III. Landschaft Hotzenwald und Hochrhein

Anspruch und Wirklichkeit Bertold Rudolf, Karlsruhe

Nur wenige Landschaften unserer badischen gewertete Vorstellung und der mit dem viel­ Heimat sind in den vergangenen Jahren so fältigen Ideenschub der Nachkriegsjahre ent­ oft beschrieben worden wie der Hotzenwald. fachte technische und wirtschaftliche Wan­ Es gibt eine Reihe von Gründen, die dafür del mag eine neue Bearbeitung rechtfertigen. Anlaß geboten haben. Nach R. Metz kann der Hotzenwald als Mu­ sterbeispiel dafür gelten, „wie Besiedelung, territoriale und wirtschaftsgeschichtliche Die Sonderstellung Entwicklung von der Morphologie, dem Ge­ mag in der prekären natürlichen Ausstattung wässernetz und dem steinernen Untergrund für eine bislang vorwiegend bäuerliche Be­ bestimmt wurden“ (R. Metz 1980, S. 13). völkerung zu suchen sein, in ihrer im Ver­ Das klingt nach Determiniertheit historischer hältnis zum Ertrag einer Höhenlandwirt­ Phänomene durch die Naturbedingungen schaft ungewöhnlichen Verdichtung und und läßt Aktivitäten außer acht, die im Rin­ auch in den wiederholten Versuchen, durch gen um die Bestandserhaltung aus mangeln­ Strukturprogramme den bedrückenden Not­ der Kenntnis der Gegebenheiten oder in fal­ stand zu beseitigen oder zumindest zu er­ scher Einschätzung ihrer Wirksamkeit auch leichtern. Vor allem aber entzündete sich das Fehlentwicklungen ansteuerten, sogar Le­ Interesse immer wieder an den politischen bensgrundlagen opferten. So bietet die heu­ Unruhen und Willensbekundungen der Ver­ tige Landschaft eher das vorläufige Ergebnis gangenheit. Stärker als anderswo strebte man von vielerlei Eingriffen des Menschen in den hier genossenschaftlichen Zusammenschluß Naturhaushalt, von Planungen und Verwirk­ an, erkämpfte man sich mit Gleichrangigen lichungen innerhalb der engeren sozialen von der herrschenden Obrigkeit Privilegien Umwelt, von ihrer Akzeptanz oder Ableh­ und Organisationsformen mit plebiszitären nung durch die Gesamtgesellschaft. Elementen. Ein historisches Faktum, das au­ ßerhalb des Hotzenwaldes eher einen größe­ ren Bekanntheitsgrad besitzt, obwohl nach Geologische Struktur einer Äußerung von Altbundespräsident Hei­ Die Höhenlage des Hotzenwalds ist erdge­ nemann bei der Schaffer-Mahlzeit 1970 in schichtlich jung; sie ist bedingt durch die Bremen auch in der breiten Öffentlichkeit Aufwölbung des Schwarzwaldschildes, an allgemeine Unkenntnis solcher freiheitlichen dessen südliche, am stärksten herausgeho­ Regungen im Rahmen deutscher Verfas­ bene „Kuppel“, das Feldbergmassiv, er sich sungsgeschichte zu beklagen ist. anlehnt. Neu aufgelebte Strukturlinien älte­ Der Hinweis Heinemanns hat die jüngste rer Gebirgsbildung queren die starre Ge­ große Woge des Interesses in Gang gesetzt. steinsmasse. An der N-S-gerichteten (rhena- Damit ist dem Bild des Hotzenwalds eine nischen) Bruchzone von Wehr findet der neue Farbvariante hinzugefügt worden. Die Hotzenwald seine Begrenzung im Westen. aus der Geschichte übernommene, aber neu Die Ubergangszone zum Muschelkalk, die 260 Waldsbut, Zeichnung von Prof. Richard Bellm

zugleich die wichtigste kulturgeographische Bewegungen ein. Mit der Hebung des Do­ Scheide im deutschen Mittelgebirge ist, dient naugebiets zieht die Rhone den größten der Abgrenzung zum . Das südlich Quellfluß der Donau, die Aare, über die begrenzende Hochrheintal scheint nach Saone und die Burgundische Pforte an sich neueren tektonischen Forschungen zwar (Sundgauschotter!). Die Laufrichtung des durch eine W-O-verlaufende Schwächezone Teilstücks, das wir erst seit wenigen Jahr­ vorgezeichnet, war aber im Spiel der tektoni­ zehnten als „Hochrhein“ bezeichnen, wurde schen Bewegungen einem merkwürdigen erst im Diluvium abgebogen in den sich wei­ Wechsel der Durchflußrichtungen unterwor­ ter absenkenden Oberrheingraben. Dank der fen. Noch im Alttertiär war die ganze Ent­ tiefen Basis des Großgrabens greift der wässerung nach Südosten, zur Voralpen­ Rhein auch weiterhin in das System der Do­ senke gerichtet, in deren Bereich sich das nauzuflüsse auf der Ostabdachung ein und ganze hydrographische System der Donau lenkt sie nach Süden ab. Den breiten, gefälls- ausbildete. Durch ihre Zuflüsse wurde der armen Tälern der danubischen Abtragung aufgewölbe Südschwarzwald von seinen setzt der junge Rhein enge Schluchten mit Decksedimenten befreit; die mächtigen steilen Flanken entgegen. Er trägt damit bei Schuttmassen der Juranagelfluh beweisen die zum landschaftlichen Kontrast des Hotzen­ gewaltige Leistung der donauwärts gerichte­ walds: Hochflächencharakter im Norden, ten Gewässer. starke Zertalung im Süden. Durch die Bele­ Am Ende des Tertiär setzen neue tektonische bung ihres Gefälles fügten die Hotzenwald­ flüsse den flachen Talwannen steile Engtal­ Eispanzer wurde das Relief eher erhalten als strecken mit konvexem Profil bei ihrem Un­ abgeräumt. terlauf hinzu. Nur in den tiefer eingeschnittenen Tälern Das gesamte Gewässernetz des Südschwarz­ der Flanken bildeten sich Gletscherzungen. walds, dessen Oberläufe noch ostwärts ge­ Während des Stadiums der größten Verei­ richtet sind, wird im „Kampf um die mittel­ sung kam es im Bereich der unteren europäische Wasserscheide“ dem Rhein tri­ und zum Zusammenstoß des Schwarz­ butär. Die „Feldbergdonau“, der Haupt­ waldeises mit dem rißzeitlichen alpinen quellfluß der alten Donau wird „geköpft“ Rheingletscher (G. Rahm, Schwarzwald, S. und damit zum Oberlauf der Wutach. Hier 42). Während des Maximalstandes der Riß- wird der klassische Fall einer Flußablenkung Gletschervorstöße nahm vom Möhliner Feld durch rückschreitende Erosion demonstriert, der Rhein seinen Lauf, um von dort sein Ur­ von einer Gutach zur Wutach. stromtal in eisfreier Zeit nach Osten einzu­ Bei aller erosiven Zerscheidung wird der flä­ tiefen. Sein heutiger Lauf ist erst seit dem chenhafte Charakter des Hotzenwaldes er­ Ende der letzten Kaltzeit ausgebildet, darum kennbar. Für weite Teile ist darin das Gesicht noch unausgeglichen und durch viele ge­ einer Altlandschaft zu sehen, einer Auflage­ steinsbedingte Engtalstrecken und Gefälls- rungsfläche des Deckgebirges, das in den brüche („Laufen“) gestört. Hochgebieten der Abtragung anheimfiel, oder jedenfalls einer pliozänen (spättertiä­ ren) Einebnungsfläche. W. Penck hat in den Siedlungsgeschichte 20er Jahren Flächen verschiedenen Niveaus Weder die Hochflächen noch die zum zu einem System von „Rumpftreppen“ zu­ Hochrhein sich öffnenden Schluchten boten sammengeordnet, also von gebirgswärts trep­ Anreize zu einer frühen Besiedlung. Ältestes penartig umlaufenden Verebnungsflächen. Siedlungsgebiet war das Hochrheintal selbst. Sicher ist die Grundform des heutigen Hot­ Der archäologische Befund weist es als zenwalds eine tektonisch beanspruchte jungsteinzeitliche Siedlungskammer aus. Sie Rumpffläche, die Einebnungsfläche eines bleibt als Querspange im Netz der Römer­ später gehobenen Teils der Erdkruste. Einer straßen zwischen Zurzach—Rottweil und flächenhaften Abtragung folgte mit der He­ Augst—Lopodunum/Ladenburg. Nur der bung ein Wandel der klimatischen Situation Vorwald weist ältere Siedlungsvorstöße auf. im Spätpliozän und Diluvium. Die linien- L. Döbele ordnet weitere Rodungsphasen hafte Zerschneidung begann und prägte den aufsteigenden Höhenstufen zu. Sie rük- junge Züge in ein aufgedecktes greises Ant­ ken die Siedlungsgrenze bis an das Feldberg­ litz. massiv heran. Mit den Aufforstungen der Fürsten von Fürstenberg weichen Rodung und Siedlung aber wieder zurück. Eiszeitlich bedingte Zuformung Schwerpunktartig erfolgte die Besiedlung des Aufgrund seiner Höhenlage erlebte der Hot­ Hotzenwalds in der Ausbauzeit des hohen zenwald in den pleistozänen Kaltzeiten eine Mittelalters. Das Auftauchen von Ortsnamen umfangreiche Vergletscherung. Sein flächen- mit der Endung -ingen oder -wihl (== Wei­ hafter Charakter führte — gegensätzlich zu ler) weist auf die Altsiedellandschaften Klett- alpinen, also Hochgebirgsverhältnissen — zu gau und Aargau, aus denen sie übertragen einer typischen Plateauvergletscherung. Eine wurden. Ihre frühesten Nennungen bestäti­ dünne, lückenhafte Decke glazialer Ge­ gen die späte Gründung. Wie in allen Wald­ schiebe zwingt uns zur Annahme einer Art gebirgen ist die Zahl der Namen mit Stellen­ Flächenvereisung. Unter diesem fast starren bezeichnungen sehr groß (-bach, -berg, 262 -ried, -moos etc.). Eine fast geschlossene Teil in den beengten Lebensverhältnissen Gruppe bilden Orte mit Rodungsnamen, die ihre Ursache. Für den größten Teil der Be­ auf -schwand, -schlag, -holz enden. Sie wei­ triebe war die Ackernahrung zu klein. Den sen sich als Vertreter des weitesten Sied­ kargen Verwitterungsböden des Grundgebir­ lungsvorstoßes aus. ges fehlt es vor allem an Kalk. Das Düngen Siedlungsgeschichtlich aufschlußreich sind mit Rheinschlamm konnte in der Gesamtheit vor allem auch Lage und Formen der Sied­ wenig ändern. lungen. Geschlossenen Dörfern im Hoch­ rheintal folgen auf den Rücken zwischen den südwärts gerichteten Talausgängen oft hau­ Klimabedingungen fendorfartig verdichtete Siedlungen. Sie wer­ Die höheren Lagen des Hotzenwalds sind den abgelöst durch „lockere Dorfsiedlun­ auch wärmeklimatisch Grenzstandorte agra­ gen“ oder, wie sie Martiny nach dem Vor­ rischer Nutzung. Im Stau ostwärts gerichte­ bild Westfalens nannte, durch „Schwarm­ ter atlantischer Luftmassen stellt der Mittel­ siedlungen“, die sich oft meilenlang hinzie­ gebirgskörper eine ozeanisch geprägte Insel hen. Über Zinken (Weiler und Hofgruppen) innerhalb einer kontinentaleren Umgebung und Einzelhöfe schließt sich die Palette der dar. Orographische Struktur und Exposition Siedlungsvorstöße. Die sich über Jahrhun­ bewirken freilich einige erhebliche lokale derte hinweg nach Norden richtende Ro­ Unterschiede. Deutlich wärmer als es von dungstätigkeit unterliegt auch hier dem Ge­ den Höhenlagen zu erwarten wäre sind Hö­ setz des fortwährenden Wandels. Bei der henorte wie Höchenschwand, das „Dorf am Ausweitung von Flur und Siedlung tendiert Himmel“, also mit der großen Fernsicht. sie zu gewannartigen Flurformen und Wege­ Gründe sind in der geringen Bewölkung, da­ dörfern, bei denen man einen Siedlungskern mit in der größeren Strahlungsintensität und vergeblich sucht. Fortgesetzte Realteilung der häufigen Temperaturumkehr gegenüber haben eine hangparallele Streifung mit Ge­ den tiefen Lagen zu suchen. mengelage des stark parzellierten bäuerli­ Im Gegensatz zur Klimagunst der Hochflä­ chen Besitzes bewirkt. Kleinbäuerlich struk­ chen stehen die Hochtäler, die im Verhältnis turierte Landbewirtschaftung bei über die zu ihrer Meereshöhe niedrigere Mittelwerte ganze Flur gestreutem Bodeneigentum ist die aufweisen. Für St. Blasien, die Muttersied­ ungünstigste Voraussetzung für rationellere lung Höchenschwands, legten H. Trenkle Arbeitsverfahren. Gegen Norden wird die und H. v. Rudloff die entsprechenden Werte Farbgebung der Fluren einheitlicher, da sie vor (Schwarzwald, S. 62). Auch die für den immer stärker durch Grünland bestimmt Hotzenwald charakteristischen Muldenlagen werden. Die Siedlungsverdichtung ist nicht sind Zielgebiete abfließender Kaltluft und allein das Ergebnis rein bäuerlicher Koloni­ neigen zu scharfen Frösten, Nebelhäufigkeit, sation. Bergbau und waldgewerbliche Tätig­ Vernässung und Moorbildung. Darum wer­ keiten haben zusätzlich dazu beigetragen, den sie von den Siedlungen in der Regel ge­ den Wald zurückzudrängen oder ihn ver­ mieden. Inversionswetterlagen sind beson­ kommen zu lassen. Zur extensiven Weide­ ders für die Wintermonate bei Hochdruck in nutzung traten Übernutzung durch Werk- allen Mittelgebirgen typisch. Während das und Brennstoffentnahme. Wie in vielen Mit­ Hochrheintal unter einer dichten Hochne­ telgebirgen war Übervölkerung die Folge. beldecke versinkt, die Einstrahlung und Luft­ Oft war freiwillige oder erzwungene Abwan­ austausch verhindert, herrscht über der derung das einzige Ventil, den Bevölke­ Sperrschicht bei großer Luftreinheit Sonnen­ rungsdruck abzubauen. Geistige und mate­ schein und Trockenheit. Bioklimatisch von rielle Not haben zu einem nicht geringen größter Wichtigkeit ist die Dauer des Son­ 263 nenscheins: Im langjährigen Mittel läßt Hö­ Platz machte, bis die Wuchskraft der Böden chenschwand mit seinen Werten die Tief­ erschöpft war. Die heruntergewirtschafteten lagen am Hochrhein hinter sich und reicht Wälder sind heute wieder in Hochwald über­ an die Sonnenscheindauer des Kaiserstuhls führt, freilich mit einem stärkeren Anteil der heran, dem an Sonnenschein reichsten Ge­ schnellwüchsigen Fichte und — neuerdings biet Deutschlands. — der amerikanischen Douglasie. Die Niederschläge erreichen bei weitem nicht die Ergiebigkeit der Luvlagen des Schwarzwaldes, wo Stau- und Aufgleitvor­ Hausformen gänge oft für tagelange heftige Nieder­ Die natürlichen Verhältnisse haben der schläge sorgen. Im Bereich des Feldbergmas­ kleinsten Kulturlandschaftszelle, dem sivs liegen die Maxima im Winter, während Bauernhaus, in verschiedenen Räumen oft im Hotzenwald die Sommerregen dominie­ ähnliche Formen aufgeprägt, daß sie dem ren. Höchstwerte werden in Höchen­ Beschauer wie ein Stück Natur erscheinen. schwand (1015 m NN) ebenso wie in Sege- Aber die Landschaft ist ein offenes System, ten (879 m NN) in den Monaten Juli und das keine eindeutige, unumkehrbare Antwort August gemessen. des Menschen erzwingt. Wuchsklimatisch ist der Hotzenwald gegen­ Das Hotzenhaus ist gekennzeichnet durch über den tiefen Lagen benachteiligt. Die Ve­ ein mächtiges Vollwalmdach, das mit dem getationszeit, durch ein Tagesmittel der Hausgerüst, einer Firstsäulenkonstruktion, Temperatur von mindestens 5°C ausgezeich­ eine Einheit bildet. Es schafft Berge-Raum net, erstreckt sich in den hohen Lagen nur für die Wintervorräte der Viehhaltung, über die Hälfte der Monate des Jahres. Erst Wohn- und Stallräume für Mensch und Tier mit einer Verzögerung von mehr als einem (Wohnstallhaus) auf einem ebenerdigen, Monat gegenüber den Niederungen zieht quergeteilten Einhausgrundriß. Der klimati­ der Frühling ein, wobei er immer wieder schen Situation angepaßt, aber auch dem durch späte Fröste gebremst wird. Wechsel der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und den sich wandelnden Le­ bensgewohnheiten unterworfen, weist das Landnutzung Hotzenhaus auf das Strohhaus des benach­ So hatten sich Landnutzung und Hausbau barten, linksrheinischen Aargau, von wo ein auf enge physische Bedingungen einzustel­ Großteil der Siedler kam. Kleiner dimensio­ len. Wie in anderen Gebirgsräumen erfolgte niert ist es wohl als Kümmerform anzusehen, die Antwort auf die Herausforderung der angemessen an die ärmlicheren Verhältnisse. Natur in einer Ausweitung der Viehwirt­ Man liest von „unvorstellbarem Wohnungs­ schaft. In den Höhengebieten herrscht Dau­ elend“, weil mit der Realteilung sich oft ergrünland vor, es gibt aber auch Übergänge mehrere Familien den bescheidenen Raum zur Egarten- bzw. Feldgraswirtschaft, bei teilen mußten. Die Ärmlichkeit der Ausstat­ der das Grasland nach Jahren des Futterbaus tung, die durch das tief herabreichende Dach und der Weidenutzung umgebrochen wird, und den als Windschutz vor die Wohnräume um Ackerfrüchten Platz zu machen. Viele gezogene „Schild“ bewirkte Lichtarmut, das Weiden neigen zu Vermoosung, Verkrau­ Fehlen eines Kamins u.a. hat das immer wie­ tung und Verhorstung. Sie erinnern an die der beschriebene Hotzenhaus fast völlig aus Bilder, die durch noch extensivere, aber der Landschaft verschwinden lassen. längst verschwundene Nutzungsweisen wie Das „letzte strohgedeckte Hotzenhaus der die Reutbergwirtschaft entstanden, bei der ursprünglichen Form ist in einer beispiellosen Wald für wenige Jahre der Ackernutzung Aktion“ in letzter Minute gerettet worden 264 (H. Richter, Der Klausenhof in Herrisch­ Weit wirksamer für die Erschließung des ried, S. 5). Offenbar hatte das Notstandspro­ südlichen Schwarzwalds war die Rodearbeit gramm für den Hotzenwald nach dem 2. des Reformklosters St. Blasien, das an der Weltkrieg zwar den Lebensstandard der Be­ Stelle einer älteren Einsiedelei auf dem Wald völkerung in erfreulicher Weise gehoben, von Rheinau aus gegründet wurde. Über die aber auch zur starken Dezimierung „origina­ in die Wälder vorgeschobenen Rodungsare­ ler Hotzenhäuser beigetragen“ (H. J. Wör- ale mit Eigenhöfen wurde von den Äbten ner, und der Klausenhof, versucht, ein geschlossenes Territorium mit S. 15). Gelegentlich scheint heute der Ver­ grundherrlicher Organisation und einheitli­ such gemacht zu werden, bei Erhaltung der cher Gerichtsbarkeit und wirtschaftlicher Außenhaut modernen Wohn- und Freizeit­ Nutzung, unabhängig von weltlicher und bedürfnissen angepaßte Zweitwohnungen kirchlicher Macht zu schaffen. Die Bemü­ darin einzurichten. hung um einen geschlossenen, eigenständi­ gen Besitz mußte mit einer Ausdehnung der Tätigkeiten der Klöster Rechte gegenüber der Bevölkerungsgrund­ Verschwunden oder nur als Ruinen erhalten schicht und einer Befreiung von Pflichten ge­ sind auch die festen Burgen des niederen genüber der politischen Herrschaft des Alt­ Adels, die meist auf den Talschultern der landes einhergehen. sich einschneidenden Bäche saßen. Ab­ Interessant ist, daß diese „colonia Sancti Be- schnittsweise Sicherungen des Rodungslan­ nedicti“ sich einem Dynastengeschlecht an­ des wurden sie schon früh dem Verfall preis­ schloß, das, aus dem Innerschwäbischen gegeben, als die Eigentümer sich in die be­ kommend, durch Erwerb von Vogteirechten quemeren Häuser der Altsiedelräume zu­ seinen Grafenamtsbereich zu einem hoheitli­ rückzogen, von wo sie die Siedlung in den chen Staatsgebilde auszuweiten versuchte, Wald vorgetragen hatten. Einige gehörten den Zähringern. Ihre Städtegründungen und zum Dienstadel der gefürsteten Abtei Säk- Klosterstiftungen dienten einer weitsichtig kingen, dem ältesten Kloster im alemanni­ geplanten Sicherung der Gebirgsübergänge schen Raum. Es datiert sich zurück auf die eines freilich kurzlebigen „Schwarzwald­ irische Mönchskolonisation mit dem „Apo­ staats“. Neue Aufgaben als Rektoren (Ver­ stel Alemanniens“, zu dessen Festtag, dem weser) Burgunds orientierten sie nach den Fridolinstag, sich die Bevölkerung beider europäischen Kernräumen. Das frühe Aus­ Seiten des Hochrheins, dem ehemaligen sterben des Geschlechts ließ ihr Erbe verfal­ Herrschaftsbereich des Klosters hier zusam­ len. menfindet. Als Barbarossa die Vogteirechte des Klosters an die Grafen von Habsburg übertrug, schied er Glarus aus, um die wich­ Die Rolle der Habsburger tigsten Zugänge zu den Bündner Pässen Hotzenwald und St. Blasien wurden von reichspolitisch zu sichern. Trotz dieser Ab­ Konrad IV. im Jahre 1254 einem staufer­ trennung blieb St. Fridolin der Landespatron treuen Dynastengeschlecht, das sich nach des Kantons Glarus. Im Hotzenwald trug die seiner aargauischen Stammburg benannte, Rodearbeit der Stiftsbauern die Grundherr­ den Habsburgern, übergeben; ein Jahrhun­ schaft des Damenstifts etappenweise weit in dert zuvor hatten sie die Reichsvogtei über dessen klimabegünstigten Südwesten vor. Säckingen erworben. Ihre Erwerbspolitik Um viele von ihnen begründeten Dinghöfe richtete sich auf ein Wiedererstehen des alten haben sich später weitere Höfe angesiedelt; Herzogtums Schwaben durch Zusam­ sie sind damit zu Ansatzpunkten für menschluß der zersplitterten Herrschafts­ „Schwarmsiedlungen“ geworden. und Besitzrechte. Sie forderte den Wider­ 265 Aichen, Zeichnung von Prof. Richard Bellm

stand freiheitlicher Kräfte heraus. Die Eidge­ feierte Heimattag dient dem Gedenken an nossenschaft ist als eine Reaktion auf die die Rettung der Stadt vor den Eidgenossen, wachsende Macht Habsburgs zu betrachten. die allerdings wenige Jahrzehnte später Tien­ Als sich das Schwergewicht der Aktivitäten gen plünderten und brandschatzten. Die des Hauses Habsburg nach Osten verlagerte, heutige Grenzziehung am Hochrhein kann blieb die Integration seiner Westlande un­ als das geronnene Bild der geschichtlichen vollendetes Stückwerk. Die Streulage dieser Auseinandersetzungen zwischen Eidgenos­ Vorlande begünstigte das Aufkommen zen­ sen und Österreich betrachtet werden. Das trifugaler Kräfte; aber das Hochrheintal rechtsrheinische Überlappen des eidgenössi­ mußte als Verkehrsachse Vorderösterreichs schen Territoriums scheint die Überlegenheit erhalten bleiben. Seine Lebensfähigkeit war schweizerischen politischen Handelns zu do­ freilich ständiger Bedrohung ausgesetzt. kumentieren. Festtage wie die Waldshuter Chilbi erinnern an die lange Belagerung durch die Eidgenos­ Sonderrechte sen, aus der sich die Stadt, bereits sturmreif, Über die Hochrheinfurche hinweg sind na­ nur durch eine List befreien konnte. Der als türliche Voraussetzungen zu vermuten, die Schwyzertag in der Teilstadt Tiengen ge­ genossenschaftlichem Handeln förderlich 266 waren und zur Abwehr obrigkeitlicher Über­ Motor für die Bestrebungen der Hotzenwäl­ griffe reizten. Daß gebirgiges, schwer bear­ der, diese Rechte zu erhalten und sie über beitbares Gelände, daß schwer zugängliche, die herrschaftliche Abstufung hinaus auf alle aber strategisch wichtige Räume, daß harte Bewohner auszudehnen. Nach K. F. Wernet Lebensbedingungen bei ständig drohenden gab es im 15. Jahrhundert sogar starke Ten­ äußeren Gefahren gegenseitige Abhängigkeit denzen, die Grafschaft Hauenstein der Eid­ und Verbundenheit förderten, darauf hat K. genossenschaft anzuschließen (ZGORh, Weller erstmals hingewiesen. Freilich handelt Bd. 99, S. 623). Mit ständig drohenden Kon­ es sich bei den Sonderrechten der Hotzen­ flikten standen herrschaftliche und genossen­ wälder nach H. Schwarz (Hotzenwald, schaftliche Gewalt einander gegenüber. S. 142 ff.) nicht um „uralte Freiheit der Ah­ Die geschichtlichen Quellen erlauben kein nen“, auch nicht um Privilegien für die ge­ abschließendes Urteil. Sicherlich reichten die samte Bauernschaft oder Sonderrechte als Kräfte im Hotzenwald nicht aus, eine politi­ Ausgleich für den kargen Boden; für die Zu­ sche Form zu schaffen ohne herrschaftliche gehörigkeit zu der ständisch freien Schicht Zustimmung. Vielleicht wurde sie auch gar ist nicht die persönlich freie Stellung des nicht angestrebt. Erreicht wurde die vielbe­ Bauern, sondern die „dingliche Grundlage, schriebene Organisationsform der Einung, in der Besitz eines Freiguts entscheidend“. „Die der alle bäuerlichen Genossen jährlich in of­ Freien des Hotzenwalds sind freie Vogtleute fener Versammlung am Tage des hl. Jerg der Habsburger.“ Sie sitzen in Gebieten der (Georg), dem legendären Kämpfer für Recht 2. und 3. Ausbauschicht als „Keil zwischen und Freiheit, ohne obrigkeitliche Einengung den Besitzungen von Säckingen und St. Bla­ ihre Vertreter, die Einungsmeister, wählten. sien“, aber auch im altbesiedelten Muschel­ Aus der freien Wahl der 8 Einungsmeister kalkgebiet (Hotzenwald, S. 143), nicht je­ ging dann der „Redmann“ (Sprecher) her­ doch in den bioklimatisch ungünstigsten Ro­ vor, der die Bauern in der Versammlung der degebieten. Landstände mit Sitz und Stimme vertrat. Doch welches waren die Freiheiten der Frei­ Symbolhaft repräsentiert war er durch den bauern? „Ähnlich wie in der Schweiz bilde­ Besitz von Siegel und Fahne, die wie andere ten die . . . Freien einen gesonderten Ge­ Hoheitsmerkmale (Waffenbesitz, Jagd- und richtsverband.“ Das Freigut, „unabhängig Angelrecht) nur dem Adel zustanden. vom Wechsel der Person, war dem Recht Zu weiteren Zugeständnissen konnte sich das und der Gerichtsbarkeit der Freigerichte un­ Erzhaus nicht bereit finden. Die „Freien“ terworfen.“ Auch „die Freiheit von fremdem Einungen aus dem lockeren habsburgischen Gericht“, bestätigt von Friedrich III., ist nach Staatsverband zu entlassen hätte das Einver­ Schwarz ein deutlicher Hinweis darauf, daß ständnis bedeutet, daß «die Eidgenossen den in gerichtlicher Hinsicht eine Entwicklungsli­ Hochrhein, die Lebensader Vorderöster­ nie von den Freibauernrechten zur Einungs­ reichs abriegelten. Die Bauern brauchten verfassung hinüberführt (S. 156). Den Hot- Habsburg in der Auseinandersetzung mit St. zenwald-Einungen standen auch genossen­ Blasien, dessen Äbte immer wieder versuch­ schaftliche Regelungen wirtschaftlicher An­ ten, ihre Herrschaftsansprüche in die Graf­ gelegenheiten, der Steuerzuteilung, der schaft Hauenstein vorzuschieben. Wahl der Standesvertretung zu, alles „An­ sätze kommunaler Selbstbestimmung“. Sicher wirkte das Vorbild der Eidgenossen, Unruhen denen es gelang, die genossenschaftliche Die formal-juristisch begründeten Forderun­ Idee zum tragenden Prinzip eines eigenen gen der Äbte an ihre zinspflichtigen Bauern Staatswesens zu machen, als bewegender wurden als Kränkung und Unterdrückung 267 empfunden. Andererseits waren sie bestrebt, schen Geschichte) in einer totalen Bedro­ die klösterliche Freiheit gegenüber den Ver­ hung, dem neben der geistigen Tradition suchen der Vögte zu festigen, ihre amtliche auch die religiöse Kunst, wie im benachbar­ Funktion zu Herrschafts rech ten umzuwan­ ten, von Zwingli beherrschten Zürich zum deln (Feudalisierung). Von verschiedenen Opfer fielen. Mangelndes Zusammenwirken, Ebenen gingen so Bestrebungen aus, einheit­ das Fehlen einer einheitlichen Führung der liche Rechtsgebiete zu schaffen, von Seiten Bauernhaufen, ließ ihre Sache bald verloren der Einung durch die Befreiung von leibherr­ gehen; die Verweigerung einer Hilfeleistung lichen Verpflichtungen, vom Kloster her Zürichs zwang auf die Knie. durch Ausdehnung der Leibeigenschaft zur Die Bauernschaft ging geschwächt aus dem Eindämmung der Gefahr der Abwanderung, Kampf hervor, die Stadt verlor viele ihrer damit des Wüstfallens der Landschaft, von Rechte. Noch härter wurde der Wohlstand Habsburg aus, um das Gebiet, in dem es die von Wald und Waldshut im 30jährigen Krieg Hochgerichtsbarkeit ausübte, unter eine ein­ und in den Erbfolgekriegen getroffen. Die heitliche Verwaltung zu stellen. Immer ging Spannungen wuchsen. es um ein einheitliches Rechtsgebiet. Die Einungen waren bereit, die landesherrli­ chen Hoheitsrechte anzuerkennen, wehrten Salpeterer-Aufstände sich aber erbittert gegen die wiederholten Während der Erbfolgekriege brachen die Versuche der Grundherrschaft St. Blasien, Unruhen der „Salpeterer“ auf dem Walde ihren Immunitätsbezirk („Zwing und Bann“) aus. Selten hat ein lokaler Aufruhr in ähnlich auszuweiten und die Rechte der Einungen vielen Beschreibungen seinen Niederschlag einzuschränken. Lange vor dem Bauernkrieg gefunden. Die Auflehnung richtete sich vor entzündeten sich aus dieser Gegnerschaft allem gegen die Bezeichnung „leibeigen“ für heftige Aufstände gegen das Kloster (1370). die Klosteruntertanen, aber auch weitere Ein „ständiger Kleinkrieg“ (Haselier, S. 37) grundherrschaftliche Eigentumsverhältnisse. gipfelte schließlich in dem Zug von mehreren Eine Milderung des Ausdrucks zu „eigen“, hundert Bauern an Allerheiligen 1524 gegen vom Kloster interpretiert als sachliche Ver­ St. Blasien, der für das Kloster zunächst pflichtung, fand nicht die Zustimmung der glimpflich ablief, dem aber im folgenden Bauern. Man steuerte nach Schweizer Mu­ Frühjahr Plünderungen und Zerstörungen ster Reichsunmittelbarkeit an, wobei man die sich anschlossen. Herrschaft zur bloßen Schutzmacht zu redu­ Untersützt wurden die Bauern von der Stadt zieren versuchte. Die Nachbarschaft zu den Waldshut, die Bundesgenossen suchte, als sie Eidgenossen war dem Überspringen freiheit­ sich unter dem Einfluß von Zwingli der Re­ licher Ideen förderlich. Sie bot immer flüchti­ formation zuwandte und schließlich mit dem gen Salpeterern Schutz und Unterschlupf. ehemaligen Theologieprofessor Hubmaier Viele familiäre Verbindungen gingen zur sich als einzige Stadt neben Münster der Schweiz: Die Mutter des Johann Fridolin Al- Wiedertäuferbewegung anschloß und damit biez, des Initiators, dessen Beiname „Salpete- in die totale Isolierung steuerte. So entstand rerhans“ der Bewegung den Namen gab, war eine Verbindung von religiösen und politi­ Schweizer Abkunft (Metz, S. 287). Neben schen Bestrebungen, von Heilserwartungen seiner Landwirtschaft betrieb er das Sam­ und revolutionärem Umbruch, aufgepeitscht meln von Salpeter, den man durch Abkrat­ durch die Agitation von Thomas Münzer. zen des Mauersalpeters von den Stallwänden Der Traum einer totalen Neuordnung, der gewann. Durch Versetzen mit Pottasche, die Errichtung des Reiches Gottes auf Erden war auch im Wald gewonnen wurde, Sieden und eher ein Taumel (nicht einmalig in der deut­ Eindampfen erhielt man Kalisalpeter, einen 268 wichtigen Rohstoff für Gerber, Färber, Apo­ Der im Jahre 1738 zwischen den Einungen theker und Pulvermüller. Der Salpeterhandel und dem Kloster erreichte Ablösungsvertrag war ein privilegiertes Gewerbe und ermög­ für feudale Verbindlichkeiten brachte dem lichte dem Salpeterhans ein beachtliches Ver­ Hotzenwald keine Lösung, da dieser wieder mögen und politischen Weitblick. Auch die bekämpft wurde unter der Vorgabe, St. Bla­ anderen Anführer, die „Erzrädelsführer und sien habe keine Rechte zu verkaufen gehabt. Hauptrebellen“, wie sie der Gesandte St. Bla­ Bei hohen Zins- und Kriegslasten fanden die siens am Wiener Hof, der Freiburger P. „Unruhigen“ mit ihren Aufrufen zum Steuer­ Herrgott in seinen umfangreichen Tage­ streik bei der übrigen Bevölkerung leicht Ge­ buchaufzeichnungen nannte (Bad. Heimat, hör. Die Freiheitsbewegung entartete zu ei­ Jahresheft 1932, S. 297), muten nicht hinter­ nem Revoluzzertum mit bürgerkriegsähnli­ wäldlerisch an. Der „Preuß“ war im preußi­ chen Ausschreitungen gegen Leben und Gut schen Heer viel gereist, ebenso wie der Spiel­ der „Ruhigen“ und deren Einungsmeister. mann Hottinger oder das „Glasmännle“, Die zeitweilige Besetzung des Hotzenwaldes dem E. Müller-Ettikon in den Beiträgen zur durch französische Truppen im österreichi­ Geschichte des Hotzenwalds eine Charakter­ schen Erfolgekrieg nutzten die „Unruhigen“ studie widmet. Als Glasträger ging er, mit zu einem Versuch, sich aus dem Staatsver­ der Krätze voller Glaswaren auf dem Buckel, band zu lösen. Der bewaffnete Aufstand für die nahe Glashütte auf dem Wald und in brach 1745 unter den Schlägen des österrei­ der Schweiz hausieren. Weitläufig wie er chischen Militärs zusammen. Da man keine war, erklärte er sich bereit, die Sache der Märtyrer mehr machen wollte, vermied man Bauern am kaiserlichen Hof zu vertreten, wo zu harte Strafen. Die Haupträdelsführer man diese eher als „ungehorsame Kinder“ wurden mit ihren Familien donauabwärts de­ denn als Rebellen betrachtete. Es ist interes­ portiert und auf die Dörfer im Banat verteilt. sant zu verfolgen, wie sich später sein Weg als Flüchtiger immer wieder zu beiden Seiten der Grenze verliert, bis sein unruhiges Leben Unter badischer Herrschaft in der Festungshaft in Ungarn sein Ende fin­ Der Widerstand schien gebrochen, aber der det. Das Schicksal bedeutete für viele Salpe- Übergang an Baden wurde mit dem größten tererfamilien Verbannung donauabwärts in Mißtrauen zur Kenntnis genommen. Man den katholischen Banat, wo sie ihre wäldleri- hatte unter österreichischer Herrschaft weit­ sche Eigenart entsprechend ihren jeweiligen gehende Selbstverwaltung genossen, in ei­ Vermögen noch lange bewahrten. Die Zu­ nem Verband, der Kleinstaaterei begünstigte. rückgebliebenen sind in ihrem Kampf gegen Obendrein konnte man stolz darauf sein, die Obrigkeit zwar unterlegen, haben aber daß der Landesherr zugleich Kaiser des Rei­ ihre alten, inhaltlich wohl nicht definierten ches war. Der neue, ein Großherzog, der in Rechte und Freiheiten so erbittert mit Zäh­ Karlsruhe residierte, war unbekannt, dazu nen und Klauen, mit Ihrem „Hotzentrotz“ noch evangelisch. Reformen in Verwaltung, also, gegen deren Übergriffe verteidigt, daß Kirche und Schule, wie sie von Kaiser Josef sie unsere Achtung und Bewunderung ver­ II. schon eingeleitet waren, schienen den dienen. Wenn sie heute zu Exponenten für konservativen Salpeterern zu modern. Trotz eine breite Widerstandsbewegung gegen „die aller Beschwichtigungen von höchster Stelle da oben“ hochgesteigert werden, wird eher lebte der alte Widerstand wieder auf (Metz, die Position des Berichters entlarvt als die S. 232). Man verweigerte dem badischen der Hotzenwälder. Reformatorische oder so- Staat „Huldigung, Steuerzahlung und Mili­ zialreformerische Zielsetzungen waren ihnen tärdienst“. Die Renitenz formierte sich neu fremd. unter Agidius Riedmatter, der sich durch die 269 Erscheinung des Geistes von Albiez zu des­ cher Herrschaft (Fernsehsendung des 3. Pro­ sen Nachfolger bestimmt sah. Sein Gefolge, gramms SW vom 12. 12. 1985), und Zwangs­ die „Agidler“, gelobten Treue zum Erzhaus maßnahmen an die neue Ordnung zu ge­ Österreich und zum alten Glauben. Ihr trot­ wöhnen, vermochten lange nicht, ein neues ziges Mißtrauen wandte sich ebenso gegen Staatsbewußtsein zu schaffen. Die Vorrechte kirchliche Neuerungen und deren Vertreter, mußten der einheitlichen Staatsform geopfert die Ortsgeistlichen, die zugleich Schulin- werden. Die nach französischem Muster be­ spektoren waren. Man warf ihnen Abfall gründete Organisationsform der Mittelbe­ vom rechten Glauben vor. Selbst der Bischof hörden nahm auf historisch gewachsene Ein­ galt als „Glaubensabtrünniger“. Man trat in heiten keine Rücksicht, war eher darauf aus, den Kirchenstreik und verweigerte den Pfar­ sie zu beseitigen. Viele Hotzenwälder kehr­ rern priesterliche Handlungen. ten der Heimat den Rücken oder wurden Daß bei der Stützung dieser Widersetzlich­ zwangsweise ausgesiedelt. „1851 wurden aus keiten den Frauen eine dominierende Rolle dem Kirchspiel Herrischried über 500 Perso­ zukam, war neuerdings im Zuge der femini­ nen auf Staats- und Gemeindekosten nach stischen Bewegung Anlaß zur These, auf Amerika verbracht“ (zitiert bei Metz, S. dem Wald seien noch tief verankerte vorger­ 736). manische Glaubensvorstellungen mutter­ rechtlicher Prägung am Leben. Maria als Symbol des Widerstands gegen die Mächti­ Hausindustrie gen? Die Bestrebungen der Amtskirche, den Schon während der Rodungsphasen standen Marienkult durch Verbote einzuschränken, hausgewerbliche Tätigkeiten ergänzend ne­ habe zur Folge gehabt, daß man sich außer­ ben der agrarischen Produktion. E. Gothein halb der Kirchen versammelte, um in priva­ erwähnt in seiner Wirtschaftsgeschichte des ten Bereichen vor Marienstatuen gemeinsam Schwarzwalds (Straßburg 1892, S. 519) die den Rosenkranz zu beten. Nun gab es frei­ Woll- und Hanfspinnerei der dem Kloster St. lich auch eine Rosenkranzbruderschaft in Blasien Hörigen des 14. Jahrhunderts, wobei Säckingen, als die Türken vor Wien standen. von der Herrschaft Rohmaterial und Lichter Im Säckinger Doppelkloster hatte allerdings in die Häuser geliefert wurden. auch die Abtissin — ebenso wie in Zürich — Wichtiger war der Einfluß der Schweizer In­ das Sagen, die Oberhoheit. Daß auch in der dustrie, deren Textilien Weltgeltung besa­ Stadt Waldshut die Weiblichkeit während ßen, auf die Hauensteinischen Einungen. der Glaubenskämpfe zu den Waffen griff, Schon im 16. Jahrhundert war Basel eine paßt vielleicht nicht ganz in das Bild. Aber „Freistatt der Sektierer“ (Gothein, S. 728) nach einer neueren Untersuchung (1985) und als „Kalvinistische Diaspora“ mit den sind Frauen eher bereit, Gewalt anzuwen­ Antrieben kalvinistischer Religiosität (F. den. Schnabel) eine Pflanzschule der Kapitalwirt­ In seiner Geschichte des Hotzenwaldes (S. schaft. Stand im frühindustrialisierten Raum 65) sagt Haselier, die Bauern „verharrten in jenseits der Grenze Kapital zur Verfügung, steriler Distanz“ zu Staat und Kirche. Hans- wurde im hoffnungslos parzellierten Hotzen­ jakob spricht von der Entartung einer frei­ wald der Zuerwerb eine gebieterische Not­ heitlichen Bewegung zu religiösem Sektierer­ wendigkeit. Schweizer Kapital gab den An­ tum. Die bürokratischen Entscheidungen der stoß, billige, saisonal in einem ausgeprägten fernen Landesregierung des Flächenstaats, Jahreszeitenklima mit langer Vegetations­ durch Strafen, Pfändungen, deren Menge ruhe brachliegende Arbeitskraft willigte ein. sich nicht nach dem Existenzminimum der Sie konnte bei Beginn des Winters das Roh­ Haushalte richtete wie einst unter klösterli­ material übernehmen; im Frühjahr wurden 270 dämiu

Gschwend, Zeichnung von Prof. Richard Bellm

die fertigen Stücke abgeholt. Das auf dem Schon im frühen 18. Jahrhundert hatte sich undurchlässigen Grundgebirge weit ver­ in Waldshut ein städtisches Patriziat ausge­ zweigte Gewässernetz stellte das für die Tex­ bildet. Ihm gehörten Webstühle und Manu­ tilien wichtige weiche Wasser. Im Hotzen­ fakturen, in denen die Veredelung im Färbe­ haus ließ sich genügend Raum schaffen für rei- und Appreturbereich erfolgte. Spinnrocken und Webstuhl. Das gesamte Wirtschaftsleben der Land­ schaft wurde durch das Textilgewerbe um­ Technischer Fortschritt strukturiert, die angestrebte Befriedung Die erste mechanische Baumwollspinnerei, durch sinnvolle wirtschaftliche Tätigkeit ein Schrittmacher der Maschinentechnik, schien erreicht. In der Form des Verlagswe­ wurde in den leerstehenden Gebäuden des sens organisiert geriet die „frühkapitalisti­ Klosters St. Blasien eingerichtet, die nach der sche Produktion“ (Sombart) in die Abhän­ Vertreibung der Mönche vom badischen gigkeit der Städte um den Hochrhein. Nicht Staat übernommen worden waren. Der unge­ selten wurde die Arbeit durch betrügerische nutzte Raum erwies sich als der einzige Mittelsmänner ausgebeutet. Standortfaktor für die Begründung einer 271 Produktion von Spinnereimaschinen, war sie Häuser, um ihre Heimwebstühle anzutrei­ doch recht kurzlebig. ben. Die Möglichkeit des Ferntransports von Ein neuer Anstoß erfolgte, als Baden dem elektrischer Energie bei unerheblichen Ver­ Zollverein beitrat, damit zur Schweiz hohe lusten, die flächendeckende Versorgung mit Zollmauern aufrichtete, denen gegenüber die elektrischem Strom, der ja in kleinsten Men­ Zölle der Kantone nur ein bescheidenes Ni­ gen verteilt werden kann, hatten Hoffnun­ veau hatten. Durch Qualitätsverbesserungen gen geweckt, die Streu der Arbeitsplätze in allein konnte die kantonale Industrie ihren den Dörfern des Hotzenwaldes erhalten zu Zugang zu dem von Zöllen umgebenen können. Doch haben diese Bedingungen in Markt nicht behaupten. Schweizer Betriebe allen Textilgebieten nur kurzfristig eine Sta­ siedelten sich im Zollausland Baden an; sie bilisierung der Betriebe gebracht. brachten nicht nur Kapital, sondern auch Auch der Ausbau der Verkehrsverbindungen technisches know-how und damit wertvolle war für die Textilindustrie durchaus zwei­ Impulse. Auch für mechanisierte Großbe­ schneidig. Als Träger der Frühindustrialisie­ triebe, die i. a. als Filialbetriebe gegründet rung wurde sie dem stärksten Konkurrenz­ wurden, waren die erforderlichen Produk­ druck ausgesetzt. Wettbewerbsverzerrende tionsbedingungen gegeben: Arbeitskräfte, Produktionsbedingungen der Niedriglohn­ die durch das traditionelle Hausgewerbe mit länder mit ihrem Überangebot an Arbeits­ der Herstellung von Textilien vertraut wa­ kräften gefährdeten schließlich den Bestand ren, und das Vorhandensein von Wasserkraft der Märkte, zumal sie arbeitsintensiv war. als Energiequelle, besonders in den engen Die Produktionsausweitung der Nachkriegs­ Tälern von Alb und Wehra. Der Baumwoll­ zeit ist der Kapitalintensität zu verdanken, industrie als der wachstumsfähigsten Bran­ die die Produktionskosten zu senken ver­ che galt das Hauptinteresse. mochte. Dieser Innovationsschub mit seinen Der etwas zögerliche Beitritt Badens zum großen Kapitalinvestitionen (Investitionsauf­ Zollverein, in dem ja Preußen die Oberhand wand 2 Mill. DM/API) zwang wiederum zur hatte, brachte also keine Isolierung vom süd­ Konzentration der Produktion. Die lockere lichen Nachbarn; die Grenze wurde sogar Streu von Spinnereien und Webereien wurde zum Standortfaktor und ermöglichte dem aus dem Gebirge abgesaugt und auf die sich Hochrheingebiet den Anschluß an den wirt­ schließende Industriegasse am Hochrhein schaftlichen Vorsprung der Schweiz, die ja konzentriert. Die hausgewerbliche Tradition von den Kriegen verschont geblieben war. So hatte immerhin zur Folge, daß in den Ne­ greift hier ein Wirtschaftraum mit einem ho­ benerwerbsbetrieben des Hotzenwalds seit hen technischen Entwicklungsstand über den Generationen auf nicht-agrarische Berufe Staatsraum hinweg. Der Bund zwischen vorbereitet wurde; so gibt es nur eine relativ Technik und Kapital brachte der Textilindu­ geringe Zahl ungelernter Arbeitskräfte auf strie am frühesten den Großbetrieb. Nur in dem W ald. den Städten konnte er sich niederlassen, wo­ bei er das Heimgewerbe in Krisen stürzte. Da zeigte es sich wieder, daß die Hotzen­ Gewerbliche Traditionen wälder nicht nur zurückblickten, sondern Vom Gesichtspunkt der Rohstoff- und Ener­ nach Mitteln und Wegen Ausschau hielten, gieversorgung her gesehen bot das Wald­ ihre prekäre Wirtschaftslage zu stabilisieren. bergland für frühe gewerbliche Tätigkeiten Als das älteste deutsche Laufkraftwerk am günstige Voraussetzungen (Metz, S. 347 bis Hochrhein errichtet war, holten sie nach der 556). Flächenhafter Reichtum an Holz, li- Gründung der Kraftabsatzgenossenschaft nienhaft verfügbares Wasser und punkthaft „Waldelektra“ den elektrischen Strom in ihre in Tälern und an Bergflanken ausstreichende 272 Erz- und Mineralgänge boten, wie in allen Ablösung dieser Kleinbetriebe durch Manu­ ozeanisch geprägten Waldgebirgen, natürli­ fakturen und Fabriken war vorprogrammiert, che Standortvoraussetzungen für frühindu­ nachdem sich ihre Lagevorteile durch Ände­ strielle Unternehmen. Die Eisenhütten mit rung der Energiebasis (Steinkohle ersetzt ihren Blasebälgen, die Hammerwerke mit ih­ Holz), durch Verarmung der Lagerstätten ren Frischfeuern und Schmiedehämmern wa­ und den Massenbedarf an Rohstoffen geän­ ren auf Wasserkraft angewiesen. Die viele dert hatten. Das Massenangebot an Billigwa­ Kilometer langen Wuhren entstanden wenig­ ren verdarb schließlich den Markt. Die er­ stens teilweise durch diesen Bedarf. sten Schritte waren getan zur Industrialisie­ In Laufenburg werden Eisenschmelzen schon rung größeren Stils, ohne Proletarisierung 1207 erstmals genannt (Vorderösterreich, S. und politische Radikalisierung der neuen In­ 145). Als Mittelpunkt der Eisenverhüttung dustriereviere. war Laufenburg auch Sitz des Hammer­ Die Revierferne konnte auch mit dem frühen schmiedbundes, einer Gemeinschaft von Bau des Massenverkehrsträgers Eisenbahn Bergleuten, Hüttenmeistern und Hammer­ im Anschluß an die Hauptstrecken des Lan­ schmieden mit zunftartiger Verfassung. Auch des nicht beseitigt werden. Das große Poten­ St. Blasien betrieb einige Eisenwerke dort, tial der hier verfügbaren Wasserkraft, in der wo der Energieträger Holz durch Wildflöße­ vor- und frühindustriellen Zeit schon ein ent­ rei antransportiert werden konnte. Mit einem scheidender Standortfaktor, bot nach der Rechen wurden Stämme und Scheitholz aus Umwandlung in Elektrizität durch die Wei­ den Gewässern gesammelt, zum Hüttenwerk terentwicklung des Wasserrads zur Turbine gebracht und dort verkohlt. Bis in das 18. und deren Verbindung mit einem Stromge­ Jahrhundert „mußte man für die Erzeugung nerator einen Ausgleich für die großen Ent­ von einem Zentner Eisenware mit der fast fernungen zu den wirtschaftlichen Kernräu­ 20fachen Holzmenge rechnen“ (Metz, Vor­ men. Die Stromgewinnung schien zum derösterreich, S. 279). Rückgrat der Wirtschaft am Hochrhein und Die Flößerei bei den Laufen am Hochrhein im Hotzenwald bestimmt. war genossenschaftlich geregelt. Wo nicht geflößt werden konnte, nutzten Glasmacher die Wälder. Besonders im Südschwarzwald Elektrizitätswirtschaft häuften sich die Glashütten. Mit ihren gro­ Mit der Inbetriebnahme des ersten hydro­ ßen Rodungsflächen waren sie oft Pioniere elektrischen Kraftwerks auf europäischem agrarischer Nutzung. Nur ein Bruchteil der Boden, dem Elektrizitätswerk Rheinfelden, Wärme, die bei der Verbrennung entstand, kündigt sich am Ende des 19. Jahrhunderts wurde für die Glasherstellung ausgewertet; eine neue Phase der technischen und wirt­ es ging den Glasmachern vor allem um den schaftlichen Entwicklung an. Die Vorausset­ Gehalt an Kalium, das für Glas gebraucht zungen und Hemmnisse, die positiv und ne­ wurde. So richtete sich die Holzfällerei auf gativ zu bewertenden Folgen sind vielfach die an Kali reichen Buchen und drängte mit beschrieben worden; sie seien hier nur kurz diesem Einschlag den Laubholzanteil des skizziert. Waldes erheblich zurück. Der Hochrhein ist für die Elektrizitätsgewin­ Hinter der den Wald vernichtenden Wir­ nung hervorragend geeignet. Als außeralpi­ kung der Eisen- und Glashütten blieb die ner Flußabschnitt bietet er den gefällsreich- Holzschneflerei weit zurück. Bei ihrer gerin­ sten Lauf Mitteleuropas (l%o). Die Fließge­ gen Standortbindung war sie, den Nagel­ schwindigkeit ist entsprechend hoch. Aber schmieden gleich, in hausgewerblichen auch die Wasserführung gibt dem Hochrhein Kleinbetrieben über den Wald gestreut. Die eine Sonderstellung unter vergleichbaren 273 Flußsystemen. Bei seinem west-östlichen ein Verbundnetz als eine Möglichkeit, den Verlauf erhält er den Wasserreichtum von Verbrauch nach Bedarf zu beliefern. Hoch- und Mittelgebirge. Er kann deren Eine andere Kombination von Stromgewin­ Wasserangebot ausgleichen, wobei das Bo­ nungsarten für Grundlast und Spitzenbela­ denseebecken mithilft. Im Sommer erreicht stung ist der Verbund von Laufwasserwerken die Wasserführung ihren Höchststand. Mit bzw. Wärmekraftwerken mit Pumpspeicher­ der Aare gewinnt der Hochrhein einen Zu­ anlagen. Nicht abgerufene Mengen aus den fluß, der sein eigenes Angebot übersteigt. Für die Grundlast tragenden Werken werden die Stromgewinnung bedeutsam ist die Ge­ dazu verwendet, um Wasser in hochgelegene schiebeführung; sie ist durch natürliche Seen natürliche oder künstliche Becken zu pum­ und Stauhaltungen der Zuflüsse niedrig ge­ pen. In Zeiten großen Bedarfs wird das hoch halten. gepumpte Wasser im Rückfluß zur Erzeu­ Kein Wunder, daß der Grenzfluß in schnel­ gung von hochwertigem Spitzenstrom ver­ ler Folge durch die rohstoffarmen Anrainer wendet. mit einer Reihe von Kraftwerkssystemen be­ Die Voraussetzungen für eine Pumpspeiche­ setzt wurde, die immerhin zusammen das 10- rung im Verbund mit Laufkraftwerken sind fache der Leistung des kanalisierten Neckars hier nahezu ideal. Hohe Niederschlagsmen­ erbringen. Besonders die kapitalstarke West­ gen begründen den großen Wasserreichtum schweiz war am Ausbau des Hochrheins zur des Hotzenwalds. Ungleichmäßiges Angebot Stromschiene interessiert. Die bereits um die kann durch Entnahme von Pumpwasser im Jahrhundertwende mit Schweizer Kapital ge­ Kraftwerk Waldshut ausgeglichen werden, gründete stromgebundene Industrie prägt wenn der Rhein etwa infolge der alpinen noch heute die Wirtschaftsstruktur des Schneeschmelze eine besonders große Was­ Raums. Es handelt sich i.a. um Filialbetriebe serführung aufzuweisen hat. Einem erhöhten von Mutterunternehmen der chemischen, Kraftbedarf im Winterhalbjahr wird man metallurgischen und holzverarbeitenden durch Aufstauung des Schluchsees um 29 m Branchen. Ihre ausgeglichene Verbrauchs­ gerecht. kurve macht sie für die Elektrizitätswerke Hier stand ein glazial überformtes Tal (Zun­ besonders interessant, da sie i.a. durchge­ genbecken) zur Verfügung, das nach dem hend arbeiten und gleichmäßig große Strom­ Bau einer Staumauer 108 cbm Nutzwasser mengen abnehmen. Sie kommen ihnen daher speichern kann. Seiner Größe entsprechend mit günstigeren Tarifen entgegen. gab der Speicher dem ganzen System seinen Namen. Der Höhenunterschied von 620 m Anders ist es bei Verbrauchergruppen, die ei­ vom Spiegel des angestauten Sees zum nen jahreszeitlich und besonders tageszeit­ Hochrhein wird in einer Treppe von drei lich unterschiedlichen Bedarf entwickeln. Kraftwerksstufen genutzt. Die Elektrizitätswerke müssen in der Lage Als Hauptschlagadern verlaufen die Druck­ sein, mit ihren Kapazitäten auch den maxi­ stollen im Grundgebirge, das in der Lage ist, malen Belastungen zu entsprechen, die dem hohen Wasserdruck ohne größere zu­ Stromerzeugung also der schwankenden sätzliche Panzerung standzuhalten. Dank Verbrauchskurve anzupassen. Da der Strom der günstigen natürlichen Voraussetzungen'- als sekundäre Energie sich aber nicht aufbe­ wurde dem Schluchseewerk, der ältesten und wahren läßt, muß ein Teil der installierten größten deutschen Pumpspeicheranlage das Kapazität ungenutzt bleiben. Wärmekraft­ Hotzenwaldwerk an die Seite gestellt. werke können sich dem Verbraucher besser Nach dem Vorbild des Schluchseesystems anpassen. So erweist sich ein Zusammen­ kann auch hier das natürliche Wasserange­ schluß verschiedener Kraftwerkstypen durch bot mit Pumpwasser aus tiefer gelegenen 274 Fassungen in höher liegende Wasserhaltun­ durch Zufahrten und Auffangbecken verän­ gen ergänzt werden. Dafür steht billiger dert. Nachtstrom der Dampf- und Laufkraftwas­ Schon bei der Planung der Großkraftwerke serwerke zur Verfügung. Neuartig ist das am Hochrhein um die Jahrhundertwende Hornbergbecken, das auf einer Kuppe der entstand eine massive Gegnerschaft im deut­ Hotzenwaldflanke aufgeschüttet wurde und schen Bund „Heimatschutz“, der sich vor al­ ganz auf Pumpwasser angewiesen ist. Aus ei­ lem gegen die Vernichtung der „Laufen“ von ner Fallhöhe von 630 m wird das tief im Berg Laufenburg wandte. Im Jahresband der Bad. liegende Kavernenkraftwerk Wehr versorgt. Heimat vom Jahre 1932 bricht J. Schlappe dagegen eine Lanze für die am Hochrhein entstandene Industriearchitektur, deren Bau­ Positive und negative Stellungnahmen ten wie selbstverständlich in der Landschaft Alle diese technischen Einrichtungen haben stehen. Im gleichen Heft mahnt R. Haas, nicht nur Vorteile gebracht, sie sind auch im­ „mild und freundlich“ auf die Denkmäler der mer wieder auf den Widerstand des Natur- Industriegeschichte zu blicken, „wo sich und Landschaftsschutzes gestoßen. L. Dö­ Kraft und Schönheit vermählen“. Es wäre am bele prophezeite in seinem Aufsatz „Zerstört Ende des 20. Jahrhunderts zuzufügen, daß die heiligen Wasser nicht!“ (Bad. H. 2/1958) sie eine regenerierbare Energie liefern, daß mit dem Abwürgen der Wasserläufe, der sie im Unterschied zu den Dampfkraftwer­ Überflutung von Tälern einerseits die Ver­ ken für die Umwelt keine Belastung bedeu­ schlammung der Seeufer, andererseits eine ten, daß ihre Bereitstellung vergleichsweise Verödung und Versteppung der Höhen. geringe Veränderungen des Talcharakters Noch pessimistischer waren die Argumente erforderte. von Prof. Demoll (Trockenlegung des südli­ chen Schwarzwalds, Säckingen 1951); dem Ideenschub technischer Modelle und profit­ Gesellschaftlicher Wandel wirtschaftlichem Denken stellt er ein düste­ Freilich sind mit der Beseitigung der Strom­ res Zukunftsbild entgegen. Schon im Jahre schnellen die Ortsbilder der beiden Laufen­ 1930 hatte M. Schweißgut (Landschaftliche burg entscheidend verändert worden. Viele Veränderungen, Karlsruhe 1930) vor der Privilegien von an den Hochrhein gebunde­ Opferung einer Naturlandschaft mit uner­ nen Berufsverbänden waren lange vorher ge­ setzlichen Werten gewarnt. Es heißt da: „Die genstandslos geworden. Der Lachsfang an lieblichsten Reize dieser Schwarzwaldgegend den Laufen, von der Bruderschaft der Lau­ sterben für immer dahin“ (S. 67). fenburger Fischer korporativ betreut, war Wir können heute sagen, daß die Nachteile zuvor bereits durch den wachsenden Schiffs­ durch das Eingreifen in das Bild und den verkehr und den sich steigernden Floßbetrieb Haushalt der Landschaft mit wasserwirt­ erschwert. Der Kraftwerksbau unterband al­ schaftlichen Maßnahmen relativ gering ge­ lerdings die Lachswanderungen stromauf­ blieben sind. Das Wasserangebot des Hot­ wärts endgültig. zenwalds ist durch den Pumpbetrieb aus dem Die Eisenbahn zog schließlich Warenverkehr Hochrhein größer geworden. Hochwasser­ und Holztransport vom Strom weg auf die gefahren sind dagegen gebannt. Mit der Schiene. Das umständliche Durchlässen der Verlegung der Hochdruckkraftwerke, ihren Fracht durch die Laufen, das altüberlieferte Druckschächten und Kavernenkrafthäusern Privileg der „Laufenknechte“ wich ebenso in das Gebirgsinnere ist sowohl ökonomi­ wie die Mühsal der „Karrer“ dem Transport schen wie ökologischen Zielsetzungen Rech­ auf der Schiene, der sich billiger und effekti­ nung getragen. Das Landschaftsbild ist nur ver gestaltete. Waren bei den ersten Wehren 275 noch Floßpässe eingerichtet, verzichtete man daß hier 2/3 der in der Bundesrepublik wohn­ schon beim Kraftwerk Laufenburg auf einen haften Grenzgänger pendelten (1970). Durchlaß für Flöße. Lange vor dem Kraft­ Durch die Steuergunst der Grenzkantone, werksbau waren so die meisten stromgebun­ die neben dem besseren Kreditangebot den denen Lastenbewegungen bedeutungslos ge­ Betrieben eine größere Eigenkapitalausstat­ worden. Lange nachdem die Schiffsfrachten, tung erlauben, wurde das Wirtschaftsgefälle deren Geschichte ja auch eine Geschichte ist weiter vertstärkt. Die expandierende Indu­ von Zöllen, Stapel- und Umschlagsrechten, strie mit ihrer ungleichen Betriebsgrößen­ vom Kämpfen eines Kleinstaats gegen den struktur und stärkerem Kapitalkraft lasse ein ändern, dem Wettbewerb durch die Bahn weiteres „Auskämmen“ von rechtsrheinisch zum Opfer gefallen waren, erfolgte die Ablö­ wohnenden Fachkräften befürchten. Alle Be­ sung der althergebrachten Sonderrechte mühungen um ein ausgewogenes Branchen­ durch die anonyme Bürokratie des Flächen­ spektrum (Investitionsgüterindustrien wie staats. Industrialisierung und Marktwirt­ Maschinenbau und Metallverarbeitung sind schaft setzten der korporativen, durch ein unterrepräsentiert, überrepräsentiert dagegen fein geknüpftes Netz von Sozialnormen zu­ ist die Textilindustrie als schrumpfender In­ sammengehaltene, in Zünften und Bruder­ dustriesektor) sei durch eine unzureichende schaften organisierten Welt Alteuropas ein infrastrukturelle Ausstattung behindert. Das Ende. Sie hatte dem Einzelnen, bei aller Flochrheingebiet müsse durch die Ungunst Knappheit der Güter, sein kleines Glück ge­ der Verkehrsbedienung weitere Rückschläge sichert. in ihrer industriellen Entwicklung hinneh­ men. Es laufe Gefahr, gegenüber der Schweiz zu einem wirtschaftsschwachen Ge­ Wirtschaftliches Wachstum biet abzusinken. Man fürchtet, daß vor allem Damit begann die dynamische Ökonomie jugendliche Arbeitskräfte ihre beruflichen der auf Wachstum, Leistung und Gewinn Chancen in der Schweiz suchen werden. setzenden Gesellschaft, deren Vertreter heute das bedeutendste Energiezentrum des Landes Baden-Württemberg auf hohem Ver­ sorgungsniveau abzusichern verlangen. Wie­ Infrastruktur derum ist ein Sonderstatus gefordert, damit Immer wieder verweist die Planungsgemein­ der Entwicklungsrückstand gegenüber den schaft auf eine mangelnde Verkehrserschlie­ Grenzkantonen der Schweiz sich nicht noch ßung der deutschen Hochrheinseite, die sie weiter vergrößert. Nach Meinung der Pla­ hindert, mit dem wirtschaftsstarken Nach­ nungsgemeinschaft Fdochrhein, auf deren In­ barn zu konkurrieren. Sie drängt zu einem formationsblätter sich diese Zeilen vorwie­ Ausbau der Hochrheinautobahn, um dem gend stützen, sind sie allein in der Lage, die Gegenufer etwas Gleichwertiges entgegen­ Standortgunst folgerichtig auszuschöpfen setzen zu können. Der Schwarzwaldverein und damit den Wettbewerbsdruck über den hat sich diesem Projekt neuerdings entgegen­ Rhein hinweg weiter anschwellen zu lassen. gestellt und es als Prestigeobjekt bezeichnet Als Indikatoren für die Strukturschwäche gilt (BNN). Auch die Forderung nach der „ver­ das negative Pendlersaldo gegenüber der traglich zugesicherten“ (Inf. Blätter 2/1972) Schweiz, besonders aber das alarmierende Weiterführung der Großschiffahrtsstraße, Anwachsen des Anteils qualifizierter Fach­ zunächst zum mindesten bis zur Aaremün­ kräfte bei den Pendlerströmen trotz immer dung, ruft Gegenkräfte auf den Plan. größerer Anfahrtswege. Die Sondersituation Auf der einen Seite verspricht man sich ein wird durch die Tatsache gekennzeichnet, Heraustreten aus dem Verkehrsschatten, je­ 276 denfalls eine Frachtkostenerleichterung für tungsfaktoren, eines spezifischen Kräftepo­ Betriebe, die durch Transportkosten beson­ tentials, behindert durch die Abseitslage an ders belastet sind; auf der anderen Seite der Peripherie der wirtschaftlichen Kern­ fürchtet man neben der Verschmutzung des räume mit ihren leistungsfähigen Oberzen­ Vorfluters Hochrhein viele weitere ökologi­ tren; von der linken Rheinseite dagegen eine sche Schäden bei nur geringem ökonomi­ ständige Herausforderung durch destruktive schen Nutzen. Man verlangt, daß in das sce- Übergriffe und konstruktive Angebote aus nario der Überlegungen die knapper werden­ der unbekümmerter wirtschaftenden Eidge­ den Umweltgüter einbezogen werden. Wa­ nossenschaft. ren die Kantonsregierungen, die auch mate­ Die jüngsten Proteste richten sich gegen die rialintensive Betriebe vertreten, mit großer Stromaufheizung durch das zweite Schwei­ Mehrheit für das Projekt, findet der Um­ zer Hochrhein-Kernkraftwerk („Umwelt­ weltschutz in dem Konkurrenten Bundes­ schützer warnen vor Ausverkauf des Hoch­ bahn einen zuverlässigen Verbündeten. Frei­ rheins“ in BNN vom 21. 11. 85) und verlan­ lich muß auch hervorgehoben werden, daß gen die Aufkündigung der Beteiligung des die Schweizer Bundesbahn mit einer doppel­ Badenwerks aufgrund der „Unverantwort­ gleisigen, elektrifizierten Trasse für eine at­ lichkeit des Projekts“, zugleich den totalen traktivere Bedienung sorgt als die Deutsche Stopp der Errichtung weiterer Kernkraft­ Bundesbahn. werke am Rhein. Sicher würden Frachtersparnisse nur solchen In seiner Wirkung unabsehbar wäre freilich Betrieben entstehen, die direkt an der Was­ der Abzug des Schweizer Kapitals, das um serstraße liegen. Für entfernt liegende würde die Jahrhundertwende die Industrialisierung der gebrochene Verkehr die Kostenvorteile der badischen Seite prägte. Man fürchtet be­ wieder aufzehren. Ob aber dann das zu er­ reits einen Rückgang der Entwicklungsim­ wartende Frachtvolumen zur Begründung pulse, die von schweizerischen Kapitalbeteili­ des teuren Kanals ausreicht, ist sehr zu be­ gungen auszugehen pflegten. Wird ein zweifeln. Gegenwärtig gilt die Äußerung des schnelles Vordringen moderner Technolo­ Bundesministers für Verkehr, daß ein volks- gien sich als Motor oder als job-killer auf und verkehrswirtschaftliches Bedürfnis für den Arbeitsmarkt auswirken? Schon heute eine Schiffbarmachung nicht gegeben ist. prognostiziert man ein großes Arbeitsplatz­ Erst nach einer positiven Kosten-Nutzen- defizit zum Ende dieses Jahrhunderts, das Analyse sollen Gespräche über den Bau und mit der hoffnungsvollen Ankündigung der eine angemessene Kostenteilung mit der Wasserkraftnutzung begann. Die Zunahme Schweiz in Gang kommen. Die noch beste­ des Energieverbrauchs der Industrie war der henden Bauvorhaben sollen jedenfalls einen Steigerung der Zahl der Industriebeschäftig­ späteren Ausbau nicht verhindern. ten weit voraus. Es wäre vermessen, dem Raum zwischen Wie könnte der Ausgleich mit den strukturell Hochschwarzwald und Hochrhein den ihm stärkeren Räumen erfolgen? Der Staat als gemäßen Weg in die Zukunft aufzuzeigen, Heilsbringer mit einem Paket infrastrukturel­ einem bedenkenlosen Ökonomismus das ler Maßnahmen? Wer wird den Nutzen dar­ Wort zu reden oder aus ökologischen Grün­ aus ziehen, wer die Nachteile einstecken den die so günstig ausgestattete Landschaft müssen? von aller Entwicklung abzukoppeln. Oft drängt sich der Gedanke auf, die Situation sei über Jahrhunderte dieselbe geblieben: Strukturplanung Eine Sonderstellung, mitbedingt durch eine Der Hotzenwald war Nutznießer mehrerer Reihe hervorragender natürlicher Ausstat­ staatlicher Förderungsprogramme in der 277 Nachkriegszeit, die auf Beseitigung der tausch von Arbeit und Kapital ist lebhaft. Die Strukturschwächen gerichtet waren. Dabei traditionelle Streusiedlung hat sich verdich­ konnte es sich in einer Zeit der wachsenden tet, Schwerpunkte haben sich herausgebildet, Überproduktion nicht um eine Intensivie­ Neusiedlungen sind dazu gekommen, Zweit­ rung der Agrarwirtschaft handeln, um den wohnsitze, vor allem in sonnenexponierten Einkommensabstand zu verringern. Die Ge- Hanglagen, sind nicht selten. birgslandwirtschaft mit ihren schwer zu bear­ Bei immer schwerer durchschaubaren Ab­ beitenden Hanglagen, den Grenzertragsbö­ hängigkeiten scheint zwischen Feldbergmas­ den, den ungünstigen Besitzgrößen, der Zer­ siv und Hochrheinfurche als besonderes Po­ stückelung des Eigentums ist in der Phase tential eine Idealkombination der Ausstat­ der Mechanisierung hinter günstiger wirt­ tung für die Lebensfunktionen Arbeit und schaftenden Gebieten ins Abseits geraten. Sie Erholung (Kräftepotentiale und landschaftli­ mußte in einem integralen Plan aufgefangen che Schönheit) zu bestehen, freilich in einem werden, der ihr neue Ziele setzt in ihrem ei­ labilen Gleichgewicht, spiegelt es doch die genen Interesse und nach den Bedürfnissen konjunkturellen Schwankungen der Wirt­ der Gesamtgesellschaft. schaft wider, zugleich aber auch die Gewich­ Das natürliche Potential des durch den tung, die die Wohnbevölkerung als Teil der Wechsel von Wald und Flur, von reizvollen Gesamtgesellschaft zu geben bereit ist. Es ist Bachläufen und offenen Wasserflächen anre­ zu wünschen, daß ihre Ansprüche sich an der genden Gebirgsraums zu pflegen muß als Wirklichkeit des jeweils Machbaren messen. eine Dienstleistung angesehen werden, die sich die Industriegesellschaft etwas kosten lassen muß. Dem Landwirt wächst also über Anmerkungen: die Nahrungs- und Rohstoffbeschaffung hin­ * 1. Die Niederschläge übersteigen in Gipfelhöhen aus eine weitere Funktion zu: Die landespfle­ im langjährigen Mittel 2000 mm/Jahr. gerischen Aufgaben zur Erhaltung der Ar­ 2. Im standfesten Grundgebirge können Stollen ten- und Formenvielfalt und des Erholungs­ und Kavernen meistens ohne Verbau ausgebro­ werts der Landschaft. Flächenstillegungen chen und Talsperren sicher gegründet werden. 3. Die überwiegend bewaldeten Einzugsgebiete und Umwidmung von Flächen sind förder­ sind gegen Bodenabtrag geschützt, so daß Spei­ liche Methoden. cherseen nicht von schneller Verlandung bedroht Vielerorts hat der Fremdenverkehr als Er­ sind. werbsquelle die „frühkapitalistische“ Hausin­ 4. Der steile Abfall des Gebirges nach Süden zum dustrie ersetzt. Wo Bedarf für einen Erho­ Hochrhein ergibt nutzbare Fallhöhen über 600 m. 5. In den dünnbesiedelten Hochtälern können lungsaufenthalt im Hotzenwald entsteht, läßt große Speicherbecken angeordnet werden. Sie er­ sich an der Herkunftsstatistik der Erholungs­ möglichen, die Kraftwerke mit hohen Leistungen suchenden ablesen. Es sind die Verdich­ auszulegen und unabhängig vom Gang der Nie­ tungsräume, die diese Touristenströme in derschläge einzusetzen. 6. Die unterschiedlichen Abflußregime der Gang setzen. Bevorzugt werden die nördli­ Schwarzwaldflüsse und des Alpenflusses Rhein er­ chen Höhengebiete, die sich für eine agrari­ gänzen sich in idealer Weise. Starke Winterab­ sche Produktion am wenigsten eignen. flüsse im Schwarzwald werden im Sommer durch Die Verkehrsbewegungen sind in dem eisen­ alpine Schmelzwasser im Rhein abgelöst. bahnfernen Gebiet durch Busverbindungen (Schluchseewerk-AG) wesentlich erleichtert worden. Wie weit sich beim Generationenwechsel der Nebener­ Literaturauswahl werbsbetrieb erhalten wird, ist nicht voraus­ Assion, P., Bauen und Wohnen im deutschen Süd­ zusehen. Eine Kapitalverflechtung mit „drau­ westen, Stuttgart 1984 ßen“ besteht auf mehreren Ebenen. Der Aus­ Bader, K. S., Der deutsche Südwesten in seiner 278 territorialstaatlichen Entwicklung, Sigmaringen Metz, F. (Hrsg.), Vorderösterreich, eine ge­ 1978 schichtliche Landeskunde, Freiburg 1967 Bischoff, O., Der Hotzenwald — Vom Notstand Metz, R., Geologische Landeskunde des Hotzen­ zum Wohlstand? in Der Kreis Waldshut, Stuttgart walds, Lahr 1980 1979 Nagel, H., Die Siedlungen des Hotzenwalds, Bittmann, K., Hausindustrie und Heimarbeit im Karlsruhe 1930 Großherzogtum Baden, Karlsruhe 1907 Ruch, J., Geschichte der Stadt Waldshut, Walds­ Doebele, L., Der Hotzenwald, Wanderbücher des hut 1966 Schwarzwaldvereins, Freiburg 1968 Schäfer, W., Hochrhein, Bad Godesberg 1966 Endriss, G., Geogr. Nachbarschaftsprobleme zwi­ Schilli, H., Das Schwarzwaldhaus, Stuttgart 1977 schen Schweiz und Oberbaden, Geogr. Helvetica, Weller, A., Sozialgeschichte Südwestdeutschlands, 3/1952 Stuttgart 1979 Gothein, E., Wirtschaftsgeschichte des Schwarz­ Wernet, K. F., Die Stellung St. Blasiens und der walds, Straßburg 1892 Grafschaft Hauenstein im vorderösterreichischen Haselier, G., Geschichte des Hotzenwalds, Lahr Staatsverband, Z.f.d. Gesch. d. Oberrhein 99/621 1973 Bad. Heimat, Hochrhein und Hotzenwald, H. 2, Kullen, S., Der Fremdenverkehr im Hotzenwald, Freiburg 1932 Festschrift K. H. Schröder, S. 269, Kiel 1974 Liehl, E., Sick, W. D., (Hrsg.), Der Schwarzwald, Beiträge zur Geschichte des Hotzenwalds, Walds­ Bühl 1980 hut Metz, F. (Hrsg.), Der Hotzenwald, Karlsruhe Informationsblätter der Planungsgemeinschaft 1940/41 Hochrhein

Mundart:

Klaus Meier, Waldshut-Gurtweil

Klaus Meier wurde am 28. Februar 1939 in Gesellschaft“, Freiburg, Gruppe Tiengen. Im Brenden/Hochschwarzwald geboren. Zu­ Januar 1981 absolvierte er ein Mundartsemi­ sammen mit seiner Familie wohnt er seit nar für Nachwuchsdichter im Volksbildungs­ 1965 am Hochrhein in Waldshut-Gurtweil. heim Waldhof in Freiburg und veröffent­ Von Beruf ist er Postbeamter beim Postamt lichte seinen ersten Gedichtband „Wa Waldshut-Tiengen. meinsch Du?“. Der bekannte Kabarettist und Die ersten Verse in alemannischer Mundart Schauspieler Jürgen Scheller sowie der Süd­ hatte er schon als Jugendlicher geschmiedet. deutsche Rundfunk holten Klaus Meier im Durch den Vortrag seiner vorwiegend heite­ Mai 1982 zu einer Vorstellung als „Aleman­ ren Mundartgedichte bei geselligen Anlässen nische Wälderzunge“ ins Renitenztheater im Hochrheingebiet und in der benachbarten Stuttgart. Schweiz tritt er immer wieder für den Erhalt Bereits im Herbst 1982 stellte er seinen Le­ und die Förderung der Heimatsprache ein. sern einen zweiten alemannischen Gedicht­ Er ist aktives Miglied der „Muettersproch- band mit dem Titel „Nümm mi mit, wenn la- 279 che wit“ vor. Im März 1984 wurden seine Bücher auf der Internationalen Lernmittel­ messe „Didacta“ in Basel ausgestellt. Auf der Suche nach originellen Künstlern für seine Fernsehunterhaltung lud der Westdeutsche Rundfunk den Alemannen Klaus Meier im Februar 1985 zu einem Soloauftritt in sein Kabarett-Theater „Sprungbrett“ nach Köln ein. Der nun vorliegende Band „Würzige Wäl­ derluft“ ist das dritte Mundartbuch von Klaus Meier. Die in diesem Werk veröffent­ lichten neuen Gedichte und kurzen Erzäh­ lungen eignen sich zum Vortrag in geselliger Runde genausogut wie zum besinnlichen Le­ sen; sie sollen, so der Wunsch des Autors, viele Freunde der alemannischen Mundart zum Schmunzeln bringen und ihnen Stunden Klaus Maier unbeschwerter Freude bereiten.

Verwache E alts Spottreimle vo Hochsal

Im Garte ha ich Rhiifelde ganz versteckt, isch e festi Stadt e kleis Blüemli hüt entdeckt. Säckinge isch e Bettelsack S wartet gar wii mir Chinder u f de Lenz Laufeburg noch em Winter. isch e Lirekübel

So klei un zart Waldshuet seil freut mii sehr, isch de Deckel drüber mehr als mängisch s größti Bluememeer. Düenge Saits dann im Summer isch de Ring dra scho u f Wiederseh — im nächste Johr jetzt ha ich gmacht chasch mii wiederseh. wa ich cha! 280