Friedemann Pestel WEIMAR ALS EXIL Erfahrungsräume
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Friedemann Pestel WEIMAR ALS EXIL Erfahrungsräume französischer Revolutionsemigranten 1792–1803 Deutsch-Französische Kulturbibliothek Band 28 Herausgegeben von Michel Espagne, Etienne François, Werner Greiling und Matthias Middell Friedemann Pestel WEIMAR ALS EXIL Erfahrungsräume französischer Revolutionsemigranten 1792–1803 Leipziger Universitätsverlag 2009 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Diese Arbeit ist in Verbindung mit dem Jenaer Sonderforschungsbereich 482 Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800 entstanden. Ihre Veröffentlichung wurde unter Verwendung der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Ver- fügung gestellten Mittel finanziell unterstützt. Weiterhin wurde die Drucklegung durch den Walter-Markov-Preis der Karl-Lamprecht-Gesellschaft/ENIUGH und des Instituts für Kultur- und Universalgeschichte Leipzig gefördert. Leipziger Universitätsverlag GmbH, Leipzig 2009 Oststr. 41, D – 04317 Leipzig Tel./Fax: (0341) 99 00 440 www.univerlag-leipzig.de ISBN 978-3-86583-423-2 ISSN 0944-3649 Inhalt Vorwort 9 I. Einleitung: Das andere Frankreich. Zum Phänomen der Emigration 11 II. Forschungsstand, Fragestellung und Quellenkorpus 19 1. Forschungen zur französischen Emigration in der Revolutionszeit 19 2. Forschungsstand zu den Emigranten in Sachsen-Weimar- Eisenach 26 3. Fragestellung 31 4. Quellenkorpus 35 5. Editorische Vorbemerkungen 37 III. Die Aufnahme der Emigranten in Sachsen-Weimar- Eisenach 40 1. Die Emigrantenpolitik bis 1795 40 2. Exkurs: Erfurt und die Herausforderung durch die Emigranten 1794/1795 43 3. Die Aufnahmepolitik in Sachsen-Weimar-Eisenach ab 1795 49 3.1. Aufnahmepraxis und behördliche Erfassung 49 3.2. Die Konfessionsfrage 61 4. Die Weimarer Emigrantenpolitik im Vergleich 64 5. Die Reaktionen des Weimarer Stadtrates 68 IV. Die Emigrantenkolonien 73 1. Eisenach 73 2. Weimar 82 3. Jena 92 4. Die Landstädte 97 6 Inhaltsverzeichnis V. Franzosen in der Fremde. Zur Stimmungslage der Emigranten 101 1. Vergangenheitsprojektionen 103 2. Gegenwartserfahrungen 106 3. Zukunftshoffnungen 110 VI. Integration ohne Assimilation. Das Verhältnis der Emigranten zur Weimarer Hof- und Stadtgesellschaft 116 1. Praktische Frankophilie. Die Emigranten und der Hof 116 1.1. Fürstennähe 116 1.2. Geburt und Tod 123 1.3. Unterstützungsformen 126 2. „Exotismus“ im Kleinen. Die Emigranten und das städtische Leben in Weimar 128 3. Profil: Sophie von Schardt und die Französisierung des Alltags 135 VII. Kulturtransfer. Die Emigranten und das Ereignis Weimar-Jena 142 1. Zum Konzept 142 2. Transferfelder 147 2.1. Kommunizieren, Korrespondieren, Informieren 147 2.2. Lesen und Sehen 151 2.3. Zeichnen und Malen 166 2.4. Korrigieren und Übersetzen 169 2.5. Schreiben und Publizieren 183 2.5.1. [François Daniel de Pernay:] Geschichte eines Emigranten 183 2.5.2. Jacques Boyon d’Oberten: Grammaire raisonnée oder vollständige theoretisch-praktische Sprachlehre 193 2.5.3. Jean Joseph Mounier: De l’influence attribuée aux philosophes, aux francs-maçons et aux illuminés sur la révolution de France 200 2.5.4. Auguste Duvau: Wie fand ich mein Vaterland wieder im Jahre 1802? 209 2.5.5. [Jacques Pierre Joseph Le Surre:] Lettres d’un voyageur à l’Abbé Barruel 218 Inhaltsverzeichnis 7 2.6. Profil: Karl August Böttiger als Kulturvermittler 223 2.7. Unterrichten und Erziehen 228 2.7.1. Haus- und Privatlehrer 229 2.7.2. Prekariat und Konkurrenz. Sprachmeister an der Universität Jena 230 2.7.3. „Wir sinken nicht an Ruhm, sondern wir steigen.“ Jean Joseph Mouniers Erziehungsinstitut in Belvedere 234 2.8. Technologie und Wissenschaft 251 VIII. Die Grenzen der Möglichkeiten. Konflikte und Ressentiments 258 1. Die Emigranten im negativen Frankreichbild 258 2. Gewalterfahrung und die Folgen 268 IX. Ausblick: Ende eines Provisoriums. Die Rückkehr nach Frankreich 278 1. Wege zurück 278 2. Neue Anfänge und alte Verbindungen 289 3. Weimar im Rückblick 297 X. Fazit. Weimar und das „doppelte“ Frankreich 304 XI. Siglenverzeichnis 309 XII. Quellen- und Literaturverzeichnis 309 Gedruckte Quellen 312 Literatur 317 Anhang: Biogramme der identifizierten Emigranten 331 Personenregister 379 Vorwort Die vorliegende Studie geht auf meine Jenaer Staatsexamensarbeit vom Wintersemester 2008/2009 zurück, die für die Drucklegung in einigen Tei- len ergänzt und erweitert wurde. Dass die Veröffentlichung möglich wurde, verdanke ich Professor Dr. Werner Greiling, der die Arbeit betreut, begut- achtet und zusammen mit Professor Dr. Matthias Middell (Leipzig) in die Deutsch-Französische Kulturbibliothek aufgenommen hat. Für einen großzügigen Druckkostenzuschuss danke ich dem Sprecher des an der Friedrich-Schiller-Universität Jena angesiedelten Sonderfor- schungsbereiches 482 Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800, Professor Dr. Dr. Olaf Breidbach, sowie den Vorstandsmitgliedern Professor Dr. Reinhard Wegner und Professor Dr. Hans-Werner Hahn, der freundlicherweise auch das Zweitgutachten der Arbeit übernommen hat. Außerdem wurde die Ar- beit durch den Walter-Markov-Preis 2009 der Karl-Lamprecht-Gesellschaft Leipzig in Verbindung mit dem European Network in Universal and Global History ausgezeichnet, für dessen Zuerkennung der Jury mein herzlicher Dank gilt. Während des Arbeitsprozesses habe ich in hohem Maße von der Unter- stützung und den inhaltlichen Anregungen aus dem Umfeld des Jenaer Son- derforschungsbereiches profitiert. Vor allem danke ich Stefanie Freyer und Sebastian Hunstock für aufschlussreiche Gespräche und Orientierungen das Weimarer „Innenleben“ betreffend; Dr. Raphael Utz bin ich für viele bele- bende Diskussionen über Außenperspektiven auf Weimar verbunden. Pro- fessor Dr. Marcus Reinfried war mir ein wichtiger Ansprechpartner in Fra- gen der historischen Fremdsprachendidaktik. Darüber hinaus danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der konsultierten Archive, Bibliotheken und Museen für ein Entgegenkommen, das keineswegs eine Selbstverständlichkeit darstellt. Insbesondere Dr. Jens Riederer vom Weimarer Stadtarchiv war bereit, mir an mehreren Stellen großzügig weiterzuhelfen. Die Mühen der Einrichtung des Manuskripts nahm Katharina Middell auf sich; Vera Faßhauer war mir eine große Hilfe bei der Fertigstellung des Registers. Widmen möchte ich diese Arbeit meiner Familie als ein erstes Produkt der unablässigen und so geduldigen wie nachsichtigen Unterstützung und Förderung in den vergangenen Jahren. Paris, im Oktober 2009 Friedemann Pestel I. Einleitung: Das andere Frankreich. Zum Phänomen der Emigration Vor 1789 lebten im Königreich Frankreich, dem mächtigsten und bevöl- kerungsreichsten Staat Europas, gut 25 Millionen Menschen nach jahr- hundertealtem Herkommen gegliedert in drei Stände. Zu den privilegier- ten ersten beiden Ständen – Klerus und Adel – zählten etwa zwei Prozent der Untertanen des französischen Königs, der Rest ordnete sich dem Drit- ten Stand zu. Diese traditionell zusammengesetzte, langsam wachsende Bevölkerung erfuhr in der Frühen Neuzeit zwei bedeutende, politisch motivierte demografische Einschnitte, die große Migrationsprozesse in Gang setzten: Der Exodus der französischen Hugenotten nach dem Edikt von Fontainebleau 1685 und jene über 150.000 Personen1, die Frank- reich während der Revolution ab 1789 über mehrere Jahre hinweg ver- ließen und sich als Emigranten über Europa und in selteneren Fällen bis Nordamerika und Indien verteilten. Der Sammelbegriff, der sich im deutschen Sprachgebrauch in der Partizip-Präsens-Aktiv-Form des lateinischen Etymons emigrare durch- setzte, wohingegen sich im Französischen das Partizip Perfekt Passiv émigré etabliert hat, erschien erstmals im Moniteur vom 2. Dezember 1789 als émigrans und vom 25. Mai 1790 als émigrés.2 Das erste Emi- grantengesetz der Assemblée législative vom 9. November 1791 unter- schied zwischen beiden Formen noch – émigrans waren diejenigen, die nach Aufforderung bis Jahresende nach Frankreich zurückkehren wür- den, zu émigrés wurden alle anderen Franzosen, die ihr Mutterland als Folge der Revolution verlassen hatten – danach traten sie synonym auf. Das trifft auch für den deutschen Sprachgebrauch der 1790er Jahre zu. 150.000 bis 160.000 Emigranten – politische Flüchtlinge – markieren Massimo Boffa zufolge eine „ansehnlich[e], aber nicht außergewöhn- 1 Diese Zahlenangabe beruht auf einer Auszählung der behördlicherseits geführ- ten zentralen Emigrantenlisten durch Donald Greer 1951 und ihrem Abgleich mit lokalen Verzeichnissen. Im Ergebnis dieser Auswertung kommt er auf 129.000 Perso- nen, zu denen jedoch noch eine Dunkelziffer von 20.000–30.000 Personen zu addie- ren ist, die in keiner Liste aufgeführt sind, vgl. Greer: Incidence of the Emigration sowie Boffa: Emigranten, S. 547. Als zeitliche Eckdaten werden der Bastille-Sturm am 14. Juli 1789 und die Schließung der Emigrantenlisten durch Napoleon 1799 zu Grunde gelegt. 2 Zu den Begrifflichkeiten siehe Henke: Coblentz (2000), S. 27 f. 12 I. Einleitung lich[e]“3 Zahl, etwa 0,6 % der Gesamtbevölkerung. Aus der Globalper- spektive mag diese Einschätzung auch vorbehaltlos zutreffen, nur ver- birgt sich dahinter eine tiefe soziale Zäsur: Donald Greer hat ermittelt, dass hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung der Emigranten diese zu 25 % der Geistlichkeit und zu 17 % dem Adel angehörten.4 Bei ei- nem Versuch, auf dieser Basis trotz aller statistischen Unabwägbarkeiten diese Anteile nicht auf die gesamte Emigrantenpopulation