Eingereicht von Sarah Kraml

Angefertigt am Institut für Kanonistik, Eu- ropäische Rechtsgeschichte und Religionsrecht

Beurteiler / Beurteilerin BLASPHEMIE UND Ass. Prof.in Mag.a Dr.in Doris Wakolbinger

IHRE GRENZEN IN DER November 2016 MEINUNGS-, KUNST- UND RELIGIONSFREI- HEIT

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften

JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Alkoven, 2. November 2016

Sarah Kraml

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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung ...... 7 II. Die einzelnen Grundrechte ...... 9 A. Glaubensfreiheit- und Gewissensfreiheit ...... 9 1. Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit ...... 10 a) Religionsfreiheit ...... 10 b) Weltanschauungsfreiheit ...... 11 c) Gewissensfreiheit ...... 12 2. Die Schranken der Glaubens- und Gewissensfreiheit ...... 13 B. Meinungsäußerungsfreiheit ...... 14 1. Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit ...... 14 2. Die Schranken der Meinungsfreiheit ...... 17 C. Kunstfreiheit ...... 20 1. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit ...... 21 2. Die Schranken der Kunstfreiheit ...... 22 III. Strafrechtliche Situation...... 25 A. Österreich ...... 25 1. Allgemeines ...... 25 2. Tatbestand ...... 25 B. Deutschland ...... 28 1. Tatbestand ...... 28 C. Schweiz ...... 31 1. Tatbestand ...... 31 D. Zusammenfassung ...... 33 IV. Religiöse Aspekte...... 34 A. Islam ...... 34 1. Allgemeines ...... 34 2. Terrorismus im Islam? ...... 34 3. Das Bilderverbot ...... 35 V. Blasphemie ...... 38 A. Allgemeines ...... 38 1. Satire und Karikatur ...... 47 B. Beispiele blasphemischer Werke ...... 47 1. Martin Kippenberger, „Zuerst die Füße“ ...... 47 2. Die Mohammed-Karikaturen ...... 48

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a) Dänemark ...... 48 b) Charlie Hebdo ...... 51 3. „Die Unschuld der Muslime“ ...... 53 4. „Das Leben des Jesus“ von Gerhard Haderer ...... 54 VI. Beispielfälle in der Judikatur ...... 56 A. Urteil des OGH – Beleidigung des Propheten Mohammed ...... 56 B. Beschwerden an den EGMR ...... 58 1. Otto Mühls „Apokalypse“ ...... 58 2. Otto-Preminger-Institut gegen Österreich, „Das Liebeskonzil“ von Werner Schroeter ...... 59 3. Wingrove gegen Großbritannien ...... 63 4. I.A. gegen Türkei ...... 64 5. Choudhury gegen Großbritannien ...... 65 6. Ben El Mahi gegen Dänemark, Mohammed-Karikaturen ...... 66 7. Müller ua. gegen Schweiz ...... 66 8. Aydin Tatlav gegen Türkei ...... 67 C. Die Rechtsprechung des EGMR und die „Trendwende“ ...... 68 VII. Zusammenfassung ...... 69 VIII. Literaturverzeichnis ...... 72

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Gender Erklärung

Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die Formulierung beide Ge- schlechter, unabhängig von der in der Formulierung verwendeten konkreten geschlechts- spezifischen Bezeichnung.

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Abkürzungsverzeichnis

Abs Absatz Art Artikel bzw beziehungsweise BVerfG Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutsch- land EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EKMR Europäische Kommission für Menschenrechte etc et cetera HG Handelsgericht IPBPR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte iSd im Sinne der/des JBl Juristische Blätter JRP Journal für Rechtspolitik MMR MultiMedia und Recht OGH Oberster Gerichtshof öarr Österreichisches Archiv für Recht & Religion RZ Randziffer StGB Strafgesetzbuch StGG Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichs- rathe vertretenen Königreiche und Länder StV St. Germain Staatsvertrag von St. Germain ua und andere UrhG Urheberrechtsgesetz VfGH Verfassungsgerichtshof ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völ- kerrecht ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

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I. Einleitung

Als im Jänner 2015 zwei Attentäter in Frankreich ein Blutbad in der Redaktion von „Charlie Hebdo“ begangen, war die Betroffenheit auf der gesamten Welt groß. Es kam zu Solidari- tätsbekundungen und „Je suis Charlie“ war allgegenwärtig. Aber welche Auswirkungen einer solchen Tat hat dies auf unser Zusammenleben? Darf man sich überhaupt noch religionskri- tisch oder blasphemisch äußern?

Schon durch die Mohammed-Karikaturen in der dänischen „Jyllands-Posten“ kannte man die teilweise enormen Reaktionen von Anhängern des Islams. Es kam damals zu Ausschreitun- gen, Zerstörungen von Häusern, bis hin zum Anzünden von Menschen. Die große Frage blieb, ob sich die Staaten den Forderungen der erzürnten Anhänger beugen oder an den normierten Grund- und Freiheitsrechten festhalten sollen und dadurch ihre Staatsbürger ge- fährden.

Um sich aber überhaupt ein entsprechendes Urteil bilden zu können, ist es notwendig, die betreffenden Gesetze zu kennen. Dazu wird gleich am Anfang dieser Arbeit mit den betref- fenden Grundrechten der Religions-, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Meinungsäußerungs- freiheit und der Kunstfreiheit begonnen. Hier wird ausgeführt, inwieweit ein Schutzbereich bestehen kann und wer sich auf diesen berufen kann. Ebenso werden die Grenzen erläutert, wie weit diese reichen und wodurch eine Beschränkung erfolgen kann.

Im nächsten Kapitel wird die strafrechtliche Situation von Österreich, Deutschland und der Schweiz beleuchtet. Hier wird auf die jeweiligen Tatbestandsmerkmale der relevanten Para- graphen des Strafrechts eingegangen, um zu erkennen, wann eine blasphemische Äußerung strafrechtlich relevant wird.

Die Blasphemie ist der Ursprung aller Aktionen, die nach der Veröffentlichung von den Kari- katuren, sei es in der dänischen „Jyllands-Posten“ oder später „Charlie Hebdo“, geschahen. Demnach kommt ihr große Bedeutung in dieser Arbeit zu. Weiters werden blasphemische Kunstwerke exemplarisch angeführt, um auch zu erkennen, wie weit Kunst reichen kann und wann die Grenze der Toleranz in der Gesellschaft überschritten wurde.

Ein Ausschnitt behandelt die Religion des Islam, um zu sehen, woher Gründe für die wogen- de Empörung bei den Anhängern dieser Glaubensgemeinschaft kommen. Dazu wird auch auf die immer wieder angeführten Gründe des Bilderverbots im Islam eingegangen.

Zuletzt werden relevante Beschwerden an den OGH und den EGMR beschrieben, die zum Teil zu einer Verurteilung der betroffenen Staaten wegen Verletzung der Meinungsäuße- rungsfreiheit gemäß des Art 10 EMRK führten und welche, bei denen der EGMR befand,

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dass die Staaten konventionskonform gehandelt haben und dies zu keiner Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit geführt hat.

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II. Die einzelnen Grundrechte

A. Glaubensfreiheit- und Gewissensfreiheit

Die Glaubens,- Gewissens- und Religionsfreiheit ist sowohl in Art 14 StGG1 als auch in Art 9 EMRK2 geregelt.3 Diesem Grundrecht kommt historisch gesehen eine wichtige Bedeu- tung zu, da es den Menschen die Anerkennung der geistigen Freiheit gewährleistet, welche zuvor nicht existierte, durften doch die Landsherren den Glauben ihrer Untertanen bestim- men. Nachdem dieses Recht auf Glaubensfreiheit in der Verfassung verankert wurde, konnte der Einzelne in Bezug auf Religion auch aus seiner inneren Überzeugung heraus agieren und durfte diesbezüglich keinem Zwang ausgesetzt werden. Zuerst umfasste der Schutzbe- reich lediglich die häusliche religiöse Ausübung, was für die Anhänger der staatlich nicht an- erkannten Religionen bedeutete, ihre Religion nicht öffentlich ausüben zu dürfen. Durch den Art 63 des StV von St. Germain4 wurde aber auch dieser Makel beseitigt, die öffentliche Re- ligionsausübung war somit auch für die Anhänger der staatlich nicht anerkannten Religions- gemeinschaften möglich.5 Durch Art 63 Abs 2 StV St. Germain wird die öffentliche und priva- te Glaubensausübung, unabhängig davon ob es sich um eine vom Staat anerkannt Religion handelt, für jedermann gewährleistet.6 Als Besonderheit ist anzuführen, dass der Verfas- sungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung alle angeführten verfassungsrechtlichen Be- stimmungen als Einheit ansieht. Dies wird damit begründet, dass der Art 14 StGG durch Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain näher ausgeführt bzw. ergänzt wird und die Schran- kenregelung in Art 9 Abs 2 EMRK expliziter ausgeführt wird.7 Der Art 10 GRC8 ist mit dem

1 Art 14 StGG: „Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist Jedermann gewährleistet. Der Genuß der bürgerli- chen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntniß kein Abbruch geschehen. Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Theilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, in sofern er nicht der nach dem Ge- setze hiezu berechtigten Gewalt eines Anderen untersteht.“. 2 Art 9 EMRK: „(1) Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottes- dienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben. (2) Die Religions- und Bekennt- nisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demo- kratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ord- nung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.“. 3 Vgl Berka, Verfassungsrecht6 (2016), RZ 1431. 4 Art 63 Abs 2 StV St. Germain: „Alle Einwohner Österreichs haben das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist.“. 5 Vgl Hengstschläger/Leeb, Grundrechte2 (2013), RZ 16/1; Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschen- freiheiten in Österreich1, RZ 509. 6 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1 (1999), RZ 511. 7 Vgl Bezemek, Grundrechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte1 (2016), Kap. 15 RZ 10. 8 Art 10 Charta der Grundrechte der Europäischen Union: „(1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewis- sens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen. (2) Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den einzelstaatlichen Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln.“.

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Art 9 EMRK gleichlautend, ihm kommt gemäß des Art 52 Abs 3 GRC9 die gleiche Bedeutung und Tragweite wie dem in der Konvention genannten Recht zu – dies gilt ebenso für die je- weiligen Einschränkungen durch Art 9 Abs 2 EMRK. Als Verpflichtete des Art 9 EMRK ist die Union samt all ihrer Stellen zu sehen, womit vor allem die Konventionsstaaten gemeint sind; für Privatpersonen ergibt sich keine unmittelbare Bindung aus Art 10 Abs 1 GRC, wobei aber eine mittelbare Verpflichtung aus Gründen des Schutzes Dritter resultieren kann. Für die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften kann sich ebenfalls nur eine mittelbare Ver- pflichtung ergeben, soweit dies die Schutzwürdigkeit von Dritten betrifft und die entspre- chende Handlung nicht in Ausübung von Hoheitsrechten oder ähnlicher Weise geschah.10 Die Grundrechte sind als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert, jedoch wird die mittelba- re Wirkung gegen Dritte anerkannt, sodass auch die Religionsfreiheit von Privaten unterein- ander nicht beschnitten werden darf.11

1. Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit

Der Art 9 Abs 1 EMRK wurde als reines Individualrecht ausgestaltet. Vom Schutzbereich wird daher die Ausübung der Religion innerhalb einer Gemeinschaft erfasst, in der die Aus- übung der Religion ausdrücklich in einer Beziehung zu anderen Personen steht und entspre- chend gelebt wird. Ebenso können sich auch juristische Personen auf Art 9 EMRK berufen, weshalb auch Kirchen und Glaubensgemeinschaften vom Schutzbereich der Glauben- und Gewissensfreiheit erfasst sind.12 Dies führt zu einer Ausweitung des Bereiches der Grund- rechtsträger, da Art 14 StGG nach ständiger Rechtsprechung des VfGH den Schutzbereich nur für physische Personen vorsieht.13 a) Religionsfreiheit Der Schutzbereich des Art 14 StGG umfasst die freie Wahl des Religionsbekenntnisses, die Religion soll unabhängig von jeder staatlichen Einwirkung sein, wozu auch die entsprechen- de Ausübung dieses Bekenntnisses gehört.14 Der Staat hat sich gegenüber den Religionsge- sellschaften neutral zu verhalten und darf keine transzendenten Zwecke verfolgen, er hat die Privilegierung von bürgerlichen und politischen Rechten aufgrund eines Religionsbekennt- nisses zu unterlassen.15 Dem Art Art 9 EMRK entnehmend, werden drei Tätigkeitsformen geschützt: diese sind das Denken oder Glaube genannt, die religiösen Reden bzw. Verkün-

9 Art 52 Abs 3 GRC: „Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.“. 10 Vgl Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union2 (2013), Art. 10 RZ 1, 4 und 18. 11 Vgl E. Mayer/Tipold in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, (24. Liefe- rung Mai 2011), § 188 RZ 7. 12 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 22, RZ 109. 13 Vgl Bezemek, Grundrechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte1 (2016), Kap. 15 RZ 2. 14 Vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 (2016), RZ 937. 15 Vgl Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Band 3: Grundrechte2 (2015), RZ 42.202; Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 511.

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dungen und die Handlungen. Aus dieser Unterteilung ergibt sich die innere Religionsfreiheit (forum internum), worunter der Glaube an sich zu verstehen ist. Man darf sich jede religiöse Anschauung aneignen, sie haben und zu jeder Anschauung wechseln, wie es einem beliebt. Die äußere Religionsfreiheit (forum externum) bezieht sich auf die Verkündung bzw. Rede, es soll gewährleistet sein, dass sich jeder in der Öffentlichkeit zu seinem Glauben bekennen und danach handeln kann.16

Ebenfalls darin enthalten ist die negative Glaubensfreiheit, was bedeutet, dass niemand ei- nem religiösen Glauben angehören muss,17 es kann keinen staatlichen Zwang zur Teilnahme an religiösen Übungen bzw. Religionsunterricht geben.18 Daraus folgt, dass niemand die reli- giösen Feierlichkeiten einer anderen Religionsgemeinschaft beachten muss oder für Zwecke der Religionsgesellschaft Beiträge zu leisten hat.19 Die Glaubensfreiheit soll gemäß Art 14 StGG jeder natürlichen Person bzw. gemäß Art 9 EMRK jeder Religionsgemeinschaft die Freiheit geben, sich zu ihrem Glauben zu bekennen und sich im Rahmen ihrer Glaubens- freiheit religiös zu betätigen und ihren Glauben durch Gottesdienste, religiöse Feierlichkeiten, unbehinderte Lehre und Unterrichtung der Religion zu leben sowie auch die Anwerbung für die Glaubensgemeinschaft auszuüben.20 Art 9 EMRK schützt nicht nur die großen Religionen an sich, sondern weitet seinen Schutzbereich auch auf neue religiöse Bewegungen aus. Als Voraussetzung gilt jedoch, dass der Religion bzw. der Bewegung ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit, Triftigkeit, Bedeutung und ein Zusammenhang zukommen. Dabei handelt es sich aber um Formalvoraussetzungen, da nicht darauf abgestellt werden darf, ob es sich bei der Anschauung um eine theologisch berechtigte bzw. fundierte handelt. Weiters ist anzufüh- ren, dass nicht jedes religiös motivierte Verhalten vom Schutzbereich umfasst ist. Vielmehr bedarf eines typischen Zusammenhangs mit der jeweiligen Religion oder Weltanschauung, rein persönlich motivierte oder kommerzielle Gründe begründen keinen Anspruch auf ent- sprechenden Schutz.21 b) Weltanschauungsfreiheit Die Weltanschauungsfreiheit selbst, bezogen auf nicht-religiöse Ansichten, findet sich in Art 9 EMRK, wohingegen in Art 14 StGG nur religiöse Fragen von Belang sind und keine allgemeine Weltanschauungsfreiheit garantiert wird.22 In Art 9 Abs 1 2. Halbsatz EMRK wird die Religionsausübungsfreiheit näher umschrieben, die Weltanschauungsfreiheit steht gleichberechtigt daneben. Obwohl keine genaue Differenzierung zwischen Religion und

16 Vgl Heißl, Handbuch Menschenrechte: Allgemeine Grundlagen – Grundrechte – Entwicklungen – Rechtsschutz (2009), RZ 18/12f; Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2 (2012), Kap. 31 RZ 4. 17 Vgl Berka, Verfassungsrecht6, RZ 1433. 18 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 514. 19 Vgl Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Band 3: Grundrechte2, RZ 42.197. 20 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 512 f. 21 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2 (2012), Kap. 31 RZ 3 und 6. 22 Vgl Berka, Verfassungsrecht6, RZ 1433; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11, RZ 940; Bezemek, Grund- rechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte1 (2016), Kap. 15 RZ 7.

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Weltanschauung vorgenommen wird, muss hinsichtlich des Schutzbereiches eine genauere Umschreibung der Weltanschauungsfreiheit vorgenommen werden, da nicht jede persönli- che Überzeugung davon erfasst ist.23 Unter Weltanschauungen verstehen sich Ansichten, welchen auf die menschliche Existenz abzielende Sinndeutungen zugrunde liegen. Ebenso muss nachweisbar sein, dass die Überzeugungen eine gewisse Stichhaltigkeit, Ernsthaftig- keit, Schlüssigkeit und Bedeutung mit sich bringen. Es muss dabei eine starke Bindung zu dieser Überzeugung vorliegen, von der ohne schwere Gewissensnot nicht abgegangen wer- den kann.24 Durch die Ähnlichkeit zur Meinungsäußerungsfreiheit kommt es zu einer Über- schneidung mit dem Schutzbereich der Weltanschauung.25 Im Fall Arrowsmith gegen Verei- nigtes Königreich26 hat die EKMR festgehalten, dass nicht jedes religiös motivierte Verhalten oder weltanschauliche Überzeugung ausreicht, um vom Schutzbereich des Art 9 EMRK er- fasst zu werden. Die Beschwerdeführerin Arrowsmith wollte durch das Verteilen von Flug- blättern irische Soldaten zum Desertieren bewegen. Auch wenn Pazifismus laut der EKMR durchaus eine Weltanschauung iSd Art 9 Abs 1 EMRK darstellen kann, fehlte den Flugblät- tern der Verweis auf die pazifistischen Beweggründe und konnte somit als rein politische Haltung verstanden werden.27 c) Gewissensfreiheit Im Unterschied zur Religion definiert sich das Gewissen dadurch, dass es die Meinung eines Menschen in der Differenzierung von Gut und Böse, Richtig und Falsch, etc. ausdrückt. Dies aus der Perspektive heraus, dass den Handlungen transzendente Werte zukommen und im öffentlichen Leben von Bedeutung sind.28 Die nähere Definition des Begriffes Gewissen lässt die EMRK frei, vielmehr soll dadurch die Möglichkeit bestehen, eben nach anderen rechtli- chen Grundlagen zu entscheiden, wenn keine ausreichende Verbindung zu einer Religion oder Weltanschauung vorhanden ist. Man kann sagen, dass der Gewissensfreiheit eine Auf- fangfunktion zukommt.29 Bisher unterblieb eine nähere Befassung des EGMR mit der Gewis- sensfreiheit da sich dazu noch keine Gelegenheit ergab, zumal jede ernsthafte Entscheidung eine Gewissensentscheidung darstellen kann, sofern ihr keine politische oder rein zweckmä- ßige Orientierung zukommt.30 Die Gewissensfreiheit sichert dem Einzelnen zu, sein Gewis- sen als ethischen Bezugspunkt menschlichen Handelns heranzuziehen, für den Fall dass es zu einer Kollision von gesellschaftlichen Ge- und Verboten kommt. Dann soll der Einzelne

23 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 22 RZ 118. 24 Vgl Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union2 (2013), Art 10 RZ 6. 25 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 516; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 22 RZ 118. 26 Vgl EGMR 7050/75 (12.10.1978) – Arrowsmith gegen Vereinigtes Königreich. 27 Vgl Pottmeyer, Religiöse Kleidung in der öffentlichen Schule in Deutschland und England – Staatliche Neutrali- tät und individuelle Rechte im Rechtsvergleich (2011), S 84. 28 Vgl Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte1 (1963), Kap. 13 361. 29 Vgl Ch. Walter in Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG Konkordanzkommentar2 Band 1 (2013), Kap.17 RZ 21 und 34; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 22 RZ 99. 30 Vgl Frowein in Frowein/Peukert (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention – EMKR-Kommentar3 (2009), Art. 9 RZ 3.

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nach seinem Gewissen handeln können, welches dann auch als verbindlich anzusehen ist. War zu Anfang der Bezug zu religiösen Überzeugungen gegeben, wird nach heutiger Auf- fassung vertreten, dass jedwede Art von Gewissen, sei sie religiöser, ethischer oder weltan- schaulicher Natur, davon umfasst ist.31 Es soll jedermann nach seinen eigenen moralischen, religiösen und weltanschaulichen Maßstäben handeln können.32 Somit soll der menschlichen Selbstbestimmung und der individuellen Persönlichkeit des Einzelnen besonderer Respekt zuteilwerden.33

2. Die Schranken der Glaubens- und Gewissensfreiheit

Die Bildung von religiösen als auch weltanschaulichen Überzeugungen wird uneingeschränkt garantiert, bei der Ausübung ist eine Beschränkung durch den einfachen Gesetzgeber mög- lich.34 Daher handelt es sich bei der Glaubensfreiheit um kein schrankenloses Grundrecht, die Grenzen sind aber eng auszulegen. Gemäß Art 63 Abs 2 StV St. Germain besteht die Glaubensfreiheit soweit, als sie mit der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten vereinbar ist. Die Einschränkungen der Religionsfreiheit sind daher nur zulässig, wenn Beschränkun- gen aufgrund der Wahrung der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten notwendig sind. Der Art 9 Abs 2 EMRK unterliegt einem materiellen Gesetzesvorbehalt35, weshalb Schranken für die Gewissens- und Glaubensfreiheit nur auferlegt werden können, sobald dies im Inte- resse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten von anderen in einer demokratischen Gesellschaft als notwendig erachtet wird. Da der Vorbehalt des Art 63 Abs 2 StV St. Germain nur Bezug auf die öffentliche Ordnung oder der guten Sitten Bezug nimmt und daher enger auszulegen ist als Art 9 Abs 2 EMRK, kommt diesem der Vorrang aufgrund des Günstigkeitsprinzips gemäß Art 53 EMRK36 zu. Der Judikatur des EGMR kann entnommen werden, dass Beschränkun- gen vorzusehen sind, wenn Interessen von einzelnen Gruppen auszugleichen wären und die Anschauungen jedes Einzelnen gesichert sein müssen. Das Günstigkeitsprinzip ist jedoch nicht immer möglich, weshalb in Fällen der Kollision der Rechte aus der Religionsfreiheit untereinander von diesem abzugehen ist. Dabei handelt es sich um Konstellationen, bei de- nen es unter Umständen zu einer Verkürzung eines Menschenrechts kommt, da ein Teilbe- reich der Religionsfreiheit einen weitergefassten Schutzbereich, wie aus dem Art 63 Abs 2 StV von St. Germain resultierend, haben kann als der kollidierende Bereich, der möglicherweise nur von Art 9 EMRK Schutz erfährt, dieser aber konkreter gefasst ist und

31 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 510. 32 Vgl Bezemek, Grundrechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte1, Kap. 15 RZ 4. 33 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap 22 RZ 111. 34 Vgl Hengstschläger/Leeb, Grundrechte2 (2013), RZ 16/6. 35 Vgl Bezemek, Grundrechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte1 (2016), Kap. 15 RZ 9. 36 Art 53 EMRK: „Diese Konvention ist nicht so auszulegen, als beschränke oder beeinträchtige sie Menschen- rechte und Grundfreiheiten, die in den Gesetzen einer Hohen Vertragspartei oder in einer anderen Übereinkunft, deren Vertragspartei sie ist, anerkannt werden.“.

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damit einen weit weniger großen Schutzbereich gewährt.37 Aus Art 9 EMRK ergeben sich Schutzpflichten für den Staat, wonach er für den Schutz der Religionsgemeinschaften Sorge zu tragen hat. Dies kann erforderlich sein, wenn diese Angriffe von Dritten ausgesetzt sind. Geschieht dies beispielsweise in Form von Kunst, so hat der Staat eine Abwägung der kolli- dierenden Freiheiten auf Meinungsäußerung bzw. Kunstfreiheit und der Religionsfreiheit vor- zunehmen. Dabei kommt den Vertragsstaaten ein weiter Ermessensspielraum zu. Das Er- gebnis soll die Wahrung des religiösen Friedens sein und soll auf die Toleranz in Bezug auf Religionen hingewirkt werden.38

Die in Art 14 StGG verfassungsrechtlich gewährleistete Gewissensfreiheit soll den Menschen absichern, dass dieser sein Gewissen als Maßstab für die sittliche Bewertung seiner Hand- lungen sehen kann, er soll sein Gewissen frei bilden können, ohne jeglicher Beeinflussung. Weiters soll dadurch möglich sein, dass jeder Mensch sein Leben nach eigenen Gewissens- entscheidungen führen kann. Die Beschränkungen der Gewissensfreiheit liegen im materiel- len Gesetzesvorbehalt des Art 9 Abs 2 EMRK. Ein Gewissenskonflikt liegt demnach vor, wenn es eine Sache der individuellen sittlichen Entscheidung ist, ob sich derjenige den Ge- setzen unterordnet – wenn diese auch seinem Gewissen widersprechen – oder er in Konflikt mit der Rechtsordnung tritt, da er es vorzieht, seinem Gewissen zu folgen. Die Gerichte zie- hen hier keine einheitliche Linie hinsichtlich der Gewissensentscheidungen von Einzelnen, es werden diese respektiert und kann daher auch von Verurteilungen abgesehen werden. Durch die Ausgestaltung des Grundrechtes auf Gewissensfreiheit sollen dem Einzelnen schwere Gewissenskonflikte erspart bleiben. Die Grenzen der Gewissensfreiheit finden sich jedoch dann, wenn die Rechte anderer Menschen berührt werden. So kann es hinsichtlich der religiösen Überzeugung zu einem Gewissenskonflikt bezüglich einer Bluttransfusion kommen, der aber als unbeachtlich zu sehen ist, wenn das Leben eines Unmündigen betrof- fen ist.39

B. Meinungsäußerungsfreiheit

1. Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit

Zunächst konnte die in Art 13 StGG40 geregelte, verfassungsgesetzlich gewährleistete Mei- nungs- und Pressefreiheit durch den enthaltenen Gesetzesvorbehalt beschränkt werden, erst

37 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 517 ff; Bezemek, Grund- rechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte1 (2016), Kap. 15 RZ 10. 38 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2 (2012), Kap. 31 RZ 9. 39 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 521 ff. 40 Art 13 StGG: „Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Die Presse darf weder unter Censur gestellt, noch durch das Concessions-System beschränkt werden. Administrative Postverbote finden auf inländische Druck- schriften keine Anwendung.“.

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durch den Art 10 EMRK41 wurde der Schutzbereich der Meinungsfreiheit ausgebaut und hat Art 13 StGG ergänzt da dieser den Umfang des Schutzbereiches weiter fasste. Damit war auch das Recht auf Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen, sohin das Recht auf Information, gewährleistet. Aufgrund der großen Bedeutung dieses Grundrechts spricht der EGMR von einem Grundpfeiler in der demokratischen Gesellschaft. Durch die Meinungsfreiheit soll gewährleistet werden, dass alle Informationsverarbeitungen und Mei- nungsbildungen des Einzelnen in Freiheit ablaufen und sich jeder unabhängig eine eigene Meinung bilden kann.42 Insgesamt kann man bei einer Zusammenschau aller genannten Re- gelungen sagen, dass unter dem Begriff der Kommunikationsfreiheit die Meinungsäuße- rungs-, Informations- und Medienfreiheit als zugehörig zu sehen sind.43 Eine noch spezifi- schere Abgrenzung kann vorgenommen werden, wenn auf den Kommunikationsinhalt, - medium oder -prozess abgestellt wird. Nach dieser Unterteilung fallen unter den Bereich des Kommunikationsinhaltes die Meinungsäußerungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit, unter den Bereich Kommunikationsmedium die Pressefreiheit und unter Kommunikationsprozess die Informationsfreiheit.44

Gemäß der Erläuterung der Charta der Grundrechte zu Artikel 11 GRC und Art 53 Abs 2 GRC ist festzuhalten, dass Artikel 11 GRC45 dem Wortlaut des Art 10 EMRK entspricht und ihm die gleiche Bedeutung und Tragweite wie Art 10 EMRK zukommt. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass auch die Schrankenregelung des Art 10 Abs 2 EMRK für Art 11 GRC Gültigkeit hat, weshalb nur Einschränkungen des Schutzbereichs möglich sind, die nach dortigen Regelungen vorgesehen sind.46

In Art 13 StGG und Art 10 EMRK findet sich die Schutzregelung der Meinungsfreiheit. Durch diese Regelungen wird jeder Person, ob natürlichen oder juristische47, die individuelle Mei- nungsfreiheit gewährleistet und hat diese das Recht, ihre Meinung sowohl für sich als auch

41 Art 10 EMRK: „(1) Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, daß die Staaten Rund- funk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen. (2) Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Recht- sprechung zu gewährleisten.“. 42 Vgl Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte1 (1963), Kap. 13 323; Berka, Die Grund- rechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 541 und 543. 43 Vgl Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Band 3: Grundrechte2, RZ 42.183. 44 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2 (2012), Kap. 8 RZ 2. 45 Art 11 GRC: „(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungs- freiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staats- grenzen zu empfangen und weiterzugeben. (2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“. 46 Vgl Bezemek, Grundrechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte1 (2016), Kap. 16 keine RZ und RZ 1. 47 Vgl EGMR 22.05.1990, Autronic v. Switzerland, 12726/87 RZ 47; Bezemek, Grundrechte in der Rechtspre- chung der Höchstgerichte1 (2016), Kap. 16 RZ 2.

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sozial zu verwirklichen. Davon erfasst ist ebenso die Informationsfreiheit, wonach jeder Mensch das Recht hat, informiert zu werden.48 Somit genießt auch der Informationsempfän- ger im Sinne einer Informationsfreiheit Schutz, weshalb man insgesamt von Kommunikati- onsfreiheit sprechen kann, da sowohl der Äußernde mit seiner Meinung als auch der Äuße- rungsempfänger in seiner Informationsfreiheit geschützt werden.49 Weiters zählen die Rund- funk-, Wissenschafts-, Kunst- und Pressefreiheit zur Meinungsäußerungsfreiheit und sind von ihrem Schutzbereich mit umfasst.50 Der Begriff der Meinung wurde bisher noch nicht näher vom EGMR definiert, die Auslegung des Schutzbereichs wird aber weit verstanden.51

Die Äußerungsfreiheit ist im Schutzbereich des Art 13 StGG und Art 10 EMRK mit umfasst. Dadurch werden Äußerungen in Form von subjektiven Werturteilen als auch Tatsachenaus- sagen geschützt. Auf den Wahrheitsgehalt der Äußerungen wird hier nicht abgestellt, viel- mehr zielt der Schutz darauf ab, gerade Meinungen und Äußerungen zu schützen, die ge- eignet sind, den Staat bzw. die Bevölkerung zu schockieren oder zu beunruhigen.52 Bei Werturteilen ist zu beachten, dass diese keinen „Wertungsexzess“ darstellen dürfen.53 Eine wichtige Voraussetzung ist ebenfalls, dass die Äußerung potentiell jemand anderen errei- chen muss, damit von einer Meinungsäußerung im Rechtssinne ausgegangen werden kann und damit vom Schutzbereich erfasst wird. Besteht keine Möglichkeit, dass die Äußerung objektiv wahrgenommen wird, gilt sie auch nicht als schutzwürdig im Sinne des StGG.54

Der VfGH hat in einer Erkenntnis ausgesprochen, was unter Meinungsfreiheit zu verstehen ist: alle Stellungnahmen, die ein Werturteil enthalten und Bezug nehmen auf Fragen aus al- len Bereichen wie zB der Wissenschaft, Kultur, usw. Ob es sich dabei um eine neue Stel- lungnahme oder um die Wiedergabe einer bereits vorhandenen Werturteils handelt, ist uner- heblich.55 Ebenso hat der Einzelne durch Art 10 EMRK das Recht, auf eine Meinung zu ver- zichten, dies lässt sich zwar nicht genau dem Gesetzestext entnehmen, jedoch ist auch die sogenannte negative Meinungsäußerungsfreiheit eine Form der Meinungsfreiheit, weshalb diese ebenso geschützt wird.56 Auch werden kritische oder auch verletzende Äußerungen über Religion(en), beispielsweise Blasphemie, vom Schutzbereich des Art 10 EMRK erfasst. Man kann aus Art 9 EMRK keinen Anspruch begründen, der vor religionskritischen Darstel- lungen oder Äußerungen bewahrt. Die EMRK fordert hier eine Toleranz gegenüber Anders-

48 Vgl Berka, Verfassungsrecht6, RZ 1453. 49 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 544. 50 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 23 RZ 2. 51 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2, Kap. 9 RZ 1. 52 Vgl Berka, Verfassungsrecht6, RZ 1454. 53 Vgl VfGH 8.10.2015, UA 3/2015; Bezemek, Grundrechte in der Rechtsprechung der Höchstgerichte1 (2016), Kap. 16 RZ 17. 54 Vgl Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte1 (1963), Kap. 13 327. 55 Vgl VfSlg 7498/1975. 56 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 548.

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denkenden, mögen die Äußerungen auch noch so provokativer Natur sein.57 Der Ermes- sensspielraum bei Beurteilung einer etwaigen Einschränkung des Grundrechts ist bei religiö- sen oder moralischen Themen jedenfalls größer anzulegen, da hier verschiedene Standards zu berücksichtigen sind.58

Bei dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art 10 EMRK und Art 13 StGG handelt es sich um ein sogenanntes Jedermannsrecht, es kommt zu keiner Unterscheidung von In- und Ausländern was sich aus der Formulierung „ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen“59 ergibt, etwaige Beschränkungen des Grundrechts erfolgen für alle unter gleichen Bedingun- gen im Rahmen der vorgesehenen materiellen und formellen Gesetzesvorbehalte. Wie be- reits ausgeführt, wird im ersten Teil des Art 13 StGG und Art 10 EMRK die Rede- und Äuße- rungsfreiheit geregelt, wohingegen im zweiten Satz des Art 10 Abs 1 EMRK ausgeführt wird, dass auch das Äußern von subjektiven Werturteilen und Tatsachenaussagen geschützt wird, unabhängig von einer etwaigen Qualifizierung der Aussage über ihre Wichtigkeit für die Ge- sellschaft oder ihre Bedeutsamkeit, die sie für den Äußernden selbst habe.60 Hinsichtlich des Beleidigungsschutzes kann man – nach ständiger Rechtsprechung – festhalten, dass Wert- urteile keines Beweises bedürfen wohingegen bei Tatsachenbehauptungen ein Wahrheits- beweis verlangt wird. Diese Unterscheidung ist bei der Grundrechtsprüfung von großer Be- deutung und hält sich der EGMR hier nicht immer an die bereits vorgenommene Zuordnung der nationalen Gerichte.61

Durch den Art 13 StGG werden Äußerungen in Form von Worten, durch Schrift, Druck oder bildliche Darstellung geschützt, wobei hier von keiner taxativen Aufzählung ausgegangen werden kann, sodass durchaus andere Arten der Meinungsäußerung, wie zum Beispiel sym- bolische Verhaltensweisen, durch die Meinungsfreiheit geschützt sind.62

2. Die Schranken der Meinungsfreiheit

Eine Beschränkung der Meinungsfreiheit im Sinne der Grundrechtsschranken kann nur ge- mäß den Bedingungen in Art 10 Abs 2 EMRK, der absoluten Eingriffsschranken des Art 13 StGG sowie des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung erfolgen wenn dadurch die vorgesehenen Voraussetzungen gewahrt bleiben.63 Eine Beschränkung kann daher nur erfolgen, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist, gegen kein absolutes Eingriffsver-

57 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2, Kap. 9 RZ 17. 58 Vgl Frowein in Frowein/Peukert (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention – EMKR-Kommentar3 (2009), Art. 10 RZ 27. 59 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap 23 RZ 20. 60 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 545 f und 559. 61 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 23 RZ 28. 62 Vgl Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Band 3: Grundrechte2, RZ 42.184; Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 548. 63 Vgl Berka, Verfassungsrecht6, RZ 1463.

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bot verstößt, der Eingriff dienlich im Sinne des Art 10 Abs 2 EMRK und zur Erreichung des Zwecks für die demokratische Gesellschaft als notwendig zu erachten ist.64

Als Grenze der Meinungsfreiheit ist jedenfalls die Ausübung von Gewalt und Zwangsmitteln zu sehen, wenn damit die Durchsetzung einer Meinung angestrebt wird und ein Dialog nicht mehr möglich ist.65 Der EGMR hat auch in seinem Urteil Otto-Preminger-Institut 1994 ausge- sprochen, dass die religiösen Auffassungen anderer durchaus ein Schutzgut im Sinne des Art 10 Abs 2 EMRK darstellen und in diesem Fall zu einer Beschränkung der Meinungsfrei- heit führten.66 Der Art 10 der EMRK kann aber in besonderen Fällen durch Art 17 EMRK67 begrenzt werden. Dabei handelt es sich um ein Missbrauchsverbot der Rechte der Konventi- on. Als Hauptanwendungsfall kommt die sogenannte Hassrede in Betracht. So sieht der EGMR in Art 17 EMRK fallweise eine immanente Schutzbereichsbegrenzung des Art 10 EMRK. Dadurch sollen Äußerungen, die gegen grundlegende Werte der Konvention wie Toleranz, Nichtdiskriminierung und sozialen Frieden verstoßen, nicht vom Schutzbereich des Art 10 EMRK erfasst werden.68 Der Art 17 EMRK zielt darauf ab, dass jegliche Be- schwerden, die an den EGMR gestellt werden und auf die Begrenzung eines Schutzberei- ches hinwirken, für unzulässig erklärt werden können. So wurde er auch immer dann ange- wendet, wenn es um eine Präzisierung der Feststellung von Grundrechtsschranken ging.69

Die letzte Prüfungsstufe stellt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung dar. Als Eingriff ist somit jede Maßnahme zu werten, die darauf ausgelegt ist, die vom Schutzbereich erfassten Hand- lungen zielgerichtet zu reglementieren oder zu verbieten.70 Man kann dies auch als Notwen- digkeit in einer demokratischen Gesellschaft bezeichnen, da durch die Grundrechtsein- schränkung das Ziel und die Intensität der Beeinträchtigung berücksichtigt werden müssen. Aufgrund der Wichtigkeit der Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft wer- den Beschränkungen an strengen Maßstäben beurteilt. Ebenso sind die Bedeutung der je- weiligen Äußerung und die Auswirkung auf die Gesellschaft zu berücksichtigen.71

64 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 559. 65 Vgl Ch. Walter in Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG Konkordanzkommentar2 Band 1(2013), Kap.18 RZ 38. 66 Vgl EGMR 20.09.1994, ApplNr 13470/87=ÖJZ 1995/13; Frowein in Frowein/Peukert (Hrsg.), Europäische Men- schenrechtskonvention – EMKR-Kommentar3 (2009), Art. 10 RZ 30. 67 Art 17 EMRK: „Diese Konvention ist nicht so auszulegen, als begründe sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als es in der Kon- vention vorgesehen ist.“ 68 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2, Kap. 9 RZ 3 und 18; strittig: Hong, Hassrede und extremistische Meinungsäußerungen in der Rechtsprechung des EGMR und nach dem Wunsiedel-Beschluss des BVerfG, ZaöRV 70 (2010), S 76 ff. 69 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 18 RZ 3. 70 Vgl Ch. Walter in Grabenwarter (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht Band 2: Europäischer Grundrechteschutz1 (2014), Kap. 12 RZ 30 und 38. 71 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2, Kap. 9 RZ 12.

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Als Besonderheit ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass Art 10 Abs 2 EMRK ei- nen Hinweis enthält, nach der die Kommunikationsfreiheit auch Pflichten und Verantwortung mit sich bringt.72 Damit ist gemeint, dass die Meinungsfreiheit nicht zur Gänze ohne Schran- ken zu verstehen ist, wobei dieser Bemerkung ein rein deklaratorischer Charakter beikommt. Damit alleine können keine legalen Grundrechtsbeeinträchtigungen erfolgen, sie bedürfen weiterhin der erforderlichen Voraussetzungen, namentlich das Bestehen einer Rechtsgrund- lage auf die sich die Beeinträchtigung bezieht, die legitime Zweckverfolgung und inwieweit die Beeinträchtigung als verhältnismäßig zu sehen ist. Ein berechtigtes Ziel bzw. Zweckver- folgung stellt der Schutz der Rechte anderer dar, worunter auch die Religionsfreiheit fällt, ebenso ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die Verbrechensbekämpfung zu nennen.73 Mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist die öffentliche Ordnung an sich, aber auch ein Ausschnitt der Gesellschaft gemeint, der einen speziellen Bereich dieser darstellt wie beispielsweise die Armee. Ebenso kann die Moral ein legitimes Ziel dar- stellen, wenn damit der Jugendschutz gewährleistet werden soll. Der EGMR hat auch bei Meinungsäußerungen zu religiösen Themen abzuwägen, ob es sich bei der Äußerung um eine Grundrechtsverletzung handelt und muss feststellen, ob dieser Beitrag im Interesse der Öffentlichkeit liegt oder ob er doch aufgrund der jeweiligen Intensität die religiösen Empfin- dungen einer betroffenen Gruppe verletzt.74

Als besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang das Zensurverbot hervorzuheben, wel- ches jedenfalls eine unzulässige staatliche Maßnahme darstellt und daher zu den absoluten Eingriffsschranken zählt. Beim Zensurverbot handelt es sich genau genommen um ein Ver- bot der Vorzensur, die alle Maßnahmen einer staatlichen Inhaltskontrolle und Einflussnahme vor Erscheinen des Mediums meint.75 Als zulässig wird aber eine sogenannte Nachzensur erachtet, die aber jedenfalls den Vorschriften des Art 10 Abs 2 EMRK genügen muss.76 Das Zensurverbot gilt auch für Theater- und Kinovorführungen, welchen Zweck die Zensur auch haben mag, dieser ist unerheblich. Die Meinungsfreiheit soll nur eingeschränkt werden, so- weit von einem zwingenden sozialen Bedürfnis auszugehen ist. Um hier den mitunter entge- genstehenden Interessen zu entsprechen, ist eine Güterabwägung erforderlich. Diese Gü- terabwägung bzw. Abgrenzung der entgegenstehenden Interessen geschieht durch den de- mokratischen Gesetzgeber, der ebenso die die Kommunikationsfreiheit beschränkenden Gesetze unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Grundrechts auszulegen und anzuwenden hat. Man spricht hier von einer verfassungskonformen Interpretation. Ebenso sind die Zivil- und Strafgerichte an eine verfassungskonforme Interpretation gebunden, so-

72 Vgl Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Band 3: Grundrechte2, RZ 42.188. 73 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2, Kap. 9 RZ 7 und 11. 74 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 23 RZ 23 und 36. 75 Vgl Berka, Verfassungsrecht6, RZ 1467. 76 Vgl Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Band 3: Grundrechte2, RZ 42.189.

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dass auch hier eine gerechte Abwägung der entgegenstehenden Interessen gewahrt bleiben soll. Durch die Judikatur des EGMR ist nun anerkannt, dass bei öffentlich bedeutsamen Themen und dazu geäußerten subjektiven Werturteilen kein Wahrheitsbeweis verlangt wer- den kann und darf. Wie bereits oben ausgeführt, sind nur bei Tatsachenbehauptungen Be- weise77 zu erbringen. Mit dieser sogenannten „Kritikfreiheit“ wird die Abgrenzung problema- tisch, was noch unter Meinungsfreiheit bzw. unter dem Straftatbestand der Beleidigung zu verstehen ist. Hier ist der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung gefordert, einen mög- lichst schonenden Ausgleich der entgegenstehenden Interessen zu finden.78

Festgehalten werden kann, dass durch ungebührliche Angriffe auf die religiöse Freiheit an- derer Menschen jedenfalls Sanktionen zu ergreifen sind, sofern sie – wie ausgeführt – den jeweiligen Formvorschriften entsprechen und in Bezug auf das Ziel der Sanktion als verhält- nismäßig anzusehen sind.79

C. Kunstfreiheit

Art 13 Charta der Grundrechte der Europäischen Union lautet:

„Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.“

Da die Kunst bzw. das künstlerische Schaffen gesellschaftliche Werte hervorzubringen ver- mag, wird ihr in Art 17a StGG80 ein eigener Grundrechtsschutz zuteil. Bevor dieses Grund- recht 1982 erlassen wurde, war die Kunst durch die Meinungsfreiheit und den ihr auferlegten Schranken geschützt. Durch das eigens geschaffene Grundrecht unterliegt die Kunst nun keinen Schranken mehr, nachdem der Art 17a StGG als vorbehaltloses Grundrecht erlassen wurde. Dadurch ergaben sich einige rechtsdogmatische Fragen, zumal es in weiterer Folge Beschlagnahmungen von Filmen und Büchern gab. Die Kunstfreiheit hat daher eine große Bedeutung im Strafrecht und soweit die Kunst Persönlichkeitsrechte berührt, im Zivil- und Strafrecht.81

Die Kunstfreiheit ist nur innerstaatlich als Grundrecht ausformuliert bzw. als eigenständiges Grundrecht anerkannt. Der VfGH versteht das Grundrecht der Kunstfreiheit dahingehend, als dem Künstler nur Schutz hinsichtlich einer etwaigen Beschränkung gewährt wird, die darauf ausgerichtet wäre, ihn in seiner Freiheit zu beschneiden. Dennoch hat der Künstler sämtliche

77 Vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 (2016), Kap. 23 RZ 28. 78 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 564 ff und 571. 79 Vgl Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Band 3: Grundrechte2, RZ 42.188. 80 Art 17a StGG: „Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.“. 81 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 605.

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geltende Vorschriften einzuhalten und ist davon nicht entbunden. Das Strafrecht stellt mit dem Schutzziel der Rechtsgüter eine mögliche Beschränkung der Kunstfreiheit dar, da es nie die Einschränkung der Kunstfreiheit und damit des Künstlers vor Augen hat, sondern das jeweils zu schützende Rechtsgut.82

1. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit

Art 17a StGG ist die Norm, die die Kunstfreiheit schützt, worunter das künstlerische Schaffen als auch die Vermittlung von Kunst und die Lehre der Kunst zu verstehen sind. Was genau Kunst ist und somit diesen Schutzbereich genießt, ist nicht genau festgelegt. Es sind aus- schließlich nicht nur die Arten der Kunst, welche in der Gesellschaft anerkannt sind, ge- schützt, sondern auch die Formen, welche unter Umständen den sittlichen oder rechtlichen Maßstäben nicht entsprechen und sogar als obszön oder blasphemisch zu werten sind.83

Ebenso gilt der Schutzbereich des Art 17a StGG für die Vermittlung als auch die Lehre der Kunst, es wird das künstlerische Schaffen in all seinen Facetten erfasst, vom schöpferischen Prozess bis zur Ausstellung des Kunstwerks.84 Es sollen auch Kunstrichtungen geschützt werden, die nicht der Allgemeinheit entsprechen, weshalb genau diese Werke, zumal oft provozierend, diesen verfassungsrechtlichen Schutz benötigen.85

In der EMRK wird die Kunstfreiheit nicht explizit erwähnt, jedoch wird diese vom EGMR mit der Meinungsfreiheit gleichgesetzt. Die Ausführung in Art 13 Charta der Grundrechte der Europäischen Union86 wird als Konkretisierung dieses Grundrechts gesehen. Unter den Schutzbereich fallen die Prozesse der Kunsterschaffung, genauso die Verbreitung der Kunst als nächste Ebene. Zu den Trägern dieser Freiheit zählen die Kunstschaffenden sowie all jene, die ein Kunstwerk öffentlich präsentieren, wie zB Aussteller. Es können natürliche, ju- ristische Personen oder Personenvereinigungen Träger der Kunstfreiheit sein, ebenso ist auch die Staatsangehörigkeit nicht von Bedeutung.87 Ferner sind die Präsentationen von Kunst geschützt, wie es bei Ausstellungen, Museen und Theatern üblich ist.88

Durch die Schwierigkeit der Definition, was unter Kunst nun genau zu verstehen ist, bereitet diese Bestimmung einige Probleme. Die Kunstfreiheit soll auch davor bewahrt sein, dass der Staat bzw. dessen Organe über den Wert oder Unwert der Kunst urteilen, ob es sich nun um

82 Vgl Platzgummer, Herabwürdigung religiöser Lehren, Meinungsfreiheit und der Freiheit der Kunst, JBl 1995, 137. 83 Vgl Berka, Verfassungsrecht6, RZ 1492. 84 Vgl Berka, Die Freiheit der Kunst und ihre Grenzen im System der Grundrechte, JBl 1983, 281. 85 Vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11, RZ 930. 86 Art 13 GRC: „Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.“. 87 Vgl Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union2 (2013), Art. 13 RZ 1 und 9; Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2, Kap. 11 RZ 1. 88 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich, RZ 610.

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eine von der Gesellschaft anerkannte Form der Kunst handelt oder sie doch als obszön, blasphemisch oder unzüchtig zu werten ist. Weil es keine genaue Definition gibt, soll vom „offenen Kunstbegriff“ ausgegangen werden der gewährleisten soll, dass alle Formen wie sich Kunst darstellen kann, mit umfasst sind. In der Rechtsprechung bereitet aber dann mehr die rechtliche Auslotung des Schutzbereiches Probleme als die Wertung als Kunst an sich. Dennoch sind auch hier Grenzen festzulegen, die nicht zur Gänze von subjektiven Werten abhängig sind. Vielmehr kommt es zu einem Zusammenspiel von Tatbestandsmerkmalen, es wird zunächst auf objektivierbare Merkmale abgestellt, die die Art der Präsentation als Kunst bzw. die Resonanz und das Urteil von Kunstkennern berücksichtigen. Wenn hier kein Ergebnis gefunden werden kann, wird das Selbstverständnis des Kunstschaffenden, seine Beweggründe und Absichten bei Schaffung des Kunstwerks, herangezogen. Aber auch hier verbleibt kein rein subjektiver Maßstab, da die Gerichte zusätzlich die „Ehrlichkeit des künst- lerischen Strebens“ prüfen. Wie oben bereits erwähnt, soll der Staat keine Wertung der Kunst vornehmen, weshalb vom Künstler lediglich verlangt wird, sein Anliegen bei Schaffung des Kunstwerks verständlich darzulegen.89 Nach Berka ist bei der Beurteilung, ob Kunstwerk oder Nicht-Kunstwerk, auf den Gestaltungswillen des Erschaffenden abzustellen. Steht hin- gegen ein anderes Ziel bei der Schaffung im Vordergrund, so kann es sich um keine Kunst im Sinne des Art 17a StGG handeln. Beim Schutz der Kunstfreiheit beabsichtigte die Verfas- sung, den künstlerischen Schaffensprozess in seiner Gesamtheit als Wert der Gesellschaft hervorzuheben, weshalb der Art 17a StGG vorbehaltlos formuliert wurde. Gerade weil es sich hier um einen Grundrechtsschutz handelt, gilt es Minderheiten – respektive experimen- telle oder exzentrischen Kunst – zu schützen.90

2. Die Schranken der Kunstfreiheit

Die Grundrechtsschranken wurden ausdrücklich als vorbehaltlos formuliert, wonach die Rsp des VfGH jedenfalls eine intentionale Be- oder Einschränkung als verfassungswidrig erach- tet. Demnach wäre dies gegeben, wenn der Staat eine bestimmte künstlerische Richtung unterdrücken würde,91 oder kunstspezifische Sondergesetze erlässt.92 Unzulässig ist jeden- falls ein allgemeiner Gemeinwohlvorbehalt.93 Es wird in einer Gesamtschau über die Auswir- kungen dieses Gesetzes bestimmt, ob es zu einer verfassungswidrigen Beschränkung der Kunstfreiheit kommt. Im Falle einer Kollision der Kunstfreiheit mit allgemeinen Regelungen muss eine entsprechende Interessensabwägung erfolgen, wobei generell derartige Gesetze

89 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich, RZ 606, 608 f. 90 Vgl Berka, Die Freiheit der Kunst und ihre Grenzen im System der Grundrechte, JBl 1983, 281. 91 Vgl Berka, Verfassungsrecht6, RZ 1493; VfSlg 10.401/1985. 92 Vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11, RZ 932. 93 Vgl Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht1 (2003), S 214.

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nur erlaubt sind, sofern sie zum Schutz eines anderen Rechtsgutes als notwendig erachtet werden.94

Durch die Gestaltung als Grundrecht ohne Gesetzesvorbehalt ist nun im Einzelfall eine Ab- grenzung von künstlerischen beziehungsweise sonstigen Äußerungen vorzunehmen.95 Nach Platzgummer ergibt sich aus den entsprechenden Materialien, dass die Formulierung eines Gesetzesvorbehaltes wohl nur deshalb unterblieb, da der Gesetzgeber davon ausging dass die Künstler zwar nicht frei von jeglicher Bindung an die Gesetze sein mögen aber dieser Vorbehalt sich bei vernünftiger Auslegung selbst ergibt. Aus dem Bericht des Verfassungs- ausschusses96 lässt sich entnehmen, dass die Kunstfreiheit den üblichen verfassungsrecht- lich immanenten Schranken unterliegt, also die Kunstfreiheit nur soweit reichen kann, als sie nicht die Grenzen anderer Grundrechte berührt. Wohingegen die herrschende Ansicht nur von einer Bindung des Staates hinsichtlich der Wahrung der Grundrechte ausgeht und es somit nur zu einer Beschränkung der Staatsgewalt kommen kann. Erst wenn sich die Not- wendigkeit ergibt die Freiheit eines Grundrechts vor Eingriffen Dritter zu schützen, ist der Staat verpflichtet, diese konkurrierenden Freiheiten voneinander abzugrenzen.97 In Deutsch- land kann die in Art 5 Abs 3 GG garantierte Kunstfreiheit – nach ständiger Rechtsprechung – nur durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden.98

Zu einer Abweichung bezüglich der Beschränkungen der Kunstfreiheit kam es durch die Strafgerichte hinsichtlich der Beschlagnahmung von Filmen und Büchern, die gegen den § 188 StGB – die Störung des religiösen Friedens – verstoßen haben sollen. Man kam aber zu dem Schluss, dass diese Judikatur so nicht haltbar war, vielmehr hätte in einer strafrecht- lichen Entscheidung auf ein anderes Verfassungsrecht verwiesen werden müssen, woraus sich verfassungsimmanente Schranken ergeben hätten. Es kann nur nicht angehen, dass die verfassungsrechtlich gewährleistete Kunstfreiheit ihre Schranken durch einfachgesetzliche (Straf)gesetze erfährt. Problematischer sind jedenfalls die Abwägungen hinsichtlich der Kunstfreiheit und die Rechte auf Privatsphäre und Ehre. Hier ist ebenfalls zu beachten, dass Beschränkungen durch straf- und zivilrechtliche Gesetze nur zulässig sind, wenn sie einen Bezug zu einem verfassungsrechtlichen gewährleisteten Recht haben und sich aus diesem Grund verfassungsimmanente Schranken ergeben.99

Im Falle der EMRK ist anzuführen, dass die Kunstfreiheit vom Schutzbereich der Meinungs- äußerungsfreiheit mit umfasst ist und aus diesem Grunde dieselbe Schrankenregelung des

94 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 613 und 615. 95 Vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11, RZ 930. 96 Vgl 978 BlgNr 15. GP, 2. 97 Vgl Platzgummer, Herabwürdigung religiöser Lehren, Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst, JBl 1995, 139 f. 98 Vgl Von Arnauld de la Perrière, Grundrechtsfreiheit zur Gotteslästerung?, in Isensee (Hrsg.), Religionsbe- schimpfung – Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007), S 73. 99 Vgl Berka, Die Grundrechte: Grundrechte und Menschenfreiheiten in Österreich1, RZ 616 f.

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Art 10 Abs 2 EMRK gilt. Demnach erfordert es keine Bestimmung des Kunstbegriffes, da der EGMR die Kunstfreiheit in enger Zusammenschau zur Meinungsfreiheit betrachtet. Damit wird aber verhindert, dass es zu einer eigenständigen Entwicklung der Kunstfreiheit kommt. Wie bereits ausgeführt, kann die Kunstfreiheit – als auch die Meinungsfreiheit – durch den Schutz der Rechte anderer, wie zB der Religionsfreiheit, beschränkt werden. Dazu hat der EGMR eine Abwägung aller Interessen auf der Ebene der Rechtfertigung vorzunehmen.100 Der EGMR vertritt in seiner Rechtsprechung die Auffassung, dass die religiösen Gefühle zu achten sind, was für von Arnauld de la Perrière aber zu weit gefasst ist und nicht in der Norm Deckung findet. Bei Gefühlen handelt es sich um subjektive Größen, die keine Basis für ei- nen sozialen Umgang begründen können. Im deutschen Recht werden Gefühlsverletzungen mittelbar geschützt, so wird im Art 5 Abs 2 GG die persönliche Ehre als Beschränkung der Meinungsfreiheit angeführt. Durch den verfassungsrechtlichen Rang den Art 5 GG genießt, kann die Ehrbeleidigung als Schranke für andere Grundrechte funktionieren. Der Grund für den Schutz der Ehre ergibt sich aus sozialer Sicht, es soll den Menschen verdeutlichen dass es Äußerungen gibt, welche Menschen verächtlich erscheinen lassen können. Die objektive Komponente ist dennoch zu beachten, wonach der Achtungsanspruch von Einzelnen betrof- fen sein muss. Dies gilt auch für Gruppen, die Beleidigung trifft deren Mitglieder ebenso, weshalb hier auch Kirchen bzw. Religionen hinzuzählen.101

100 Vgl Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention2, Kap. 11 RZ 2 und 4. 101 Vgl Von Arnauld de la Perrière, Grundrechtsfreiheit zur Gotteslästerung?, in Isensee (Hrsg.), Religionsbe- schimpfung – Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007), S 76.

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III. Strafrechtliche Situation

A. Österreich

1. Allgemeines

In Österreich ist der § 188 StGB102 maßgeblich, wenn es gilt, religiöse Lehren vor Herabwür- digung zu schützen. Durch die mit Joseph II. beginnende Säkularisierung des Strafrechts blieb von den empfindlichen Strafen, die für Gotteslästerung verhängt wurden, nicht mehr viel übrig. Das heutige Ziel des § 188 StGB ist der religiöse Friede. Da mit der verfassungs- gesetzlich gewährleisteten Religionsfreiheit keine Absicherung existiert, dass es nicht doch innerhalb von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften zur Verwirkli- chung von Straftatbeständen kommt, verweist Art 16 StGG103 auf die sitten- und rechtskon- forme Religionsausübung. Ähnliches findet sich auch in Art 63 des Staatsvertrages von St. Germain und Art 9 Abs EMRK geregelt.104 Die Berechtigung des § 188 StGB soll sich nach der Regierungsvorlage zum StGB daraus ergeben, dass Strafdrohungen notwendig seien, damit die Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet werden kann.105

2. Tatbestand

Der § 188 StGB zählt zu den Religionsdelikten und ist als schlichtes Tätigkeitsdelikt ausges- taltet. Da es nicht unbedingt einer herabwürdigenden Handlung bedarf, sondern lediglich auf Möglichkeit der Herabwürdigung oder Verspottung abgestellt wird, ist § 188 StGB als poten- tielles Gefährdungsdelikt ausformuliert.106 Demnach wird jeder bestraft, der Personen oder Sachen, die von einer inländischen Kirche oder Religionsgemeinschaft verehrt werden oder Glaubenslehren einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, sowie ihre Bräuche und Einrichtungen, sofern gesetzlich zulässig, herabwürdigt. Eine Kirche selbst ist als Organisati- on zu werten, der viele Anhänger zuzurechnen sind, wohingegen eine Religionsgemein- schaft schon nach dieser Norm geschützt ist, wenn sich mehrere Menschen zum Gottes- dienst treffen. Die staatliche Anerkennung einer Kirche oder Religionsgemeinschaft ist hier nicht ausschlaggebend, wobei Bräuche und Einrichtungen nur dann Schutz genießen, soweit sie gesetzlich zulässig sind. Als verehrte Personen gelten etwa Christus, Mohamed, Buddha und Gott. Dazu gehören aber nicht der Papst, Imame, Rabiner oder Bischöfe sowie andere

102 § 188 StGB: „Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umstän- den herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“. 103 Art 16 StGG: „Den Anhängern eines gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses ist die häusliche Religionsübung gestattet, in soferne dieselbe weder rechtswidrig, noch sittenverletzend ist.“. 104 Vgl Bachner-Foregger in Höpfel/Ratz (Hrsg.), Wiener Kommentar zum StGB2 (2009), § 188 RZ 1 ff. 105 Vgl Platzgummer, Herabwürdigung religiöser Lehren, Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst, JBl 1995, 139 ff. 106 Vgl E. Mayer/Tipold in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer (Hrsg.), Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, (24. Lieferung Mai 2011), § 188 RZ 3.

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Amtsträger eines Glaubens.107 Die Verehrung ist im religiösen Sinne zu verstehen, sodass jegliche Bezüge zu Personen oder Funktionären von einer Religion nicht als tatbestandlich zu werten sind. Vom Schutz mit umfasst sind auch Gegenstände, die der Verehrung als zu- gehörig zu sehen sind, wie etwa Kruzifixe und Reliquien. Die für die Ausübung des Gottes- dienstes herangezogenen Gegenstände, welche nicht im Besonderen verehrt werden, sind demgegenüber nicht Teil des Tatbestandes des § 188 StGB.108

Die Gemeinschaft muss jedenfalls als transzendental zu klassifizieren sein, da nicht jeder Zusammenschluss von Gläubigen als Religionsgemeinschaft gilt bzw. eine Kirche entstehen lässt. Als Kirche und Religionsgemeinschaft kann nur gelten, wenn als Inhalt der Gemein- schaft der Glaube an ein göttliches oder überirdisches Wesen festgelegt wird, wobei es hier keine Fixierung auf eine einzige Gottheit gibt, es können auch mehrere Wesen sein, so wie ein Bewusstsein von diesem oder diesen Wesen abhängig zu sein, ebenso die Verbunden- heit und die Verpflichtung zur Durchführung von kultischen Handlungen. Von Verehrung spricht man, wenn von den Anhängern einer Kirche oder Religionsgemeinschaft Personen oder Sachen angebetet werden, zu ihnen betet, oder sie als Träger göttlicher Kräfte feiert.109

Die Herabwürdigung selbst meint Missachtung von Personen, Sachen, Bräuchen und Ein- richtungen im religiösen Kontext, diese sollen als unwert oder unwürdig dargestellt werden, wohingegen eine Verspottung auf das Lächerlich machen dieser Objekte bzw. Personen abzielt. Die Herabwürdigung bzw. Verspottung muss auch in der Öffentlichkeit geschehen, worunter eine Anzahl von mindestens 10 Zuhörern, Zusehern zu verstehen ist oder, wenn es sich um ein Schriftstück handelt, wenigstens zehn Personen erreichen muss. Weiters genügt es, wenn für den Personenkreis die Äußerung lediglich wahrnehmbar ist, ob die Äußerung tatsächlich gehört wurde, ist unerheblich. Als Ärgernis versteht sich eine Handlung, die ge- eignet ist, die Gefühle eines durchschnittlich religiösen Menschen schwer zu verletzen.110 So ist gemäß des OGH eine Satire jegliche Kunstgattung, möge sie ein Film, eine Karikatur oder Film sein, die mit Übertreibung, Ironie und Spott Kritik übt, sei es an Personen oder Ereignis- sen und sie dadurch lächerlich macht. Es folgt eine Anprangerung der Zustände und wird mit Witzen gespickt. Der EGMR reiht die Satire unter die Kunstfreiheit ein. Wie bereits ausge-

107 Vgl Bertel/Schweighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil II10, RZ 1 und 3; Hinterhofer/Rosbaud, Strafrecht Besonderer Teil II6 (2016), § 188 RZ 2. 108 Vgl Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht (2003), S 212; Hinterhofer/Rosbaud, Strafrecht Besonderer Teil II6 (2016), § 188 RZ 2. 109 Vgl Bachner-Foregger in Höpfel/Ratz (Hrsg.), Wiener Kommentar zum StGB2 (2009), § 188 RZ 4 ff; Ber- tel/Schweighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil II10, RZ 2 f. 110 Vgl Bertel/Schweighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil II10, RZ 4 ff; Hinterhofer/Rosbaud, Straf- recht Besonderer Teil II6 (2016), § 188 RZ 5 und 7.

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führt, wird diese nicht eigens in der EMRK geschützt sondern ergibt sich aus der Meinungs- äußerungsfreiheit des Art 10 EMRK.111

Nicht jede Herabwürdigung und Verspottung kann ein tatbestandliches Ärgernis darstellen, weshalb nur berechtigte Ärgernisse erfasst sind, die an den Wertvorstellungen der Gesell- schaft gemessen werden. Das Ärgernis muss zu einer tiefergreifenden Empfindung führen, die durch einen verletzenden Akt hervorgerufen wird und am Wertgefühl des Geärgerten rührt. Als Maßstab ist der normal empfindende Durchschnittsbürger heranzuziehen.112 Durch die Kunstfreiheit kann es zu keiner Rechtfertigung einer Herabwürdigung von religiösen Leh- ren kommen. Es soll das künstlerische Schaffen geschützt sein, wohingegen bei der Ver- marktung des Kunstwerks durchaus die Aspekte des § 188 StGB greifen können.113 In der Lehre und Rechtsprechung finden sich Stimmen, die eine Rücksichtnahme bei der Anwen- dung des Strafrechts für erforderlich halten. Demnach soll eine Interessensabwägung des geschützten Rechtsguts mit der Kunstfreiheit erfolgen, woraus erkennbar ist, dass der Kunst- freiheit – als Verfassungsgesetz – ein entsprechender Wert beigemessen wird. Demnach kann bei Prüfung der Tatbestandsmerkmale darauf eingegangen werden, was der Künstler mit seinem Werk ausdrücken wollte und sein verfolgtes Ziel bei Schaffung dessen war, ebenso die Erforschung seines Kunstverständnisses wie die Art seiner Kunst, mit der er sein Werk erschuf. Die Gerichte wissen um die Vielschichtigkeit der Kunst und gerade bei einer Satire wird nicht auf Worten herumgeritten zumal es typisch für Satiren ist, eine verzerrte Wirklichkeit wiederzugeben.114 Man kann dennoch von der Kunstfreiheit als Rechtfertigungs- grund absehen, wenn auf das Tatbestandsmerkmal berechtigte Ärgernis und die Herabwür- digung religiöser Lehren abgestellt wird.115

So meint Birklbauer im Zusammenhang mit der Reformierung des Strafrechtes, dass es sich bei der Strafnorm des § 188 StGB um keine zeitgemäße Strafnorm mehr handeln kann, da es nicht die Aufgabe eines säkularisierten Staates sein soll, die Herabwürdigung der Glau- bensgrundsätze von Religionen mit Strafrecht zu sanktionieren. Der Unterschied zu Staaten, bei denen hinter Strafnormen religiöse Bestimmungen stehen, sei daher kaum vorhanden. Der Anwendungsbereich des § 188 StGB ist auch mehr im Kunstbereich zu finden, wenn die Kunstfreiheit nicht obsiegt und somit der Rechtfertigungsgrund entfällt. Die Beschlagnah-

111 Vgl Öner, Die politische Satire im österreichischen Straf- und Medienrecht – Ein Vergleich mit den Vorgaben der MRK/des EGMR, JBl 2011, 742. 112 Vgl Bachner-Foregger, Wiener Kommentar2, § 188 RZ 13. 113 Vgl Bertel/Schweighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil II10, RZ 9. 114 Vgl Platzgummer, Herabwürdigung religiöser Lehren, Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst, JBl 1995, 139 ff. 115 Vgl Bachner-Foregger, Wiener Kommentar2, § 188 RZ 18.

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mung des beleidigenden Kunstwerks würde genügen, um den öffentlichen Frieden zu wah- ren, wofür aber keine Strafnorm erforderlich wäre.116

Angeregt durch die aktuellen Ereignisse von „Charlie Hebdo“ wurde in Österreich hinsichtlich der Strafrechtsnovelle die Verschärfung des Verhetzungsparagraphs, § 283 StGB, diskutiert, welche im Entwurf vorgesehen war. Demnach wären Hasspostings und –aufrufe bereits strafbar, wenn sie rund 30 Menschen erreichen. Dabei handelt es sich um eine Verschärfung der Verhetzung, die damit auch die Meinungsfreiheit berühren und somit die Karikaturen, wie von „Charlie Hebdo“ veröffentlicht, untersagen. Dies sei aber nicht die Intention, da hier wei- terhin der Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit gewahrt bleiben soll. Der Strafrechtspro- fessor Klaus Schwaighofer aus Innsbruck sieht darin keine Gefährdung der genannten ab- gedruckten Karikaturen. Jedoch gibt es auch Gegenstimmen, die meinen, dass Karikaturen nichts anderes als das Verächtlichmachen von Religionen sind und deshalb den Tatbestand der Verhetzung erfüllen können.117

B. Deutschland

1. Tatbestand

Der § 166 StGB118 des deutschen Strafrechts erfasst zwei Tatbestände: - die Beschimpfung des religiösen bzw. weltanschaulichen Bekenntnisses, - die Beschimpfung von Religionsgesellschaften bzw. Weltanschauungsvereinigungen, ihrer Einrichtungen oder Gebräuche, wenn dies in einer Weise geschieht, die geeig- net ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Beim Schutzobjekt handelt es sich um den Inhalt des religiösen bzw. weltanschaulichen Be- kenntnisses. Als Inhalt eines Bekenntnisses kommen alle Werte, an die der Einzelne als ab- solut Gültiges und Verpflichtendes glaubt, in Betracht. Dies sind demnach Glaubenslehren und -regeln einer religiösen bzw. weltanschaulichen Gemeinschaft, aber auch die Glaubens- vorstellungen des Einzelnen. Die Religiosität eines Bekenntnisses bestimmt sich nach sei- nen Inhalten, vor allem transzendentaler119 Natur, ob es ein höheres göttliches Wesen gibt, nachdem sich die Gebote der Glaubensanhänger richten. Bei der Weltanschaulichkeit hin- gegen werden die Welt und die Stellung der Menschen im Ganzen betrachtet, der religiöse

116 Vgl Birklbauer, Entrümpelung des StGB?, Juridikum 1/01, S 29 f. 117 Vgl Aichinger/Kommenda, Strafrecht neu: Sind wir noch Charlie?, Die Presse 2015/18/05. 118 § 166 StGB: „(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frie- den zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“. 119 Vgl Hörnle, in Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB2 (2012), § 166 RZ 7.

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Bezug fehlt hier. Als Beispiele werden der Kapitalismus, der Marxismus und die Existenzphi- losophie angeführt. Es muss sich dabei um ein ganzheitliches System handeln, alle anderen Auffassungen wie zB das Parteiprogramm einer politischen Partei allein, kommen als Tatob- jekt nicht in Betracht. Ihnen fehlt es am einheitlichen Konzept, welches sich zur Gänze um die Weltanschauung dreht, wobei aber ein Parteiprogramm durchaus Teil eines solchen Sys- tems sein kann, weshalb es dann schutzwürdig wurde. Das Tatbestandsmerkmal „anderer“ meint, dass es sich dabei um das Bekenntnis anderer Menschen handeln muss, ob es sich um eine Personenmehrheit oder eine Gemeinschaft handelt, ist nicht von Bedeutung. Eben- so wenig muss es ein anderes Bekenntnis als des Täters sein. Die Tathandlung als solche erfolgt durch das Beschimpfen von Bekenntnissen, dies kann in der Öffentlichkeit geschehen oder auch durch die Verbreitung von Schriften. Die Beschimpfung muss potentiell geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Unter dem Begriff der Beschimpfung versteht sich die Behauptung von Werturteilen, die für den Adressaten abfällig wirken. Im Unterschied dazu ist das Verspotten zu nennen, das auf die Lächerlichmachung abzielt. Als Maßstab für die Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal der Beschimpfung verwirklicht wurde, gilt nicht das Gefühl bzw. die Empfindung des Anhängers einer Überzeugung, sondern das „objektive Urteil eines auf religiöse Toleranz bedachten Beurteilers“. Die Äußerung muss für ein Be- kenntnis dermaßen herabwürdigend wirken, dass sie als Gefährdung für den öffentlichen Frieden einzustufen ist. Damit entfällt auch jeglicher Grundrechtsschutz wie die Meinungs- freiheit und Kunstfreiheit. Bei einer Karikatur oder Satire muss auch hier eine Unterschei- dung von der eigentlichen Aussage zum Deckmantel der Karikatur oder Satire vorgenommen werden.120

Kommt es hingegen nur aufgrund interner Verbote einer Religionsgesellschaft zu einer Be- leidigung oder Beschimpfung – wie das Bilderverbot und somit alle bildlichen Darstellungen von Gott oder Propheten – liegt keine Beschimpfung vor. Ebenso wenig stellt die Ausübung von Kritik an einer Religion einen Akt der Beschimpfung dar. Dafür ist es notwendig, dass die Religion auf eine Art und Weise beleidigt wird, die gemeinhin als Schmähung verstanden wird.121

Die Eignung zur öffentlichen Friedensstörung ist dann gegeben, wenn es den Menschen nicht mehr möglich ist, in einer Gesellschaft zu leben, in der sie aufgrund ihre Glaubens Be- fürchtungen haben müssen, dass sie mit Gewalt konfrontiert werden oder Diskriminierungen bzw. Schmähungen über sich ergehen lassen müssen bzw. wenn durch die Beschimpfungen zu erwarten ist, dass diese beim Adressaten zu einer Erschütterung der religiösen oder welt- anschaulichen Überzeugungen führt. Ebenso genügt die Förderung von Intoleranz bei Drit-

120 Lenckner/Bosch, in Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch29 (2014), § 166 RZ 1, 3 ff. 121 Vgl Hörnle, Strafbarkeit anti-islamischer Propaganda als Bekenntnisbeschimpfung, NJW 2012, 3416.

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ten gegenüber den Adressaten des betroffenen Bekenntnisses. Ob die Betroffenen letztlich gegen die Beschimpfung vorgehen, ist in keinem Zusammenhang mit der Eignung als Frie- densstörung zu sehen. Dies gilt ebenso, wenn es sich um eine erkennbare Beleidigung einer Person handelt, welche nicht direkt gegen ein Bekenntnis gerichtet ist bzw. nicht den Grund der Beleidigung darstellt. Für die Kenntnisnahme ist es ausreichend, dass die Beschimpfung in einer Weise kundgetan wird, dass sie für all jene wahrnehmbar wird, für die es eine Be- schimpfung und somit eine Gefahr für den öffentlichen Frieden darstellen kann. Die Schutz- objekte stellen die Kirchen, andere Religionsgesellschaften, Weltanschauungsvereinigungen und deren Einrichtungen und Gebräuche dar.122 Als Einrichtungen verstehen sich nicht die räumlich erfassbaren Institutionen, sondern ist darunter mehr ein Überbegriff zu verstehen, der alle möglichen Formen, Zeremonien und Organisationsstrukturen, mit denen der Glau- bensinhalt ausgedrückt werden kann, meint. Die Gebräuche, welche meist kaum von den Einrichtungen zu unterscheiden sind, stellen die „praktizierten Riten und Kulthandlungen“ dar, welche typisch in Zusammenhang mit der Religion oder Weltanschauung stehen. Es muss sich um Gebräuche von allgemeiner Natur handeln, welche nicht nur in gewissen Re- gionen ausgeübt werden.123 Dabei handelt es sich um ausgeübte Praktiken von Anhängern des Bekenntnisses, wie beispielsweise die Bekreuzigung, der Gebetsruf des Muezzin oder ein Bilderverbot.124

Als Kirchen gelten alle, bei deren Glauben es sich um ein höheres Wesen handelt. Wenn aber religiöse Einzelzwecke im Vordergrund stehen, wie beispielsweise karitativer oder sozi- aler Natur, kann es sich um keine Kirche und damit um ein Schutzobjekt handeln. Ähnlich verhält es sich mit den Weltanschauungsvereinigungen, welchen nur dann geschützt wer- den, wenn es ihnen ähnlich wie bei der Kirche um eine weit erfassende Verwirklichung von Lebensaufgaben geht. Werden hingegen nur Teilbereiche des Lebens zu Aspekten der Ver- einigung, so stellt diese kein Schutzobjekt dar. Es muss auch ein Inlandsbezug gegeben sein, da es sich um deutsches (Straf)Recht handelt. Dieser ist dann gegeben, wenn im In- land eine zu schützende Vereinigung besteht. Als Tathandlung zählt das in Abs 1 erwähnte Beschimpfen, welches sich gegen die Religionsgesellschaft bzw. Einrichtung richten muss.125

Ist ein Kunstwerk der Ausdruck einer Beschimpfung, so muss das Tatbestandsmerkmal Be- schimpfen sehr restriktiv ausgelegt werden. Dies vor allem deshalb, weil es für Karikaturen und Satiren geradezu typisch ist, zu übertreiben oder über zu stilisieren. Die Kunstfreiheit

122 Vgl Lenckner/Bosch, in Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch29 (2014), § 166 RZ 12. 123 Stübinger in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch4 (2013), § 166 RZ 11. 124 Vgl Hörnle in Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB2 (2012), § 166 RZ 13. 125 Vgl Lenckner/Bosch, in Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch29 (2014), § 166 RZ 13 ff.

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verlangt auch von allen Menschen, dass diese die Ironie hinnehmen mögen, unabhängig davon, ob sie diese verstehen.126

Für die Beschränkung eines Grundrechtes braucht es eine formellgesetzliche Basis. Um bei- spielsweise die Mohammed-Karikaturen als strafrechtlich relevant beurteilen zu können, müssten diese zuerst den objektiven Tatbestand des § 166 StGB erfüllen, was sie aber we- gen des Fehlens einer Beschimpfung, Missachtung, Rohheit oder Verächtlichkeit gerade nicht tun.127 Die beschimpfende Aussage muss aus „religionsübergreifender“ Perspektive betrachtet werden und weniger aus der internen Sicht einer Religionsgesellschaft. Dazu wird – wie bereits oben erwähnt – die Sichtweise eines objektiven und unbefangenen Dritten als Beurteilungskriterium herangezogen. Um aber den Tatbestand des Beschimpfens überhaupt zu erfüllen schlägt Hörnle vor, auf „den intentional verfolgten Zweck“ der Aufstachelung ab- zustellen. Liegt das Zentrum der Handlung weniger im Aufwiegeln gegen ein anderes religiö- ses Bekenntnis, so soll die Tatbestandsmäßigkeit verneint werden. Damit wird auch der zi- tierten Kunstfreiheit genüge getan.128

C. Schweiz

1. Tatbestand

Das geschützte Rechtsgut des Art 261 StGB129 ist die Glaubensfreiheit, genauer gesagt die Achtung vor Mitmenschen und deren Überzeugungen in Bezug auf Religiosität. Daraus er- gibt sich auch ein Schutz für den religiösen Frieden. Das Tatbestandsmerkmal „in gemeiner Weise“ ist objektiv zu verstehen, da es nicht den Beweggrund, sondern das äußere Verhal- ten meint und den besonders eklatanten Gegensatz der Geringschätzung zu einer sachli- chen Kritik bzw. die Missachtung der Überzeugungen anderer Menschen offenbart. Die Glaubensbeschimpfung muss einen Grad der Schwere erreichen, um dieses Tatbestands- merkmal zu verwirklichen. Auch hier ist wieder das Durchschnittsempfinden des einzelnen Religionsanhängers heranzuziehen, wenn es um Beurteilung des Verletzungsgrades der Beschimpfung geht. Dieses Empfinden wird jedoch relativiert, sobald die Kunstfreiheit als kollidierendes Recht entgegensteht. Dann ist zu prüfen, welche Absichten damit einherge- hen. Soll Kritik geübt werden oder nur eine Beleidigung erfolgen? Die satirischen Äußerun- gen stellen ein Sonderproblem dar, denn es ist deren Intention, etwas ins Lächerliche zu

126 Vgl Hörnle in Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB2 (2012), § 166 RZ 20 f. 127 Vgl Isensee, Blasphemie und säkularer Staat, in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte1 (2013), S 206 f. 128 Hörnle, Strafbarkeit anti-islamischer Propaganda als Bekenntnisbeschimpfung, NJW 2012, 3416 f. 129 Art 261 StGB: „Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbeson- dere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, wer eine verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlung böswillig verhindert, stört oder öffentlich verspottet, wer einen Ort oder einen Gegenstand, die für einen verfassungsmässig gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmt sind, böswillig verunehrt, wird mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.“.

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ziehen. Dadurch geschieht es relativ leicht, dass die (religiösen) Gefühle Anderer verletzt werden. Aber auch hier gilt zu berücksichtigen, ob die Satire noch als kritisch einzustufen ist oder nur auf die Beleidigung und Verletzung der Gefühle abzielt. Durch eine Kennzeichnung der Satire als solche kann man diesen aufgeworfenen Problemen insofern aus dem Weg gehen, als dass sich potentiell beleidigte Menschen keine Kenntnis von der Satire verschaf- fen oder sie als das verstehen wollen was sie ist, nämlich eine Satire. So wurde der ehema- lige französische Staatspräsident Mitterrand mit Dornenkrone und Davidstern karikiert, da er nach einer pro-arabischen Aussage gegenüber Israel wieder zurückrudern musste. Die Kari- katur wurde aber nicht als Beleidigung von Religionen gesehen, sie sollte lediglich auf den politischen Charakter abzielen. Für das Verständnis von Karikaturen ist es nötig, dass ein gewisses Maß an Abstraktionsvermögen an den Betrachter gestellt wird.130

Als öffentlich gilt die begangene Tat, wenn sie von einer unbestimmten Vielzahl von Men- schen wahrgenommen wird. Die subjektive Seite erfordert animus iniuriandi, die Absicht zu beleidigen. Mit dem Begriff Kultushandlung versteht sich grundsätzlich jede Veranstaltung, bei der mehrere Personen zu Gott Kontakt aufnehmen, wobei es nicht wichtig ist, in welcher Form dies geschieht. Alle Handlungen, die sich bekenntnisneutral mit der Religion auseinan- dersetzen, wie etwa im Religionsunterricht, zählen nicht dazu. Die Verunehrung eines ge- weihten Ortes bzw. Gegenstandes kann nur am Gegenstand bzw. dem Ort selbst gesche- hen, eine Abbildung stellt kein Tatobjekt dar. Bei Glaubenssätzen, die in offensichtlichem Widerspruch zur schweizerischen Rechtsordnung stehen, kann kein Schutz durch Art 261 gewährleistet werden, dies vor allem wenn auch Handlungen gesetzt werden die gegen die Sittlichkeit verstoßen oder eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen. Die Gesetze sollen gerade den religiösen Frieden garantieren, weshalb radikale Ansichten und Vorgehenswesen nicht als schützenswert anzusehen sind. Ebenso ergibt sich das Problem bei Verletzung von religiösen Gefühlen: Gefühle und Empfindlichkeiten sind stets individuell und treffen nicht alle Menschen gleich, weshalb es schwierig ist, Strafrechtsschutz aus die- ser subjektiven Komponente zu gewähren. Dies würde zu permanenten Ungleichbehandlun- gen führen. Die Beschimpfung von religiösen Ansichten ist nicht gleichzusetzen mit Be- schimpfungen, die Ehrgefühle verletzen; es muss die Absicht bestehen, dass die Gefühle des Adressaten verletzt werden.131

130 Vgl Fiolka in Niggli/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar – Strafrecht2 (2007), Art 261 RZ 15 und 18 ff; Trechsel/Vest in Trechsel et al. (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch – Praxiskommentar (2008), Art 261 RZ 1 ff; Stratenwerth/Wohlers in Stratenwerth/Wohlers (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch - Handkommentar2 (2009), Art 261 RZ 3. 131 Vgl Fiolka in Niggli/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar – Strafrecht2 (2007), Art 261 RZ 15 und 18 ff; Trechsel/Vest in Trechsel et al. (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch – Praxiskommentar (2008), Art 261 RZ 1 ff; Stratenwerth/Wohlers in Stratenwerth/Wohlers (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch - Handkommentar2 (2009), Art 261 RZ 3.

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D. Zusammenfassung

Alle Straftatbestände haben als Schutzgut die Friedenswahrung in der Gesellschaft als Ziel, weshalb im Vorfeld eine öffentliche Störung vorliegen muss, gegen die uU strafrechtlich vor- gegangen werden kann. Die Schweiz schützt primär die Glaubensfreiheit, worunter die Ach- tung von Mitmenschen und deren religiöser Überzeugungen zu verstehen sind. Letztlich zielt auch dieser Schutzgedanke wieder auf den religiösen Frieden ab. Ebenso verlangen alle Tatbestände, dass es sich um keine individuelle Empfindlichkeit handeln darf, sondern die Verletzung eine Schwere erreichen muss, die zu einer Friedensstörung führen kann. Dazu wird das Empfinden eines Durchschnittsmenschen herangezogen.

Eine Unterscheidung lässt sich hinsichtlich der Schutzadressaten erkennen. Der Straftatbe- stand des § 166 StGB in Deutschland schützt auch Weltanschauungsvereinigungen, wohin- gegen in Österreich durch § 188 StGB nur Kirchen und Religionsgemeinschaften mit trans- zendentalem Hintergrund erfasst werden. Im Art 261 StGB der Schweiz wird nur Schutz für Glaubenssätze gewährt, die in keinem Widerspruch zur schweizerischen Rechtsordnung stehen.

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IV. Religiöse Aspekte

A. Islam

1. Allgemeines

Aus den Überlieferungen geht hervor, dass Muhammad anno 570 geboren wurde; ob es sich bei ihm überhaupt um eine reale Person gehandelt hat, wurde zum Gegenstand reger Dis- kussionen. So gibt es unter anderem auch die Theorie, dass es sich beim Namen Muham- med um den Beinamen Jesu handelt. Letztlich waren alle diese Annahmen nicht hinreichend zu belegen dass es sich bei Muhammed um eine rein fiktive Person handelt, weshalb man heute der Tradition folgt und von einer realen Person ausgeht. Der Islam kann am besten mit einer für uns bekannten „Gottergebenheit“ erklärt werden, weshalb der Name „Muslime“ auch bedeutet, dem einen Gott Ergebene (Sure 22,34). Als wichtigste Quelle des Islams gilt der Koran. Er hat aber nicht nur in Buchform Gültigkeit, vielmehr ist das vorgetragene Wort von größerer Bedeutung. Der Inhalt wurde Mohammed von Gott durch den Erzengel Gabriel mündlich übermittelt. Dies soll sich über einen Zeitraum von 23 Jahren erstreckt haben. Zu- nächst erfolgte eine mündliche Überlieferung des Propheten an seine Gefährten, welche diese selbst weitergaben und teilweise schriftlich festhielten. Daraus ergaben sich verschie- dene Aufzeichnungen, weshalb man sich dann um eine einheitliche Fassung bemühte. Nach dem Koran soll allen Gläubigen „Heilung und Barmherzigkeit“ zuteilwerden, wohingegen den Ungläubigen „nur noch mehr Verlust“ ereilen soll. Als zweite wichtige Quelle neben dem Ko- ran sind die Sunna zu nennen, welche eine Sammlung von Nachrichten, Hadithe genannt, enthalten die von Mohammed berichten. Hier wurden seine Handlungen, Anweisungen und Aussprüche festgehalten.132 Der Islam gilt als Offenbarungsreligion, ebenso wie das Chris- tentum und das Judentum. Der Koran ist, im Gegensatz zum Alten und Neuen Testament, das unmittelbare Wort Gottes, welcher sich an Mohammed gewandt hat, um ihm seine Bot- schaften für die Menschheit zu offenbaren.133

2. Terrorismus im Islam?

Durch die Kolonialsierungen wurden Gefühle der Demütigung bei manchen Anhängern des Islam geschürt. Dies resultiert aus dem Verhalten der Kolonialmächte, welche sich als dem Islam überlegen sahen und daraus die Berechtigung ableiteten, islamisch geprägte Länder zu erobern und den Menschen die „wahre Religion der Liebe“ zu bringen. Dies stellt einen Angriff auf das kollektive Selbstverständnis dar, welcher geeignet ist, den Grundstein für eine Demütigung zu legen. Dieser Grundstein kann die Basis für nachtragenden Groll bilden, der

132 Vgl Heine/Lohlker/Potz, Muslime in Österreich (2012), S 177 ff, 194 ff. 133 Vgl Wentker, Grundfragen des Islam, in Feichtinger/Wentker (Hrsg.), Islam, Islamismus und islamischer Ex- tremismus – Eine Einführung (2008), S. 21.

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dann selbst in ein Überlegenheitsgefühl ausschlagen kann und dadurch eine Berechtigung, andere zu demütigen. Dies stellte auch einen Beweggrund für die Anschläge des 11. September 2001 auf die Großmacht USA dar. Die Texte, die später gefunden wurden, ließen keine Zweifel, dass es sich weniger um eine politische Aktion als um einen religiösen Akt handelte. Durch das Selbstopfer, welches die Attentäter erbrachten, sollte die Welt von allem Bösen gereinigt und sie durch ihren Tod auf ewig mit ihrem Gott vereint werden. Folgt man dem Islam und seinem Verständnis, so sind derartige Handlungs- und Sichtweisen nicht dezidiert aus diesem entnehmbar. Vielmehr kann sich derartiges aus religiösen Traditionen bilden, die dann zu Handlungsmustern von Einzelnen oder Gruppen führen. Aus diesem Grunde erübrigt sich die Verantwortung von religiösen Gemeinschaften für solche Taten, wenn diese keine Grundlage im Koran oder in der Tradition finden.134

3. Das Bilderverbot

„Du sollst dir kein Gottesbild machen […].“ (Ex 20,4)

Die Blasphemie in der heutigen Zeit bezieht sich meist auf darstellende Kunst wie etwa Bil- der, Karikaturen oder Filme. Eine Verbindung zum Bilderverbot, wie er in den meisten Religi- onen vorkommt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Dabei herrscht aber Uneinigkeit, wie eng dieses Bilderverbot auszulegen bzw. zu verstehen ist. So vertritt eine Seite die These, dass überhaupt keine Darstellung in Form von Bildern erfolgen darf, wohingegen die andere Seite meint, möglichst viele Bilder der Gottheit entstehen zu lassen, um damit eine Fixierung auf bereits geschaffene Bilder zu vermeiden und dadurch immer wieder einen neuen Blick- winkel auf den Gott zu erhalten. Aus der Perspektive betrachtet, kann die Blasphemie auch eine willkommene Abwechslung sein.135 Geht man vom völligen Bilderverbot in der Bibel aus, welches sich im ersten Gebot wiederfindet, soll dadurch auf die mögliche Ablenkung hinge- wiesen werden, die die Erschaffung eines Bildnis Gottes vom Glauben weg hin zu Götzen- verehrung verursachen kann und von daher zu vermeiden ist.136

„Ihr Gläubigen! Wein, das Losspiel, Opfersteine und Lospfeile sind (ein wahrer) Greuel und des Satans Werk. Meidet es!“ (Sure 5,90)

Bei diesem Zitat handelt es sich um die meist ins Treffen geführte Stelle im Koran, wenn vom Bilderverbot im Islam die Rede ist. Es wird unter anderem die Anbetung von Opfersteinen und Lospfeilen erwähnt, von einem Bilderverbot findet sich hingegen nichts. Wenn man im Koran nach dem Wort „Bild“ sucht – im Arabischen súra – so stoßt man nur ein einziges Mal

134 Vgl Heine/Lohlker/Potz, Muslime in Österreich (2012), S 186 f. 135 Vgl Schroeter-Wittke, Gott lässt sich nicht spotten! (Gal 6,7) – Eine protestantische Positionierung zum Thema Blasphemie, in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 59 f. 136 Vgl Laubach, Der lächerliche Glaube – Ethische Aspekte der Blashphemie, in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 116 f.

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darauf und zwar, wenn von der Menscherschaffung die Rede ist. In den Hadithen – die Wor- te des Propheten bzw. Prophetentradition genannt – finden sich Bereiche zum Thema Bil- derverbot. Demnach gelten Bilder als unrein, der Ort an dem sie sich befinden, gilt als be- schmutzt und stellt keine geeignete Gebetsstätte dar. Die Bilder wurden mit Götzenbildern gleichgestellt: so wurde berichtet, dass Mohammad nach seiner Eroberung Mekkas zuerst alle Götzenbilder in der Ka´ba vernichten musste, um dort beten zu können. In einem ande- ren Hadith ist die Rede von der Befürchtung Mohammads, dass eine bildliche Darstellung eine Ablenkung bei seinem Gebet verursachen könnte. Eine Steigerung dazu findet sich in den schiitischen Hadithen, wenn in einem Haus eine körperhafte Abbildung existiert. Diese Abbildungen werden mit Gefäßen für Exkremente auf dieselbe Stufe gestellt. Die Engel wer- den dann dieses Haus nicht betreten. Allen Hadithen ist gemeinsam, dass sie die Befürch- tung einer Kultentstehung haben. Denen die Bilder erschaffen, droht die Verdammung im Jenseits. Dies lässt sich damit erklären, dass nur Gott allein die Macht besitzt, den Schöp- fungen Leben zu schenken. So zwingt er dann im Jenseits die Maler, ihren Werken Leben einzuhauchen, was nicht funktioniert und sie von Gott zum Höllenfeuer verdammt werden.137

Eine Ausnahme von der bildlichen Darstellung sind die Bilder, welche keine Menschen oder Tiere zum Inhalt haben. Zusammengefasst bedeutet dies, dass es verboten ist Götzenbilder anzubeten, da die Bedeutung der Bilder im Zusammenhang mit Unreinheit verstanden wird. Der wichtigste Punkt ist aber, nicht an Stelle von Gott Leben zu schaffen wollen. Dennoch ist die Thematik des Bilderverbots nicht endgültig belegbar, da sich die für das Bilderverbot aussprechenden Hadithe in Kapiteln finden, die Fragen der Bekleidung oder Benehmens behandeln und weniger auf die figürliche Darstellung abzielen. Trotzdem wurden aus den Moscheen, Gebetssälen und öffentlichen Räumen sämtliche körperliche Abbildungen fortge- schafft. Wie bereits oben ausgeführt, werden Bilder mit Götzenbildern gleichgestellt und gel- ten damit als unrein. Mit der Verbannung der Bilder aus den genannten Orten soll erreicht werden, dass diese nicht als unrein gelten und somit keine geeignete Gebetsstätte sein kön- nen. Die Unterscheidung von „rein“ und „unrein“ ist im Islam von größter Bedeutung. Damit wird die Abgrenzung vom „Heiligen“ zum Einfachen vorgenommen. Aus diesem Grund soll sich der Gläubige nicht nur vor dem Gebet reinigen, sondern auch den Ort, an dem er sein Gebet vornehmen möchte. Der Ort soll durch die Befreiung von allen unreinen Gegenstän- den heilig werden, woher sich auch das Beten auf einem Teppich erklärt. Dieser stellt einen begrenzbaren Platz der Reinheit dar. Weil die Bilder als unrein gelten, sind auch alle Mo- scheen als Orte der Gebetsausübung frei von bildlichen Darstellungen. Im Gegensatz dazu wird im Christentum mit einem möglichen Bilderverbot anders umgegangen. So steht in den zehn Geboten folgende Passage:

137 Vgl Naef, Bilder und Bilderverbot im Islam (2007), S 12 und 14 ff.

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„Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist.“ (Exodus 20,4; Deuteronomium 5,8)

Trotzdem gibt es im Christentum so etwas wie eine theologische Akzeptanz was die bildliche Darstellung betrifft. So kam es im 5. Jahrhundert zu einem Austausch von Bildnissen, die den Kaiser darstellten und durch Christus und der Jungfrau Maria ersetzt wurden. Dadurch versprach man sich Glück für den Staat und den Kaiser, die Bilder sollten auch beschützen- de Aspekte haben. Man erkannte, dass die Bilder auch für die Analphabeten eine Möglich- keit darstellten, die Heilsgeschichte zu verstehen und sollte dadurch die Demut vor Gott und dem religiösen Glauben angeregt werden. Im 12. und 13. Jahrhundert erreichte die Bilder- verehrung durch Thomas von Aquin und Albert dem Großen ihren Zenit und wurde durch die Reformation wieder verbannt. Heute sehen sich die islamischen Gelehrten mit einer völlig anderen Situation konfrontiert. Es ist durch die neuen Medien üblich, Bildnisse zu verbreiten weshalb sie nun mit einer Totalpräsenz des Bildes umgehen müssen. Im Karikaturenstreit wurde oft behauptet, dass es ein Verbot der bildlichen Darstellung von Muhammad oder an- deren Propheten gibt. Wie oben bereits ausgeführt, lässt sich dieses Verbot nicht dezidiert aus dem Koran oder Hadithen entnehmen. Man leitet dieses Verbot aber von der Tatsache ab, dass jegliche Darstellung Muhammads auf einer Kinoleinwand als verwerflich gilt, kann doch kein normaler Mensch diesen verkörpern und in einem Film darstellen. So war im Falle des Karikaturenstreits auch weniger die bildliche Darstellung des Propheten der Grund des Zorns vieler Muslime, sondern mehr die Beleidigung durch die Karikaturen selbst. Dass die Karikaturen dann auch noch von Nicht-Muslimen angefertigt wurden, trug nur mehr zum Är- gernis bei und galt als Angriff auf den Islam. Für die Gelehrten im Islam gibt es zwei Zu- gangspunkte: zum einen die Perspektive, aus der jegliche Sorte von Bildern, auch Fotos, abgelehnt werden. Diese strenge Sichtweise ist vor allem in der wahabistischen Glaubens- richtung vertreten. Die andere Position kann als die realistischere bezeichnet werden, denn hier gelten bestimmte Bilder als zulässig. Dies gilt vor allem für Fotografien, da ihnen der Schöpfungsaspekt fehlt. Eine einheitliche Linie, welche Bilder als zulässig gesehen werden oder verboten sind, lässt sich nirgends entnehmen. Generell sollte man sich die Frage stel- len, was hinter der vehementen Vorgehensweise gegen Bildnisse steckt und woher dieser Zorn rührt. Hier gibt es einige Ansätze, die dieses Phänomen erklären könnten. So könnte man meinen, dass weniger das Bild selbst im Zentrum der Kritik steht, als was es vielmehr aussagen bzw. transportieren möchte. Die Aufrufung zur Zerstörung von Statuen durch die Obrigkeiten könnte durchaus so verstanden werden, dass sie die Menschen dazu bringen wollen, sich gegen die bildlich dargestellte politische Macht zu erheben. Der Islam wird dabei nur als Alibi ins Treffen geführt, da sich – wie bereits erläutert – keine genaue Stelle im Ko- ran finden lässt, auch die Hadithen geben darüber nur begrenzt Auskunft. Ebenso kann beim

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Verbieten von Filmen der Wunsch zugrunde liegen, eine potentielle Übermittlung von Bot- schaften zu verhindern. Aber meist ist der wahre Grund für das Bilderverbot, alles Anstößige oder moralisch Verwerfliche zu verbannen.138 Dennoch ist zu berücksichtigen, dass viele Muslime aus einem Selbstverständnis heraus von einem Bilderverbot ausgehen und damit als unumstößlich zu werten ist.139

V. Blasphemie

A. Allgemeines

Schon in der Bibel werden sowohl im Alten und im Neuen Testament die Gotteslästerung bzw. Blasphemie erwähnt. So findet sich bereits in den Zehn Geboten:

„Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen! Denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ (Ex 20,7)

„Gott sollst du nicht lästern, […]“ (Ex 22,27a)

„Jeder der seinen Gott flucht, muss die Folgen seiner Sünden tragen. Wer den Namen des Herrn schmäht, wird mit dem Tod bestraft; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Der Frem- de muss ebenso wie der Einheimische getötet werden, wenn er den Gottesnamen schmäht.“ (Lev 24,15 – 16)

Die Blasphemie lässt sich nur auf der Ebene der Empfindung erklären, es ist ein Phänomen, das sich nur über die Wahrnehmung ergibt. Jeder Mensch empfindet eine (potentiell blas- phemische) Handlung anders, man kann Blasphemie nicht an Fakten festmachen. Somit liegt nicht automatisch Blasphemie vor, erst dann wenn es zu einer Verletzung religiöser Ge- fühle kommt.140 Betrachtet man den blasphemischen Akt aus Sicht der betroffenen Perso- nen, stellt sich eine Dreieckssituation dar. Als erste Person agiert der Störer oder Gottesläs- terer, als zweite Person das Opfer, das in seinen religiösen Gefühlen verletzt wird, als dritte Person der Staat, sofern man ihn als Person bezeichnen möchte. Der Staat steht natürlich zu den beiden anderen Personen, dem Störer und dem Opfer, in Beziehung als auch zu der verfassungsrechtlich gewährten Freiheitsordnung. So stellt sich für den Gotteslästerer eine freiheitsrechtliche Abwehrsituation dar, denn er möchte seine Äußerungen frei kundtun. Das Opfer hingegen begehrt Schutz seiner religiösen Gefühle, weshalb sich in der Situation ein

138 Vgl Naef, Bilder und Bilderverbot im Islam (2007), S 25 ff, 132 ff. 139 Vgl Luf/Schinkele, Kommunikationsfreiheit und Schutz religiöser Gefühle – Überlegungen aus Anlass des „Karikaturenstreits“, JRP 2006, 88. 140 Vgl Schroeter-Wittke in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 62 f.

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Zusammenspiel aus Schutzrechten und –pflichten ergibt. Der Störer wird sich in aller Regel auf sein Recht auf Meinungsäußerung bzw. Kunstfreiheit berufen. Wie bereits weiter oben ausgeführt, sieht Art 10 Abs 2 EMRK ausdrücklich vor, dass die Kommunikationsfreiheit „mit Pflichten und Verantwortung verbunden“141 ist und auch Beschränkungen möglich sind. Na- türlich kann der Staat die Freiheiten einschränken um die gesellschaftlichen Interessen zu wahren. Dabei ist aber darauf zu achten, dass dies nicht über die Gebühr passiert, eine Frei- heit kann nur soweit beschränkt werden, als es dem Zwecke dienlich ist. Aus diesem Grund gibt es auf Seiten des Staates und in der EMRK eigene Schranken, die diese Befugnis der Beschränkung von Grundrechten nicht zur völligen Einschränkung der Freiheiten ausufern lassen. So fordert beispielsweise das deutsche Bundesverfassungsgericht, dass jedes Grundrecht nach seiner Bedeutung für eine freiheitliche Demokratie bewertet werden muss. Betrachtet man dann den Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts, welches die Blasphe- mie schützen soll, muss eine Unterscheidung zwischen vorläufigem und definitivem Schutz erfolgen, da nicht alle Äußerungen vom gänzlich unbeschrankten Schutzbereich erfasst wer- den. Es setzt sich auch immer mehr die Ansicht durch, dass man sich nur auf die Rechte und Freiheiten eines Grundrechts berufen kann, wenn vom Einzelnen ebenso Toleranz und Re- spekt vor den Rechten anderer zu erwarten ist. Dies ermöglicht einen weiten Schutzbereich der Grundrechte, was nur möglich ist, wenn eben ein sozialverträgliches Maß im Umgang miteinander eingehalten wird.142 Dass es Grundrechte gibt, die einen vor blasphemischen Äußerungen schützen können, interessiert aber den islamischen Kämpfer nicht, da für sie die Verfassung nicht über den agierenden Parteien steht, sondern selbst als Partei in deren Kampf verwickelt scheint. Es ist aber die Aufgabe eines demokratischen Staates, die Inte- ressen aller involvierten Parteien zu wahren und die ins Treffen geführten Grundrechte ge- geneinander abzuwägen. Die Ausübung der Freiheiten soll in keinerlei Widerspruch zuein- ander stehen, dafür hat der Staat Sorge zu tragen. So endet seine Verantwortung auch nicht an der Staatsgrenze, obwohl er nicht außerhalb seiner Gebietshoheit gegen Eingriffe in Grundrechte vorgehen kann. Dennoch bleibt als Aktionsmittel die Kooperation mit dem je- weils betroffenen Staat, weshalb dem Völkerrecht hier große Bedeutung zukommt.143

Die Blasphemie kann verschieden intensiv vorgehen, als unterste Stufe der Blasphemie bzw. Gotteslästerung kann der flapsige, respektlose Umgang mit religiösen Inhalten bezeichnet werden dem es an jeglicher Ehrfurcht mangelt.144 Während Jesus selbst die Blasphemie nur gegen den Heiligen Geist für unverzeihbar hielt, gilt das Wort Blasphemie im Neuen Testa- ment für Jesus und die Christengemeinschaft als verwerflich. Später wurde durch die Schrif-

141 Vgl EGMR, 5393/72 (07.12.1976) – Handyside gegen Vereinigtes Königreich. 142 Vgl Von Arnauld de la Perrière, Grundrechtsfreiheit zur Gotteslästerung?, in Isensee (Hrsg.), Religionsbe- schimpfung – Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007), S 66 ff. 143 Vgl Isensee, Blasphemie im Koordinatensystem des säkularen Staates, in Isensee (Hrsg.), Religionsbe- schimpfung – Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007), S. 108 ff. 144 Vgl Brenscheidt, Freiheit für Blasphemie – Kontroversen um „Götter wie wir“ und „Jesus liebt mich“, S 7.

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ten der Kirchenväter die Blasphemie als Aufforderung zum gläubigen Leben gegen die Chris- ten selbst verwendet und kaum gegen Andersgläubige. Die Aufforderung beinhaltete, dass sie christlich zu leben hatten und alles was gegen das Wort Gottes, Jesus Christus, seinen Gottvater oder den Heiligen Geist ging, als Blasphemie zu verstehen war. Die Andersgläubi- gen galten als in ihrem Glauben verkehrt und konnten nie Gotteslästerer sein, die Blasphe- mie war ihnen somit nie vorwerfbar. In der nachfolgenden Zeit wurden aber durch blasphe- mische Äußerungen bzw. fehlgeschlagene Missionierungen zum Glauben der Christen all jene, die sich gegen den christlichen Glauben wandten bzw. sich gotteslästernd äußerten, zum Teil mit dem Tode bestraft. Später kam es in Bayern 1751 zur Bestrafung von Gottes- lästerung auf strafrechtlicher Ebene, nämlich im Codex Iuris Bavarici Criminalis, in Österreich in der Constitutio Criminalis Theresiana145 aus dem Jahre 1768. Solche Gesetze stellten aber eher die Ausnahme dar. Ein wichtiger Grund für die Verfolgung von sogenannten „Ab- weichlern“ war die Furcht vor Not. Vor allem im Mittelalter und in der Neuzeit ging man davon aus, dass sich der einzig wahre Gott rächen könnte und Krankheit, Leid, Hungersnöte über die Menschen brächte, wenn sie nicht vehement gegen die Lästerungen und Verunehrungen vorgehen sollten. Auch wenn das kanonische Recht das europäische Zivilrecht geprägt hat, so findet sich kein Gesetz, in dem die Blasphemie eine besondere Rolle gespielt hat. Auf die strafrechtlichen Gesetze, die sich mit der Herabwürdigung von Religionen befassen, wird gesondert eingegangen. Selbst in der Kirchengeschichte wird die Blasphemie als nicht be- sonders wichtig erachtet. So konnte zwar Gott durch Menschen verspottet und gelästert werden, aber man war in der Annahme, dass das Gott nichts anhaben konnte. Man ging da- von aus, dass er sich selbst um diejenigen kümmern würde und es somit Gottes Sache war gegen sie vorzugehen. Durch diese Tatsache brauchten die Menschen nichts gegen die Läs- ternden zu unternehmen bzw. war es ihnen sogar verboten, Bestrafungen zu erteilen. An- ders verhält es sich in Ländern, in denen der Islam die vorherrschende Religion der Gesell- schaft darstellt. Dies erklärt sich dadurch, dass die Scharia, welche das islamische Rechts- system verkörpert, eng mit dem Staat und dem Verständnis dessen verknüpft ist, sogar als eine Einheit bildend gesehen werden kann. Dadurch ist eine Trennung von Staat und Kirche, so wie wir sie kennen, nicht vollzogen weshalb blasphemische Äußerungen als innerreligiö- ser Verstoß gelten und als Bestrafung durch das Staatsgesetz exekutiert werden.146

Aus diesem Grund hat der europäische Verfassungsstaat im Karikaturenstreit Probleme mit den islamischen Staaten, er kommt hier unter Druck, da er für die blasphemischen Äußerun- gen verantwortlich gemacht wird. Es kommt zu Bedrohungen, Repressalien bis hin zur An- drohung von Progromen. Weiters besteht die Gefahr, dass die Ausschreitungen in den isla- mischen Ländern, hervorgerufen durch erzürnte Muslime, auf sein Staatsgebiet übergreifen

145 Vgl Bachner-Foregger in Höpfel/Ratz (Hrsg.), Wiener Kommentar zum StGB2 (2009), § 188 RZ 1. 146 Vgl Schick, Blasphemie und der Glaube, in Laubach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie – lächerlicher Glaube? Ein wiederkehrendes Phänomen im Diskurs (2014), S 13 ff und 18 ff.

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können. Trotz allem muss sich der Verfassungsstaat gegenüber muslimischen Staaten nicht für Äußerungen seiner Bürger rechtfertigen, egal wie verletzend sie auch sein mögen.147

In einem Staat, der als säkularisiert gilt, stellt das zu schützende Rechtsgut bei Blasphemie der öffentliche Frieden dar. Aus staatlicher Sicht ist Gott nicht beleidigbar, das sind lediglich die religiösen Empfindungen von den Anhängern einer Religion. Es ist auch gar nicht die Intention des Gesetzgebers, Gott vor Beleidigungen zu schützen, er kann kein Grundrechts- träger und seine Ehre kein schützenswertes Rechtsgut sein. Fasst man alle Erkenntnisse hinsichtlich der Geschichte der Blasphemie zusammen, kommt man zu der Erkenntnis, dass Gotteslästerungen und -beleidigungen nur die Anhänger eines Glaubens betreffen können. Aus staatlicher Perspektive besteht der Schutz darin, den öffentlichen Frieden zu erhalten und Beleidigungen abzuwehren. Wird Gott beleidigt, ist in einem säkularisierten Staat davon auszugehen, dass hier kein Straftatbestand erfüllt ist, sondern es sich vielmehr um eine in- terne Religionsangelegenheit handelt. So wurde auf dem Titelblatt der „Titanic“, einem deut- schen Satireblatt, der Papst als inkontinent dargestellt. Es sollte als Hinweis auf das Durch- sickern von vertraulichen und sensiblen Informationen im Vatikan verstanden werden. In wei- terer Folge kam es jedoch zu keiner Verurteilung, da die Deutsche Bischofskonferenz nach einer Bedenkzeit überhaupt von einer Klage absah, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit für das Satireblatt zu erregen. Hätte man sich zu einer Klage entschlossen, so wäre im Falle einer Verurteilung wegen Beleidigung eine empfindliche Geldsumme als Strafe zu zahlen gewesen.148 Die Problematik der Blasphemie ist aber vielmehr die Tatsache, dass diese in vielen Ländern als Repressalie gegen Minderheiten und Kritiker ausgeübt wird wie Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen. Exemplarisch sei hier die Popgruppe „Pussy Riot“ in der Erlöserkathedrale Moskaus im Jahr 2012 angeführt.149 Nach einer Performance vor dem Altar, in der sie von der Heiligen Jungfrau Maria die Vertreibung Putins forderten, wurden drei Mitglieder der Band in U-Haft genommen.150 Daraufhin wurden zwei der drei Mitglieder zu einer zweijährigen Lagerhaft verurteilt, während die dritte Aktivistin auf Bewährung freige- lassen wurde. Die übrigen beiden Mitglieder wurden jedoch im Zuge einer Massenamnestie vorzeitig aus der Lagerhaft entlassen.151

147 Vgl Isensee, Blasphemie im Koordinatensystem des säkularen Staates, in Isensee (Hrsg.), Religionsbe- schimpfung – Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007), S. 135 ff. 148 Vgl Haberer, Grenzen der Toleranz? Theologische Anmerkungen zu „Blasphemie“ als einem medialen Phä- nomen, in Laubach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie – lächerlicher Glaube? Ein wiederkehrendes Phänomen im Dis- kurs (2014), S 30 und 33 ff; Isensee, Blasphemie im Koordinatensystem des säkularen Staates, in Isensee (Hrsg.), Religionsbeschimpfung – Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007), S. 116 ff. 149 Vgl Gabriel/Klissenbauer, Klagen gegen Blasphemie? Zum schwierigen Verhältnis von Religions- und Mei- nungsfreiheit, in Laubach/Lindner (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 179 ff. 150 Vgl Geets, Russland – Feministischer Punk gegen Putin (01.09.2016). 151 Vgl (31.10.2016).

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Aus gewissen Thesen lässt sich entnehmen, dass sich die Blasphemie bereits aus dem Christentum selbst ergibt. Die Begründung lautet dahingehend, dass der Glaube selbst auf seine starke Säkularisierung abzielt, welche sich aus der Tatsache ergibt, dass Gott einen Sohn hat. Die Säkularisierung soll nämlich für das Freiwerden der Religion stehen, die völli- ge Befreiung von Mythen, Mächten und Göttern. Mit der Blasphemie hingegen verhält es sich anders, hier handelt es sich um eine Gotteslästerung bzw. -beleidigung, welche einer radikal säkularisierten Gesellschaft entspringt. Sie bewirkt eine Distanzierung der Menschen von Gott, welche erst durch die Erkenntnis, dass die Welt nicht nur göttlich ist, möglich wird. Aus einer weiteren These geht hervor, dass die Blasphemie auf eine Lebendigkeit der Reli- gionen hinweist. Erst durch ein konkretes Leben der Religion bzw. durch die Vorstellungen von dieser ist eine Verzerrung in Form von Blasphemie möglich. Durch ein Religionssystem kann Blasphemie erst entstehen, da dieser immer eine gewisse Verfremdung, ein Lächerlich machen von etwas Bestehendem innewohnt. Die Blasphemie muss also einen Bezugspunkt zu einem aufrechten Glaubenssystem haben und kann ein Indiz für die Lebendigkeit von Religionen in der Gesellschaft sein, die sich aus den Diskussionen ergibt. Dadurch rückt die Religion vom Bereich des Privatlebens in den Blick der Öffentlichkeit und macht den Weg frei, sich in öffentlichen Debatten mit Glaubensfragen generell und blasphemischem Gedan- kengut auseinanderzusetzen. Ebenso stellt die Art der Auseinandersetzung mit Blasphemie den Grad dar, wie es um die Meinungsfreiheit in einer säkularisierten Gesellschaft bestellt ist. Man kann auch sagen, dass die Blasphemie nicht nur im negativen Sinne zu verstehen ist, vielmehr ist auch eine gewisse Religionskritik enthalten mit der es sich auseinanderzu- setzen gilt. Dadurch können Diskussionen rund um eine Religion entstehen, was eben für die Lebendigkeit des Glaubens spricht. Es werden Glaubenssätze hinterfragt und entsteht da- durch eine gewisse Relativierung des Glaubens, es kommt einem Widerstand gleich, alle Glaubensprinzipien und -grundsätze kritiklos hinzunehmen.152 Bei einer Auseinandersetzung mit dem Thema wird klar, dass es sich nicht allein um religiöse Fragen dreht, auch ethische Aspekte sind ein Teil davon.153 Die Blasphemie lebt davon, dass sie sich zwischen Einfach- heit und Komplexheit, Differenzierung und Distanz zum Glauben bewegt. Es muss zwischen der menschlichen und göttlichen Welt getrennt werden um Blasphemie zu ermöglichen. Erst dann wenn Gott nicht mehr alles durchdringt und ein Abstand zu ihm erfolgt, kann Blasphe- mie gedeihen da erst dann durch die notwendige Distanz Widerspruch erfolgen kann.154

152 Vgl Laubach, Gotteslästerung 2.0 – Thesen zur Blasphemie in der Gegenwart, in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 14 ff. 153 Vgl Laubach, Blasphemie als moralische Kategorie – Theologisch-ethische Aspekte des Blasphemiediskurses in Laubach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie – lächerlicher Glaube? Ein wiederkehrendes Phänomen im Diskurs (2014), S 72 ff. 154 Vgl Otto, Das Heilige (1987), zitiert nach Laubach, Blasphemie als moralische Kategorie – Theologisch- ethische Aspekte des Blasphemiediskurses in Laubach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie – lächerlicher Glaube? Ein wiederkehrendes Phänomen im Diskurs (2014), S 70.

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Dem Christentum ist – im Gegensatz zu den anderen Weltreligionen Islam und Judentum – eine großzügige Toleranz anheim, nach der man aus der Religion frei austreten als auch eintreten kann, wohingegen im Judentum nach dem Alten Testament die Todesstrafe galt, wenn man Jahwe lästerte und ihn dann verließ. Ebenso verhält es sich im Islam, wenn Allah gelästert wird und man ihm den Rücken kehrt. Der Grund für die Toleranz des Austritts im Christentum liegt im bereits ausgeführten Verbot, dass Menschen die Blasphemie nicht kör- perlich bestrafen dürfen. Die Strafe soll durch Gott selbst erteilt werden, die Menschen sollen hier keinerlei Befugnis haben, zu richten. Damit wurde der Grundstein für die Religionsfrei- heit, wie wir sie heute kennen und verstehen, gelegt.155

Bei der Diskussion über die Beurteilung von blasphemischen Äußerungen gibt es unter- schiedliche Ansätze, der eine stammt mehr aus den Vereinigten Staaten von Amerika und ist durch den dortigen Supreme Court geprägt, der andere jener, wie wir ihn auf europarechtli- cher Ebene kennen. Beim Ansatz des Supreme Courts wird von einer bevorzugten Position der Meinungsfreiheit ausgegangen, die nur wenn absolute Gefahr für die öffentliche Sicher- heit herrscht, beschnitten werden darf. Die religiösen Empfindungen stellen keinen ausrei- chenden Grund dar, die Meinungsfreiheit zu beschränken. Die Meinungsfreiheit auf europa- rechtlicher Ebene genießt auch hier den Status eines für die demokratische Gesellschaft besonders wichtigen Grundrechts, jedoch kann es hier schon zu einer Beschränkung der Meinungsfreiheit kommen, wenn sich eine religiöse Minderheit durch eine blasphemische Äußerung verletzt fühlt.156

Es gibt immer wieder Stimmen, die die Abschaffung der „Blasphemieparagraphen“ fordern. Was dagegen spricht ist die Tatsache, dass die Religion als Schutzgut zu betrachten ist, die positive wie auch die negative Religions- bzw. Glaubensfreiheit. Aus diesem Grunde entsteht ein Spannungsverhältnis, es treten die Meinungsfreiheit als auch die Religions- bzw. Glau- bensfreiheit miteinander in Konflikt. Die Gretchenfrage lautet somit immer, wie weit die Mei- nungsfreiheit des Einzelnen reicht. Für Gabriel und Klissenbauer ergibt sich aus der Mei- nungsfreiheit durchaus eine Verantwortung, mit diesem Recht sorgsam umzugehen. Es soll keine Zensur von Meinungen geben, jedoch soll der Einzelne mit entsprechendem Respekt gegenüber der Gesellschaft vorgehen und dies bei seinen Äußerungen berücksichtigen wenn es um die Achtung der Gefühle anderer geht. Aus einem (Grund)Recht entsteht eben- so Verantwortung als auch eine Bindung an moralische und ethische Werte. Dies gilt vor allem für die Kunstfreiheit, der in Österreich ein weitgefasster Schutzbereich zukommt. Da- her besteht als wichtiges Bewertungsmerkmal – wie oben bereits ausgeführt – die Intention

155 Vgl Angenedt, Gottesfrevel – Oder: das Problem des freien Eintritts und freien Austritts, in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 33 f. 156 Vgl Keller/Cirigliano, Die Krux mit der Blasphemie – Analyse zweier richterlicher Lösungsansätze, ZaöRV 2010, 403.

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des Künstlers. Was soll mit dem Kunstwerk ausgedrückt werden? Ist der Grundgedanke des Künstlers nachvollziehbar, kann man seine Kritik verstehen oder hat er rein blasphemische, beleidigende Absichten bei der Schaffung gehabt, die sich nicht wirklich mit Religionskritik vereinbaren lassen.157

Auf moralischer Ebene ergibt sich die Frage, ob es denn richtig oder falsch sein kann, eine Gottheit zu verspotten bzw. welche Folgen dies nach sich ziehen kann. In einer Zusammen- schau mit den zehn Geboten, welche als religiöse Normen zu verstehen sind, lassen sich durchaus moralische Aspekte erkennen. So wird auch von Amtsträgern der Religion eine Nuancierung der Beleidigung vorgenommen, was eine Gotteslästerung ist und wiederum eine Art Vorstufe dazu, die lediglich eine erlassbare Sünde darstellt und keine derartigen Sanktionen nach sich zieht. So stellt bei Beurteilung der Blasphemie in der heutigen Zeit eher die Frage, welche moralischen Aspekte dahinterstehen. Man darf auch die Gewichtig- keit der sozialen und politischen Einflüsse nicht außer Acht lassen. Bis in die Neuzeit war man der Auffassung, dass die Blasphemie Unheil über die Bevölkerung bringt und eine Be- drohung für die Ordnung bedeutete. Als Reaktion erwartete man von Seiten Gottes seine Strafen in Form von Ernteausfällen, Krankheiten, Naturkatastrophen und natürlich Krieg. Aus diesem Grund lässt sich das enge Verhältnis von öffentlichen und politischen Interessen her- leiten, das sich aus Schutzinteressen für die Gesellschaft ergibt. Dies verleiht der Blasphe- mie nicht nur den religiösen, sondern auch den politischen Charakter. Man befürchtete Aus- wirkungen auf das Gemeinwohl, weshalb blasphemische Äußerungen von Seiten des Staa- tes verfolgt werden. Ein weiterer Grund für das menschliche Eingreifen stellte die von Gottes Gnaden verliehene Würde des Königtums im Mittel- und Neuzeitalter dar. So kam die Blas- phemie einem Verbrechen gegen die Majestäten gleich, welches entsprechend geahndet wurde. Die religiösen Werte wurden mit weltlichen Beweggründen vereint. Der Schaden ent- stand nicht nur mehr in religiöser Hinsicht, sondern wurde als Schaden am Gemeinwohl be- trachtet. So ergab sich eine Macht, die die Menschen lenkbar werden ließ und herrschaftli- che Machtverhältnisse absicherte. Deshalb lässt sich nachvollziehen, weshalb Staaten ein entsprechendes Interesse daran hatten, die Blasphemie streng zu bestrafen. Die peinlichen Strafen im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts lassen dies erahnen. Erst durch die Säkula- risierung des Staates, die nach und nach erfolgte, kam es zu einer Reduktion der Bedeutung der Blasphemie bis hin zur Einbettung in ein Grundrecht. Dieser Prozess vollzog sich aber nicht überall gleich auf der Welt, sodass bis heute in manchen (islamischen) Ländern die

157 Vgl Gabriel/Klissenbauer, Klagen gegen Blasphemie? Zum schwierigen Verhältnis von Religions- und Mei- nungsfreiheit, in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 183 ff.

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Todesstrafe verhängt wird, wenn man wegen Blasphemie verurteilt wird. Als Beurteilungs- grundlage wird das dort gültige Rechtssystem, die Scharia, herangezogen.158

Die Ernsthaftigkeit in Bezug auf Blasphemie ebbte in der christlichen Religion mit der Zeit ab. So gibt es zum Christentum Auffassungen, wonach sich in der Religion selbst schon lächerli- che Komponenten feststellen lassen. Diese sollen sich daraus ergeben, dass bereits im Glauben das Lächerliche enthalten sei. Die Grundlage dieser These weist ethische Bezugs- punkte auf. Man argumentiert die Lächerlichkeit damit, dass in der heutigen Zeit und Welt es zu Widersprüchen in Fragen der Religion kommt und eine Distanzierung bzw. Veränderung vom heutigen Menschen- und Weltbild erfolgt ist. Ebenso gelten die Bemühungen von Reli- gionsanhängern als lächerlich, wenn diese immer wieder die Moral hochhalten wollen und mit ihren dafür notwendigen Anstrengungen eventuell doch nur scheitern. Um aber das Lä- cherliche darin zu erkennen, bedarf es der nötigen Distanz zum Glauben. Das Christentum besitzt eine hohe Neigung, sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Dafür werden drei Beispiele angeführt:

- Die Menschwerdung Gottes - Das Leben Jesu - Sein Tod

Der Spott soll darin bestehen, dass Gott sich in die menschliche Welt hinab begibt und Jesus als Idee von Gott gilt, der als Mensch auf die Erde kommt und als Erlöser die Menschen ret- ten soll. Durch die Menschwerdung wird Gott seiner Unantastbarkeit beraubt und lässt sämt- liche bisher dagewesene Vorstellungen von Gottheiten erblassen. Für Jesus gilt bereits sei- ne Herkunft als lächerlich. Der irdische Vater ein Zimmermann und Jesus selbst, der Eigen- schaften in sich vereinte, die widersprüchlich erschienen. So war er würdevoll, zeigte aber zugleich Schwäche, war ein einfacher Mensch und konnte trotzdem göttliches vollbringen. Diese Widersprüche erschweren die Glaubwürdigkeit und schaffen ein Ziel für Spott und Hohn. Für die Religionsanhänger besteht die Gefahr darin erkennen zu müssen, dass Blas- phemie nicht etwas extern Entstandenes ist, sondern bereits ihrem Glauben entspringt. Da- durch kann bei ihnen das Gefühl der Ausgrenzung in der Gesellschaft entstehen, an etwas zu glauben, dass sich der Lächerlichkeit preisgibt. Daraus ergibt sich die Verantwortung im Umgang mit Grundrechten, dem Respekt im Umgang mit den Freiheiten anderer.159

158 Vgl Laubach, Blasphemie als moralische Kategorie – Theologisch-ethische Aspekte des Blasphemiediskurses in Laubach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie – lächerlicher Glaube? Ein wiederkehrendes Phänomen im Diskurs (2014), S 73 ff. 159 Vgl Laubach, Blasphemie als moralische Kategorie – Theologisch-ethische Aspekte des Blasphemiediskurses in Laubach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie – lächerlicher Glaube? Ein wiederkehrendes Phänomen im Diskurs (2014), S 73 ff.

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Der Brennpunkt des Konflikts liegt auch weniger auf staatlicher als vielmehr auf privater Sei- te, wenn von ihr Eingriffe oder Übergriffe in die Grundrechte drohen. Diese sind in unserem Fall die Glaubensfreiheit und die Meinungsfreiheit, von der die Kunstfreiheit mit eingeschlos- sen wird. So hat der Einzelne als Betroffener und Träger des Grundrechtes zumindest for- mell einen Anspruch gegen den Staat, dass dieser seine Grundrechtsinteressen in seine Vorgehensweise mit einfließen lässt, wie er vorzugehen denkt bzw. ob er überhaupt Sankti- onen verhängt. Durch die Mohammed-Karikaturen wurden jedenfalls die Gefühle von An- hängern des Islams verletzt, jedoch können religiöse Gefühle nicht Gegenstand eines Schutzgutes sein, für das der Staat Maßnahmen ergreift. Um als Schutzgut gelten zu kön- nen, müssen objektive Werte vorliegen, da sich aus individueller Empfindlichkeit kein Schutzgesetz begründen lässt. Man kann auch sagen, dass den Muslimen nie die Karikatu- ren aufgezwungen wurden sie anzusehen oder von diesen Kenntnis zu erlangen. Nach Auf- fassung von Muslimen berühren derartige Karikaturen aber ihren Glauben bzw. Religion. Durch die Namhaftmachung einer Religion fällt damit zugleich die Religions- bzw. Glaubens- freiheit als Grundrecht auf. Wie bereits festgehalten, genügt eine Äußerung, die als blas- phemisch gewertet werden kann, nicht um als Grundrechtseingriff in die Religionsfreiheit zu gelten. Ebenso geht der Staat auch davon aus, dass in einer Gesellschaft, die von verschie- denen Religionen geprägt und Platz für Nicht-Religion bietet, die Religionskritik auszuhalten hat. Dabei handelt es sich um keine Eingriffe in ein Grundrecht, sondern kollidieren hier ver- schiedene Ansichten und Interessen. Erst dann, wenn die blasphemische Äußerung auch für einen außenstehenden Dritten als verletzend empfunden wird, kann man von einer zu ahn- denden Beleidigung sprechen. Dafür braucht es die Verletzung der Ehre religiöser Natur, die persönliche Komponente bleibt außen vor. Im Vordergrund steht die Beschimpfung einer Religion, als die religiösen Ehrgefühle des Einzelnen. Wenn es dann zu einer Bestrafung im Sinne einer Grundrechtsverletzung kommt, braucht es dafür keine strafrechtlichen Verurtei- lung. Relevant ist stets der Schutzbereich bzw. -gut des geltend gemachten Grundrechts. Der blasphemisch Äußernde wiederum wird sich dann auf das Grundrecht der Meinungsfrei- heit bzw. Kunstfreiheit stützen.160

Mit den gewalttätigen Reaktionen auf die Karikaturen kann man sich aber auf kein Grund- recht berufen, die körperliche Gewalt stellt kein schutzwürdiges Gut dar. Die Schutzbereiche der Grundrechte beinhalten keinerlei Rechtfertigung für Gewalttaten. So kann es nicht dazu führen, dass eine Oper nicht weiter aufgeführt wird, weil die Intendantin Befürchtungen be- züglich terroristischer Akte aus islamischen Kreisen hatte. Ebenso sei hier beispielhaft Sal-

160 Vgl Isensee, Blasphemie und säkularer Staat, in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 194 und 196 ff.

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man Rushdies Werk „Die satanischen Verse“ angeführt, wie auch die Rede von Papst Bene- dikt XVI., die einen Proteststurm in der islamischen Bewegung auslösten.161

1. Satire und Karikatur

Die Satire ist dem juristischen Verständnis nach eine Kunstform, die sich über wirkliche Er- scheinungen mit Spott, bewusster Überzeichnung und Nachahmung lustig macht. Daraus ergibt sich ein Zerrbild über etwas in der Gesellschaft real Vorhandenes. Als Steigerung der Satire ist die Bildsatire zu nennen, auch Karikatur genannt. Das Ziel dieser ist es, den Bet- rachter schneller zu schockieren, da die Bilder rascher erfasst werden können als ein Text dies tut. Der Schutz der Satire leitet sich aus der Meinungsäußerungsfreiheit und ebenso der Kunstfreiheit ab und kollidiert, wie die hier angeführten blasphemischen Fälle zeigen, mit der Religionsfreiheit. Wird die Karikatur in der Presse veröffentlicht, kommt auch die Pressefrei- heit in Betracht. Wenn nun jemand die Verletzung religiöser Gefühle aufgrund einer Karikatur geltend macht, hat dieser aus den Schriften seiner Glaubensgemeinschaften darzutun, wes- halb genau er sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt fühlt. Bei der späteren Beurteilung über die betreffenden Grundrechte muss bei der Kunstfreiheit berücksichtigt werden, dass den Maßstab ein aufgeschlossener, künstlerisch nicht besonders vorgebildeter Mensch dar- stellt. Der Kunst kommt dabei ein bedeutender Schutzbereich zu, weshalb Karikaturen bis zur Schmerzgrenze möglich sind, ohne rechtliche Sanktionen befürchten zu müssen. So wurde nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen am 1. Februar 2006 in der Zei- tung „Die Welt“ vom deutschen Presserat festgehalten, dass, nachdem dieser Akt kritisiert wurde, es für jeden Anhänger eines Glaubens möglich sein muss, auch scharfe Kritik an der eigenen Religion zu ertragen.162

B. Beispiele blasphemischer Werke

1. Martin Kippenberger, „Zuerst die Füße“

Im Mai 2008 wurde das 1990 geschaffene Kunstwerk im „Museion“, dem Museum für mo- derne Kunst in Bozen, ein grüner, auf ein Kreuz genagelter Frosch, gezeigt. In seiner linken Pfote hält er ein Ei, in der rechten Pfote einen Bierkrug, die Zunge heraushängend. Um die Hüften trägt der Frosch ein Tuch geschlungen, wie man es von vielen Darstellungen des Jesus am Kreuz kennt. Die Reaktionen, die dieses Kunstwerk hervorrief, waren nicht unbe- dingt religiöser Natur. Die meisten Menschen empörten sich eher über das Kunstwerk, als dass sie sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt zeigten. Da der Papst zu diesem Zeitpunkt auf Besuch in Südtirol weilte, veranlasste ihn dies zu einer Reaktion, in der er sich über die

161 Vgl Isensee, Blasphemie im Koordinatensystem des säkularen Staates, in Isensee (Hrsg.), Religionsbe- schimpfung – Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007), S. 113 f. 162 Vgl Heller/Goldbeck, Mohammed zu Gast in Popetown, ZUM 2007, 628.

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Verletzung religiöser Gefühle mokierte. Es erfolgten zum Teil heftige Debatten und gipfelten im Hungerstreik des Süditroler Volkspartei-Politikers und Regionalratspräsidenten Franz Pahl. Interessant ist, dass dieser zuerst keine Bedenken hatte, erst als sich der Papst nach seinem Besuch kritisch über das Kunstwerk geäußert hatte, kam es zum Hungerstreik. In weiterer Folge stimmte der Regionalrat über den Verbleib des Frosches im Museum ab. Die- se ging vorerst zugunsten des Frosches aus, jedoch wurde er später trotzdem aus dem Ein- gangsbereich entfernt und von da an im dritten Stock ausgestellt. Die Pro-Frosch Seite führte immer ins Treffen, dass es dem Künstler Kippenberger weniger um blasphemische Inhalte ging, als der Frosch vielmehr ein Selbstporträt darstellen soll. Kippenberger hatte mit Sucht- problemen zu kämpfen und der Frosch war die Darstellung seines Leidens, nachdem er sei- ne Alkohol- und Drogensucht – deshalb der Bierkrug in der rechten Pfote – besiegt hatte. Es sollte wohl die Ängste die in seinem Leben und Selbstwertgefühl entstanden sind, ausdrü- cken. Auch Jesus am Kreuze soll als Bildnis eines Leidensweges gelten. Kippenberger wähl- te das Kreuz aus seiner persönlichen Opferrolle heraus. Blasphemische Ansätze können sich daraus ergeben, dass sich der Künstler anstelle Jesus Christus ans Kreuz hängt. Man unterstellte dem Künstler ebenso, dass er Jesus mit einem Amphibium verglich.163

Auch wenn man der Deutung, dass Kippenberger sich im Kunstwerk selbst darstellen wollte, nicht folgen kann oder möchte, kommt man dennoch nicht umhin zu sagen, dass es sich um einen rein blasphemischen Akt handelt. Es bleibt dem Betrachter über, welche Meinung er sich dazu machen möchte.164

2. Die Mohammed-Karikaturen a) Dänemark Im September 2005 veröffentlichte der „Jyllands-Posten“, eine dänischen Zeitung, zwölf Mo- hammed-Karikaturen, die von Mitgliedern der Illustratoren-Gewerkschaft angefertigt wurden. Der Grund für die Karikaturen rührte daher, dass ein dänischer Autor keinen Illustrator für sein Kinderbuch über den Propheten Mohammed fand. Die Zeichner lehnten mit der Be- gründung ab, dass sie Angst vor Übergriffen von Islamisten hätten. So wurde schon der nie- derländische Theo van Gogh durch einen Mordanschlag getötet. Daraus entbrannte eine Diskussion, ob man sich nicht mehr auf seine Grundfreiheiten berufen solle und im Sinne

163 Vgl Laubach, Der lächerliche Glaube – Ethische Aspekte der Blasphemie, in Laubach (Hrsg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte (2013), S 112 ff; Lenssen, Blasphemische Kunst?, in Lau- bach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie – lächerlicher Glaube? Ein wiederkehrendes Phänomen im Diskurs (2014), S 61; Beltzung/Khorsand, Im Herrgottswinkel, , (01.09.2016; Liebs, Hängt ihn höher – Das Kreuz mit dem Kippenberger Frosch, , (01.09.2016); Firsching, Kippenberger Froschkreuz nun nicht mehr im Museion, , (01.09.2016); Gekreuzigter Frosch löst Hungerstreik aus, , (01.09.2016). 164 Vgl Laubach, in Laubach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie als moralische Kategorie – Theologisch-ethische Aspek- te des Blasphemiediskurses in Laubach/Lindner (Hrsg.), Blasphemie – lächerlicher Glaube? Ein wiederkehrendes Phänomen im Diskurs (2014), S 76.

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des öffentlichen Friedens auf derartige Zeichnungen verzichten möge. Aus diesem Grunde bat die „Jyllands-Posten“ alle Mitglieder der Illustratoren-Gewerkschaft um ihre Darstellung des Propheten, so „wie sie ihn sehen“. Die zwölf Karikaturen waren den Empfindungen der Redaktion nach weniger provokant als es schon andere zuvor waren bei denen auch anti- semitische Inhalte oder Beleidigungen des christlichen Glaubens gezeigt wurden. Im zuge- hörigen Artikel wurde betont, dass in einer weltlichen Demokratie es unvereinbar ist, auf reli- giöse Gefühle besondere Rücksicht zu üben. Man muss bereit sein, Hohn und Spott hinsicht- lich seines Glaubens ertragen zu können.165

Durch die Karikaturen fühlten sich die Muslime, denen es ja verboten ist, sich ein Bildnis von ihrem Propheten zu machen, vor den Kopf gestoßen. Nicht nur, dass es sich um eine Abbil- dung des Propheten handelte, es zeigte ihn zusätzlich noch in spöttischer und verzerrter Weise. Die Folge war, dass sich die Muslime durch die Karikaturen verspottet fühlten, was sich in Hass, Zorn und Gewalttaten entlud. Die Ausschreitungen, bei denen sogar Menschen und Häuser angezündet wurden, sind mit keinem Grundrecht vereinbar, für private Gewalt wird jeglicher grundrechtlicher Schutz ausgeschlossen und stellt vielmehr einen Verstoß ge- gen das staatliche Gewaltmonopol und somit eine Straftat dar die es zu ahnden gilt. Die be- sonderen Empfindlichkeiten einer Religion können nicht mehr Schutzbedürfnis begründen, welches Recht nicht auch einer anderen Religion zukäme. Die subjektive Auffassung einer Beleidigung kann zu keiner Erweiterung eines grundrechtlichen Schutzbereiches führen, was gleichzeitig die Schmälerung eines Grundrechtsschutzes von anderen Personen bedeuten würde. Es käme andernfalls zu einem Verstoß gegen die Rechtsgleichheit. Es ist die Aufga- be des Staates, die Menschen vor Angriffen auf ihre Religion und Weltanschauung zu schüt- zen. Durch die Karikaturen kam es zu einer Schmähung des Islams, wodurch es aber zu keiner Störung einer Religionsgemeinschaft kam, sie konnten ungehindert ihre Religions- ausübung fortführen. Es steht jeder Person frei, von den beleidigenden Karikaturen Kenntnis zu verschaffen oder es zu unterlassen. Durch die Bilder kommt es zu keiner Berührung der Religionsfreiheit, die Muslime sahen dadurch aber ihre Religion tangiert. Die Religion muss aber, basierend auf dem ihr zustehenden grundrechtlichen Schutz, selber einen Weg finden, wie sie mit derartigen Situationen umgehen möchte und dadurch ein Bild in der Öffentlichkeit abgibt, welches durch die jeweilige Handlungsweise und dem Umgang mit derartigen Situa- tionen ergibt. Nicht jede blasphemische Äußerung mag dazu führen, dass dadurch die Reli- gionsfreiheit verletzt wird. So stellte auch das deutsche Bundesverfassungsgericht fest, dass „niemand ein Recht darauf hat, von fremden Glaubensbekundungen verschont zu bleiben“. Den Karikaturen fehlt es an Direktheit, sie stellen keinen direkten Angriff auf den Islam und damit eine Religion dar. Sie wurden in einer Zeitung abgedruckt, demnach steht es jedem

165 Vgl Keilbach, Die Karikaturen und ihre Folgen, (23.10.2016).

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frei, sich davon Kenntnis zu verschaffen oder die Karikaturen zu ignorieren. Dadurch kann keine Verletzung der Religionsfreiheit geltend gemacht werden. Als beinahe gleichwertiges Beispiel kann die Comicserie „Popetown“ angeführt werden, die auf dem Sender MTV ge- zeigt wurde. Darin wird der Papst als lästiges Kleinkind dargestellt, der japanische Touristen im Vatikan nervt. Die Kardinäle schmieden im Swimmingpool Pläne mit bösen Absichten. Die Christen können dadurch ebenfalls einen Angriff auf ihre Religion feststellen bzw. sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen, wie es auch die Karikaturen bei den Moslems aus- lösten. Dennoch steht es auch den betreffenden Christen frei, sich Kenntnis von dieser Sen- dung zu verschaffen oder weiterzuschalten, wenn die Sendung im Fernsehen läuft. Wenn ein Schutz durch die Religionsfreiheit aber nicht gewährt wird, bleibt noch die Möglichkeit, sich auf ein Persönlichkeitsrecht zu stützen. Werden aber beleidigende Äußerungen in der All- gemeinheit getätigt, kann man nicht zwingend davon sprechen, dass es sich dabei um die Verletzung der Ehre des Einzelnen handeln kann. So kann man darauf schließen, dass die in der Zeitung abgedruckten Karikaturen nicht auf die persönliche Ehren des Einzelnen durch- schlagen, ebenso wenig wie es die Comicserie „Popetown“ bei den Christen tut. Für den Zeichner der Karikatur werden einige Grundrechte relevant, wenn es um Beurteilung seines grundrechtlichen Schutzbereiches geht. Dazu kann die Meinungsfreiheit samt Kunstfreiheit angeführt werden, wie auch die Pressefreiheit, da die Karikaturen in einer Zeitung abge- druckt wurden. Sobald aber die Kunstfreiheit als Grundrecht relevant wird, verdrängt die Kunstfreiheit die Meinungsfreiheit aufgrund ihrer spezielleren Ausgestaltung. Es stellt sich auch die Frage nach einer strafrechtlichen Relevanz der Karikaturen, doch würden auch im deutschen Strafrecht Sanktionen unterbleiben, da die Zeichnungen schon nicht den objekti- ven Tatbestand des § 166 StGB erfüllen. Ebenso wenig reicht es aus, mit den Karikaturen den öffentlichen Frieden zu stören, welcher ein weiteres Tatbestandsmerkmal darstellt. Den- noch sind bei der Frage der Bewertung eines Schutzbereiches immer auch die Grundrechte samt ihrer Grenzen von anderen Betroffenen zu berücksichtigen. Trotz oder gerade weil die europäischen Staaten grundrechtlichen Schutz gewähren, kommen sie durch die islami- schen Staaten unter Druck, da in den europäischen Ländern die Möglichkeit besteht, sich blasphemisch zu äußern. Dadurch werden die Staaten aber von den islamischen Ländern verantwortlich gemacht und zum Handeln gegen derartige Aktionen aufgefordert, es wurden sogar Drohungen gegen Staaten geäußert. Die europäischen Staaten müssen mit den kolli- dierenden Interessen umgehen, die sich daraus ergeben: die Gefahr, dass die Ausschreitun- gen auch das eigene Land erreichen und damit die eigenen Bürger in ihrem Eigentum oder sogar ihrem Leben gefährdet werden wenn der Staat an seinen Grund- und Freiheitsrechten weiterhin festhält und zum anderen, besser von diesen Grund- und Freiheitsrechten abzuge- hen und dadurch dem schwelenden Konflikt die Grundlage zu entziehen. Dennoch muss gesagt werden, dass es, auch wenn außenpolitische Repressalien drohen, es nicht angehen

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kann, dass es zu einer Abwägung der zu schützenden Rechtsgüter kommt, dies sind keine zulässigen Gründe, um ein Opfer für eine gut gemeinte Lösung zu erbringen. Auch wenn der Staat außenpolitisch unter Druck gerät, gibt es keinen Grund, dass sich die Notwendigkeit einer Rechtfertigung gegenüber den erzürnten Staaten ergäbe. Wenn die Menschen grund- rechtskonform agiert haben, kann es nicht sein, dass die Staaten zu einer völkerrechtlichen Verantwortung herangezogen werden.166

In einer Auseinandersetzung mit den weltweiten Reaktionen auf die Karikaturen haben Ku- nelius und Eide festgestellt, dass sich alles auf zwei Grundthemen herab brechen lässt. Dies wäre einerseits der Liberalismus und auf der anderen Seite der Multikulturalismus. Der Libe- ralismus beruft sich auf die Meinungsäußerungsfreiheit, wohingegen der Multikulturalismus meint, dass dies ein Ausfluss der kulturellen Prägung ist und nur in einer Zusammenschau mit anderen Werten verstanden werden kann.167 Wie weiter oben bereits ausgeführt, besteht im Islam so etwas wie ein Bilderverbot des Propheten Mohamed. Durch die veröffentlichten Karikaturen wurden die Muslime einerseits durch das Abbild Mohammeds gekränkt und an- dererseits zeigte es zusätzlich ein Spottbild ihres Propheten. Die Muslime empfanden die Karikaturen als Schmähung. In die Reaktionen auf die Bilder mischte sich unversöhnlicher Fundamentalismus.168 So sollten die Auswirkungen und Reaktionen der Muslime in Däne- mark, die dort eine Minderheit darstellen, von anderen muslimischen Minderheiten in nicht der EMRK zugehörenden Staaten neutral hingenommen werden.169 b) Charlie Hebdo Im Jänner 2015 verschafften sich die beiden Brüder Kouachi, schwer bewaffnet, Zutritt in das Bürogebäude, in welchem sich der Redaktionssitz von „Charlie Hebdo“ befand. Sie richteten dort ein Blutbad an und töteten die anwesenden Redakteure. Bereits im Vorfeld wurde die Redaktion bedroht, es wurde verlangt, dass sie von weiteren Abdrucken der Mohammed- Darstellungen oder anderen islamkritischen Zeichnungen absehen sollten. Als Auslöser für die Bluttat werden die immer wieder veröffentlichten Karikaturen angeführt, die als islamkri- tisch galten. Ebenso wurden die dänischen Mohammed-Karikaturen aus dem „Jyllands- Posten“ nachgedruckt, welche schon damals Empörungen und Ausschreitungen verursach- ten und auch Morddrohungen nach sich zogen. Der Herausgeber, sein Spitzname war „Charb“, der auch dieser Bluttat zum Opfer fiel, wurde bereits zwei Jahre vor dem Attentat auf einem Steckbrief der Al-Qaida angeführt. So wurde schon zu diesem Zeitpunkt die Er-

166 Isensee, Die staatliche Verantwortung für die Abgrenzung der Freiheitsphären in Klein (Hrsg.), Meinungsäuße- rungsfreiheit versus Religions- und Glaubensfreiheit (2007), S. 39, 44ff, 75ff. 167 Vgl Berkmann, Von der Blasphemie zur „hate speech“? – Die Wiederkehr der Religionsdelikte in einer religiös pluralen Welt (2009), S 15. 168 Vgl Isensee, Blasphemie im Koordinatensystem des säkularen Staates, in Isensee (Hrsg.), Religionsbe- schimpfung – Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007), S. 107 f. 169 Vgl Akyürek/Kneihs, Die Karikatur im Spannungsfeld zwischen Religions- und Meinungsfreiheit- eine provo- kante Skizze, JRP 2006, 79.

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schießung von „Charb“ gefordert. Die Reaktion von „Charlie Hebdo“ nach dem Attentat war bemerkenswert. Das erste Heft nach dem Anschlag, eine Sonderausgabe, bildete einen wei- nenden Mohammed ab, der ein Schild mit der Aufschrift „Je suis Charlie“ vor sich hielt. Auf dem Cover wurde der Untertitel „Alles ist vergeben“ abgedruckt. Damit wurde ein Zeichen gesetzt, mit dem die übrigen Redakteure verdeutlichten, dass sie sich nicht einschüchtern ließen und das Wichtigste, nicht dem Islam und seinen Anhängern die Schuld für den An- schlag gaben, sondern den beiden Attentätern. Der Verantwortliche für die Mohammed- Karikaturen im „Jyllands-Posten“ kündigte daraufhin an, keine weiteren Mohammed- Karikaturen mehr zu veröffentlichen. Dies galt ebenso für viele weitere Redaktionen. Die Journalisten hatten Befürchtungen, dass sie, sollten sie islamkritische Zeichnungen veröf- fentlichen, ebenfalls einem Attentat zum Opfer fallen.170

Durch die geschürten Ängste kam es zu einer Selbstzensur der Medien. Dieses Phänomen nennt die US-amerikanische Verfassungsrechtsprechung „chilling effect“, was als vereisende Wirkung übersetzt werden kann. Der EGMR hat diesen Begriff171 in seine Rechtsprechung eingeführt. Dadurch entsteht die Problematik, dass es zwar eine Meinungsäußerungsfreiheit gibt, diese aber nicht mehr relevant wird, da dies mit dem Leben bezahlt werden könnte. Ebenso könnte durch die Karikaturen die Religionsfreiheit der Anhänger des Islam berührt werden. Es kann aber nicht Aufgabe des Staates sein, auf Nachdruck religiösen Forderun- gen nachzukommen. So veröffentlichte „Charlie Hebdo“ vor dem Attentat in jeder erschienen Ausgabe Karikaturen, die als blasphemisch, provokant, zynisch und geschmacklos zu beur- teilen sind. Dabei wurden alle Religionen karikiert. Aber es ist trotzdem in einem säkularisier- ten Staat verboten, sich als Gottes Rächer aufzuschwingen, unabhängig davon, wie provo- kant die Karikaturen auch sein mögen und empfunden wurden. Die Taten aus der Vergan- genheit, wie beispielsweise die Eroberungen und Kolonialsierungen, können ebenfalls keine Rechtfertigung für derart abscheuliche Taten sein. Als man den Kulturchef des "Jyllands- Posten“ nach seiner Meinung hinsichtlich der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen befragte, meinte dieser nur, dass auf den Respekt gegenüber Gläubigen und Nichtgläubigen ankommen. So wird erwartet, dass man die jeweiligen Gepflogenheiten einer Religion nach- kommt, wie bspw. die Schuhe beim Betreten einer Moschee abzulegen. Wenn es aber um den Respekt gegenüber Nichtgläubigen geht, entstehen Probleme. So meint er, dass wenn er sich religionskritisch in der Öffentlichkeit äußere, nichts mehr von Respekt übrig bleibt, so die Gegenseite von ihm fordert, sich deren Religion zu unterwerfen und er kein Recht auf

170 Vgl Tinnefeld/Knieper, Karikaturen im Spiegel digitaler Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit – „Quid leges sine moribus?“, MMR 2016, 156. 171 Vgl EGMR 33348/96 (17.12.2004) – Cumpana und Mazare gegen Rumänien.

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seine nicht-religiösen Ansichten hat. In einem säkularisierten Staat gibt es aber keine Son- derrechte für besondere subjektive religiöse Empfindlichkeiten.172

3. „Die Unschuld der Muslime“

Auf dem Videoportal „Youtube“ wurde im Jahr 2012 ein antiislamischer Schmähfilm gezeigt der den Titel „Die Unschuld der Muslime“ trug. Eine im Film mitwirkende Schauspielerin klag- te gegen den Film – sie sei über die Absichten getäuscht worden und erreichte mit einem Urteil, dass Google den Film samt aller vorhandener Zusammenfassungen und Trailer aus dem Internet entfernen musste, ebenso musste Google alle Maßnahmen ergreifen, um künf- tige Uploads des Films oder Teile dessen zu verhindern. Die Reaktionen auf den Film waren auch teils heftiger Natur, so gab es vor dem US-Konsulat im lybischen Bengasi gewaltsame Proteste bei dem der US-Botschafter so wie drei seiner Mitarbeiter getötet wurden.173 Die Handlung des Films wird von Darstellungen des Propheten Mohammed dominiert, welcher als sexgieriger Mörder agiert. Der Koran wird als Mischung der Thora und dem Neuen Tes- tament und der Islam als minderwertige Religion gezeigt. Es werden Gewaltszenen darge- stellt, auch sexuelle Komponente findet sich im Film. So soll Mohammed, der in jungen Jah- ren als Waisenjunge bei einer Herrin lebt, von dieser in ihr Zelt geholten worden sein, um geschlechtliche Handlungen mit ihm zu vollziehen.174 Den Protesten lag die Behauptung, dass es sich bei dem Film um Gotteslästerung und -frevel handelte, zugrunde. Beurteilt man den Fall nach der EMRK, wird die Frage aufgeworfen, ob Blasphemie nicht durch die Mei- nungsäußerungsfreiheit geschützt wird. Ebenso kann die Kunstfreiheit einen adäquaten Schutzbereich darstellen, da auch ein Film als Kunst angesehen werden kann. Die Religi- onsfreiheit könnte ebenfalls einen ausreichenden Schutz gewähren.

Es kann aber ausreichen, den Film zu verbieten, wenn es zu keinem Verstoß des Art 20 IPBPR175 kommt. Nach diesem Artikel kann es zu keinen Einschränkungen einer blasphemischen Äußerung führen, wenn diese nicht zu religiösem Hass oder religiöser Ge- walt in einem jeweiligen Land führt. Dies geschah aber gerade nicht, weshalb es keinen Grund gibt, den Film nicht mehr zu veröffentlichen.176 Der Film wurde damals aufgrund eines Autorenstreits aus dem Internet entfernt, mittlerweile darf er aber wieder auf „Youtube“ ge-

172 Vgl Tinnefeld/Knieper, Karikaturen im Spiegel digitaler Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit – „Quid leges sine moribus?“, MMR 2016, 156. 173 Vgl meu/afp, < http://www.spiegel.de/netzwelt/web/anti-islam-film--muss-innocence-of-muslims-vom- netz-nehmen-a-955921.html> (22.10.2016). 174 Vgl (22.10.2016). 175 Art 20 IPBPR: „(1) Jede Kriegspropaganda wird durch Gesetz verboten. (2) Jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Haß, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, wird durch Gesetz verboten.“. 176 Vgl Arslan, Meinungs- und Kunstfreiheit gegen die Religionsfreiheit – Wie viel Schutz für religiöse Empfindlich- keiten (2015), S 7, 11ff, 15 und 218.

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zeigt werden. Die Richterin führte dazu aus, dass das Urheberrecht die Meinungsäußerungs- freiheit nicht untergraben dürfe, weshalb dieser wieder legal abrufbar ist.177

4. „Das Leben des Jesus“ von Gerhard Haderer

Der österreichische Karikaturist Gerhard Hader veröffentlichte im Jahr 2002 das Buch „Das Leben des Jesu“. In dem Buch wurden Karikaturen über das Leben des Jesus, von seiner Geburt bis zu seiner Auffahrt in den Himmel, gezeigt. Ebenso sind die Drei Heiligen Könige, die Mutter Jesus´, Maria, sowie auch sein Vater Josef abgebildet. Auch die religiösen Sym- bole des christlichen Glaubens, wie etwa der Messwein, das Letzte Abendmahl und das Kru- zifix werden gezeigt. In den Karikaturen werden auch die Krankenheilungen des Jesus als auch seine Macht gezeigt, wie etwa die Verwandlung von Wasser in Wein. Ebenso finden sich die Kreuzigung, sein Tod und die Auferstehung darin. Der Weihrauch soll bewusstseins- verändernde Wirkungen haben, weshalb Jesus als beeinträchtigt dargestellt wird, dessen Heiligenschein auf diesen Bewusstseinszustand zurückzuführen ist. Mit den Karikaturen und dem daraus resultierenden Spott wollte Haderer auf die sogenannte „Amtskirche“ abzielen, wozu der Papst, Bischöfe und auch die Priester gehören. Kurz nach der Veröffentlichung des Buches wurde in der Tageszeitung „Die Presse“ ein Gastkommentar vom Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, der sich kritisch über das Buch von Haderer äußerte. Seiner Auffassung nach fühlten sich durch die Karikaturen viele Christen verspottet und beleidigt, da diese ihren Glauben erniedrigten. Nach diesem Kommentar entstand eine öffentliche Dis- kussion über das Buch, die in einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien gipfelte. Der Anzeige stützte sich auf § 188 StGB, die die Herabwürdigung religiöser Lehren bestraft. Nach eingehender Prüfung wurde festgestellt, dass die Objekte des christlichen Glaubens in einer lächerlichen und verspottenden Weise dargestellt iSd § 188 StGB dargestellt wurden. Dennoch stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren ein. Dies wurde damit begrün- det, dass die Karikaturen nicht das erforderliche Maß bloßer Ironie oder Satire hinausging. Als Vergleich dienten auch die Zeichnungen eines weiteren österreichischen Karikaturisten, Manfred Deix. Dieser zeigte in seinen Karikaturen schon weitaus schockierendere Bilder, weshalb Haderer die Grenze des milden Spotts nicht überschritt. Die Staatsanwaltschaft ar- gumentierte weiters, dass die Leserschaft des Buches klar erkennen kann, dass es sich da- bei um kein theologisches Werk, als vielmehr um eine Satire handelt. Demnach wurde dar- aus geschlossen, dass der Leser des Buches ein „aufgeschlossener Medienempfänger“ ist, der in dem Buch kein berechtigtes Ärgernis iSd § 188 StGB sieht. Hätte die Staatsanwalt- schaft das Verfahren nicht eingestellt, wäre auf der Rechtfertigungsebene die Kunstfreiheit als entsprechender Grund anzuführen gewesen. Demnach kann die Kunstfreiheit gemäß Art 17a StGG ein Rechtfertigungsgrund sein, dies vor allem dann, wenn das „Interesse an der

177 Vgl Kühl, Youtube darf Mohammed-Video doch wieder zeigen, < http://www.zeit.de/digital/internet/2015- 05/innocence-muslims-urheberrecht-copyright> (22.10.2016).

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Erhaltung des Rechtfertigungsgutes“ – was hier der Kunst entspräche – gegenüber dem an- deren Rechtsgut, dem öffentlichen bzw. religiösen Frieden, überwiegt.178

178 Vgl Wallner, Strafrecht und Kunstfreiheit im Kontext der religiös-weltanschaulichen Sphäre – Überlegungen anhand eines Anlassfalles, öarr 2002, 239.

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VI. Beispielfälle in der Judikatur

A. Urteil des OGH – Beleidigung des Propheten Mohammed

Die Österreicherin Elisabeth S. wurde von den Unterinstanzen iSd § 188 StGB – der Herab- würdigung religiöser Lehren – schuldig gesprochen, da sie in Wien den Propheten Moham- med, der den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religi- onsgesellschaft bildet, herabgewürdigt und verspottet hat. Ebenso soll ihr Verhalten geeignet gewesen sein, berechtigtes Ärgernis zu erregen, da sie diese Äußerungen in ihren Vorträgen zum Thema „Seminarreihe Islam“ tätigte, welche vor 32 Personen stattfanden. In diesen Seminaren trug sie vor, dass es für einen männlichen Moslem nur ein Ziel gäbe, nämlich zu sein wie Mohammed. Dies dürfte sich ihrer Ansicht nach aber als schwierig erweisen, da sie ihn als „Kriegsherrn mit großem Frauenverschleiß, der auch gerne was mit Kindern hatte“ beschrieb. Sie führte weiters eine Hadith-Sammlung an, laut der es zu einer Legitimation von „Kindersex“ komme. Ihre Seminare wurden seit Jänner 2008 im Rahmen des FPÖ- Bildungsinstitutes abgehalten und wurde in einem adressierten Schreiben bei Jungwählern beworben. Die Antragstellerin ging noch weiter, als sie den Propheten Mohammed im Zu- sammenhang mit den schon dargestellten Äußerungen der Pädophilie bezichtigte und ihm damit eine verpönte sexuelle Neigung unterstellte, die in der Gesellschaft verachtet wird. Diese Äußerungen sind nicht mehr Teil einer sachlichen Auseinandersetzung, sondern wur- de befunden, dass es sich um die Herabsetzung des Propheten Mohammed handelte. Dabei kann nicht mehr von bloßer Kritik an einer Religion und einer ihr wichtigen Person gespro- chen werden, als es sich vielmehr um einen Wertungsexzess handelt. Dazu hielt die Richte- rin für Strafsachen am LG Wien fest, dass die von Elisabeth S. getätigten Äußerungen nicht vom Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit des Art 10 EMRK geschützt sind.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Ansicht und sah ebenso keine Verletzung der Mei- nungsäußerungsfreiheit gegeben. Der OGH hatte nun auf Antrag von Elisabeth S. zu prüfen, ob es ua. zu einer Verletzung des Art 10 EMRK gekommen ist. Dazu stellte der OGH fest, dass es sich bei der Verurteilung nach § 188 StGB zwar um einen Eingriff in das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit handelte, dies aber einen berechtigten Eingriff darstellte, da da- mit ein legitimes Ziel, der Schutz des religiösen Friedens und der religiösen Gefühle von an- deren, verfolgt wurde. Die in Art 10 EMRK gewährte Freiheit ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht schrankenlos zu verstehen, vielmehr trifft in den Angelegenheiten des reli- giösen Glaubens den Staat eine Verpflichtung, diese kritischen Äußerungen zu unterbinden, falls diese von Anhängern eines Glaubens als provokativ oder extrem beleidigend erfasst werden. Dennoch ist von Personen, die die Religionsfreiheit anführen, ein gewisses Maß an Toleranz zu üben, wenn es darum geht, dass ihre Religion von anderen kritisiert oder zu-

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rückgewiesen wird. Sind im jeweiligen Staat Normen vorhanden, die die Vorgehensweise gegen blasphemische Äußerungen regeln, kann diese in gerechtfertigter Weise in die Mei- nungsfreiheit eingreifen. Dies nur insoweit, als dass nicht jegliche verletzende Äußerungen über eine Religion verbieten, sondern nur diejenigen sanktionieren, die geeignet sind, die religiösen Gefühle von anderen Menschen zu verletzen. Im vorliegenden Fall wurde fest- gehalten, dass es sich bei den Äußerungen von Elisabeth S. nicht nur um provokative und schockierende handelt sondern auch einen ungerechtfertigten und beleidigenden Angriff auf eine Glaubensgemeinschaft darstellen, welche durch die Beleidigung des Propheten Mo- hammed geschah. Dazu kann eine strafrechtliche Sanktion ein probates Mittel sein, um den öffentlichen Frieden in einer demokratischen Gesellschaft zu schützen, weshalb die straf- rechtliche Verurteilung zwar einen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit des Art 10 EMRK darstellen mag, aber dieser als notwendige Maßnahme zu erachten ist. Da durch die Äußerungen auch die Religionsfreiheit des Art 9 EMRK berührt wurde, hatte der OGH eine Interessenabwägung zwischen den beiden Freiheiten vorzunehmen, da das aus Art 10 EMRK erwachsende Recht, seine Meinungen auch öffentlich weiterzugeben, durch das Recht anderer, die sich dadurch in ihren religiösen Gefühlen verletzten fühlen können gemäß des Art 9 EMRK, enger auszulegen ist.

Ebenso musste der OGH berücksichtigen, dass das in § 188 StGB angeführte Tatbestands- merkmal „berechtigtes Ärgernis“ in Zusammenschau mit Art 9 und 10 EMRK auszulegen ist wenn es um die Beurteilung der Frage geht, was geeignet ist um berechtigtes Ärgernis zu verursachen. Um ein berechtigtes Ärgernis handelt es sich immer genau dann, wenn die Äußerung durch die Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt ist und der Religionsfreiheit ent- spricht. Die Antragstellerin setzte sich jedoch nicht auf sachlicher Ebene mit dem Islam aus- einander, sondern unterstellte dem Propheten Mohammed eine gesellschaftlich verpönte sexuelle Neigung, welche sie aus der Tatsache heraus begründete, dass er die Ehe mit ei- nem vorpubertären Kind vollzogen hat. Diese Äußerung entbehrte jeglicher sachlicher Kritik und diente rein der Diffamierung des Propheten. Die Antragstellerin berief sich darauf, dass sie diese Äußerungen lediglich einer Hinterfragung dienten und einer Diskussion dienlich sein sollte, ob Mohammed pädophil gewesen sei. Der OGH kam zu dem Schluss, dass Eli- sabeth S. ihre Aussagen außerhalb einer sachlichen Auseinandersetzung tätigte, die ledig- lich der Beleidigung des Propheten Mohammed dienen sollten. Die strafrechtliche Verurtei- lung wurde darin bestätigt, dass es sich dabei um eine geeignete Maßnahme handelte die dem Schutz der Gesellschaft und ihrem Frieden vor beleidigenden Äußerungen dienlich war. Mit diesen Aussagen tätigte sie Angriffe auf Anhänger des Islams, da sie eine Person, die in ihrem Glauben als heilig eingestuft ist, beleidigte. Die Schwere des Eingriffes in den Art 9 EMRK, der Religionsfreiheit, ist durch die strafrechtliche Verurteilung auch verhältnis- mäßig, da es zu einer Geldstrafe im ersten Drittel des möglichen Strafrahmens kam. Der

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OGH stellte daher fest, dass es zu keiner Verletzung des Art 10 EMRK gekommen ist.179 Elisabeth S. hat eine Beschwerde beim EGMR wegen der Geltendmachung einer Verletzung des Art 10 EMRK eingereicht.180

B. Beschwerden an den EGMR

1. Otto Mühls „Apokalypse“

Im Jahr 1998 feierte die Vereinigung Bildender Künstler Wiener Secession, welche die be- kannteste Kunstgalerie Österreichs ist, ihr 100-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung na- mens „Das Jahrhundert künstlerischer Freiheit“, bei der auch das oben genannte Werk von Otto Mühl ausgestellt wurde. Auf dem Bild befinden sich verschiedene Personen des öffentli- chen Lebens, wie der FPÖ-Politiker Dr. Jörg Haider und seinem Generalsekretär als auch Nationalratsabgeordneten Walter Meischberger, Mutter Teresa, dem damaligen Bischof Kurt Krenn sowie Kardinal Groer. Die Köpfe der Genannten wurden mit Fotos, wie aus einer Zei- tung geschnitten, dargestellt, während die Körper von Mühl gemalt wurden. Die Personen werden in sexuellen Stellungen gezeigt, so hält Walter Meischberger den Penis des gerade ejakulierenden Dr. Jörg Haider, ebenso wird er von zwei anderen FPÖ-Politikern berührt. Daraufhin klagte Walter Meischberger unter Berufung auf § 78 UrhG. Die Klage wurde vom HG Wien abgewiesen, während das OLG Wien und der OGH der Klage stattgaben. Die Ver- einigung Bildender Künstler Wiener Secession machte hingegen Ihr Recht auf Meinungsäu- ßerungsfreiheit gemäß Art 10 EMRK geltend. Von der österreichischen Regierung wurde hervorgebracht, dass bei einer „Gruppensex-Szene“ das „normal empfindliche“ Schamgefühl von Menschen gestört wird und ein derartiges Werk wohl kaum zu einer politischen oder kul- turellen Debatte beiträgt. Von Seiten der Beschwerdeführerin, der Vereinigung Bildender Künstler Wiener Secession, wurde argumentiert, dass das Gemälde nicht die Realität wie- dergäbe und auch kein geschütztes Interesse von Meischberger verletzt werde. Bei dem Kunstwerk handelt es sich vielmehr um die persönliche Geschichte von Mühl, zumal sich dieser selbst auf dem Kunstwerk angebracht hat, auch mit anderen Künstlern, Freunden und Wohltätern von ihm. Alle Personen auf dem Gemälde werden im Zuge sexueller Handlungen dargestellt. Nach Mühl stellt dies den Zusammenhang von Macht und Sexualität dar. Aus diesem Grunde wird auch Walter Meischberger auf dem Gemälde dargestellt: er hat viele Jahre in der FPÖ mitgewirkt und -geprägt und wurde deshalb mit anderen Mitgliedern dieser Partei dargestellt, zumal die FPÖ die Werke des Künstlers immer stark kritisierten. Der EGMR wägte alle kollidierenden Interessen wie die der künstlerischen, satirischen Herkunft, gegeneinander ab und kam zu einem anderen Ergebnis als die österreichischen Gerichte. Demzufolge kam der EGMR zum Ergebnis, dass Art 10 EMRK verletzt sei und die erlassene

179 Vgl Wakolbinger zu OGH 11.12.2013, 150852/12d = öarr (in Druck); OGH 15 Os 52/12d (11.12.2013). 180 Vgl EGMR 38450/12 (06.06.2012) – E.S. gegen Österreich.

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Entscheidung des OGH unverhältnismäßig sei. Die Entscheidung des EGMR selbst war aber knapp, da nur vier von sieben Stimmen für die Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit iSd Art 10 EMRK stimmten. Hervorzuheben ist, dass die Entscheidung als richtig dahinge- hend bewertet werden kann, da keine Kunstwerke zensuriert werden dürfen, insbesondere dann nicht, wenn sie provokativer Natur wie das Werk von Otto Mühl sind. Andererseits soll aber die Meinungsfreiheit kein Deckmantel sein, alles darstellen zu können. Auch die Privat- sphäre von Politikern ist zu respektieren. Auch darf der Staat keine Bewertung vornehmen, was als Kunst zu werten ist und was nicht, das sogenannte „Kunstrichtertum“ bleibt ihm ver- wehrt. So wurde in besagtem Fall das Gesicht des Walter Meischberger lediglich wirklich- keitsgetreu dargestellt, was nicht als Eingriff in die Privatsphäre zu gelten hat.181

2. Otto-Preminger-Institut gegen Österreich, „Das Liebeskonzil“ von Werner Schroe- ter

Das Otto-Preminger-Institut für audiovisuelle Mediengestaltung in Innsbruck kündigte im Jahr 1985 die Aufführung verschiedener Filme an, worunter sich auch das „Das Liebeskonzil“ von Werner Schroeter befand. Die Aufführungen sollten öffentlich und für jedermann zugänglich stattfinden. Am 13. Mai 1985 sollte die erste Aufführung des besagten Filmes erfolgen. Es erfolgte eine Ankündigung an die 2700 Mitglieder des Otto-Preminger-Instituts sowie in Schaukästen in Innsbruck. Der Film wurde darin als satirische Himmelstragödie von Oskar Pianizza beschrieben, worin es um einen Prozess aus dem Jahre 1895 ging, in dem einem Dichter wegen Gotteslästerung der Prozess gemacht und seine Verurteilung rekonstruiert wurde. Schroeter hat die Aufführung verfilmt und in eine Rahmenhandlung gestellt. Pianizza war in der Annahme, dass die Syphillis die Strafe Gottes für des Menschen Sündhaftigkeit und Unzucht ist. Dies war zumindest die Auffassung in der Zeit der Renaissance, als der Borgia-Papst Alexander VI. an der Macht war. Im Film von Schroeter werden die Vertreter Gottes ident mit den himmlischen Protagonisten dargestellt. In der Art der Karikatur werden die typischen christlichen Glaubenssätze wie auch die Glaubensinhalte zum Gegenstand des Lächerlichmachens. Als Schutz für Jugendliche sollte der Film nur Personen über 17 Jahren zugänglich sein. Am 12. Mai 1985 der Film vorläufig beschlagnahmt. Dies erfolgte aufgrund einer Strafanzeige der Diözese Innsbruck, woraufhin die Staatsanwaltschaft Innsbruck den Antrag stellte und das Landesgericht Innsbruck die vorläufige Beschlagnahme des Films verfügte. Ebenso wurde ein Strafverfahren gegen den Geschäftsführer des Otto-Preminger- Instituts eingeleitet. Die Berufung gegen die Beschlagnahme an das OLG Innsbruck war nicht erfolgreich. In der Zwischenzeit wurde das Strafverfahren gegen den Geschäftsführer des Otto-Preminger-Instituts eingestellt. Es erfolgte auch ein Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck auf Einziehung des beschlagnahmten Films gemäß § 33 Abs 2 Mediengesetz. Am

181 Vgl Wiltschek, Kunstfreiheit versus Persönlichkeitsrechte, Otto Mühls „Apokalypse“, ÖBl 2007/66 S 297 ff; EGMR 68354/01 (25.01.2007) – Otto-Preminger-Institut gegen Österreich; OGH 4Ob 175/00i (18.07.2000).

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10. Oktober 1986 fand die Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Innsbruck statt, wo- nach der besagte Geschäftsführer als Haftungsbeteiligter angesehen wurde. Ebenso wurde verfügt, dass die zur Verbreitung bestimmte Kopie des Filmes eingezogen werden sollte. Gegen dieses Urteil erhob der Geschäftsführer Berufung, welche aber vom Oberlandesge- richt Innsbruck mit Beschluss vom 25. März 1987 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Die Begründung lautet dahingehend, dass der Geschäftsführer nicht die Rechte am Film erwor- ben hätte, wonach ihm auch das Recht auf Berufung gegen das Einziehungsurteil nicht zu- kam. Zwischenzeitlich kam es zu Aufführungen in Wien im November 1991 und in Innsbruck im Oktober 1992. Daraufhin erstatteten Privatpersonen Strafanzeige, jedoch wurden diese in weiterer Folge zurückgelegt.

Das für den Film die Grundlage darstellende Bühnenstück wurde von Oskar Panizza ge- schrieben und 1894 veröffentlicht. Im darauffolgenden Jahr wurde Panizza wegen Gottesläs- terung von einem Schwurgericht in München für schuldig erkannt und daraufhin zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. So beginnt der Film von Schroeter mit Bildern des Prozesses gegen Panizza und endet auch mit diesen. Den Hauptteil des Filmes bildet die Aufführung des Bühnenstückes. Gezeigt wird Gott und zwar vom jüdischen, christlichen und islamischen Glauben. Dieser stellt einen alten senilen Mann dar, der vor dem Teufel kriecht, innige Küsse mit ihm austauscht und ihn als seinen besten Freund bezeichnet. Der Jungfrau Maria wird eine obszöne Geschichte vorgelesen, ebenso wird eine erotische Spannung zwischen ihr und dem Teufel angedeutet. Jesus wird als Erwachsener mit zurückgebliebener Geisteshal- tung dargestellt. In einer Szene möchte er die Brüste seiner Mutter anfassen und versucht sie zu küssen, sie lässt ihn gewähren. Alle dargestellten Figuren zollen dem Teufel Beifall.

Die Beschwerde des Otto-Preminger-Instituts vom 6. Oktober 1987 an die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR) stützt sich auf die Verletzung des Art 10 EMRK, der Meinungsfreiheit. Am 12. April 1991 wurde die Beschwerde vom EKMR für zulässig er- klärt. So wurde im ihrem Bericht ausgeführt, dass eine Verletzung des Art 10 EMRK hinsicht- lich der Beschlagnahme und Einziehung des Filmes vorliege. In der Vorabeinrede der Regie- rung brachte diese vor, dass das Otto-Preminger-Institut nur hinsichtlich des Beschlagnah- meverfahrens eine Parteistellung hatte und nicht für die Einziehung. Man berief sich auf die Entscheidung des OLG Innsbruck, wonach der die Rechte des Filmes innehabenden Verleih- firma „Czerny Filmverleih“ – als Alleininhaberin – der Einziehung des Filmes am 10. Oktober 1986 zugestimmt hat. Diese hat in weiterer Folge kein Rechtsmittel dagegen erhoben, wes- halb die Auffassung vertreten wird, dass es sich bei der Entscheidung des OLG Innsbruck um eine endgültige innerstaatliche Entscheidung handelt. Eine Beschwerde sei folglich auch verspätet. Die Beschlagnahme als auch die Einziehung wurden als Eingriff in den Art 10 EMRK qualifiziert. Derartige Eingriffe stellen einen Eingriff in den Art 10 EMRK dar,

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wenn die Erfordernisse des Art 10 Abs 2 EMRK nicht erfüllt werden. Es musste daher eine Prüfung erfolgen, ob die Eingriffe gesetzlich vorgesehen waren, ein Ziel verfolgten und be- richtigt war, nämlich dahingehend, dass sie als notwendig für eine demokratische Gesell- schaft gilt. Hinsichtlich des Tatbestandes „gesetzlich vorgesehen“ hatte der Gerichtshof bei seiner Entscheidung die Kunstfreiheit und die Achtung religiöser Anschauungen gegenein- ander abzuwägen. Der Gerichtshof kam zum Schluss, ebenso wie auch die Kommission, dass es keine Gründe gab, die für eine unrichtige Anwendung des österreichischen Rechts sprechen würden. Als nächstes wurde geprüft, ob ein berechtigtes Ziel mit den Eingriffen verfolgt wurden. Die Regierung brachte vor, dass mit der Einziehung und Beschlagnahme des Filmes die Rechte von Anderen geschützt wurden, insbesondere das Recht auf Achtung der religiösen Gefühle von Personen und auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung abzielte. Im Urteil Kokkinakis gegen Griechenland vom 25. Mai 1993 hat der Gerichtshof festgehalten, dass die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit des Art 9 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft als wichtiger Grundstein gilt. Wer sich auf die Freiheiten des Art 9 EMRK beruft, darf nicht erwarten, frei von jeder Kritik zu sein. Es wird erwartet, dass sie auch die Leugnung ihrer eigenen religiösen Anschauungen sowie die Verbreitung von religi- ösen Lehren, die ihrem eigenen Glauben entgegenstehen, akzeptieren.

Man kann jedoch sagen, dass die Art und Weise, wie religiöse Anschauungen und Lehren in einer Gesellschaft bekämpft oder geleugnet werden, durchaus eine Angelegenheit des Staa- tes sein kann. Dieser hat insbesondere die Verantwortung, dass die friedliche Ausübung der nach Art 9 EMRK garantierten Rechte möglich ist. Im bereits genannten Urteil wurde eben- falls festgestellt, dass ein Staat durchaus Maßnahmen ergreifen darf, die das Ziel verfolgen, gewisse Verhaltensformen zu unterdrücken da diese mit der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit als unvereinbar anzusehen sind. Die von der Republik Österreich veranlass- ten Maßnahmen stützten sich auf § 188 StGB, der Verhalten verbieten soll, dass geeignet ist, berechtigten Unmut zu schüren und gegen die Gegenstände einer religiösen Verehrung gerichtet ist. Der Gerichtshof folgte der Entscheidung der österreichischen Gerichte und an- erkannte die Maßnahmen als berechtigtes Ziel im Sinne des Art 10 Abs 2 EMRK, als Schutz der Rechte anderer. Als nächstes wurde geprüft, ob die vollzogenen Maßnahmen auch als notwendig erachtet werden um einen demokratische Gesellschaft schützen zu können. In seiner ständigen Rechtsprechung betont der Gerichtshof, dass es für eine demokratische Gesellschaft unabdinglich ist, dass jedermann die Freiheit hat, seine Meinung zu äußern. Dabei erfolgt keine Einschränkung, es werden insbesondere auch solche geschützt, die ge- eignet sind, den Staat oder eine Bevölkerungsgruppe zu verletzen. Wie bereits ausgeführt, kommen den jeweiligen Grundrechtsträgern nicht nur Rechte zu, auch Pflichten und Verant- wortung gehen mit den Grundrechten einher. Aus diesem Grunde hat der Einzelne weitest- gehend Äußerungen zu vermeiden, die für andere als verletzend aufgefasst werden können

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und sie somit in ihren Rechten verletzt. Dies trifft auch besonders auf Äußerungen zu, die in keinster Weise einen Beitrag zu einer öffentlichen Diskussion darstellen. Demnach kann es als notwendig erachtet werden, Maßnahmen und Sanktionen zu ergreifen, wobei aber immer die Verhältnismäßigkeit des forcierten Zieles gegeben sein muss. Diese Sanktionen haben den Voraussetzungen des Art 10 Abs 2 EMRK zu entsprechen. Es ist ebenso wenig möglich, ein einheitliches Konzept bezüglich der Bedeutung der Religion in einer demokratischen Ge- sellschaft zu entwickeln, so wie es auch schon hinsichtlich der Moral nicht möglich war, die- ses zu schaffen. Man muss anerkennen, dass es schon innerhalb eines einzigen Landes verschiedene Konzepte geben kann weshalb es nicht ein europaweites, einheitliches Kon- zept geben kann, wo es doch bereits landesintern nicht möglich ist, sich festzulegen welche Äußerungen nun die religiösen Gefühle von anderen Menschen verletzen können. Daher kommt den Behörden eines Staates ein Ermessensspielraum zu wenn es um die Bewertung eines solchen Eingriffes geht. Dabei ist jedoch von keinem unbegrenzten Ermessen auszu- gehen, die Konvention überwacht die Vorgehensweise im betreffenden Fall.

Bezüglich der Beschlagnahme brachte die österreichische Regierung vor, dass der Film ei- nen Angriff auf die christliche Religion darstellte. Durch die Hinzunahme der Gerichtsszenen aus dem Prozess gegen Panizza sollte deren Auffassung nach der antireligiöse Aspekt des Filmes noch mehr hervorgehoben werden. Weiters wurde vorgebracht, dass Tirol – im Ge- gensatz zu anderen Bundesländern – einen besonders hohen Teil christlicher Bevölkerung hat. Aus diesem Grunde erachtete die österreichische Regierung als notwendig, den Film zu beschlagnahmen um die Wahrung des religiösen Friedens gewährleisten zu können. Vom beschwerdeführenden Institut wurde vorgebracht, dass der Film nur in den Räumlichkeiten des Instituts vorgeführt wurde und der Zutritt für Nicht-Mitglieder nur gegen Entgelt vorgese- hen war. Es wurde auch auf das angesetzte Alterslimit verwiesen. Die Räumlichkeiten des Otto-Preminger-Instituts kann man als „Filmkunststudio“ bezeichnen, in welchem für die Mit- glieder Experimentalfilme bereitgestellt werden.182 Der Gerichtshof bestätigte dieses Vorbrin- gen, meinte aber auch, dass die Vorführung des Filmes breit angekündigt wurde, weshalb sie als öffentliche Äußerung angesehen werden muss, welche geeignet ist, öffentliches Är- gernis zu erregen. So hatte eine Abwägung der entgegenstehenden Interessen, nämlich die Öffentlichkeit auch mit kontroversen religiösen Auffassungen zu konfrontieren, mit der ent- gegenstehenden Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu erfolgen. Der erfolgte Er- messensspielraum der österreichischen Regierung ist dabei mit zu berücksichtigen. So gin- gen die österreichischen Gerichte von einem grob beleidigenden Angriff auf die in Tirol vor- herrschende Religion, dem Katholizismus, aus als es um die Beschlagnahme und der dar- auffolgenden Einziehung des Filmes ging. Auf die in Art 10 EMRK gewährte Meinungsfreiheit sei in gebührlicher weise Bedacht genommen worden. Jedoch überwog ihrer Auffassung

182 Vgl EGMR 11/1993/406/485 (20.09.1994) – Otto-Preminger-Institut gegen Österreich, ÖJZ 1995/13 (MRK).

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nach das Ärgernis für die Öffentlichkeit und wurde festgestellt, dass die provokativen Szenen im Film dieses hervorzurufen vermögen. Der Gerichtshof merkte an, dass es aufgrund des Filminhaltes durchaus möglich ist, die Schlussfolgerung der österreichischen Gerichte nach- zuvollziehen. Ebenso wenig lässt sich die Tatsache von der Hand weisen, dass der überwie- gende Teil der Tiroler Bevölkerung dem römisch-katholischen Glauben angehört. Weiters wurde angeführt, dass die österreichischen Behörden den Film wegen der Gefahr des religi- ösen Friedens beschlagnahmt haben. Es bestand die Möglichkeit, dass sich einzelne Perso- nen in ihren religiösen Anschauungen verletzt fühlen könnten. Bei der Bewertung des Er- messensspielraumes stellte der Gerichtshof fest, dass es zu keinerlei Überschreitung dieses kam. So sollen die innerstaatlichen Behörden bei der Beurteilung, ob es zu einem Erforder- nis der Setzung von Maßnahmen kommt, besser in der Lage sein, da ihnen aufgrund der Kenntnis über lokale Unterschiede und Begebenheiten die bessere Position zukommt. Der Gerichtshof folgte den österreichischen Gerichten und stellte fest, dass es hinsichtlich der Beschlagnahme des Filmes zu keiner Verletzung des Art 10 EMRK gekommen ist. Die Ein- ziehung des Filmes darf nicht so verstanden werden, als dass Art 10 EMRK derartige Vorge- hensweisen generell ausschließt. Es wurde festgehalten, dass die Einziehung es zwar un- möglich macht, den Film jemals wieder in Österreich zu zeigen, es jedoch nicht als unver- hältnismäßig bewertet wird, nämlich in Hinblick auf das verfolgte Ziel, den religiösen Frieden zu schützen. Aus diesen Gründen entschied der Gerichtshof, dass es zu keiner Verletzung des Art 10 EMRK gekommen ist, weder hinsichtlich der Beschlagnahme, noch der darauffol- genden Einziehung des Filmes.183

3. Wingrove gegen Großbritannien

Der Beschwerdeführer Nigel Wingrove kreierte als Regisseur den achtzehnminütigen Film „Visions of Ecstasy“ in dem die Heilige Theresa von Avila mit ekstatischen Visionen darge- stellt wurde. In dem Film werden sexuelle Handlungen gezeigt, die mit anderen Frauen und dem an das Kreuz gefesselten Jesus stattfinden. Im Film selbst finden sich aber keine Hin- weise, ob es sich tatsächlich um die Nonne Theresa von Avila handelt bzw. Andeutungen, was der Regisseur mit seinen Figuren ausdrücken wollte wie der Tatsache, dass die zweite Frau im Film die Psyche der Heiligen Therese von Avila darstellen sollte. Der Film kommt gänzlich ohne Dialoge aus und nur im Vorspann ist ersichtlich, wen die Hauptprotagonistin darstellen sollte. Wingrove wollte von der zuständigen Behörde, dem British Board of Film Classification, die Zertifizierung erlangen, mit der es ihm möglich gewesen wäre, den Film auf legale Weise zu verbreiten. Von der Behörde wurde jedoch die Zertifizierung mit der Be- gründung verweigert, dass es sich bei dem Film um ein Werk mit blasphemischen Inhalt handelt, welches auch den Straftatbestand der Blasphemie erfülle. Weiters lautete die Be-

183 Vgl EGMR 11/1993/406/485 (20.09.1994) – Otto-Preminger-Institut gegen Österreich.

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gründung dass der Film wenig historische, religiöse oder sonstige künstlerische Aspekte enthielt. Aus diesem Grund konnte Wingrove den Film nicht in Großbritannien vertreiben.184 Wingrove wählte den Rechtsweg um letztlich doch noch sein Zertifikat zu erhalten. Als diese erfolglos blieben, erhob er Beschwerde bei der EKMR, die bei ihrer Prüfung feststellte, dass es sich um eine Verletzung des Art 10 EMRK handelte. Der Europäische Gerichtshof hatte bei seiner Prüfung zu beachten, ob es sich dabei um einen Eingriff handelte, der vom Gesetz vorgesehen war, darüber hinaus ein berechtigtes Ziel verfolgte und ob dieser in einer demo- kratischen Gesellschaft als notwendig zu erachten wäre.185 Dass die Verweigerung über die Ausstellung des Zertifikates einen Eingriff auf die Meinungsäußerungsfreiheit darstellt, ist ohne Zweifel. Damit sollte gewährleistet werden, dass die religiösen Gefühle von anderen geschützt wurden, was ein legitimes Ziel und auch gesetzlich vorgesehen ist. Im nächsten Schritt wurde geprüft, ob dieser Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft als notwendig erachtet werden kann. Dabei kommt dem Staat ein gewisser Ermessensspielraum zu, wenn es um die Bewertung von moralischen und religiösen Fragen geht. Der Gerichtshof stellte fest, dass der Vertrieb des Videos durchaus geeignet wäre, die religiösen Gefühle von Chris- ten zu verletzen und deshalb den strafrechtlichen Tatbestand der Blasphemie erfülle. Als es um die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ging – Wingrove konnte sein Video dadurch überhaupt nicht vertreiben – wurde festgestellt, dass auch durch die gänzliche Untersagung des Filmvertriebes es sich um eine gerechtfertigte Maßnahme handelte, da durch das Inver- kehrbringen des Videos es zu einer Erfüllung strafrechtlicher Tatbestände gekommen wäre. Weiters wird argumentiert, dass sich Wingrove geweigert hätte, die blasphemischen Szenen aus dem Film zu entfernen, weshalb es letztlich zu keiner Überschreitung des Ermessen- spielraumes der urteilenden Behörden gekommen ist. Letztlich entschied der EGMR, dass keine Verletzung des Art 10 EMRK vorliegt.186

4. I.A. gegen Türkei

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer und Leiter eines Verlages. Im November 1993 wurde ein Roman von Adullah Riza Ergüven veröffentlicht, welcher den Titel „Verbotene Reden“ trug. Darin ging es um die Vorstellungen des Autors, wie er über theologische und philoso- phische Fragen dachte. Daraufhin wurde gegen den Beschwerdeführer Anklage erhoben, da er mit den Veröffentlichungen Gott, den Koran und Propheten beleidigt haben soll. Als Grundlage für diese Argumentation diente ein Gutachten eines Theologieprofessors, nach- dem dieses Buch herablassende, erniedrigende und verächtliche Elemente gegen den Islam, den Propheten und Gott enthalten würde. Der Beschwerdeführer wurde am 28. Mai 1996 im

184 Vgl EGMR 17419/90 (25.11.1996) – Wingrove gegen Vereinigtes Königreich; Rox, Schutz religiöser Gefühle im freiheitlichen Verfassungsstaat? (2012), S 296 ff. 185 Vgl Arslan, Meinungs- und Kunstfreiheit gegen die Religionsfreiheit – Wie viel Schutz für religiöse Empfindlich- keiten (2015), S 37. 186 Vgl EGMR 17419/90 (25.11.1996) – Wingrove gegen Vereinigtes Königreich.

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Sinne der Anklage für schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ver- urteilt, welche aber später in eine geringe Geldstrafe umgewandelt wurde. Es wurde ein zweites Gutachten einer Expertenkommission eingeholt, welches eine bestimmte Passage des Buches beanstandet hatte. In dieser Passage wurde vom Koran geschrieben, der Un- gleichheiten aufweisen sollte, dass Gott seine Worte direkt an den Propheten übermittelt habe, welche dieser sogar in den Armen seiner Frau, Aisha, erhalten haben soll. Das gegen das Urteil vom Beschwerdeführer erhobene Rechtsmittel an das Höchstgericht blieb erfolg- los. Der Beschwerdeführer wandte sich an den Europäischen Gerichtshof, da er sich durch die Verurteilung in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art 10 EMRK verletzt fühlte. Hier wurde ebenfalls wie in den anderen Prüfungen vorgegangen, nämlich zuerst die Prüfung der Frage, ob es sich um einen Eingriff handelte, weiters, der gesetzlich vorgesehen war sowie ein legitimes Ziel verfolgte und in einer demokratischen Gesellschaft für notwendig erachtet wurde. Wie schon in seinem Urteil Otto-Preminger-Institut gegen Österreich hielt der Gerichtshof fest, dass dem Staat durchaus Pflichten treffen, welche die Unterbindung von kritischen Äußerungen betrifft, die von Gläubigen als provokativ oder extrem beleidigend verstanden werden können. Dazu kommt dem Staat ein Ermessensspielraum zu, wie er in solchen Fällen vorgeht. Dieser ist jedoch nicht unbeschränkt gegeben, sodass dem Ge- richtshof die Aufgabe zukommt, die von den nationalen Gerichten getroffene Entscheidung anhand der Maßstäbe des dringenden sozialen Bedürfnisses und der Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Ziel zu prüfen. Hier hatte der Gerichtshof eine Abwägung zweier kollidieren- der Freiheiten vorzunehmen, das Recht des Beschwerdeführers auf seine Ansichten über religiöse Theorien und Verbreitung dieser in der Öffentlichkeit, als auf der anderen Seite die Achtung der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. So wurde argumentiert, dass die Äußerungen provokant und schockierend sind, als auch einen beleidigenden Angriff auf den Propheten Mohammed darstellten. Demnach wurde auch trotz der vom Gerichtshof geforder- ten Toleranz der Glaubensgemeinschaften gegenüber Kritik an ihrer Religion festgestellt, dass die dem Urteil zugrundeliegenden Passagen durchaus als beleidigender und unge- rechtfertigter Angriff auf die Glaubensgemeinschaft aufgefasst werden konnte. Die strafrecht- lichte Verurteilung wurde auch nicht als unverhältnismäßig angesehen, zumal das Buch von den Behörden nicht beschlagnahmt wurde und der Beschwerdeführer letztlich eine unbedeu- tende Geldstrafe erhielt. Demnach entschied der Europäische Gerichtshof, dass es sich um keine Verletzung des Art 10 EMRK handelte.187

5. Choudhury gegen Großbritannien

Nach Veröffentlichung des Romans „Die Satanischen Verse“ von Salman Rushdie beantrag- te der britische Geistliche, Abdal Choudhury, Anhänger des muslimischen Glaubens, beim

187 Vgl EGMR 42571/98 (13.09.2005) – I.A. gegen Türkei.

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Londoner Amtsgericht Bow Street die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Rushdie und seinen Verleger, wegen Blasphemie und Verunglimpfung gegen den allmächtigen Gott, Al- lah, den Propheten Abraham und seinen Sohn Ishmad, den heiligen Propheten des Islams, Mohammed, seine Frauen, Gefährten und der Religion Islam selbst. Der Antrag wurde aber mit der Argumentation abgewiesen, dass die geschützte Religion beim Straftatbestand der Blasphemie ausschließlich die christliche Religion ist. Choudhury erhob dagegen Rechtsmi- tel, bis auch der High Court bestätigte, dass er keinen Zweifel daran habe, dass ausschließ- lich die christliche Religion vor Blasphemie geschützt wird. Nachdem dieser Entscheidung wandte sich Choudhury an den EKMR und behauptete, dass er durch das Buch mit den dar- in geäußerten blasphemischen Aussagen sich in seiner Religionsausübung und damit Art 9 EMRK beeinträchtigt fühlt. Ebenso machte er geltend, dass durch den mangelnden Schutz seiner Religion das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK verletzt worden sei, da die re- levanten englischen Gesetze für Blasphemie nur für den christlichen Glauben Schutz bieten. Die EKMR wies die Beschwerde als unzulässig ab, da sie diese als mit der Konvention un- vereinbar hielt.188

6. Ben El Mahi gegen Dänemark, Mohammed-Karikaturen

In diesem Fall lag eine Beschwerde gegen den dänischen Staat vor, da sich die Beschwer- deführer durch die Mohammed-Karikaturen in den Rechten des Art 9 und 10 EMRK verletzt fühlten. Da die Beschwerdeführer marokkanische Staatsbürger waren, hatte der EGMR zu- erst zu prüfen, ob diese sich überhaupt auf die EMRK berufen konnten. Der EGMR vertrat die Auffassung, dass man, um sich die Europäische Menschenrechtskonvention berufen zu können, Staatsbürger eines Staates sein muss, der der Europäischen Menschenrechtskon- vention unterliegt. Der EGMR hat hier festgestellt, dass kein ausreichender Zusammenhang zwischen den Beschwerdeführern und dem Staate Dänemark gegeben ist und wies die Be- schwerde als unzulässig ab.189

7. Müller ua. gegen Schweiz

Der Beschwerdeführer sind in diesem Fall der Maler Josef Felix Müller aus der Schweiz und neun weitere Personen, die Müller zur Teilnahme an einer Ausstellung namens „Fri-Art 81“ eingeladen haben. Müller galt als bekannter Künstler, der schon verschiedene Preise für seine Arbeiten erhielt und Werke in der Kunsthalle Zürich ausgestellt hatte. Die Ausstellung wurde auf Plakaten und in der Presse angekündigt, jedoch ohne Hinweis auf eine Altersbe- schränkung. Nachdem die Ausstellung eröffnet wurde, kam es zu Beschädigungen an einem Bild von Müller, welche ein Ausstellungsbesucher verursacht hatte. Die Schweizer Staats- anwaltschaft schritt ein, nachdem ein Familienvater angab, dass seine minderjährige Tochter

188 Vgl EGMR 17439/90 (05.03.1991) – Choudhury gegen Großbritannien. 189 Vgl EGMR 5853/06 (11.12.2006) – Ben el Mahi gegen Dänemark.

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auf die Bilder in der Ausstellung sehr heftig reagiert habe. Die Gegenstände der Ärgernisse an den Bildern von Müller waren die Darstellungen von Sodomie, Fellatio, Bestialismus und erigierte männliche Geschlechtsteile. Als die Ausstellung am 4. September 1981 eröffnet wurde, kam es zu einer Beschlagnahmung der Bilder durch den Untersuchungsrichter. Mit den Kunstwerken bzw. die Ausstellung dieser habe Müller gegen den Art. 204 des Schweizer StGB190 verstoßen. Es wurde aber nicht, wie in Art 204 des Schweizerischen StGB ange- führt, die Vernichtung der drei Werke vorgenommen. Der EGMR hielt dazu fest, dass Zweifel bei den Schweizer Gerichten bestand, ob es die Zerstörung der Gemälde nicht doch anord- nen hätte sollen. Diese kamen jedoch zum Schluss, dass es ausreichen würde, diese Werke der allgemeinen Öffentlichkeit nicht zugänglich zu machen und nur für wenige ernsthafte Fachleute zu sehen war. Die Gemälde wurden im März 1988 an Müller zurück gestellt.

Nachdem Müller seine Werke abgenommen wurden, erhob er Rechtsmittel, welche aber vom Kantonsgericht Fribourg und danach vom Schweizerischen Bundesgericht verworfen wurden. Im Juli 1983 erhob Müller Beschwerde bei der EKMR, welche diese als zulässig iSd Art 10 EMRK befand. Mit der Beschlagnahme wurde Art 10 EMRK und die in der Meinungs- äußerungsfreiheit enthaltene Kunstfreiheit verletzt, jedoch stellte die EKMR keine Verletzung hinsichtlich der Verurteilung von Müller fest. Die Maßnahme des Beschlagnahmens der Bil- der konnte nicht als gesetzlich vorgesehen erachtet werden, da in Art 204 des Schweizeri- schen StGB nur von der Vernichtung von Kunstwerken die Rede ist, was aber in genannten Fall nicht geschah. Ebenso wurde die Beschlagnahme von der Kommission als unverhält- nismäßig betrachtet, da die agierenden Behörden keinerlei Befugnis hatten, die entgegen- stehenden Interessen abzuwägen und eine ihrer Auffassung nach weniger schwerwiegende Maßnahme anzuordnen. Der EGMR entschied nach eingehender Prüfung, dass die Schwei- zer Behörden keine Maßnahmen erlassen haben, welche nicht als notwendig erachtet wer- den können. Deshalb entschied der EGMR, dass es hier zu keiner Verletzung des Art 10 EMRK gekommen ist.191

8. Aydin Tatlav gegen Türkei

Der in Istanbul lebende Journalist Erdoğan Aydin Tatlav veröffentlichte im Jahre 1992 ein fünfbändiges Werk mit dem Titel „Die Realität des Islam“. In dem ersten der fünf Bände kriti- sierte er den Islam, der eine Religion sei, die Ungerechtigkeiten im sozialen Leben toleriere

190 Art 204 Schweizer StGB: „1. Wer unzüchtige Schriften, Bilder, Filme oder andere unzüchtige Gegenstände herstellt oder öffentlich auszustellen gedenkt, wer solche Gegenständen zu den genannten Zwecken einführt, befördert oder ausführt oder sonst wie in Verkehr bringt, wer solche Gegenstände öffentlich oder geheim verkauft, verbreitet, öffentlich ausstellt oder gewerbsmäßig ausleiht, wer um die verbotene Verbreitung oder den verbote- nen Vertrieb zu fördern, ankündigt oder sonstwie bekannt gibt, dass sich eine Person mit den genannten strafba- ren Handlungen befaßt, wer ankündigt oder bekannt gibt, wie und durch wen die genannten Gegenstände unmit- telbar oder mittelbar bezogen werden können, wird mit Gefängnis oder mit Buße bestraft. 2. Wer solche Gegen- stände einer Person unter achtzehn Jahren übergibt oder vorzeigt, wird mit Gefängnis oder mit Buße bestraft. 3. Der Richter läßt die unzüchtigen Gegenstände vernichten.“. 191 Vgl EGMR 10787/84 (24.05.1988) – Müller ua. gegen Schweiz; ÖJZ 1989/2 (MRK).

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und dabei als „Wille Gottes“ dargestellt werde. Ebenso wurde eine kurze Historie über den Koran geschrieben. Daraufhin wurde Tatlav von der Staatsanwaltschaft Ankara wegen einer Veröffentlichung, die die Beschimpfung einer Religion zum Ziel hat, angezeigt. Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Abschnitte des Bandes beinhalteten Passagen, die davon sprachen, dass es keinen Gott gibt und die Texte im Koran von einem Analphabeten stam- men. Ebenso wird von der Gegensätzlichkeit des Islams gesprochen, wenn er einerseits zum Dschihad aufruft und dann wieder Toleranz propagiert. Nachdem Tatlav alle Rechtsmittel im nationalen Wege ausgeschöpft hatte, erhob er beim EGMR Beschwerde wegen Verletzung des Art 10 EMRK. Der EGMR prüfte – wie in den übrigen Fällen auch – ob es sich um Ein- griff in Art 10 EMRK handelte, der gesetzlich vorgesehen war, ein legitimes Ziel verfolgte und auch als verhältnismäßig anzusehen war. Dabei hielt er fest, dass Tatlav sich zwar kritisch gegenüber der Religion des Islams äußerte, er aber dabei nicht beleidigend oder in be- schimpfender Weise vorging. Es konnte außerdem kein Nachweis erbracht werden, dass Gläubige direkt beleidigt wurden, ebenso wenig wie es Angriffe auf religiöse Symbole gab. Nachdem sich das Buch im Zeitpunkt der Klage schon in der fünften Auflage befand, wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass es zu keiner früheren strafrechtlichten Verfolgung des Falles kam und das Verfahren daher auch erst spät eingeleitet wurde. Zwar wurde die ver- hängte Freiheitsstrafe in eine geringe Geldstrafe umgewandelt, jedoch war der EGMR der Auffassung, dass derartige Urteile eine abschreckende Wirkung auf andere Autoren und Ver- lage haben könnte, was dem Schutz von Pluralismus, der einen Grundpfeiler in einer demo- kratischen Gesellschaft darstellt, entgegen steht. Es könnte dazu führen, dass sich niemand mehr religionskritisch möchte und Verleger dies unter Umständen nicht mehr veröffentlichen wollen. Aus diesem Grund erachtete der EGMR die Verurteilung der türkischen Behörden als Eingriff in Art 10 EMRK, da die Vorgehensweise als nicht mit dem verfolgten Ziel vereinbar erachtet wurde.192

C. Die Rechtsprechung des EGMR und die „Trendwende“

Alle angeführten Fälle mit blasphemischen Inhalten wurden vom EGMR mit derselben Vor- gehensweise geprüft. Im ersten Schritt stand der Eingriff selbst auf dem Prüfstand und ob dieser von einem Gesetz gedeckt war. Im nächsten Schritt wird das legitime Ziel der Maß- nahme untersucht und zuletzt die Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft. Zu anfangs der Prüfungen hinsichtlich der Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit wurde die Beschränkung nicht als restriktiv gehandhabt und es gab weniger Verletzungen des Art 10 EMRK, wie es im Urteil Otto-Preminger-Institut gegen Österreich ersichtlich ist. Die EKMR fand in ihrem Bericht zu einem anderen Ergebnis und stellte darin fest, dass es zu einer Ver- letzung des Art 10 EMRK gekommen ist. Gleiches auch für das Urteil Wingrove gegen Ver-

192 Vgl EGMR 50692/99 (02.05.2006) – Aydin Tatlav gegen Türkei.

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einigtes Königreich, wo auch die EKMR eine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit feststellte und der EGMR hingegen die staatlichen Maßnahmen als konventionskonform be- urteilte. Im Urteil I.A. gegen Türkei wurden ebenso festgestellt, dass es durch die strafrechtli- che Verurteilung zu keinem unzulässigen Eingriff in die Meinungsfreiheit kam. Durch Äuße- rungen blasphemischer Natur besteht die Möglichkeit, dass diese den öffentlichen Frieden gefährden, worin ein konkretes Gefährdungspotenzial gesehen wurde. Dies ist eine zulässi- ge Beschränkung iSd Art 10 Abs 2 EMRK. Ein Jahr später kam es zu einer Kehrtwende in der Rechtsprechung des EGMR. So entschied er im Falle Aydin Tatlav gegen Türkei, dass es hier zu einer unzulässigen Beschränkung der Meinungsfreiheit gekommen ist. Hier wurde der blasphemischen Äußerung größere Bedeutung zugemessen. Der Grund für das Abwei- chen von seiner Rechtsprechungslinie könnte sein, dass man sich der Gefahr des „chilling effects“ ausgesetzt sah. Dadurch könnten sich Schriftsteller zukünftig abgeschreckt fühlen, sich blasphemisch zu äußern. Daher kann erwartet werden, dass in zukünftigen Entschei- dungen des EGMR blasphemische Äußerungen durch die Meinungsfreiheit des Art 10 EMRK geschützt werden.193

Bei der jeweiligen Beurteilung hinsichtlich Eingriffe in den religiösen Frieden bzw. die religiö- sen Gefühle, verhält sich der EGMR sehr zurückhaltend und überlässt die primär wichtigere Prüfung den nationalen Staaten, welche damit auch einen größeren Ermessensspielraum haben in dem sie entscheiden können. Dabei hält er auch fest, dass es keinen einheitlichen Moralbegriff gibt und damit auch kein religiöses Empfinden. Weiters führt der EGMR an, dass sich der Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit iSd Art 10 EMRK auf Meinun- gen und „Ideen“ Bezugnahme nimmt, die gerade verletzen, provozieren, schockieren und beunruhigen. Die Grenze solcher Äußerungen ergibt sich aus Art 10 Abs 2 EMRK, wenn diese die Rechte von anderen beschneiden.194

VII. Zusammenfassung

Durch die blasphemischen Äußerungen werden, unabhängig von den vorhandenen Empfind- lichkeiten, sämtliche Religionen zum Ziel von Spott und Häme, was auch die Intention der jeweiligen Karikatur sein möchte. Wie in dieser Arbeit ausgeführt, kann eine Karikatur durch die Kunstfreiheit geschützt sein, sofern sie keine Glaubensgemeinschaften zutiefst verletzen. Ebenso kann für eine Beschränkung die Tatsache relevant werden, dass es zu einer öffentli- chen Hassreaktion kommt, die zu Gewaltausbrüchen in der Gesellschaft führt. In derartigen Fällen wird die blasphemische Äußerung oder Karikatur nicht mehr schützenswert, sie steht

193 Vgl Arslan, Meinungs- und Kunstfreiheit gegen die Religionsfreiheit – Wie viel Schutz für religiöse Empfindlich- keiten (2015), S. 60 und 77. 194 Vgl Luf/Schinkele, Kommunikationsfreiheit und Schutz religiöser Gefühle – Überlegungen aus Anlass des „Karikaturenstreits“, JRP 2006, 88.

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dem Interesse der öffentlichen Ordnung und dem Schutz des öffentlichen Friedens entge- gen.

Es wird dabei auf die „Schädlichkeit“ des Inhaltes der Karikatur abgestellt. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass es in einer demokratische Gesellschaft die Meinungsäußerungsfreiheit gibt und diese auch einen hohen Stellenwert genießt. So erachtet der EGMR den Art 10 EMRK als notwendig um dadurch die Toleranz innerhalb einer Gesellschaft zu sichern. An- dernfalls besteht die Gefahr des „chilling effect“.195 Demnach würde es kein Schriftsteller und Illustrator mehr wagen, sich blasphemisch zu äußern. Diese hätten in ständiger Angst vor Bedrohungen oder Attentaten zu leben. Es kann zwar vernünftig erscheinen, im Sinne des besseren Miteinanders auf derartige Karikaturen zu verzichten. Jedoch stellt die Meinungs- äußerungsfreiheit ein relevantes Recht dar und eine Errungenschaft für die demokratische Gesellschaft. Dieses Grundrecht gilt es einzuhalten und sollte von einer Abkehr aus Gründen der Angst abgesehen werden, so nachvollziehbar dies auch erscheinen mag.

Jeder darf frei darüber entscheiden, ob er sich von derartigen Äußerungen Kenntnis ver- schafft oder diese der Einfachheit halber und des Friedens willen lieber ignoriert. Anderen die Meinung zu verbieten kann nicht zielführend sein; noch weniger, jemandem seine An- sichten aus religiöser Sicht aufzuzwingen. Für die Vielfalt der Religionen und der Ansichten muss in einer toleranten Gesellschaft Platz sein, der säkularisierte Staat bietet dafür den entsprechenden Rahmen. Denn nicht jede blasphemische Äußerung hat zum Ziel, andere in ihren religiösen Gefühlen zu verletzen, vielmehr sollen diese zum Nachdenken anregen und zum Überdenken von festgefahrenen Ansichten führen. Erst wenn es gezielt zu massiven Beleidigungen durch Blasphemie kommt, muss der Staat einschreiten, um das Wohl der Ge- sellschaft zu sichern und seinen Staatsbürger zu schützen, indem er den öffentlichen Frie- den wahrt und entsprechend eingreift um diesen zu sichern.

Man darf aber erwarten, dass sich die Menschen untereinander in Toleranz üben und sich gegenseitig ihre Ansichten gelten lassen. So soll der Nichtgläubige genau so Respekt ge- genüber seiner Ansichten erfahren, als dieser dem zutiefst Gläubigen hinsichtlich seiner Glaubenssätze zuteilwird. Um auf den Fall der dänischen Karikaturen zu verweisen, müssen die muslimischen dänischen Staatsbürger die Ausschreitungen in den anderen Ländern neutral hinnehmen. Die Grundrechte geben kein Recht auf Gewaltverbrechen, diese werden nicht geschützt und stellen vielmehr selbst ein Verbrechen dar.196 Die Karikaturen haben in den europäischen Ländern durchwegs so etwas wie Tradition, weshalb auch von den Ge- schmähten Toleranz im Sinne einer Integration und Anpassung zu erwarten ist. Luf und

195 Vgl Holoubek, Meinungsfreiheit und Toleranz – von den Schwierigkeiten einer Verantwortungsteilung zwi- schen Staat und Gesellschaft für einen vernünftigen Umgang miteinander, JRP 2006, 84. 196 Vgl Akyürek/Kneihs, Die Karikatur im Spannungsfeld zwischen Religions- und Meinungsfreiheit- eine provo- kante Skizze, JRP 2006, 79.

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Schinkele fordern aber auch, dass der Staat im Sinne seiner Schutzpflichten den Nachdruck sowie die Beschlagnahme aller existierenden Exemplare der Karikaturen veranlasst hätte sollen.197 Dieser Auffassung kann ich mich nicht anschließen. Es ist durch die Karikaturen zu keiner Verletzung der Religionsfreiheit gekommen und die Karikaturen entsprechen auch sonst der Meinungsäußerungsfreiheit. Ein Verbieten dieser Zeichnungen würde meines Er- achtens nur zum mehrfach zitierten „chilling effect“ führen. Dadurch könnte eine Bestätigung in der Richtigkeit der Handlung der Betreiber gegen die Karikaturen verstanden werden, was in weiterer Folge in eine Selbstzensur münden würde.

197 Vgl Luf/Schinkele, Kommunikationsfreiheit und Schutz religiöser Gefühle – Überlegungen aus Anlass des „Karikaturenstreits“, JRP 2006, 88.

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