Originalveröffentlichung in: Bruckmanns Pantheon 43 (1985), S. 144-154

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Dietrich Schubert Carl Einstein - porträtiert von Benno Elkan

»Assez des Cocktails vides de l'absolu.« rismus, über seine Emigration nach Während Thomas Mann mit Reden und Essays (Carl Einstein, 1929) (1928), bis zu seinem aktiven Kampf gegen die gegen den Faschismus arbeitete, schloß sich »... und wie sollte ich diese Kraft, Faschisten (zusammen mit seiner zweiten Frau Einstein ­ wie Ludwig Renn ­ den internatio­ die mich vernichtet, leugnen ?« Lyda Guevrekian, die als Krankenschwester nalen republikanischen Brigaden in Spanien (Albert Camus, Sisyphos) arbeitete) 1936/37 in Spanien und ­ nach dem an, die die spanische Republik gegen die Fran­ Aufenthalt im Internierungslager bei Gurs ­ co­Armee verteidigten. Er kämpfte in der be­ bis zu seinem verzweifelten Selbstmord in der rühmten Kolonne des Italieners Durruti und Der Autor des revolutionären Prosatextes »Be­ Nähe von Mont­de­Marsan im Juli des Jahres hielt nach dessen Tod im Rundfunk von Barce­ buquin«, Carl Einstein (Abb. 1), der jenen 19403. lona die Gedächtnisrede. Deshalb war Einstein Text »absoluter Prosa« (Gottfried Benn) von Als die Faschisten sich in Europa ausbreiteten, auch nach dem Sieg der Frankisten und dem 1906/07 in Franz Pfemferts Zeitschrift »Die warf Einstein der Kultur und den Intellektuel­ Vordringen der Nazi­Deutschen in Frankreich Aktion« im Jahre 1912 in mehreren Folgen len der »Moderne« in einem Text von um 1934 der Fluchtweg über die Pyrenäen versperrt. und dann als Büchlein in der Aktions­Biblio­ vor: »[...] das träumt über Südsee und Neolith Einsteins Entwicklung nach 1914, seit der Po­ thek veröffentlichte1, wurde in den Jahren vor [...] das ersann Abänderung des Traums und lemik gegen Stefan George (»Die Verkündi­ und nach dem Ersten Weltkrieg als Dichter des Raums und ergreiste in eine Moderne, die gung« 1911), seit dem Aufsatz »Totalität« und Kunstschriftsteller eine der zentralen Ge­ sinnlos sein wollte, nur sich selbst bedeuten sol­ (1914, in: Die Aktion), seit dem Erleben des stalten im geistig­kulturellen Leben in Berlin le wie reine Idee, während Straße und Buden Weltkrieges, der Herausgabe des Buches »Ne­ und in der Wechselspannung zwischen Berlin klagten und die Jugend nach dem Sinn ihres gerplastik« (1915), das ihn über »Bebuquin« und Paris. verrinnenden Lebens antwortlos fragte. einem breiteren Publikum schlagartig bekannt Die von Friedrich Nietzsches Frühschriften Da war eine große Idee: die Gemeinschaft, machte (von Ernst Bloch besprochen in: Argo­ (»Unzeitgemäße Betrachtungen«), der »Fröh­ aber niemand wußte, wie sie organisieren. nauten, 2. Jg, 1915, S. 10­20), sein Aufenthalt lichen Wissenschaft«, dem »Ecce Homo« und [...]« (»Wir treiben eine Politik des Todes«)4 nach April 1916 bei der Zivilverwaltung des anderen zur Idee einer neuen Kultur inspirier­ Hier sprach Carl Einstein jene expressioni­ General­Gouvernements in Brüssel und die ten geistigen Arbeiter nahmen in ihrem Den­ stisch­sozialistische Idee der »neuen Gemein­ dortigen Kontakte zu Flake, zu Hausenstein, ken und Schaffen eine Gemeinschaft vorweg, schaft« an, die um 1919/20 das Ziel zum Bei­ Benn (den er bereits aus Berlin kannte), zu die diejenige alte des wilhelminischen Unterta­ spiel des Berliner Arbeitsrates für Kunst (um Paul Westheim, Kasack, zu Thea und Carl nen und der historistisch gesonnenen »Phili­ Bruno Taut und Walter Gropius) war, die die Sternheim7, sodann Einsteins Rolle im soziali­ ster« verwarf. sozialistischen Expressionisten wie Ernst Tol­ stischen Soldaten­Rat Brüssel während der Heinrich Manns Essay »Geist und Tat«2 von ler (»Die Wandlung«, 1919 uraufgeführt) oder Novemberrevolution, sein späterer Aufstieg 1910 wirkte zentral, ebenso verschiedene ex­ Ludwig Rubiner zu Dramen oder ekstatischen zum bedeutenden Kritiker, Mitarbeiter der pressionistische Zeitschriften wie »Die Ak­ Hymnen inspirierte: »Die Gemeinschaft ­ Do­ »Pleite« (hg. v. W. Herzfelde, Idee von Ein­ tion« (seit Februar 1911) oder die des Lyrikers kumente der geistigen Weltwende« (Potsdam stein) und zum Herausgeber des »Blutigen Ernst Blass, an der unter anderem Bloch, Sche­ 1920), eine Textsammlung, die Rubiner 1919 Ernst« 1919 (zusammen mit George Grosz) ­ ler, Benjamin, Musil, Burschell, Franz Jung vor seinem frühen Tod besorgte und die Stim­ dies kann hier alles nicht dargestellt werden. und Radbruch mitarbeiteten, »Die Argonau­ men von Marat, Marx, Barbusse, Wilhelm Im Juli 1921 veröffentlichte Einstein das Stück ten« (1914/15, Heidelberg) mögen als Beispiele Herzog, Jouve, Guilbeaux, Tolstoi, Kropot­ »Die Schlimme Botschaft«, das ihm einen Got­ für jene Tendenzen stehen. Freilich kam die kin, Leonhard Frank, Gustav Landauer, Ge­ teslästerungs­Prozeß nach § 166 einbrachte8. Stunde der Verwirklichung dieser neuen Ge­ org Kaiser, Hedwig Lachmann und anderer Diese zwanzig Passionsszenen gegen den sellschaft und des »neuen Menschen« (also der vereinte5. Auch Carl Einstein war in dieser Krieg gehen auf ein Kriegserlebnis zurück, das Vision der Erneuerung des Menschen, wie sie zweiten Textsammlung (neben »Kameraden Nico Rost überlieferte ­ bei dem Einstein vor 1918 G. Kaiser kennzeichnete) erst aus dem der Menschheit«) mit dem Aufsatz »Zur pri­ Verdun einem verstörten Kaplan begegnete, Grauen des Völkermordens nach 1914, aus der mitiven Kunst« vertreten. den das sinnlose Kriegssterben verwirrt hatte. pazifistischen Bewegung nach 1916 und mit Die große Idee der humanen europäischen Ge­ Einstein erfuhr während dieser Begegnung die den Jahren 1918/19, also der Novemberrevolu­ meinschaft, die Einstein 1934 rückblickend an­ Vision des wiederkehrenden Christus: »Mei­ tion und der Hoffnung auf eine sozialistische sprach, wird der Leser nicht verwechseln mit ner Ansicht nach würde er heute (genau so wie Demokratie; sie wurde aber durch das Bündnis der faschistischen Gemeinschafts­Vorstellung damals) ermordet. Ich habe Christus nicht lä­ der Ebert­Regierung mit den kaiserlichen Be­ und Gemeinschafts­Diktatur und deren völki­ cherlich gemacht, sondern gezeigt, daß er an amten und den Generälen Wilhelms II. wieder schen und nationalistischen Inhalten (die Mord der heutigen Gesellschaft zugrundegehen müß­ vereitelt und durch den erstarkenden Faschis­ und Krieg implizierten), die Thomas Mann da­ te, weil wir uns zwar oft als Christen bezeich­ mus und Nazismus endgültig ausgelöscht. ­ zu brachten, in dem Essay »Vom kommenden nen, aber bestimmt keine Christen sind.«'' Auch Einsteins Schicksal ist eng mit diesen Sieg der Demokratie« (1938) darzustellen, daß Entwicklungen verbunden, hoffte er doch als die Begriffe Sozialismus und Nationalismus guter Europäer auf eine Versöhnung der Na­ unvereinbar sind und folglich der Terminus 1 Benno Elkan Der Dichter Carl Einstein, 1913/14; tionen und auf Frieden: über seinen Abscheu »Nationalsozialismus« eine schlimme Wort­ Bronze, Höhe 30,5 cm. 6 vor dem deutschen Nationalismus und Milita­ lüge bedeutet . , Museum am Ostwall CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN 146 CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN

Schon im Jahre 1922 erhielt Einstein den Auf­ die Einordnung der isolierten Erlebnisse in kol­ arbeitete an »meinem Roman. Er erscheint zu­ trag für das umfassende Buch »Die Kunst des lektiv gültige Zeichen; erst in Amerika. Ich hoffe auch meine Aesthe­ 20. Jahrhunderts« innerhalb der Reihe der 3. die Identifikation mit einer neuen Gestalt, tik d. h. eben einzelne Beiträge [...]« (Brief an Propyläen­Kunstgeschichte; er berichtet um also die metamorphotische Kraft. Ewald Wasmuth)17 Neujahr 1923 an Tony Simon­Wolfskehl, die [...] Kandinsky glaubte, es genüge, diese Welt Mit letzterem war der Band »Reflexions« ge­ er bei Benno Elkan in kennengelernt asketisch zu verwerfen und statt dessen lyrische meint, der in Paris und New York erscheinen hatte, von seiner Lektüre der Briefe von Franz Ornamente aufzuzeichnen.« (1931, S. 211) sollte, aber heute nicht mehr zu ermitteln ist: Marc aus dem Kriege, die er für jenes Buch­ Für die Arbeiten an der Propyläen­Kunstge­ »[...] mein buch erscheint nächsten monat etc. projekt las10. schichte führte Einstein zahlreiche Atelierbe­ aber ich sitze an einem roman; ich will den ge­ In dieser Zeit besuchte Einstein auch Max suche durch als auch einen Briefwechsel, von gen alle krise durchdruecken. was Sie mir von Beckmann in Frankfurt und andere Künstler in dem freilich nur mehr Fragmente erhalten Heidegger schreiben, ueberrascht micht nicht, ihren Ateliers, korrespondierte mit Paul Klee, sind14, das heißt, diese Briefe von und an Ein­ nachdem ich in sein leeres wesen vom gründe Ernst Ludwig Kirchner und anderen, erhielt stein sind noch nicht systematisch gesucht hineingeschaut habe [...]« (24. September auf Anfrage Briefe von den in Paris lebenden worden. ­ Trotz mancher Polemik und man­ 1932 an E. Wasmuth). Einstein arbeitete ferner Malern und Plastikern mit Informationen über cher Abwertung als »Dekoration« ­ zum Bei­ an der größeren Dichtung »Entwurf einer ihre Arbeiten für seine »Kunst des 20. Jahr­ spiel die Geringschätzung von Constantin Landschaft« (erschienen Paris 1930) und an hunderts«. Die französischen Maler Henri Brancusi ­ stellte seine »Kunst des 20. Jahr­ dem Prosawerk »Laurenz ­ oder Schweissfuss Matisse, Georges Braque und Pablo Picasso hunderts« ein Standardwerk dar und wird die­ klagt gegen Pfurz in trueber Nacht« (erschie­ kannte er bereits aus den Jahren vor dem Er­ sen Rang wiedergewinnen, nicht zuletzt wegen nen in der Zeitschrift »Front«, Den Haag, sten Weltkrieg, ebenso Moise Kisling und der Einleitung, wegen der Kubismus­Theorie l.Jg, no. 1, Dezember 1930, S. 53­61; zuletzt Andre Derain. (S.57f. der dritten Auflage, 1931), des Pi­ nach dem vollständigen Manuskript von Wal­ In einzelnen Aufsätzen schrieb Einstein neben casso­Kapitels (S. 74 f.) oder wegen der Diffe­ ter Huder veröffentlicht)18. der Arbeit für die Propyläen­Kunstgeschichte renzierung zwischen Kandinsky und Klee An den Freund Wasmuth schreibt Einstein aus (seine »Kg«) über Moise Kisling, Rudolf (S. 200 f.). Paris: »Im ganzen bin ich in Paris zufrieden Schlichter, über Otto Dix11, über »Afrikani­ D. H. Kahnweiler, Einsteins Dialogpartner in [...] ich höre zu wenig Deutsch, das ist traurig. sche Plastik« (1921 in der Reihe Orbis Pictus, Paris, schrieb ihm im April 1926 (nach Er­ Unsere Heimat ist die Sprache [...] hg. v. Paul Westheim, Bd 7), den frühen japa­ scheinen der ersten Auflage) über diese »Kunst Neues: die Zeitschrift macht sich [Documents] nischen Holzschnitt (Orbis Pictus, Bd 16) und des 20. Jahrhunderts«: [...] ich führe ein so unpersönliches Leben, so seit 1925 auch über Georges Rouault. Im Jahre »[...] und ich will Ihnen sofort sagen, wie mir entfernt von mir ­ dass ich kaum etwas zu sa­ 1925 gibt er zusammen mit Paul Westheim den dieses schöne, klare und mutige Werk gefällt. gen habe. Sie oder Benn sind so glücklich in der »Europa­Almanach« heraus (jetzt als Reprint, Sie haben damit absolut Endgültiges über die Identität mit sich zu leben [...]« (29. Januar Leipzig 1984). El Lissitzky, der im Almanach Kunst unserer Zeit geschrieben. Ich beglück­ 1929) gut vertreten war, rühmte das Buch schon im wünsche Sie von Herzen zu diesem Buche. Es Im März 1931 schreibt er an Wasmuth, daß er Dezember 1924 gegenüber Sophie Küppers: tut wohl, es zu lesen nach all dem mäßigen Ge­ — »abgesehen von Benn« ­ die deutsche Haupt­ »Beschaffe Dir >Europa<. Es ist ein charakteri­ schwätze [...]« (vgl. S. Penkert S. 107) stadt trostlos finde, »eine erstaunliches, stisches Dokument dieses Anti­Deutschland­ Das Buch erlebte in wenigen Jahren drei Auf­ geistiges Spiessertum«. Einstein hatte eine Reise überalles [.. .]«'2 lagen (!), während es nach 1949 in der Kunst­ nach Deutschland unternommen und in Berlin Bereits vor dem Erscheinen seines umfassen­ historie der Bundesrepublik weitgehend igno­ an der Kunstbibliothek im Februar 1931 einen den Buches über die Moderne sollte Einstein riert wurde. Dies lag ohne Zweifel an Einsteins Vortrag über »Probleme heutiger Malerei: als Lehrer für Kunstgeschichte an das Bauhaus Weltanschauung, an seinem Antifaschismus, neue Strömungen« gehalten19. in Weimar berufen werden, lehnte aber ab; er an seinen sozialistischen und pazifistischen Po­ Außerdem plante er eine Veröffentlichung weilte mit Tony Simon im Juli 1923 in Weimar sitionen und der Hinwendung des späten Ein­ über die Kunst der Frühantike und schrieb an und sprach unter anderem mit Paul Klee, Wal­ stein zu einer ausgewogenen Realismus­Posi­ dem Manuskript »Antike und Moderne« (Ber­ ter Gropius, Wassily Kandinsky und Oskar tion beziehungsweise Menschendarstellung13 lin, Nachlaß, Akademie der Künste, von Schlemmer. und der nach 1930 geübten radikalen Kritik an S. Penkert in »Existenz und Ästhetik« 1970 Im Unterschied zu Klee schätzte Einstein die den Surrealisten und den Gegenstandslosen, in veröffentlicht). In einem Brief von Januar 1928 gegenstandslose Malerei Kandinskys wegen welchen er sozial isolierte, subjektiv überzüch­ an Corsmann schreibt Einstein: ihrer Gestaltlosigkeit weniger; die Differenz, tete Realitätsflucht und eine »Fabrikation von »Ich beabsichtige in einem grösseren Essay un­ die er zwischen Klee und Kandinsky erkannte, Fiktionen« sah. So lautet denn auch der Titel ser Verhältnis zur Antike zu revidieren [...] ist in seiner »Kg« expliziert13. eines größeren Nachlaß­Textes, der zwischen will ich versuchen darzustellen, wie unsere Be­ Einstein vermißte bei Kandinsky den Willen 1930 und 1932 und dem spanischen Bürger­ ziehungen variieren im Vergleich zu denen des zum »Neubilden eines konkret Wirklichen« krieg verfaßt wurde (im Jahre 1973 erstmals Klassizismus.« (nennt den späten Hölderlin, und zum bildnerischen Umbau des Wirkli­ von Sibylle Penkert veröffentlicht)16. Nietzsches »Geburt«, Rohdes »Psyche«) chen. Wir zitieren der Wichtigkeit halber die Die Propyläen­Kunstgeschichte hatte ihre »[...] weiterhin kommt in Betracht die neue drei Punkte, die Einstein im Klee­Kapitel fest­ zweite Auflage 1928. In dem Jahr siedelte Ein­ Interpretation der Antike durch Künstler wie stellte: »Zum bildnerischen Umbau erscheinen stein (nach Trennung von der Gräfin Aga von Böcklin, Maries, Hildebrand, Maillol, Hodler. uns drei Kräfte notwendig: Hagen) endgültig nach Paris über, da ihm das Ich möchte [...] verfolgen, wie man unter dem 1. das mediale Niederschreiben, d. h. unge­ Klima des wachsenden Nationalismus und Mi­ Einfluß der Gegenwart Historie bildete und hemmtes Nachgeben gegenüber noch nicht an­ litarismus bedrohlich wurde. In Paris schrieb noch schafft. Es kommen selbstverständlich die gepaßten seelischen Prozessen, also Technik des er ab 1926 für die Zeitschrift »Transition« und neuen Funde — unsere bevorzugten Beziehun­ Trance; ab 1929 für die von ihm mit Georges Bataille, gen zu frühen elementaren Zeiten [...]« (un­ 2. die tektonischen Kräfte, d. h. die Kontrolle Georges Wildenstein und G.­H. Riviere be­ publizierter Brief, Nachlaß, Berlin, Akademie und Bewußtseinsmachung der Visionen und gründete Zeitschrift »Documents«; Einstein der Künste) CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN 147

Welches Gewicht Einsteins »Kg« besaß (die matischen Position dessen, was Kunst bedeu­ cher Mann mit großer Hornbrille unter der dritte Auflage 1931), geht auch komplementär tet und über den gestaltenden Menschen als Tür und sagte [...]: >Ich verkehre so gern mit aus Reaktionen der Gegenseite hervor: Der schöpferischen aussagt, als auch wie Kunsthi­ Mördern. Das sind so angenehme Menschen.< Nazi­Architekt Paul Troost erläuterte Hitler/ storie betrieben werden sollte. Schon in einem Dann kam er an unseren Tisch [...] Er hieß Goebbels 1933 anhand dieses Werkes das mar­ Nachlaßtext lesen wir von der Forderung, Karl Einstein und bereitete gerade für Wolffl xistische und jüdische Element in der Kunst über eine bloße »Geologie« und »Morpholo­ Leipzig, ein aufsehenerregendes Werk vor, das der »Moderne«20. Die Anti­Schrift wurde gie« der Kunst hinauszugehen, um die wesent­ Epoche machen sollte. Titel schlicht und ein­ dann von Bruno Kroll verfaßt: Deutsche Male­ licheren Fragen, »das eigentlich Geschichtli­ fach: >Negerplastik< [...] Mit uns saß noch Van rei der Gegenwart, Berlin 1937. che« aufzuspüren, ­ nämlich »warum und aus Hoddis, der Dichter [...]«26 Als Einstein 1916 Einsteins letztes, bedeutendes Buch erschien welchen Gründen Menschen gerade so bildeten ans Generalgouvernement Brüssel abkomman­ bislang nicht auf deutsch; es ist das in der oder malten [und nicht anders], welchen Sinn diert wurde, lernte er ­ wohl durch Gottfried »Edition des Chroniques du Jour« 1934 publi­ solches Tun für sie enthielt. «23 Benn, den er ja aus Berlin und dem Kreis um zierte Werk »Georges Braque« (und bei E. Und im Braque­Typoskript lesen wir: Franz Blei und von den »Aktionsabenden« Weyhe in New York; das deutsche Typoskript »Aufgabe der Kunstgeschichte scheint uns zu kannte ­ das Ehepaar Thea und Carl Sternheim im Nachlaß der Berliner Akademie der Kün­ sein, über eine pure Historie der Bilder hinaus kennen. Das Tagebuch der Thea Sternheim ist ste). Außer dem Braque­Aufsatz in »Docu­ die Bedingungen zu untersuchen, woraus die von S. Penkert ausgewertet worden: ments« (no. 6), 1929, erschienen noch (in Kunstwerke wachsen. Darum verurteilen wir »BrüsselHotel Britannique, 13. 4.1916 deutsch) ein Vorwort zur Braque­Ausstellung die Kunstgeschichte als Historie der Selbstbe­ Am Morgen sucht uns Carl Einstein auf, der im der Kunsthalle Basel im April/Mai 1933 und wegung der Formen und Stile und lehnen sol­ Gouvernement der Colonialverwaltung zuge­ ein Beitrag des Titels »Braque der Dichter« in ches ästhetisierende Verabsolutieren ab. teilt ist. Badenser. Mit Blei befreundet. Trägt »Cahiers d'Art« (Bd 7/8,1932/33, S. 80­82). Wenn die heutige Kunst der gegebenen ge­ eine große schwarz umränderte Brille. Sympa­ »Nun befragte Braque: wie wird Raum zur schichtlichen Situation und der Umbildung des thisch. Freimütig. Mit Einstein gefrühstückt. aktuellen Projektion, zum unmittelbaren Zei­ Menschen und seiner Struktur dienen soll, so Die Kinder entdecken mit dem neuen Bekann­ chen unseres Handelns. Damit ruhte jener kann die aktuelle Kunst nur subversiv gedich­ ten gemeinsame Interessen. Er war in Afrika. nicht mehr als regelhafte, gesicherte Vorausset­ tet sein: es gilt nicht dieser Zeit zu verhaften Erzählt von Ägypten und dem Kongo. Nach­ zung, sondern atmete als Mitte des Erfindens. und Krisen abzuschwächen, sondern im Ab­ mittags nimmt er sie beide zum Colonialamt Die Gestalt aber lebte als Aktionsfeld und sturz der Epoche ihr Katastrophenhaftes mit­ mit, ihnen die Bibliothek zu zeigen. Carl und Durchgang des menschlichen Tuns; damit war zuteilen.«2* ich essen auch abends mit Einstein bei Strobbe der Aberglaube an stabile Objekte beendet. Ohne Zweifel fassen wir hier Berührungs­ (Restaurant in Brüssel), der selig zu sein Man verspürte, daß seelische Abläufe nicht ge­ punkte zwischen Einstein und Walter Benja­ scheint, über literarische Belange plaudern zu gebenen Sachzusammenhängen entsprechen. min. Diese Aspekte können hier nur gestreift können.« Die Bildkörper werden nun gemäss dem seeli­ sein; es kann auch nicht eine Skizze der Rezep­ Wie S. Penkert betonte27, spielte bereits da­ schen Ablauf gebaut [...]« (Braque, deutsch, tion Einsteins in den letzten zehn Jahren vor­ mals die Gräfin Aga von Hagen, die Freundin Einleitung) gelegt werden25. Die Gesamtausgabe seiner Benns, eine integrierende Rolle. Einstein lebte In diesem Braque­Buch operierte Einstein mit Schriften, die Rolf­Peter Baacke begann, geht später in Berlin bis zu seinem Umzug nach Pa­ den Begriffen des Halluzinativen und der »hal­ weiter (Bd3, 1929­1940, ist angekündigt), ris mit Gräfin Hagen zusammen, wollte sich luzinativen Schicht«, die im Prozeß des künst­ auch wenn es Schwierigkeiten zwischen den aber 1923 wegen Tony Simon­Wolfskehl in lerischen Sehens und der Gestaltung vermitteln Bänden hinsichtlich der Rechte und hinsicht­ Frankfurt von jener trennen, mit Tony zusam­ zwischen Gesehenem und Gedachtem, die zu lich der Koordinierung der Interessen der Ein­ menleben und diese heiraten (vgl. das Tage­ einer Gestalt­Findung verhelfen, die Sehen, stein­Forscher zu geben scheint. Für Novem­ buch von Tony Simon). Bildnisse der Gräfin Denken und Empfinden (Fühlen) amalgamie­ ber 1985 bereitet die Berliner Akademie der Hagen kennen wir von der Hand Beckmanns: ren können (vgl. bereits »Totalität« von 1914): Künste, Professor Walter Huder, ein Kollo­ das Gemälde von Juni 1908 (heute Dresden, »Dass es uns notwendig erscheint, zwischen die quium zu Einstein vor. Neue Meister), die schöne Kreidezeichnung Typenschichten des Bewussten und Unbewuss­ von 1915, in Straßburg entstanden, aus der ten eine Halluzinative Schicht einzubauen, die Der 100. Geburtstag Einsteins, der am Sammlung Piper28. gleicherweise die groben Typisierungen von 26. April 1885 in Neuwied geboren wurde, In ihrem Tagebuch schilderte Thea Sternheim Wirklich und Unwirklich überbrückt [...] gibt uns Anlaß, einen bescheidenen Beitrag auch am 14. April 1916 den Dichter und Charakteristisch für die Halluzination ist, daß insbesondere zu seiner Darstellung im Bildnis/ Kunstschriftsteller: »Abendessen im Hotel mit sie an konkrete Gestalt­Vorstellungen gebun­ Porträt zu liefern; es soll also hier primär das Einstein. ­ Einstein, sehr pazifistisch, erzählt den ist, und damit der mystischen Auflösung in weitgehend unbekannte Einstein­Bildnis von von den schrecklichen Eindrücken der ersten das Nichts völlig entgegengesetzt ist.«21 Benno Elkan vorgestellt werden (Abb. 1­4, 9, Kriegszeit, die er als Soldat in Belgien und Die halluzinative Schicht vermittelt also im 10), um so im Jubiläumsjahr des Geburtstages Frankreich verbrachte [...]« (S. Penkert, S. 97) Schaffen zwischen dem Konkreten und dem an den Dichter, Kritiker, Kunsttheoretiker Anfang des Jahres 1916 muß Einstein ­ wie Imaginativen; eine Ausschaltung der Rückbin­ und Spanienkämpfer zu erinnern. sich N. Rost erinnerte ­ bei Verdun gekämpft dung an das Wirkliche wird abgelehnt; Gegen­ Es gibt nur wenige Bildnisse Einsteins, einige haben, denn jene Christus­Vision, die der standslosigkeit wäre »Auflösung in Nichts«, in der Graphik, aber als Bronzeplastik ledig­ »Schlimmen Botschaft« zugrundeliegt, bezog »Zeichen von Entleerung«, »Nihilismus«12. lich die Arbeit Elkans von 1913/14. Ferner gibt sich auf die Begegnung mit einem verrückten »Die Formen werden in Energiefelder gestaut, es wenige Charakterisierungen Einsteins von Kaplan ­ »in unserem Schützengraben irgend­ eine Kadenz der Auren blitzt. Über alles Moti­ Augenzeugen, auch auffallend wenige Photo­ wo in der Nähe von Verdun«.29 vische hinaus beginnt zögernd ein Psycho­ graphien. Es wird im Kontext verständlich, wieso Ein­ gramm [...], das genuin das Bild durchwächst, Als Fritz Max Cahen im November 1912 in stein dann 1923 in den Briefen an Tony Simon die Fläche berätselt.« (Braque, deutsch, S. 162) Paris im Cafe du Dome saß, wie er später sich bei der Lektüre der Briefe von Franz Marc (aus Einstein arbeitete zugleich an einer program­ erinnerte, »stand plötzlich ein kleiner rundli­ dem Felde) zur Vorbereitung seines Marc­Ka­ 148 CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN

1923 abgeliefert werden sollte, für neue Prosa mit Bildern von Gris, der Plan eines Buches über Fernand Leger und eines über Paul Klee (nicht ausgeführt) füllte Einstein in dieser Zeit weitgehend aus: » Wie ich die Verträge alle halten soll, weißt nur Du Tony. Das hängt eigentlich von Dir ab ­ Dich braucht C E dazu. Deine gute junge Fri­ sche, comprends­tuf [...] Wollen den Sommer in Weimar sitzen und arbeiten [.. .]«31 Im Juli 1923 fuhren Tony Simon und Einstein dann nach Weimar; der Autor wollte auch mit den Bauhaus­Künstlern wegen der Texte für die Propyläen­Kunstgeschichte sprechen. Das * Tagebuch von Tony berichtet über die span­ nungsreiche Beziehung und den geistigen Aus­ tausch zwischen ihnen und gibt Aufschluß über Einsteins Kontakte (nach S.Penkert, S. 99): »Die Zeit die folgte war wundervoll [...] es existierte niemand mehr für mich außer Ein­ stein. Er wußte mir begreiflich zu machen, daß das Leben überhaupt nur noch einen Sinn für ihn haben könne, wenn er mit mir zusammen es zu Ende leben könne. Wir hatten herrliche Tage. Mit Kandinsky's, Klee's und Gropius. Es machte mir Freude zu sehen, wie sich alle sei­ nem überragenden Geist unterordnen mußten [...] Wir verabredeten, daß wir im Frühjahr heiraten wollten. Eine unerklärliche Angst hat­ te er vor meinem Vater, die nicht nur daher rühren konnte, daß er arm ist.« (Tony Simon­ Wolfskehl war die Tochter eines Frankfurter Bankiers.) Carl Einstein und Tony Simon hatten sich um den 22. Dezember 1922 in Frankfurt/M. im Atelier von Benno Elkan kennengelernt32. El­ kan war der Mann von Einsteins Schwester; aber ein Plastiker, der nicht zu den führenden Kräften in der Bildnerei wie Aristide Maillol, George Minne, Wilhelm Lehmbruck, Ernst Barlach oder Ernesto de Fiori gehörte. Dies 2 Benno Elkan, Carl Einstein, siehe Abb. 1 geht beispielsweise auch daraus hervor, daß Elkan im Jahr 1912 mit keinem Werk auf der großen Ausstellung des »Westdeutschen Son­ pitels in der Propyläen­Kunstgeschichte Zeit sich aufzuhängen. Diese Leute sind doch derbundes« in Köln vertreten war. schreiben konnte: intellektuelle Capaune [.. .]«30 Aber es lag natürlich nahe, daß der Frankfurter »Nur daß er die Dinge von einer meditativen Hier und in den folgenden Passagen des Brie­ Plastiker den berüchtigten Dichter, Kritiker Munitionskolonne aus sieht und so gar nicht fes an Tony, die sich auf seinen Vorkriegser­ und Bohemien, der Einstein vor 1914 war, weiß, was eigentlich los war. Zu sonderbar wie folg »Bebuquin«, eine Art Selbstbildnis, bezie­ porträtierte. Die Bronze entstand bald nach bei all den Menschen rasch die Literatur ein­ hen, sprach ein durch Kriegserlebnis, Revolu­ der Publikation der verdeckten Selbstdarstel­ setzt ­ bei Marc so etwas wie Kandinskysche tion und schwerer Enttäuschung von der deut­ lung »Bebuquin« als Buch. Das Porträt wurde Mystik — sie im Metier bleiben und so wenig schen Nachkriegssituation gewandelter Ein­ in der Zeitschrift »Kunst für Alle« vom Dich­ sehen; dafür dauernd die literarische Parafrase stein, der in einer Krise war: darum »lasse ich ter Ernst Blass in einem Aufsatz über Elkan [...] Die Deutschen sind eben von Metaphysik die alten Bücher nicht mehr erscheinen [...] vorgestellt33. Es ist nicht mehr zu sagen, wie­ pervertiert; Monstres an geistigem Schwindel. darum verachte ich so die Kritik und meine Le­ viele Güsse angefertigt wurden. Außer dem Und nichts ist so platt wie diese innerliche Tiefe ser [...] darum sprich nicht mehr vom Bebu­ Dortmunder Exemplar ist bislang kein weite­ [...] Von den Marc­Briefen ist mir etwas übel quin [...] Vor dem Krieg war die Sache durch­ rer Guß bekannt geworden. Das Exemplar im [...] Am Krieg sind der Herr Leutnant Marc zusetzen. Aber jetzt ist es hoffnungslos [...] Dortmunder Museum am Ostwall (Abb. 1­4, mit Knie­ und Ellbogenwarmer vorbeigelau­ [aber] man lebt eben vom Selbstmord.« 9, 10), das wir hier behandeln, Bronze grün pa­ fen: stattdessen Weltanschauung mit Vollbart Seine »Negerplastik« bei Kurt Wolff hatte tiniert, hat eine Höhe von 30,5 cm und eine und Astrologie. Das spürt man auch etwas in 1920 die zweite Auflage bekommen. Die Ar­ Breite von 21 cm (ohne Signatur oder Gieße­ Weimar [...] Wenn ich mal dahin käme ­ ist es beit für seine »Kg«, deren erster Teil bis Mai reistempel). Es wurde zusammen mit anderen CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN 149

plastischen Bildnissen wie dem des Kunst­ händlers Alfred Flechtheim von 1912 (Abb. 5) und mit 52 Zeichnungen Elkans (aus der Zeit zwischen 1897 und 1908, also vor dem Rom­ Aufenthalt) im November 1961 auf einer Auk­ tin bei Christie's, , für Dortmund er­ worben34. Innerhalb der spärlichen Einstein­Bildnis­Iko­ nographie nimmt der Bronzekopf von Elkan einen hohen Rang ein. Auf andere Bildnisse Einsteins von der Hand Max Oppenheimers oder Ludwig Meidners (Abb. 11, 12), wird am Ende dieses Beitrages kurz einzugehen sein. Es ist hier nicht der Raum, das Schaffen und die Werkentwicklung von Benno Elkan zu skizzieren; es überwiegen figürliche Grabmä­ ler und Porträts sowie Medaillen in Bronze. Im Jahre 1920 errichtete die Stadt Frankfurt den Toten des Ersten Weltkrieges ein Trauer­ mal mit einer bereits 1913/14 von Elkan gemei­ ßelten Granitfigur eines kauernden Frauen­ aktes. Diese Gestalt entstand vor dem Kriege unter dem Titel Heldenklage, war im Juni 1914 in Köln auf der Werkbund­Ausstellung zu se­ hen und wurde von E. Blass im zitierten Bei­ trag publiziert (Abb. 6); im Jahre 1920 kam sie mit gewandelter Funktion und dem neuen Ti­ tel Den Opfern für das Gedenken der Gefalle­ nen Frankfurts zur öffentlichen Aufstellung. Die Nazis entfernten das Denkmal 1933 ­ El­ kan wurde wegen seiner jüdischen Abstam­ mung als »Entarteter« verfemt; die Neuauf­ stellung erfolgte 194535. Bereits problematisch war Elkans vier Meter hohe Granitfigur Erwa­ chen als Denkmal der Befreiung der Rheinlan­ de 1930 in errichtet (Weihe durch Hin­ denburg am 21. Juli 1930); es stand der Auffas­ sung der Deutschnationalen nahe, wurde aber ebenfalls 1933 entfernt und zerstört. Die Darstellung Einsteins in der Bronze von 1913/14 ist ganz auf den Kopf mit den leicht abstehenden Ohren konzentriert; es erfolgt eine möglichst weitgehende Entkleidung von 3 Benno Elkan, Carl Einstein, siehe Abb. 1 naturalistischen Details, die den physiognomi­ schen Ausdruck maskieren könnten: so ist kein Schulteransatz (mit Kleidung) modelliert, satz von Ernst Blass verwendet wurde (Abb. 7), Leicht untersichtige Photos (Abb. 1­3) zeigen, auf die Brille Einsteins ist verzichtet. Hier suggerieren dem Betrachter eine neuklassische daß die Bronze in den vertieften Augenschlit­ wird einmal mehr deutlich ­ abgesehen von El­ Tendenz der Zusammenfassung der Naturfor­ zen geschlossen ist. Läßt man zudem das na­ kans deutsch­römischer Stiltendenz ­ daß sich men des Kopfes zu größeren Partien (wie in türliche Licht auf der Oberfläche der Bronze gattungsspezifisch die Skulptur/Plastik nicht der griechischen Plastik) und durch den leich­ ohne Einwirkung von Kunstlicht spielen, so mit dem Ambiente befassen, sondern daß sie ten Aufblick von oben gänzlich verschattete ergibt sich eine weitgehend andere Wirkung sich nur auf den Kern des Sujets konzentrieren Augen. Dies erinnert an ägyptische Masken, des Bildnisses als in den älteren Aufnahmen: kann. die Elkan kannte, und aus der Neuzeit an den nämlich die maskenhafte Reglosigkeit weicht! Im plastischen Bildnis ist dies nach Auguste Kopf von Max Klingers Skulptur Neue Salome ­ Der Ausdruck eines quasi verinnerlichten, Rodin durch die Köpfe von der Hand Adolf von 1894 (Leipzig, Museum der bildenden weitabgewandten Weisen verschwindet zu­ von Hildebrands, dann besonders von Aristide Künste; Abb. 8). gunsten der Lebendigkeit der bewegten Bron­ Maillol (zum Beispiel der Kopf Madame Bereits jüngere photographische Aufnahmen ze, des die Bronze bewegenden Lichtes (Refle­ Denis) und von Wilhelm Lehmbruck (Bildnisse verändern die Wirkung des Kopfes und insbe­ xe)37, das den Habitus des Antlitzes und somit Frau und Herr Falk, Mannheim, Städtische sondere der Augenpartie entscheidend; denn die ganze Ausdruckswirkung verändert. Wir Kunsthalle; Fritz von Unruh, 1918, Duisburg, es muß beachtet werden, daß Elkan nicht­wie sehen in den jüngeren Photographien nicht 36 Wilhelm­Lehmbruck­Museum) demonstriert die alte Aufnahme suggerierte ­ den Hohlraum einen gleichsam in die Meditation entrückten worden. innerhalb der Bronze bis in die Augen fort­ Einstein, sondern erkennen den nervös­unru­ Alte Photographien, wie die, die 1914 im Auf­ führte. higen, zergrübelten und schöpferischen 150 CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN

Selbstabtötung und Selbstmord bereits ge­ barg Einstein in einer äußerlich forcierten und danklich einzuschließen scheint. Das Changie­ wirkenden Arroganz; so formulierte es einmal ren zwischen Ausdruck von Skepsis, geistigem Hugo Ball: »arrogant zu sein wie Einstein«^. Blitzen, Bitterkeit und Trauer über das »Ver­ Doch dahinter, wie maskiert beziehungsweise gebliche« macht die Qualität der Plastik El­ wie gefroren in der Maske des vorderen Ge­ •1 kans aus. sichts (in Spannung zum zweiten inneren Ge­ Vielleicht wird darin für den Einstein­Kundi­ sicht) lag Einsteins Zerrissenheit zwischen * • ^äP* gen etwas anschaulich, das den Dichter immer Hoffen und Verzweifeln. Nach Nietzsches ^^T^^Ä' stark beschäftigte von den ersten Skizzen zum Konstatierung des »Nihilismus« des modernen »Bebuquin« 1906 bis um 1923 (Brief an Kahn­ Menschen, nach seiner Feststellung »Gott ist weiler) und besonders auch in Fragmenten sei­ tot« (in der »Fröhlichen Wissenschaft«) lebt ner Prosa um 1927/28: die sprachliche Erfas­ der moderne Künstler in einem tiefen Bruch, sung (wie es seines Erachtens die Kubisten ma­ den Einstein so kennzeichnete: lerisch versuchten) von »Erlebnis« und »Emp­ 0tt ff , ist der unendliche Bruch findung« ­ jenseits eines Bergsonschen Zeit­ Mensch verlaufes (duree), nämlich vielmehr im Sinne [...] hierzu Gesetze der Symbolik schaffen! des Ansatzes von Ernst Mach (auf dessen Ana­ Aber losgelöst vom Religiösen« (Nachlaß, lyse der Empfindungen sich Einstein bezog), S.PenkertS. 71) das heißt die Verschmelzung von Subjekt­Ob­ Was Einstein gestalterisch suchte, waren jekt in der erlebten Simultaneität der Empfin­ künstlerische Äquivalente für die Simultaneität 4 Benno Elkan, Carl Einstein, siehe Abb. 1 dung (die die Zeit­Raum­Kontinuität und ihre der individuellen Empfindungen im »Erleb­ Kausalitäten auflöst! ­ und die physikalischen nis«, also in der momentanen Auflösung (Auf­ Künstler und Kritiker, den Skeptiker, der er Zahlengesetze bricht) und die so daraus resul­ hebung) der Trennung von Subjekt und Ob­ war. tierende metamorphotische Kraft des schöpfe­ jekten ­ in ihrer erlebbaren Identität und zu­ Und durch die Deutlichkeit der Mund­ und rischen Subjekts. gleich in der so bestimmten neuen Zeit­Raum­ Kinnpartien, durch Hervortreten der Nase­ »[...] 50 muß man endlich das Wort vom na­ Empfindung (vgl. Totalität, V.). Mund­Linien, durch die abwärts weisenden turalistischen Vorgang ablösen, damit es nicht Deshalb wird seine Faszination am Kubismus Mundwinkel erkennen wir ein gewisses Maß nur Imitation eines gleichsam bereits vollzoge­ und dessen versuchter Simultaneität der an Bitterkeit, das den »Beb« Einstein bereits nen Vorgangs sei, also eine überflüssige Tauto­ Raumschichten verständlich, Faszination am vor den Erfahrungen von Krieg und vereitelter logie, sondern man muß Geschehnisse durchar­ frühen Braque der Bilder 1909­1911, natürlich Revolution gekennzeichnet haben muß. beiten, so wie sie innerlich vorgestellt verlau­ an Picassos Kubismus und an Juan Gris (den er Darüberhinaus zeigen besonders die Schräg­ fen. Realisme spirituel Interieur. Also zunächst auch hoch schätzte). Einstein wollte in seinen sichten des Kopfes (von halb rechts; Abb. 3) in die Accidents der Vorgänge feststellen und »BEB«­Fragmenten letztlich zeigen, wie sich der Parallelität der Augenschräge und der dann die seelischen Dimensionen tatsächlich Dinge, Vorstellungen und Erlebnisse »als Mundwinkel­Schräge eine leise Trauer über durch Wortverbindungen darstellen. Ich glau­ Raumempfindung umbilden in einem Men­ die fragmentarischen Möglichkeiten des geistig be nicht, daß der Kubismus nur eine optische schen. Daß eben die Art des Sehens, die wir su­ Schaffenden in einer völlig kapitalisierten Specialität ist; wenn dies, dann wäre er falsch, chen, keine theoretische Angelegenheit ist, son­ Welt, eine Trauer, die Resignation, Hoffnung, da nicht fundiert. Er umfaßt als gültige Erfah­ dern ein Erlebnis dessen, was ich geistige Emp­ Verzweiflung, Hoffnung und doch letztlich rung sehr viel mehr [...] Lieber Kahnweiler, findung nennen möchte, und wie die Dinge ich ließ diesen Brief liegen; teils weil die Ge­ danken darin noch nicht deutlich genug durch­ 5 Benno Elkan Der Kunsthändler Alfred Flechtheim, 6 Benno Elkan Klagende Frau, 1913/14; gearbeitet sind [...] Aber mit wem sollte ich 1912; Bronze, Höhe 32 cm. Granit, lebensgroß (1920 unter dem Titel Den Opfern Dortmund, Museum am Ostwall mich unterhalten, wenn nicht mit Ihnen. Ich in Frankfurt als Kriegsdenkmal aufgestellt) finde aber vorläufig nicht die Zeit [...]« (Brief an D. H. Kahnweiler, April 1923)38 Ohne Zweifel fängt Elkans Bildnis ­ bezieht "k man die Bewegungen des Lichtes auf der Bron­ ze des Kopfes mit ein ­ etwas von der nervösen L Unruhe, dem latent Katastrophischen (Krisen) beziehungsweise den Hang zu Verzweiflungen als Kehrseite der Hoffnungen ein, etwas von der Bitternis, auch der tiefen Skepsis und dem Wissen, ohne einen Glauben an Gott oder hö­ heres Sein leben und schaffen zu müssen, die Einstein charakterisierte. Nicht von ungefähr war der Untertitel des »BEB« (den er als Selbstporträt eines Mannes mit Eigenschaften in den zwanziger Jahren fortzuschreiben ge­

dachte) »oder die Dilettanten des Wunders«. y Das Wunder wäre die Fähigkeit der Liebe und zs die Aufhebung der Zerstörung aller Identität zwischen Subjekt und Objekt und dem Leiden an dieser Zerstörung39. Aber sein Leiden ver­ CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN 151

die geistig­schaffenden und die sozialpoliti­ schen Hoffnungen lediglich Fragmente blieben oder gar scheiterten (Europa in der Gewalt der Faschisten). So wie er in Kandinskys Bildern aus »reinen« Formen und Farben »Zeichen der Entleerung« sah, so zweifelte Einstein grund­ sätzlich an der Macht der »reinen« Sprache: * »das wort hat den sinn und die descriptive kraft verloren [...] BEB spuert alle sprachfixiertheit als gefaehrlichsten stagnierenden aberglauben. [...] die Juden sind dermassen von Gott ge­ zeichnet, diesem gestaltlos reinen monstre, dass sie mit sinnen nichts mehr fassen können, nur denken müssen u dann graesslich hilflos in se­ xualitaet zurücksinken [...] Ende, er stürzt [...] Das einzige Mittel zuletzt der Wahnsinn [...] das absolute, ein witz [...] das zuckende stagnieren in der dialektik.« (S. PenkertS. 118) 7 Benno Elkan, Carl Einstein, siehe Abb. 1, 9 Benno Elkan, Carl Einstein, siehe Abb. 1 Zu diesen Fragmenten aus Arbeiten am »BEB« Aufnahme von 1914 kommen Notizen aus der Zeit um 1927/28, die Einsteins Lage und geistige Zerrissenheit be­ 10 Benno Elkan, Carl Einstein, siehe Abb. 1 leuchten: [...] tatsächlich etwas wie ein Schicksal oder »Die furchtbare Anstrengung u. das lächerlich eine Leidenschaft ausmachen« (Brief an D. H. einfache Resultat, nämlich eine Simultaneität Kahnweiler, April 1923). von Paradoxen. In »Bebuquin« schrieb er: »Jede Sekunde war Voraussetzung alles Heutigen ­ die Gottverlas­ plastisch deutlich, das Auge sah den Klang. Die senheit ­ Gott die Centrale der Paradoxe ­An­ Erde war ihnen einen Augenblick ein kristallen tinomien Feuer, die Menschen von durchsichtigem Glas. [...] Bebuquin seufzte. Gegen die Scheiben fiel aus Ich hatte Fantasie, konnte aber die Themen dem farbigen Morgenwind der beginnende Re­ nicht treiben, da mir Leben fehlte, möglich dass gen [...] Die Menschen verwandelten sich in A letzteres verstärkte sonderliche Zeichen in den Spiegeln [...] eine [...] innerste Dunkelheit, ein Lichtblitz [.. .]«41 Der Schwache Ästhet Intellektuelle ­ ein Mör­ Das Wunder aber geschieht nicht (wie S. Pen­ der des Lebendigen. kert schrieb), Bebuquin wird wahnsinnig! ­ so Das Seelische ist nicht mehr an den Körper ge­ wie Einsteins Roman­Plan »BEB« und auch bunden.« Und in einem Fragment vom 22. April 1927: »die hilflos geliebte Erlebnisgestalt verdeckt 8 Max Klinger Neue Salome, 1894; Marmor, Höhe 104 cm. imaginative Figuren, das egozentrische Schaf­ Leipzig, Museum der bildenden Künste fen, den immanenten Geist. Man geht zu Grunde da man immer von sich weg fühlt, rung Einsteins dienen mögen im Hinblick auf denkt, projiziert. den Ausdruck, den Elkan in seinem Bildnis er­ Durch sich verschütten ganz falsches Leben zielte. Anders sahen ihn Max Oppenheimer Theoretisch wissen, praktisch hilflos [...]« und Ludwig Meidner. Oppenheimer zeichnete (Nachlaß)42 Einstein im Sommer 1912 in Berlin und zwar Um Einsteins weltanschauliche Existenz und für die Buch­Ausgabe des »Bebuquin« (Verlag sein Denken, sein trotz aller scheinbaren Nihi­ »Die Aktion«, Berlin) in einer Tuschzeich­ lismen starkes Hoffen und seinen Wunder­ nung (Berlin, Akademie der Künste, Abb. 11) Glauben, doch eben sein im Absturz noch ­ im Habitus des Gesprächs von Künstlern an Hoffendes zu begreifen, muß man über den einem Tisch sitzend, die Hände nervös zusam­ •& publizierten »Bebuquin« hinaus die von S. mengelegt, unter den schweren Lidern und Penkert und H. Oehm publizierten Fragmente durch die Brille den Betrachter mit innerer Di­ zum Weiterbau des »Romans« und die Nach­ stanz anschauend beziehungsweise den Blick laß­Notizen hinzuziehen, natürlich auch di­ soeben senkend. Die Porträt­Zeichnung er­ verse Briefstellen an Ewald Wasmuth, an schien auch im zweiten Jahrgang der »Ak­ Benn, Kahnweiler, an Tony Simon. tion«43 am 7. August 1912, zusammen mit Ab­ »Bei mir spüre ich überall das Fragment [...]« drucken des Bebuquin­Textes. (25. 1. 1923 an Tony Simon) Auch der durch seine zahlreichen Künstler­ Es sind hier einige Stichproben zusammenge­ Freundschaften und Kontakte bekannte Lud­ stellt worden, die lediglich der Charakterisie­ wig Meidner, als Porträtist mit dem Spitzna­ 152 CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN

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11 Max Oppenheimer Porträt Carl Einstein, 1912; Feder. 12 Ludwig Meidner Porträt Carl Einstein, 1913; Feder. Berlin, Akademie der Künste Privatbesitz (?)

men »Kopfjäger« belegt, hat Einstein 1913 in Spießer zu werden, legte Einstein offenbar nie sichtigkeit (»lucidite terrible«, von der Vincent einer Tuschzeichnung festgehalten (Abb. 12), ab. Dies führte ihn auch letztlich dazu, aus van Gogh im September 1888 sprach): »Bei möglicherweise im »Cafe des Westens« (dem einer »instinktiven Verantwortlichkeit« heraus mir spüre ich überall das Fragment«, — dies gilt Cafe Größenwahn), wo J. van Hoddis, Ein­ (S. Penkert), keine eheartige Bindung zu Tony zwar nicht für Einsteins »Schlimme Bot­ stein, Walter Mehring und viele andere ver­ Simon einzugehen, was diese als Resignation schaft«, nicht für das vollendete Braque­Buch kehrten. Meidner zeichnete ihn deutlich mehr verstanden haben muß. Eine Briefstelle laute­ von 1934 und die Propyläen­Kunstgeschichte als Bürgerschreck, als süffisanten Intellektuel­ te47: »Wenn ich in einen Verlag oder so was ge­ 20. Jahrhundert, aber der Satz könnte als ein len, skeptisch den Gegenüber fixierend, aber wollt hätte, hätte ich schon längst mein kleines Motto über Einsteins tragischem Leben und leicht zerrüttet, die Shag­Pfeife im Mund, die Auto, Dein Papa wäre begeistert und ich wäre Schaffen stehen. Brille auf der Nase. Mehring hat ihn in seinen ein einwandfreier Gentlehmann. Doch ziehe Erinnerungen an »Berlin DADA« beschrieben ich es vor nachdenklicher Prolet zu bleiben und auch von den Gründungsabenden für die [...] Ich habe so eine Ruhe im Leib [...]« Carl Einstein, Totalität (1914) I.Teil Zeitschrift »Die Pleite« im Januar 1919 (Idee (1923) Uber die spezifisch gesonderte Stellung hinaus bestimmt Kunst das Sehen überhaupt. Das Gedächtnis aller ange­ von Einstein) berichtet44. Man saß im Januar Doch diese Ruhe, die er in einer tieferen schauten Kunst belastet den Betrachter, wenn er ein ein­ 1919 zusammen, John Hoexter, Mehring, »geistigen Empfindung« mit Tony zu stärken zelnes Bild ansieht oder einen Natureindruck aufnimmt. Grosz, Einstein, Förste und überlegte einen suchte, besaß Einstein in Wahrheit nicht; das Die Kunst verwandelt das Gesamtsehen, der Künstler be­ Zeitschrift­Titel: Leiden am Fragmentarischen überwog. Selbst­ stimmt die allgemeinen Gesichtsvorstellungen. Somit die »Die Pleite, entschied Einstein Carl, schmun­ zweifel, Hoffnungslosigkeit, religiöses Su­ Aufgabe, jene zu organisieren. Damit die Augen der All­ gemeinheit sich ordnen, sind Gesetze des Sehens nötig, die zelnd in Tabakwolken gehüllt. Verbieten wer­ chen, politische Enttäuschungen und vor allem das Material des physiologischen Sehens werten, um ihm den sie ja Euch auf jeden Fall. Und dann sollen die Verzweiflung über das Ausbreiten der SS­ einen menschlichen Sinn zu verleihen. Unsere räumlichen sie mal bekanntgeben: Verboten ­ die Pleite! Deutschen in Europa nahmen ihm später ­ Vorstellungen werden uns bedeutend, da wir durch die Und so geschah es [...]« Einstein warnte auch auch nach dem Leben mit Lyda Guevrekian Kunst imstande sind, sie zu bilden und zu verändern. ein paar Monate später die Freunde vor einer und besonders nach dem Ausgang des spani­ Kunst wird wirkende Kraft, wie weit sie vermag, das Se­ hen gesetzmäßig zu ordnen. Zu oft verwechselte man die drohenden Verhaftungswelle45. schen Kampfes gegen die Faschisten ­ jede Typen des psychologischen Ablaufs des Kunstbetrachters Etwas von dem pfeiferauchenden, sarkastisch Hoffnung und Aussicht. Wie Benjamin in sei­ mit den eigentlichen Gesetzen, indem man naiv den Be­ agierenden Einstein ist bereits in die Zeichnung nen Baudelaire­Studien über die »Moderne« trachter mit dem Bildwerk verschmolz. Meidners von 1913 eingegangen (Abb. 12). schrieb48, sind Verzweiflung und Selbstmord Kunstgesetze ergeben sich nicht aus den Begriffen, die Paul Westheim bildete sie 1918 im »Kunst­ ein Teil der Signatur der Moderne ­ neben Zer­ dem Urteil über Kunst zugrunde liegen; vielmehr bauen sich die Kunstgesetze auf den Grundformen auf, die einem blatt« ab46. rissensein, verzweifelter Suche nach dem Gött­ möglichen Kunstwerk zugrunde liegen. Unter dem Ein­ Einen proletarisch­anarchistischen Zug und lichen und Suche nach einem Artisten­Evange­ flüsse der Philosophie erhob man, diese überschätzend, die Verweigerungshaltung, ein kultureller lium und neben schrecklicher geistiger Hell­ die Lehre vom Kunsturteil zur Grundlage der Ästhetik CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN 153

und glaubte so das der Kunst Eigene konstruieren zu kön­ Anmerkungen 6 Thomas Mann, Essays, hg. v. H. Kurzke, Bd 2, Frank­ nen. Es ist dies die Folge der Lehre, daß Philosophie Wis­ 1 Carl Einstein, »Bebuquin«, Berlin 1912. ­ Bereits 1907 furt/M. 1977, S. 211. senschaftslehre von den Begriffen sei, die unserem Erken­ druckte Franz Blei die Kap. 1­4 des »BEB« in der Zeit­ 7 S. Penkert, a.a.O., 1969, S. 79/80. nen zugrunde liege, so daß man daraus schloß, Ästhetik schrift »Opale«, S. 169 f., ab. 8 Vgl. H. H. Houben, Verbotene Literatur von der klassi­ sei die Lehre von den Begriffen, die dem künstlerischen Besonders enge Kontakte fand Einstein zum Kreis des So­ schen Zeit bis zur Gegenwart, 1. Bd, Berlin 1924, S. 137f., Urteil zugrunde liegen. Hier zeigen sich deutlich die Fol­ zialisten Franz Pfemfert, veröffentlichte in der »Aktion«, S. Penken 1969, S. 89 f. gen eines indirekten Verfahrens, daß nicht die gegebenen heiratete 1913 die Schwägerin Pfemferts, die Russin Maria 9 »Die schlimme Botschaft« wieder abgedruckt in Bd 2 der Tatsachen zu Voraussetzungen erhoben werden, sondern Ramm. Den dritten Autorenabend der »Aktion« im April Gesamtausgabe, hg. v. Marion Schmid, Berlin 1981, ein surrogierter psychologischer Verlauf oder intellektuel­ 1913 bestritt Einstein mit der Lesung »Über den Sinn der S. 147­198. Der Bericht von Nico Rost (im Einstein­Ar­ ler Bestand, dessen Funktion wiederum gleichsam meta­ neuen Malerei«. chiv, Berlin, Akademie der Künste) hier nach S. Penkert physische Substrakte unterlegt werden. Eine entscheiden­ Den »BEB« besprach u. a. Ernst Stadler, in: Cahiers Alsa­ 1969, S. 89. de Tatsache ist das Urteil über Kunst nicht, dem stets als ciens, Jg. 2, 1913, No. 8 (März), S. 100 f., ­ vgl. Einsteins lc Einsteins Briefe an Tony Simon­Wolfskehl (später Las­ mindestens gleichberechtigt der Vorgang des Kunstschaf­ Freund E. Wasmuth, in: Der Monat, 14. Jg. Heft 163, nitzki) vgl. S. Penkert 1969, S. 96 f.; Stephan von Wiese, fens entgegengestellt werden kann. Vielmehr die einfache April 1962, S. 49 f. und siehe Band 1 der Gesamtausgabe Max Beckmanns zeichnerisches Werk, Düsseldorf 1978, Tatsache, daß eine Reihe von Leistungen vorhanden ist, Einsteins Werke, hg. v. R.­P. Baacke/J. Kwasny, Berlin S. 177; D. Schubert, »Die Beckmann­Marc­Kontroverse die Kunst darstellen. Gewiß könnte man annehmen, daß 1980. von 1912«, in: Expressionismus und Kulturkrise, hg. v. man aus dem Urteil der Kunsterkenntnis bestimmen kön­ Auch Einsteins wichtiger Text kunsttheoretischer Natur, Bernd Hüppauf, Heidelberg 1983, S. 238; ferner D. Schu­ ne, was denn Kunst überhaupt sei, wo sie beginne und wo »Totalität«, von Conrad Fiedler, Friedrich Nietzsche und bert, Max Beckmann: Auferstehung und Erscheinung der sie aufhöre; zumal eine erdrückende Menge angeblicher Georg Simmel geprägt, erschien zuerst in Pfemferts »Ak­ Toten, Worms 1985. Kunst besteht, welche als schlecht, gemein oder unkünst­ tion«, im 4. Jg., 1914, S. 345 f. und 476 f. (vgl. dazu Silvio 11 Carl Einstein, »Otto Dix«, in: Das Kunstblatt, hg. v. lerisch bezeichnet wird. Hier setzt der Begriff des quali­ Vietta/H. G. Kemper, Expressionismus, München 1975, Paul Westheim, Bd VII, 1923, S. 97 f.; D. Schubert, Otto tativen Urteils ein, das zwar nichts Objekthaftes dem Ge­ S. 161 f.). Dix, Reinbek 1980; O. Conzelmann, Der »andere« Dix, gebenen hinzufügt, aber auch nicht innerhalb des gegebe­ Während des Studiums in Berlin hörte Einstein u.a. die Stuttgart 1983 ­ dazu die Besprechung D. Schubert in: nen Bestandes verharrt. Zumal der Beschauende durch das Vorlesung von Georg Simmel über Schopenhauer und Kritische Berichte, 12. Jg., 1984, S. 84­94. Der Dix­Text Urteil für sich den Tatbestand bestimmend verwandelt Nietzsche (als Buch publ. Leipzig 1907). Einfluß übte fer­ findet sich im Bd 2 der Einstein­Gesamtausgabe, 1981, und festlegt. Diese Widersprüche sind durch die Natur des ner das 1903 (in 3. Aufl.) erschienene Buch von Ernst S.264f. Kunsturteils selbst bedingt, da dieses nicht intellektuell ist, Mach (Die Analyse der Empfindungen) und dessen andere 12 Auf diesen Brief Lissitzkys machte Erhard Frommhold vielmehr von den Elementen der Form auszugehen hat. Schriften aus. Für Physik und Physiologie interessierte wieder aufmerksam in: Stil und Gesellschaft, Dresden Vielleicht wird man, um zu einer deutlichen Vorstellung sich Einstein lebenslang. 1984, S.257. (Der Verfasser dankt für den freundlichen zu gelangen, die Ästhetik nicht mehr als ein Methodenge­ Auch Georg Simmeis Begründung des Vitalismus in sei­ Hinweis von Harald Olbrich, Berlin.) Einstein verfaßte biet der Philosophie betrachten dürfen, worin die Metho­ nem 1916 erschienenen Buch »Rembrandt« mit der Vor­ auch zusammen mit seinem Freund Paul Westheim den de der Kunsterkenntnis untersucht wird, und zwar Er­ stellung der Leib­Seele­Einheit und der Totalität der Exi­ Text für: Rudolf Belling ­ Skulpturen, Potsdam 1924, und kenntnis in dem Sinne definiert, daß Erkenntnis etwas stenz in jedem Moment des Lebensstromes (und seinem einen Beitrag für »Der Querschnitt«, Bd 7, 1927, 381 f. Posthumes sei. Vielmehr verlege man den Begriff der Ausdruck in Rembrandts Gemälden) wird Einstein ohne (siehe Winfried Nerdinger, Rudolf Belling, Berlin Kunsterkenntnis in das spezifische Schaffen selbst; in dem Zweifel gekannt haben. 1981). Sinn, das einzelne Kunstwerk selber bedeutet einen spezi­ 2 Heinrich Mann, »Geist und Tat«, in: Pan, Jg. 1911 (wie­ 13 S. Penkert, a.a.O., 1969, S. 99. C. Einstein zu Kandin­ fischen Erkenntnis­ und Urteilsakt. Gegenstand der Kunst der in: Essays, Hamburg 1960, S. 7 ff.) sky in: Die Kunst des 20. Jahrhunderts, Berlin 1926, sind nicht Objekte, sondern das gestaltete Sehen. Es geht H. Mann, Les pages immortelles de Nietzsche ­ choisies et 3.Aufl. 1931, S. 200­208.; ders., »Kandinsky zum um das notwendige Sehen, nicht um die zufälligen Objek­ expliques, Paris 1939; ders.: Nietzsche, in: Mass und 60. Geburtstag«, in: Das Kunstblatt, hg. v. P. Westheim, te. So dringt man zu den objektiven Elementen dessen, Wert, hg. v. Th. Mann/K. Falke, II. Jg., 1938, S. 277­304. 10. Jg., 1926, S. 372 ff. was apriorische Kunsterkenntnis ist, die sich im Urteil 3 Sibylle Penkert, Carl Einstein ­ Beiträge zu einer Mono­ Für Kandinsky stelle Einstein lapidar fest: »Malerei: ein über Kunst nur a posteriori ausspielt. Der Erkenntnisakt, graphie, Göttingen 1969, S. 125 f. ­ Anthologie der Absei­ Mittel geistiger Isolierung gegen die Welt", »Abstraktion d. h. die Umbildung der Weltvorstellung, geschieht weder tigen, hg. v. C. Giedion­Welcker, Bern 1946, S. 141 bis und Primitive - Zeichen der Entleerung" (vgl. op. cit. durch das Schaffen des Kunstwerks oder das Betrachten, 148; ­ Sonderheft Carl Einstein, in: Alternative, hg. v. H. 1931, S. 204 und dazu besonders Heidemarie Oehm, Die vielmehr durch das Kunstwerk selbst. Denn Erkenntnis, Brenner, Berlin 1970. Kunsttheorie, 1976, S. 39). Kandinskys Traktat »Über das die über ein kritisches Verhalten hinausgeht, heißt nichts »Expressionismus ­ Literatur und Kunst 1910­1923«, Geistige in der Kunst« stufte Einstein als assoziative Lyrik anderes, als Schaffen von Inhalten, die an sich gesetzmä­ Kat. Marbach 1960, S. 126f.; Heidemarie Oehm, Die über das Dekorative ein (op. cit. 1931, S. 207); Kandinsky ßig, d. h. transzendent sind. Kunsttheorie Carl Einsteins, München 1976; Liliane Meff­ setze »an die Stelle der Gestalt" (diese Qualität wies Carl Die Gesetzmäßigkeit der Logik ist nicht allgemein, son­ re, C. Einstein et la problematique des avant­garde dans Einstein dem Kubismus und Klee zu) »den farbigen Kom­ dern Logik ist spezifische Wissenschaft wie Physik oder les arts plastiques, Sorbonne, Paris 1980. mentar abstrahierter Elemente», er sei von Autismus, Pu­ irgendwelche, die ihre eigenen Gegenstände besitzt, es Hans J. Dethlefs, Carl Einstein ­ Konstruktion und Zer­ rismus und der Lehre vom hermetischen Geist geprägt. In aber nicht unternehmen darf, ihre besonderen Gegenstän­ schlagung einer Theorie, Frankfurt/M. 1985. Differenz zur Gestaltbildung bei Klee stellte Einstein fest: de zum Inhalt einer allgemeinen Wissenschaft umzufäl­ Helmut Heißenbüttel, »Carl­Einstein­Porträt«, in: Zur »Marc wie Kandinsky ermangeln der Gegengewichte ihrer schen. Tradition der Moderne ­ Aufsätze, Neuwied 1972, S. 262 gestaltverzehrenden Mystik. Im Bild überspielt ekstatische Aus diesen Anmaßungen der Logik entsprang der Irrtum, bis 290. Leere und Hingerissenheit die grobschwache Gestalt, und daß man mit logischen Hilfen religiöse Systeme zerstören 4 Carl Einstein, »Wir treiben eine Politik des Todes« (um die metaphysische Abstraktion läuft etwas leer in schmük­ könne, während man nichts weiter erwies, als daß Logik 1934, aus dem Nachlaß), publ. in: Das Neue Forum kenden Ornamenten." (op. cit. 1931, S. 200), vgl. auch unfähig sei, die gesamten geistigen Bestände zu erfassen (Wien), Jan./Febr. 1974, S. 24­26. Max Dessoir, Die neue Mystik und die Kunst, in seiner und zu gründen. Wie die Scholastik glaubte, daß man mit 5L. Rubiner, Die Gemeinschaft (1919), Potsdam 1920; Einführung in die Kunst der Gegenwart, Leipzig 1919, dem Urteil das Sein erzeuge, so gab man sich dem nicht ders., Kameraden der Menschheit, Potsdam 1919, »Dich­ S. 133­135. minder gefährlichen Irrtum hin, daß nur die Logik geistige tungen zur Weltrevolution«; »Expressionismus ­ Literatur 14 Zum Beispiel Briefe Einsteins an Klee (im Klee­Archiv, Systeme auf ihr Daseinsrecht hin begründe. Logik ist und Kunst 1910­1923«, Kat. Marbach 1960, S. 131 f.; Ex­ Bern), auf die mich Herr Raimund Ziemer (Mainz), der nichts weiter als die Lehre von den Begriffen, die der Lo­ pressionismus als Literatur, hg. v. W. Rothe, Bern/Mün­ über Klee arbeitet, dankenswerterweise aufmerksam gik selbst zu eigen sind, die aber auf die geistige Welt nicht chen 1969; Lothar Peter, Literarische Intelligenz und machte. Im Mai 1931 schrieb Klee an Einstein, daß dessen beherrschend oder rechtfertigend wirken können, viel­ Klassenkampf ­ Die Aktion 1911­1932, Frankfurt/M. Text (in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts) seiner mehr mit ihr nur so weit verbunden sind, als sie auch einen 1972. Ferner die ausgezeichnete Textsammlung zum Ex­ Kunst völlig gerecht werde. besonderen Teil des Bestandes darstellen. pressionismus von T. Anz / M. Stark, Manifeste und Do­ 15 »Naturalismus« als optisch determinierte Malerei (pas­ Aus dieser irrtümlichen, zu verallgemeinerten Anwen­ kumente zur deutschen Literatur 1910­1920, Stuttgart siv), ­ »Realismus« (aktiv) als von einer Position/Gesin­ dung der Logik ergaben sich in jedem Sondergebiet Anti­ 1982. nungsethik bestimmte »wertende Wirklichkeitsauslese" nomien, die verschwinden, sobald man jedes Gebiet auf Zu Einstein und die »Aktion« vgl. auch D. Schubert, »Ex­ (vgl. dazu Heidemarie Oehm, op. cit. 1976, S. 195); ferner seinen besonderen, objektiven, wirklich erkenntnismäßi­ pressionistische Bildnisse im Rahmen des Aktivismus«, in: besonders die letzten Passagen in Einsteins »Fabrikation gen Bestand prüft. Die Logik als allgemeine Wissenschaft Die Zwanziger Jahre im Porträt, hg. v. J. Heusinger, der Fiktionen« (Ausgabe 1973, Buch V, S. 257 f.; dazu H. ist eine Technik des Vergleichs, woraus sich unmittelbar Bonn 1976, S. 30; zu Rubiners Bildnissen von Lehmbruck Oehm 1976, S. 191 f.; S. Penkert 1969, S. 114 f. Kritik an der dialektische Charakter der logischen Praxis entwickelt, vgl. D. Schubert in: Festschrift Wolfgang Braunfels, der Entwicklung der modernen Kunst). was der Möglichkeit, Gesetze aufzustellen, zuwiderläuft. Tübingen 1977, S. 393 f. H. Oehm, »Carl Einstein ­ Zur Wende von der subjektivi­ 154 CARL EINSTEIN - PORTRÄTIERT VON BENNO ELKAN

stischen zur materialistischen Kunsttheorie«, in: Exil, hg. ber 1980; Dietrich Harth, »Revolteur Einstein«, in: Zeno, 37 Die Rolle des Lichtes für die belebende Wirkung der v.J. H. Koch (Frankfurt), No. 1,1982, S. 69 f. 3. Jg., Heft 1, 1982, S.46f. Dietrich Harth und der Verfas­ Bronze­ und Marmor­Bildwerke (über die Rodin nach­ 16 Carl Einstein, Die Fabrikation der Fiktionen, hg. v. ser führten im Sommer 1982 an der Universität Heidelberg dachte) ist bereits im Herbst 1829 von Heinrich Heine in S.Penkert, Reinbek 1973 - sollte im Untertitel lauten: ein Einstein­Seminar durch. »Die Bäder von Lucca« (publ. 1830) beschrieben worden: »Eine Verteidigung des Wirklichen«. Dort revidierte Ein­ Jürgen Sercke, Die verbrannten Dichter, Weinheim 1977, der göttliche Reiz der lebendigen Bewegung ­ »Selbst der stein auch seine ursprünglich gänzlich positive Einschät­ S. 209f.; R. P. Baacke, »Carl Einstein ­ biographische beste Maler kann uns diesen nicht zur Anschauung brin­ zung des Konstruktivismus (El Lissitzky, Malewitsch) ­ Notiz«, in: Kritische Berichte, 8. Jg., 1980, Heft 6, gen; denn die Malerei ist doch nur eine platte Lüge. Eher vgl. dazu seinen Text von 1921 (zu Malewitsch?) »Absolu­ S. 48f.; Jean Laude, »Carl Einstein ­ un portrait«, in: vermöchte es der Bildhauer; durch wechselnde Beleuch­ te Kunst und absolute Politik« abgedruckt in Kat. d. Cahiers du musee national d'art moderne, No. 1/1979, tung können wir bei Statuen uns einigermaßen eine Bewe­ Ausst. »Malewitsch ­ Mondrian ­ Konstruktion als Kon­ S. 10­39 (unter Mitarbeit von Liliane Meffre). ­ Besonders gung der Formen denken, und die Fackel, die ihnen nur zept«, Kunstverein zu Hannover 1977, S. 24 ff., (nicht in merkwürdig ist, daß C. Einstein nicht aufgenommen wur­ äußeres Licht zuwirft, scheint sie auch von innen zu Carl Einstein ­ Werke, Bd 2, Berlin 1981). Zu den Kon­ de in die »Neue Deutsche Biographie«, hg. v. der Bayeri­ beleben." struktivisten vgl. auch Einsteins »Kunst des 20. Jahrhun­ schen Akademie der Wissenschaften, Bd4, 1959, was das Heinrich Heines pygmalionsche Haltung und Liebe zur derts«, 1931, S. 188 f. Schicksal der Einstein­Rezeption in der Adenauer­Ära antiken Venus von Milo im Pariser Louvre und sein letzter 17 In »Documents« veröffentlichte Einstein u. a. »Notes klar widerspiegelt. Besuch bei ihr im Mai 1848 (beschrieben im »Romanze­ sur le Cubisme«, über Masson, Picasso, Leger, über neue 26 Fritz Max Cahen, Weg nach Versailles ­ Erinnerungen ro«) dürfen als bekannt vorausgesetzt werden. Bilder von Braque (No. 6, 1929), über Miro, Juan Gris, 1912­1919, Boppard 1963, S. 14. 38 Der wegen einer leichten Verstimmung um Gris­Litho­ »L'enfance neolithique«, über die Cezanne­Ausstellung 27 S. Penkert, Monographie, 1969, S. 80. graphien für den »Querschnitt« nicht abgesandte Brief an von 1930 und eine Kritik der Ausstellung »Abstrakte Gottfried Benn, Den Traum alleine tragen ­ neue Texte, D. H. Kahnweiler ist von S. Penkert publiziert worden Kunst« in Zürich 1929. hg. v. P. Raabe/Max Niedermayer, München 1969, S. 165 (op. cit. 1969, S. 55 und vollständig S. 139­145). ­ Zwi­ Die Briefe an E. Wasmuth bei S. Penkert 1969, S. 110 f. bis 167. schen Kahnweiler (vgl. dessen »Der Weg zum Kubismus«, 18 S. Penkert 1969, S. 111, Anm. 5 (Literaturverzeichnis 28 Zu Tonys Tagebuch vgl. S. Penkert, op. cit. 1969, S. 99. 1920) und Einstein bestanden freundschaftliche Kontakte S. 154); Walter Huder (Hg.), Carl Einstein ­ Laurenz oder Briefe Einsteins an Tony Simon­Wolfskehl im Archiv der (vgl. das zit. Lob der Propyläen­Kunstgeschichte von Schweissfuß klagt gegen Pfurz in trüber Nacht, Berlin Akademie der Künste, Berlin (dank bestem Hinweis von 1926). ­ Zur Simultaneität und Totalität siehe auch Ein­ 1971. Jörg Müller); Einstein schreibt über seine Beziehung zu steins Aufsatz »Totalität« von 1914 und den Brief an "Siehe bei S. Penkert, a.a.O., 1969, S. 111; C. Einstein, Gräfin Hagen und über seinen Plan, Berlin zu verlassen E. Wasmuth vom 10. November 1923 (S. Penkert 1969, S. Existenz und Ästhetik, hg. v. S. Penkert, Wiesbaden 1970, und wegen Tony Simon eventuell nach Frankfurt/M. zu 101­102); ferner H. J. Dethlefs, Carl Einstein, 1985, S.41. S. 51­61. ziehen (Briefe zwischen 22. Dezember 1922 und Januar Zu Ernst Machs Wirkung vgl. H.­G. Kemper, Vom Ex­ 20 Zu Troost gegenüber Hitler und Goebbels vgl. den 1923): »Ich denke da stark an Frankfurt und offengestan­ pressionismus zum Dadaismus, Kronberg 1974, HOf. und Brief von J. Achmann an L. Justi, 9. Juni 1933 (bei den Ihretwegen und weil da Beckmann ist, den ich gut lei­ Klaus H. Kiefer, »Einstein & Einstein ­ wechselseitige Er­ B. Hinz, Die Malerei im deutschen Faschismus, München den kann [...]« Im Juli 1923 folgte dann die gemeinsame hellung der Künste und Wissenschaften um 1915«, in: 1976, S. 19). Reise nach Weimar (vgl. S. Penkert 1969, S. 96­99). ­ Auf Komparatistische Hefte / Universität Bayreuth, Heft 5/6, 21 Typoskript »Braque deutsch« (Nachlaß, Berlin, Akade­ weitere Briefstellen an Tony, aus denen der enge Kontakt 1982, S. 181­193. mie der Künste), S. 14 f. zur funktionalen Beziehung zwi­ zwischen Einstein und Beckmann hervorgeht, machte den 39 S. Penkert, Monographie, 1969, S. 66. schen Subjekt und Objekt. Verfasser jüngst auch Hubertus Gassner (Kassel) aufmerk­ Auch die »Wunderkraft« des Kunstwerkes wäre zu be­ Der Verfasser dankt Herrn Prof. Walter Huder, Berlin, sam, der ein Einstein­Heft für die »Kritischen Berichte« denken. für die großzügige Hilfe, das Typoskript einsehen und ko­ vorbereitet. 40 Hugo Ball, in: Die weißen Blätter, hg. v. R. Schickele, pieren zu dürfen (vgl. auch H. Oehm, op. cit., 1976, Zu den Bildnissen der Gräfin Hagen s. Kat. Beckmann ­ Jg. 1915, S. 526; S. Penkert 1969, S. 72. Anm. 20, S.204). Es existiert ferner ein 34 Seiten langes Aquarelle und Zeichnungen 1903­1950, Kunsthalle Biele­ 41 »Bebuquin«, 13. Kap., 16. Kap. (vgl. Carl Einstein ­ Typoskript im Nachlaß: »Betrachtung zum Werk des feld 1977/78, No. 59; D. Schubert, Max Beckmann ­ Auf­ Werke, Bd 1,1980, S. 109). Georges Braque«. erstehung und Erscheinung der Toten, Worms 1985, S. 16. 42 S. Penkert 1969, S. 106. 22 Zur Gegenstandslosigkeit als »Zeichen der Entleerung« 29 Nico Rost (s. Anm. 9) nach S. Penkert 1969, S. 89. 43 Oppenheimers Zeichnung, in: Die Aktion, hg. v. bzw. als »Nihilismus« vgl. Einstein in: Fabrikation der 30 Vgl. S. Penkert, a.a.O., 1969, S. 96/97. F. Pfemfert, 2. Jg., 1912, No. 32, vom 7. August. Fiktionen, 1973, S. 68 und S. 267; ­ D. Schubert, a.a.O., 31 Der Brief an Tony Simon vom 22. Februar 1923: 44 Berlin­DADA war ­ im Gegensatz zu Zürich ­ be­ 1983, S. 237, 240. »[...] das Kleebuch ist auch gestartet ­ und noch einiges kanntlich klar politisch reflektiert und besonders anti­mi­ 23 Carl Einstein Existenz und Ästhetik, hg. v. S. Penkert, andere­ ­ S. Penkert 1969, S. 98. litaristisch. Auf der ersten Ausstellung 1920 in Dr. Bur­ 1970, S. 39 (darin auch der Text »Gestalt und Begriff«). "Vgl. dazu S. Penkert 1969, S. 96 (Tagebuch von Tony chards Kunstsalon waren Dix (Kriegskrüppel), Grosz Vgl. ferner den Abschnitt »Kunst und Kunstgeschichte« Simon). ­ Benno Elkan besaß übrigens von Max Beck­ (Deutschland ­ ein Wintermärchen), Heartfield, Förste, bei HJ. Dethlefs, op. cit., 1985, S. 45­53. mann das für jenen Zeitraum wichtige Gemälde Der Herzfelde, Schlichter (mit einer Offizierspuppe mit Vergl. dazu D. Schubert, Einleitung zu »Von Halberstadt Traum (1921) und lieh es später aus auf die von Gustav Schweinskopf), R. Hausmann und Einstein beteiligt ­ vgl. nach Meissen«, Köln 1974, S. 8­15 und besonders Wil­ Friedrich Hartlaub veranstaltete Beckmann­Ausstellung in Walter Mehring, Berlin­DADA, Erinnerungen, Zürich helm Emrich, »Atomzeitalter ­ Kapitulation von Dich­ die Mannheimer Kunsthalle, 1928, Katalog No. 59. 1959, S. 63­65, eine Kennzeichnung Einsteins S. 23 f.; D. tung und Geisteswissenschaft«, in: Emrich, Geist und Wi­ 33 Ernst Blass, »Benno Elkan«, in: Die Kunst für Alle, Schubert, Otto Dix, Reinbek 1980, S. 41. dergeist, Frankfurt/M. 1965, S. 102 ff. Nach Emrich Bd 30,1914/15, München 1915, S. 266. Roland März (Hg.), John Heartfield ­ Der Schnitt entlang kommt es für den Geisteswissenschaftler und den Histori­ Zeichnungen zum Porträt Einstein sind offenbar nicht ent­ der Zeit, Dresden 1981, S. 40 ff. ker der Kunst darauf an, »die Bewußtsemsverblendungen standen (oder verschollen). 45 W. Mehring, Berlin­DADA, 1959, S. 66. oder auch Bewußtseinssteigerungen einer Epoche deutlich Hans Menzel­Severing, Der Bildhauer Benno Elkan, phil. •"Das Kunstblatt, hg. v. Paul Westheim, Jg. II, 1918, zu machen^, d.h. die Kunst einer Zeit »muß nicht nur in Diss., publiziert Dortmund 1980, S. 31, 67, 83, und S. 302 (freundlicher Hinweis von Herrn G. Leistner, ihrem puren Sosein interpretiert werden, sondern zu Ende Werk­Verz. Nr. 17, von Menzel­Severing um 1911 da­ Würzburg, der über Meidner eine Dissertation verfaßt). ­ gedacht, auf die in ihr angelegten Konsequenzen über­ tiert; jedoch sicher nicht vor 1913 entstanden. Belege wa­ Der Verbleib der Einstein­Bildniszeichnung ist fraglich prüft, d. h. im eigentlichen Sinne beurteilt werden» ren freilich nicht auffindbar. (Privatbesitz?). Abb. S. 10 in: Cahiers du musee national (S. 104). Dem ist nichts hinzuzufügen. 34 Vgl. Catalogue Sculpture by Benno Elkan, Wildenstein d'art moderne, Paris 1979, Heft 1 (Jean Laude/L. Meffre). 24 Siehe Typoscript »Braque deutsch« (Berlin, Akademie London, Jan.­Febr. 1950. (Der Verfasser dankt für den Vgl. auch Fr. Berger (Hg.), Thema ­ Stil ­ Gestalt der Künste), S. 12. Während der Drucklegung des vorlie­ freundlichen Hinweis von Frau Karl, Stadt­Archiv, 1917­1939, Publikation zur Geschichte des Kiepenheuer­ genden Beitrags erschien der dritte Band der Gesamtaus­ Frankfurt/M.) Verlages und zur Ausstellung »Die Schaffenden«, Leipzig/ gabe Carl Einstein: Werke ­ Bd 3, hg. v. Marion Schmid / Herrn Dr. Eugen Thiemann, Museum am Ostwall Dort­ Weimar 1985, Leipzig 1985, Kat. No. 622, ferner zwei Liliane Meffre, Wien/Berlin 1985 ­ der große Braque­Text mund, sei auch an dieser Stelle gedankt für Bemühungen Briefe Einsteins über den »Europa­Almanach« an Gustav deutsch dort nun S. 282­341 mit Abb. (unser Zitat S. 192). und für die Erlaubnis, den Einstein­Kopf photographieren Kiepenheuer. Die Angaben zu Einsteins Texten auf S. 593 zum Jahr 1925 zu dürfen. 47 Brief Einsteins an Tony Simon von 1923 (S. Penkert, (EUROPA­Almanach) sind lückenhaft: der Utrillo­Text Cat. no. 19 Christie's Salescatalogue, London 6. Nov. 1969, S. 100). und »Unverbindliches Schreiben« sind zu ergänzen. 1961. 48 Walter Benjamin, »Die Moderne« (Teil der Baudelaire­ 25 Herr Jörg Müller hat einen Beitrag darüber im Druck 35 H. Menzel­Severing, op. cit. 1980, S. 152 (Werk­Verz. Studien, geschrieben ca. 1938), in: Das Argument, 10. Jg. (in: Studi Germanici, 19/20); vgl. die Literatur in Anm. 3 Nr. 25); Akte im Stadtarchiv Frankfurt (Mag. R. 454). 1968, No. 46, S. 44­71; ders., Charles Baudelaire, hg. v. und Jörg Müller, »Gestehen wir den Bankrott der dicken 36 Vgl. dazu D. Schubert, Die Kunst Lehmbrucks, Worms R. Tiedemann, Frankfurt/M. 1974, S. 66 f. Ideologien«, in: Frankfurter Rundschau vom 27. Septem­ 1981, S. 212 ff.