Ehrung Philipp Lenz 05 06 2013
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16 Mittwoch, 5. Juni 2013 Porträt Sein Herz schlägt für das Theater Kultur Der Theaterregisseur Philipp Lenz erhält heute Abend den Kulturpreis Pereira macht das der Gemeinde Vaz/Ober- Rennen um die Scala vaz – höchste Zeit für ei- ne Würdigung des seit Der neuernannte Intendant der Mailänder Sca- drei Jahrzehnten mit viel la, Alexander Pereira, tritt sein Amt 2015 an. Er Herzblut arbeitenden folgt auf Stéphane Lissner, der an die Opéra de Theatermannes. Paris wechselt. Nach Angaben des Mailänder Bürgermeisters Giuliano Pisapia wird Pereira ein um 25 Prozent geringeres Gehalt beziehen Von Julian Reich als sein Vorgänger. Pereiras Vertrag mit den Salzburger Festspielen läuft noch bis 2016. Das In der Einfamilienhaussiedlung in Kuratorium hatte bis zuletzt betont, dass dieser Cazis ist alles an seinem Platz. An Vertrag keine Nebentätigkeit erlaube. Eine den Fenstern hängen Geranienkäs- Stellungnahme der Festspiele zur Scala-Ent- ten, die Thujen sind brav gestutzt, scheidung gab es bisher nicht. In Mailand setzte jeder Rasen ebenmässig kurz ge- sich Pereira –von 1991 bis 2012 Intendant des mäht –nur vor einem Haus spries- Zürcher Opernhauses –gegen hochkarätige sen Wiesenblumen munter aus Kandidaten durch. (sda) dem Boden und laden Schmetter- linge zum Flug. Es ist das Heim von Philipp und Rösli Lenz. Der Herr des Hauses öffnet die Tür, schüttelt mit festem Druck Raumspiele von Zilvinas die Hand. Lenz bittet in den obe- «ich weiss nicht, wie ich das geschafft habe»: Der theaterregisseur Philipp Lenz in seinem Haus Kempinas in Basel ren Stock, er setzt sich dafür auf in Cazis. (Foto Olivia Item) einen Treppenlift. Gehen fällt ihm Eleganz und Irritation strahlen die Werke von nicht mehr leicht, an Treppenstei- preis der Gemeinde Vaz/Obervaz Jean Grädel, Marco Gieriet, Klaus Gruppe Teater Val Alvra. Bei den Zilvinas Kempinas aus: Der in New York leben- gen ist gar nicht erst zu denken, er geehrt wird. Henner Russius oder Gian Gianot- Muntanellas teilt er sich die Lei- de Litauer spielt mit dem Raum; seine Werke erklärt es später beim Kaffee auf ti. Und er besuchte Regiekurse. tung heute mit Lina Frei-Baselgia. täuschen mit einfachen Elementen die Wahr- dem glasverkleideten Balkon. Keine Ahnung von Regie Seit der Pensionierung hat Lenz nehmung. Das Tinguely-Museum in Basel wid- ALS, Amyotrophe Lateralsklero- Damals, als junger Regisseur, Proben bis in die Nacht mehr Zeit für seine Theaterleiden- met ihm ab heute eine raumgreifende Ausstel- se, heisst die Krankheit. Am 13. konnte Lenz endlich ändern, was Lenz investierte immer mehr schaft. Am Herzen liegen ihm Stü- lung. Mit minimalistischen Mitteln wie Mag- August 2012, er erinnert sich ge- ihn immer schon am Theater ge- Zeit in die Theaterarbeit. Direkt cke von gehobenem Anspruch, er netbändern, Sperrholz, Leuchtröhren, Ventila- nau, erhielt Lenz die Diagnose, ei- stört hatte. Schon in jungen Jahren nach dem Dienst als Leiter der Ta- inszeniert immer wieder Dürren- toren oder Spiegelfolie hebt er Konturen von ne Nervenkrankheit, unheilbar, besuchte er immer wieder Dorf- gesklinik in der Klinik Beverin be- matt-Komödien, aber auch Stücke Räumen auf und überlistet Sehgewohnheiten. die nach und nach den Körper theater-Produktionen, Schwänke gannen die Proben, sie dauerten von Anton Tschechow, Jean-Paul Das vor Ort Übliche bleibt als Zwischenraum lähmt. Eine Diagnose, an der viele und Lustspiele, wie sie eben gege- oft bis in die Nacht, und am Mor- Sartre, Yasmina Reza. Gerade erst oder Oberfläche präsent, doch das Werk er- zerbrechen würden –Lenz macht ben wurden in den Dörfern rund gen hatte er wieder Frühschicht, landete er mit «Hotel zu den zwei scheint luftig und leicht, sodass poetische At- nicht den Eindruck, als würde er um Vaz, seiner Heimatgemeinde. «heute weiss ich gar nicht mehr, Welten» von Eric-Emannuel mosphäre entsteht. Einige gezeigte Werke sind gerade allzu sehr damit hadern. Aber Lenz hatte selten Spass an wie ich das alles geschafft habe». Schmitt einen grossen Erfolg, das neu, andere lokal neu arrangiert. Eintretende Und das hat auch mit dem Theater diesen Inszenierungen, «das Nachdem die Muntanellas erst in Stück wird im Herbst wieder auf- begegnen als Erstes zwei acht Meter hohen Zy- zu tun. müsste man doch besser machen, Sils probten und spielten, konnten genommen. lindern aus konzentrisch arrangiertem Video- dachte ich dann». Als die Munta- sie später den Saal der Klinik Be- band, das durch Ventilatoren in oszillierender Das Gesicht der Muntanellas nellas ihn 1980 zum Regieamt verin nutzen –«der stand ohnehin Die grösste Angst Bewegung gehalten wird: Das fixe Werk «Light Wer an das Theater Muntanellas drängten, sagte er sich: «Gut, ich fast immer leer.» Die ersten Stücke Und Lenz hat noch Pläne: Im Pillars» bewegt sich also, dramatisch inszeniert denkt, der sieht im selben Moment kann nicht immer nur kritisieren am neuen Spielort führten die nächsten Jahr will er «Sternen- durch Licht im Innern. (sda) das Gesicht von Philipp Lenz vor und nichts ändern. Ich habe zwar Muntanellas noch vor wenig Pu- glück und Liebesschmerz» von sich: die weite Stirn, den sanften keine Ahnung, aber ich versuche blikum auf, Lenz vermutet, dass Mike Lamar inszenieren. Nur, www.tinguely.ch Mund, die kleinen Augen, aus de- es.» die Bevölkerung die Klinik damals über allem liegt nun sets der Ge- nen stets ein wacher Geist hervor- Immerhin wusste er, wo er an- noch mit Argwohn betrachtete. danke an die Krankheit, an den blickt. Lenz war 1978 Mitbegrün- setzen musste: «Bis dorthin gab es Den Muntanellas ist es zu verdan- Tod. «Meine grösste Angst war, der des Laientheatervereins, der keine Probenpläne, man spielte ken, dass diese Schwellenangst dass mir der Arzt das Theater ver- mittlerweile zu den ambitionier- einfach mal diesen Akt durch, heute kaum mehr spürbar ist. bieten würde», gesteht Lenz. Die testen seiner Sparte gehört. Was dann den anderen.» Erst später, als Lenz’ Engagement beschränkte Angst war unbegründet: «Planen zum grössten Teil Lenz’ Verdienst er beispielsweise bei den Churer sich nicht nur auf die Muntanellas, Sie Ihre Theaterprojekte, wie ist. In all den Jahren hat Lenz mehr Freilichtspielen in kleinen Rollen er war auch Mitbegründer und wenn nichts wäre», empfahl ihm als 60 Inszenierungen auf die Bei- mittat, merkte er, dass Probenplä- langjähriger Präsident der Bünd- der Mediziner. Lenz spricht vom ne gestellt. Dazu noch drei Frei- ne offenbar Usus sind. Auch sonst ner Vereinigung für das Volksthea- «einzigen Lichtblick». lichtspiele auf der Lenzerheide, nahm er viel mit von den Freilicht- ter, war Initiant des Seniorenthea- Preisverleihung: heute Mittwoch, 17 Uhr, Hotel wofür er heute mit dem Kultur- spielen, etwa von den Regisseuren ters Thusis und der romanischen «Guarda Val», Lenzerheide. Büchner-Preis Erkundungen an den Grenzen der Wirklichkeit Die 59-jährige deutsche genwart», hiess es zur weiteren Be- (2009) und «Blumenberg» (2011), berg» die letzten Lebensjahre des Schriftstellerin Sibylle gründung. Sie behandle in ihren mit dem sie auf der Shortlist für den gleichnamigen Philosophen, bricht Lewitscharoff bekommt Werken auch philosophische und Deutschen Buchpreis stand. Lewit- die realitätsnahe Schilderung aber religiöse Grundfragen und berei- scharoff beschreibt in «Blumen- durch irreale Elemente. So liegt den Georg-Büchner-Preis. chere die Literatur «mit erfrischend gleich zu Beginn des Romans ein unfeierlichem Spielwitz». Ziel ih- Löwe auf dem Teppich des Arbeits- Spiel mit der Wahrnehmung: «Kakashi» Von Sandra Trauner res Schreibens sei ein «Gespräch zimmers, der zum ständigen –für von zilvinas Kempinas in Basel. (Keystone) mit den Toten» –sie führe es «le- andere unsichtbaren –Begleiter des Der mit 50 000 Euro dotierte Preis bendig und lebenszugewandt». Philosophen wird. gilt als wichtigste literarische Aus- Für ihr Werk wurde Lewitscha- KuLturnotizen zeichnung in Deutschland. «In ih- Erster Roman preisgekrönt roff vielfach ausgezeichnet. Nach ren Romanen hat Sibylle Lewit- Sibylle Lewitscharoff wurde in dem Bachmann-Preis wurden ihr scharoff mit unerschöpflicher Be- Stuttgart geboren, heute lebt sie in auch der Preis der Leipziger Buch- aBurri überlässt sein Archiv dem Louvre: obachtungsenergie, erzählerischer Berlin. Derzeit ist sie Stipendiatin messe, der Berliner Literaturpreis, Der Zürcher Fotograf René Burri deponiert sein Fantasie und sprachlicher Erfin- der Villa Massimo in Rom. Nach der Kleist-Preis und der Ricarda- privates Archiv als Leihgabe für vorderhand 20 dungskraft die Grenzen dessen, dem Studium der Religionswissen- Huch-Preis zuerkannt. Den Büch- Jahre im Musée de l’Elysée in Lausanne. Zu was wir für unsere alltägliche Wirk- schaften veröffentlichte die Autorin ner-Preis erhielten die renommier- diesem Zweck wird eine René-Burri-Stiftung lichkeit halten, neu erkundet und 1994 ihr erstes Buch «36 Gerech- testen Autoren der deutschsprachi- gegründet. Das Archiv umfasst rund 30 000 Bil- infrage gestellt», begründete die te». Für ihren Roman «Pong» er- gen Literatur wie Gottfried Benn der. Der Kanton Waadt unterstützt das Unter- Jury die Entscheidung. Der Preis hielt sie 1998 den Ingeborg-Bach- (1951), Erich Kästner (1957), Max nehmen mit 200 000 Franken, wie Regierungs- wird am 26. Oktober in Darmstadt mann-Preis. Weitere Titel sind Frisch (1958), Günter Grass rätin Anne-Catherine Lyon am Montagabend in Hessen verliehen. «Ihre Texte «Der höfliche Harald» (1999), (1965), Heinrich Böll (1967), anlässlich der Bekanntgabe sagte. vertiefen und erweitern die genaue «Montgomery» (2003), «Consum- Büchner-Preisträgerin Sibylle Friedrich Dürrenmatt (1986) und Wahrnehmung der deutschen Ge- matus» (2006), «Apostoloff» Lewitscharoff. (Foto Keystone) Adolf Muschg (1994). .