Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte 51
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Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte 51 Rosa-Luxemburg-Stiftung HELLA HERTZFELDT, KATRIN SCHÄFGEN (HRSG.) Kultur, Macht, Politik. Perspektiven einer kritischen Wissenschaft Zweites Doktorandenseminar der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Oktober 2003 Karl Dietz Verlag Berlin Rosa-Luxemburg-Stiftung, Manuskripte 51 ISBN 3-320-02956-8 Karl Dietz Verlag Berlin GmbH 2004 Umschlag: Heike Schmelter Druck und Verarbeitung: MediaService GmbH BärenDruck und Werbung Printed in Germany Inhalt Vorwort 7 1. Kunst, Kultur und Gesellschaft GUIDO BRENDGENS Macht versus Mensch. Versuch einer Abgrenzung antidemokratischer von demokratischer Architektur 10 NICOLE GROTHE InnenStadtAktion! Neoliberale Stadtpolitik, politische Kunst und Möglichkeiten der Intervention im „öffentlichen“ Raum 30 THOMAS SCHUBERT Rudolf Bahro: Eine Kreuzung von deutscher Klassik und russischer Revolution? 48 TOBIAS PIEPER Die Lebensrealität von Flüchtlingen in der BRD – Anwendungsmöglichkeiten der Kategorien Bourdieus 63 2. Sprache, Literatur und Kommunikation ANNIKA RUNTE Identitätsdiskurse im massenmedialen Lied: Konstruktion, Brechung und Transformation kultureller Identitätsmodelle in Texten zeitgenössischer Popmusik (in Frankreich) 79 IRINA NEUMANN Kriminalliteratur in Lateinamerika – Besonderheiten aus der Perspektive visueller Medien 102 PETRA SCHILLING Der Holocaust-Diskurs in den deutschen Printmedien der 1990er Jahre. Zur konstruktiven Verfertigung von Vergangenheit im Schreiben 116 5 STEFANIE HOLUBA Der Mensch kann nicht nicht kommunizieren. Das Lachen in der Rhetorik 129 3. Film und Werbung TOBIAS NAGL „Die Wacht am Rhein“: „Rasse“ und Rassismus in der Filmpropaganda gegen die „schwarze Schmach“ (1921–1923) 135 NANCY CHENG Man in the Making und die Lust am Actionkörper. Sylvester Stallone in „First Blood“ 155 KLAUS MELLE Werbung als historisches Zeitdokument? Wirtschaftskommunikation zur deutschen Einheit im Spannungsfeld deutsch-deutscher Befindlichkeiten 169 4. Perspektiven der EU-Kulturpolitik CHRISTINA SCHLICH Kulturpolitische Perspektiven der Europäischen Union: die Rolle von Kultur im Europäischen Reformprozess 190 AutorInnen 210 6 Vorwort Kunst und Kultur sind in unserem täglichen Leben in unterschiedlichsten Formen allgegenwärtig: als Literatur, Film, Werbung, Architektur. In diesen werden sie zwar wahrgenommen und rezipiert; theoretisch hinterfragt oder auf ihr politisches Potenzial hin analysiert werden sie jedoch im Alltagsleben i.d.R. nicht. Diese Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur stellte den Focus des zweiten Doktorandenseminars der Rosa-Luxemburg-Stiftung dar. Im Oktober 2003 stellten 11 Stipendiatinnen und Stipendiaten der Stiftung ihre Dissertationsprojekte zu diesem Themenschwerpunkt vor und zur Diskussion. Die Ergebnisse dieses Seminars liegen nun in diesem Band vor, der nicht nur die unterschiedlichen Themen, sondern auch die unterschied- lichen Be- und Verarbeitungsstufen und Herangehensweisen verdeutlicht. Den Auftakt bildet Guido Brendgens mit seiner Frage nach demokratischer und antidemokratischer Architektur und welche Kriterien dafür anzulegen sind. Eine Beantwortung dieser Frage schließt für ihn die Berücksichtigung des gesellschaftlichen Kontextes und die Nutzung der Gebäude ein, also eine Abkehr von abstrakten Prinzipien und eine Hinwendung zu konkreten Inhalten. Mit künstlerischen Äußerungen anderer Art im öffentlichen Raum befasst sich Nicole Grothe. Sie untersucht die InnenStadtAktionen der Jahre 1997/98, die sich als künstlerische Kritik und künstlerischen Widerstand auf neoliberale Umstrukturierungsprozesse in den Städten verstanden. Dabei geht sie auch der Frage nach, wie es um die angestrebte Vernetzung und Zusammenarbeit von künstlerischen und politischen Zusammenhängen steht. Um Räume geht es bei Tobias Pieper auch, jedoch um soziale Räume. Der soziale Raum, den er im Fokus seiner Analysen hat, ist das dezentrale Lager- system zur Unterbringung von Flüchtlingen. Unter Verwendung Bourdieu- scher Kategorien, wie z.B. kulturelles Kapital, beleuchtet er das historische Werden des dezentralen Lagersystems und seine ökonomischen Wirkungen. Sind bürgerliche Kulturidee und sozialistische Gesellschaftskonzeption mit- einander vereinbar, so wie es sich Thomas Mann erhofft hatte? Diesem Problem geht Thomas Schubert nach, der sich mit der Gedankenwelt von Rudolf Bahro beschäftigt und zu der Schlussfolgerung kommt, dass Bahros Synthese zwischen deutscher Klassik und Marxismus zu einer politischen Romantik führte. Mit der modernen Liedkultur Frankreichs und ihrer identitätsstiftenden Funktion befasst sich Annika Runte in ihrem Beitrag. Sie zeigt auf, inwieweit sich im modernen Lied Spuren von Brechung, Transformation bzw. Dekonstruktion eines homogenen Kulturbegriffes nachweisen lassen. Irina 7 Neumann hat sich eine weitere Kunstgattung zum Gegenstand gemacht: die Literatur und hierbei im Speziellen die Kriminalliteratur Lateinamerikas. Sie verdeutlicht die Affinität des Genres zu visuellen Medien im lateinamerikanischen Kontext. Der Rückgriff auf Visualisierungstechniken, die Ähnlichkeiten zu Filmen aufweisen, stellt den Versuch dar, das litera- rische Genre Kriminalroman zu „lateinamerikanisieren“- so ihr Fazit. Das gedruckte Wort steht ebenso bei Petra Schilling im Mittelpunkt ihres Textes. Sie gibt einen Überblick über die Diskurse zum Holocaust in den deutschen Printmedien in den 90er Jahren. Beginnend mit einem historischen Abriss des Diskurses in der Bundesrepublik in den 80er Jahren zeigt sie den Zu- sammenhang mit der Problematik der nationalen Identität vor dem Hinter- grund der Vereinigung der beiden deutschen Staaten auf. Stefanie Holuba beschäftigt sich mit dem Lachen, auf den ersten Blick einen ungewöhnlichen Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen. Sehr anschaulich verdeutlicht sie den Platz des Lachens in der Rhetorik und insbesondere in der Politik. Wie eng das Medium Film mit gesellschaftlichen Ereignissen zusammen- hängt, verdeutlichen die Beiträge von Tobias Nagl und Nancy Cheng. Tobias Nagl untersucht in seinem Beitrag anhand des Films „Die schwarze Schmach“ das Zusammenspiel zwischen nationalistischen und rassistischen Gebaren in Folge der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg. Die Be- setzung des linken Rheinufers durch französische Soldaten, von denen eine Vielzahl aus Nordafrika stammte, wurde zu einem rassistischen Propaganda- feldzug genutzt. Am Beispiel der Figur des Rambo aus dem gleichnamigen Film dechiffriert Nancy Cheng die Konstruktion von Männlichkeit im Hollywood Film der 80er Jahre. Sie zeigt dabei auf, wie das Vietnam- Trauma des verlorenen Krieges positiv umgedeutet wird. Werbung als Gegenstand zeithistorischer Forschung wird von Klaus Melle untersucht. Dabei geht er auf die Beantwortung folgender Fragen mit Hilfe von Beispielen aus der unmittelbaren Nachwende-Werbung ein: Inwieweit werden in der Werbung zeithistorische Zusammenhänge und gesellschaft- liche Stimmungen reflektiert? Können aus ihr Rückschlüsse auf kollektive Denk- und Verhaltensweisen einer Gesellschaft gezogen werden? Der abschließende Beitrag fokussiert die Kulturpolitik der EU. Christina Schlich untersucht die kulturpolitischen Dimensionen in der EU und schlägt dabei den Bogen von den Diskussionen im Konvent bis zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei wird die Sprachenfrage in der EU genauso angesprochen, wie das Thema Kultur und Erweiterung, wo es nach wie vor großen Handlungsbedarf gibt. 8 Die einzelnen Texte verdeutlichen die unterschiedlichen Herangehensweisen an die einzelnen Bereiche des Feldes Kultur und dessen vielfältige Definier- barkeit, gleichwohl wird das Einigende, Gemeinsame klar: „Kultur ist Kommunikation: eigenständige, nie endende Dynamik von Zuschreibungen, Auslegungen und Repräsentationen.“ (Beitrag von Annika Runte, S. 97) Hella Hertzfeldt, Katrin Schäfgen, Juni 2004 9 Guido Brendgens Macht versus Mensch. Versuch einer Abgrenzung antidemokratischer von demokratischer Architektur „wir erkennen in jeglicher lebensrichtigen gestaltung eine organisationsform des daseins. wahrhaft verwirklicht ist jede lebensrichtige gestaltung ein reflex der zeitgenössischen gesellschaft. bauen und gestalten sind eins, und sie sind ein gesellschaftliches geschehnis. [...] jedes menschen werk ist zielgerichtet und des gestalters welt blickt daraus. dieses ist seine lebenslinie. so wird unser werk kollektiv gerichtet und volksbreit geschichtet weltanschauliche demonstration.“ HANNES MEYER1 1. Einleitung Es ist ein - wenngleich streitbarer - Gemeinplatz, die Architektur als die öffentlichste Kunst zu sehen. Stärker als die Malerei, die Plastik und das Kunstgewerbe besitzt die Architektur öffentliche Verbindlichkeit. Wenn- gleich zwar auch einzelne Bilder öffentlich allgegenwärtig sein können, so unterscheidet sich die Architektur etwa von der Malerei durch die Präsenz ihrer Bauten im städtischen Raum, der alltäglich wenn auch stärker unbe- wusst erfahren wird. So stellt etwa Norberg-Schulz fest: „Vom Menschen hervorgebracht und von ausgesprochen praktischer Natur, hat das Bauen die besondere Fähigkeit, zu zeigen, wie die kulturellen Werte und Traditionen unser alltägliches Leben bestimmen. Nur durch kulturelle Symbolisierung kann die Architektur zeigen, dass der Alltag eine Bedeutung über die unmittelbare Situation hinaus hat und an der kulturellen und histo- rischen Kontinuität teilhat. Die übrigen Künste sind nicht fähig, diese Aufgabe auf die gleiche Weise zu erfüllen. Keine von ihnen wirkt so unmit- telbar auf unser tägliches Dasein ein.“2 Architektur gründet alltägliche und überalltägliche Realität.