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Kultur

Schweighöfer. Man ahnt es: Im Film wer- POP finster, aber auch faszinierend – darin lag den Käte und Manfred ein Liebespaar. schon immer die Kunst von Portishead. Oder, wie es Joseph Fiennes in der Rolle Den Großteil der vergangenen Dekade eines kanadischen Piloten formuliert: Meister der habe er gebraucht, um zu Portishead auf „Euer Liebesleben macht bestimmt vor Distanz zu gehen, erklärt Barrow, der zum keiner Grenze halt.“ Erscheinen des neuen Albums eine rare Die Filmromanze hat nur einen Schön- Tristesse Audienz gewährt. Die Millionen Platten, heitsfehler: „Im tatsächlichen Leben von die er und seine Partner in der zweiten Manfred von Richthofen gab es keine Nach über zehn Jahren Pause legt Hälfte der neunziger Jahre absetzten, der Frau – abgesehen von seiner Schwester die englische Kultband Portishead Erfolg, das alles habe ihn sehr belastet, be- und seiner Mutter“, schreibt der Historiker hauptet der Brite, der aussieht wie einer, Joachim Castan in seiner neuen Richt- ein neues Album vor – der im Pub gern Fußballlieder grölt. hofen-Biografie „Der Rote Baron“ (Verlag mit vertracktem, irritierendem Ruhm und Reichtum als Quelle der Klett-Cotta). Zwar pflegte eine Kranken- Avantgarde-Sound. Kümmernis, die alte Sorgengeschichte der schwester namens Käte Otersdorf den Stars. Aufgewachsen in einem Offizier, nachdem der 1917 eine schwere Kaff namens Portishead bei Kopfverletzung erlitten hatte. Eine Liebes- , brach Barrow eine beziehung zwischen den beiden sei aber Berufsausbildung zum Gra- „reine Spekulation“, so Castan. fikdesigner wegen Farben- Verglichen mit anderen historischen blindheit ab, jobbte als Tee- Freiheiten, die sich der Film nimmt, fällt kocher in einem Aufnahme- das amouröse Märchen kaum ins Gewicht. studio und hatte eines Tages Dass der Freiherr Richthofen dauernd mit den Geistesblitz, Beats und „Baron“ angesprochen wird (ein Titel, den Rhythmen des HipHop dras- ihm erst die Engländer verpassten) – ge- tisch zu verlangsamen und schenkt. Seltsamer erscheint, dass Käte mit Schnipseln von alter ihren Manni am Ende zum Pazifismus Jazz- und Filmmusik zu kom- bekehrt, indem sie ihm Lazarette voller binieren. TripHop nannten Verwundeter zeigt. Mutig widerspricht der Journalisten diesen Stil. Film-Richthofen, ganz aufrechter Über- Die raffiniert konstruier- flieger, plötzlich sogar dem Kaiser und ten Klagelieder surrten da- diversen Generälen. Gruppe Portishead*: Finster und faszinierend mals durch Designer-Altbau- Krieg, erfährt der überraschte Zuschau- wohnungen, coole Clubs und er, ist nämlich doch kein Spaß – eine s gibt Platten, deren Titel wie Phan- Szene-Cafés. Dazu kam die Werbeindu- herbe Enttäuschung nach den unzähligen tome durch die Pop-Welt geistern, strie, die TV-Clips für Duschgel bis Diät- Szenen voller Puffbesuche und „Top Eweil sie seit einer Ewigkeit angekün- schokolade mit Portishead-Klängen un- Gun“-Duelle, mit denen Regisseur Müller- digt werden und dann doch nie kommen. termalte. Nach einem gequälten zweiten schön eine fröhliche Landserromantik So wie „Chinese Democracy“, das im- Album und einer Welttournee gönnten sich beschwört. Nebenbei stilisiert er seinen mer wieder in Aussicht gestellte Come- Portishead Ende der Neunziger eine Aus- „Roten Baron“ zum besonders fairen, back-Werk der Krawall-Rocker von Guns zeit: „Wir waren kaputt, ausgebrannt und klugen Helden, wie es die kaiserlichen PR- N’ Roses, oder „Detox“, das endlos ver- wollten nur noch nach Hause“, so Barrow. Strategen anno 1918 nicht besser vermocht schobene Konzept-Album von HipHop- Derweil wurde die TripHop-Formel von hätten. Der Film-Richthofen liest Oscar Superstar Dr. Dre. Halbtalentierten zu Tode kopiert, so dass Wilde und Dante; seinen Männern befiehlt Oder eben ein drittes Album der unter- auch dieses Genre im Keller der vermo- er: „Hört auf zu feuern, wenn der Gegner getauchten TripHop-Pioniere von Portis- dernden Pop-Trends verschwand. TripHop- runtergeht. Wir sind Sportsmänner, keine head. Einmal im Jahr habe jemand von Veteranen wie oder Schlächter.“ der Plattenfirma angerufen, dem er nichts sind zwar noch aktiv, aber die Ideen sind Richthofens echte Kameraden erinner- zu sagen hatte, erinnert sich Portishead- ihnen leider ausgegangen. ten sich anders an den April 1918. „Er Regisseur , 37, amüsiert. Den Begriff TripHop habe Barrow im- schoss alle feindlichen Flugzeuge in Brand. „Erst jammerten sie, schimpften, verzwei- mer als „Beleidigung“ empfunden, sagt Er sagte, nach seiner Ansicht sei dies der felten und gaben schließlich auf.“ er heute. Der Plan für das neue Album einzig richtige Abschuss“, berichtete der Aber nach mehr als zehn Jahren Warte- bestand deshalb einfach darin, sich so weit Flieger Ernst Udet. Und Richthofens Ad- zeit ist es nun so weit, Ende dieses Monats wie möglich von der Vergangenheit zu ent- jutant Karl Bodenschatz schreibt in seinen erscheint tatsächlich die knapp „Third“ fernen. HipHop, Jazz und Soul, das sei al- Kriegserinnerungen: „Eine seiner ersten betitelte neue Portishead-Platte. Elf Songs, les langweilig geworden. Fragen an die Kameraden bei Abschuss- die noch düsterer klingen, als man es von Stattdessen begeistert Barrow sich nun meldungen war: ,Brennend?‘ Die Kampf- diesen Meistern der gepflegten Tristesse für vertrackte Avantgarde-Klänge: Den flieger seines Geschwaders genierten sich ohnehin gewohnt war. Krautrock von Can, die eklektischen Kom- schließlich, wenn sie auf diese Frage mit Ein Warnsignal ist bereits die erste positionen von Moondog oder die schnar- Nein antworten müssen.“ Single namens „Machine Gun“. Dem renden frühen Electro-Rumpel-Lieder von Für ein Heldenepos kommen diese Aus- Titel angemessen, lassen die Portishead- The Human League. sagen etwas ungelegen. So haben sich die Musiker Geoff Barrow und Um vom polierten, Coffeeshop-taug- Macher des „Roten Barons“ offenbar lieber stählern und hektisch die tragenden Elec- lichen Pop vergangener Tag loszukommen, an ein Geständnis von Richthofen selbst tro-Beats knattern, dazu ächzt Sängerin suchte Barrow nach „kalten, irritierenden erinnert: „Schreiben kann ich nämlich , als hätte sie mit allem Irdi- Klängen“. Die hat er auf „Third“ gefun- nicht“, offenbarte er einem Fan im Jahr schen längst abgeschlossen. Die übrigen den. Auf alte Fans will er keine Rücksicht 1917, „ich kann bloß fliegen und schießen zehn Nummern des Albums sind ähnlich nehmen. „Wer davon träumt, dass wir die und so’n bisschen was quasseln, wie mir Ideen vergangener Zeiten aufwärmen, der Schnabel gewachsen ist.“ Martin Wolf * Beth Gibbons, Geoff Barrow, Adrian Utley. kann ewig warten.“ Christoph Dallach

174 der spiegel 15/2008