Beiträge Zur Kunde Estlands
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Preis Kr. 4.— BEITRÄGE ZUR KUNDE ESTLANDS IM AUFTRAGE DER ESTLANDISCHEN LITERARISCHEN GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON STADTARCHIVAR a. D. O. GR El FF EN H A G.EN XIX. BAND. ! INHALT: Georg Adelheim: Das Revaler Bürgerbuch 1710—1786. Ergänzungen und Berichtigungen. — Alphabetisches Verzeichnis der Bürger 1710—1786. — Verzeichnis der Berufsangaben. — Alphabe- tisches Verzeichnis der Geschlechtsnamen. Reval, 1934 Franz Kluge Von der Schriftleitung, Die Beiträge zur Kunde Estlands (als Beiträge zur Kunde Liv- Est- und Kurlands 1868 begründet), das wissenschaftliche Organ der Estländischen Literarischen Gesellschaft, erscheinen in zwangloser Folge von etwa 4—5 Heften jährlich. Einsendungen von Originalarbeiten sowie Zuschriften jeder Art werden an die Adresse des Herausgebers O. Greiffenhagen, Tallinn, Väike Pärnu maantee 8, к. 2, erbeten. Der Preis für das Normalheft von 32 Seiten beträgt 1 EKrone. Bei größerem Umfang tritt eine entsprechende Preiserhöhung ein. Die Mitarbeiter der „Beiträge" erhalten anstelle von Separata bis zu 10 Expl. des betr. Hefts. Sollten trotzdem Separata gewünscht werden, so hat der Autor die Druckkosten zu tragen. BEITRAGE ZUR KUNDE ESTLANDS IM AUFTRAGE DER ESTLÄNDISCHEN LITERARISCHEN GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON STADTARCHIVAR a. D. 0. QREIFFENHAQEN BAND XIX. 4~A- *F- Л REVAL, 1934 FRANZ KLUGE -А Torfü R«»J <iiku OiikooÜ | Raamatukogu I ... 1 45 ч2? Estländische Druckerei A.-0., Tallinn 1934 DER GESELLSCHAFT FÜR GESCHICHTE (JND ALTERTUMSKUNDE ZU RIGA ZUR FEIER IHRES HUNDERTJÄHRIGEM BESTEHENS GEWIDMET VOM DER ESTLÄNDISCHEN LITERÄRISCHEN GESELLSCHAFT DAS REVALER BÜRGERBUCH 1710—1786 HERAUSGEGEBEN VON GEORG ADELHEIM Vorwort Das III. Revaler Bürgereidbuch, das die Jahre 1690—1889 behandelt, wird im Revaler Stadtarchiv aufbewahrt (Archivnummer Aa 5 b) und bringt die 480 Jahre umfassende Bürgerliste Revals zum Abschlüsse. In sehr natürlicher Weise lässt sich dieses Bürger- buch in drei Teile zerlegen: 1) die schwedische Zeit, 1690—1710, 2) die russische Zeit bis zur Einführung der Statthalterschafts- verfassung, 1710—1786, und 3) die Zeit von der Wiedereinführung der alten Ratsverfassung bis zur Auflösung des Rates, 1796—1889. Während der Statthalterschaftszeit, 1786—1796, sind besondere Bürgerlisten geführt worden. — Der erste Teil dieses Buches ist bereits von mir im Anschlüsse an das zweite Revaler Bürgerbuch (1624—1690) herausgegeben worden'). Die Herausgabe des dritten Teiles sei der Zukunft vorbehalten. Gegenstand vorliegender Publi- kation ist der zweite Teil, die Zeit von 1710—1786, die erste Zeit russischer Herrschaft in Estland. — Eine genaue Beschreibung dieses Bürgerbuches wird wohl am besten gegeben bei der Heraus- gabe seines letzten abschliessenden Teiles. Wendet sich der Leser zunächst zur Frage, ob die russische Herrschaft neugestaltend auf die Struktur und Zusammensetzung der Revaler Bürgerschaft eingewirkt hat, so wird er bereits bei ober- flächlicher Durchsicht vorliegender Liste den Eindruck gewinnen, dass in dieser Beziehung in Reval sich nichts geändert hat. Stadt- *) Publikationen aus dem Revaler Stadtarchiv. Nr. 7. Das Revaler Bürger- buch 1624—1690 nebst Fortsetzung bis 1710. Reval, 1933. Revaler Estn. Ver- lagsgenossenschaft. VIII und Landkinder, sowie Einwanderer aus Deutschland und den skandinavischen Ländern bilden nach wie vor die Elemente, aus denen sich die Revaler Bürgerschaft zusammensetzt. Österreich und die Niederlande treten völlig zurück. Und genau wie in schwe- discher Zeit, liegen auch in der behandelten Periode in dem schmalen Landstriche der deutschen „Wasserkante" die Haupt- ausgangspunkte deutscher Einwanderung nach Reval. Weit mehr als 50% aller Einwanderer stammen von hier. Eine bei- gefügte Karte mag die Einwanderung veranschaulichen. Auffallend ist aber hierbei, dass der Literat völlig aus der Revaler Bürgerschaft verschwindet. Während des ganzen behandelten Zeit- raumes finden wir nicht einen einzigen Literaten sich um das Bürgerrecht bewerben. Das mag seine historische Begründung gehabt haben. Wir wissen aus dem Baltischen Privatrechte (Ein- leitung, Art. IX), dass der Literat nur dann unter das Revaler Stadtrecht kompetierte, falls er ein städtisches Gewerbe betrieb, in städtischen Diensten stand, oder ein Immobil in der Stadt besass. Trafen diese Voraussetzungen nicht zu, so unterlag er der Geltung des estländischen Landrechtes, wenngleich er in Reval ansässig war. Da es nun nicht anzunehmen ist, dass die Literaten, die im 17. Jahrhundert sich um das Bürgerrecht bewarben, hierbei nur einer Laune folgten, wird man vielmehr rechtliche Ursachen annehmen müssenx) und aus einer Än- derung der rechtlichen Lage das Verschwinden der Literaten aus der Bürgerschaft Revals erklären müssen. Die Frage ist wert zum Gegenstande einer rechtshistorischen Skizze gemacht zu werden. Der Eintritt in die russische Zeit führt durch das dunkle Tor der Pest. Bereits bei der Herausgabe des II Bürgerbuches habe ich versucht, das Ausmass der Katastrophe des Jahres 1710 zu veranschaulichen. Im vorliegenden Bürgerbuche liegen die Folgen der Katastrophe zu Tage. Eine Reihe von Familien, die für uns geradezu den Inbegriff Altrevaler Bürgertums bedeuten, sind an der Schwelle dieses Tores entweder völlig zusammengebrochen, oder haben — bis ins tiefste Lebensmark getroffen — nur küm- merliche Reste in die neue Zeit hinüberretten können. Die Bades, *) Bereits im 17. Jahrhundert nahmen die Literaten bei der Aufnahme in die Bürgerschaft eine bevorzugte Stellung ein, indem sie von jeglichen Abgaben befreit wurden: „nihil dedit" verzeichnet bei ihnen das II. Revaler Bürgerbuch. IX Bevermanns, Boismanns, Hutfilters etc. verschwinden nahezu völlig. Die v. Schotens, v. Thierens, Kniepers u. a. erhalten sich nur in wenigen Gliedern und gelangen zu keiner neuen Blüte. Einige Geschlechter (v. Hahn*), v. Dunten2), v. Renteln u. a.) verschwinden aus Reval und gehen aufs Land. Andere Geschlechter aber, die uns aus dem 17. Jahrhundert sehr wohl bekannt sind, die jünger waren und kräftiger, treten aus bescheideneren Positionen mächtig hervor und übernehmen die Herrschaft im 18. Jahrhundert. Ich nenne die Clayhills, Dehns, Haecks, Höppeners, Huecks, Kochs, Nottbecks, Riesenkampffs, Roddes usw. Und zu diesen eingeses- senen Familien treten neue Einwanderer hinzu, die sich und ihren Nachkommen Geltung zu verschaffen wissen (Eggers, Frese, Intel- mann, Luther, Stoppelberg u.a.)3). — Die Struktur der Bürger- schaft verändert sich aber durch diese neuen Namen nicht. Es sind eben nur neue Namen. Erst ganz am Schlüsse der behan- delten Periode (es ist die Zeit der grossen Reformen Katharinas II), tritt ein neues Element in die Bürgerschaft ein — auswärtige, zumeist St. Petersburger, Kaufleute, die nur als Bürger „ange- schrieben" sind, ohne in Reval ansässig zu sein oder hier ein Gewerbe zu betreiben. Zunächst nur vereinzelt auftretend, werden diese „Auswärtigen" in der Zeit nach 1786 eine häufige Erschei- nung. Und hier mag — um die Gleichartigkeit der schwedischen und der ersten russischen Zeit weiter zu kennzeichnen — darauf hingewiesen werden, dass sich erst in dem letzten (hier nicht behandelten) Abschnitte des Bürgerbuches zwei neue, soziologisch wichtige, Elemente abheben: die katholischen Deutsch-Böhmen und die orthodoxen Russen — Gruppen, die uns bis dahin völlig fremd waren, es aber wohl verstanden, sich einzugliedern in die Umwelt ihrer neuen Heimat und in vielfache (auch verwand- schaftliche) Beziehungen zu dem Hauptelement der Deutschen Revals traten4). *) Im Mannesstamm erloschen mit Gregor v. Hahn, + Reval 29. Mai 1934. 2) Erloschen mit dem Grafen Reinhard v. Dunten, Freiherrn v. Dallwigk- Schauenburg-Lichtenfels, Erbh. a. Karkus i. Livl., + Berlin 17. Febr. 1922. 8) Das Register der Geschlechtsnamen am Schlüsse meiner Arbeit mag als Beitrag aufgefasst werden zur Frage des Verschwindens einzelner Geschlechter und des Aufsteigens anderer. 4) Der Stamm der katholischen Gemeinde Revals, von dem ich rede, ist heute leider nahezu verschwunden. Ich nenne fg. Namen: Gautsch, Hiekisch, Kunte, Nietzsche, Schiefner u. a. — Auch die alte russische Gemeinde ist in ihrer X Wenn ich aber oben nur Namen grossgildischer Geschlechter nannte, so bedeutet das nicht, dass unsere Handwerkerfamilien sämtlich ausgestorben oder verschwunden seien. Aus dem 17. Jhrh. lassen sich allerdings nur wenige Namen nennen — Lohfert, Ploschkus, Vorberg (?), Weiss, vielleicht N i e 1 ä n d e r. Aus dem 18. Jahrh. hat sich aber eine ganze Reihe von Namen erhalten — Bewer, Boldt, Bruhns, Cederhilm, Cle- menz, Dehio, Feuereisen, Gahlnbäck, Greim, Krausp, Iversen, Mi ts с h e r 1 i ch, Rotermann, Weisse u. a. Die Handwerker zeigten einen sehr viel stärkeren Auswanderungsdrang, als der Kaufmann und der Literat, und sie reizten mächtig — bei den augenscheinlich äusserst ärmlichen Ver- hältnissen in Reval — die „unbegrenzten Möglichkeiten" in Russland. Die Kirchenbücher der ev.-luth. Kirchen Russlands mögen hierüber manche erstaunliche Aufschlüsse geben. Wir haben auch allen Grund anzunehmen, dass eine Reihe von Familien, deren Namen in Reval verklungen, sich in Russland noch heute blühend erhalten haben — Knieper, v. Kohsen, Lanting, Lohmann, v. Min- den1)» v. Schoten u. a. Einige Namen treten überraschend in Westeuropa ja sogar in Amerika auf — Bretholt, Fieand, v. Gerten, Schrove in Schweden, v. Wieler, Vorberg in Deutschland, Seebeck in Amerika. Ob die В u г с h a r t s in Ungarn und Frankreich noch blühen, bleibe dahingestellt. Von Familien, die bei uns ausgestorben, in ihrer Stammesheimat sich jedoch noch erhalten haben, seien