Antonia Eder Der Pakt Mit Dem Mythos Hugo Von Hofmannsthals
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Antonia Eder Der Pakt mit dem Mythos Hugo von Hofmannsthals ›zerstörendes Zitieren‹ von Nietzsche, Bachofen, Freud ROMBACH WISSENSCHAFTEN · REIHE LITTERAE herausgegeben von Gerhard Neumann, Günter Schnitzler und Maximilian Bergengruen Band 198 Antonia Eder Der Pakt mit dem Mythos Hugo von Hofmannsthals ›zerstörendes Zitieren‹ von Nietzsche, Bachofen, Freud Auf dem Umschlag: Sandro Botticelli: Historia de Nastagio degli Onesti (1483), Prado, Madrid Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förde- rung der wissenschaftlichen Forschung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. © 2013. Rombach Verlag KG, Freiburg i.Br./Berlin/Wien 1. Auflage. Alle Rechte vorbehalten Lektorat: Sara Kathrin Landa Umschlag: typo|grafik|design, Herbolzheim i.Br. Satz: Rombach Druck- und Verlagshaus GmbH & Co. KG, Freiburg im Breisgau Herstellung: Rombach Druck- und Verlagshaus GmbH & Co. KG, Freiburg im Breisgau Printed in Germany ISBN 978-3-7930-9755-6 INHALT Einleitung . 9 I Mythos. Theorie und Schauer . 29 I.1 Mythos und Geschichten .......................... 30 I.2 Logos und Mythos . 34 I.2.1 Exkurs: Das Erhabene . 38 I.3 Mythos: Figuration und Defiguration . 42 I.3.1 Dynamik des Mythos . 43 I.3.2 Sprachbann und Gewalt . 46 I.3.3 Defiguration und Präsenz . 49 II Elektra. Frei nach Sophokles .............................. 55 II.1 Figurentektonik Elektra . 56 II.1.1 Elektra I . 56 II.2.2 Elektra II . 60 II.2 Theater – Tanz – Opfer . 64 II.2.1 Das Theater . 64 II.2.2 Der Tanz . 67 II.2.3 Das Opfer . 70 II.3 Sophokles – Hofmannsthal . 72 II.4 Bachofens Urmythos Das Mutterrecht ................. 82 II.4.1 West-östliche Diven . 86 II.4.1.1 Klytämnestra. Urmutter & Hetäre . 89 II.4.1.2 Chrysothemis. Hetäre & Demeter . 93 II.4.1.3 Elektra. Amazone & Dionysos . 96 II.4.1.4 Orest. Erlösendes Patriarchat . 101 II.5 Freud. Studien über Hysterie ......................... 104 II.5.1 Das Unbewusste . 104 II.5.2 Hysterie . 106 II.5.3 Mythopoiesis . 107 II.5.4 L’Amour et la haine .......................... 110 II.5.5 Geschlechter-Szene . 113 II.5.6 Trauma . 114 II.5.7 Fragwürdige Verwandlung: ›Psycho-Literatur‹? . 117 II.6 Nietzsche . 119 II.6.1 Die Geburt der Tragödie ....................... 119 II.6.1.1 Elektra. Traum und Rausch . 123 II.6.1.2 Blick und Erkenntnis . 128 II.6.1.3 Der tragische Chor . 132 II.6.2 Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben .... 134 II.6.2.1 Erinnern – Vergessen . 139 II.6.2.2 Triumph des Tragischen . 148 II.6.3 Appendix: Zur Genealogie der Moral .............. 150 II.6.3.1 Gedächtnis und Ressentiment . 151 II.6.3.2 Die Mutter . 152 II.6.3.3 Die Schwester . 153 II.6.3.4 Der Bruder . 155 II.7 Konstruktionen . 157 III Ariadne auf Naxos .................................... 159 III.1 Ana-Meta-Morphosen . 159 III.1.1 Gattungspoetik des Dazwischen . 161 III.1.2 Gattungskollision, die I. Rekurs auf Elektra: Eine Schelmenszene . 168 III.1.3 Ariadne und Elektra in regelloser Regelpoetik . 172 III.1.4. Echo. Figuration des Dazwischen . 175 III.2 Ariadnes Schmerz: zwischen Nietzsches Lustprinzip und Freuds Todestrieb . 181 III.2.1 Ästhetik des Masochismus . 184 III.2.2 Ariadnes Identität als Schmerzgedächtnis . 188 IV Pentheus ........................................... 201 IV.1 Das Pentheus-Fragment . 201 IV.2 Die Intertexte . 204 IV.2.1 Mit Nietzsche über Nietzsche hinaus . 206 IV.2.1.1 (2 x Dionysos)² . 207 IV.2.2 Mit Bachofen gegen Bachofen: Auflösung der Geschlechterteleologie . 210 IV.2.2.1 Zyklus contra Telos: Das Mutterrecht revisited 211 IV.2.2.2 Konversion: Dionysische Einverleibung . 214 IV.2.3 Subversion: chthonisches Labyrinth und dionysisches Spiel . 217 IV.2.3.1 Das Labyrinth . 219 IV.2.3.2 Agaues Lust am Selbstverlust . 221 IV.2.4 Inversion: Pentheus der Anti-Ödipus ............. 225 IV.3 Der Fragment-Pentheus ............................ 229 Schluss . 231 Bibliographie . 239 Dank . 254 Einleitung »La poésie veut quelque chose d’énorme, de barbare et de sauvage«1 Hugo von Hofmannsthal ist dies Enorme, Barbarische und Wilde als lite- rarischer Anspruch vertraut. An der Lektüre klassischer Originale der grie- chischen und römischen Antike geschult, trägt er diese Gewalt in die eigenen Texte. Die sein Werk durchziehende Thematik mythischer Stoffe lässt Hof- mannsthals Faszination für einen irritierend archaischen und poetologisch beweglichen Mythos, und darin eine vehemente Abgrenzung vom Historis- mus, erkennbar werden. Anhand der Elektra, der Ariadne auf Naxos und des Pentheus lässt sich Hof- mannsthals Vorgehen der Figuration und Defiguration als moderne Um- deutung dieser Mythen exemplarisch zeigen.2 In der Elektra wird im Blut- opfer und gewaltsamen Sprachgestus der Mythos archaisch restituiert, um dennoch fortwährend, nicht erst im finalen mänadischen Tanz, narrativ zusammenzufallen. Auch die Ariadne auf Naxos thematisiert den Konflikt zwischen vitaler Entgrenzung und perpetuiertem Verharren im Schmerz. Der körperliche Schmerz als Träger eines individuellen Gedächtnisses wird in den Tragödien zu einer intrikaten Chiffre dieser Mythenvariationen. Der Pentheus wiederum verweist als Fragment wie kaum eine andere Adaptation Hofmannsthals auf die generierende und zugleich zerstörende Zitiertechnik seines Autors. Dem Gegenstand der Mythosrezeption wendet sich die Arbeit zu, um den Blick auf die Griechendramen Hofmannsthals mit neuer Per- spektive auszurüsten. Aus diesem Vorhaben resultieren die zwei großen 1 Denis Diderot: Œuvres esthétiques, hg. von Paul Vernière, Paris 1959, S. 260. 2 Zitate aus Elektra, Ariadne auf Naxos und Pentheus sowie anderen Schriften Hofmannsthals sind direkt im Text mit anschließender Seitenzahl in eckigen Klammern nachgewiesen. Sie folgen der Ausgabe Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden, hg. von Bernd Schoeller in Beratung mit Rudolf Hirsch, Frankfurt a.M. 1979. Zitierte Siglen: D = Dramen, mit römischer Band- und arabischer Seitenzahl, E = Erzählungen, Erfundene Gespräche und Briefe, RA = Reden und Aufsätze, mit römischer Band- und arabischer Seitenzahl. Ebenso Zitate aus: Hugo von Hofmannsthal: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe. Veranstaltet vom Freien Deutschen Hochstift, hg. von Rudolf Hirsch, Clemens Köttelwesch u.a., Frankfurt a.M. 1975ff. Zitierte Sigle: SW mit römischer Band- und arabischer Seitenzahl. 9 Bereiche der Untersuchung, die 2010 als Dissertation von der Neuphilolo- gischen Fakultät Tübingen angenommen wurde. 1. Eine dichte und intertextuell ausgerichtete Textarbeit (Kapitel II Elektra, III Ariadne auf Naxos und IV Pentheus): Das im Titel aufgenommene ›zerstö- rende Zitieren‹ beschreibt die in diesen Kapiteln offengelegte, ebenso philo- logische wie poetische Technik Hofmannsthals im Umgang mit antiken Quellen, philosophischen Vorbildern und wissenschaftlichen Intertexten. Der viel zitierte Eklektizismus Hofmannsthals wird in diesen Dramen nach- gerade zum Programm: In der gleichzeitig strengen wie variablen Form des antiken Mythos verbinden sich epigonale Reproduktion und originäre Pro- duktion. Die Kapitel II bis IV beschäftigen sich mit diesen Spuren in den Texten, sowie ihrer strategischen und wirkungsästhetischen Verwendung, um schließlich in einer Engführung der intertextuellen Relationen ein poe- tologisches Szenario herauszuarbeiten. 2. Der Mythos und dessen spezifische Erneuerung: Nicht allein thematisch, auch methodisch setzt Hofmannsthal sich mit dem Mythos als »Denken«3 auseinander. Er führt anhand des Scheiterns bestimmter Figurationen den Einbruch einer Präsenz in den (theatralen wie skripturalen) Raum der Re- präsentation vor. Dieses Spannungsverhältnis von narrativem Bann (My- thos) und einbrechender Gewalt (Numinoses) evoziert einen poetologisch auf Dauer gestellten Zirkel – Hofmannsthal wählt für seine Dramen daraus nur einen Ausschnitt: die De-/Figuration. Dieser theorieästhetische ›Über- bau‹ (Kapitel I) ordnet die Mythosrezeption Hofmannsthals als dessen Plä- doyer für die Beweglichkeit textueller Figuration und Defiguration unter methodischer Bezugnahme auf Hans Blumenbergs Arbeit am Mythos in die philosophische Mythosdebatte der Moderne ein. Die genuin mythischem Erzählen inhärenten Phänomene der Wiederholung und der Variation erscheinen, so die These dieser Arbeit, in Hofmannsthals Texten als ebenso produktive wie unhintergehbare Iteration der De-/Figu- ration. Die im Coverbild manifestierte Problematik der Darstellung zeitli- cher und dynamischer Phänomene (Iteration, Figuration und Defiguration) löst die Malerei hier über die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit: Botti- 3 Friedrich Nietzsche: Unzeitgemässe Betrachtungen IV, in: Kritische Studienausgabe, Bd. 1, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1999, S. 429–510, hier S. 485. Begrifflich diesem »Denken« nah ist der Titel des argumentativ historisch gewichtenden Bands: Gerhart von Graevenitz: Mythos. Zur Geschichte einer Denkgewohnheit, Stuttgart 1987. 10 celli stellt (1483) Boccaccios zu endloser Jagd auf seine widerspenstige Ge- liebte verurteilten Guido degli Anastagni gleich zweifach, neben- und hinter- einander, in ein und derselben Szenerie vor.4 Die Vorgängigkeit5 von Begehren, Jagd, Erlegen der Beute, deren Wieder- auferstehung und erneute Flucht soll als perpetuierte Unentrinnbarkeit, in Linearität und Zirkularität, ins Bild gebannt werden – eine Hilfkonstruktion. Solche Hilfskonstruktionen sind je ein bildender