Krzysztof Penderecki
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Gespräch mit Krzysztof Penderecki „Ich wollte immer über das hinausgehen, was ich an Möglichkeiten hatte“ Krzysztof Penderecki hat für die Eröffnung der Philharmonie in Luxemburg seine achte Symphonie als Auftragswerk komponiert. Sie trägt den Titel: „Lieder der Vergänglichkeit" (Chants de l’éphémère) und ist geschrieben für drei Solisten, Chor und Orchester, auf Gedichte von Hermann Hesse, Bertolt Brecht, Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe, Karl Kraus, Achim von Arnim und Rainer Maria Rilke. Ihre Sätze tragen die Titel: Frühlingsnacht – Im Nebel – Vergänglichkeit – Flieder – Herbsttag – Nachts. Das imposante Werk wird am 26. und 27. Juni 2005 in Luxemburg uraufge- führt von Olga Pasichnyk, Sopran, Ag- Photo: Ariel Wagner-Parker nieszka Rehlis, Mezzosopran, Wojtek Drabowicz, Bariton, der EuropaChor- Während des Gesprächs in Krakau Akademie und dem OPL, unter der Leitung von Bramwell Tovey. Die Initiative dieses Auftrags an den te, wann gegessen wurde. Das musste gehört. berühmten polnischen Komponisten alles pünktlich sein, und so bin ich Während meiner ersten Jahre, als ich geht noch auf die vormalige Kulturmi- aufgewachsen. Dazu war die Familie Violinunterricht genommen habe, habe nisterin Erna Hennicot-Schoepges zu- aber auch sehr tolerant, eben weil alle ich auch kaum Konzerte gehört. Dann rück, die 2001 während der von Frau verschieden waren. aber hat mein Lehrer ein kleines Or- Elzbieta Penderecka initiierten Beetho- Wie kam es zu Ihrer Musikerziehung? chester gegründet, in dem ich Geige ven-Festspiele in Krakau war, wo auch Haben Sie immer Musik machen wol- gespielt habe; doch dann fehlte z.B. die dieses Gespräch mit Krzysztof Pender- len? Ich habe gehört von Ihrer ersten Trompete, und ich habe schnell Trom- ecki aufgezeichnet wurde. Violine, die der Vater gekauft hat ge- pete gelernt und nach einer Woche Herr Penderecki, Sie schreiben in gen… konnte ich schon Trompete spielen. Ihrem Buch: „Labyrinth der Zeit“: „Ich K.P.: … eine Flasche Wodka, ja! Am Gymnasium habe ich danach bin ein Hybride“. Wie sehen Sie diesen Und das Klavier gegen zwei Flaschen selbst ein Ensemble gegründet. Wir Begriff? Wodka… wollten natürlich auf diese Weise auch Krzysztof Penderecki: Ich sehe ihn K.P.: Ja, ja! Ich habe zuerst einmal unser Taschengeld aufbessern, und so vor allem in Bezug auf meine Abstam- Klavierstunden gehabt, aber ich wollte haben wir bei verschiedenen Gelegen- mung. Meine Familie ist sehr gemischt. eigentlich nicht. Mein Großvater hat heiten Tanzmusik und Kletzmermusik Meine Großmutter väterlicherseits ist sich dann doch wieder einmal durchge- gespielt. Ich habe dazu die Arrange- eine Armenierin, stammt eigentlich aus setzt, und ich musste es tun. Ich glaube, ments geschrieben, genau für die Instru- Persien, hat also eine ganz andere Kul- ich hasste meine Klavierlehrerin; sie hat mente, die wir hatten. So sah meine tur mitgebracht. Mein Vater ist in der mich geschlagen, damals war das natür- musikalische Ausbildung aus. Ukraine geboren, in der polnischen Uk- lich noch möglich. Und das theoretische Musikstu- raine, in einem Dorf, wo eigentlich nur Dann hat mein Vater die Geige ge- dium? Ukrainer lebten, kaum Polen. Er ist kauft, er selbst hatte früher eine beses- K.P.: Das kam erst viel später. Ich war getauft worden in einer russisch-ortho- sen, und er hat auch immer musiziert. Er in meiner kleinen Stadt bis zum 17. doxen Kirche, er hatte eine Vorliebe für war Rechtsanwalt, aber jede freie Stun- Lebensjahr, danach ging ich nach Kra- orthodoxe Musik, die er mir beigebracht de hat er Musik gemacht mit seinen kau zum Studieren. Natürlich habe ich hat. Wir sind nach dem Krieg überall hin Kollegen Rechtsanwälten: die waren al- Musikbücher gelesen und allein etwas gereist, um diese Musik zu hören. le an Musik interessiert. Theorie gelernt, aber das war nicht viel. Die Eltern meines anderen Großva- Klassische Musik? Man sollte auch nicht vergessen, dass ters stammten aus Breslau, waren typi- K.P.: Ja, zu Hause hat man Trios und nach dem Krieg keine Noten zu haben sche Deutsche, und während die andern Quartette gespielt, vielleicht nicht sehr waren. Mein Lehrer hat für mich Etüden mir Phantasie vermittelt haben, hat die- gut, denn so genau kann ich mich nicht komponiert, damit ich etwas zum Üben ser mir Ordnung beigebracht. Er hat mehr erinnern, ich war noch zu jung. hatte. Das aber hat mir nicht gereicht, mein Leben immer organisiert. In der Dennoch! Ich hatte daheim immer Mu- und schon nach 2-3 Monaten habe ich kleinen Stadt Debica, in der ich lebte, sik, auch wenn es damals keine Radios dies selbst gemacht. Das war ein Anfang. war er Direktor einer Bank, und er hat gab: Während der deutschen Besatzung Ich habe aus Not komponiert, um etwas mir jeden Tag einen Plan an die Wand waren sie verboten; auf dem Besitz eines zum Üben zu haben. Leider ist alles gezeichnet, was ich zu tun hatte: Wann Rundfunkgerätes stand die Todesstrafe. davon verschollen, es war vielleicht ich für die Schule zu lernen hatte, wann Trotzdem hatte mein Großvater eines, auch nichts wert, dennoch: das waren ich üben musste, wann ich spielen durf- ein sehr primitives, und hat darauf BBC meine ersten Versuche. Wie war denn ganz allgemein das In den 50er und 60er Jahren wurde Instrumente verfremdete. Dann aber Leben eines Jungen, der mit sechs allerdings nicht für, sondern gegen das ging meine Überlegung in eine andere Jahren den Krieg und die Besatzung Instrument geschrieben. Auch meine Richtung: Ich wollte nicht mehr ver- erfährt? ersten Konzerte sind natürlich sehr fremden, das war mir zu einfach, son- K.P.: Es war einfach schrecklich. Der kompliziert, mit vielen neuen Techni- dern wie etwa in „Threnos", die Harmo- Tod kreiste um uns. Die Hälfte meiner ken, aber sie sind alle für das Instrument nie zerstören, die Harmonien, die ich Familie ist getötet worden von den komponiert. jahrelang gelernt hatte. Deutschen und den Russen. Als die Warum wurde Ihnen diese Schaffens- Ich wollte alle Regeln vergessen und Deutschen kamen, hatte mein Großva- komponente so wichtig? ganz neu schreiben... Zwischen Klang ter, der ein Deutscher war, alle Papiere K.P.: Ich kam zur Musik durch meine und Geräusch. Das verdanke ich auch verbrannt, und seine Söhne waren alle Geige, also nicht durch Theorie, son- dem elektronischen Studio, trotzdem in Widerstandsorganisationen, auch mit dern durchs Praktikum, und ich habe dieses ganz primitiv ausgestattet war. Pilsudski gegen Russland. Einen Onkel, immer schwieriger komponiert als ich Wir hatten keine Synthesizer, alles Ma- der mir sehr nahe stand, hat man in selbst spielen konnte. Ich wollte immer nufaktur, aber ich habe Hunderte von Warschau erschossen, ein anderer wur- über das hinausgehen, was ich an Mög- Stunden dort gearbeitet, und es hat de 1939 in Lembach sofort von den lichkeiten hatte. meine Phantasie angeregt, weil es an- Russen verhaftet und danach in Katyn Sie wollten sich selbst überbieten … ders war. umgebracht. K.P.: Ja, und ich glaube, das mache ich Werden Sie durch neue Klänge ange- Kaum waren die Nazis weg, hat man bis jetzt. regt, geben diese Ihnen Impulse? Polen seine Freiheit bereits wieder ge- Eine Frage zu Ihren ersten Komposi- K.P.: Ja. In der Zeit Ende 50-Anfang nommen… tionen: Das war doch ein Bruch mit 60, war der Klang für mich sehr wichtig, K.P.: Im Grunde war das noch schlim- vielem, was vorher komponiert worden doch vor allem hat mich interessiert, die mer. Diese furchtbare Propaganda! Ich war. Für mich beispielsweise waren die Form zu suchen und mit verschiedenen kann mich sehr gut erinnern: Zwar Überlegungen bedeutsam, die Sie in Möglichkeiten zu füllen. Mein jetziges konnte man noch kein Radio kaufen „De natura sonoris“ angestellt haben. Komponieren, das nun ziemlich anders 1945, 46, 47, aber überall in den Straßen Hier findet man gleichzeitig Forschung ist als früher, hat dennoch mit meinem waren große Lautsprecher, und dann und Ergebnis. damaligen Schaffen gemeinsam, dass war von 5 Uhr früh bis 11-12 Uhr nachts K.P.: Stimmt! Ich wollte eigentlich alle ich zuerst auf Form aufbaue. Wenn ich Propaganda, Militärmusik, Volksmu- Möglichkeiten für das Orchester aus- ein geistliches Werk nehme, ist klar, sik… So bin ich aufgewachsen. Die probieren. Das Werk ist dadurch natür- dass zuerst einmal der Text sehr wichtig wahre Geschichte lernte man auch lich kein „Katalog“, sondern Musik. In ist. Ich arbeite mit dem Text wie mit nicht in der Schule, sondern daheim. erster Linie hat mich die Erweiterung einer Art von Libretto, und vom Text Bei einer Vorstellung Ihrer Werke in der Möglichkeiten fasziniert, vor allem, ausgehend, entsteht Form. der Alten Oper Frankfurt sprachen Sie was die Instrumente angeht, die ich am Auffallend ist, dass Sie nie gezögert davon, dass Sie sich lange Zeit gegen besten kannte: die Streicher. Ich habe haben, Fragen zu stellen und Themen die russische Musik gewehrt haben, dabei nicht nur mit der Geige, sondern anzugehen, die die Menschen bewegen: schon allein, weil Polen von den Russen auch mit dem Kontrabass und dem Cel- Auschwitz, Hiroschima, und auch dies besetzt war. lo experimentiert. Dies tat ich sogar in bereits in der ersten Phase Ihres K.P.: Wir waren so sehr gegen die der Zeit, als ich im elektronischen Stu- Schaffens. Russen, dass wir auch gegen die russi- dio in Warschau gearbeitet habe und die K.P.: Wissen Sie: Würde ich in Austra- sche Literatur waren, leider. Da die lien oder Neuseeland leben, schriebe ich offizielle Musik die war, die von Russ- bestimmt ganz andere Musik, aber ich land kam, –also gerade auch Schostako- lebe in einem Land, das grausame Zei- witsch, den ich heute sehr verehre –, ten durchlitten hat. Das ist ein wichtiger haben wir auch sie abgelehnt. Ich kann Punkt, darum schreibe ich z. B. geistli- mich noch erinnern, dass, wenn Ende che Musik. Als ich in den 50er Jahren der 50er und Anfang der 60er Jahre, angefangen habe, war es einem jungen Schostakowitsch nach Warschau zum Komponisten zwar erlaubt, solche Mu- Festival kam, er so gut wie isoliert war.