meiner zurück und verschüttete den Spiritus dabei über mich, hauptsächlich Emp ndung hat es nicht einmal eine Sekunde gedauert und ich habe im Bereich meines Kopfes und meines Oberkörpers. Die Flamme schon die ganze Erde von oben gesehen. Ich hatte eine unglaubliche folg te dem Spiritus. Meine Freunde sagten später, dass ich lichter- Wahrnehmungsschärfe für die kleinsten Details, einen 360-Grad- loh gebrannt habe. Ich habe es noch gescha t, meine Hände schüt- Blick. Man kann das mit den Sinnen, die wir hier im Körper haben, zend vor meine Augen zu halten. Als ich meine nicht vergleichen. Ich konnte zusehen, wie die Augen unter den Fingern ö nete, habe ich mich da unten versucht haben zu reanimieren. gesehen, dass der, der mich überschüttet hat, Zugleich konnte ich die ganzen Sterne sehen. einen dicken Pullover anhatte. Ich bin in ihn ICH WILL NICHT Und auf einen dieser Sterne bin ich zuge o- reingerannt und soll auch noch gerufen haben: SO AUSSEHEN gen. Je näher ich kam, desto langsamer wurde „Holt Decken! Deckt mich ab!“ Das Feuer war ich und eine bläulich schimmernde Gasröhre dann gelöscht. WIE NIKI LAUDA tat sich auf. Dort bin ich langsam hineingeglit- ten. Ich habe gemerkt: Hier ist etwas, hier sind Auf dem Weg ins Krankenhaus wollte der Rettungssanitäter mich Wesenheiten und die kamen mir auch bekannt vor. Ich kann nicht intubieren, weil mein Hals zuschwoll. Er hatte den Tubus schon in sagen, warum, aber ich hatte ein bisschen das Gefühl, ich komme seiner Hand. Ich hielt sie fest und sagte: „Ich will nicht so aussehen nach Hause. Und da war auch so ein Wohlwollen, eine Freude, die wie Niki Lauda“. Er meinte: „Nein, es ist nicht so schlimm.“ Dabei lief wahnsinnig schnell in mir wuchs. Ich habe mich da irrsinnig wohl, ihm eine Träne über die Wange und da wusste ich, dass es wirklich geborgen und glücklich gefühlt. Dann war da ein Tor, kein Holztor, schlimm war. eher eine Wand aus Licht. Ich hörte eine Stimme: „Kommt er da wohl rein?“ „Moment noch“, sagte eine andere. Da wusste ich: Ich werde Ein Drittel meiner Körperober äche war zweiten bis dritten Grades dort nicht reingelassen. Bei all der Freude und Glückseligkeit, die ich verbrannt. Im Krankenhaus hatte man mich drei Tage lang in ein in diesem Moment spürte, wusste ich: Hier geht es nicht weiter. Eine künstliches Koma versetzt, bei dem ich aber volles Bewusstsein hatte. andere Stimme sagte dann ganz liebevoll: „Ne, da geht’s noch mal Ich habe mitbekommen, was die P egekräfte und Ärzte sagten. Die zurück, der hat noch was zu erledigen“. dachten, ich würde das nicht mitkriegen. Ich habe aber jeden einzel- nen Satz gehört. Der eine P eger hat einmal gesagt: „Lass uns das Dann  el ich wie aus einem Flugzeug durch die Gaswolke zurück noch machen“, woraufhin der andere erwiderte: „Nö, der packt das auf die Erde. Ich habe krampfhaft versucht meinen Blick auf der Gas- eh nicht“. Das hat mich so wütend gemacht, dass ich daraus vielleicht röhre zu halten. Ich wollte nicht zurück. Die Ärzte da unten hatten

8 | communichator „Ich konnte die Sterne sehen und auf einen bin ich zuge ogen”: Menschen, die einen Nahtod erlebt haben, schildern ganz unterschiedliche Eindrücke. Foto: pixabay

habe ihm gesagt: „Es gibt einen Grund, warum wir wieder hier sind.“ Ein halbes Jahr später hat er sich das Leben genommen. Ich war geschockt und hatte Schuldgefühle. Ich mich zu dem fragte mich, ob ich etwas hätte unternehmen müssen. Aber das, was Zeit punkt eigentlich ich in seinen Augen gesehen hatte, das habe ich zutiefst verstanden. schon aufgegeben. Als ich mit der Salopp formuliert: Das da oben ist schöner, als das, was wir hier unten gleichen Geschwindigkeit wie zuvor zurück in haben. Ohne das jetzt im Detail begründen zu können. Das ist ein mein Krankenbett  el, hörte ich wie einer sagte: „Kommt, Gefühl, eine Wahrnehmung. einen letzten Versuch machen wir noch“. Und in dem Moment, als er den De brillator ansetzte und „Jetzt!“ sagte, bin ich mit Sind dir auch schon Menschen kritisch gegenübergetreten, als einer irrsinnigen Kraft wieder in meinen Körper hineingegangen. Ich du ihnen davon erzählt hast? habe die Augen wieder aufgemacht, der Arzt schaute mich an und sagte: „Oh, der ist ja wieder da“. Mein Herz stand sieben Minuten und Manche versuchen, dir zu erklären, dass dabei Neurotransmitter zwölf Sekunden lang still. nicht funktionieren und es zu Bildern und einer nicht mehr ganz ge- steuerten Wahrnehmung des Gehirns kommt. Dass eine Nahtoder- Hat diese Erfahrung deine Einstellung zum Tod geändert? fahrung eine Illusion, also eine Wahrnehmung sei, die eigentlich gar nicht existiere. Am Anfang habe ich immer Es gab danach eine Phase, in der ich mich noch versucht, es zu erklären, habe gefragt, sogar manchmal gefragt habe: „Du könntest wie sie etwas beurteilen wollen, das sie nie jetzt gehen, was soll das hier unten noch?“ DIE ÄRZTE DA selbst erlebt haben. Das habe ich allerdings Insbesondere in Momenten, in denen man UNTEN HATTEN ganz schnell aufgegeben, denn das bringt nicht so glücklich ist, war da ein Sehnen. nichts. Ich würde sagen, die meisten Men- Ich habe das aber akzeptiert, denn ich kann MICH SCHON FAST schen halten es für Blödsinn. Dann gibt es heute für mich sagen: Was dort passiert ist, AUFGEGEBEN ein paar, die sind nachdenklich. Und es gibt möchte ich nicht missen. Und das nimmt mir welche, die es als Erleichterung emp nden auch jeden Zweifel daran, dass das Leben mit dem Tod endgültig vor- und es einfach so stehen lassen. Die Schlussfolgerung ist: Wer Zweifel bei ist. Das was da kommt, wenn es das ist was ich erlebt habe, ist daran hat, dass wir unsterblich sind, der darf es gerne nehmen, um sehr begehrenswert. Das nimmt mir die Angst vor dem Tod. sich dem Gedanken zu nähern, dass unsere Existenz nicht unbedingt vorbei ist, nachdem wir den Körper verlassen. Wir leben dann in ei- Inwiefern hat sich dein Leben nach der Erfahrung verändert? nem anderen Bewusstseinszustand. So sehe ich das.

Mein Verhältnis zum Tod hat sich verändert. Und Zeit meines Lebens Viele Menschen haben sehr große Angst vor dem Sterben. Gibt war das wie ein Anker, wenn’s mal kritisch wurde. Ich sage mir dann es eine Botschaft, die du ihnen aufgrund deiner Erfahrung wei- selbst: „Hey Sven, auf welchem Niveau jammerst du gerade?“ Und tergeben möchtest? dann erinnere ich mich daran zurück. Ich schöpfe daraus eine Kraft, die mich sehr viel schneller über schwierige Situationen im Leben Diese Ängste sind sehr persönlich. Wenn man Angst als den Gegen- hinwegkommen lässt. Das heißt aber nicht, dass ich seitdem wie pol zur Liebe bezeichnen darf oder es einfach tut, dann würde ich ein Heiliger herumschwebe und übers Wasser gehe. Viele bezeich- sagen: Liebt mehr und seid nicht so ängstlich! Aber, wenn es dann nen die Erfahrung, die ich gemacht habe, als Nahtoderfahrung. Aber um den Tod geht, dann kommt ihr aus der Angst heraus in eine Form ich bin dem Tod nicht nahe gewesen, ich bin gestorben und wieder von Liebe, die man nicht in Worte fassen kann. Deshalb kann ich nur zurückgekommen. Diese Erfahrung war hilfreich bei allem, was ich sagen: Habt viel Mut! Es wird positiv überraschen. danach getan habe. Ein einschneidendes Erlebnis hatte ich zwei bis drei Jahre später. Da lernte ich jemanden kennen, der einen sehr schweren Unfall in der Wüste hatte. Er hatte eine ähnliche Erfah- a.pfei [email protected] rung gemacht. Ich habe schon gespürt, dass die Sehnsucht dorthin zurückzugehen, bei ihm größer war, als der Wille hier zu leben. Ich

communichator | 9 Farbexplosion: Ein Bild kann so laut sein. Foto: Alex Nero

A Hundred Silent Ways Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. Eine communichator-Autorin zeigt uns, wie sie das Leben wahrnimmt: still, aber bunt. Von Sandra Schneider

Es ist drei Uhr nachts. Sie steht in einem lau- mit den Augen  xiert. Die Gebärdensprache vortäuschen. Den Menschen dabei direkt ten Raum. Musik bemalt ihre Luft mit Farben. ist eine Sprache, die auf Mimik und Gestik anzusehen und den Körper als Instrument Der Bass umarmt ihren Körper. Er nimmt sie basiert. der Kommunikation zu nutzen, macht es an der Hand und lenkt ihren Körper zum viel schwieriger, sich zu verstellen, was auch Rhythmus der Musik. Es ist, als würde die Zeit schon der römische Philosoph Seneca be- stillstehen. Sie sieht nach oben in die verne- DER KÖRPER IST schrieb: „Deine Miene spricht aus, was auch belte, bunte Welt des kleinen Wunderlands. immer du verheimlichst.“ Wenn Gehörlose Die Lichter iegen durch den Raum und DER ÜBERSETZER von den Lippen ablesen, nehmen sie die schenken ihrem Herzen ein Lächeln. Die Zeit DER SEELE INS Mimik besonders wahr. Die Augen sind gehört ihr – alles ist still. In ihrer Welt exis- bekanntlich das Tor zur Seele und geben tieren in diesem Augenblick nur sie, die Un- SICHTBARE mehr Preis, als wir zu glauben vernehmen. endlichkeit und Lichter. Begleitet vom Bass Sie sind sowohl Informationssammler, als hat sie die Kraft, in diesem Moment alles los- Gehörlose sprechen mit ihrem Körper. Der auch Informationssender. zulassen. Sie spürt die Vibration. Der Bass ist Zauber der Körpersprache lässt einen Teil die Musik, die sie nicht hört. Egal, was um sie der unbewussten Kommunikation sichtbar Wenn der Körper die Sprache ist, ist die Emo- herum geschieht, sie hört es nicht. Sie nimmt werden. Die meisten hörenden Menschen tion die Stimme. Und diese Stimme lügt nicht. nur das wahr, was sie wahrnehmen möchte merken nicht, wie viel in der Möglichkeit Ein Gehörloser sieht in Mimik und Gestik oft – alles andere geht verloren. Hörende Men- ihrer Wahrnehmung durch die Fixation auf mehr, als ein Hörender aus der Stimme hören schen können sich nicht aussuchen, was sie Wort und Laut verloren geht. Sie legen so kann, denn das Verhalten ist der Ausdruck hören. Sie hören automatisch, auch wenn sie viel Wert auf Worte und können im Ton der inneren Erlebens. Keiner kann sich nicht- es nur unterbewusst wahrnehmen – es ist Stimme Freude, Unbehagen oder andere verhalten, wodurch deutlich wird, wie omni- und bleibt ein Teil ihrer Erinnerung. Sehen Gefühle heraushören. Dabei kann man mit präsent und immerwährend Körpersprache jedoch kann man nur das, was man gerade der Stimmlage ganz einfach Be ndlichkeiten ist. Jedes Verhalten ist Kommunikation, des-

10 | communichator halb kommunizieren wir immer. Manch mal spirituellen Welt  nden immer mehr Men- die die Natur nach diesem langen, kalten mit der Absicht, es zu tun und manchmal schen den Zugang zur Gebärdensprache als Winter wieder aufblühen lies. Der Blinde ohne. Im Zentrum der Körpersprache ste- Ausdruck ihres Emp ndens. sprach mit mir – ich nahm es jedoch nicht hen Körperhaltung, Gestik, Mimik und der wahr, da er sein Gesicht nicht zu mir gedreht Blickkontakt. Die Emotion ist für Gehörlose Wenn mich meine Freunde fragen, wie etwas hatte. Nach ein paar Minuten auf der Bank die Stimme der Kommunikation und wie auf Gebärdensprache gezeigt wird und mir tippte er mich an. Ich las in seinem Gesicht der deutsche Dichter Christian Morgenstern dieses Zeichen gebärden, geht mein Herz so wenig Regung ab, dass mir sofort klar war, einst sagte, ist der Körper der Übersetzer der auf. Es ist für mich, als ob sie durch diesen dass er nicht sehen konnte. Verzichtet ihr lie- Seele ins Sichtbare. Für viele Men schen er- einen Moment viel näher scheinen als je zu- ber auf Sehen oder Hören? Die Antwort des scheint das Ver hal ten vor. Ich sehe die Emo- Blinden wird mir immer in Erinnerung blei- ge hörloser Men schen tion in ihrem Gesicht ben. Für mich gibt es nichts Schöneres und nicht leicht nach voll- KINDNESS IS THE und fühle, wie sie nur Unverzichtbareres, als die Sicht auf meine ziehbar. Bedenkt man diesen einen Gedan- Welt. Ohne Farben gibt es für mich kein Le- jedoch, dass deren LANGUAGE THAT ken, der die Ursache ben. Der Blinde aber sagte mir damals: „Nicht Spra che aus schließlich THE DEAF CAN des Gefühls ist, fest- sehen trennt von den Dingen, nicht hören je- der Ausdruck ihrer halten. Diese Art der doch trennt von den Menschen.“ Dieser Satz E mo tionen mittels Mi- HEAR AND THE Kommunikation fühlt bestätigt nicht länger seine Existenz, wenn mik und Gestik ist, kann BLIND CAN SEE sich so echt und warm immer mehr Menschen den Zugang zur man verstehen, warum MARK TWAIN an. Viele Gehörlose stillen Welt und den Menschen darin  nden. diese Menschen sind, verstehen die Entschei- Befragt man gehörlose Menschen zu dieser wie sie sind. Ich habe lange gebraucht, um dung nicht, sich für die hörende Welt zu Revolution, sieht man in allen Gesichtern ein zu verstehen, dass in dieser Welt Worte nicht entscheiden und sprechen zu lernen. Den- Lächeln der Freude. gleich Emotion sind. Die Grenzen meiner noch sind die Grenzen meiner Sprache die Sprache sind nun mal die Grenzen meiner Grenzen meiner Welt und auch die stille Welt Es ist mittlerweile schon früh am Morgen und Welt und diese wiederrum sind die Grenzen hat ihre Grenzen. Ich wollte mehr, mehr er- sie tanzt, sie tanzt immer weiter. Langsam meiner Macht – und Sprache ist Macht. Sie fahren, mehr wissen – und dafür brauchte wird es hell, den Menschen steht die Nacht ist das Tor zur Welt, der Schlüssel der Kom- ich mehr Worte als Zeichen. So überschrei- ins Gesicht geschrieben. Das Mädchen lässt munikation. Und eine Welt mit anderen Sin- tet man die Grenzen der Stille und wandert all die Impressionen dieser Nacht Revue pas- nen kommuniziert anders. Die stille Welt, die hinüber in eine Welt, die hört. sieren. Sie ist glücklich und tanzt. Die Musik Zeichen Macht verleiht, birgt eine andere, geht aus, alle applaudieren. Ihre Augen sind wunderschöne Kultur. Immer mehr hörende Ich habe vor einigen Jahren an einem war- zu, sie ist in ihrer Welt und tanzt. Menschen wollen die Gebärdensprache ler- men Abend im Frühling einen Blinden ken- nen, um einen anderen Horizont der Kom- nenglernt. Ich setzte mich auf eine Bank im munikation kennenzulernen. Vor allem in der Park und bewunderte die schönen Farben, !Info Mehr als 175 Jahre lang wurde die Gebärdensprache unterdrückt. Der Grund hierfür war, dass man befürchtete, sie stehe dem Erlernen der Lautsprache im Weg. Deshalb wurde auch in Schulen mit gehör- losen Schülern nur mit Lautsprache unterrichtet – ein paradoxes Vorge- hen.

Viele Gehörlose erhielten deshalb kaum die Möglichkeit, eine Sprache zu erlernen, denn die eine konnten sie nicht hören, die andere durften sie nicht zeigen.

Erst im Jahr 1998 wurde die deut- schen Gebärdensprache politisch an erkannt, rechtlich geschah das erst im Jahr 2002 mit dem Be hin- dertengleichstellungsgesetz.

[email protected]

Der DJ Amin Farini Aka DoR in einer Lichtkunst-Installation der Schmox Family in der Theaterfabrik. Fotos: Gordon Funke

communichator | 11 Alexander Zverev – Ho nungsträger des deutschen Tennis

Die Saison 2016 war die bislang erfolgreichste seiner Karriere. Alexander Zverev gehört derzeit die Aufmerksamkeit der gesamten Tenniswelt. Über einen 19-Jährigen auf dem Weg zur Nummer Eins. Von Petar Slaveykov

Wo ist die Grenze zwischen Traum und Realität? Kann man diese Gren- ze überwinden und den Traum wahr werden lassen? Ist es überhaupt möglich, so erfolgreich im Job zu sein, wie ich es mir vorstelle? Das sind einige der Fragen, die sich wohl jeder Teenager stellt, bevor er seinen Weg für die Zukunft wählt. Manche  nden schnell eine Antwort, so wie ein 19-Jährige aus , der seine Leiden- schaft gefunden hat und seinen Traum verfolgt: Die Rede ist vom momentan größten deutschen Tennisstar – Alexander Zverev.

Ende 2016 stand der junge Zverev bereits auf Platz 24 der Weltrang- liste und hatte somit zum dritten Mal im Folge seinem Jahres ranking verbessert. Diese hervorragende Leistung ist heutzutage nicht so leicht zu erbringen, da die Sportart Tennis in den letzten Jahren viele Veränderungen erlebt hat. Tennisexperten zufolge ist der Tennis in seiner „goldenen Ära“ und der Durchbruch für junge Spieler mehr als schwer. Das Alter, in dem ein Tennispro sein volles Potenzial zeigt, ist enorm gestiegen. Aber Zverev ist es gelungen, sich zu behaupten und gegen die Besten im Business hohe sportliche Leistungen zu zei- gen. Dass er sich in der vergangenen Saison gleich um 59 Plätze ver- bessern konnte, hatte die Tenniswelt nicht erwartet. Aber dieser Er- folg war absolut verdient. Seinem Traum, die Nummer Eins der Welt zu sein, ist Zverev ein großes Stück näher, als er es noch vor zwölf Monaten war. Der Weg ist aber noch lang und neue Hürden warten an jeder Ecke. Nur eins ist sicher: Jeder Tennisfan hat dieses Jahr verstanden, wer Alexander Zverev ist und welche Fähigkeiten er be- sitzt. Das zeigt sich ganz deutlich darin, wie stark die Aufmerksamkeit auf ihm liegt – und was für ein hoher Druck dadurch auf ihm lastet. Eine der größten Herausforderungen für junge Ten- nisspieler ist die Hürde, unter die Top 50 in der Welt rangliste zu kommen. Dies ist bei „Sascha“, wie Zverev mit Spitznamen genannt wird, nach dem Erreichen der dritten Runde des Turniers ATP 500 in Barcelona am 25. April 2016 einge- treten. Dieser große Erfolg bedeutete auch, dass Zverev das jüngste Mitglied der Top 50 wurde.

Nur zwei Monate später, am 20. Juni, landete der in Hamburg geborene Deutsche unter den besten 30 der Welt. Das letzte Mal, dass ein so junger Spieler zu den Top 30 gehörte, war im Jahr 2005. Damals, im März, war der 14-malige Grand Slam Sieger Rafael Nadal zum ersten Mal unter den 30 Besten der Welt. Alexander Zverev Dass es nun auch Zverev gelang, ist eines der Foto: shutterstock

12 | communichator Kopf-Rennen. Aber nach der anstrengenden Woche mit drei Spielen, die über zwei Stunden und 15 Minuten dauerten, waren die körperliche Belastung und der Mangel an Erfah- Pro duell rung in solchen Situationen eine unüberwindliche Hürde ! für den aktuell besten deutschen Tennisspieler. Er verlor Alexander Novak den letzten Satz zu null und musste sich eine weitere bit- Zverev Djokovic tere Niederlage eingestehen. Aber diese Woche in Nice hat nun gezeigt, dass Zverev in der Lage ist, gegen die Besten 1 ATP World Tour Titel 2 zu kämpfen und zu gewinnen. Seine positive Entwicklung 24 Single Ranking 16 konnte man auch auf der „Gerry Weber“ Open in Halle ver- 2. Runde Australien Open 3. Runde folgen. Dort hat Zverev seinen denkwürdigsten Sieg der Tour 3. Runde French Open Viertel-Finale erzielt. Er hat gegen sein Tennisvorbild Roger Federer ge- 3. Runde Wimbledon Championships 4. Runde wonnen. Eine unglaublich starke Leistung, weil der Maestro 2. Runde US Open 3. Runde aus Basel siebenmaliger Sieger von Wimbledon und Halle ist. In diesem schweren Duell hat der junge Hamburger einen starken Willen und Glauben an seinen Fähigkeiten gezeigt, Zeichen für seine exzellente Entwicklung und daraus folgende hohe die ihm letztlich geholfen haben. Dieser emotionale Moment reichte sportliche Leistungen in den letzten Jahren. Am 17. Oktober 2016 aber nicht aus, damit „Sascha“ seinen ersten Titel bei den Pro s ho- war Zverev schließlich zum ersten Mal unter den Top 20 der Welt. len konnte. Das Finale verlor er in drei Sätzen gegen Florian Mayer Und das hat er sich mit seinem Spiel voll verdient. (Rang 192). Der Mangel an Erfahrung und die mentale Erschöpfung nach so einem Sieg haben dabei sicherlich eine Rolle gespielt. Zverev Dann sind da noch die Vergleiche mit Novak Djokovic, der momen- musste sich nochmals mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Trotz tanen Nummer Zwei der Welt ist, welche Zverev wirklich stolz ma- dieser Niederlage hat er gezeigt, dass alle, sogar die Besten, auf ihn chen sollten. Dennoch muss er auf dem Boden bleiben. Wer erfolg- aufpassen sollen. reich sein will in diesem Sport, in dem die Konkurrenz unglaublich groß ist, muss sich jede Sekunde auf seine sportliche Weiterentwick- Ende September 2016 scha te er schließlich seinen ersten lung fokussieren und immer wieder die Motivation suchen, das Beste Turniersieg. Auf dem Turnier in Sankt Petersburg hat „ Sascha“ gegen von sich selbst zu fordern. Nur dann kann man ho en, irgendwann die Russen Kachanov, Medvedev und Youzhni gesiegt. Im Halb nale auf dem Thron des Herrentennis zu sitzen. erzielte er noch einen Sieg gegen Top-10-Spieler Thomas Berdych. Im Finale musste er dann gegen den US-Open-Champion Stan Waw- Nach einem bescheidenen Saisonauftakt mit Niederlagen gegen rinka aus der Schweiz spielen, der momentan die Nummer Drei der Andy Murray in der ersten Runde der Australien Opens sowie im Weltrangliste ist. Dieses Mal war Zverev auf dem Platz ruhiger und Davis Cup, dem wichtigsten Wettbewerb für Nationalmannschaften machte weniger Fehler, was ihm am Ende half, diesen Sieg zu errin- im Herrentennis, gegen Thomas Berdych (Rang 7) nach fünf Sätzen gen. Die fantastische Präsenz auf dem Platz in Verbindung mit seinem und gegen Lukas Rosol in drei Sätze, startete unfassbaren Willen führten ihn zum Titel. Die Zverev 2016 März in eine erfolgreiche Woche Kommentare der Tennisexperten waren mehr bei den Indian Wells. Er gewann in Folge drei SEIN WILLE ZU als positiv, die kroatische Davis-Cup Trainer- Partien gegen Ivan Dodig (Rang 79), Grigor legende Niki Pilic sagte beispielweise: „Sein Dimitrov (Rang 26) und Gilles Simon (Rang SIEGEN IST GROß Wille zu gewinnen, ist wie bei Boris Becker 19). Dann musste der junge Deutsche in den WIE BEI BECKER unmenschlich groß“. Ein toller Vergleich und sauren Apfel der Niederlage beißen. In ei- großes Lob für der 1,98 Meter großen Zverev. nem kräftezehrenden, zweieinhalbstündigen Spiel hatte „Sascha“ einen Matchball verpasst. Am Ende lautete der Spielstand 6:7 6:0 7:5 Zverev weiß aber, dass dieser Erfolg nur der erste Schritt war. Er sagt für seinen Gegner Rafael Nadal. Aber seine Spielweise war so gut, selbst: „ Ich weiß, dass ich noch einiges an Arbeit vor mir habe. Es ist dass sein Kontrahent nach dem Spiel sagte: „Ich habe gegen einen noch ein langer Weg. Ho entlich, ja, ho entlich kann ich eines Tages künftigen Top-10-Spieler gewonnen. Ich würde fast sagen, er ist eine mein volles Potential ausschöpfen und dann werden wir sehen, wo künftige Nummer Eins“. Starke Worte von einem der besten Ten- mich der Weg hingeführt hat“. Auf diesem Weg werden sich noch viele nisspieler aller Zeiten. Fragen auftun und er muss schnellstmöglich die richtigen Antworten  nden, damit er auf der richtigen Bahn bleibt. Seine Fähigkeiten und Eine andere starke Leistung von Zverev folgte bei sein Wille sind fraglos seine besten Wa en für den Erfolg. Aber was er der BMW Open in München, wo er das Halb- immer wieder machen sollte, ist sich konstant selbst zu fordern und  nale erreichte. Dort verlor der Hamburger in zu motivieren, um die Hürden und Grenzen auf dem Weg zu über- drei Sätze gegen Dominik Thiem (Rang 15). Auf winden. Dann kann er sein Niveau noch steigern und auf viele neue dem Weg ins Halb nale konnte Zverev jedoch Erfolge hinarbeiten. Denn nur so wird aus seinem Traum Realität. einen prestigeträchtigen Sieg gegen David Go n (Rang 13) erringen, was ihm viel Selbst- bewusstsein und Vertrauen in seine Fähigkeiten gab. Es war Zeit für ein erstes Finale bei den Pro s. Im ATP 250 Turnier in Nice zeigte sich der Youngster von seiner sportlich besten Seite, indem er vier Siege in Folge für sich verbuchte. Im Finale gegen Thiem [email protected] lieferten sich die Kontrahenten in den ersten beiden Sätzen ein Kopf-an-

communichator | 13 Grenzworträtsel Gewinnspiel !Wir verlosen drei Amazon-Gutscheine im Wert von je 25 Euro. 1 Wie funktioniert’s? 1 Einfach das richtige Lösungswort an [email protected] senden. Viel Spaß beim Rätseln. Wir drücken die Daumen! 8 (Einsendeschluss: 01.05.2017)

2 6 17 13 17

15 3 1

11 12 4 2

14 3

4 14 16

5 5 6 7 13 7

15

9 11 8 12 10 9 16 » » horizontal vertikal 1 ”Über den ... muss die Freiheit wohl grenzenlos sein” 10 Musik im Musical “Hinter‘m Horizont” von Udo ... 2 Unabhängigkeit (engl.) 11 Land, das an Deutschland grenzt 3 Staat in Westafrika, der an den Atlantik, Niger, Benim, 12 natürliche Grenze zwischen Frankreich und England Tschad und Kamerun grenzt 13 römischer Grenzwall 4 Bedeutung ”df” (statistisch) 14 deutscher Bundeskanzler bei der Verabschiedung des 5 veraltet “Schranke” Schengener Abkommens 6 Pass an der deutsch-österreichischen Grenze: ...pass 15 Land mit der längsten Landesgrenze der Welt 7 nicht geschlossen 16 Grenzbeamter 8 Grenze zwischen Himmel und Erde 17 Schleichhandel über Grenzen 9 begrenzte Auswahl (Adj.)

Lösungswort

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

14 | communichator Bio aus Überzeugung.

VollCornerBio VollCorner Biomärkte 15 x in München & Umgebung. vollcorner.de

vc_anzeige_bioueberzeugung_a4.indd 1 10.01.17 12:48 Tierisch gut drauf Die Nähe zu Tieren kann Wunder bewirken, ob in Therapien, auf Reisen oder zu Hause. Tiere önen einem das Herz und den Blick auf neue Horizonte. In diesem Artikel erzählt die communichator-Autorin ihre ganz persönliche Geschichte. Sie beginnt mit Frust, Unsicherheit und Angst – und sie endet mit einem neuen Ich. Von Minea Pejic

Meine Geschichte ng vor gut einem Jahr Aber ich wollte etwas ändern. Ich wollte für mich gemacht und es hat keinen nega- an. Verunsichert und frustriert ging ich mein eigenes Leben in den Gri kriegen und tiven Ein uss auf meine Verp ichtungen und durch mein Leben. Sorgen darüber, was aus mich nicht mehr von allen Seiten beschrän- Aufgaben genommen. Im Gegen teil: Ich bin mir werden würde, wurden alltäglich. Und ken lassen. An diesem Tag stieß ich auf ein meine P ichten plötzlich mit viel mehr Elan irgendwie schien nichts wirklich voranzuge- Gedicht, das mich zum Nachdenken brachte: und Motivation angegangen, weil es mir sel- hen. Die meisten von uns benden sich mit Der Traum vom Fliegen, geschrieben von ber gut ging. Wir Menschen haben uns vieles Anfang 20 ja in der Hochphase der Selbst- Michael Ende. Dann hat es Klick gemacht: von den Tieren abgeguckt. Egal ob was- ndung. Wer bin ich überhaupt? Was will ich Ich fühle mich begrenzt, weil ich es zulasse. serabweisende Materialien oder die Tech- mit meinem Leben bewirken? Warum mache Ich empnde negative Emotionen, weil ich nik des Schwimmens – vieles ng mit der ich mir immer so viele Sorgen und bin da- diese Emotionen heranlasse. Ich fühle mich Beobachtung von Tieren an und endete in durch gestresst und unglücklich? klein und machtlos, weil ich es zulasse, dass der Nachahmung des Beobachteten. Warum andere mir dieses Gefühl geben. Mich sollte dann nicht auch die Einfachheit und Gelas- Ich denke, diese Gedanken hatten viele von es nicht so viel kümmern, was meine Umwelt senheit von Tieren abschauen? An manchen uns schon mal – allen voran ich. Ist man von mir erwartet. Ich kann iegen, wenn ich Tagen bin ich wie ein Faultier und nehme mir dazu dann noch ein emotional hochsensi- das will. nur Zeit für mich und meine Entspannung, bles Wrack wie ich, halten einen die schlim- an anderen Tagen bin ich wie eine Katze und men Geschichten aus den Nachrichten über Die wirklich wichtigen Dinge Leid und Ungerechtigkeit und die eigene Machtlosigkeit, etwas zu verändern, nachts Ich nahm mir dann vor, einfach mal zu sein auch noch wach. Ich wollte was ändern, aber wie meine Katze Bambolina. Zu machen, ich konnte nicht. Dann sprang meine Katze was ich will, ohne ständig daran zu den- Bambolina zu mir ins Bett, schnurrte vor sich ken, was Andere von mir erwarten. Mehr zu hin und schlief hochzufrieden neben mir ein. entspannen und Spaß zu haben und sich auf „Mensch”, dachte ich mir. „Wenn ich nur so zu- sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu frieden mit den kleinen Dingen sein könnte konzentrieren, ohne sich ständig anpassen wie du. Eine Katze müsste man sein.“ Als zu müssen. Und siehe da: Es hat sich nichts erwachsener Mensch trit man ständig auf verändert. Bis auf den Umstand, dass ich viel gesellschaftliche Erwartungen, die man er- ausgeglichener und zufriedener war. Das Ausgehungert und traurig: Einer der beiden Straßenhunde, füllen muss und fühlt sich dadurch begrenzt. war ein tolles, neues Gefühl. Ich habe mehr die der Autorin im Urlaub begegneten.

16 | communichator Tiere machen Freude: Minea Pejic mit ihrer Katze Bambolina und dem Hund Jules.

verschwinde einfach raus in die Natur, um von sich wegtraten, als die beiden ihnen zu ich Fotos der beiden Hunde mit ihren glück- neue Orte zu entdecken, viel zu erleben und nahe kamen. Das brach mir das Herz. Die lichen Herrchen sehe. Durch dieses Erlebnis den Alltag mal hintanzustellen. Tiere machen beiden waren so verzweifelt, suchten Hilfe wurde mir bewusst, dass man nicht die sich keine unnötigen Sorgen über Belang- und Geborgenheit und bekamen dafür nur ganze Welt verändern muss. Das kann man losigkeiten, sondern konzentrieren sich auf Ablehnung und Hass. Ich fragte in der Nach- auch gar nicht. Was man aber kann, ist seine das, was sie gerade brauchen. Einfach mal barschaft umher, ob einer für die beiden kleine Welt um sich herum ein wenig besser machen, was man will, ohne nachzudenken einen Platz frei hätte, aber alles, was ich zu machen. Für die Welt war das Erlebnis mit und die Sorgen nur auf die wirklich wichti- hörte, war: „Wir können nicht einfach so zwei den zwei Welpen keine große Veränderung. gen Dinge im Leben zu beschränken – das ist Hunde aufnehmen, das kostet Geld und Zeit. Es gibt immer noch viele Straßenhunde, die es, was Tiere uns beibringen können. Das macht bestimmt viele Probleme und ich jeden Tag um ihr Leben kämpfen und nicht habe genug eigene Sorgen.“ so viel Glück haben. Aber es ist wichtig, sich Kleine Taten – große Wirkung vor Augen zu führen, dass sich für die beiden Welpen, deren Leben wir gerettet haben, die Da war aber immer noch mein dringendes ICH KANN HELFEN, ganze Welt verändert hat. Ich habe mich nie Bedürfnis, die Welt zu verändern, denn so wie in meinem Leben besser gefühlt als nach sie ist, kann man sie doch nicht akzeptieren. WENN ICH WILL – diesem Sommerurlaub. Ich habe nun endlich „Aber was kann man als kleine, einzelne Per- JEDER KANN DAS das Gefühl, etwas bewirken zu können. Ich son denn schon großes bewirken?“, dachte kann helfen, wenn ich will. Jeder von uns ich mir. Doch selbst hier haben mir Tiere Keiner traute sich, auch nur einen Finger kann das. Das haben mir die beiden Hunde gezeigt, wie viel man verändern kann, wenn krumm zu machen, aus Angst, dass es ihm ganz deutlich gezeigt. Und dafür bin ich man will. Im August letzten Jahres bin ich mit schade. Diese Gedanken hatten meine ihnen jeden Tag aufs Neue dankbar. meiner Familie nach Kroatien in den Urlaub Familie und ich anfangs auch. Aber ich habe gefahren. Zum Sonnen, Baden und Entspan- daran zurückgedacht, wie wertvoll es sein Deshalb hier mein Rat an jeden, der in einer nen. Dachte ich zumindest. Allerdings kam kann, seine Ängste und inneren Beschrän- ähnlichen Krise steckt, wie ich es getan habe: alles anders, als wir dachten. Bereits am ers- kungen fallen zu lassen und einfach etwas Nehmt euch ein Beispiel an Tieren! Lasst ten Tag bemerkte ich zwei kleine Welpen, die zu machen. So kam es, dass wir die beiden Tiere in euer Leben und ihr werdet sehen, hil os in unserer Nachbarschaft umherirrten. Welpen aufnahmen, uns um sie sorgten und wie gut sie einem tun. Lässt man sich auf Beide sahen mager aus und hatten viele sie ärztlich behandeln ließen. diese vermeintlich andere Welt ein, wird man kahle Stellen im Fell. Ich sah, wie Leute sie sehen, dass man gar nicht so verschieden ist. Da hatte der Urlaub zwar nicht mehr viel mit In manchen Sachen können uns Tiere sogar Entspannung und Sonnen zu tun – denn es als Vorbilder dienen. Mir haben sie gezeigt, war keine einfache Aufgabe, sich um zwei wie ich mein Leben leben soll und wie wich- Welpen zu kümmern – aber jedes Mal, wenn tig es ist, sich Freiheiten zu nehmen. Dass es wir sahen, wie froh die beiden waren und wie ausreicht, mit kleinen Dingen die Welt zu ver- schnell es ihnen besser ging, wussten wir: Das bessern. Ich weiß, wer ich sein will und wie war alle Strapazen und Ängste wert. Wir ha- ich mein Leben gestalten möchte. Und dafür ben zwei verängstigten und ho nungslosen bin ich tierisch dankbar. Seelen ein Leben ermöglicht, das ihnen ohne unsere Hilfe verwehrt geblieben wäre. Jetzt leben beide Hunde in einem tollen neuen [email protected] Mit ihrer Familie kümmerte sie sich um die Tiere. Und bald Zuhause – der eine in Slowenien, der andere blühten die beiden auf. Fotos: Minea Pejic in Deutschland. Ich bin jedes mal stolz, wenn

communichator | 17 Die Universiade Eine eigene kleine Welt Universiade die Abschlussfeier 2 13: in Russland Bei Bei der Unter dem diesjährigen Motto „Breite deine Flügel aus“ verbindet die Universiade – auch Weltsportspiele der Studierenden genannt – Sportler aus der ganzen Welt und setzt sich damit über die Grenzen von Nationen und Kulturen hinweg. Von Nicole Muskatewitz

Ein Lichtermeer aus tausend Farben, Fah- Alle sind gut drauf und euphorisch. Es ist die Chance, nicht nur ihr Können unter Be- nen der anwesenden Nationen, die im Wind eine tolle Atmosphäre – eine eigene kleine weis zu stellen, sondern gleichzeitig auch attern, Sportler aus über 50 Ländern, die in Welt für zwei Wochen.“ viele Menschen aus den verschiedensten die Kameras winken. Dann ein lautes Knallen: Ländern und Kulturen kennenzulernen. „Wir Der Himmel erleuchtet in schillerndem Glanz Insgesamt sind bei der Winter-Universiade halten an unserem Motto ‚Excellence in Mind und alle Gesichter richten sich nach oben. acht Kernsportarten vertreten: Ski Alpin, and Body‘ fest”, sagt ein Funktionär der FISU. Ski Nordisch, Eiskunstlauf, Eishockey, Short „Die Universiade verbindet pädagogische „Es war einfach der Wahnsinn.“ Anna strahlt Track, Biathlon, Snowboard und Curling. Im und kulturelle Aspekte in elf Wettkampf- über das ganze Gesicht. „Die Erö nungs- Programm der Sommer-Universiade sind es tagen, sodass studierende Athleten aus zeremonie, das Einlaufen der Nationen, das mehr Sportarten. Dazu zählen Basketball, der ganzen Welt gemeinsam mit der Gast- Feuerwerk – alles wie bei Olympia!”, sagt sie. Fechten, Fußball, Judo, Kunst- und Geräte- geberstadt im Sinne der Freundschaft und „Dieses Gefühl, gemeinsam mit tausenden turnen, Leichtathletik, Rhythmische Sport- des Sports feiern können.“ von Sportlern in das Stadion einzuziehen gymnastik, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, und zu sehen, wie das Universiade-Feuer Volleyball, Wasser- und Turmspringen und Spitzensport mit studentischem Flair ent ammt, kann man nicht in Worte fassen. Wasserball. Doch Sport ist mehr als nur der Es ist einfach unbeschreiblich schön.“ Wettkampf: Sport verbindet, Sport kennt Um teilnehmen zu können, braucht es aber keine Grenzen. Was für Spitzensportler die mehr als nur eingeschriebener Student und Anna war Teilnehmerin bei der Winter-Uni- Olympiade ist, ist für Studenten aus aller Sportler zu sein. Studierende dürfen maxi- versiade vor sechs Jahren im türkischen Er- Welt die Universiade. Seit 1959 werden die mal 28 Jahre alt sein und sie müssen von zurum in der Sportart Curling. „Das war ein Weltsportspiele der Studenten als internatio- ihren nationalen Verbänden ausgewählt super Erlebnis, die Universiade ist die zweit- nales Sport- und Kulturevent alle zwei Jahre und nominiert werden. Dabei werden nicht größte Wintersportveranstaltung der Welt – von der Fédération Internationale du Sport nur talentierte Nachwuchsleistungssportler Sportler aus vielen Nationen, die Frühstück, (FISU) organisiert und durchgeführt. Genau- aufgenommen. Etablierte Hochleistungs- Abendessen und alles Mögliche teilen”, er- so wie die Olympischen Spiele  nden sie im sportler sind die perfekte Ergänzung für das zählt Anna. „Es ist so ein ganz besonderes Sommer sowie im Winter abwechselnd in Team. Begleitet durch professionelle Trainer, Gefühl, dabei zu sein. Du läufst durch das Asien, Nordamerika und Europa statt. Bis zu Physiotherapeuten, Psychologen und Seel- Athleten-Dorf und grüßt Leute, die du noch 13.000 talentierte studierende Nachwuchs- sorger werden die Sportler optimal im Wett- nie vorher in deinem Leben gesehen hast. sportler bekommen in diesen zwei Wochen kampf unterstützt.

18 | communichator Bei all der Professionalität und Klasse des sportlichen Niveaus hat die Universiade ihr ganz eigenes, studentisches Flair beibe- halten. Die Verbindung von Spitzensport, kulturellen Impressionen und persönlichem Austausch ist einzigartig und verkörpert all das, was die Universiade sein möchte. In einem kulturellen Rahmenprogramm bekommen die Sportler in den zwei Wochen täglich facettenreiche Angebote: Koch- und Tanzkurse nach traditionellen Bräuchen des Gastgeberlandes, Treen mit sportlichen Vorbildern und die Chance, andere Sport- arten kennenzulernen und auszuprobieren. Außerdem bekommen die Sportler Einsich- ten in das kulturelle Verständnis von Sport in verschiedenen Ländern. Auch Anna konnte das beobachten: „Ich habe eine sehr nette Eiskunstläuferin aus China kennengelernt. Ich dachte, dort wäre die Sportausbildung traditionell und strikt vorgegeben. Sie hat mir Gewinnen schmeckt goldig - auch dem Eiskunstläufer Peter Liebers. jedoch erzählt, dass das System Schritt für Schritt geändert wird und sich immer mehr Lücke? Trit er den anderen Stein? Da steigt tauschen. Zusammenhalt stand dabei an er- an den Bedürfnissen der Sportler orientiert. das Adrenalin. Und wenn dann der Stein ster Stelle. „Gerade das gemeinsame Wohnen Dass China sich in Richtung Individualität trit, ist es der Wahnsinn.“ Als gute Curlerin und Leben stärken das Wir-Gefühl nochmal und Selbstbestimmung önet, hätte ich nie bringt Anna, wie viele andere Sportler auch, enorm. Das gegenseitige Mitebern sowie gedacht.“ In Deutschland hingegen sei das Ehrgeiz und Teamgeist mit – ganz wichtig die großartige Unterstützung der Trainer schon lange so. sind aber auch Beweglichkeit und das Gefühl und Oziellen hat das Ganze zu etwas ganz für das Eis. Fitness, Ausdauer und Konzentra- Besonderem gemacht.“ „Ich wurde damals vom Deutschen Cur ling tion spielen bei der Sportart ebenfalls eine Verband für die Universiade nominiert“, sagt große Rolle. Fragt man nach den Zielen, sagt Die BWL-Masterstudentin absolvierte ihr Anna. Sie ist mächtig stolz darauf. Curling Anna überzeugt: „Mein Traum ist natürlich Studium, wie die meisten Teilnehmer, neben ist eine auf dem Eis gespielte Teamsport art: Olympia. Wenn wir die nationalen Aus schei- dem Sport. Der interkulturelle Austausch mit Zwei Mannschaften, bestehend aus je vier dungen gewinnen und an Europa- und Welt- den Sportlern bei der Universiade und der Spielern, versuchen ihre Curlingsteine näher meisterschaften teilnehmen, können wir das Teamspirit, der bei diesem sportlichen Event an den Mittelpunkt des Zielkreises zu spie- schaen.“ vermittelt wird, hat sie auch für ihre beruf- len als die gegnerische Mannschaft. Anna liche Zukunft gestärkt. „Alle Sportler verste- be schreibt das Besondere daran so: „Das „Der Zusammenhalt war super.“ Anna blüht hen sich und tauschen sich untereinander Filigrane, die Millimeterentscheidungen ma- auf, wenn sie von ihren Erlebnissen bei der aus, auch wenn es dabei hie und da einige chen Curling aus. Man gewinnt und ver liert Universiade erzählt. Für sie war es ein be- sprachliche und kulturelle Hürden zu be- zusammen, jeder Stein ist ein Team-Stein. Oft sonderes Erlebnis, so viele andere Sportler wältigen gibt. Der Sport und der olympische sieht das im Fernsehen etwas lang weilig aus, kennenzulernen, sich mit ihnen über de- Gedanke, der bei der Universiade vermittelt doch der letzte Stein macht es aus. Es geht ren Sport arten zu unterhalten und sich wird, überwinden diese Grenzen.“ Dank der um alles und man denkt: Geht er durch die im deutschen Team untereinander auszu- Erfahrungen, die sie dort gemacht hat, fällt es ihr heute leicht, sich im Job in Gruppen einzunden, im Team zu agieren und mit den Kolleginnen und Kollegen Hand in Hand zusammenzuarbeiten. Und das ist es ja, was Sport, was die Universiade und andere Ge- meinschaftsevents erreichen wollen: Dass die Teilnehmer Erfahrungen mitnehmen, für die Zukunft lernen und den Spirit weiterge- ben.

Die Zuschauer applaudieren dem Feuerwerk, der Fackelläufer schreitet die letzten Stufen empor und entzündet das Feuer – die Uni- versiade ist erönet. Es sind Gänsehaut- momente, die Anna nie vergessen wird.

[email protected] Die Gewinner auf dem Siegerpodest vom Abfahrtswettbewerb der Skifahrer Fotos: adh

communichator | 19 Hilfe zwischen Krieg und Krisen Ruth Ulrich reist in Kriegs- und Krisengebiete, um medizinische Hilfe für Menschen in Not zu leisten. Sie engagiert sich für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“. Ein Gespräch über denn Willen zu helfen, das Risiko und die Erfahrungen, die sie geprägt haben. Von Isabell Wiethe

Frau Ulrich, was war Ihr erster Einsatz?

Myanmar. Das war ein Notfalleinsatz aufgrund des Hurrikans Nargis bei dem es zu einem Tsunami kam. Eine Kollegin, die schon erfahren Info war, baute das Projekt auf. Ich löste sie ab, arbeitete selbst noch drei ! Monate dort und schloss das Projekt dann ab. Das war sehr schön, Im Jahr 1971 schlossen sich zwei unabhängige Ärztegrup- weil Myanmar ein tolles Land ist und es in der Region sicher war. pen und Journalisten zusammen und gründeten „Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen“ in Paris. Im Jahr 1999 Kamen Sie schon einmal während Ihrer Einsätze persönlich an wurde dem internationalen Rettungs dienst der Friedens- Ihre Grenzen? nobelpreis verliehen. Mit rund 35.000 Mitarbeitern ist „Ärzte ohne Grenzen” in 60 Ländern im Einsatz. Sie finanzieren Ja oft, aber das ist auch normal. Man lernt sehr viel über sich selbst. sich hauptsächlich aus privaten Spenden. Die Prinzipien der Man überschreitet oft seine Grenzen, wobei man wirklich wissen Organisation sind: Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und muss, wie weit man über seine Grenzen gehen kann und wann es Neutralität. besser ist, seinen Einsatz zu beenden.

Wann gerät die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ an ihre Grenzen? weise zudem in all unseren Projekten Sicherheitsräume. In manchen Regionen haben wir sogar Bunker mit Vorräten für zwei Wochen. „Ärzte ohne Grenzen“ hat gewisse Standards, gerade im Unser Sicherheitsmonitoring ist aber eigentlich so gut, dass man medi zinischen Bereich. Im Tschad arbeitete ich in einer Klinik, in rechtzeitig Bescheid weiß, wann man raus muss. Es kommt manch- der ein Kind einen Herzfehler hatte. Das konnten wir nicht behan- mal vor, dass wir überfallen werden. Meist wird das Geld deln. Das nächste Behandlungszentrum war im Sudan. Wir können geraubt, den Leuten passiert aber nichts. Für solche aber weder die Überweisung tätigen noch den Transport oder die Situationen werden wir trainiert. Das Risiko Behandlung bezahlen. Das würde unsere Grenzen bei Weitem spren- für Leib und Seele ist aber nicht gen. Auch Krebserkrankungen können wir nicht behandeln. Es gibt wirklich hoch. zudem bestimmte Operationen, die wir nicht machen. Wir führen meistens Notfalloperationen durch und in manchen Projekten Wie- derherstellungschirurgie. Es gibt immer wieder Dinge, bei denen wir nicht helfen können. Man kann den Leuten Empfehlungen geben, wo sie sich behandeln lassen können, aber sie müssen es dann selber bezahlen, was sehr teuer ist. Es ist schwer zu wissen, dass im eigenen Land eine Behandlung machbar wäre, dieser Mensch jedoch im falschen Land geboren wurde und er deswegen früher sterben muss.

Wie geht man mit solchen Situationen um? Beschäftigt Sie das?

Es hängt immer sehr davon ab, was es ist. Ich habe im psychiatrischen und im medizinischen Bereich gearbeitet. Im medizinischen Bereich war es leichter, weil man sich da auf die technischen Dinge fokus- sieren kann. Im Psychobereich ist es schwieriger, weil man mit den Leuten direkt sprechen und sich emotional auf sie einlassen muss. Das geht einem dann natürlich deutlich näher. Genau deshalb sollte man sich in der Vorbereitung bereits überlegen, was einem in solchen Situationen hilft. Mit Kollegen sprechen oder Musik hören beispiels- weise. Man lernt aber mit der Zeit, wie man damit persönlich am besten umgeht.

Hatten Sie während Ihrer Einsätze Angst um Ihre Sicherheit? Ja. Unsere Sicherheit wird ständig überprüft, aber es gibt keine hun- dertprozentige Garantie. Man versucht zum Beispiel, das Kidnap- ping-Risiko zu minimieren, indem man sich nicht frei bewegt und nur in Gruppen mit dem Auto unterwegs ist. Wir haben normaler-

20 | communichator Ruth Ulrich im Gespräch mit Einheimischen im Südsudan 216 Fotos: Ruth Ulrich/MSF Hier ist die Ärztin bei ihrem Einsatz in Palästina im Jahr 29 zu sehen

Haben die Erfahrungen, die Sie bei „Ärzte ohne Grenzen“ sam- Wenn Sie zurückblicken, welcher Einsatz ist Ihnen am meisten in meln konnten, Ihre Sichtweise oder sogar Ihr Leben verändert? Erinnerung geblieben?

Teils, teils. Einer der Hauptgründe weswegen ich das mache, ist, Das war ein neunmonatiger Einsatz in Jordanien. Ein Projekt zur dass ich weiß, dass ich in einer Gesellschaft lebe, in der es mir an Herstellungschirurgie für irakische Kriegsverletzte. Inzwischen ist es nichts fehlt. Ich denke, dass es Länder gibt, in denen das nicht der ein Projekt für den ganzen Mittleren Osten geworden. Dort werden Fall ist und dass man von dem, was man hat, abgeben kann. Ein Teil irakische, jemenitische und syrische Kriegsverletzte behandelt. Es war unserer Sicherheit und unseres Wohlstandes beruht darauf, dass es in sehr prägend, da die Patienten sehr lange in dem Projekt und zum anderen Ländern nicht so aussieht. Für die Zustände in Afrika haben großen Teil Kinder waren. Einen neunjährigen kurdischen Jungen wir auch unsere Verantwortung. Viele von den Krisen werden von werde ich nie vergessen: Er hatte Verbrennungen an der Hand. Die Europa aufrechterhalten, um günstiger an Ressourcen zu kommen. Hand war voller Narbenwülste, sodass er die Finger nicht bewegen Für mich ist es deswegen wichtig, in solchen Ländern etwas Positives konnte. Man hat ihn operiert und seine Hand langsam trainiert. Als ich zu tun. Von daher hat sich nicht so viel verändert. Das einzige, was mich an meinem letzten Tag verabschiedete, kam der kleine Junge sich verändert hat: Ich bin noch dankbarer geworden, dass auf mich zu. Er hat mir mit seinen Händen ein Glas Wasser gegeben. ich hier geboren wurde. Zudem werde ich etwas Das war ein richtiges Abschiedserlebnis. Die Kinder in diesem Projekt unduldsamer, wenn Leute hier zu sehr jam- waren in einem sehr desolaten Zustand, da sie an ihren Verletzungen mern. oft schon lange litten. Es waren Fälle, die im Irak anbehandelt wur- den, in denen die Medikamente dann aber ausgingen oder die chirur- gischen Möglichkeiten nicht vorhanden waren. Die Kinder mussten mit sehr schlimmen Verletzungen leben, zum Beispiel, dass ein Teil des Gesichts fehlte. Verletzungen von denen ich gar nicht wusste, dass man sie überleben kann. Diese Kinder waren oft in ihrer Entwick- lung zurück oder wurden von andern Kindern gehänselt. Es gab ein irakisches Mädchen, dem die Nase und beide Hände fehlten. Schuld war eine Autobombe. Dieses Mädchen blühte später richtig auf.

Nach einem Einsatz kommt man zurück in die Heimat. Man hat viele Erfahrungen gemacht, die sicherlich prägend und vielleicht sogar traumatisierend waren. Wie kann man sich das Leben nach dem Einsatz vorstellen?

Anfangs legte ich meine Einsätze ziemlich dicht hintereinander. Ich nahm aber dazwischen immer mindestens drei Monate Pause. Das war wichtig und das brauchte ich auch. Es dauerte ein paar Tage, bis ich geistig einigermaßen in Deutschland angekommen war. Man muss sich erst umstellen. In den Kriegs- und Krisengebieten zu leben, ist viel intensiver als hier. Es gibt auch Leute, die danach traumatisiert sind. Wir haben aber eine Psycho Social Care Unit, die psychologische Gespräche mit den Mitarbeitern führt, wenn sie aus ihren Einsätzen zurückkehren. Dort arbeite ich nun.

Ruth Ulrich (r.) ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Für „Ärzte ohne [email protected] Grenzen” reiste sie bereits in verschiedene afrikanische und asiatische Länder. Das Bild zeigt sie mit einheimischen Mitarbeitern im Tschad im Jahr 211.

communichator | 21 Wie Musik es schat, Europa zu einen

Conchita Wurst bei ihrem Sieg in Kopenhagen 214 Foto: Albin Olsson

Der , eine der beliebtesten Unterhaltungssendungen der Welt, hat in Deutschland einen schweren Stand. Doch wer genauer hinsieht, der erkennt: Der Song Contest ist gar nicht so kitschig und irrelevant, wie sein Ruf das vermuten ließe. Von Andrzej Potaczek

Wenn über 200 Millionen Menschen auf der gesamten Welt gleich- unter, und als man beim verantwortlichen NDR gerade dachte, viel zeitig dieselbe Sendung im Fernsehen anschauen, so muss es sich schlimmer ginge es nicht mehr, kam es doch so: In den letzten beiden zweifellos um ein Ereignis von großer Bedeutung handeln. Meist Jahren wurde Deutschland jeweils letzter, 2015 mit und sind dies Sportgroßereignisse wie die Fußballwelt- und Europameis- ihrem übermäßig verführerisch vorgetragenen „Black Smoke“ blieb terschaft, die Olympischen Spiele oder monumentale Ereignisse man gar punktlos. Der Tiefpunkt scheint erreicht und der Zuschauer der Weltgeschichte. Oder eben der Eurovision Song Contest. Einen darf sich zurecht fragen, wofür er eigentlich noch einschaltet. Moment mal, der Eurovision Song Contest? Dieses TV-Event, das hierzulande als glorizierte Freak Show mit kaum musikalischem Historisch betrachtet wurde der Eurovision Song Contest im Jahr Mehr wert abgestempelt wird? Eben diese! Letztes Jahr schalteten 1956 für zwei Zwecke gegründet: Einerseits, um das damals noch nach Angaben des Veranstalters EBU weltweit über 204 Millionen neue Medium Fernsehen zu popularisieren, andererseits aber auch, Menschen ein, allein in Deutschland eberten beim großen Finale um einen zerrütteten Kontinent zu einen. Europa hatte immer noch im Stockholmer Globen über neun Millionen Zuschauer vor dem die Folgen zweier Weltkriege zu bewältigen. Um die Länder wieder Fernseher mit. Aber das geht auch noch besser: Island beispielsweise einander anzunähern und mit den jeweiligen Kulturen vertraut zu hat für das ESC-Finale regelmäßig Einschaltquoten im Bereich der machen, wurde der Contest von der European Broadcasting Union 95 Prozent, in Schweden geht die Begeisterung gar so weit, dass seit unter Leitung des Schweizer Präsidenten Marcel Bezençon nach 2000 die meistgesehene TV-Sendung des Jahres nur in einem Jahr dem Vorbild des italienischen Sanremo-Festivals ins Leben gerufen. nicht der nationale Vorentscheid war. Ironisch: Das Sanremo-Festival ist mittlerweile zum italienischen Vorentscheid des ESC geworden. Der Plan Bezençons ging auf: Möglicherweise liegt die eher ablehnende Grundhaltung gegenüber Nachdem beim ersten Wettbewerb im schweizerischen Lugano nur dem Song Contest in Deutschland daran, dass man die letzten Jahre sieben Länder teilnahmen, waren es nur zehn Jahre später bereits erfolglos blieb. Seit dem überragenden Sieg Lenas 2010 scheint der 18. Endgültig aber wurde das Ziel der musikalischen Vereinigung damals aufgebaute Hype immer weiter abzuebben. Während Lena Europas erst 1993 erreicht. Während davor nur Jugoslawien als Ost- und in den beiden Jahren danach immerhin noch Top- blockstaat teilnahm und den Contest 1989 sogar gewann, stießen ab 10-Platzierungen erreichten, gibt es seit dem Ausscheiden Stefan 1993 zunehmend die meisten anderen ehemaligen Oststaaten hinzu Raabs aus dem Auswahlprozess der deutschen Vertreter ein riesiges und verewigten sich auch gleich in den Annalen des Wett bewerbs. Erfolgsdefizit. und Elaiza gingen beim Contest schlicht Polen erzielte bei seinem Debüt 1994 mit Edyta Górniak einen mehr

22 | communichator als respektablen 2. Platz, 2001 wurde mit Estland einer der aus dem Zerfall der Sowjetunion wiederentstandenen Staaten erstmalig Sieger des ESC. Den endgültigen Autorentipp Durchbruch zum Weltevent scha te der Con- ! test im Jahr 2015 in der Wiener Stadthalle. Bei Heroes von Måns Zelmerlöw (Schweden, Siegertitel 2015): der 60. Ausgabe des Wettbewerbs trat erstmalig Radiotauglicher Song, bombastisch spektakuläre Bühnen- Australien als Teilnehmer auf, Guy Sebastian mit show, ein würdiger Siegertitel. seiner Nummer „Tonight again“ verhalf dem Land Down Under zu einem überragenden fünften Rang. Nel blu dipinto di blu von Domenico Modugno (Italien, 1958): Dieser Klassiker schaffte als einer der ersten Euro- Den Wettbewerb nach Wien zum historischen 60. Con- visionssongs den Sprung in den Mainstream. test zu holen, dies hat wohl die kontroverseste Siegerin När jag blundar von Pernilla Karlsson (Finnland, 2012): des ESC gescha t. Tom Neuwirth alias Drag-Künstlerin Der in 61 Jahren ESC-Geschichte nach Meinung des Autors errang in Kopenhagen mit der an James- schönste Beitrag überhaupt, ruhig und einfühlsam im Bond-Filme erinnernden Ballade „“ auch wunderschönen Schwedisch vorgetragen, mit einem der dank grandioser Bühnenshow den Sieg für die Alpenrepu- berührendsten Texte der Wettbewerbshistorie. blik. 49 Jahre nach Udo Jürgens holte nun also Conchita den zweiten Sieg der Wettbewerbsgeschichte für Österreich, stand dabei aber sehr stark in der Kritik von vor allem konservativen osteuropäischen Medien, die den Auftritt als Angri auf ihre tra- nicht nur von der Sängerin selbst verfasst wurde, sondern auch viel ditionellen Vorstellungen von Geschlechterrollen interpretierten. mehr über wahre Emotionen die Hörer begeisterte. Der nächste Euro- In der Wiener Stadthalle und in der breiten Ö entlichkeit wurde vision Song Contest  ndet im Mai 2017 nach Jamalas Sieg also im Conchitas Erfolg aber positiv aufgenommen, als ein Sieg im Zeichen ukrainischen Kiew statt. „Gerade in Kiew!“, möchte man fast schon der Toleranz als grenzenloser europäischer Grundwert. sagen, nachdem bereits der Triumph der Ukrainerin vor dem rus- sischen Favoriten Sergey Lazarev als politisches und nicht musika- Die wichtigste Intention des Eurovision Song Contest ist es aller- lisches Votum interpretiert wurde. Befürchtet wird, dass trotz der dings schon seit jeher, ein „Showcase of cultures“ zu sein, also ein Regel, dass Wettbewerbsbeiträge keinerlei politische Botschaften europäisches Schaufenster in die Historien und Geschmäcker der enthalten dürfen, der Contest von einigen Ländern als Möglichkeit jeweiligen Teilnehmerländer. Sehr häu g machen zur Provokation genutzt werden könnte. sich dies vor allem Balkanstaaten zu Nutze, indem sie eine stereotypische Ethno-Ballade nach Vor- WAS FÜR ALLE Doch gerade heute, in einem politischen Klima, bild des serbischen Komponisten und Sängers das von Kälte und zunehmender nationaler Željko Joksimović als Beitrag präsentieren. Aber ZÄHLT, IST DAS Abschottung geprägt ist, sollte man den Eurovi- auch andere Länder  nden ihre Nische: Sei es der MITEINANDER sion Song Contest auch als einen Leuchtturm der von Jahr zu Jahr ähnlich klingende radiotaugliche europäischen Gemeinschaft feiern. Wenn sich Pop aus Dänemark, Gute-Laune-Musik von der iberischen Halbinsel im Mai über 10.000 Fans in Kiew zum gemeinsamen Feiern tre en oder die Alibi-Lieder des Vereinigten Königreichs, die immer wieder und wieder über 200 Millionen Menschen auf der ganzen Welt vor nach „Wir wollen bloß nicht gewinnen“ klingen. Bezeichnend in den dem Fernseher sitzen und dem musikalischen Wettstreit entge- ver gangenen Jahren ist aber vor allem der Trend in den baltischen gen ebern, dann sollten für drei Tage jegliche Sorgen, Ängste und Staaten. Estland ist mit Stig Rästa als Komponist zur Bank für Befürchtungen in den Hintergrund treten. Denn egal, welches Land angenehme Retro-Big-Band-Klänge geworden, Lettland hingegen auch gewinnt, Sieger beim Eurovision Song Contest sind alle die, bei überrascht mit der Komponistin Aminata Savadogo als Zentrum für denen das Miteinander statt des Gegeneinanders im Vorder grund hochmoderne Stücke, die sich qualitativ de nitiv nicht vor modernen steht. Für den Eurovisionsfan gibt es nämlich nur ein Gefühl das Charthits verstecken müssen. angenehmer ist, als jedes Jahr aufs Neue das schön verpackte ESC- Geschenk aufzumachen und sich von den Klängen aus ganz Europa Leider ist aber auch ein gegensätzlicher Trend zu beobachten: Immer überraschen zu lassen. Nämlich die Gewissheit, dass an diesen Aben- mehr Länder greifen zur musikalischen Importware, lassen sich ihre den ganz Europa eine grenzenlose Gemeinschaft von Musikfreun- Songs von ausländischen Komponisten schreiben. Hauptexporteur den ist. Politische Brisanz liefert dem Contest in jedem Jahr Relevanz, ist dabei Schweden mit ihrer Riege von Starschreibern wie Thomas in seiner mittlerweile weltweit einenden Wirkung hat der ESC eine G:son, Fredrik Kempe, Anderz Wrethov oder Joy und Linnea Deb. soziale Stellung, die man guten Gewissens in der Form als einzigar- Allein beim vergangenen Wettbewerb 2016 waren zwölf von 43 tig beschreiben kann. Künstlerisch ist durch die enorme Vielfalt der Songs, also über ein Viertel, aus schwedischer Feder. Kein Wunder Beiträge für jeden Zu schauer und Zuhörer etwas dabei, immer  nden jedoch, schließlich ist Schweden das erfolgreichste Land der letzten sich gar wahre Perlen unter den Liedern. Wie es also um den Eurovi- Jahre, liegt bei der Anzahl der Wettbewerbssiege nur hinter Irland sion Song Contest steht? Trotz der eher kritischen Grundhaltung dem auf Rang Zwei, und verpasste in seiner gesamten Contesthistorie nur Wettbewerb gegenüber in Deutschland sprechen die Zahlen eine 2010 mit Anna Bergendahl dank einer höchst suboptimalen Insze- positive Sprache. Hohe Einschaltquoten und Charterfolge für Wett- nierung des eigentlich guten Songs das Finale. Brisant: Der spätere bewerbsbeiträge zeigen klar: Der deutschen TV-Landschaft würde Vierte des Jahres, Dänemark, wurde mit der ebenfalls schwedischen ohne das alljährliche Show spektakel de nitiv etwas fehlen. Produktion „In a moment like this“ zum schwedischen Vorentscheid gar nicht erst zugelassen. Die Jury fand das Lied zu schwach. In Anbetracht des Abrückens vieler Länder von einheimischen Kom- [email protected] positionen ist es umso erfreulicher, dass im vergangenen Jahr mit „1944“ von der ukrainischen Künstlerin Jamala ein Lied gewann, das

communichator | 23 Mauern im Kopf In einer Zeit, in der man ganz einfach mit Menschen auf der anderen Seite der Welt kommunizieren kann, verschwimmen nationale Grenzen immer mehr. Brauchen wir sie überhaupt? Ein Plädoyer für mehr Freiheit. Von Julius Bingmann

Die meisten Studenten werden es nicht mehr Ziel des Schengen-Abkommens waren anders kennen: Man kann mit dem Auto ein- nicht nur offene Grenzen, sondern auch fach ins benachbarte Frankreich fahren, ohne eine einheitliche Visumspolitik und eine in einem langen Stau am Grenzübergang zu einheitliche polizeiliche Zusammenarbeit stehen. Kein vorgezeigter Reisepass, bei dem innerhalb der Mitgliedsstaaten. Dabei sollte der Beamte einen Stempel setzen muss, kein man aber schon beachten, dass es durchaus Visum, um in ein naheliegendes Land zu stimmt, dass durch die Osterweiterung des reisen. Für viele ist es undenkbar, dass dies Schengen-Raums die Kriminalität anstieg. noch vor 30 Jahren nicht so einfach möglich Autodieben und Einbrecherbanden, vor war. 1985 beschlossen die Benelux-Staaten, allem aus Osteuropa, erleichtert man durch Frankreich und Deutschland, den Abbau der offene Grenzen die Arbeit. Innerhalb nur Grenzkontrollen. Heute gehören Länder wie weniger Stunden sind diese mit einem Slowenien, Portugal und 24 weitere zum geklauten Luxuswagen wieder in ihrem sogenannten Schengen-Abkommen, das Land, ohne dass ein Grenzbeamter den diese Reisefreiheit in Europa ermöglicht. Ur sprung des Autos kontrolliert.

Was in Europa klappen kann, könnte doch Das Problem ist hier jedoch nicht, dass auch mit jedem Land dieser Welt funktionie- die Grenzen offen sind, sondern dass die ren? Braucht es da überhaupt noch Grenzen? nationalen Behörden immer noch nicht Der Gegner einer Welt ohne Grenzen würde richtig zusammenarbeiten. Gäbe es ein sagen: Öffnen wir die Grenzen, kommt es einheitliches Rechtssystem und einen zur Masseneinwanderung in die „reichen stetigen Austausch der Behörden, könnten Länder“ und damit werden diese Länder Verbrecherbanden schon vor der Tat gefasst überbevölkert. Der Befürworter würde ent- werden. Trotz Vollmitgliedschaft in der EU gegnen: Natürlich würden viele Menschen sind beispielsweise Bulgarien, Rumänien aus ärmeren Ländern umsiedeln, jedoch oder Kroatien noch nicht in den Schengen- belegen Studien, dass Zuwanderung einen Raum aufgenommen worden, weil es in positiven Eekt auf Beschäftigung und Löhne diesen Ländern an den erforderlichen Maß- hat. Der Gegner wiederum: Ohne Grenzen nahmen gegen organisierte Kriminalität und steigt die Kriminalität ins Unermessliche. Korruption mangelt. Keiner würde mehr kontrolliert. Die Befür- worter fragen dann: Gibt es denn jetzt noch Daran erkennt man, dass durchaus kon- keine Kriminalität? Werden Waen, Drogen trolliert wird, welche Länder den Stan- und sogar Menschen nicht schon jetzt über dards an Rechtssystemen entsprechen, die mehrere Staatsgrenzen geschmuggelt? eine Welt ohne Grenzen bräuchte, um zu funktionieren. Ein Beispiel dafür, wie eine – Beispiel Drogen: Fünf Prozent der Deutschen wenn auch langsame – Önung einem Land nehmen regelmäßig Drogen, die meisten guttun kann, ist die Schweiz, bei der man von ihnen Cannabis. 80 Prozent des Can- beim ersten Gedanken gar nicht von einem nabis in Deutschland wird in Marokko herg- oenen Land sprechen würde: Dieses Land estellt und ndet dann seinen Weg in die EU, nämlich, das noch in den 1980er Jahren trotz Grenzen. An diesem einfachen Beispiel Frauen vorschrieb, beim Kauf eines Autos kann man sehen, dass auch Grenzen Krimi- die Genehmigung des Mannes einzuholen, nalität nicht einfach stoppen. Oder nutzt der landete in den 90er Jahren in einer tiefen 1125 Kilometer lange Zaun zwischen Mexiko Rezession. Vor allem durch die Öffnung und den USA wirklich dem Kampf gegen ille- hin zu Partnern –wie etwa durch den Bei- gale Einwanderung und Drogenschmuggel? tritt zur Weltbank, die Verhandlungen mit Jährlich kommen hier Schätzungen zufolge dem Europäischen Wirtschaftsraum, den etwa 500.000 Menschen illegal über die UN- Beitritt oder den 2005 beschlossenen Grenze, 90 Prozent des Kokains in den USA Beitritt in den Schengen-Raum – konnte es Foto: pixabay überqueren diese. die Schweiz schaen, mittlerweile fast jedes

24 | communichator Jahr einen Budgetüberschuss zu erzielen, Bundesländern immer noch klar die Grenze Ansporn für instabile Länder sein, sich an während andere EU-Staaten vor dem Bank- gezogen, dass der Staat nicht mitbestimmen gültige Rechtsstandards zu halten. rott stehen. Und wer nun immer noch denkt, darf. Schon lange ist bekannt, dass ein Abitur die Schweiz würde sich zu stark abschotten: in Bayern im Vergleich mit anderen Bundes- In der heutigen Welt, in der internatio- In der Schweiz war laut dem statistischen ländern schwerer ist. Trotzdem wollen sich nale Bedrohungen und Gefahren lauern, Bundesamt 2015 jeder vierte Bürger ein Aus- die Kultusminister nicht auf einen einheit- sollte nicht jedes Land unterschiedlich ent- länder. In Deutschland ist es nicht einmal lichen Abschluss verständigen, obwohl jeder scheiden, wie man darauf reagieren sollte. jeder zehnte. Abiturient mit seiner Note an den Hoch- Internationale Probleme verlangen interna- schulen schließlich tionale Lösungen und nicht Einzelkämpfer. Offene Grenzen auf gleich behandelt Viele Menschen meinen, durch Grenzen der Welt könnten wird. würden wir mehr Freiheit erlangen, denn zum einen die welt- SCHOTTET MAN wir seien sicherer und müssten uns somit weite Wirtschaft SICH AB, SPERRT Natürlich wäre weniger Sorgen machen. Doch: Wer sich an kurbeln. Experten es illusorisch, zu abschottet, sperrt sich ein, und wer einge- gehen davon aus, MAN SICH EIN. UND glauben, dass jedes sperrt ist, kann nicht frei sein. Ist es denn dass sich der Wert WER EINGESPERRT Land seine Gren- wirklich sinnvoll, das Glück entscheiden zu aller Bruttoinlands- zen öffnen kann lassen, wo man geboren wird? Und ist es fair, produkte zusammen IST, KANN NICHT und dabei alles dass diejenigen, die nicht das Privileg hatten, genommen sogar FREI SEIN gut geht. Beispiele in einer reichen Nation geboren worden zu verdoppeln ließe. aus der jüngsten sein, häu g für immer in ihrem Geburtsland Vergangenheit zeigen, dass o ene Grenzen und arm bleiben müssen? Freiheit besteht Aber o ene Grenzen nutzen nicht nur der auch die Gefahr von unkontrollierten und doch genau darin, selber zu entscheiden, Wirtschaft, sie würden Menschen auch in kurzfristigen Ein- und Ausreisen bergen. wann und wo ich hinreisen möchte, wo ich ihrer Mobilität weiter fördern. Warum es Viele Länder auf der Welt be nden sich im leben möchte und wie lange ich dort bleibe. hier noch großen Nachholbedarf gibt, zeigt Krieg, sind instabil oder versinken in Korrup- beispielhaft die Bildungspolitik in Deutsch- tion und Gewalt. Hier muss man genauestens land. Während in mittlerweile 47 Staaten kontrollieren, wer zu dieser „Union“ gehören das vereinheitlichte Bachelor-System an kann und wer nicht. Das kann nur durch den Hochschulen eingeführt wurde, ist das eine enge Zusammenarbeit der jeweiligen [email protected] Bildungswesen hierzulande immer noch natio nalen Behörden funktionieren. Häu g Ländersache. Hier wird von den einzelnen könnte so ein Zusammenschluss auch ein Anzeige

communichator | 25 Up to God and down to Hell Extremlauf über die Alpen

Acht Tage, 300 Kilometer und rund 15.000 Höhenmeter liegen zwischen Ruhpolding und Sexten, zwischen Start und Ziel. Das zu laufen, ist für viele eine unvorstellbare Strapaze. Für Wolfgang ist es ein Abenteuer. Was die Strecke dem Sportler abverlangt, wie er die enorme Belastung erlebt – und warum er es trotzdem liebt. Von Lena Maurer

Nebelverhangene Berge, glasklare Luft, die in den Lungen auszupowern. Und so wie man als Geschäftsmann und Sportler sticht und das Gewusel einer Menschenmenge, die sich im in einem kleinen Tal einfach alle Leute kennt, traf er auch auf der vollen Bewusstsein in den nächsten vier bis acht Stunden einer Alm sehr viele bekannte Gesichter. Darunter war Andreas (damals extremen körperlichen Strapaze hingeben wird. So unge- 46, Bankangestellter), ein sympathischer Kerl, den Wolfgang bis fähr sieht der Morgen eines Transalpine-Run Teilnehmers aus, dahin kaum kannte. Doch nach ein paar Bier und einen Handschlag wenn er sich an die Startlinie drängt. Dann das Los – und es haben sie beschlossen, den „Transalp“ zu laufen. wird gerannt, als ob es um alles ginge. Bei einem Trailrun wird abseits asphaltierter Straßen gelaufen, es geht durch die Natur, Natürlich bereute Wolfgang es am nächsten Morgen zutiefst, als er in diesem Fall durch die Berge. Teilweise sind die Teilnehmer sich im Netz näher über den Run informierte, dem er am Tag davor auch Eindrückesammler, denn eins ist gewiss: Die Szenerie der noch so begeistert zugesagt hatte. Aber wäre ein Mann ein Mann, Alpen ist spektakulär. Hinter jeder Ecke verbirgt sich ein neuer wenn er nur im trunkenen Zustand an sich selbst glauben würde? Schatz, der nur darauf wartet, ent- Nein. Noch dazu konnte er Andreas deckt zu werden. Schro e Felsen, nicht im Stich lassen, denn beim Hoch ebenen voller Bergblumen ZWISCHENDURCH MUSSTE „Transalp“ darf man nur in Teams und sattem Gras, Ausblicke, als ob starten. Und so fing Wolfgang an man auf das Dach der Welt gerannt ICH MIR ZEIT NEHMEN, zu trainieren. Jeden Tag aufs Neue wäre. All das verspricht der Gore- 40 KILOMETER IN DEN trainierte er. Zu seiner Tochter sagte Tex® Transalpine-Run. Zugleich er nur: „Ich musste mir einfach die gehen aber die körperlichen Reser- BERGEN RUMZULAUFEN Zeit nehmen, zwischendurch 40 ven zu Ende, der Geist verändert seine Sichtweise und im Ziel Kilo meter in den Bergen rumzulaufen.“ ist man ein anderer, als man anfangs glaubte zu sein. Nichts für schwache Nerven? Bestimmt nicht. Aber das Futter für Geschich- Als er Ende August mit Andreas nach Ruhpolding fuhr, wusste er ten eines Extremsportläufers, zu dem auch Wolfgang wurde. immer noch nicht richtig, was die nächsten acht Tage alles auf ihn zukommen würde. Wie er sich selbst verändern würde. Das Gefühl Eigentlich ist Wolfgang (heute 52 Jahre) Geschäftsmann, er an der Startlinie war wie ein Prickeln. Es waren so viele Leute liebt den Sport aber schon immer. Vor allem das Berglaufen gekommen. Insgesamt waren 241 Teams am Start. Mit seinen ist seine große Leidenschaft. Dass er zum Extremsportläufer damaligen 43 Jahren war er älter als die meisten. Er hatte Erfah- werden würde, hatte er sich mit 39 Jahren nicht gedacht, als er rung mit den Bergen. Er kannte die Alpen. Das würde ihm zu Gute sagte: „Bevor ich 40 werde, möchte ich einen Marathon laufen“. kommen, das wusste er. Dazwischen ist viel Zeit vergangen. Aus einem Marathon wur- Als der Startschuss  el, war es einfach nur ein Riesengetümmel den zehn, aus einem Berglauf 30. Zum ersten Extremtrailrun kam aus unendlich vielen Gesichtern. Damals wusste er noch nicht, es im Jahr 2008 – eigentlich ganz plötzlich. Es war im Januar, als dass im Laufe des Runs 30 Prozent von ihnen ausscheiden würden. Wolfgang so wie jeden Mittwochabend eine Skitour zur Pircher Die ersten drei Tage waren die Strecken weit und für Wolfgang Alm machte, um sich nach getaner Arbeit nochmal so richtig unbekannt.

Foto: Kelvin Trautman

26 | communichator Aller dings waren es noch nicht die schwierigen Höhenmeter, die ihn später erwarten würden. Das Wetter war bei seinem ersten „Trans- alp“ 2008 im Gegensatz zu den folgenden Jahren richtig gut. Der strömende Regen und der Schnee auf den Bergen blieben weit- gehend aus. Wolfgang bekam jeden Tag einen Routenplan mit auf seinen Weg. Ab der vierten Etappe in Südtirol war er wieder in seiner Heimat. Das Pustertal kannte er schon damals wie seine Westen- tasche. Er wusste, was auf der weißen Wand auf ihn warten würde oder wie extrem die Dolomiten sein konnten.

Und dann war da plötzlich eine Sucht, die ihn packte, so würde es wohl jeder Extremsportler von sich behaupten. Wo waren die Grenzen des eigenen Körpers? Hatte man denn überhaupt welche? Was würde es kosten, sie zu überschreiten? Das Adrenalin, wenn man an die Startlinie ging. Der Puls, der überkochte. Nur von außen, da tat man so, als wäre es ein Klacks und als wäre der Lauf nichts Besonderes gewesen. Ein jeder könne es scha en. Nur das Strahlen im Gesicht und dieses Blitzen in den Augen deuteten darauf hin, wie unglaublich stolz er auf sich war. Wolfgang beim Zieleinlauf in Sexten Foto: sportograf.com Seine Familie machte sich natürlich Sorgen. Sie waren alle stolz, na klar, aber gleichzeitig war es einfach nur heftig dem Einlauf der Doch Helmut war gut. Zu gut. Die ersten Etappen zusammen ogen Teams zuzuschauen. Dünn waren sie alle, fast schon abgemagert. sie fast ins Ziel. Sie überholten die Jüngeren Reih um Reih. Wolfgangs Sie hatten muskulöse Beine, an denen kein Gramm Fett zu  nden Wille war aber stärker als sein Körper und so geschah es, dass er sich war. Ein Teilnehmer sagte dazu einfach nur: „Jedes Gramm Fett, das überschätzte. Beim Abwärtsrennen wurde sein Schienbein plötzlich du hast, musst du da hochtragen.“ Er deutete dabei mit seinem Zei- immer dicker und röter und er musste vom Arzt behandelt werden. ge nger den Alpenkamm hoch. Auch der Zustand der Teilnehmer Die Diagnose: Fast wäre es zum Ermüdungsbruch gekommen. Das veränderte sich von Etappe zu Etappe. Sie schienen zwar glücklich zu Schienbein hätte sich einfach in zwei geteilt, wenn er noch eine halbe sein, gleichzeitig standen sie aber so sehr unter Adrenalin, dass sie es Stunde länger gerannt wäre. Zwei Monate Pause waren die Folge und nicht zu merken schienen, wie ihr Körper sich veränderte. Die Blasen ein geplatztes Abenteuer, das er nicht so leicht wegstecken konnte. an den Füßen waren o ene Wunden, die Beine schienen zu pulsieren. Deswegen musste er wahrscheinlich auch 2014 noch einmal antreten. Aber auch die Gesichter wurden fast schon faltengeprägt. Als ob man Wolfgang ist eine Kämpfernatur und würde nicht aufgeben. Dieses aus 20-Jährigen alte Männer machen würde, so weise, aber auch so Mal scha te er es auch und belegte mit Heini in der Senior Master ausgemergelt sahen die Teilnehmer aus. An den Frauen waren zwar Klasse in einer Tageswertung sogar den dritten Platz. noch weibliche Konturen zu erkennen, irgendwie aber waren sie anders geworden. Ein Abklatsch von den starken Athletinnen, die in Mittlerweile reizt Wolfgang der „Transalp“ nicht mehr. Er will sich Ruhpolding gestartet waren. neuen Herausforderungen stellen, anderen Läufen, auf anderen Ber- gen. Aus Wolfgang wurde ein Extremsportler. Er braucht Nervenkitzel Normalerweise heißt es ja, man solle nach einem Marathon und Adrenalin – und keinen Lauf, den er jährlich aufs Neue absolviert. mindestens zwei Wochen pausieren. Die Teilnehmerteams beim Dennoch wird er seine Erlebnisse niemals vergessen. Er wird sich „Transalp“ pausieren eine Nacht, kriechen dann wieder aus ihren immer an die Härte dieses Trailruns erinnern und daran, was er mit- Schla agern, zwängen sich in ihre Sportklamotten und schleifen gemacht und erlebt hat. Und auch die Schönheit der Berge, die ihm sich zur Startlinie, um in die Wildnis zu verschwinden und einen alles abverlangten und auch heute noch Tag für Tag nach ihm rufen, neuen Marathon zu absolvieren. Sie laufen praktisch in acht Tagen wird er niemals vergessen. Sie haben ihn geprägt und geformt und einen Höhenunterschied von Meereshöhe auf einen 8000er und aus ihm den Mann gemacht, der er heute ist – ein Extremsportler. wieder zurück. Dass es dabei nicht alle scha ten ist klar. Manche über nehmen sich schon bei den ersten Strecken. Manche kommen mit den Temperaturunterschieden nicht klar. Wieder andere über- schreiten das Zeitlimit, das bei jeder Strecke ein anderes ist und bei rund acht bis neun Stunden liegt. !Info Einmal hatte sich auch Wolfgang übernommen. Beim Training zum Der Gore-Tex® Transalpine-Run  ndet jährlich auf wech- „Transalp“ 2010 knickte zuerst seine damalige Teamkollegin um und selnden Strecken Anfang September statt. Es werden drei bis konnte nicht mehr antreten. Seine Ersatzpartnerin Klaudia scha te vier Länder laufend durchquert und acht Tage nacheinander es, vielleicht auch aufgrund mangelnder Vorbereitung, nur bis zur ein Marathon absolviert (insgesamt rund 300km). Auf der vierten Etappe. Wolfgang wollte aber nicht aufgeben, das liegt nicht Strecke werden ungefähr 15.000 Höhenmeter quer über den in seiner Natur. Und so startete er zusammen mit einem anderen Indi- Alpenkamm zurückgelegt. vidualrunner, Helmut aus Österreich. Das ging natürlich auch, wurde dann aber nicht richtig gewertet. Alleine in den Bergen war es einfach zu gefährlich. Es würde ihm die Sicherheit eines Partners fehlen, der einen durch die schwere Zeit begleitete. Das Dröhnen in den Ohren, wenn man die Berge üstern hört, während einer Strapaze wie die- [email protected] ser; Wolfgang kannte sich zu gut um zu wissen, dass man in dem Fall jemanden an seiner Seite brauchte.

communichator | 27 Wenn die Welt grau wird Ein leeres Blatt, leere Leinwände, nichts scheint mehr machbar. Burnout. Für Künstler und Scha ende bedeutet das oftmals nicht nur das Ende ihrer Karriere. Von Sarah Maurer

Der Inspiration, die früher sogar im gewöhn- Leistungsdruck von außen verbunden mit führt dazu, dass bei tausenden Deutschen lichen Alltag zu finden war, ist die Ideen- zu wenigen Erholungsphasen lassen keine Anzeichen für eine psychische Störung fest- losigkeit gewichen und jeder neue Auftrag Muße zu. Die Situation verschärft sich, sodass gestellt werden, wobei jeder Betro ene ein scheint wie ein weiterer Stein auf der Mauer, sich daraus eine ernst zunehmende Krankheit individuelles Muster von Symptomen zeigt. hinter der sich die Kreativität zurückgezogen entwickeln kann. Beim Burnout-Syndrom handelt es sich um hat. Wenn Künstler und Schaffende einen einen stetig fortschreitenden Prozess, bei Burnout erleiden, können nicht nur Karrieren dem bis heute keine allgemeintypischen enden: Denn meist ist die Arbeit auch MAN FÜHLT SICH Entwicklungs schritte festgelegt sind. Neben Hobby und Leidenschaft, sodass anhaltende körperlichen Beschwerden äußern sich Inspirationsblockaden die gesamte Identität AUSGELAUGT allerdings meist bereits in der Anfangs- belasten. Vivienne Decker (Anm.: Name von d. UND MENTAL phase psychosomatische Anzeichen. Das Redaktion geändert). malt seit ihrer Kindheit Überengagement in der Arbeit reduziert und hat ihr Talent für eine Karriere als frei- MÜDE. sich, gleichzeitig ziehen sich Erkrankte aus schaffende Künstlerin genutzt. Schaffens- NICHTS SCHEINT ihrem sozialen Leben zurück und leiden krisen kennt sie: Ein Phänomen, mit dem unter Aggressionen und Depressionen. Das wohl jeder in einem kreativen Beruf von Zeit ZU KLAPPEN letzte Symptom eines Burnouts ist die Ver- zu Zeit zu kämpfen hat. Wenn sich diese Kri- zweiflung, die bis hin zu Suizidgedanken sen aber zu einem Burnout ausweiten, hel- Nach Gewerkschaftsangaben arbeitet je der führen kann. Etwa 13 Millionen Arbeitneh- fen oft weder Zeit noch eigene Strategien, zehnte Deutsche mehr als 60 Stunden in mer sind laut Gesundheitsexperten und um das alte kreative Selbst wiederzu nden. der Woche. Dabei Familie und Partner- Krankenkassen in Deutschland von einem „Normalerweise wirkt eine kleine Auszeit schaft nicht zu vernachlässigen, stellt ei nen Burnout betroffen. Lange Arbeitsausfälle Wunder”, sagt Vivienne. „In den Urlaub zu weiteren belastenden Faktor dar. Verstärkt sind keine Seltenheit. So führen die durch- fahren oder sich nur eine Zeit lang mit ganz wird das Burnoutrisiko zudem durch die schnittlich 30,4 Krankheitstage, die laut anderen Dingen zu beschäftigen, hilft oft eigene Veranlagung und bestimmte Persön- Weltgesundheitsorganisation pro Jahr durch dabei, wieder Inspiration aus den kleinen lichkeitsmerkmale wie ein erhöhtes Anerken- Burnout verursacht werden, zu Kosten von Dingen zu ziehen, die einem währenddes- nungsbedürfnis und Perfektionismus. Ein schätzungsweise 71 Milliarden Euro. Für sen begegnen.“ Doch anhaltender Stress und Zusammenspiel dieser und weiterer Faktoren Künstler bedeuten lange Krankheitsausfälle

28 | communichator Foto: pixabay

allerdings keine Erholung, sondern zusätzli- Vivienne Decker hat selbst noch keine Hilfe ren, kann ich mir nicht vorstellen.“ Vivienne chen Druck. Der Burnout-Coach Wolfgang in Anspruch nehmen müssen. Sie ist aber, hat ihr Atelier als Oase der Ruhe eingerich- Huisbauer, der sich seit wie auch Wolfgang Huis- tet, die Wände sind hell gestrichen, an den 25 Jahren mit der The- bauer, der Meinung, dass Wänden lehnen einige Bilder in warmen matik beschäftigt, sieht KREATIVITÄT Burnout bei Schaffen- Farbtönen zum Trocknen. Ihr Atelier ist nicht aus versicherungstech- den häu ger vorkommt, nur ihr Arbeitsplatz, sondern auch ihr Rück- nischer Sicht gravierende FÄHRT SICH als man glaubt. Sie sagt: zugsort. „So vermeide ich, dass mich Hektik Unterschiede zwischen NICHT PER „Manchmal kann man es und Unordnung ablenken und die Kreativität Burnout bei Künstlern sich einfach nicht leisten, erdrücken.“ Bei Inspirationsblockaden ver- und in anderen Berufen. KNOPFDRUCK eine Auszeit zu nehmen sucht Vivienne, Abstand von ihrer Arbeit zu „Burnout als Angestell- WIEDER HOCH und dem Stress zu entge- gewinnen. Daher nimmt sie vor allem gerne ter ist von der Kranken- hen. Wenn Aufträge war- Aufträge an, bei denen sie genügend Zeit kasse abgesichert”, sagt Huisbauer. „Als ten und Abgabetermine fällig werden, zeigt hat, um eine Idee zu entwickeln, sie wachsen Frei schaffender gefährdet es die Existenz, niemand Verständnis, dass sich Kreativität zu lassen und ihre Werke zu überarbeiten. das ist viel gefährlicher.” Seiner Erfahrung nicht per Knopfdruck wieder hoch fährt.“ „Ich kann jedem, der seine Leidenschaft zum nach zeigen sich immer wieder die glei- Auch im Showbusiness sind lange Aus- Beruf gemacht hat, nur raten, sie nicht zur chen Muster, die zum Burnout führen. Um fälle undenkbar. Engagements sind meist Belastung werden zu lassen. Auch wenn es Klarheit über den Status des Künstlers zu rar, die Gagen niedrig und die Konkurrenz möglich scheint, viele Aufträge zur gleichen erlangen, fragt Burnout-Coach Huisbauer hoch. Vor allem junge Künstler versuchen Zeit anzunehmen: Wer überlastet ist, arbeitet gezielt in diese Richtungen und leitet aus daher, jedes Angebot wahrzunehmen, auch nicht mit der nötigen Qualität. Und die ist auf den Ergebnissen operationale Ziele ab. wenn die Arbeitszeiten und der Antrieb zu lange Sicht gesehen am wichtigsten.“ Seine Methoden basieren auf getesteten Höchst leistungen sie enorm belasten. „Ich Erkenntnissen der Neurophysiologie und bin froh, dass sich mein künst lerischer Pro- Neuropsychologie, mit denen er Betrof- zess hauptsächlich in meinen eigenen vier [email protected] fenen rasch und nachhaltig wieder zu voller Wänden abspielt. Vor tausenden Zuschau- Leistungsfähigkeit helfen will. Die Künstlerin ern und im Blitzlichtgewitter zu funktionie-

communichator | 29 Shit Happens Sich entscheiden zu dürfen ist ein Privileg. Doch nicht jedem ist dieses Privileg gegönnt. Über Momente, die dir keine Wahl lassen. Von Susanne Drechsler

Es ist ein kalter Freitagnachmittag am sondern den Tod. Es ist keine Wahl, die du bett. Das Einzelzimmer, krankenhaussteril, 28. Oktober 2016. Der Winter schreitet mit tre en kannst, sondern eine Notwendigkeit. trotzdem mit modernen Möbeln in einem seinem grauen Nieselwetter voran, während Und die untersagt dir jede Wahl. dunklen Blauton eingerichtet, strahlt Kühle das Wohnzimmer warm eingeheizt ist. Der und Einsamkeit aus. Orangen- und Multi- Esstisch aus heller Eiche wird mit seinen Die deutsche Krebsgesellschaft erklärt den vitaminsaft sowie eine große Flasche Was- acht schwarzen Lederstühlen von zwei Angstzustand folgendermaßen: „Angst ist ser stehen auf der kleinen Kommode direkt schwachen Lampen in den Mittelpunkt eine normale Reaktion auf die Diagnose neben dem Bett. Der Vater wickelt zum gerückt. Die dunkelbraune, 30 Jahre alte Krebs. Krebs wird als existentielle Bedrohung wiederholten Mal seinen noch leicht mit Pendeluhr an der Wand gibt ihr Bestes, damit erlebt und auf bedrohliche Situationen Blut verschmierten Kopfverband ab. Er ihre fünf Zuhörer jede einzelne Sekunde reagiert ein Mensch mit Angst“. Die ver- möchte gut aussehen, wenn ihn seine Kinder verstreichen hören. Das Schweigen, das bundene Angst bedeutet auch, Gefühle das erste Mal im Krankenhaus besuchen. Er sich im Raum ausgebreitet hat und das sich zu zeigen und andere belasten zu müssen. möchte keine Krankenhausklamotten tra- wiederholende Ticken der Pendeluhr werden Jeder scheint anders mit so einer Situation gen, nicht im Bett liegen und keine Angst erneut von den Worten des Vaters unterbro- umgehen zu wollen. verbreiten. Er möchte für sich und seine chen: „Festgestellt wurde die Diagnose bei Familie stark sein. einer Darmspiegelung. Die musste ich vor ein paar Wochen unangenehmerweise hinter Also zieht er seinen roten Lieblingspyjama mich bringen, weil meine Bauchschmerzen . . . IST EINE SCHÖNE an, seinen auschigen weißen Bademantel einfach nicht weggingen. Da war dem Arzt SCHEIßE, WAS? darüber und wartet auf die Hilfe seiner Frau, relativ schnell klar, dass er einen Darmkrebs die ihm liebevoll aufhilft, um ihn aufrecht vor sich hat. Dass sich jetzt durch die Unter- Nicht selten kommt es vor, dass Betro ene neben das Bett zu stellen. Auf Kommando suchungen gezeigt hat, dass ich zusätzlich ihre Gefühle, ja sogar die Diagnose für sich des Vaters dürfen die Kinder ihren Vater auch noch einen Gehirntumor habe. . . “ behalten. Alle Beratungsstellen empfehlen das erste Mal seit der Operation sehen. Die Er dreht sich nach links zu seiner 26-jährigen aller dings das Gleiche: o en mit der Diagnose schwere weiße Tür des Krankenhauszimmers Tochter. „Ist eine schöne Scheiße, was?” und o en mit seinen Gefühlen umzugehen. geht auf, damit die Kinder eintreten können. Der Zusammenhalt und die Vertrautheit, die Der Vater dreht sich daraufhin zum Fenster Laut World Health Organization (WHO) du erfährst, sind ein positiver Nebene ekt. um, mit dem Rücken zur Tür. Er möchte die erkranken jedes Jahr weltweit schätzungs- Denn der Krebs betri t nicht nur den Krebs- aufkommenden Tränen der aufgestauten weise 14 Millionen Menschen neu an Krebs. erkrankten, er betri t ebenso den Partner, Emotionen, die seit Monaten schwer in „Allein in Deutschland werden jedes Jahr den Sohn, die Tochter, die Schwester, den seinem Magen liegen, vermeiden. etwa 500.000 Menschen mit der Diagnose Bruder, die Eltern, die Freunde. Krebs konfrontiert”, heißt es auf der Web- site der deutschen Krebsgesellschaft. So Für den Vater kam zuerst die Krankheit, dann wie dem Vater geht es vielen Menschen kamen die Diagnose- und anschließend in Deutschland, die Krebs und somit ihre die Therapiemöglichkeiten: Er hat sich den persönlichen Grenzen überwinden müssen. schwierigen Anforderungen gestellt, er „Verlasse deine Komfortzone!” oder „Über- hat Informationen eingeholt, Operationen Info winde deinen inneren Schweinehund!” sind durchdacht, seine Ehefrau und Kinder ! nur zwei von vielen Sprüchen, die uns dazu informiert. Die erste neurologische Opera- Der Begriff Krebs stammt ab von motivieren sollen, unsere Wahl zu treffen tion, in der seine Schädeldecke geöffnet dem altgriechischen Wort Karkínos und die Dinge endlich anzugehen. Doch und der Tumor vollständig entfernt wurde, (καρκίνος): Es steht für das (Krebs-) was passiert, wenn du dieses Privileg der ist geglückt. Die zweite Operation, in der ein Tier und die (Krebs-) Krankheit. Möglichkeit zum Auswählen nicht mehr Teil seines befallenen Dickdarmes entfernt Abgeleitet wurde es dadurch, dass hast? Wenn du Grenzen überwinden musst werden sollte, wurde noch nicht durchge- die geschwollenen Adern eines und es keine andere Alternative dazu gibt? führt. Neue Untersuchungen zeigen einen äußerlichen Tumors in ihrer Erschei- Verdacht auf Metastasen in Leber und Lunge. nung Krebsbeinen ähneln. Diese Antwort begleitet eine irrationale In diesen Tagen ist es ein langer und schwie- Angst: die Angst davor, dass du keine weitere riger Kampf gegen den Krebs. Die Chemo- Chance bekommst, dass du keinen weiteren therapie und seine Angehörigen sind seine Kampf mehr gewinnen kannst. Die Konse- W a  e n . quenz, seine Grenzen nicht zu überwinden, würde nicht nur bedeuten, einen Marathon Zwei Tage nach der Entfernung seines [email protected] zu verlieren oder nicht alle wunderbaren Gehirn tumors, sitzt er halb aufrecht, halb an Orte auf dieser Welt gesehen zu haben, die Wand gelehnt, auf seinem Krankenhaus-

30 | communichator Foto: pixabay communichator | 31 Gleitzeit: Flug ins Extreme Sebastian Kahn beim Kunst Sebastianug über Kahn den beim Alpen Kunst

Immer wieder den Kick spüren und sich lebendig fühlen. Was treibt einen Menschen dazu, immer weiter zu gehen? Der Risikosportler Sebastian Kahn gibt einen Einblick in die Welt des Extremsports. Von Julia Paszkiewicz

Sich an einen Fallschirm zu binden und durch die Luft zu gleiten, Aber was heißt überhaupt extrem? Sucht man nach Antworten in der klingt für normale Menschen schon sehr fantastisch. Doch es geht Wissenschaft, so  ndet man seitenweise De nitionsversuche, die sich noch extremer: Sebastian Kahn ist Mitglied im österreichischen letztlich darauf einigen, dass es keine allgemeingültige De nition Kunst ug-Nationalteam und iegt mit dem Gleitschirm Figuren, bei gibt. Fest steht: Extrem ist ein sehr relativer sowie subjektiver Begri . denen anderen schon vom Zuschauen das Herz in die Hose rutscht. Auch für Sebastian Kahn. „Mittlerweile frage ich mich, was ist kein Für ihn als Pro ist das Alltag. „Mein Lieblingstrick ist das In nity Extremsport?”, sagt er. „Klar, geht der Tischtennisspieler nicht so ein Tumbling“, erzählt Sebastian. Bei dem Manöver großes Risiko wie ein Basejumper ein. Aber wie wird der Schirm unter dem Piloten durchge- es im Sport ist, hat jeder sein eigenes Limit, an schleudert und bei jeder neuen Umdrehung DIE EIGENEN dem er kratzt und dadurch seine eigene Mess- Schwung geholt. Es entsteht der Eindruck einer latte ständig höher setzt. Daher denke ich, nie endenden Bewegung. LIMITS IMMER dass jeder, der fanatisch auf etwas trainiert, ein WEITER PUSHEN Extremsportler ist.“ Nicht ohne Grund begeistert ein Extremsport wie das Paragleiten. Wenn über atemberaubender Kulisse Loopings Außerdem muss man von den Extremsportarten die Risiko sportarten gedreht werden, sieht es nicht nur spektakulär aus, es fühlt sich unterscheiden, bei denen bewusst das Wagnis eingegangen wird, auch so an, bestätigt Sebastian: „Ich glaube, jeder Mensch verspürt das eigene Leben aufs Spiel zu setzen. Doch beide Formen haben irgendwo den Drang zum Fliegen, da es einfach ein unglaubliches eine Gemeinsamkeit: Sie verlangen dem Sportler außerordent- Gefühl von Freiheit ist. Es liegt in der Natur des Menschen immer liche körperliche Belastungen ab. Egal ob man sich in der Tiefsee, weiter, höher und spektakulärer iegen zu wollen.“ Dieses Phänomen, auf dem Mount Everest oder in der Luft be ndet – in jeder dieser immer wieder die eigenen Grenzen überschreiten zu wollen,  ndet Lagen wird der Körper extremen Naturgewalten ausgesetzt. So sich nicht nur im Paragleiten, sondern auch in allen anderen Risiko- entscheiden nicht nur das Können, sondern auch die momentanen und Extremsportarten. Der Begri Extremsport steht im klassischem Umweltbedingungen über Erfolg oder Misserfolg. Warum setzen Sinne für extreme Belastungen über einen sehr langen Zeitraum, was sich die Menschen bewusst und vor allem freiwillig diesen extremen beispielsweise auf einen Marathon oder einen Trailrun zu tri t. Belastungen und Risiken aus?

32 | communichator Zum einen will der Sportler beweisen, dass er körperliche An - , strengungen in Form von Schmerzen, Strapazen und Ent behrungen ertragen kann. Er will beweisen, dass er sich selbst kontrollieren und gegen sich selbst ankämpfen kann. Gelingt ihm das, kann er sagen: Info „Ich habe es gescha t“. Und dann ist da dieses einzigartige Gefühl, ! wenn man es scha t. Stellen wir uns nur vor, über die Alpen zu glei- Sebastian Kahn, 28, begann im Alter von elf Jahren mit dem ten oder in das rauschende Meer zu springen: Uns wird bewusst, wie Paragleiten. Da sein Onkel eine Flugschule in Westendorf unglaublich faszinierend die Natur ist. Welche Gewalten frei werden, besitzt, hatte er früh die Möglichkeit, durch einen Tandem ug wie klein wir doch sind. Bei diesem Gedanken wird uns schnell die Freude am Fliegen zu entdecken. klar, dass extreme sportliche Erfahrungen nicht nur für den Körper, sondern auch für den Geist ein unglaubliches Erlebnis darstellen. Die Als er 16 Jahre alt war, revolutionierte sich der Gleitschirm- sport: Es wurde nicht mehr nur in der Thermik (also im außergewöhnlichen Emotionen machen den Reiz aus: Die Sportler Aufwind) ge ogen, um große Weiten zu erreichen, sondern wollen ein Wechselbad der Gefühle, den Flow spüren und den Kick die unterschiedlichsten Tricks erfunden, die heute die Basis erleben. Das Adrenalin hilft Sebastian, sich wieder besser zu konzen- des Kunst uges sind. trieren, um dann wieder ein Stück weiterzukommen. Die eigenen „Limits werden immer weiter gepusht“, so nennt er es selbst. Dieses Schon damals war ihm klar: Das ist genau das, was ich will. Zu immer weiter „Pushen“, immer wieder an seine Grenzen zu gehen, seinen größten Erfolgen zählen mittlerweile der 1. Platz beim das zeichnet den Extrem- und Risikosport aus. Gefährlich wird es Nationenranking 2011 und der 1. Platz bei Acro Beejing. allerdings, wenn der Kick zur Gewohnheit wird und den Sportler zu noch gefährlicheren, unkontrollierbaren Situationen drängt.

Dass Menschen ihre Grenzen überschreiten wollen, liegt aber nicht einem anstrengenden Tag erleben möchten. Natürlich gehört eine nur an ihrer Persönlichkeit. Auch in der Entwicklung unserer Gesell- Portion Mut dazu, sich in die Luft zu trauen. Selbst Pro s kennen das schaft gibt es Gründe. Denn in der heutigen Welt stehen andere noch, dieses mulmige Gefühl: „Mittlerweile fühle ich mich vor dem Werte im Vordergrund als noch vor hundert Jahren: Wir leben im Start recht entspannt”, sagt Sebastian, „aber es gibt schon immer materiellen Wohlstand und können uns an einem hohen Lebens- wieder Situationen, in denen ich dann doch ein kleines Kribbeln wie standard erfreuen. Und das führt dazu, dass wir uns nicht nur in der zu den Anfangszeiten am Übungshang spüre.“ Dieses Kribbeln und Arbeit verwirklichen wollen, sondern auch in der Freizeit nach dem auch die Angst an sich gehören zum Extremsport dazu. Die Sportler Besonderen, nach einzigartigen Erlebnissen suchen. lernen, damit umzugehen: Wenn man sich der Angst bewusst stellt und lernt, sie in gewissem Maße zu kontrollieren und eben nicht in Der Reiz, den Freiheit, Nichtalltägliches und Außergewöhnliches auf Panik auszubrechen, fühlt sich das Kribbeln gut an. uns haben, steigt. Wir wollen aus dem Trott ausbrechen, uns nicht mehr langweilen, uns lebendig fühlen. So geht es auch Sebastian: Ähnlich ist es mit dem Risiko. Denn Sportler begeben sich nur „Durch das punktgenaue Steuern des Gleitschirms und die Hilfe der scheinbar leichtsinnig in Gefahr. Tatsächlich kennt ein Profi das Thermik, kann ich viele Meter über den Meeresspiegel aufdrehen wie Risiko und kann es einschätzen: Sebastian weiß genau, wann er ie- ein Vogel”, schwärmt er. „Und das ganz ohne Motorengeräusche, nur gen kann. Er sichtet die Wetterverhältnisse, kennt seine Ausrüstung mit Hilfe der Natur. Das löst enorme Gefühle der Freiheit in mir aus und das Revier. Trotzdem betont er wie wichtig es sei, die Situation und ich vergesse schnell den normalen Alltag unten in der Stadt.” niemals zu unterschätzen. Es bleibt ein Restrisiko, das weiß Sebastian: Das tri t wohl ziemlich genau das Gefühl, das wir alle gerne nach „Beim Gleitschirm iegen kann sehr viel schiefgehen. Die Sportler überschätzen sich oft selbst, unterschätzen die Natur oder sind ganz einfach mit der Situation überfordert.” Die Risikobereitschaft, sich zu verletzen, existiere ebenso wie in jedem anderen Sport. Bloß: Beim Fliegen sind die Folgen eines unkontrollierten Absturzes meistens gravierend. Schwere Unfälle sind nicht ausgeschlossen und werden oftmals mit dem Leben bezahlt. „Ich selbst habe über die letzten 18 Jahre recht viele Freunde verloren”, erzählt Sebastian. „Ich habe aber merkwürdigerweise trotzdem nie ans Aufhören gedacht. Und selbst habe ich auch schon einige Verletzungen davongetragen und richtig Glück gehabt.“ Wie geht seine Familie mit diesem Risiko um? Sebastians Eltern haben über die Jahre gesehen, mit welcher Professionalität er diesen Sport betreibt und sind zu dem Schluss gekommen, dass er nicht komplett „wahnsinnig“ ist. Im Falle eines Absturzes gäbe es ja auch immer noch den Reserveschirm.

Auch wenn Sebastian Kahn beim Fliegen selbst schon in vielen schwierigen Situationen war, zweifelt er keine Sekunde daran, dass dieser Sport seine Leidenschaft ist. Das Risiko ist hoch und was genau ihn antreibt, ist sehr schwer in Worte zu fassen. „Für so ein schönes Gefühl”, sagt er, „nimmt ein Mensch eben einiges in Kauf.“

[email protected]

„Enormes Gefühl von Freiheit”: der Kunst ieger Sebastian Kahn Fotos: Mario Webhofer

communichator | 33 Im September waren rund 13 Nachwuchswissenscha erinnen und Wissenschafter am IfKW zu Gast: Das Institut war Ausrichter des 3. Nachwuchs-tages der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Der Nachwuchstag soll Masterstudierende, Promovierende und Post Docs auf eine Karriere in der Wissenschaft vorbereiten. Foto: Sarah Pache News Ein großes Institut wie das IfKW ist ständig in Bewegung: Neue Crew-Mitglieder kommen an Bord, manche kehren nach einer Pause zurück und wieder andere zieht es zu neuen Ufern. Die Forschungsstärke hat nicht nachgelassen und die internationale Sichtbarkeit nimmt weiter zu. Viele gute Nachrichten, aber auch eine traurige.

Neu am IfKW sollte eigentlich bereits zum Oktober 2016 Workshops für Kinder und Eltern stärken. eingestellt werden, doch aufgrund von Mit- Anne Bartsch hat den Ruf auf eine Professur Drei Absolventinnen und Absolventen des gliedschaften in Organisationen, die vom an der Universität Leipzig angenommen. Im Instituts konnte das IfKW in den Reihen bayerischen Verfassungsschutz beobachtet Sommersemester wird ihre Stelle daher von des Mitarbeiterteams zum Wintersemester werden, wurde seitens der LMU zunächst Diana Rieger vertreten. Rieger ist derzeit Post begrüßen: Carolin Köppel (Master Interna- eine Stellungnahme vom Verfassungsschutz Doc an der Uni Mannheim und arbeitet vor tionale PR) verstärkte das Team von Hans- eingeholt. Der Prüfvorgang nahm einige Zeit allem zu Propaganda und zum Zusammen- Bernd Brosius in Vertretung für Veronika in Anspruch und wurde von regelmäßiger hang zwischen Mediennutzung und Wohlbe- Karnowski, die im Wintersemester 2016/17 Medienberichterstattung begleitet – bis die nden. Da Anne Bartsch in Leipzig eine gute eine Professur an der Julius-Maximilians- LMU Ende 2016 schließlich ihr Einverständnis Ausstattung mit Mitarbeiterstellen erwartet, Universität Würzburg vertritt. Johanna zur Anstellung gab. Weiterhin sind auch zwei werden mit Andrea Kloß, Freya Sukalla und Keppeler (Master Kommunikationswis- Sekretariate neu besetzt: Birgit Leshel leitet Felix Frey einige bekannte Gesichter mit ihr senschaft) arbeitet seit November 2016 in seit Oktober 2016 das Sekretariat von Romy gehen. Vorerst weg ist auch Sanja Kapidzic – einem durch die Exzellenzinitiative der LMU Fröhlich und Wolfram Peiser in der Nachfolge die Mitarbeiterin von Christoph Neuberger geförderten Anschubprojekt, das Anne von Claudia Hahn. Neuen Aufgaben widmet geht in den nächsten Monaten ganz neuen Bartsch, Romy Fröhlich, Thomas Hanitzsch, sich auch Doris Walter (Zentralsekretariat), Aufgaben nach: Sie bendet sich seit Ende Christoph Neuberger und Carsten Reine- die das IfKW zum Dezember verlassen hat. 2016 in Elternzeit. Mit dem Ende der Laufzeit mann gemeinsam eingeworben haben. Ziel Zum Januar 2017 trat Monika Rudnitzki ihre des von der EU geförderten Großprojekts des Anschubprojekts ist es, einen Projektan- Nachfolge an. Das Zentralsekretariat ist nun „INFOCORE“ (das Akronym steht für „[In-] trag zu schreiben, der bei einer forschungs- täglich von 9 bis 11 Uhr für Publikumsverkehr forming con ict prevention, response and fördernden Organisation eingereicht werden geönet. Ein Wiedersehen gibt es auch mit resolution“) machten sich zum Jahreswech- kann. In dem Projekt, das derzeit konzipiert Katja Friedrich, die nach einjähriger Elternzeit sel außerdem auch Katya Stolpovskaya und wird, soll es um das Thema Wissenserwerb zum Sommersemester 2017 wieder ans IfKW Christin Döring-Mazraani zu neuen Ufern auf. und Wissensüberprüfung gehen – ein wich- zurückkehrt. Stolpovskaya wird künftig für ein Münchner tiges Unterfangen in „postfaktischen” Zeiten. Startup tätig sein, Döring-Mazraani bleibt Nach langem Ringen ist es nun auch für Weitere Abschiede dem Wissenschaftsmanagement treu und den dritten Absolventen geschafft: Kerem managed nun das Großprojekt „Human Schamberger (Master Kommunikationswis- Senta Pfaff-Rüdiger hat zum Sommer 2016 Brain” an der TU München. INFOCORE senschaft) konnte zum Januar 2017 endlich das Institut in Richtung Selbstständigkeit beleuchtete die Rolle der Medien in gewalt- seine Doktorandenstelle am Lehrbereich verlassen. Sie wird künftig den Theorie- samen Kon ikten. von Michael Meyen antreten. Schamberger Praxis-Transfer durch Medienkompetenz-

34 | communichator All diese Abschiede geschahen aus den nierza und Katharina Neumann bei einer Katharina Neumann für ihre Masterarbeit schönsten Gründen – weil die Karriereleiter Ausschreibung der Landesanstalt für Medien (und darauf beruhende Publikationen) zum wieder eine Stufe weiter nach oben geht, NRW (LfM) durchsetzen. Das Projekt startete Thema „Reziproke Effekte der Medienbe- weil ein Projekt erfolgreich zu Ende gebracht zum vergangenen Sommersemester und richterstattung auf Rechtsextreme“ gewin- wurde oder ein anderes im Privaten neu widmet sich der Frage, wo und in welcher nen. Neumann wurde mit dem Gert‐Som- beginnt. Leider spielt das Leben manchmal Form Jugendliche und Heranwachsende mer‐Preis für Friedenspsychologie 2016 aber auch schmerzlich mit. Im November mit religiösem oder politischem Extremis- ausgezeichnet, der durch das Forum Frie- 2016 kam die Nachricht vom plötzlichen Tod mus konfrontiert werden, ob sie ihn erken- denspsychologie vergeben wird, und errang Wolfgang Eichhorns – er wurde nur 55 Jahre nen und welche Folgen dies hat. Das Projekt den zweiten Platz beim „Medius 2016“ – ein alt. Über mehr als ein Vierteljahrhundert hat nanziert eine Stelle, die mit Angela Nienierza Preis, der von der Freiwilligen Selbstkon- Eichhorn das Institut in verschiedenen Posi- besetzt ist. trolle Fernsehen (FSF), der Gesellschaft für tionen entscheidend gestützt, zuletzt vor Neben dem Team an Professorinnen und Medienpädagogik und Kommunikations- allem als IT-Beauftragter. Das Institut schreibt Professoren des IfKW (siehe oben) konnte kultur (GMK), der Medienanstalt Berlin‐Bran- in einer Trauernachricht auf seiner Webseite: auch Nayla Fawzi erfolgreich Mittel aus der denburg (mabb) und dem Deutschen Kin- „Wir werden die Lücke nicht füllen können, LMU-Exzellenzinitiative, und zwar aus dem derhilfswerk (DKHW) vergeben wird. Auf die er hinterlässt.“ Wolfgang Eichhorn war ein Topf des sogenannten „Nachwuchsförder- der Jahrestagung der Gesellschaft für Publi- besonderer, ein scharfsinniger und humor- fonds“, einwerben. Auch diese Förderung ist zistik und Kommunikationswissenschaft in voller Mensch und Kollege. eine Anschubnanzierung zur Erarbeitung Leipzig wurde ihr außerdem der Zeitschrif- eines Projektantrags. Ihre Stelle wird im Rah- tenpreis 2015 verliehen, mit dem die besten Projekte und Preise men der Förderung zwei Semester lang von Aufsätze in den deutschen Fachzeitschriften Lehraufgaben befreit, ihr Lehrdeputat von (erschienen in „Publizistik“, „Medien & Kom- Gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk Philip Baugut vertreten. Der hatte zuletzt munikationswissenschaft“ oder „SCM”) und dem „Munich Center for Technology in mehrfach Grund zur Freude: Die von ihm im ge ehrt werden. Ihr Aufsatz war im 62. Jahr- Society“ (TU München) arbeiten Hans-Bernd Oktober 2016 organisierte Summer School gang von „Medien & Kommunikationswis- Brosius und Julian Unkel an „Mediatheken der Sozialwissenschaftlichen Fakultät zum senschaft” erschienen. der Zukunft“. In dem Projekt geht es darum Thema Populismus lief so gut, dass eine Eine bedeutende Auszeichnung durfte auch Methoden und Strategien zu entwickeln, im Programm integrierte Podiumsdiskus- Christoph Neuberger entgegen nehmen. Im wie Nutzern relevante Inhalte nahegelegt sion mit Oskar Lafontaine (Die Linke), Peter Dezember wurde er mit dem Friedrich Wil- werden können (z. B. durch Personalisie- Gauweiler (CSU) und Carsten Reinemann zu helm Joseph von Schelling-Preis geehrt. Der rung und kontext- bzw. nutzungsspezi- „Populismus als Vorwurf?” so großen Zulauf Schelling-Preis wird von der Bayerischen fische Em pfehlungen). Gefördert wird das hatte, dass Zuspätkommer wegen Überfül- Akademie der Wissenschaften an Spitzen- Projekt vom „Munich Center for Internet lung des Audimax an den Türen abgewiesen forscher für herausragende Leistungen oder Research“ (MCIR), das im Dezember 2015 werden mussten. Darüber hinaus wurde ihr Lebenswerk verliehen. Neuberger erhielt als neues Forschungs zentrum der Baye- Baugut von der Gesellschaft von Freunden ihn für seine Forschungsleistungen zum rischen Akademie der Wissenschaften seine und Förderern der Universität München mit Themenkomplex „Gesellschaftlicher Wandel Arbeit aufgenommen hat. Das MCIR will einem Förderpreis für eine hervorragende im Zuge sich verändernder Kommunikations- den mit dem Internet und der Digitalisie- Dissertation ausgezeichnet. In seiner Arbeit medien“. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert rung verbundenen gesellschaftlichen Wan- geht es um die Interaktionen zwischen Lokal- und wird seit 2006 alle zwei Jahre abwech- del wissenschaftlich untersuchen und eine journalisten und -politikern. Das Gewicht selnd zwischen Geistes- und Naturwissen- Orientierung für seine erfolgreiche Gestal- des Preises bekommt eine Dimension, wenn schaften vergeben. tung liefern. Mit ihrem Projektantrag zum man berücksichtigt, dass an der LMU jährlich Thema „Verdeckter Extremismus – oener insgesamt über 1.400 Promotionen abge- Weitere Neuigkeiten Hass“ konnten sich Carsten Reinemann, schlossen werden. Nayla Fawzi, Claudia Riesmeyer, Angela Nie- Sogar eine ganze Reihe von Preisen konnte Benjamin Krämer wird im Sommersemes- ter 2017 Junior Researcher in Residence am Center for Advanced Studies (CAS) der LMU. Er wird daher im kommenden Sommerse- mester keine Lehrveranstaltungen anbieten und überwiegend am CAS beheimatet sein, um dort das aktuelle Thema „Rechtspopulis- mus und Medien“ weiter wissenschaftlich zu bearbeiten. Thomas Zerback wurde im Wintersemester 2016/17 die Lehrbefähigung für das Fach Kommunikationswissenschaft erteilt (die sogenannte „Venia Legendi“). Damit kann Zerback nun auch Bachelor- und Masterar- beiten annehmen und begutachten. Die Venia erhält man nach erfolgreichem Abschluss des Habilitationsprojekts. Zerback hat sich in seinem Projekt mit den „Ursachen und Folgen der Meinungsklimawahrneh- Volles Haus: Weil die Podiumsdiskussion zu „Populismus” mit Oskar Lafontaine, Peter Gauweiler und Carsten Reinemann so mung“ auseinandergesetzt. gut besucht war, mussten Zuspätkommer an den Türen des Audimax abgewiesen werden. Foto: Philip Baugut Eine Habilitation setzt zunächst einmal die

communichator | 35 Johanna Keppeler (wissenschaftliche Mitarbeiterin) Kerem Schamberger (wissenschaftlicher Mitarbeiter) Carolin Köppel (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

Promotion voraus. Wer sich für eine Promo- und der DJS erbrachten Leistungen vereinzelt tion in einem der sozialwissenschaftlichen neu justiert werden. Da die Prüfungsordnun- Hauptfächer an der LMU interessiert, für gen dieser beiden Master älteren Datums den ist eine relevante Meldung, dass die und die Anpassungen entsprechend zeit- Sozialwissenschaftliche Fakultät sich im gemäß sind, ist dieses Ergebnis aus Sicht des letzten Jahr eine neue Promotionsordnung Instituts ein voller Erfolg. gegeben hat, die seit April 2016 in Kraft ist. Durch die Promotionsordnung werden die Internationales bis dahin verliehenen Grade Dr. phil. und Dr. rer. pol. abgelöst durch den Dr. rer. soc. Dass das IfKW auch in der Champions League („doktor rerum socialium“: Doktor der Sozial- der internationalen Kommunikationswissen- wissenschaft). Eine wichtige Neuerung dabei schaft gut mithalten kann, beweist jährlich ist, dass Doktorandinnen und Doktoranden der Auftritt des Instituts auf der Jahrestagung Betreuungsvereinbarungen schließen, und der International Communication Associa- zwar mit jeweils zwei Betreuenden. tion, die 2016 in Fukuoka (Japan) stattfand. Birgit Leshel (Sekretariat Prof. Fröhlich & Prof. Peiser) Auch die Akkreditierung der Studiengänge Insgesamt waren 52 Mitarbeiterinnen und am Institut konnte im vergangenen Jahr Mitarbeiter mit 56 Vorträgen auf der Haupt- zu einem erfolgreichen Ende gebracht sowie auf Pre- und Post-Konferenzen ver- werden. Nachdem bereits im Februar 2016 treten. Top‐Paper‐Awards konnten Thomas die Gutachtergruppe zu Gast in der Oettin- Hanitzsch (Journalism Studies Division) und genstraße war, Personal und Studierende Freya Sukalla (Mass Communication Divi- zu Studiengängen, -organisation und Infra- sion) abräumen. Philip Baugut, Nayla Fawzi struktur befragt hatte, kamen im Winter und Carsten Reinemann wurden in Fukuoka der Abschlussbericht der Akkreditierungs- mit dem Top Paper Award der ICA-a liierten agentur und die Akkreditierungsurkunden Zeitschrift SCM ausgezeichnet. per Post. Die neuen Studiengänge Bachelor Kommunikationswissenschaft und Master Aktuell verfügt das Institut über ein diverses Internationale Public Relations wurden ohne Portfolio an 25 Partnerschaften mit Univer- Au agen für fünf Jahre akkreditiert. Dieser sitäten weltweit. Neu dazugekommen sind Zeitraum ist üblich, anschließend müssen im Laufe des letzten Jahres die City Univer- Studiengänge reakkreditiert werden. Für sity Hongkong und die Fudan-Universität Monika Rudnitzki (Zentralsekretariat) Fotos (5): privat den Master Kommunikationswissenschaft in Shanghai. Angebahnt werden darüber und den Master Journalismus gibt es klei- hinaus Partnerschaften mit Universitäten in Catalina Toma (University of Wisconsin-Madi- nere Au agen, die in den Prüfungsordnun- Großbritannien, China, Israel, Russland und son), Scott Wright (University of Melbourne), gen berücksichtigt werden müssen und Südafrika. Davon profitieren Studierende, Olivier Standaert (Université catholique de innerhalb eines halben Jahres in diese zu die ein bis zwei Semester im Ausland ver- Louvain), Weiyu Zhang (National University übersetzen sind. Beim Master Kommunika- bringen möchten. Im akademischen Jahr of Singapore), Penny O’Donnell (University tionswissenschaft betri t das die explizite 2016/17 befanden sich insgesamt 41 Studie- of Sydney), Chris Hodkinson (University of Aufnahme der sog. „Lissabon Konvention“ rende des Instituts an Partneruniversitäten Queensland) und Barbie Zelizer von der in die Prüfungsordnung. Bei der Konvention im Ausland und 64 internationale Studie- Annenberg School of Communication (Uni- geht es um die Anerkennung von Studienleis- rende waren hier am IfKW zu Gast. Darüber versity of Pennsylvania). tungen und -abschlüssen aus dem Ausland. hinaus kam eine Bandbreite hochkarätiger Da das Alltagsgeschäft in Hinblick auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Anerkennungen ohnehin schon immer unter am Institut vorbei, um zu unterrichten, zu Berücksichtigung dieser Konvention voll- forschen oder bestehende Netzwerke zu zogen wird, geht es hier nur um einen rein vertiefen. Um nur einige zu nennen: Steven [email protected] formalen Akt. Beim Master Journalismus Youngblood (Park University Missouri), Mary müssen die ECTS-Punkte für die an der Uni Beth Oliver (Pennsylvania State University),

36 | communichator Living Nature Lipstick Wild Fire 100 % natürlich, essbar und COSMOS zertifiziert, frei von Schwermetallen und Karmin

Erhältlich im beauty & nature, in den Müller Naturshop Filialen und unter www.living-nature.de

communichator | 37 Eine Spirale der Illusion

Fotos hochladen, Daten verö entlichen und allen zeigen, was einem wichtig ist: Die Generation der „Digital Natives“ teilt im Internet sehr viel. Dazu braucht es Spielregeln. Von Anna-Theresa Mayer

Eine klassische Situation im Restaurant: Man möchte essen, doch der Daten missbraucht worden. Dabei ist ein Schaden von mehr als zwei Partner fotogra ert mit einem fast professionellen Enthusiasmus sein Millionen US-Dollar entstanden. Essen und postet es nach einer kurzen Bearbeitung auf Instagram, Die Jugendlichen haben diese Daten nicht hochgeladen, weil sie es Snapchat und Facebook. Dazu wird der Standort angegeben, um die mussten, sondern sie haben es freiwillig gemacht, ohne an die Kon- Restaurantauswahl Freunden, Verwandten oder Freundesfreunden sequenzen zu denken. Leider wird diese Naivität im Internet schneller mitzuteilen. #statussymbol bestraft als im O ine-Leben. #nomercy

Posted? Check. To Do? Erfolgskontrolle.

Das geteilte Foto wird nun alle paar Minuten permanent zwanghaft kontrolliert: Wie viele Likes? Wer hat es schon gesehen? So oder so ähnlich  ndet es immer wieder statt und ist zum ikonischen Lebens- stil meiner Generation geworden: Die Digital Naives, also die etwa 20- bis 30-Jährigen, verö entlichen ihr gesamtes Leben im Internet und interessieren sich wahnsinnig für die Reaktionen und die Anzahl der Zuschauer. Der wirkliche Inhalt und wie privat oder vertraulich die Information eigentlich ist, gerät dabei oft in den Hintergrund. #noprivacy

Das kann gefährlich sein. Eine Folge, die uns allen nicht fremd ist, ist der Identitätsdiebstahl. Im allgemeinen Sinn wird er als der unberechtigte Zugang zu Identi kations- und Authenti zierungs- daten wie Bank- und Kreditkarteninformationen oder E-Mail- Adressen verstanden. Wie kann man dem vorbeugen? Zu den Gegenmaßnahmen gehören gute Passwörter und regelmäßiges Überprüfen von Kontoauszügen. Das Problem: Es ist heut- zutage kaum mehr möglich, ohne Internet, E-Mail-Adresse oder Online-Banking auszukommen – man braucht sie meistens unbedingt für die Arbeit und für viele Aufgaben im täglichen Leben.

Dabei müssen wir unterscheiden können, welche Daten von unserer Gesellschaft erwartet werden, welche Informationen also unausweichlich verö entlicht werden müssen und mit welchen wir freiwillig und unbedacht auf Social-Media- Kanälen spammen. Ein gutes Beispiel für unnötige Informationen, die zwanglos online gestellt worden sind und zu Kon- sequenzen geführt haben, ist das #my rstpaycheck-Phänomen in 2014. Vorwiegend Jugendliche aus Amerika haben damals mit ihrem ersten Lohnscheck ein Selfie gemacht und dieses anschließend auf verschiedenen Kanälen mit dem Hashtag #myfirstpay- check hochgeladen, was dann angefangen hat zu trenden. Der Haken dabei: Ihre Bankdaten sind glasklar für jeden ersichtlich. Natürlich sind diese sehr vertraulichen

38 | communichator Auch Menschen, die Fotos bestimmter Personen für eigene Zwecke Das fällt besonders auf, wenn jemand die Fassade aufbricht: 2015 verwenden oder Pro le fälschen, nutzen die von uns angebotenen offenbart Essena O’Neill beispielsweise ihren mehr als 500.000 Inhalte aus. Dabei muss jedem klar sein, dass die sehr privaten Details, Followern auf Instagram den wahren Hintergrund ihrer schönen wie etwa Lieblingsorte, Essverhalten, sportliche Tätigkeiten, Hobbies Lifestyle Fotos: Die perfekten Darstellungen sind hauptsächlich Wer- und vieles mehr nicht unbedingt ausgiebig auf Social Media gepostet beaufträge gewesen und entsprechen nicht ihrem echten Leben, wie werden müssen. Denn gefälschte Pro le werden heute nicht wegen so viele geglaubt haben. Sogar YouTuber artikulieren immer wieder der vielen Fotos als echt eingestuft, sondern vor allem deswegen, in ihren Video-Blogs, dass die Videos nur einen Teil ihres Lebens zei- weil sie Standortangaben, das Verhalten der jeweiligen Person gen und sie abseits der Kamera auch gewöhnliche Probleme haben, und sogar den Sprachstil übernehmen und dadurch glaubwürdig die im Web nicht zu sehen sind. erscheinen. Diese Diskrepanz zwischen dem Online-Pro l und der Realität wird Überhaupt: das Problem mit der Glaubwürdigkeit. In unserer eindeutig zum Thema, wenn die dargestellten Inhalte nicht als Ge neration ist es zum Zwang geworden, unseren Beobachter und Vermittler mit einem gesun- Freunden ein makelloses Online-Profil vor- den Maß Skepsis betrachtet werden. Immateri- zugaukeln. Zu oft scheint die Abbildung des elle Werte wie Likes, Kommentare und Freunde eigenen Lebens im Netz eine wichtigere Rolle HEUTE SCHON bekommen deutlich zu viel Aufmerksamkeit, einzunehmen als die Wirklichkeit. Manche Men- GELIKED? dadurch nimmt man die Realität anders wahr. schen können das Online-Leben nicht mehr von #einszunullfürsNetz der Realität abgrenzen. Möglichkeiten, wie zum Beispiel über Fotos oder Videos berühmt zu werden und damit auch Geld zu verdienen, Insgesamt wird es immer o ensichtlicher, dass das O ine-Leben an werden als Anhaltspunkt für die eigene Darstellung und Auswahl von Bedeutung verliert, wenn man ständig mit sehr persönlichen Daten Inhalten im Internet genommen. Das führt dazu, dass viele Social- vieler Menschen bombardiert wird. Urlaubsgeschichten, wie das Media-Accounts austauschbar werden, da sie die gleichen Inhalte lustige Erlebnis in Griechenland, sind nur noch halb so interessant, wie Fitness und Essen in einem sehr standardisierten Stil darstellen, wenn fünf von sechs Freunden es schon fast in Echtzeit über Snapchat siehe Instagram lter. Diese Inhalte werden wiederrum verbreitet oder Facebook miterleben durften. Fragen über den Beziehungs- und schließlich für das eigene Pro l angewendet und ver- status, das Studium oder das Berufsleben sind normalerweise auch schönert – eine Spirale der Illusion. auf Social-Media-Kanäle abzulesen und up-to-date gehalten. Auch ohne eine Person zu treffen, bleibt man informiert und bekommt das Gefühl, alles miterlebt zu haben. Im Extremfall ver- folgt man unfreiwillig auch die etwas unangenehmen Erlebnisse von Freunden, die unerklärlicherweise gepostet werden. Wenn man sich mit den Freunden tatsächlich tri t, würde man meistens nicht einmal darüber sprechen, weil es im Nachhinein uninteressant, bedeutungs- los oder schlicht peinlich erscheint. #fremdschämen

Daher überlegt euch, in welchem Umfang ihr euer Leben auf Social- Media-Kanälen gestaltet! Außerdem sollten wir berücksichtigen, dass wir Vorbilder für jüngere Generationen sind. Trotz der Altersbe- grenzung, wie es sie etwa auf Facebook gibt, kommen viele junge und teils naive Menschen mit unseren Accounts oder Posts in Kon- takt und nehmen sich oft an unserem Verhalten ein Beispiel. Dieser Lifestyle des permanenten Mitteilens ist ein fester Bestand unseres Lebens geworden. Deshalb schadet es nicht, seinen Online-Auftritt nüchtern und kritisch zu überdenken, falls nötig, zu überar- beiten und eigene Richtlinien zu erstellen. #justsaying

[email protected]

Foto: shutterstock

communichator | 39 Wenn Bildung und Glaube sich kreuzen

Noch immer hängen in Bayern gesetzlich verordnet katholische Kreuze in den Klassenzimmern. Aber warum? Eine kritische Suche nach Antworten und Erklärungen. Von Florian Kistler

Berge. Biergarten. Tracht. Das ist bayerische jedoch merkt man, dass sich hier die Gesell- Kultur. Das ist so und soll auch in Zukunft schaft verändert. Die automatisch zugeteilte so bleiben. Mit diesem Selbstverständ- Wichtigkeit und Wertigkeit von Religionen nis könnte die Liste über das, was „typisch gibt es nicht mehr. Viele Leute fragen sich, bayerisch“ ist, noch um viele weitere Punkte da diese Mehrheit nicht mehr da ist, warum ergänzt werden. Gerade in Altbayern zum Religionen noch solche Privilegien genießen, Beispiel um den katholischen Glauben und also warum sie in den Erziehungsanstalten sein Kreuz. Darüber wird jedoch bereits seit der jungen deutschen Bürger Werbeplätze einigen Jahrzehnten kontrovers diskutiert. erhalten, um ihre Weltanschauung kostenfrei in die Köpfe hineinzubekommen zu dürfen.“ Als Gipfelkreuze in den bayerischen Alpen umgesägt wurden, führte das zu einer Vor allem wenn man über die bayerische hitzigen Debatte über die Notwendigkeit Grenze hinaussieht und in dieser Diskus- von religiösen Symbolen, aber auch über die sion ganz Deutschland betrachtet, fällt auf, bayerische Kultur und darüber, inwiefern das dass sich unter den Bundesländern einzig in kirchliche Kreuz zu dieser gehört. Bayern ein derartiger Vermerk im Schulge- Noch intensiver wird die Debatte, wenn setz nden lässt. Laut dem Münchner Stadt- dabei das enge Verhältnis zwischen Schulen pfarrer der Pfarrgemeinde St. Max imilian, und der Kirche in Bayern genauer betrachtet Rainer Maria Schießler, hat dies vor allem mit wird. Letztlich stellt sich dabei immer die den regional-religiösen Unterschieden in Frage, wie neutral der Staat und somit Deutschland zu tun: „Die Diskussion ndet auch die Schule als staatliche Einrichtung vor allem in Bayern statt, da es quasi eine gegenüber Religionen sein sollten und wie Nord-Süd-Trennung gibt. Die evangelische konsequent eine Grenze zwischen diesen Konfession im Norden ist eine Bibelkonfes- beiden Institutionen gezogen wird. sion, eine Buchkonfession. Dabei geht es um das Wort. Bei uns katholischen Christen sind Der Blick in das bayerische Schulgesetz lässt mehr die Gesten und Symbole im Vorder- erahnen, dass diese Grenze im Freistaat grund.“ Bayern bewusst etwas durchlässiger gestaltet ist. So heißt es dort unter anderem: „An- Diese Darstellung scheint die Emotionalität, gesichts der geschichtlichen und kulturellen mit welcher in Bayern Diskussionen geführt Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum werden, zu erklären. So wundert es nicht, ein Kreuz angebracht“. Relativiert wird dieser dass es bereits einige Klagen zu diesem Abschnitt im späteren Verlauf: Das Gesetz Thema gab. Die wohl bedeutendste sieht vor, dass auf Verlangen der Eltern bei Rechtssprechung in Deutschland wurde 1995 ernsthaften und einsehbaren Gründen eine als sogenanntes „Kruzix-Urteil“ verkündet. gütliche Einigung durch den Schulleiter oder Dabei erklärte das Bundesverfassungsge richt die Schulleiterin gefunden wird. die damalige Volksschulordnung in Bayern für verfassungswidrig. Der Grund dafür: Sie Trotz dieser Relativierung bleibt jedoch das sah ein Kreuz in jedem Klassenzimmer vor. Gefühl, als würde der Freistaat Bayern zwang- Das Gericht argumentierte, dass das Kreuz haft versuchen, den katholischen Glauben kein kulturelles, sondern ein Symbol einer fest im schulischen Leben zu verankern. Für bestimmten Religion sei. Auch entschied Michael Wladarsch, Vorsitzender des Bundes das Gericht, dass Artikel 4 des Grund- für Geistesfreiheit (bfg) in München, ist das gesetzes, also die Religionsfreiheit, nicht nicht nachvollziehbar. Er argumentiert hier- gewährleistet sei, da der einzelne Schüler bei mit der immer größer werdenden Zahl an durch seine Schulpflicht nicht das Recht konfessionslosen Bürgern: „Es gibt zwar eine ausüben könne, sich dem Glauben, wenn Foto: pixabay Mehrheit von Christen, circa noch 60 Prozent, gewollt, zu entziehen.

40 | communichator Die Folge waren schockierte Kirchenver- men würde, wer richtig liegt und wer falsch: nicht jeden damit konfrontieren, das ist treter, schimpfende konservative Politiker „Ein Beispiel wäre”, sagt Wladarsch, „wenn völlig klar.“ Schießler ndet, dass das Kreuz und 30.000 empörte Bürger bei einer jemand in München geboren wird und man neben einer religiösen und humanistisch- groß angelegten Demonstration auf dem müsste nun entscheiden, ob er Bayern-Fan politischen durchaus auch eine kulturelle Münchner Odeonsplatz. Als Reaktion schrieb oder Sechzger-Fan wird, also ob man ihn in Funktion erfüllt. Wenn es aus zwingenden die damalige bayerische Regierung den rot oder in blau einkleidet und sozialisiert. Gründen eine Gruppe gibt, die davon nicht eingangs erwähnten Absatz in das Schul- Dabei gibt man ihm schon von Anfang an angesprochen werden muss, dann müsse gesetz und ernannte das Kreuz darin oziell eine gewisse Polung mit. Die Frage ist dabei, man auch kein Kreuz aufhängen: „Auch zum kulturellen Symbol. ob das in Ordnung ist oder ob nicht das Kind wenn ich beispielsweise in einem Kranken- später selber entscheiden sollte, welchen haus bin und der Patient will, dass man das Doch inwiefern das christliche Symbol einen Verein es gut ndet. Es muss also eine frei- Kreuz abhängt, dann muss ich nicht meine Teil von Tradition und Kultur darstellt, ist willige Entscheidung sein. Es hat ja keiner Ideologie durchsetzen. Wie Paulus sagte: ‚Wir umstritten. Schulkreuz-Gegner Wladarsch etwas dagegen, wenn jemand im Glauben dürfen mit unserem Glauben die Menschen sieht durchaus eine Verbundenheit mit und der Religion seine Honung und sein nicht verärgern.’ Ich glaube wir würden den diesen beiden, hinterfragt aber die heutige Glück ndet. Es ist nur ein Problem, wenn Menschen ein besseres Zeugnis geben, wenn symbolische Bedeutung des Kreuzes: „Steht jemand bevorzugt oder als der Richtige dar- wir ihnen nichts aufdrängen.“ es für die sogenannte abendländliche christ- gestellt wird und der andere als der Falsche.“ liche Tradition oder dafür, dass man weiter Es wird spannend sein, wie sich diese Debatte seine Kirchensteuer bezahlen und das Ohne Kritik kommt auch der Stadt pfarrer weiter entwickelt. Wahrscheinlich scheint ganze bloß nicht hinterfragen soll? Als Mit- Rainer Maria Schießler nicht aus. Trotz jedoch, dass aufgrund des Rückgangs von glied des Bundes für Geistesfreiheit würde seines Glaubens kritisiert er in diesem gläubigen Christen, aber auch aufgrund von ich behaupten, dass es kein moralisches Zu sammenhang die Kirche, welche selbst vergangenen Fehltritten und Skandalen der oder ethisches, sondern dass das Kreuz ein Fehler gemacht habe und noch immer Kirche, die Diskussion weiter geführt wird politisches Zeichen ist. Es zementiert dabei mache. Laut Schießler wäre vor allem gegen- – und das in Zukunft womöglich noch inten- nicht den guten Menschen, sondern die seitige Rücksichtnahme wünschenswert: siver. Sicher ist nur, dass die Kreuze in den Macht der Religionen.“ „Man muss auch einen Kompromiss suchen”, Schulen vorerst hängen bleiben. sagt er. „Es gibt öentliche Räume, wo ich Dass ein Kreuz im Klassenzimmer speziell sage: ‚Nein das Kreuz muss da nicht sein.’ einen Einfluss auf den einzelnen Schüler Es muss auch nicht in jedem Unterricht [email protected] hat, bezweifelt Wladarsch. Die Frage bei der hängen, aber im Religionsunterricht würde ganzen Diskussion sei viel mehr, wer bestim- ich es schon aufhängen. Jedoch muss ich Anzeige

Für unser Amazon PR-Team in München suchen wir regelmäßig zum Sommer-/Wintersemester eine/n PRAKTIKANT/IN PUBLIC RELATIONS.

Während des 3-6 monatigen Praktikums unterstützen Sie unser PR-Team bei der täglichen Arbeit. Ihre Aufgaben sind abwechslungsreich: Sie koordinieren Presseanfragen, erstellen Pressemitteilungen und Präsentationen und setzen gemeinsam mit den PR-Managern PR-Events und PR-Projekte um.

Was sollten Sie mitbringen? Sie studieren Kommunikationswissenschaften, Marketing o.ä. ab dem 3. Semester. Eine schnelle Auffassungsgabe sowie selbstständiges Arbeiten zählen zu Ihren Stärken. Wenn Sie ein hohes Maß an Eigeninitiative mitbringen, sind Sie bei uns genau richtig. Erste Erfahrungen in der PR sind von Vorteil.

Auf Sie warten spannende Aufgaben in einem innovativen und dynamischen Umfeld, innerhalb eines kompetenten und hochmotivierten Teams.

Weitere Informationen zur Stelle finden Sie aufwww.amazon.jobs . Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

www.amazon.jobs communichator | 41 Hol dir deine Macht zurück!

Gefühle brauchen Grenzen. Bloß trauen wir uns oft nicht, sie zu setzen.Wie man es scha t – und warum es so gut tut, auch mal Nein zu sagen. Von Kirstin Bekers

Die Freundinnen Nadine und Lara, beide Anfang 20, hatten die dauern gleiche Ausbildung, denselben Beruf und sogar ihr Hobby, den wird und Handball, teilten sie. Jeden Tag waren die beiden zusammen und dass sie sich auch am Wochenende gingen sie zusammen feiern, essen oder ins die ganze Zeit Kino. Für Außenstehende erschienen die beiden unzertrennlich – selbst bemitlei- das perfekte Dreamteam eben. Doch Nadine war schon lange nicht den und über die mehr glücklich, ihr war das alles zu viel: 24/7 mit Lara. Sie fühlte sich Uni jammern wird. immer stärker eingeengt und kontrolliert. Ihr ganzes Leben drehte Trotz dem gehen wir ans sich nur noch um Lara. Für sich selbst und ihre anderen Freunde Telefon und hören uns alles hatte sie keine Zeit mehr. Montags war bereits die Woche inklusive an. Am Ende sind wir genervt Wochenende verplant. und regen uns über die verschwendete Zeit auf. Was wir damit tun: Wir geben unserer Freundin Macht über unsere Gefühle, wir lassen Nadine hatte unglaubliche Angst, Lara zu sagen, dass der Kontakt, es zu, dass sie uns innerlich verärgert. den sie hatten, gerade einfach zu viel war. Sie traute sich nicht zu sagen, dass sie auch einmal Zeit für sich und ihre anderen Freunde Die Lösung des Problems brauchte, denn sie wollte Lara nicht verletzen oder kränken. Sie war verzweifelt und wusste sich nicht anders zu helfen, also begann sie In so einem Moment müssen wir die richtigen zu lügen. Nadine erfand Arzttermine, Familientre en, Geburtstage, Grenzen setzen. Natürlich hat jeder Mensch seine Krankheiten und vieles mehr, einfach nur, um sich nicht wieder ganz individuellen Grenzen, denn jeder kann mit Lara tre en zu müssen. Ein einfaches „Nein“ reichte Lara nicht selbst entscheiden, welche Grenzen er wann als Absage, sie brauchte immer einen Grund. Deshalb  ng Nadine setzt. Physische Grenzen sind objektiv wahr- an, sich ihre Verabredungen und Termine so zu setzen, dass es nehmbar, zum Beispiel der Körperabstand zu unmöglich wurde, noch etwas mit Lara zu unternehmen. Obwohl sie einer anderen Person oder Leistungsgrenzen nur nach Hause in ihr kuscheliges Bett wollte und schlafen, denn sie beim Sport. Emotionale Grenzen hingegen war so erschöpft davon, ihr ganzes Leben so zu gestalten, dass sie sind nicht so leicht zu erkennen: Sie bezeich- Lara meiden konnte. nen den Übergang von einem emotionalen Zustand, mit dem ein Individuum Doch die beiden sahen sich trotzdem noch jeden Tag in der Arbeit kompetent umgehen kann, und im Training. Und auch dort hatte Lara die komplette Macht über hin zu einem emotionalen Nadine. Nadine hatte ihre eigenen Bedürfnisse komplett hinter Laras Zustand, der das Indivi- gestellt. Es wurde zur Gewohnheit die Wünsche von Lara zu berück- duum überfordert. sichtigen, anstatt nach sich selbst zu schauen. Sie war dieser Situation komplett ausgeliefert. Sie wusste keinen Ausweg. Sie hatte zu viel Die Therapeutin und Angst zu sagen: „Nein, das möchte ich nicht so!“ Denn sie wollte Lara Autorin Amy Morin sagt, nicht verletzen oder verärgern. Sie wollte nicht streiten und schlechte dass man seine emotio- Stimmung vermeiden und dafür nahm sie in Kauf, dass sie sich dabei nalen Grenzen an dem die ganze Zeit schlecht fühlte. Sie war in einem Teufelskreis und kam Punkt setzen sollte, an alleine nicht mehr heraus. dem man das Gefühl hat, etwas nicht mehr Die Geschichte meiner Freundin ist ein extremes Beispiel dafür, wie machen zu wollen. Sie eine Person die Macht über sich selbst verliert und einer anderen Per- sagt, man müsse in son diese Macht gibt. Doch nicht nur Nadine tut das, sondern jeder von der Lage sein, „Nein“ zu uns: Macht abgeben, zu wenig Grenzen setzen, die eigenen Bedürfnisse sagen und nicht aus Schul- hintanstellen. Ein simples Beispiel: Eine Freundin ruft mal wieder dgefühlen heraus etwas zu machen, was man an und man weiß ganz genau, dass das Gespräch wieder Stunden nicht möchte. Sie betont, dass man nicht die Verant-

42 | communichator wortung dafür übernehmen dürfe, wie andere sich fühlen. In dieser aber auch akzeptieren. Denn auch wir selbst müssen die Grenzen von Hinsicht sei jeder für sich selbst verantwortlich, dennoch müsse man anderen respektieren. Wir müssen uns öfter in die Lage des anderen ein gesundes Maß  nden, denn zu viele Grenzen würden dazu führen, versetzen und verstehen, dass jeder seine Grenzen hat. Man sollte dass man sich niemandem mehr emotional nähern könne. Dadurch nicht sauer sein, wenn die Freundin sich einmal nicht die Zeit zum würden Freundschaften oder Partnerschaften unmöglich. Amy Morin stundenlangen Quatschen nimmt. Und wir sollten niemandem ein sagt, es sei okay, verletz lich zu sein, aber es sei „Nein“ übelnehmen. Wenn wir verständnisvol- auch okay, von seinen Gewohnheiten, hö ich ler dem anderen gegenüber sind, dann wird und nett zu sein, einmal abzuweichen. OFT SAGEN WIR dieser auch uns gegenüber verständnisvoller sein. Es ist eigentlich wie überall im Leben ein Trotzdem lassen wir häu g andere Menschen JA, OBWOHL WIR Geben und Nehmen. Ich setze Grenzen und über unseren Gefühlszustand bestimmen, NEIN MEINEN akzeptiere aber auch die Grenzen der Anderen. indem wir keine Grenzen setzen. Warum las- sen wir das zu? Die Psychologin Jacqueline Breuer sagt: „Wer gut für Jeder von uns kann Grenzen setzen, wir müssen uns nur trauen. sich sorgen kann, ist gut darin sich abzugrenzen.” Wer sich abgrenzen Oft wird es im Umfeld zu Irritation kommen, wenn jemand der sich könne, sage nicht Ja, wenn er Nein meint, er stehe für sich selbst und bisher kaum abgegrenzt hat, plötzlich „Nein!“ sagt. Wir müssen nicht seine Bedürfnisse ein. Er nehme diese wahr und benenne diese, was über unsere eigenen Grenzen gehen, um von anderen gemocht zu im psychologischen Bereich unter sozialer Kompetenz gefasst wird. werden. Wir müssen unsere Bedürfnisse angemessen kommunizie- „Das hört sich gar nicht so schwer an”, sagt Jacqueline Breuer, „ist es ren, dann wird auch unser Umfeld schnell Verständnis haben. Nur aber meiner Erfahrung nach für viele Menschen. Oft sagen wir Ja, so haben wir die Macht über uns selbst – die Macht über unsere wo wir Nein sagen möchten, obwohl wir wissen, mit diesem eher Gedanken, über unsere Gefühle und über unser Handeln. leichter gesagten Ja tun wir uns selbst nichts Gutes. Dennoch ist es oft schwerer Nein zu sagen.” Der Grund für die mangelnde Abgren- zungsfähigkeit liege oft in unseren frühen Lernerfahrungen, etwa Zuwendung dafür erhalten zu haben, dass sich ein Kind artig verhält. Es würden sich so verschiedene Grundannahmen entwicklen: Nur wenn ich das mache, was der andere möchte, werde ich gemocht. Expertenmeinung Damit falle schwer zu lernen, die eigenen Grenzen wahrzunehmen ! und dann auch durchzusetzen. Warum sind uns die Bedürfnisse anderer oft wichtiger?

Das Vorgehen Überspitzt gesagt respektiert man andere mehr, als man sich selber respektiert. Sei es aus Helfersyndrom, man will Um Grenzen setzen zu können, müssen diese erst erkannt werden. lieb Kind sein, man will den anderen nicht enttäuschen. Oft fällt es uns leichter, unsere physischen Grenzen zu erkennen, weil hier der Körper klare Signale wie Schmerzen aussendet. Bei Emo- Was muss ich beachten? tionen ist dies nicht so leicht zu erkennen. Und wir sind häu g nicht geübt, solche Gefühle und deren Ursachen zu erkennen. Zudem fällt Wichtig ist, durch Selbstreflexi es uns hier leichter, sie auszublenden, zum Beispiel durch Ablenkung. on, aber auch durch Gespräche mit anderen auf die eigene innere Um unsere eigenen Grenzen zu  nden, müssen wir uns erst über Stimme zu hören: Was dient einer- unsere Bedürfnisse bewusst werden, sie aussprechen und leben. seits meiner Selbstverwirklichung, Man muss seine Emotionen richtig wahrnehmen, interpretieren und aber gleichzeitig auch meiner dann handeln. Oft hat man Angst, dass das dann egoistisch wirkt, Verantwortung, die ich für mich und aber mit einer richtigen und nachvollziehbaren Kommunikation tut andere habe? es das nicht mehr. Was sind die richtigen Grenzen? Unser Nutzen Jeder muss natürlich individuell seine Grenzen festlegen, aber man braucht da schon einen Kompass im Sinne eines Jacqueline Breuer betont, wie wichtig die Fähigkeit zur Allgemeinrezeptes. Der Kompass ist, eine Balance zu haben Abgrenzung ist. Da sie eine wichtige Vorrausetzung für zwischen Verantwortung für sich selbst und Verantwortung Selbstschutz und psychische Stabilität sei. Kommt es zur für andere, Re ektion über die eigenen Sehnsüchte, Bedürf- Grenzverletzungen und damit auch zu Überforderun- nisse und Interessen, aber auch Berücksichtigung der Sehn- gen, führe dies im Verlauf der Zeit zu gedrückter Stim- süchte, Interessen und Bedürfnisse des anderen. mung und Anspannung, man könne Magenschmerzen oder Herzrasen bekommen oder man fühle sich ein- Prof. Dr. Dieter Frey (70) lehrt Psychologie an der Ludwig- fach schlapp. Maximilians-Universität München.

Wenn wir keine Grenzen setzen, verlieren wir Kontrolle und Autonomie, fühlen uns als Spielball – und müssen uns letztlich zurückziehen, um uns Fotos: Kirstin Bekers (2), privat zu schützen. Dieser Rückzug führt zum Alleinsein, was wir eigentlich vermeiden wollten, indem wir keine Grenzen gesetzt haben. Es klingt paradox, [email protected] aber wer sich gesund abgrenzt, ist weniger allein. Wir müssen also Grenzen setzen, sie kommunizieren,

communichator | 43 Oslo Pamplona !Insgesamt hat mir mein Aufenthalt in Navarra, Pamplona – ein anderes Spanien,! als wir es vielleicht Oslo sehr gut gefallen und ich würde jederzeit wieder dorthin fahren. Ich habe gewöhnt sind. Hier heißen Tapas nicht Tapas, sonder Pintxos. viele neue Freunde aus allen Teilen Hier scheint nicht das ganze Jahr über die Sonne, hier ist nicht der Welt gefunden, atemberaubende Landschaften gesehen und alles ausgetrocknet, sondern die Stadt grünt mit ihren vielen das Studentenleben in Parks. Hier gibt es keine Palmen, aber Berge und im Winter vollen Zügen genossen. BA-Studentin, IfKW, WS 2014/15 Schnee. BA-Studentin, IfKW, WS 2012/13

Erasmus+ Mobilität in Europa

Das Erasmus-Programm wurde von der EU 1987 ins Leben gerufen, um die Mobilität der Studierenden innerhalb Europas zu fördern. Heute ist es Bestandteil des großen EU-Bildungsprogramms „Erasmus+“, mit dem Studien- und Praktikumsaufenthalte gefördert werden.

Dublin Das Semester in Dublin war auf jeden Fall eine unglaublich span- !nende Zeit, die ich niemals vergessen werde. Man lernt so viel; nicht nur inte- ressante Sachen in der Uni oder über die Geschichte Irlands in Museen, sondern auch für sich persönlich. Man ist gewissermaßen auf sich allein gestellt und lernt, selbstständig in einem fremden Land zu leben und Probleme alleine zu lösen.

BA-Studentin, IfKW, WS 2015/16

Paris !Ich finde die Sciences Po als Partneruni sehr gut: Das Angebot ist umfassend, und auch kulturell begeisterte Studenten kommen hier auf ihre Kosten. Alles ist sehr gut organisiert. Außerdem hat die Sciences Po einen sehr guten Ruf in Frankreich.

BA-Studentin, IfKW, WS 2013/14 Cincinnati !Ich bin super froh, den Austausch gemacht und durchgezogen zu haben. Natürlich gibt es ab und zu mal Schwierigkeiten und man stößt an seine Grenzen. Trotzdem LMUexchange empfehle ich, dass man dann die Zähne zusammen beißt und einfach weiter Partneruniversitäten macht. Es lohnt sich! Ich weltweit würde es immer wieder machen und freue Die LMU bietet Austauschstipendien für über mich schon wahnsinnig 100 außereuropäische Partneruniversitäten auf mein nächstes weltweit. Auslandsabendteuer! BA-Studentin, IfKW, WS 2015/16

Israel !Ich wurde immer wieder von Israel überrascht! Von historischen, über kulturelle, bis hin zu partymäßig interessanten Zielen, gibt es praktisch alles. BA-Student, KW, WS 2015/16

China Hier gibt es immer etwas zu erleben, sodass einem nie langweilig wird. !Manchmal kann Shanghai auch überwältigend sein, denn eine Minute Stille ist schwer zu  nden. Teilweise fühlt man sich in viele verschiedene Richtungen gerissen. BA-Student, BWL, SS 2016 Fotos: Bernhard Goodwin (1), Johanna Keppeler (1), pixabay (7), Maximilian Seib (1), shutterstock (1) Foto: pixabay Der Traum vom Fliegen

Eine communichator-Redakteurin begleitet einen Hobbypiloten auf einen Motorsegel ug. Über seine Leidenschaft, das ewige Streben der Menschheit nach der Überwindung der eigenen Grenzen und die Frage, ob dieser Traum im Flugalltag unterzugehen droht. Von Stephanie Piehlmeier

Die Berge wirken wie kleine Ausstülpungen des Horizonts, überdeckt mel mit dem Motorsegler oder Segel ieger. Letzterer ist ihm dabei mit einer Schicht Puderschnee, als die D-KMES auf sie zusteuert. aber lieber. Denn: „Segel iegen ist mehr ein Sport. Da hast du den Schwere Wolken hängen tief über den Gipfeln. Nur ein Spalt breit Anspruch, die richtige Thermik zu finden und dir eine Route zu klarer Himmel liegt dazwischen und wird von goldenem Herbstlicht überlegen”, sagt Hö ich. „Beim Motorsegler geht es eher darum, durch utet. Der Anblick gleicht einem impressionistischen Gemälde: von A nach B zu kommen oder einen Rund ug zu machen, um das Wunderschön, idyllisch und ein kleines bisschen unwirklich. Fliegen an sich und den Ausblick zu genießen. Da fehlt der sportliche Gedanke.“ Am Steuer des Motorsegel iegers sitzt Roman Hö ich, Münchner Student und Hobbypilot. Seine Hand drückt ruhig einen Hebel nach Dass sein Hobby ein gewisses Risikopotenzial birgt, ist ihm dabei vorne, wodurch sich der leicht nach oben neigt und der Zeiger durchaus bewusst. Doch das ist geringer, als die meisten vermuten. Da des Höhenmessers auf die 8000 Fuß (knappe zweieinhalb Kilome- der Motorsegler mittels Kraftsto betrieben wird, kann er nicht ohne ter über dem Meeresspiegel) zuwandert. Mit einer Geschwindigkeit Weiteres vom Himmel fallen. Und selbst wenn der Motor während von 150 Stundenkilometern steuert er das Flugzeug, in dem gerade des Fliegens einen Defekt hat, rettet die Gleitfähigkeit des Fliegers so zwei Personen nebeneinander Platz haben, über den Ammersee die Situation und lässt nur langsam die Höhenmeter schwinden. Beim Richtung Alpen. Den Flugplatz des Deutschen Zentrums für Luft- und Segel ieger ist dieses Risiko höher, denn man braucht Wind. Und Raumfahrt in Oberpfa enhofen hat er hinter sich gelassen, nachdem dieser Wind sowie die Thermik müssen richtig eingeschätzt und ein- er die zahlreichen Messanzeiger und Bedienungshebel am Arma- gesetzt werden. Bei wetterbedingten Ausreißern kann ein Segel ug turenbrett sorgfältig kontrolliert hatte. Seinen Flugschein machte er gefährlich werden. Deshalb sind diese Fluggeräte mit Fallschirmen mit 17 Jahren, nachdem ihn sein Vater zum Flugurlaub in die Schweiz für den Notfall ausgestattet. „Aber ich weiß nur von zwei, drei Fällen, mitnahm. „Es ist auf jeden Fall schwerer, als einen Autoführerschein in denen jemand mit dem Fallschirm ausgestiegen ist, und das auch zu machen”, sagt Roman Hö ich. „Man muss auch ein bisschen ein eher vorsichtshalber“, erzählt Roman Hö ich, der das Risiko einer sol- Gefühl dafür haben, im dreidimensionalen Raum zu iegen. Es ist also chen Komplikation in Kauf nimmt. Denn es gibt zahlreiche Aspekte, nicht für jeden etwas, aber auch kein Hexenwerk.“ die ihn am Fliegen begeistern und immer wieder in den Himmel So oft wie möglich durchquert er seit seiner Ausbildung den Him- treiben: vom großartigen Gefühl abzuheben, die Erde zu verlassen

46 | communichator und über den Wolken zu iegen, von den wunderschönen Ausblicken thal und seine Nachfolger etwas Utopisches gescha t haben und und dem Zurücklassen von Alltagsgedanken bis hin zum technischen wir nun vor keiner Herausforderung mehr stehen? Sicher, die Luft- Interesse an den Fliegern und ihrer Wartung. und Raumfahrtbranche bietet ein großes Innovationspotenzial für Gegenwart und Zukunft, doch der einzelne Durchschnittsbürger Diese tiefe Faszination vom Fliegen ist fest verwurzelt in unserer braucht nicht mehr vom Fliegen zu träumen. Immerhin kann er sich Geschichte. Schon immer träumen Menschen davon, die eigenen in ein Flugzeug setzen wie in einen Bus und passiv ans Ziel befördern körperlichen Grenzen zu überwinden und den Himmel zu erobern. lassen. Wem überfüllte Gates und ermüdende Langstrecken üge Die antiken Mythen von iegenden Göttern und keine Spannung mehr bieten, der befriedigt seine geflügelten Fabelwesen tragen die Sehnsucht in Sehnsucht nun gerne mit Alternativen zum klas- sich, trotz der anatomischen Unmöglichkeit der JEDER FLUG sischen Flug mit einem Passagier ugzeug. Immer menschlichen Spezies den Erdboden zu verlassen. mehr Menschen suchen ihre persönliche Herausfor- Diese Fantasien wurden mit der Zeit konkreter, BEDEUTET derung in Adrenalinkicks beim Fallschirmspringen, besonders durch Leonardo Da Vincis Entwürfe ver- NEUE Paragleiten oder Bungeejumping. Ballonfahrten, schiedener Flugzeuge und des ersten Helikopter- Parabel üge und Skydiving erleben einen Boom prototyps. Greifbar wurde der Himmel aber erst AUFREGUNG und werden als einzigartige Erlebnisse gefeiert und durch den Deutschen Otto Lilienthal. Er war der Erste, der Erfolg verschenkt. Sie scheint also doch immer noch in uns zu stecken: Die dabei hatte, Gleit üge nach dem Vorbild eines Vogels wiederholt zu Suche nach dem Kribbeln im Bauch, wenn wir iegen oder fallen. bestreiten, nachdem er über zwanzig Jahre lang physikalische Experi- mente im Labor durchgeführt hatte. Seine Errungenschaft in den So mag ein mancher auch wie Roman Hö ich in einen Segel ieger 1890er Jahren war bahnbrechend für die Entwicklung der Luft- und steigen, um den Zauber des Fliegens zurückzuholen. Auf die Frage, Raumfahrt, die heute an ihre Spitzen getrieben wird. ob das denn überhaupt auf Dauer klappt oder ob sich nicht auch beim Flugsport mit der Zeit Routine und Alltag einschleichen, ant- Was vor über hundert Jahren ein riesiger Schritt für die Menschheit wortet der Hobbypilot überzeugt: „Es ist auf jeden Fall immer noch war, ist heute ein winziger für jeden x-beliebigen Passagier eines etwas Besonderes. Jedes Mal Fliegen bedeutet neue Aufregung, weil Flugzeugs: im einen Moment mit beiden Beinen fest am Boden, im es einfach immer anders ist. Du hast nie zweimal den gleichen Flug nächsten hoch oben in der Luft. Man reist mal eben im Flieger um oder zweimal die gleiche Wetterlage, du lernst immer dazu.” Natürlich den halben Globus. Der überwältigende Erfolg, die Schwerkraft zu bekomme man bei ein paar Dingen Routine, beim Start und bei der be zwingen und den Traum von Freiheit und Grenzenlosigkeit zu Landung zum Beispiel. Da sei es in gewisser Weise aber auch gut so, leben, scheint in unserer modernen Welt zum Alltag geworden zu weil man dadurch an Sicherheit und Zuverlässigkeit gewinne. „Aber sein. Inmitten des routinierten Flugbetriebs, im Labyrinth gigan- im Grunde ist vollkommene Routine gar nicht möglich”, sagt Roman tischer Flughäfen und zwischen engen Sitzreihen mit nervigen Mit- Hö ich. „Weil kein Tag gleich ist und du immer neue Situationen meis- passagieren und den immer gleichen Sicherheits anweisungen verliert tern musst.“ das einst so Besondere fast seinen Zauber. Es ist zur Gewohnheit geworden, per Flugverkehr in den Urlaub oder zum Geschäftstre en Vielleicht mag es genau das sein, das Geheimnis hinter dem hart- ins Ausland zu reisen. Schaut man sich in einem Flieger um, so scheint näckigen Menschheitstraum vom Fliegen: Wir wollen herausge- es für viele kaum spannender zu sein, quer durch die Atmosphäre von fordert werden, um zu beweisen, dass wir es meistern können. Wir A nach B zu gelangen, als mit einem Zug durch öde Landschaften zu wollen an unsere körperlichen Grenzen getrieben werden. Und wir tuckern. Ausgerechnet heute, da der Traum so leicht zu erfüllen ist wollen sie sprengen. wie nie, scheint Fliegen keiner mehr zu sein.

Liegt der Grund vielleicht gerade darin, dass es selbstverständlich ist? Weil das Ziel erreicht wurde, die Menschheit zum Fliegen zu [email protected] befähigen, und es täglich tausendmal ausgeführt wird? Weil Lilien-

Foto: Stephanie Piehlmeier Foto: Roman Hö ich

Die Maschine, um den Himmel zu erobern: In diesem Motorsegler iegen...... Communichator-Autorin Stephanie Piehlmeier und Pilot Roman Hö ich Richtung Alpen.

communichator | 47 Sascha Gottschalk vom Projekt Life All Stars mit Kindern eines Dorfes in Tansania. Fotos: Filmemacher Deutschland

Eine neue Ära des Helfens Keine Hilfsorganisation, sondern eine Community von Helfern: Das neue Life All Stars Projekt der „Filmemacher Deutschland“ nutzt die Reichweite von Social-Media-Promis, um Menschen in Entwicklungsländern zu unterstützen. Von Amely Katharina Serian Flores

Im August 2016 haben Tariq Khan und Khan, „neuen Ära“ der Zusammenarbeit ver- wohnern vor Ort sowie mit der Leiterin der Sascha Gottschalk, Geschäftsführer von eint. Wichtig ist ihnen, dass die meinungs- Olive Branch for Children Organisation, die „Filme macher Deutschland“, das Life All bildende und stets gegenwärtige Online- in Tansania unter anderem ein Waisenhaus Stars Projekt ins Leben gerufen. Ihre Mission: Community immer live dabei ist. Damit soll betreibt. Hierfür nehmen die Teammitglie- Hilfsprojekte starten und Organisationen vor allem Transparenz sichergestellt werden. der weite Strecken auf sich und fahren in in Entwicklungsländern unterstützen. Ihre Auch wollen sie, eine realistische und ehr- die Tiefen der Savanne, um Ureinwohner Überzeugung: Mit wenig und vor allem liche Einschätzung der Projekte fördern. wie die Massai kennenzulernen und sich modernen Mitteln viel Gutes schaen. Diese Dazu können die Fans jederzeit direkt Feed- direkt im Geschehen selbst ein Bild der Ziele verfolgen die „Filmemacher Deutsch- back geben. Lage zu machen. Auf diese Weise erfahren land“ aktuell in Tansania. nicht nur sie selbst, wo am meisten Unter- Das Team beschließt geplante Hilfsprojekte stützung und Hilfe benötigt wird, sondern Das Besondere an diesem neuen Projekt überwiegend im Austausch mit den Ein- können direkt von diesen Orten aus auch zeigt sich bereits bei der Zusammen setzung des Kernteams. Dabei geht es um die Verbindung der Filmemacher mit bekannten In uencern aus dem Social-Media-Bereich, also Menschen, die im Internet bekannt und oft Vorbilder für andere sind. Sie sind feste Bestandteile des Teams von Life All Stars. Im Vordergrund steht hier vor allem die ge- meinsame Arbeit. Durch die prominenten Unterstützer erreicht das Life All Stars Projekt eine Reichweite von über sieben Millionen Menschen, bestehend aus Followern und Fans. Das daraus resultierende Potenzial soll genutzt und gebündelt werden, um Hilfspro- jekte direkt im Austausch mit der Online- Community zu denieren und sie gemein- sam durchzuführen. So werden In uencer, eine wachsende Online-Gemeinschaft und die Fähigkeiten und Erfahrungen der „Filme- macher Deutschland“ zu einer, laut Tariq Vielerorts reicht das Geld nicht für ein Schulhaus: Dort ndet der Unterricht in der Savanne statt.

48 | communichator ihre Online-Community kontinuierlich über schnittlich 52,9 Jahren, unter anderem we- ländlichen Regionen lebt, ist der Zugang zu die Freuden, Tätigkeiten und Probleme der gen der weiten Verbreitung von AIDS. Ins- Bildung oft schwer, vor allem wenn ein kilo- Dorfgemeinschaften informieren. Geteilt gesamt haben 87,8 Prozent der Be völkerung meterlanger, gefährlicher Weg zurückgelegt wer den dafür Blogeinträge, Videos, Fotos nur mangelhafte Gesundheitseinrichtungen werden müsste. Unter anderem aus diesem und andere Beiträge, welche die Reaktionen zur Verfügung (Stand 2014). Damit zeigen Grund ist die Einschulungsrate in die sieben der Menschen in Tansania einfangen. So sich zahlreiche Bereiche, die noch Unterstüt- Jahre dauernde Grundschule zwar relativ wird Aufmerksamkeit für die einzelnen Hilfs- zung und Entwicklung benötigen. hoch (Stand 2011-2012: 98 Prozent), doch projekte erzeugt und die Online- davon scha t nur knapp ein Drit- Community ist immer live dabei. tel den Übergang zur weiterfüh- Hier kommen die Fähigkeiten der renden Schule. Die restlichen 69 Filmemacher zum Tragen, denn sie Prozent brechen oft vorzeitig ab erzeugen qualitativ hochwertiges oder bestehen die Abschlussprü- Material und stellen es bereit. fung nicht. Auch hier erö nen sich Möglichkeiten für Helfer, dieser Wichtig sind dem Team eine Situation in Zukunft entgegen zu stets selbstständige Organisation steuern. und Planung des Life All Stars Projekts, womit eine autonome Mit ihrem neuen Konzept erho en Entscheidungs ndung sicherge- sich die Gründer und Unterstützer stellt und Glaubwürdigkeit ver- von Life All Stars, insgesamt mehr mittelt werden soll. Laut Tariq Hilfsprojekte umsetzen zu können. Khan wird für ein erfolgreiches Dies soll erreicht werden, indem und wachsendes Netzwerk vor ein Netzwerk aus verschieden- allem auf Kontinuität und Ver- sten Menschen aufgebaut wird, trauen gesetzt. Die Ausgaben für das sich interaktiv über Projekte Anreise, Verp egung und Unter- austauscht und diese zusammen kunft vor Ort, werden bisher von durchführt. In Zukunft sollen wei- Sponsoren  nanziert. So können tere namhafte Persönlichkeiten die Spendengelder für die Hilfs- hinzukommen und die Fähigkeit- maßnahmen und -projekte vor Hilfe, die ankommt: eine Schulklasse beim Unterricht. en und Kräfte einer großen On- Ort eingesetzt werden. Unter die line-Gemeinschaft weiter gebün- Sponsoren fällt zum Beispiel das „Mantra Re- Entstanden ist das Konzept für das Life All delt werden. Den Initiatoren geht es hierbei sort“, ein Hotel auf der zu Tansania gehören- Stars Projekt aus beru ich bereits beste- nicht nur darum, zusammen ein stärkeres den Insel Pemba. Einen Teil seiner Einnah- henden Kontakten der beiden Geschäfts- Signal des Helfens zu senden, sondern auch men investiert das Resort unter anderem in führer, deren Social-Media-Kenntnissen, der darum, mit einem höheren Potenzial mehr die Entwicklung der Insel, beispielsweise in Reiseerfahrung und den Verbindungen der zu erreichen und zu bewegen. Umgesetzt den Bau von Schulen und die Bereitstellung „Filmemacher Deutschland“ zu verschie- wird mit Life All Stars ein „Herzensprojekt von Hilfsmitteln. denen Social-Media-Bekanntheiten. Eine der Filmemacher Deutschland“, wie es Tariq wichtige Rolle hat auch der gute Bezug zur Khan bezeichnet. Schaut man auf die Altersstruktur der Organisation The Olive Branch for Children Bevölkerung Tansanias, zeigt sich Anfang gespielt. Insgesamt zwei Aufenthalte in 2016 ein au allend hoher Anteil an unter Tansania und zwei bis drei Monate Planung 15-jährigen Kindern (42 Prozent), weshalb haben das Fundament für die ersten Hilfs- Schulen immer wichtiger werden. Zu den projekte gesetzt. Dazu gehört zum Beispiel Analphabeten gehören etwas weniger als die Errichtung eines Montessori-Kindergar- 15 Prozent der unter 15-Jährigen und circa tens in Mwashota, einer Gemeinschaft aus 20 Prozent der über 15-Jährigen. Unter- rund 350 Menschen, um den Kindern dort suchungen zeigen darüber hinaus eine frühe Bildungschancen zu ermöglichen. Da relativ geringe Lebenserwartung von durch- in Tansania ein großer Teil der Bevölkerung in

!Info Angefangen als eine Community-Plattform, die von Tariq Khan initiiert wurde, um über neue Ereignisse in der Filmewelt zu berichten, wurde „Filmemacher Deutsch- land“ erst zur Fanpage auf Facebook mit aktuell mehr als 16.000 Followern und anschließend zusammen mit Sascha Gottschalk auf professionelle Ebene zur GmbH Sie zeigen, was sie erleben: In uencer vor Ort. gehoben. Die Firma selbst existiert erst seit Mai 2016, besteht aus Filmemachern und setzt sich zusammen aus einem dreiköp gen Kernteam und der Community mit über 10.000 aktiven Mitgliedern, die zusammen exibel Filmprojekte umsetzen. [email protected]

communichator | 49 (K)ein Masterplan Dass man den Studienplatz nicht bekommt, den man eigentlich haben möchte, ist heutzutage leider keine Seltenheit. Wie man damit umgeht, wenn der sorgfältig zurechtgelegte Masterplan nicht aufgeht. Von Laura Fehn

Noch eine Absage. Damit steht es fest. Nina es noch schlechter aus: Für den Marketing- werden soll. Wir denken darüber nach, ob kann ab Oktober nirgends Psychologie Master in Nürnberg kann sie nicht genug wir einen Master machen und in welche studieren. Dabei hatte sie das seit der 9. Leistungspunkte in Wirtschaft vorweisen Richtung wir uns spezialisieren. Dieser Plan Klasse fest geplant und sich an jeder denk- und für den Master „Communication setzt sich dann in unseren Köpfen fest. Und baren Uni in Deutschland beworben. Aber Management“ in Leipzig fehlen ihr die nöti- irgendwie gehen wir davon aus, dass die letzlich hat ihr Abiturschnitt von 1,7 nicht gen sechs Monate Vollzeit-Praxis erfahrung. Dinge schon so laufen werden, wie wir uns gereicht, um einen Platz zu bekommen. Das alles sieht die Studentin aber gar nicht so das vorstellen. Wenn wir aber feststellen Jetzt hat Nina erst einmal eine Menge Zeit, eng: „Wenn es mit dem Master nicht klappen müssen, dass unser Plan wohl nicht so ganz um sich zu überlegen wie es weitergeht. Eine sollte, dann mache ich eben erstmal ein Gap- funktionieren wird, ist das für viele ein kleiner Alternative hat sie sich nicht zurecht gelegt. Year und probiere es danach noch einmal. Weltuntergang. Aber: So schlimm, wie man „Irgendwie hatte ich geglaubt: Das mit dem Oder ich fange eben gleich an zu arbeiten.“ im ersten Moment denkt, ist das alles oft gar Psychologiestudium wird schon irgend- nicht. In den meisten Fällen gibt es eine wie klappen“, gibt die Abiturientin zu. ganze Reihe an Alternativen zu „Plan A“.

Nina ist bei weitem nicht die einzige, Für Studienanfänger, die ihren Wunsch- die bei der Studienplatzvergabe leer Info studienplatz nicht sofort bekommen, ausgeht. Viele kennen das Problem: ! ergibt sich durch die Absage die Chance, Die Unis sind überlaufen, die Studien- Gap-Year-Programme gibt es mittlerweile noch einmal genau darüber nachzuden- plätze begrenzt. Es gibt viel zu viele viele. Zu einem der besten zählt das gemein- ken, was sie eigentlich wollen. Will ich Bewerber für die begehrten Plätze und same Programm von Allianz, Bertelsmann, wirklich unbedingt dieses eine Fach die „Eins vor dem Komma“ zählt längst McKinsey & Company, Project A, SAP und studieren oder gibt es auch noch etwas nicht mehr so viel wie noch vor zehn Zalando. Hier kann man in einem Jahr durch anderes, das mich interessiert? Stelle ich Jahren. Kein Wunder: Im Wintersemes- mehrere Praktika Erfahrungen bei Top- vielleicht sogar fest, dass mein Plan gar ter 2016/17 waren etwa 2,86 Millionen unternehmen aus verschiedenen Branchen nicht so toll, ist wie ich die ganze Zeit Studierende in Deutschland immatri- sammeln. Die Chancen, auf diesem Weg bei dachte? Natürlich ist es wenig ratsam, kuliert. Das sind etwa 900.000 mehr als den Firmen Fuß zu fassen, stehen ebenfalls gut. monatelang zu Hause zu sitzen und zu vor zehn Jahren. Aber nicht nur Studien- grübeln. Die Zeit sollte sinnvoll genutzt anfänger bekommen die Beschränkun- werden. Wer zum Beispiel schon öfter gen der Universitäten zu spüren: Vor allem Deutlich mehr Sorgen macht sich dage- mit dem Gedanken gespielt hat, einmal län- was Masterstudiengänge betrifft, müssen gen Sophias Freundin Fabienne, die sich ger ins Ausland zu gehen, dem bietet sich Hürden überwunden werden, um einen Platz im fünften Semester ihres Psychologie- nun eine optimale Gelegenheit dafür. Egal zu erhalten. Bachelors be ndet. „Ich möchte unbedingt ob Work and Travel, Au-Pair, Volunteering Psychotherapeutin werden und dafür ist ein oder auch eine Sprachreise: Neue, span- Sophia studiert Kommunikationswissen- Masterstudium ein Muss, sonst kann man nende Erfahrungen sind hier garantiert. Auch schaften im fünften Bachelor-Semester an die Zusatzausbildung nicht machen. Der Praktika oder ein freiwilliges soziales oder der LMU München und möchte gerne ein Bachelor ist für mich quasi wertlos“, sagt sie. ökologisches Jahr sind eine gute Option, um Master studium dranhängen. Dafür braucht Praxiserfahrung zu sammeln und herauszu- sie aber eine Durchschnittsnote von 2,0 oder Viele von uns kennen die Situation: Eine  nden, was einem (sonst noch) Spaß macht. besser, um zum Eignungstest für das Master- ganze Zeit lang haben wir einen mehr Wer sich bezüglich seiner Studienwahl schon studium in München eingeladen zu werden, oder weniger konkreten Plan im Kopf, wie ganz sicher ist, für den ist eine Ausbildung im den sie dann natürlich auch noch bestehen unser beru iches Leben ablaufen soll. Wir entsprechenden Berufsfeld oft die sinnvollste muss. Bei anderen Master studiengängen, überlegen uns, was wir studieren wollen Alternative. Klar, eine Ausbildung dauert in die die 22-Jährige interessieren würden, sieht und welche Stadt unsere neue Wahlheimat den meisten Fällen drei Jahre, was eine lange

50 | communichator Klassischer Studiengang oder Elite-Uni, Praktikum oder Existenzgründung, gleich einsteigen oder erst einmal um die Welt reisen und arbeiten – die Möglichkeiten sind vielfältig. Es kommt darauf an, was einem selbst am besten liegt. Fotos: Anna Kümpel (1), pixabay (5)

Zeit ist. Allerdings sammelt man in dieser Zeit die man spannende Einblicke in verschie- Hochschule zu machen, an eine Uni im Aus- wertvolle Erfahrungen, die später sowohl im dene Bereiche und Abteilungen von Top- land zu wechseln oder ein Fernstudium zu Studium als auch im Beruf sehr nützlich sein unternehmen bekommen kann. absolvieren. Allerdings sind diese Alterna- können. Außerdem kommen in drei Jahren tiven oft teuer. Ein Master in Public Rela- Ausbildung ganze sechs Wartesemester tions and Corporate Communications an zusammen, womit man oft direkt nach der GUTE CHANCEN? der Kingston-University in London dauert Ausbildung ins Studium starten kann. Auch zwar nur ein Jahr, kostet aber stolze 8200 das Gehalt in der Ausbildung sollte man nicht DIE BIETET AUCH Pfund (knapp 9500 Euro). Für einen Master vergessen – die zukünftige Studentenkasse EIN BACHELOR an der Macromedia-Hochschule zahlt man wird sich freuen. mindestens 500 Euro pro Monat und ein Auch Sophias Alternative, direkt über einen Fernstudium an der IUBH kostet je nach Wer sich für ein Studium im medizinischen Berufseinstieg nachzudenken, wenn es mit Modell und Studiendauer zwischen 249 und Bereich interessiert, für den ist der soge- dem Masterstudium nicht klappen sollte, 649 Euro monatlich. Aber egal, wofür man nannte „Test für Medizinische Studiengänge“ ist eine gute Idee. Bei vielen Unternehmen sich letztlich ent scheidet: Es ist immer wich- eine Alternative, um dem Traumstudium ein werden Bewerbungen von Bachelor-Ab- tig, sich vor Augen zu halten, dass es halb Stück näher zu kommen. Insgesamt berück- solventen nicht nur akzeptiert, sondern so schlimm ist, sollte es mal nicht so laufen, sichtigen derzeit 19 Universitäten den TMS- sind sogar willkommen. Vor allem bei wie man sich das vorstellt. Schließlich gibt es Test, jedoch gibt es keine einheitlichen Junior- und Trainee-Positionen haben die reichlich Alternativen. Kriterien, in welchem Maß der Test in die Bewerber oft gute Chancen. Auch für Psy- Auswahlkriterien der einzelnen Universitäten chologiestudenten, die anders als Fabienne Nina hat sich dafür entschieden, erst einmal miteinbezogen wird. In München ist es bei- keine psychotherapeutische Zusatzausbil- ein halbes Jahr ein Auslandspraktikum zu spielsweise so, dass die besten 10 Prozent dung absolvieren wollen, sieht es mit einem absolvieren. Außerdem hat sie einen Termin ihre Abiturnote um 0,8 verbessern können. Bachelor-Abschluss gar nicht so schlecht aus, bei der Studienberatung vereinbart: „Damit wie viele denken. Bachelor-Absolventen der ich einen Plan habe, falls es nächstes Jahr Zusätzliche Praxiserfahrung oder ein Psychologie können etwa im Personalwesen, wieder nicht klappen sollte“. Auslandsaufenthalt – beides ist natürlich im Marketing, in der Marktforschung oder auch für Leute denkbar, die schon einen bei Unternehmensberatungen Fuß fassen. Studienabschluss haben, aber keinen Wer unbedingt seinen Master machen und Masterplatz bekommen. Außerdem bieten auch keine Pause zwischen Bachelor- und viele Unternehmen „Gap-Year-Progamme“ Masterstudium einlegen möchte, dem bleibt [email protected] speziell für Bachelorabsolventen an, durch auch noch, den Abschluss an einer privaten Anzeige

communichator | 51 Foto: shutterstockFoto:

Eine Sprache, die verbindet

Das Englische hält Einzug in Kulturen außerhalb des angloamerikanischen Raums, auch in die deutsche. Was das mit unserer Sprache macht – und was das für uns selbst bedeutet. Von Mareike Mithöfer

Klingt „Wir waren heute shoppen“ nicht viel begeisterter und Also alles in allem verbindet man mit einer Feier eher eine etwas angenehmer als „Wir waren heute einkaufen“? Klingt „Wir waren gediegenere Atmosphäre und nicht die Party, bei der getanzt heute auf einer Feier“ nicht viel förmlicher und spießiger als „Wir wird und am Ende alles irgendwie aus dem Ruder läuft. Bei einer waren heute auf einer Party“? Manche Begri e Party denkt man an viele Leute, laute Musik, werden von uns anders wahrgenommen als Freunde und neue Menschen, die man ken- andere. Gerade bei Anglizismen ist das oft der ICH HATTE nen lernt, aber wahrscheinlich nie wieder Fall. Die englische Sprache gliedert sich immer VOM FEELING sieht. Und wenn man am Ende geht, sagen die mehr in unseren alltäglichen Sprachgebrauch Menschen Sätze wie: „Wir waren im Club voll ein und wird schleichend zu einem Besandteil der HER EIN GUTES crazy Party machen und waren richtig fly am unseren. Mit Shoppen verbindet man eher etwas GEFÜHL abdancen, als der eine voll derbe den ground Positives. Man tri t sich mit Freunden, weiß meist gehited hat. Fun level over 9000, sag ich dir.“ gar nicht so genau was man braucht und wenn doch, dann kauft man Na, überrascht das verstanden zu haben? War das eigentlich noch trotzdem im Sale etwas ganz anderes, als eigentlich geplant war. Am Deutsch oder schon Englisch oder Denglisch? Ende ist man glücklich darüber. Es macht mehr Spaß und klingt nicht so sehr nach Arbeit. Zum Einkaufengehen dagegen ra t man sich auf, Der niederländische Fernsehmoderator Rudi Carrell sagte einmal in weil man den schweren Kasten Wasser oder die Milch abends nach- einem Radiointerview bei radioeins: „Als ich nach Deutschland kam, hause schleppen muss, auch wenn man noch tausend andere Dinge sprach ich nur Englisch – aber weil die deutsche Sprache inzwischen zu erledigen hat. Ähnlich ist es mit der Feier. Mit ihr verbindet man so viele englische Wörter hat, spreche ich jetzt ießend Deutsch.“ vielleicht eine Familienfeier, auf die man eigentlich ganz gerne geht Das ist bezeichnend für die Entwicklung der deutschen Sprache. – zumindest die ersten zwei Stunden, bis die peinlichen Geschichten Moderne Menschen joggen, dancen und haben „vom Feeling her ein ausgepackt werden und man den einen Onkel nicht mehr los wird, gutes Gefühl“, wie der Fußballer Andreas Möller mal so schön sagte. der unbedingt noch eine Geschichte erzählen muss. Einige Menschen vertreten die Ansicht, dass die deutsche Sprache

52 | communichator geschützt werden sollte, indem man die ursprünglichen Bezeich- gesprochen, was den Ein uss der Sprache auf andere Länder erhöht. nungen beibehält. Doch oft bleibt auch gar keine Alternative zu den Durch die Kolonialzeit, in der 458 Millionen Einwohner, ein Viertel eingedeutschten englischen Begri en. Das Internet, das Re cyceln der damaligen Weltbevölkerung, zum British Empire gehörten, ist die die Software oder Hardware. Bei allem weiß zumindest die jün- Sprache auf allen Kontinenten zu  nden. Egal, ob man aus Indien, aus gere Ge neration sofort, was gemeint ist. Und weil Englisch so viel China, Brasilien, Kanada oder Deutschland kommt. Eine Sprache, die moderner und wichtiger klingt, passt man sich an. Beispiele dafür man gemeinsam spricht, verbindet. sind der Hausmeister, der zum Facility Manager wird und der Event Manager, der mal ein Veranstalter war. Und dass neue Begri e posi- Es gilt als weltgewandt und gebildet, gutes Englisch zu sprechen. tiver besetzt werden können, spiegelt sich auch darin wider, dass Man ist wichtig, reist womöglich viel oder möchte so seine Zuge- wir lieber shoppen als einkaufen gehen. Auch wenn neue Produkte hörigkeit zur Leistungselite herausstellen, indem man hie und da benannt werden, verwendet man häu g englisch klingende Bezeich- ein Fremdwort einfließen lässt. Also beginnt man in der Schule nungen, unter anderem, weil es von Deutschsprechenden oft als damit, die Kinder auf das vorzubereiten, was sie erwartet: eine Welt, Leitsprache begri en wird. Legt man einer Gruppe von Teenagern in der es hoch angesehen ist, international aufgestellt zu sein. Und Worte wie taste, station, band oder art vor, dann sprechen fast alle am besten fängt man mit einer Fremdsprache an. Viele Schüler diese Worte englisch aus. Dabei spielt es aber natürlich eine Rolle, und Studenten machen ein Auslandssemester, um Erfahrungen zu ob sie groß oder klein geschrieben werden. Wenn man Taste, Sta- sammeln. Es ist ein sehr e zienter Weg ist, eine Sprache zu lernen, tion, Band und Art schreibt, dann sprechen mehr Menschen sie eher sich in dem entsprechenden Kulturkreis zu bewegen. Außerdem deutsch aus. werden von den Universitäten Seminare und Vorlesungen auf Eng- lisch angeboten. Über deren Nutzen lässt sich hie und da streiten: Die Globalisierung spielt dabei eine wesentliche Rolle. Es gibt wis- Ergibt es Sinn, einen komplexen Sachverhalt, sagen wir aus der senschaftliche Ansätze, die besagen, dass es wirtschaftliche Vorteile Physik, auf Englisch zu erklären, wenn nur Deutsche im Raum sitzen bringt, wenn sich die Sprache an den angloamerikanischen Sprach- und so nur die Hälfte verstehen? Oder sollte man versuchen, den raum anpasst, also beispielsweise neue Wörter, Neologismen, Inhalt möglichst gut zu vermitteln und die Englischkenntnisse in übernommen werden. Das erleichtert auch das Lernen einer Fremd- einem anderen Kurs zu vertiefen? Wie dem auch sei, im Arbeitsle- sprache. Gerade im beru ichen Umfeld wird gefordert, dass man ben braucht fast jeder Englisch. In der Wissenschaft werden fast alle zumindest eine Fremdsprache – in der Regel Englisch – beherrscht. Fachartikel auf Englisch publiziert, damit der Zugang für möglichst Dabei geht es um internationale Kontaktp ege und auch darum, viele Menschen gewährleistet ist. Firmen handeln über internatio- Zugang zu Informationen zu haben, die einem ohne die Sprache ver- nale Grenzen hinweg und man hat Kollegen, mit denen man sich nur wehrt bleiben würden. Die Grundlagen einer Sprache sind oft recht unterhalten kann, weil beide Englisch als Zweitsprache sprechen. einfach zu erlernen, man kann sich schnell auf einem gewissen Level Englisch ist auch ein fester Bestandteil des Privatlebens vieler Leute. verständigen. Eine Sprache perfekt zu beherrschen, ist allerdings Sie schauen Fernsehserien und Filme auf Englisch, hören englische nicht ganz einfach. Es gibt viele Wörter, die eine versteckte Bedeu- Musik wird und fahren dorthin in den Urlaub, wo sie sich auf Englisch tung haben. Diesem Beiklang, der auch kulturell bedingt ist, kann verständigen. man als Nichtmuttersprachler nur schwer gerecht werden. Einige befürchten, dass der zunehmende Ein uss des Englischen die Englisch wird von etwa 360 Millionen Muttersprachlern gesprochen. deutsche Sprache deformieren oder sogar verdrängen könnte. Doch Natürlich gibt es Sprachen, die von noch mehr Menschen verwendet man darf nicht vergessen, dass Sprache das ist, was gesprochen wird. werden – Mandarin wird von einer Milliarde Muttersprachlern gespro- Solange der einzige E ekt ist, dass wir uns nur mit noch mehr Men- chen – aber Englisch wird oft auch als Zweit- oder Drittsprache erlernt schen auf der Welt verstehen, kann es eigentlich nichts Schlechtes und zudem von wirtschaftlich sehr stark aufgestellten Nationen sein, wenn unsere Sprache lebendig bleibt.

[email protected]

posten news fake

CHILL liken Sel estick Insider fail

Clickbaiting t h s a  e g voll abdancen sharen rexit Digital Digital B Shoppingtour spoilern Natives gendern Impressum

Herausgeber Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München communichator z. Hd. Christian Pfa nger (V.i.S.d.P.) Oettingenstr. 67 – 80538 München Tel.: 089 2180-9428 Chefredaktion Mail: [email protected] Christian Pfa nger, Susanne Heudecker & Jessica Kühn communichator 28 communichator 28

Anzeigen Titelbild Susanne Heudecker, Jessica Kühn, Sarah Latzel, Lena Maurer, pixabay / Unsplash Christian Pfa nger, Stephanie Piehlmeier, Nina Springer Redaktion Kirstin Bekers, Julius Bingmann, Susanne Drechsler, Laura Fehn, Amely Katharina Serian Flores, Florian Kistler, Sarah Latzel, Lena Maurer, Sarah Maurer, Anna-Theresa Mayer, Mareike Mithöfer, Nicole Muskatewitz, Julia Paszkiewicz, Minea Pejic, Amelie Pfei er, Stephanie Piehlmeier, Druck Andrej Potaczek, Sandra CEWE Print Schneider, Petar Slaveykov, Au age: 2500 Isabell Wiethe

Fotos: pixabay

# Unsere Redaktion Wir wissen, worauf du hinaus willst.

DU. Sportaffi n? Student im Grundstudium? Suchst einen Nebenjob? Zeitlich fl exibel? Kommunikativ? Mach wirklich, wo du hin willst! Mehr Infos unter: trainer.madeprojects.com