Ambulanter Hospizdienst -Ostvorpommern

Jahresbericht 2018 Impressum

Herausgeber: Ambulanter Hospizdienst Greifswald-Ostvorpommern

in Trägerschaft: des Kreisdiakonischen Werkes Greifswald e.V.

Redaktion: Katja Hundt, Heike Wendlandt, Pastor Philip Stoepker, Martina Felix

Fotos: Dietlind Zilz, Seite 3 alle anderen Gisa Massow: Ausschnitte aus den Arbeiten der SchülerInnen der Leistungskurse Kunst, 12. Jahrgangsstufe (2018) Jahngymnasium Greifswald

Layout: Schulz Werbung Greifswald, Annett Matthießen

Druck: Kiebu-Druck GmbH

2 20 Jahre Ambulante Hospizarbeit Greifswald-Ostvorpommern

2018 war für den Ambulanten Hospiz- ein aktives Netzwerk mit vielen Betei- dienst Greifswald-Ostvorpommern ligten im Bereich der Palliativmedizin ein Jubiläumsjahr. Der Dienst fing und Hospizarbeit. Im Zusammenhang 1998 als erster in Greifswald und Um- mit dem gesellschaftlichen Wandel gebung mit den Hospiz-Begleitungen innerhalb von 20 Jahren haben sich an. Begriffe wie Hospiz Palliativ- auch deutlich die Ansprüche an die medizin waren vor 20 Jahren in der Hospizarbeit und Palliativmedizin ver- Gesellschaft nicht geläufig. Mittler- ändert. weile hat das Wissen um die Hospiz- arbeit viele Menschen erreicht und an Das Jubiläumsjahr haben wir genutzt, Anerkennung gewonnen. um unseren vielen ehrenamtlichen HospizbegleiterInnen mit einem Som- Dank der Hospizarbeit wurde in den merfest zu danken. In den zwanzig vergangenen 20 Jahren vielen Ster- Jahren waren es 140 Frauen und 9 benden, deren Angehörigen und Männer, die sich nach einer Ausbil- Trauernden geholfen und Beistand dung ehrenamtlich engagiert haben. geleistet. Anfangs haben wir zu einem großen Teil intensive Aufklärungsar- beit leisten müssen. Zwanzig Jahre später gibt es in unserem Landkreis

3 Entwicklung der Begleitungen und Anzahl der Ehrenamtlichen 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 19971998199920002001200220032004200520062007200820092010201120122013201420152016201720182019

Begleitungen p. Jahr Abgeschlossene Begleitungen Ehrenamtliche

20 Jahre Hospizdienst, was verbirgt Der Hospizdienst hilft Menschen da- sich hinter dieser Zahl? bei, wenn irgend möglich, bis zuletzt Das haben wir uns auch gefragt und in ihrer vertrauten Umgebung bleiben festgestellt, dass hinter dieser Zahl eine zu können und ihren letzten Lebens- ganze Menge steckt, nämlich: 1216 abschnitt in der ihnen angemessenen verstorbene Menschen, die durch un- Weise gestalten und menschenwürdig seren Dienst begleitet wurden, aber… sterben zu können. Dabei sind es vor jeder Mensch ist einmalig – auch in allem die ehrenamtlichen Hospizbe- seinen Bedürfnissen und Wünschen gleiterInnen, die mit ihrem persönli- am Ende des Lebens. chen Engagement Sterbende unter-

4 stützen. Sie besuchen Menschen zu nördlich der , sowie auf der Insel Hause, in Alten- und Pflegeeinrichtun- , als ambulanter Hospizdienst gen, im stationären Hospiz oder auf aktiv sind. der Palliativstation. Die kürzeste Begleitung dauerte 1 Tag, So standen im Jahr 2018 63 ehren- die längste geht schon über drei Jahre. amtliche HospizbegleiterInnen des Vierundzwanzig Begleitungen dauer- Ambulanten Hospizdienstes Greifs- ten kürzer als eine Woche. Sechsund- wald-Ostvorpommern 169 Menschen vierzig hatten eine Dauer von zwei bis und ihre Angehörigen in der letzten vier Wochen. Es verstarben 127 be- Lebensphase zur Seite. Die Ehrenamt- gleitete Personen: 48 in der eigenen lichen erbrachten dabei 1214 Besuche Häuslichkeit, 5 im Krankenhaus, 26 mit insgesamt 1609 Stunden. Die Ko- auf der Palliativstation, 7 im statio- ordinatorinnen leisteten 192 Beglei- nären Hospiz und 41 in Alten- und tungseinsätze mit 304 Stunden. Pflegeinrichtungen. Diese Betreuten waren (fast wie im Vorjahr) zu 60% Pro Begleitung betrug die Fahrtzeit bei weiblichen und zu 40% männlichen den Hauptamtlichen im Durchschnitt Geschlechts. Das durchschnittliche Le- 36 Minuten; bei den Ehrenamtlichen bensalter betrug 75 Jahre, wobei die waren es zwei Stunden und vierzig Spanne von 23 bis 98 Jahren reichte. Minuten. Hier macht es sich deutlich bemerkbar, dass wir nicht nur in der Stadt Greifswald begleiten, sondern im ganzen Bereich des Landkreises

5 Dauer Begleitungen 2001-2009 60

50

40

30

20

10

0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

bis 1 Monat bis 3 Monate bis 6 Monate bis 12 Monate > 12 Monate

Es macht sich positiv bemerkbar, dass die meisten Begleitungen in der guten und sehr kooperativen Zusammenarbeit im Palliativen Netzwerk gestaltet werden konnten. Auch die Präsenz des Hospizdienstes in Alten- und Pflegeeinrichtungen konnte ausgebaut werden.

6 Dauer Begleitungen 2010-2018 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

< 1 Monat 1-2 Monate 2-4 Monate 4-6 Monate 6-12 Monate > 12 Monate

Die beiden Tabellen zur Dauer der Begleitungen lassen erkennen, dass in den vergangenen zwanzig Jahren die durchschnittliche Begleitungsdauer stark zurück- gegangen ist und der Schwerpunkt auf Begleitungen mit einer Dauer von maximal einem Monat liegt.

7 Darüber hinaus ist in der Altersstruktur ehrenamtlichen HospizbegleiterInnen der begleiteten Personen festzustellen, hilft, dass Patienten ihre Krankheit dass das durchschnittliche Alter in den verstehen, Unerledigtes aus der Ver- letzten Jahren im Verhältnis gestiegen gangenheit abschließen können und ist. die Zeit der Verabschiedung bewusst gestalten können. Eine rechtzeitige Über alle Jahre gering geblieben ist die Kontaktaufnahme ist sinnvoll, um Ver- Kontaktaufnahme von den Betroffenen trauen aufzubauen. Wenn genügend selbst. Das vielbesprochene Thema Zeit zur Verfügung steht, können Tod- der Selbstbestimmung am Lebensende kranke vielleicht eher dazu kommen, ist in der Aktualität der Begleitungs- ihren eigenen Tod zu akzeptieren und praxis wohl (noch) im Hintergrund. können gleichzeitig Beistand in der Aus- Nichtsdestotrotz kann es durch die einandersetzung mit ihrer Situation er- Begleitung des Ambulanten Hospiz- fahren. Und manchmal kommt es dazu, dienstes öfter gelingen, die Realität dass Raum und Zeit gewährt werden, des unheilbaren Krankseins zu bewäl- um sich miteinander die Sinnfragen von tigen. Das unterstützende Angebot der Leben und Sterben zu stellen.

8 Alterstruktur der betreuten Personen 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2006 2008 2009 2010 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

0-17 Jahre 18-40 jahre 41-65 Jahre 66-80 Jahre über 80 Jahre

Die Kontaktaufnahme bzw. Anfrage Sie initiieren die Begleitung und stehen zu einer Begleitung ist nach wie vor weiterhin beratend zur Verfügung. unkompliziert und formlos: “Ein Anruf Auch unabhängig von Begleitungen genügt…“ Daraufhin führt eine der beraten sie schwerkranke Menschen Koordinatorinnen das erste Orientie- und ihre Angehörigen zu vielen Fragen, rungsgespräch durch. Sie informieren die mit dem Lebensende verbunden dabei über die Möglichkeiten der am- sind. Im Berichtsjahr fanden in diesem bulanten Hospizhilfe und über weitere Rahmen über 112 Beratungen statt. Unterstützungsmöglichkeiten.

9 Themen waren meistens die Informa- sie in ihrer Trauer. Auch können sie tion zu Begleitungen, Beratung und unabhängig von einer ehrenamtlichen Unterstützung, Patientenverfügung Begleitung, Trauernden zu einem ers- und Trauerbegleitung. ten Orientierungsgespräch zur Seite So konnte sich die Situation durch eine stehen. Falls nötig, gibt es Angebote intensive (manchmal nur telefonische) zur Bewältigung der Trauer. Begleitung der Angehörigen soweit entspannen, dass diese sich wieder Beim „Café für Trauernde“, in der Alten belastbarer fühlten und die Begleitung Sternwarte in Greifswald, besteht am allein leisten wollten. Darüber hinaus ersten Mittwochnachmittag im Monat setzte sich die Entwicklung fort, dass die Möglichkeit für Trauernde, mit ähn- bei den Begleitungen die Stärkung und lich Betroffenen ins Gespräch zu kom- Unterstützung der Angehörigen eine men, den erlittenen Verlust bewusst größere Rolle spielt. Sie sind es, die zu betrauern und damit zu verarbeiten. oft in der Phase des intensiven Pfle- Karina Siebeneicher und Esther Schmidt gens bzw. bevorstehenden Abschieds, begleiten dieses Angebot. palliative Beratung, Hilfe und Unter- stützung brauchen. In sind es Katja Hundt und Gerhild Plath die am zweiten Diens- Die HospizbegleiterInnen und die Ko- tagnachmittag im Monat das „Café für ordinatorinnen stehen auf Wunsch, Trauernde“ in der Konditorei Bieden- auch nach dem Tod des Angehörigen, weg in Wolgast durchführen. für die Hinterbliebenen als Ansprech- partner zur Verfügung und begleiten

10 Der Trauerkreis in Greifswald fand in die Schwere eines Verlustes und den diesem Jahr wiederum zweimal unter Abschiedsschmerz zu durchleben, Er- der Leitung von Karina Siebeneicher innerungen zu bewahren und neue statt. Perspektiven zu entwickeln.

Unsere Koordinatorin Katja Hundt bot Ein Dankeswort gilt Gerhild Plath, die weiterhin Trauerbegleitung für Kinder im Sommer ein Jahr Vertretung als und Jugendliche an. In diesem Rahmen Koordinatorin mit dem Schwerpunkt hatte sie mehrere Einzelbegleitungen Wolgast/Usedom beendete. und Beratungen, um Kindern zu helfen,

11 Kooperation und Vernetzung

Für eine gelingende Versorgung und Zusammenkünften im Hospiz der Uni- Betreuung schwerstkranker und ster- versitätsmedizin Greifswald. bender Menschen und ihrer Familien bedarf es einer Vernetzung der ver- Im Rahmen der Vorlesungsreihe Palli- schiedenen medizinischen, pflegeri- ativmedizin an der Universitätsmedizin schen, therapeutischen und spirituellen Greifswald wurde eine Vorlesung zu Hilfsangebote aller in der Hospiz- und psychosozialen und seelsorgerlichen Palliativversorgung Tätigen. Aspekten gehalten und zwei Semina- re zum Kennenlernen des Ambulanten Die Zusammenarbeit mit Pflegeheimen Hospizdienstes gegeben. in Greifswald, Wolgast, Gützkow, Tutow und wurde weitergeführt. Im Kontext der „Interdisziplinären Palliativmedizinischen Seminarreihe“ Die Kooperation mit dem Team der referierten im April Alexandra Mazur Spezialisierten Ambulanten Palliativ- (Vorsitzende) und die Psychologin Ta- Versorgung (SAPV) hat sich weiterent- mara Wacholc des Hospizvereins in wickelt, sowie die Kooperation mit den Police über den Stand der Palliativ- Pflegediensten Martina Baltz, Humboldt medizin im Nordwesten von Polen und und Ora Cura. In diesem Rahmen neh- über die Entwicklung ihrer Hospiz- men unsere Koordinatorinnen an den arbeit und die Trauerbegleitung vom wöchentlichen Netzwerkberatungen teil. Hospiz „Królowej Apostołów” in Police Gleichfalls sind wir beteiligt an den (Polen). Im Januar war unser Dienst wöchentlichen Besprechungen der mit Ehrenamtlichen zu Gast beim Palliativstation und den 14-tägigen Richtfest des stationären Hospizes in

12 Police. Auf dem Rückweg wurde das In Kooperation mit dem Seniorenzen- stationäre Hospiz „Vergissmeinnicht“ trum Stella Maris in be- in Eggesin besucht. gann im Dezember eine kleine Gruppe mit der Ausbildung zur ehrenamtli- Am Ende des Jahres wurde die Zu- chen HospizbegleiterIn. Damit entsteht sammenarbeit mit der Hospizgruppe demnächst ein verstärktes ambulantes Franzburg-Richtenberg weiter ausge- Hospizangebot im südlichen Teil der baut. Diese ist nun in unserem Dienst Insel Usedom. integriert.

13 Finanzen

Die finanzielle Grundlage unserer Arbeit diesem Jahr weitere, wichtige Unter- bietet der jährliche Zuschuss der Kran- stützung erhielten. So setzte sich mit kenkassen zu den Personalkosten, für den Spenden für den sog. Apotheken- die Koordination und für die Gewinnung kalender, die wir von einigen Apotheken und Schulung der Ehrenamtlichen, so- bekommen, eine gute Tradition fort. wie für einen Teil der Sachkosten und Auch unsere intensive Trauerarbeit ist Fahrtkosten. Des Weiteren bleiben wir nur durch Spenden möglich. angewiesen auf anderweitige Zuwen- dungen, vom Land, dem Landkreis und Danken möchten wir auch dem Greifs- der Stadt. walder Blumenladen „Flower Power“, der uns mit Blumenspenden unterstützt. Es ist eine Bestätigung unserer Arbeit, Auch werden wir von der Staatsan- dass die Zahl der Begleitungen auf ei- waltschaft mit zugewiesenen nem hohen Niveau bleibt und in dem Bußgeldern bedacht. großen Einzugsgebiet, das sich über das gesamte Gebiet des ehemaligen Als große Anerkennung erfahren wir Landkreises Ostvorpommern erstreckt, es, dass wir regelmäßig kleinere und eine positive Resonanz bekommt. größere Spenden von Privatpersonen erhalten. So sind es Unterstützer, die Unsere Begleitungen sind für die Be- uns schon lange die Treue halten. troffenen kostenlos, jedoch entstehen in diesem Zusammenhang relativ hohe Hinzukommen aber auch immer wieder Fahrtkosten bei den Ehrenamtlichen. neue Spender nach einer Sterbe- oder So sind wir dankbar, dass wir auch in Trauerbegleitung.

14 Für ein persönliches Wort möchte Jahrzehnte zurückzublicken. Es waren ich mir in diesem Bericht einen Platz lebensintensive, fruchtbare 20 Jahre. einräumen. Altersbedingt wird die- Sie waren erfüllt von Begegnungen ser Bericht mein letzter sein. 20 Jah- und Erfahrungen, die schwer in Worte re Ambulanter Hospizdienst sind ein zu fassen sind. guter Anlass, dankbar und mit etwas Wehmut auf die vergangenen zwei

Ich möchte aus diesem Anlass allen danken, die sich im Ambulanten Hospizdienst hauptamtlich oder ehrenamtlich engagieren und engagiert haben. Dank an alle, die dem Dienst und der Hospizarbeit von Herzen zugewandt waren und diesen auf vielfältige Weise gefördert und unterstützt haben. Besonderer Dank gilt den ehrenamtlichen HospizbegleiterInnen, die sich, getragen von dieser Unterstützung, mit ihrem Engagement dafür einsetzen, dass Menschen die letzte Phase ihres Lebens würdevoll und geborgen bis zuletzt leben können.

Philip Stoepker

15 Gruppenarbeit

„Jeder Mensch verwirklicht sich in der Beziehung zu anderen und in der Zuwen- dung zur Aufgabe.“ Ruth Cohn

Im Fokus unserer Arbeit stehen die verschiedenen Ländern.“ Der Pfleger Ehrenamtlichen. Sie verschenken etwas, Jan Widra berichtete aus dem Greifs- was viele Menschen scheinbar nicht walder Hospiz und unsere Ehrenamtli- mehr haben. Sie verschenken ihre Zeit che Jasmin Werner erzählte von ihrer an sterbende Menschen und deren An- Arbeit in einem Hospiz in Nebraska gehörige. Das ist unendlich wertvoll. (USA). Spannend war zu hören, welche Unser Wunsch und Ziel ist es, dass Gemeinsamkeiten und welche Unter- sich die ehrenamtlichen Begleiter und schiede es gibt. Begleiterinnen gut eingebunden fühlen Im April hatten wir die Aromaexpertin und eine Wertschätzung erfahren, die Martina Bürgermeister, die Klangthera- ihrer wertvollen Arbeit entspricht. peutin Birgit Prager und wieder einer unserer Ehrenamtlichen, Marion Jen- Ein wesentlicher Teil des Zusammenseins schewski, zu Gast. Wir konnten die wird durch die Gruppenabende erfüllt. verschiedenen integrativen Möglich- Alle zwei Monate treffen die Ehrenamt- keiten in der palliativen Begleitung er- lichen sich in vier Kleingruppen, um leben und praktisch ihre Wirkung er- sich über bestimmte Themen und ihre fahren. Begleitungen auszutauschen. In den Passend zum Frühlingswetter konnten Monaten zwischen den Kleingruppen- wir einen musikalischen Samstag im treffen gestalten wir gemeinsame Mai erleben. Die Musikpädagogin Hei- Abende. So hatten wir im Februar einen ke Elftmann gestaltete einen Tag mit Abend zum Thema: „Hospizarbeit in Gesang, Tänzen und Instrumentenbau

16 in der erholsamen Atmosphäre ihres Auch ein besonderes, gemeinsames Er- eigenen Gartens. Musik und Klang zu lebnis war der Besuch einer Buchlesung erleben und dabei zu entspannen war im September von und mit Samuel Koch auch das Motto der Klangmeditation, in der Greifswalder St. Jakobikirche. Die die wir an 2 Nachmittagen für die Ehren- Einladung und Initiative kam von Herrn amtlichen anbieten konnten. Die Klang- Bartsch aus der Dombuchhandlung. therapeutin Birgit Prager führte uns Samuel Koch las aus seinem Buch „Rolle mit verschiedenen Klängen auf eine vorwärts“ und erzählte über sein Leben Reise in unser Inneres. Der Höhepunkt nach seinem Unfall am 4. Dezember 2010. des Jahres war das Sommerfest in Seitdem ist er querschnittsgelähmt. Mit zum 20-jährigen Jubiläum des Witz und Charme, aber auch mit tiefsin- Ambulanten Hospizdienstes Greifswald- nigen Gedanken, führte der Schauspieler Ostvorpommern. Mit viel Freude und in musikalischer Begleitung von Mirjam Engagement wurde das Fest vorbereitet Thönes (Gesang) und Albrecht von Linden- und es ist gelungen, es als besonders fels (Keyboard) durch den Abend und so schönes Erlebnis zu gestalten. So denken mancher ging mit einem Gefühl der Be- wir gern zurück an die vielen schönen wunderung nach Hause. Begegnungen und Gespräche, Musik und Eine Begegnung der ganz anderen Art Spaß und jede Menge kulinarische Köst- hatten wir im Oktober mit der Kunst- lichkeiten. Hier sei noch einmal allen ge- historikerin Dr. Anja Kretschmer alias dankt, die dieses Fest mit Rat und Tat „die schwarze Witwe“. Zunächst durften unterstützt und gestaltet haben. wir etwas über die „Bestattungskultur

17 im Laufe der Zeit“ erfahren und im An- bei Kerzenschein und gutem Essen ge- schluss führte uns Frau Kretschmer mütlich beisammen. Unser Advents- als „schwarze Witwe“ über den Alten fest wurde gekrönt durch die Puppen- Friedhof in Greifswald. Nicht allen war spielerin Birgit Schuster, die uns mit wohl dabei und einige bekamen auch ihrer Darstellung: „Die Weihnachts- eine Gänsehaut. Und das lag nicht nur gans Auguste“ in die eigene Kindheit an der Kühle des Abends… . zurückversetzte und ein bisschen zum Zum Abschluss des Jahres saßen wir Träumen brachte.

Fort- und Weiterbildung „Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.“ Peter Ustinov

Es ist uns sehr wichtig, immer im Aus- So sei zum Beispiel das Trauerseminar tausch zu bleiben und zu erfahren, was im Februar für eine Gruppe von jungen es Neues und Interessantes gibt. Gemein- Menschen im freiwilligen sozialen Jahr sam entwickeln wir uns weiter und die erwähnt oder das Tagesseminar zum Erfahrungen, die wir machen, können Thema: „Umgang mit Abschied, Ster- anderen nützlich sein. Ebenso auch um- ben, Tod und Einblicke in die Hospiz- gekehrt. Wir freuen uns, Neues zu hören arbeit“, das Katja Hundt durchführte. und in Kontakt mit anderen zu sein, de- Zwei Fortbildungen für Pflegende in der nen die Hospizarbeit wichtig ist. Pommernresidenz Ahlbeck, zum Thema

18 „Selbstbestimmung im Alter“ und „Um- demie der Nordkirche ein Wochenend- gang mit Verstorbenen“ wurden von seminar mit verschiedenen Vorträgen Heike Wendlandt durchgeführt. durch. Es kamen Redner und Rednerin- nen aus verschiedenen Fachbereichen 2017 starteten wir auch mit einem zu Wort und es gab viele Themen, die neuen Projekt: „Letzte Hilfe“. Im März zur Diskussion einluden. und September 2018 fanden unter diesem Titel zwei weitere halbtägige Ein intensives Weiterbildungswochen- Weiterbildungen statt, die zum Ziel ende konnten wir im Oktober in Zinno- hatten, Menschen aus der Bevölkerung witz erleben. Frau Dr. Iris Zellmer aus mit den Möglichkeiten der palliativen Birkenwerder gestaltete ein Seminar und hospizlichen Fürsorge vertraut zu zum Thema Körpersprache. Die Teil- machen. Geleitet wurden diese beiden nehmerInnen konnten die eigene Wahr- Veranstaltungen von Bea Beule und nehmung für ihre Körpersprache sensi- Heike Wendlandt. Sehr gefreut haben bilisieren. In Übungen und Rollenspielen wir uns über die Zusammenarbeit mit wurde vermittelt, wie Körpersprache Frau Askri von der Volkshochschule gedeutet werden kann. Auch ging es Greifswald. So konnten wir das Thema darum, die Körpersprache am eigenen einer breiteren Öffentlichkeit anbieten. Körper zu erkunden und am Gegenüber zu entdecken. Der geschützte Rahmen Im März sind 8 Ehrenamtliche für 2 Tage und die Möglichkeit, Wald und Strand nach Güstrow gefahren. Unter dem Titel: zu genießen, schafften optimale Bedin- „Meine Demenz- Deine Demenz- Unsere gungen, um Gedanken und Gefühlen Zukunft“ führte die Evangelische Aka- Raum zu lassen.

19 Öffentlichkeitsarbeit

„Wer nicht neugierig ist, erfährt nichts.“ Johann Wolfgang von Goethe

Anfang des Jahres folgten wir einer Rahmen der Hospizarbeit und das, was Einladung von Martina Baltz, der Vor- die ehrenamtliche Tätigkeit für sie be- sitzenden des Palliativvereins Sonnen- deutet. weg, zu einem 1. Aktionstag „Palliativ- medizin“ ins Greifswalder Rathaus. Ziel Am 16. März war im Greifswalder Amts- dieser Veranstaltung war es, die Öffent- gericht die Vernissage der Ausstellung lichkeit über die Dienste rund um die mit dem Titel „Was bleibt“. Die Kunst- palliative Versorgung zu informieren. In leistungskurse des Jahngymnasiums Kurzvorträgen stellten die unterschied- hatten sich mit den Themen Sterben, lichen Teams ihre Arbeit vor und es gab Tod und Trauer auseinandergesetzt. Sie die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Der präsentierten in diesem Rahmen ihre 2. Aktionstag des Vereins fand im Novem- Arbeiten in Zusammenarbeit mit unse- ber statt. Es ging besonders um die Be- rem Dienst vertreten durch Katja Hundt. lange der Angehörigen von betroffenen Menschen. Auch hier konnten wir unseren Eine gute Möglichkeit, die Arbeit des Dienst präsentieren und auf unsere An- Ambulanten Hospizdienstes zu präsen- gebote aufmerksam machen. tieren, bietet die jährliche Ehrenamts- messe, die am 24. März 2018 im Pom- Im Februar konnten wir über eine un- merschen Landesmuseum Greifswald serer Ehrenamtlichen als „Gesicht des stattfand. Erfreulicherweise konnten wir Tages“ (in der Ostsee-Zeitung) lesen. Interessenten für die Ehrenamtsausbil- Heike Mehl beschrieb ihre Arbeit im dung gewinnen. Diese Messe zeigt deut-

20 lich, wie wichtig ehrenamtliches Enga- Wir freuen uns sehr, dass der Einsatz der gement für unsere Gesellschaft ist. Ehrenamtlichen auch in der Öffentlich- Im Herbst bereiteten wir die Ausbildung keit Aufmerksamkeit findet. Ein Zeichen einer neuen Ehrenamtsgruppe vor. Auf der Anerkennung und Wertschätzung drei Informationsveranstaltungen ga- ist die Verleihung des Ehrenamtspreises. ben wir einen Einblick in die Arbeit von Diesen Preis durfte in diesem Jahr Esther Ehrenamtlichen im Hospizdienst. Im Schmidt, als Vertreterin unserer Hospiz- November konnten wir mit einem neu- begleiterInnen, in Empfang nehmen. en Kurs starten. Für 13 Frauen war das der Beginn einer neuen Aufgabe. Im Mai 2019 wird die Ausbildung beendet sein. Heike Wendlandt

21 „WAS BLEIBT…“

ist der Titel der Ausstellung geworden, Dann begann für die beiden Kurse die die die Kunstleistungskurse der Jahr- künstlerische Auseinandersetzung. gangsstufe 12 des Jahngymnasiums Dabei waren die Mittel und Methoden, gemeinsam mit unserem Hospizdienst die gestalterischen Formen, die Art im Amtsgericht Greifswald der Öffent- der Darstellung frei wählbar. So war lichkeit präsentieren konnten. eine große Bandbreite an Arbeiten zu erwarten und machte diese Ausstel- Zur Vernissage am 16. März kamen lung auch in dieser Beziehung zu ei- sehr viele Interessenten, um diese ner besonderen und überraschenden Ausstellung zu sehen. Die SchülerIn- Sammlung von ausdrucksstarken, be- nen hatten sich im Vorfeld intensiv mit rührenden und lebendigen Arbeiten. den Themen Sterben – Tod – Trau- er künstlerisch auseinandergesetzt, „WAS BLEIBT…“ war der Titel der Aus- nachdem wir uns in einer Unterrichts- stellung geworden. Zwei Worte, die einheit diesen Inhalten angenähert man auf so unterschiedliche Weise hatten. In diesen Stunden kam jeder sagen, betonen kann. „Was bleibt?“ zu Wort, der es wollte und konnte als Frage formuliert, ist oft die Frage seine, oft auch sehr persönlichen Ge- nach der Sinnhaftigkeit, dem Sinn von danken ausdrücken, von seinen Erfah- etwas. Sie wird gestellt, wenn Etwas rungen berichten, seine Fragen stel- auf das Ende zugeht, wenn wir zurück- len. Über Worte, Symbole und Farben schauen und uns erinnern. Wir stellen näherten sich die SchülerInnen diesen sie uns, wenn wir nachdenklich sind Themen an. und uns fragen, was von einem Men- schen bleibt, von einem Leben, einer

22 Idee, einem Wunsch. Was bleibt an Ich danke an dieser Stelle allen Betei- Erinnerungen, Erfahrungen, welche ligten und allen Unterstützern, ohne Bilder bleiben, was bleibt so wertvoll, die so eine Arbeit in der Öffentlichkeit dass wir es mit uns weitertragen… und für die Öffentlichkeit nicht möglich wäre. Danke an die SchülerInnen, die Diese Ausstellung zeigte, was geblie- sich, neben den Abiturvorbereitungen ben war, nach all der Auseinanderset- auf diese intensive Arbeit eingelassen zung mit den Themen, nach all dem haben, an die Kursleiterinnen, Frau Austausch, all den Gedanken, all den Massow und Frau Senz, die Schullei- mit anderen geteilten Erinnerungen. tung und dem Richter Haubold, der Diese Ausstellung zeigte aber ebenso uns die Ausstellung im Amtsgericht deutlich die Freude und Leichtigkeit, Greifswald ermöglichte. So war es die nicht verloren gehen sollte, die für uns als Ambulanten Hospizdienst Freude am jung und unbeschwert sein, möglich, diese wichtigen Lebensthe- die Freude am Leben, die Dankbarkeit, men der Öffentlichkeit näher zu brin- dass „endlich“ mal über diese Themen gen – diesmal mit der lebendigen Art gesprochen werden konnte. Am Ende junger Menschen und mit der Kunst! blieb die Erkenntnis, dass wir immer über das LEBEN gesprochen hatten. Katja Hundt

23 TRAUERARBEIT

Wenn Menschen den Verlust eines Menschen verkraften müssen, werden sie zu Trauernden. Das Leben ist für sie nicht mehr so, wie es vor diesem Verlust war… Sie müssen lernen, mit diesem Verlust weiterzuleben. Sie stehen vor der oft sehr schweren Aufgabe, ihr Leben neu zu leben, indem sie dem Verstorbenen einen neuen Platz darin geben, wieder Erinnerungen zu- lassen und neue Kraft schöpfen. Trauern ist die natürliche Reaktion des Menschen auf einen Verlust und sie ist individuell. Im Folgenden schreiben Trauernde, die der Ambulante Hospizdienst betreut hat über ihre sehr persönlichen Erfahrungen und lassen uns daran teilhaben.

24 Nichts ging mehr

Als mein Mann 2017 plötzlich verstarb, fühlte ich nur noch tiefe Verzweiflung, Schmerz, Wut, Angst und eine totale Hoffnungslosigkeit. Nichts ging mehr. Für alle anderen ging der Alltag weiter, nur für mich nicht. Doch dann hörte ich von einer Freundin vom Ambulanten Hospizdienst in Greifswald. Das war ein Glücksfall. Denn 2 Tage nach meinem Anruf, kam eine Trauerbegleiterin vom Hospizdienst zu mir nach Hause. Ich musste nicht irgendwo hinfahren oder mo- natelang auf einen Termin warten. Sie verstand meine Situation, hörte mir aufmerksam zu und hatte die richtigen Antworten. Sie kam regelmäßig und begleite mich durch eine schwere Zeit. Ich konnte mei- nen Gefühlen freien Lauf lassen und so sein, wie ich bin. Sie machte mir Mut und ist noch heute für mich da. Die intensiven Gespräche mit ihr haben mir immer wieder Kraft gegeben weiter- zumachen, trotz der immer wiederkehrenden Rückschläge. Ohne diese Trauer- begleitung wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Jetzt geht wieder was. Für mich. Dankeschön.

25 Einen Moment stand die Erde still und alles ist anders....

Am Ende sind es die Erinnerungen die bringen. Letztendlich entschloss sich bleiben. Erinnerungen an die Erlebnis- mein lieber Mann zu einer Kopfoperati- se, die Freuden, die Liebe, alles was on und wir waren über diese Entschei- mal war. Alles was nie wiederkommen dung sehr froh und zuversichtlich und wird. hofften, den Grund seiner plötzlichen Sprachfindungsstörungen und Epilep- Es sind jetzt 14 Monate her als mein sie zu erfahren. geliebter Mann von uns gegangen ist. Das Schicksal hat uns so hart getroffen, Er überarbeitete seine schon vorhan- mitten aus einem glücklichen Leben. dene Patientenverfügung für den Fall, dass eine Operation nicht gelingen und Es begann im Oktober 2017. Der er danach nicht selbst handlungsfähig Herbst zeigte sich von seiner besten sein wird. Schließlich brachte ich ihn Seite, ein Teil der Familie weilte zu Be- zurück ins Klinikum. Auf der Fahrt dort- such bei uns. Plötzlich zeigten sich bei hin sprachen wir kein Wort, wir hielten meinem Mann merkwürdige Sprachfin- uns fest an der Hand. Ich sah seine dungsstörungen und andere Sympto- traurigen Augen, es tat mir so weh, ihn me, die einen Krankenhausaufenthalt so zu sehen. Ich konnte nichts anderes unumgänglich machten. Es erfolgte denken als nur hoffen... . eine umfangreiche Diagnostik. Es be- fand sich etwas in seinem Kopf, wofür Am nächsten Vormittag wurde er ope- es zunächst keine Erklärung gab. Jeder riert. Die Sorge um meinen geliebten rätselte und wir fanden keine Antwort. Mann blieb. Wir, die Kinder und ich Nur eine Biopsie konnte Gewissheit liefen im botanischen Garten des Klini-

26 kums. Etwas anderes konnten wir nicht Donnerstag. Ich kann nicht wiederge- tun. Wir warteten auf den erlösenden ben, welche Gefühle wir hatten, als in Anruf des Arztes, der uns mitteilte, einem offenen Arztgespräch die Diag- dass die OP erfolgreich war. Dieser An- nose „Glioblastom 4“ genannt wurde. ruf kam nach ca. 3 Stunden. Wir lagen Ich kann Niemandem beschreiben, was uns in den Armen und waren unend- dieser Augenblick mit uns machte, wel- lich froh, am Bett meines Mannes zu che Gefühle Ängste und Emotionen in stehen. Er war voll da, empfing uns uns waren und wir lagen uns fest in den mit seinen lustigen „Sprüchen“ und es Armen. Ich konnte diese Hoffnungs- schien, als sei er der „Alte“. Unsere An- losigkeit nur erahnen und sah meinen spannungen lösten sich und wir heulten Mann an, der nichts mehr sagen konnte, gemeinsam. außer „wie lange noch?“. Es gab keine Chance, es war bittere Wahrheit, der Die Ärzte konnten uns noch keine Dia- Tod war so nah. gnose nennen...das Warten ging wei- ter. Ich fuhr täglich zu meinem lieben So wie das Leben meines Mannes ge- Mann, um ihm ganz nah zu sein. Viele wesen ist, immer selbstbestimmt, stets Gedanken kreisten in meinem Kopf, über das Leben nachdenkend, sehr vor allem, wie geht es weiter, welches stark im Wesen, sehr familienverbun- Ergebnis bringt die Biopsie. Die Unge- den, voller Liebe, er liebte seine Kinder, wissheit zerrte an den Nerven und es seine Enkelkinder und er liebte mich, so gab keinen Trost. selbstbestimmt wollte er von dieser Welt Die Hoffnung, dass mein Mann wieder gehen. gesund wird, bestand bis zu jenem

27 Er hat sich verabschiedet mit einem anderes Leben. Ich muss dieses Leben „Lebewohl“, dann ging nichts mehr. Die erst neu für mich begreifen und lernen. Erde stand still. Und ich muss meinen Weg finden ...al- lein! Mit ihm ging auch ein Teil meines Le- bens, es war einfach weg. Unglaublich Was bleibt: Unsere Liebe, unsere und traurig. Ich finde keine Worte, die Sehnsucht, endlose Traurigkeit, unver- beschreiben, was ich fühlte und was gessliche Jahre, kostbare Erinnerungen. ich immer noch fühle. Es ist Leere, Traurigkeit, Schmerz und ein völlig

Engel

Wir sind eine vierköpfige Familie – im bei einem Verkehrsunfall, weit entfernt engsten Sinne... und im weitesten von uns in der Nähe seines Arbeits- Sinne gehören wir zu einer großen, ortes. Die Mädchen waren zu diesem liebenswerten Verwandtschaft. Mein Zeitpunkt 11 und 15 Jahre alt. Mann und der Vater unserer beiden Töchter verstarb am 21. August 2018

28 Diese unfassbare Nachricht über- mer war, ich folge ja den Abläufen und brachten uns mitten in der Nacht zwei Mustern, die wir alle unser ganzes Leben Uniformierte, und ich dachte in diesem gelernt haben. Aber alles ist dennoch Moment, Teil dieser schaurigen Filme anders, so schwer ist dieser Zustand zu zu sein, in denen betroffene Polizisten beschreiben. Ich vermisse mein Leben an der Tür der Angehörigen klingeln mit meinem Mann. Ich wünschte, er und sie mit der furchtbaren Todes- wäre da, würde im Türrahmen lehnen, nachricht konfrontieren: „Nein, das den er durch seine Größe ganz aus- kann nicht wahr sein, bitte können wir füllt, und uns in seiner verschmitzten, diese Szene zurückspulen, sie für im- aber so grundehrlichen Art zulächeln. mer entfernen! Und kann alles so sein, Ich würde ihm 1000 Fragen stellen... . wie gerade noch vor einem Moment! Ich will da nicht mitmachen!“ Und so nenne ich uns eine vierköpfige Familie. Denn meinen Mann einfach Es ist Zeit vergangen, über ein halbes auszulassen, geht nicht. Sein Platz bei Jahr. Ein neuer Alltag hat begonnen. uns ist ihm sicher, so wie früher. Es Manchmal spiele ich darin eine Rolle, fällt manchmal schwer, den „Draht“ zu ziehe mir diesen tröstenden, schützen- ihm aufzunehmen, aber dann, wenn den Mantel über und scheine die zu wir über ihn reden, tut es gut, es er- sein, die ich immer war. Das stimmt leichtert. An der Wand hängen Fotos vielleicht auch, aber es ist eine Wahr- mit ihm. Wir nehmen ihn mit auf un- heit, dass mein Leben aus zwei wesent- seren Wegen. lichen Teilen besteht, dem Vorher und dem Nachher. Vieles ist, so wie es im-

29 Es sind schöne Erinnerungen, die uns det, und geben auch nach tagelanger tragen, lachen und weinen lassen. Suche nicht auf, machen unsere Zim- mer gemütlich, reparieren, bringen Für mich waren die ersten Stunden Lampen an die Decke, oder Müll zum und Tage roboterhaft, wie in einem Schrottplatz, übernehmen unangeneh- dichten Nebel. Gerade waren wir doch me Anrufe oder organisieren Theater- umgezogen! Der neue Wohnort: eine und Kinobesuche, stellen Geschenke große Baustelle, nichts war an seinem vor die Tür. Diese Engel klingeln oder Platz. Wann sollte ich das je wieder sor- schicken eine Nachricht und scheinen tieren, in Ordnung bringen? Vor allem, zu sagen, „Macht weiter, habt keine wie macht man das allein? Angst! Wir sind da!“

In dieser Zeit habe ich erfahren, dass Und wissen Sie was? Diese Engel haben es Engel wirklich gibt. Einer hat ein- uns gerettet. gekauft und gekocht, andere brachten Blumen und liebe Worte, Umarmungen. Ich möchte unbedingt sagen, wie wichtig Sie kümmerten sich um Schulfragen, in dieser Zeit die Begleitung des Am- bürokratische Angelegenheiten, waren bulanten Hospizdienst Greifswald-Ost- Tag und Nacht da. Sie sind noch heute vorpommern war. Danke, dass so Licht da, wenn wir sie brauchen, ungefragt, in unsere dunkelste Stunde drang. Mit selbstverständlich und nehmen uns, herzlicher Zuversicht hörten wir immer wie wir sind, wie auch wir lernen, die- wieder die Worte: Wir können ALLES ses Schicksal anzunehmen. Sie wissen, schaffen! wie man wichtige Schlüssel wiederfin-

30 Eine ganz besondere Überraschung gehen einem hunderte Szenarien bereitete uns eine Familie, die in der durch den Kopf. Denn von der einen Weihnachtszeit hunderte Stoffwichtel auf die andere Sekunde ändert sich bastelte und diese verkauften. Sie dein Leben, und so war von der einen sammelten für uns auf diesem Wege auf die andere Sekunde mein Papa eine unglaubliche Summe Geld und tot. Obwohl ich diesen Tod immer schenkten es uns zu Weihnachten. noch nicht glauben kann. Wie kann ein Das macht mich noch heute sprachlos. Mensch in einem Moment da sein und Wir verwendeten das Geld für unseren im nächsten weg? Warum wurde uns ersten Urlaub zu dritt, den wir auf ein Mensch genommen, den wir liebten, wackeligen Beinen begannen und so brauchten und jetzt nicht mehr ha- glücklich verbringen konnten. DANKE! ben? Papa, ich möchte dich um deinen Niemals deutlicher habe ich verstanden, Rat fragen, deine Stimme hören und wie wichtig Familie, Freunde und Weg- mich zu dir setzen, in der Gewissheit, begleiter sind, wie sehr ein Mensch dem für einen Moment ist alles gut. anderen helfen kann, indem er Anteil nimmt, da ist. Das ist ein großer Trost. Vielleicht ist ein Abschied kein Ende. Am allermeisten aber bin ich stolz und Vielleicht ist er der Anfang von etwas gerührt über meine beiden so starken Neuem. Das einzig Schlimme an einem und klugen Töchter! Jeden Tag! Ihr Abschied ist, dass man vorher nicht seid die Größten! weiß, dass es ein Abschied und kein ‚Auf Wiedersehen‘ ist. „Es ist etwas Schlimmes passiert.“ In der Sekunde, in der man diesen Satz hört,

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