Hotzenwald Und Hochrhein

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Hotzenwald Und Hochrhein III. Landschaft Hotzenwald und Hochrhein Anspruch und Wirklichkeit Bertold Rudolf, Karlsruhe Nur wenige Landschaften unserer badischen gewertete Vorstellung und der mit dem viel­ Heimat sind in den vergangenen Jahren so fältigen Ideenschub der Nachkriegsjahre ent­ oft beschrieben worden wie der Hotzenwald. fachte technische und wirtschaftliche Wan­ Es gibt eine Reihe von Gründen, die dafür del mag eine neue Bearbeitung rechtfertigen. Anlaß geboten haben. Nach R. Metz kann der Hotzenwald als Mu­ sterbeispiel dafür gelten, „wie Besiedelung, territoriale und wirtschaftsgeschichtliche Die Sonderstellung Entwicklung von der Morphologie, dem Ge­ mag in der prekären natürlichen Ausstattung wässernetz und dem steinernen Untergrund für eine bislang vorwiegend bäuerliche Be­ bestimmt wurden“ (R. Metz 1980, S. 13). völkerung zu suchen sein, in ihrer im Ver­ Das klingt nach Determiniertheit historischer hältnis zum Ertrag einer Höhenlandwirt­ Phänomene durch die Naturbedingungen schaft ungewöhnlichen Verdichtung und und läßt Aktivitäten außer acht, die im Rin­ auch in den wiederholten Versuchen, durch gen um die Bestandserhaltung aus mangeln­ Strukturprogramme den bedrückenden Not­ der Kenntnis der Gegebenheiten oder in fal­ stand zu beseitigen oder zumindest zu er­ scher Einschätzung ihrer Wirksamkeit auch leichtern. Vor allem aber entzündete sich das Fehlentwicklungen ansteuerten, sogar Le­ Interesse immer wieder an den politischen bensgrundlagen opferten. So bietet die heu­ Unruhen und Willensbekundungen der Ver­ tige Landschaft eher das vorläufige Ergebnis gangenheit. Stärker als anderswo strebte man von vielerlei Eingriffen des Menschen in den hier genossenschaftlichen Zusammenschluß Naturhaushalt, von Planungen und Verwirk­ an, erkämpfte man sich mit Gleichrangigen lichungen innerhalb der engeren sozialen von der herrschenden Obrigkeit Privilegien Umwelt, von ihrer Akzeptanz oder Ableh­ und Organisationsformen mit plebiszitären nung durch die Gesamtgesellschaft. Elementen. Ein historisches Faktum, das au­ ßerhalb des Hotzenwaldes eher einen größe­ ren Bekanntheitsgrad besitzt, obwohl nach Geologische Struktur einer Äußerung von Altbundespräsident Hei­ Die Höhenlage des Hotzenwalds ist erdge­ nemann bei der Schaffer-Mahlzeit 1970 in schichtlich jung; sie ist bedingt durch die Bremen auch in der breiten Öffentlichkeit Aufwölbung des Schwarzwaldschildes, an allgemeine Unkenntnis solcher freiheitlichen dessen südliche, am stärksten herausgeho­ Regungen im Rahmen deutscher Verfas­ bene „Kuppel“, das Feldbergmassiv, er sich sungsgeschichte zu beklagen ist. anlehnt. Neu aufgelebte Strukturlinien älte­ Der Hinweis Heinemanns hat die jüngste rer Gebirgsbildung queren die starre Ge­ große Woge des Interesses in Gang gesetzt. steinsmasse. An der N-S-gerichteten (rhena- Damit ist dem Bild des Hotzenwalds eine nischen) Bruchzone von Wehr findet der neue Farbvariante hinzugefügt worden. Die Hotzenwald seine Begrenzung im Westen. aus der Geschichte übernommene, aber neu Die Ubergangszone zum Muschelkalk, die 260 Waldsbut, Zeichnung von Prof. Richard Bellm zugleich die wichtigste kulturgeographische Bewegungen ein. Mit der Hebung des Do­ Scheide im deutschen Mittelgebirge ist, dient naugebiets zieht die Rhone den größten der Abgrenzung zum Klettgau. Das südlich Quellfluß der Donau, die Aare, über die begrenzende Hochrheintal scheint nach Saone und die Burgundische Pforte an sich neueren tektonischen Forschungen zwar (Sundgauschotter!). Die Laufrichtung des durch eine W-O-verlaufende Schwächezone Teilstücks, das wir erst seit wenigen Jahr­ vorgezeichnet, war aber im Spiel der tektoni­ zehnten als „Hochrhein“ bezeichnen, wurde schen Bewegungen einem merkwürdigen erst im Diluvium abgebogen in den sich wei­ Wechsel der Durchflußrichtungen unterwor­ ter absenkenden Oberrheingraben. Dank der fen. Noch im Alttertiär war die ganze Ent­ tiefen Basis des Großgrabens greift der wässerung nach Südosten, zur Voralpen­ Rhein auch weiterhin in das System der Do­ senke gerichtet, in deren Bereich sich das nauzuflüsse auf der Ostabdachung ein und ganze hydrographische System der Donau lenkt sie nach Süden ab. Den breiten, gefälls- ausbildete. Durch ihre Zuflüsse wurde der armen Tälern der danubischen Abtragung aufgewölbe Südschwarzwald von seinen setzt der junge Rhein enge Schluchten mit Decksedimenten befreit; die mächtigen steilen Flanken entgegen. Er trägt damit bei Schuttmassen der Juranagelfluh beweisen die zum landschaftlichen Kontrast des Hotzen­ gewaltige Leistung der donauwärts gerichte­ walds: Hochflächencharakter im Norden, ten Gewässer. starke Zertalung im Süden. Durch die Bele­ Am Ende des Tertiär setzen neue tektonische bung ihres Gefälles fügten die Hotzenwald­ flüsse den flachen Talwannen steile Engtal­ Eispanzer wurde das Relief eher erhalten als strecken mit konveXem Profil bei ihrem Un­ abgeräumt. terlauf hinzu. Nur in den tiefer eingeschnittenen Tälern Das gesamte Gewässernetz des Südschwarz­ der Flanken bildeten sich Gletscherzungen. walds, dessen Oberläufe noch ostwärts ge­ Während des Stadiums der größten Verei­ richtet sind, wird im „Kampf um die mittel­ sung kam es im Bereich der unteren Wehra europäische Wasserscheide“ dem Rhein tri­ und Alb zum Zusammenstoß des Schwarz­ butär. Die „Feldbergdonau“, der Haupt­ waldeises mit dem rißzeitlichen alpinen quellfluß der alten Donau wird „geköpft“ Rheingletscher (G. Rahm, Schwarzwald, S. und damit zum Oberlauf der Wutach. Hier 42). Während des MaXimalstandes der Riß- wird der klassische Fall einer Flußablenkung Gletschervorstöße nahm vom Möhliner Feld durch rückschreitende Erosion demonstriert, der Rhein seinen Lauf, um von dort sein Ur­ von einer Gutach zur Wutach. stromtal in eisfreier Zeit nach Osten einzu­ Bei aller erosiven Zerscheidung wird der flä­ tiefen. Sein heutiger Lauf ist erst seit dem chenhafte Charakter des Hotzenwaldes er­ Ende der letzten Kaltzeit ausgebildet, darum kennbar. Für weite Teile ist darin das Gesicht noch unausgeglichen und durch viele ge­ einer Altlandschaft zu sehen, einer Auflage­ steinsbedingte Engtalstrecken und Gefälls- rungsfläche des Deckgebirges, das in den brüche („Laufen“) gestört. Hochgebieten der Abtragung anheimfiel, oder jedenfalls einer pliozänen (spättertiä­ ren) Einebnungsfläche. W. Penck hat in den Siedlungsgeschichte 20er Jahren Flächen verschiedenen Niveaus Weder die Hochflächen noch die zum zu einem System von „Rumpftreppen“ zu­ Hochrhein sich öffnenden Schluchten boten sammengeordnet, also von gebirgswärts trep­ Anreize zu einer frühen Besiedlung. Ältestes penartig umlaufenden Verebnungsflächen. Siedlungsgebiet war das Hochrheintal selbst. Sicher ist die Grundform des heutigen Hot­ Der archäologische Befund weist es als zenwalds eine tektonisch beanspruchte jungsteinzeitliche Siedlungskammer aus. Sie Rumpffläche, die Einebnungsfläche eines bleibt als Querspange im Netz der Römer­ später gehobenen Teils der Erdkruste. Einer straßen zwischen Zurzach—Rottweil und flächenhaften Abtragung folgte mit der He­ Augst—Lopodunum/Ladenburg. Nur der bung ein Wandel der klimatischen Situation Vorwald weist ältere Siedlungsvorstöße auf. im Spätpliozän und Diluvium. Die linien- L. Döbele ordnet weitere Rodungsphasen hafte Zerschneidung begann und prägte den aufsteigenden Höhenstufen zu. Sie rük- junge Züge in ein aufgedecktes greises Ant­ ken die Siedlungsgrenze bis an das Feldberg­ litz. massiv heran. Mit den Aufforstungen der Fürsten von Fürstenberg weichen Rodung und Siedlung aber wieder zurück. Eiszeitlich bedingte Zuformung Schwerpunktartig erfolgte die Besiedlung des Aufgrund seiner Höhenlage erlebte der Hot­ Hotzenwalds in der Ausbauzeit des hohen zenwald in den pleistozänen Kaltzeiten eine Mittelalters. Das Auftauchen von Ortsnamen umfangreiche Vergletscherung. Sein flächen- mit der Endung -ingen oder -wihl (== Wei­ hafter Charakter führte — gegensätzlich zu ler) weist auf die Altsiedellandschaften Klett- alpinen, also Hochgebirgsverhältnissen — zu gau und Aargau, aus denen sie übertragen einer typischen Plateauvergletscherung. Eine wurden. Ihre frühesten Nennungen bestäti­ dünne, lückenhafte Decke glazialer Ge­ gen die späte Gründung. Wie in allen Wald­ schiebe zwingt uns zur Annahme einer Art gebirgen ist die Zahl der Namen mit Stellen­ Flächenvereisung. Unter diesem fast starren bezeichnungen sehr groß (-bach, -berg, 262 -ried, -moos etc.). Eine fast geschlossene Teil in den beengten Lebensverhältnissen Gruppe bilden Orte mit Rodungsnamen, die ihre Ursache. Für den größten Teil der Be­ auf -schwand, -schlag, -holz enden. Sie wei­ triebe war die Ackernahrung zu klein. Den sen sich als Vertreter des weitesten Sied­ kargen Verwitterungsböden des Grundgebir­ lungsvorstoßes aus. ges fehlt es vor allem an Kalk. Das Düngen Siedlungsgeschichtlich aufschlußreich sind mit Rheinschlamm konnte in der Gesamtheit vor allem auch Lage und Formen der Sied­ wenig ändern. lungen. Geschlossenen Dörfern im Hoch­ rheintal folgen auf den Rücken zwischen den südwärts gerichteten Talausgängen oft hau­ Klimabedingungen fendorfartig verdichtete Siedlungen. Sie wer­ Die höheren Lagen des Hotzenwalds sind den abgelöst durch „lockere Dorfsiedlun­ auch wärmeklimatisch Grenzstandorte agra­ gen“ oder, wie sie Martiny nach dem Vor­ rischer Nutzung. Im Stau ostwärts gerichte­ bild Westfalens nannte, durch „Schwarm­ ter atlantischer Luftmassen stellt der Mittel­ siedlungen“, die sich oft meilenlang hinzie­ gebirgskörper eine ozeanisch geprägte Insel hen. Über Zinken (Weiler und Hofgruppen) innerhalb einer kontinentaleren Umgebung und Einzelhöfe schließt sich die Palette der dar.
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