Schriftliche Stellungnahme Zur Öffentlichen Anhörung Von Sachverständigen in Berlin Am 23

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Schriftliche Stellungnahme Zur Öffentlichen Anhörung Von Sachverständigen in Berlin Am 23 DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 19(11)566 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. März 2020 19. Wahlperiode Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. März 2020 zum a) Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung BT-Drucksache 19/17740 b) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Berufliche Weiterbildung stärken – Weiterbildungsgeld einführen BT-Drucksache 19/17753 c) Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Klaus Ernst, Fabio De Masi, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE. Arbeit in der Transformation zukunftsfest machen BT-Drucksache 19/16456 d) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Arbeitslosenversicherung stärken – Arbeitslosengeld verbessern BT-Drucksache 19/15046 e) Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Arbeitslosenversicherung stärken – Arbeitslosengeld Plus einführen BT-Drucksache 19/15047 f) Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Beate Müller-Gemmeke, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung weiterentwickeln BT-Drucksache 19/17522 Professor Dr. Gerhard Bosch, Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), Universität Duisburg Essen* siehe Anlage *E-Mail vom 19. März 2020 1 Prof. Dr. Gerhard Bosch, Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), Universität Duisburg-Essen Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. März 2020 zum 1. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur „Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung“ („Arbeit von Morgen-Gesetz“) Drucksache 19/17740 2. Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, Sylvia Gabelmann, Dr. Achim Kessler, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Pascal Meiser, Cornelia Möhring, Jessica Tatti, Harald Weinberg, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE „Berufliche Weiterbildung stärken – Weiterbildungsgeld einführen“ Drucksache 19/17753 3. Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Sylvia Gabelmann, Dr. Achim Kessler, Katja Kipping, Jan Korte, Jutta Krellmann, Pascal Meiser, Cornelia Möhring, Bernd Riexinger, Jessica Tatti, Harald Weinberg, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE „Arbeitslosenversicherung stärken – Arbeitslosengeld verbessern“ Drucksache 19/15046 4. Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Sylvia Gabelmann, Dr. Achim Kessler, Katja Kipping, Jan Korte, Jutta Krellmann, Pascal Meiser, Cornelia Möhring, Bernd Riexinger, Jessica Tatti, Harald Weinberg, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE „Arbeitslosenversicherung stärken – Arbeitslosengeld Plus einführen“ Drucksache 19/15047 5. Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Klaus Ernst, Fabio De Masi, Matthias W. Birkwald, Dr. Achim Kessler, Katja Kipping, Jan Korte, Jutta Krellmann, Pascal Meiser, Bernd Riexinger, Jessica Tatti, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE „Arbeit in der Transformation zukunftsfest machen“ Drucksache 19/16456 6. Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Beate Müller-Gemmeke, Anja Hajduk, Markus Kurth, Sven Lehmann, Corinna Rüffer, Katharina Dröge, Dieter Janecek, Sven-Christian Kindler, Claudia Müller, Stefan Schmidt, Katja Dörner, Kai Gehring, Britta Haßelmann, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung weiterentwickeln“ Drucksache 19/17522 1. Bedeutungszuwachs von Weiterbildung Es ist mittlerweile fast unumstritten, dass berufliche Weiterbildung an Bedeutung gewinnen wird. Um mit den absehbaren strukturellen und technologischen Umbrüchen mithalten zu können, wird man seine beruflichen Qualifikationen regelmäßig auffrischen und erweitern oder sogar einen neuen Beruf erlernen müssen. Durch die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters und die Abschaffung des subventionierten Vorruhestands – einem beliebten Substitut für Weiterbildung in der Vergangenheit - verlängert sich das Erwerbsleben. Um eine Beschäftigung bis zum höheren Renteneintrittsalter zu mindestens auf dem gleichen Qualifikationsniveau sicher zu stellen, wird Weiterbildung auch in der letzten Phase des Erwerbslebens an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig hat die 1 Arbeitsplatzunsicherheit durch den wachsenden Anteil prekärer Beschäftigungsformen vor allem für jüngere Beschäftigte deutlich zugenommen; sie erleben mehr als andere Beschäftigte unfreiwillige Arbeitsplatzwechsel. Der Übergang in eine stabile neue Tätigkeit gelingt häufig nur über eine Weiterbildung. Schließlich ist unser Bildungssystem am unteren Ende denkbar schlecht aufgestellt. Fast 20 Prozent der nachwachsenden Generation treten ins Berufsleben ohne Ausbildung ein. Da der Anteil der einfachen Arbeitsplätze abnimmt und in Zukunft bei nur noch etwas mehr als 10 Prozent aller Arbeitsplätze liegen wird, kann Langzeitarbeitslosigkeit vieler An- und Ungelernter nur durch eine zweite oder dritte Lernchance verhindert werden. Auch die Integration der meisten Flüchtlinge und vieler Migrant_innen kann nur mit deutschen Sprachkenntnissen und einer beruflichen Ausbildung gelingen. 2. Weiterbildung zentraler Pfeiler der Arbeitsmarktpolitik Die Förderung der beruflichen Bildung von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden gehört vor allem in Ländern mit einer ausgeprägten aktiven Arbeitsmarktpolitik zu den wichtigsten Instrumenten der sozialverträglichen Gestaltung des Strukturwandels. Besonders hoch sind die arbeitsmarktpolitischen Ausgaben für berufliche Weiterbildung in Dänemark und Finnland mit 0,44 Prozent bzw. 0,46 Prozent des Bruttosozialprodukts. Deutschland gehörte noch 2004, also vor der vollen Implementation der Hartz-Gesetze, zu den Ländern mit einem hohen Anteil von Weiterbildungsausgaben in der Arbeitsmarktpolitik. Bis 2015 verringerte sich deren Anteil am Bruttosozialprodukt aber um deutlich mehr als die Hälfte. Schweden reduzierte schon vor 2004 seine Weiterbildungsinvestitionen in der Arbeitsmarktpolitik, setzte aber im Unterschied zu Deutschland mehr auf individuelle Erwachsenenstipendien ohne Einkommens- und Vermögensprüfung und ohne Altersgrenzen, wie in Deutschland. In den angelsächsischen Ländern, wie dem Vereinigten Königreich oder den USA, spielt die Förderung beruflicher Weiterbildung in der Arbeitsmarktpolitik hingegen kaum eine Rolle (Tabelle 1). Dort wird die Finanzierung der Weiterbildung ausschließlich als individuelle Aufgabe angesehen. Die Arbeitsmärkte bieten in diesen Ländern durch die fehlende Berufsausbildung und die starke Polarisierung der Qualifikationsstruktur auch mehr einfache Arbeitsplätze, die allerdings aufgrund der geringen Tarifbindung überwiegend schlecht bezahlt werden und zudem kaum Aufstiegschancen bieten. Tabelle 1: Ausgaben für Weiterbildung in Arbeitspolitik in % des Bruttosozialprodukts 2004 und 2015 Land 2004 2017 Dänemark 0,52 0,46 Deutschland 0,44 0,18 Finnland 0,40 0,44 Frankreich 0,31 0,28 Schweden 0,11 0,13 Vereinigtes Königreich 0,03 0,01 (2011) USA 0,05 0,03 OECD 0,15 0,12 Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Angaben von OECD-Stat, Public expenditure and participant stocks on LMP https://stats.oecd.org/viewhtml.aspx?datasetcode=LMPEXP&lang=en (Aufruf am17.3.2020) 2 Die deutsche Arbeitsmarktpolitik schwankte in den letzten 50 Jahren zwischen den Polen von „work first“ und „train first“. Mit dem Arbeitsförderungsgesetz von 1969 wurde in Deutschland ein Rechtsanspruch auf berufliche Weiterbildung für Arbeitslose und Beschäftigte geschaffen. Weiterbildung sollte nicht alleine Arbeitslosigkeit abbauen oder vermeiden, sondern auch unterwertige Beschäftigung verhindern und beruflichen Aufstieg ermöglichen. Der Kreis der Begünstigten wurde weit gezogen und war nicht auf Beitragszahler beschränkt. Anfangs wurde sogar ein Studium an Hochschulen gefördert. Die finanziellen Anreize für eine Teilnahme waren hoch. Das während einer Weiterbildung gezahlte Unterhaltsgeld (UHG) lag in den ersten sechs Monaten einer Maßnahme bei 81,25 Prozent des Nettogehalts und erhöhte sich bei längeren Maßnahmen dann auf 87,5 Prozent für die weitere Dauer der Maßnahme. Zudem wurde das UHG dynamisiert, indem nach einem Jahr die Bemessungsgrundlage halbjährlich um 4 Prozent angehoben wurde. Diese neuen Möglichkeiten wurden dankbar angenommen. Vor allem schon gut qualifizierte Beschäftigte nutzten die Chance zu einer Aufstiegsfortbildung, während die Förderung von Arbeitslosen bis 1975 nur eine untergeordnete Rolle spielte (Bosch 2012). In den folgenden Jahrzehnten wurden die Leistungen vor allem zur Haushaltssanierung reduziert. Das Unterhaltsgeld wurde schrittweise auf das Niveau des Arbeitslosengelds abgesenkt. Die Förderung einer Aufstiegsfortbildung wurde erst zur Kann-Leistung und dann ganz abgeschafft. Gefördert wurden nur noch Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit Bedrohte. Mit der Eingliederung des AFG in das Sozialgesetzbuch III im Jahre 1997 wurde berufliche Weiterbildung zur
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