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Muster- Abiturprüfung 2011

Hinweise zur Korrektur und Bewertung der M u s t e r - a b i t u r prüfungsarbeiten 2 0 1 1 in

MUSIK

Nicht für den Prüfling bestimmt

Die nachfolgenden Lösungsvorschläge deuten lediglich Ansatz und Richtung einer Beantwortung an. Sie besitzen keine ausschließliche Gültigkeit. Andere, ebenso zutreffende Lösungen sind mit entsprechender Begründung zulässig. – 2 –

Umrechnung der erreichten Bewertungseinheiten in Notenpunkte:

Bewertungseinheiten Noten mit Notenpunkte Tendenzangaben 60 – 58 + 1 15 57 – 55 1 14 54 – 52 1 – 13 51 – 49 + 2 12 48 – 46 2 11 45 – 43 2 – 10 42 – 40 + 3 9 39 – 37 3 8 36 – 34 3 – 7 33 – 31 + 4 6 30 – 28 4 5 27 – 25 4 – 4 24 – 22 + 5 3 21 – 19 5 2 18 – 16 5 – 1 15 – 0 6 0

Diese Zuordnungstabelle ist nur auf die gesamte Prüfungsaufgabe, nicht aber auf eine Teilaufgabe bzw. einzelne Aufgabenabschnitte anzuwenden. – 3 –

Aufgabe I

Literaturhinweis:

Mauricio Kagel: Zehn Märsche um den Sieg zu verfehlen, für Bläser und Schlagzeug. Frankfurt u. a. (Henry Litolff’s Verlag/ C. F. Peters) 1983

Kurt Honolka zitiert nach http://home.swipnet.se/~w-18046/dschub.html Theaterzeitung der „Mainzer Allgemeine Zeitung“ vom 28.09.2007 zitiert nach http://cms.main-rheiner.de/sixcms/media.php/85/20072809_MZ910103.pdf Zitat zu Kagel: Booklettext zur Kagel-CD (siehe unten)

Aufnahmen:

Franz Schubert: Klaviermusik zu 4 Händen. Alfons und Aloys Kontarsky (Kla- vier). Deutsche Grammophon 453 675-2, 1960 1882–1971 – The Edition. CBS Symphony , Leitung: Robert Craft. Sony Classical SXK 46 321, 1963/1991 Mauricio Kagel: Der Tribun nach einer Lektüre von Orwell. WER 6305- 2, 1996 – 4 –

Lösungsvorschlag:

1.1 Musikalische Merkmale von Marschmusik u. a.:

Melodie: - Quartmotiv in Klavier 2 (Takte 1 ff.) - Dreiklangsmotivik Takte 4/5 typisch für Naturtonreihe der Blech- blasinstrumente - Terzenschichtungen in der Melodiestimme ab Takt 7 - Sekundschritte, einfache Melodiebildung, Singbarkeit, Eingängig- keit (Klavier 1) Rhythmus: - 2/4-Takt (Marschtakt) - Betonung auf Taktschwerpunkt mit „nachschlagenden“ Sechzehn- tel- und Achtelnoten (Klavier 2) Harmonik: - Dur-Harmonik, Kadenzharmonik (Takt 18: Tonika, Takt 19: Domi- nante, Takt 20: Tonika, Takt 21: Doppeldominante, Takt 22: Do- minante) Klangfarbe/ Ambitus: - großer Tonumfang (beide Klavierstimmen zusammengenommen) - Imitieren des Klangs einer Blaskapelle von Tuba (linke Hand Kla- vier 2) bis Querflöte (rechte Hand Klavier 1 ab Takt 15)

1.2 Beispiele u. a.:

„völlig unmartialisch...“: Der Marsch weist sehr wohl „martialische“ Melodielinien auf (z. B. Takte 15 ff.), hat aber auch kammermusikali- sche Passagen (z. B. Takte 32 ff.), an denen das Thema eine Moll- Variante erfährt.

„ ...und singen in ihren Zwischenteilen gefühlvolle Melodien...“: Das Trio (Takte 66 ff.) weist eine Melodieführung auf, die weniger in Märschen als in Charakterstücken zu finden ist. – 5 –

2 „Baukasten-“ oder „Schablonenprinzip“ meint: Formteile und kompo- sitorische Einschnitte werden montiert, gereiht, collageartig zusam- mengesetzt.

Hinweise für die Korrektur: Die Prüflinge sollen erkennen, dass Strawinsky Formteile hinzukom- poniert, Melodien und formale Abschnitte des Originals verändert (Motive sollten durchaus angegeben werden), die Instrumentierung extrem erweitert, Merkmale seines Personalstils (z. B. Spaltklänge, Taktwechsel, Bitonalität o. a.) verwendet. Die Bewertung richtet sich nach der Genauigkeit der Untersuchung und der Logik der Argumentation hinsichtlich der Folgerungen. Es können unterschiedlich gewichtete Schwerpunkte gesetzt werden.

3.1 Erfassung von Parametern Takte 1 mit 7 (die Beispielnennungen soll- ten mit Taktangaben versehen werden): - Melodie: chromatisch absteigende Linien in tiefer Lage, die immer wieder in ungefähr gleicher Lage beginnen und in kurzen Floskeln ohne melodische Entwicklung gereiht sind. - Metrum/ Rhythmus: Trotz des 4/4-Taktes wird eine für Marschmu- sik typische Betonung der Taktschwerpunkte aufgegeben zugunsten von sich verschiebenden Betonungen im Wechsel von betonten und unbetonten Taktzeiten. - Harmonik: Keine erkennbare Funktionsharmonik oder Dur-Moll- Tonalität, stattdessen chromatische Veränderungen in den Mittels- timmen 2 und 3 innerhalb eines statischen Oktav-Rahmens der bei- den Stimmen 1 und 4; klangliche Statik und Dissonanzen als Er- gebnis. - Klangfarbe: Obwohl die Besetzung einer Blaskapelle gegeben scheint, sind die Funktionen der Instrumente teilweise vertauscht: Ursprüngliche Bass-Fundament-Instrumente spielen nun die Melo- die, hohe Begleitinstrumente (Stimmen 1 mit 4) klingen schrill und überzeichnet. Das Schlagwerk stellt klare Bezüge zur Marschkapel- le her.

3.2 Bewertet wird die Schlüssigkeit der Argumentation unter Einbezie- hung der geforderten Teilaspekte.

4 Bewertet wird die Schlüssigkeit der Lösung unter Einbeziehung der geforderten Teilaspekte. Die Beschreibung kann mit ca. 1/3 der Be- wertungseinheiten berücksichtigt werden. Ein parodistischer Ansatz wie bei Kagel oder Strawinsky ist selbstverständlich denkbar. – 6 –

Aufgabe II

Literaturhinweise:

Wise Guys Songbook „Wo der Pfeffer wächst“. Köln 2004

Russomanno, Stefano: Booklettext zur Gesualdo-CD (siehe unten) in deutscher Übersetzung von Claudia Vetter Watkins, Glenn: Carlo Gesualdo di Venosa. Leben und Werk eines fürstlichen Komponisten. München (Matthes & Seitz) 2000, S. 119

Aufnahmen:

Gesualdo da Venosa: Quinto Libro di Madrigali (1611). La Venexiana. Glossa 920935, 2005 Wise Guys: Wo der Pfeffer wächst. Pavement Records 60125, 2004

Lösungsvorschlag:

1.1 1. Zitat - Die Ruhe und Kompaktheit, sowohl harmonisch als auch bewe- gungsmäßig, der Takte 5 und 6 zerfällt buchstäblich in den Takten 7 und 8 (bis 11). Der Satz wirkt sowohl ausgedünnt als auch har- monisch brüchig. - Die in sich bewegteren Takte 20 mit 22 in durchbrochenem Satz werden abgelöst von großer Ruhe und weitgehend homophonem Satz in den Takten 22 (Ende) mit 26. 2. Zitat - harte Dissonanzen zwischen konsonanten Klängen in Takt 2 („gri“) und Takt 10 - überraschende Rückungen (Takte 14, 17/18, 26/27, 29, 32/33), die wie Lichtwechsel wirken - Pausen, die den Fluss unterbrechen (Takte 12, 15, 18, 27, 30) – 7 –

1.2 „Abbildung“ des Textes u. a.: - Zerfallserscheinungen des Satzes bei „io vengo meno“ - Pausen nach „tacendo“ oder „mora“ - dissonanter „Schrei“ auf „gri-(do)“

2 Merkmale elitärer Gesellschaftskunst u. a.: - Der dichterische Text wirkt gespreizt-manieristisch, nicht real. Er „badet“ in Schmerz, Selbstmitleid und Übertreibung. - Insbesondere die ungewöhnlichen harmonischen Fortschreitungen, aber auch rhythmisch komplexe Stellen (Takte 20 mit 22) oder die krassen Brüche in der Gesamtanlage des Stücks stellen sehr hohe Anforderungen an die Ausführenden. Sie sind nur von professionel- len Kräften zu bewältigen; diese aber waren höfischen Kreisen vor- behalten. - Sowohl die textlichen als auch die musikalischen Ansprüche stellen auch an die Zuhörer hohe Anforderungen.

3.1 Merkmale des Liedtextes u. a.: - Der Verehrer hat für die Angebetete in vielerlei Hinsicht Opfer ge- bracht und eigene Standpunkte verleugnet. - Nach der Beendigung der Beziehung schlägt die Gefühlslage in Ge- hässigkeit und Hohn um. - Sechs Strophen mit je vier Verszeilen, meist beginnend mit dem Liedtitel; Paarreim; nach jeder 2. Strophe ein Refrainteil, der jedoch textlich nicht identisch ist. - Verwendung von Alltagssprache mit umgangssprachlichen Ein- streuungen („aber nich’ mehr“, „Hintern“, „in der Pfeife rau- chen“ …) - klischeehaft (z.B. „Birkenstocksandalen“) - Gegenwartsgebundenheit (z. B. Nennung von aktuellen Stars) – 8 –

3.2 Musikalische Gestaltung des Liedes: - Liedmelodie in der zweithöchsten Stimme, also eingebettet im Satz; als einzige durchgehend textiert. - Die Melodie verläuft sehr engschrittig (weitgehend Tonrepetitionen und Sekunden) in den Strophen in bequemer Baritonlage, in den Refrainteilen dagegen höher mit fast hymnischer Wirkung. Sie ord- net sich dem Sprachrhythmus unter und ist an natürlicher Sprechge- schwindigkeit orientiert. - Die anderen Stimmen begleiten meist auf Klangsilben („du“, „uh“, „ding“, „dao“) mit unterschiedlicher Färbung, teils im rhythmisch durchbrochenen Satz (Strophen 1 mit 4), teils als Liegeklänge (Re- frain 1 und 2), teils als gleichbleibender Puls (Strophen 5 und 6); Elemente der Mouthpercussion häufig im Bass. - Die immer wieder auftauchende Passage „Nur für dich“ wirkt glie- dernd; sie ist ebenso wie die Strophenschlüsse 1 mit 4 durch homo- phonen Satz hervorgehoben. - Alle Strophen sind harmonisch jeweils gleich angelegt. (║: E H F#m A :║ G# C#m A Am E H A H E) Der Verlauf, weitgehend konstant in halbtaktigem Wechsel, besteht aus einer wiederholten einfachen Kadenz zu Beginn (plagal) und einer am Ende (authentisch). In der dritten Verszeile findet jeweils eine Ausweichung zur Mollparallelen statt. - Auch die Refrainteile verlaufen im harmonischen Umfeld der Grundtonart und ihrer Mollparallele. – 9 –

3.3 Bezüge zwischen Textaussage und musikalischer Gestaltung u. a.: - In den Strophen sind die Aufzählung der vielen gebrachten Opfer und das gliedernde „Nur für dich“ immer mit den gleichen musika- lischen Floskeln verbunden. - In den Refrainteilen 1 und 2, also dort, wo sich das lyrische Ich über das Geschehene ereifert bzw. die Neuorientierung einleitet, än- dert sich die musikalische Gestaltung: erhöhte Lage der Melodie, kompakter Sound der drei Mittelstimmen, rhythmisch bewegter Bass. - Die brüskierenden Aussagen der 5. und 6. Strophe werden mit ag- gressiv wirkenden Achtelakkorden, zunächst auf den betonten Zählzeiten, dann sogar durchgehend, und mit energiegeladener Mouthpercussion unterlegt. - Im dritten Refrainteil erfolgt bei gleichbleibender Gestaltung der beiden Unterstimmen zunächst eine nochmalige Steigerung durch die dreistimmige Umsetzung des Liedtextes. Die völlig unerwartete, kindisch wirkende Schlussbotschaft wird mit der entsprechenden Leierformel aus Kinderliedern (fast) einstimmig umgesetzt.

4 Wirkung der beiden Stücke: - Das Gesualdos spricht den Hörer durch seine drastisch ausdeutenden Mittel (besonders der Harmonik und Dissonanzbe- handlung) ganz unmittelbar auf der Gefühlsebene an. Es lässt den Hörer sich in die Rolle des Leidenden hineinversetzen. Aufgrund der durchkomponierten Form ohne textliche oder musikalische Wiederholungen, aufgrund von Dehnungen, Unterbrechungen, ver- schieden langen Phrasen und Abwechslung zwischen homo- und polyphonen Abschnitten ist der Verlauf des Stücks nicht kalkulier- bar und voller Spannung. Die Verwendung des Textes in allen Stimmen lässt es nicht zu, etwa nur einer Hauptmelodie zu folgen. Der Text wird in „übersetzt“. - Der Song der „Wise Guys“ lässt in musikalischer Hinsicht ein ent- spannteres Hören zu: Er bewegt sich in geordneten Bahnen hinsich- tlich der Form (Textgliederung, Strophenform, gleichmäßige zweit- aktige Phrasen), der übersichtlichen und immer wieder in gleichen Folgen ablaufenden Kadenzharmonik, des gleichbleibend hohen Konsonanzgrades sowie der homophonen Anlage des Satzes. Durch diese Berechenbarkeit kann das Stück – im Gegensatz zum Madri- gal Gesualdos – zum Ohrwurm werden. Die Spannung des Hörers folgt in erster Linie dem gut verständlichen Text der Melodiestim- me. Ab dem letzten erfährt das Lied eine Steigerung und schließlich einen überraschenden Abschluss. – 10 –

Aufgabe III

Literaturhinweise:

Kurt Schwitters: Simultangedicht, in: Ders.: Das literarische Werk, hrsg. Von Friedhelm Lach, Bd. 1. Köln (DuMont Buchverlag) 1973, S. 198

Schweitzer, Albert: Johann Sebastian Bach. Leipzig (Breitkopf & Härtel) 1947, S. 431 Dürr, Alfred: Die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach. Entstehung, Überlieferung, Werkeinführung. Kassel (Bärenreiter) 1988, S. 65

Aufnahmen:

Johann Sebastian Bach: St John Passion BWV 245. Barbara Schlick (Sopran), Choir and Orchestra of La Petite Bande, Leitung: Sigiswald Kuijken. Deutsche Harmonia Mundi GD77041, 1987 Die Partei hat immer recht. Eine Dokumentation in Liedern. Ernst Busch (Ge- sang), Chor der Staatsoper Berlin, Instrumentalgruppe, Leitung: Adolf Fritz Guhl. BMG 74321394862, 1996 Comedian Harmonists. Greatest Hits Vol. 1.EMI 7243 4 93717 2 9, 1932/1998 : Ursonate. Kurt Schwitters (Sprecher). Wergo WER 6304-2, 1993

Lösungsvorschlag:

1.1 Der allgemeine Affekt kann mit Begriffen wie heiter, optimistisch, hoffnungsvoll, zuversichtlich beschrieben werden. Musikalische Ei- genschaften, die diesen Affekt stützen, sind - beschwingtes Tempo - 3/8-Takt, tänzerischer Gestus - Dur - aufsteigende Melodielinien - Besetzung mit hellen Stimmen (Sopran, Traversi) – 11 –

1.2 Geeignete Stellen u. a.: Takte 16 ff.: - Symbole der Nachfolge durch Imitation der drei Stimmen (Basso continuo, Sopran, Traverso 1 und 2) - Zwei Jünger folgen nach, Traverso 1 und 2 im Unisono (oder zwei Stimmen folgen dem Basso continuo) - Die Sequenzen der Traversi (Takte 21 mit 23) bewegen sich (in Folge) nach oben. Takte 61 ff. - Das „Ziehen“ und „Schieben“ wird durch eine aufwärts gerichtete Linie dargestellt, zuerst in diatonischer Folge, wobei der Eindruck der Mühe durch Tonwiederholungen vor dem nächsten Schritt ent- steht. Gegen Ende (Takt 63) verdichtet sich dieser Eindruck durch die chromatischen Tonabstände.

1.3 Die Leidensgeschichte endet mit Jesu Tod, der gleichzeitig die Erlö- sung der Gläubigen von ihrer Sündenschuld darstellt; mit ihr verbindet sich also Hoffnung und Zuversicht. Der freudige Affekt könnte zu- gleich die Bereitschaft des Christen ausdrücken, sein Leben in der Nachfolge Christi zu gestalten.

1.4 Wichtig für die Bewertung sind das Verstehen der beiden Zitate, die Qualität der Argumentation und die sprachliche Gestaltung.

2.1 Singen spricht – im von vielen totalitären Staaten verstandenen Sinn – das Gemüt an, nicht den Verstand und wird als gemeinschaftsbilden- des Element eingesetzt. Daher kann es zur Prägung von Überzeugun- gen ohne kritische Kontrolle verwendet werden. Besonders gilt das für entsprechend gestaltete Lieder (, Marschlieder).

2.2 Musikalische Elemente u. a.: - 4/4-Takt - punktierte Rhythmen - (zunächst aufwärts gerichtete) Dreiklangsmelodik - emphatische Sext in Takt 4 - häufige Sequenzen - Beibehalten eines rhythmischen Musters über weite Strecken - „Begradigung“ des Rhythmus im Refrain (dadurch Festigung)

– 12 –

2.3 Die beiden Refrains sind gleich aufgebaut (a a b a). Der Beginn der Melodie ist in beiden Refrains identisch. Nach dem zweiten Takt wird im Parteilied die straffe, sich stets wiederholende Rhythmik beibehal- ten, die Bildung von Sequenzen bestimmt den gesamten musikalischen Verlauf. Damit wird der appellative, marschartige Charakter betont. Beim Schlager wird dagegen die melodische Linie des Schlagers ge- schmeidig verändert und rhythmisch belebt. Im b-Teil finden sich in beiden Fällen harmonische Ausweichungen, und jeweils werden die rhythmische Grundfigur und die Sequenzbil- dungen des Motivs auf sehr engem Raum beibehalten. Die schlichte Gestaltung erleichtert einerseits das Mitsingen des Liedes, trägt ande- rerseits zur Eingängigkeit der Melodie bei. Das ist in beiden Funktio- nen (populäres Lied, appellatives Kampflied) erwünscht. Im abschlie- ßenden Viertakter verzichtet das Parteilied auf einen melodischen Hö- hepunkt, im Schlager dagegen wird durch eine sich aufschwingende Melodiefloskel ein sentimentaler Affekt angestrebt.

3.1 Wichtig für die Bewertung sind die Klarheit der Darstellung, die Be- rücksichtigung der „Simultaneität“ von Stimmen, die Originalität und die Durchführbarkeit des Konzepts.

3.2 Wichtig für die Bewertung sind Stimmigkeit und verständliche Dar- stellung der Gestaltungsabsicht, die künstlerische Bewältigung der Idee (Länge, Ausführbarkeit) und die Originalität der Arbeit.

3.3 Zu erwarten, aber nicht zwingend, ist eine Zuordnung näher bei der Musik als der Literatur. Wichtig für die Bewertung ist die Begründung der Einordnung. Als Grundlage dieser Einordnung können z. B. fol- gende Beobachtungen erwartet werden - Rhythmisierung, die wegen ihrer Metrumbindung sehr musikalisch wirkt - die weit über natürliche Hebungen und Senkungen hinausgehende Verwendung von Tonhöhen als Gestaltungsmittel - der deutlich dreiteilige Aufbau (ABA), der die traditionelle Form eines Scherzos einhält - die der Semantik entbehrende Sprache, deren Lautbilder aber Asso- ziationen ermöglichen. – 13 –

Aufgabe IV

Literaturhinweise:

Franz Anton Rosetti: Symphonie g-moll. Basel (Edition Kneusslin) 1965 Georg Friedrich Händel: Concerto grosso a-moll op. 6 Nr. 4. Taschenpartitur. Kassel (Bärenreiter) 1961 Serge Prokofieff: Symphonie classique op. 25. Taschenpartitur. London u. a. (Boosey & Hawkes) 1926 György Ligeti: Lontano für großes Orchester. Mainz u. a. (Schott) 1969

Zitat zu Prokofieff: Booklettext (von Wolfgang Dömling) zur Prokofieff-CD (siehe unten)

Aufnahmen:

Antonio Rosetti: Symphonies. Concerto Köln. Teldec 4509-98420-2, 1995 George Frideric Handel. Concerti grossi, op. 6. Handel & Haydn Society, Lei- tung: Christopher Hogwood. Decca 458 817-2, 1993/1998 Serge Prokofiev: Symphonie Classique op. 25, : Simple Sym- phony op. 4, Georges Bizet: Symphony in C major. Deutsche Grammophon 423 624-2, 1988

Lösungsvorschlag:

1.1 Denkbar wären u. a. folgende Aspekte: - zeitliche Einordnung - Besetzung - formale Anlage - Dynamik - Melodik bzw. Motivbildung – 14 –

1.2 Erläutert werden können Aspekte wie z. B. - Spielweise - Dynamik - Phrasierung - - Besetzung - Verzierungen - Ausführung des Generalbasses - Frage der - Frage des Instrumentariums (barockes oder modernes) - Frage nach der Aufstellung und Größe des Orchesters

2 Historischer Bezug u. a.: - typisch klassische Besetzung - Streicher dominierend - Bläser zur Unterstützung einzelner Stimmen der Streicher, aber auch solistisch mit thematischer Funktion (vgl. Takte 19 ff.) - strukturelle Merkmale einer Symphonie

Momente des Neuen u. a.: Es werden Hörerwartungen geweckt, aber nicht eingelöst, z. B. - Phrasenlängen unregelmäßig vor allem bei Wiederholungen - Intervallfolgen - Taktwechsel (z. B. Takt 27/28) - harmonische Fortschreitungen

Die Charakterisierung des Gesamteindrucks kann in unterschiedliche Richtungen gehen. Das Stück kann z. B. als Ironisierung, als Homma- ge, als Karikatur oder als Kuriosität gesehen werden. Die Bewertung richtet sich nach der Art der Darstellung und der Schlüssigkeit der Ar- gumentation.

3 Beschreibung der kompositorischen Struktur bei Ligeti: Darlegung der relevanten Partiturangaben u. a. zu Instrumentation, Spielweisen und Klangfarben, Tonmaterial, Dynamik, Rhythmik

Klangliches Gesamtergebnis u. a.: zunächst extreme Reduzierung des tonalen Materials, langsamer Wechsel der Klangfarbe, „aus der Ferne“ dringen Töne/ Klangfarben in unregelmäßigen Abständen an das Ohr.

Verschiedene Fortsetzungen sind möglich. Entscheidend sind eine in sich logische und begründete Argumentation und Darstellung, die Be- zug nehmen auf den Partiturausschnitt und ggf. den Werktitel. – 15 –

Aufgabe V

Literaturhinweise:

Paul Hindemith: Minimax. Repertorium für Militärmusik. Mainz u. a. (Schott) 1978 Carl Teike: Alte Kameraden. Marsch für Pianoforte. Solms (Mörike Musikver- lag) 1972 Arnold Schönberg: Serenade op. 24. Kopenhagen (Edition Wilhelm Hansen) 1924

Hindemith, Paul (u. a.): Manifest zur Gründung der „Gemeinschaft für Musik“ Frankfurt (1922), zit. n. Rexroth, Dieter: Einige Voraussetzungen der „Ge- brauchsmusik“ bei Hindemith, in: Musica 34 (1980), S. 549 Rieple, Max (u. a.): Musik in Donaueschingen. Konstanz (rosgarten verlag) 1959, S. 21 Adorno, Theodor W.: Ad vocem Hindemith (1922–1968), in: Ders.: Impromp- tus. Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1968, S. 78 bzw. S. 81/82

Aufnahmen:

Paul Hindemith: Quintett für Klarinette und Streichquartett, Repertorium für Militärmusik „Minimax“, Ouvertüre zum „Fliegenden Holländer“. Buchberger Quartett. Wergo WER 6197-2, 1991 Radetzky-Marsch. Preußische und österreichische Märsche mit Herbert von Ka- rajan. Bläser der Berliner Philharmoniker, Leitung: . Deutsche Grammophon 429 074-2, 1974 : Serenade, Variations op. 31, Bach Orchestrations. Twen- tieth Century Classics , Leitung: Robert Craft. Naxos 8.557522, 2006 – 16 –

Lösungsvorschlag:

1 Bei der Wiedergabe von Höreindrücken der beiden Stücke von Hin- demith und Teike ist eine ganze Bandbreite von bildhaft-assoziativen bis beschreibenden Äußerungen denkbar. Die subjektive Auffassung soll nachvollziehbar zur Geltung gebracht werden. Hinsichtlich der anschließend geforderten Objektivierungen auf der Grundlage der No- tentexte richtet sich die Bewertung nach der Art der Darstellung und der Schlüssigkeit der Argumentation.

In Hindemiths Komposition sind Elemente von Marschmusik ganz of- fen in herkömmlicher Satzweise (und ganz ähnlich wie bei Teike) zu finden. Im Einzelnen könnten z. B. folgende Blickrichtungen bei der Analyse genutzt werden: - Untersuchung verschiedener musikalischer Parameter: . Melodik: Fanfarenfiguren, Dreiklangsbrechungen; Gegenme- lodien/ „Fill-Ins“ . Rhythmik/ Metrik: gerader Takt, betonte Grundschläge, Nach- schläge, charakteristische Tonrepetitionen, Wirbel bzw. Triller . Harmonik: übersichtliche bzw. „einfache“ Harmoniefolgen, stereotype Bass-/ Begleitfiguren . Form: ABA-Großform; Da-Capo-Teil; kontrastierende Anlage . Instrumentation: Streichquartett bzw. Militärorchester; Mittel- stimmensolo, Abschnitte mit „virtuoser“ Darbietung - Wirkung: mitreißend, (zwangs-)integrierend, lächerlich, erhebend, militaristisch, mechanisch, brutal, sentimental, ironisch, grotesk - (Funktion: Überlegungen zur direkten Verwendung im militäri- schen Bereich, zur Repräsentation oder – weitergreifend – zu Ge- brauchs- und Kunstmusik)

Jede dieser Hinsichten (und noch andere mehr) können gewählt und treffend ausgestaltet werden, am überzeugendsten vermutlich in einer Betrachtungsweise, in der die Blickrichtungen aufeinander bezogen werden. Einerseits sind in Hindemiths Stück die Stilmittel von Marschmusik ganz ähnlich wie bei Teike zu finden, wird also das Marschidiom in- takt vorgeführt. Andererseits jedoch erscheint es auch „verbeult“ bzw. unkonventionell oder verfremdet; letzteres könnte z. B. an den Takt- wechseln, an Gegenbetonungen, an der „falschen“ Instrumentation (Streichquartett), an melodischem wie harmonischem „Aus-der-Rolle- Fallen“ aufgezeigt werden (z. B. „c-moll“-Melodie in Takt 18 f. mit frei tonalen Schnörkeln in Takt 19, die in Takt 23 schroff auf dem Ton e endet; ebenso der bitonale Abschluss in Takt 26). – 17 –

2.1 Notenbeispiel 3: Beginn des Marsches aus der Serenade op. 24 von Arnold Schönberg. Eine Zuordnung des Werks zu einem Komponis- ten ist nicht erforderlich. Nachvollziehbarkeit und Differenziertheit sind Gradmesser für die Be- wertung der Beschreibung. Im Einzelnen kann auf die kammermusikalische Diktion, die Tonspra- che, die begründet frei atonal oder (beinahe) zwölftönig genannt wer- den kann, auf die Besetzung, auf Taktgruppenentsprechungen (Form), den marschuntypischen Walzergestus, die „Taktwechsel“ eingegangen werden, auf Ähnliches und Nicht-Ähnliches im Vergleich zu den Mär- schen, die bei Aufgabe 1 bereits untersucht worden sind.

2.2 In den Quellentexten finden sich eine ganze Reihe von Anknüpfungs- punkten, auf die in den Ausführungen zurückgegriffen werden sollte. Dabei können Ansätze zur Deutung ausgearbeitet und dann erörtert, d. h. argumentativ gegeneinander abgewogen werden.

2.3 Folgende Deutungsansätze sind denkbar und könnten als Begründun- gen für eine eigene Sichtweise angeführt und ggf. gegeneinander ab- gewogen werden: - Die Titelworte können bezogen werden auf die Hinweise zum Ent- stehungskontext und/ oder auf die Betrachtung des musikalischen Materials (stilistisch uneinheitlich, traditionell wie unkonventionell; doppelgesichtig). Deutungen könnten sein: Doppelbödigkeit der Feuerlöscher-Assoziation, Hommage an die Mäzene, Karikatur der Alten Kameraden, kritischer Bezug auf den Militarismus des wil- helminischen Zeitalters. - Die Hinweise zu Biographie, Temperament und Situation erlauben die Deutung, die Komposition Minimax sei eine Spaßmusik, bei der absichtlich falsche Töne eingefügt sind. - Es können zeitgeschichtliche und musikgeschichtliche Kontexte thematisiert werden, etwa unter den Aspekten Traditionsbruch und Traditionsüberwindung, ebenso die Frage, inwieweit die bespro- chene Komposition einer Epoche oder einer stilistischen Strömung zugeordnet werden kann. - Stimmig ließen sich Überlegungen zu Kunst und Nicht-Kunst, Ge- brauchsmusik, autonome und funktionale Musik anschließen.