Historischer Atlas 3, 3 Von Baden-Württemberg
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HISTORISCHER ATLAS 3, 3 VON BADEN-WÜRTTEMBERG Erläuterungen Beiwort zur Karte 3,3 Die militärische Besitznahme durch die Römer von PHILIPP FILTZINGER I. Historischer Überblick Germaniens bis zur Elbe (Offensive der Rheinarmee 12 v. Chr.). – Unterwerfung der Markomannen in Die römische Reichsgrenze (limes) zwischen Rhein Böhmen. – Köln / oppidum Ubiorum sollte Hauptstadt und Donau war im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. eine der Provincia Germania magna werden. aus Palisade, Graben und Wall, resp. Mauer, 900 Wachttürmen und mehr als 60 Kastellen bestehende Oberschwaben wird römisch 548 km lange Befestigungsanlage. Was veranlaßte die Im Sommer des Jahres 15 v.Chr. besiegten die bei- römische Heeresleitung, mitten im Mainhardter-, den kaiserlichen Adoptivsöhne Drusus und Tiberius 45 Murrhardter-, Welzheimer Wald, im Remstal, an Ko- Alpenstämme, u.a. die in den Alpen und im Alpenvor- cher und Jagst Truppen zum Schutze des – nach den land, in Oberschwaben und Bayern wohnenden Räter Provinzen Obergermanien und Rätien benannten – und Vindeliker. Gleichzeitig besetzten römische Trup- obergermanisch-rätischen Limes (ORL) zu statio- pen das mit Rom befreundete Königreich Noricum nieren? (Österreich) friedlich bis zur Donau. Die Inschrift des Die Linienführung der Reichsgrenze mitten durch im Jahre 7/6 v.Chr. bei La Turbie oberhalb Monaco zu Südwestdeutschland war das Ergebnis langwieriger Ehren des Kaisers Augustus errichteten Siegesdenk- Auseinandersetzungen mit den Germanen. Wohl hatte mals (tropaeum Alpium), dessen Ruine erhalten ist, C. Julius Caesar mit der Eroberung Galliens (58–50 v. nennt die Namen von 45 Alpenstämmen, die ›vom Chr.) die Nordgrenze des Imperiums bis zur Nordsee oberen Meer (Tyrrhenischen Meer) bis zum unteren vorgeschoben – aber damals waren im Norden Italiens Meer (Adria) unter Führung und Planung‹ des Augus- noch nicht einmal die Alpen römisch: Die Regelung tus unterworfen wurden. Die Straßenverbindungen der Nordgrenze des römischen Großstaates wurde zu über den Großen und Kleinen St. Bernhard, über die einem Hauptproblem der Kaiserzeit, so daß Tacitus um Bündnerpässe durch das obere Rheintal an den Boden- 100 n. Chr. im Hinblick auf die ersten Kämpfe des see sowie die Verbindungen über den Brenner und Re- römischen Heeres mit den Germanen, den Cimbern schen-Scheideck bildeten die strategischen Vorausset- und Teutonen 113 bis 101 v.Chr., feststellt: ›Seit 210 zungen für die militärischen Operationen des auguste- Jahren . wird nun schon Germanien besiegt‹. ischen Heeres nördlich der Alpen. Römische Funde im Kaiser Augustus (31 v.Chr.–14 n.Chr.) plante die Alpenvorland bezeugen die Anwesenheit römischer Einrichtung einer ›Großgermanischen Provinz‹ (Pro- Truppen während des Räterfeldzuges 15 v.Chr. in vincia Germania magna) mit der Elbe als Nordost- Oberschwaben und Bayern: In Augsburg-Oberhausen grenze und einer Nord-Süd-Verbindung über Böhmen kamen beim Kiesabbau Tausende von Waffen, Werk- und Mähren zur mittleren Donau nach Pannonien (Ge- zeugen und Ausrüstungsgegenstände von Legionssol- biet um den Plattensee mit den Flüssen Drau und daten sowie Pferdegeschirrteile, Keramik und über 400 Save). Die augusteische Konzeption war ein Stufen- Münzen zum Vorschein. In einer Kiesgrube bei Dang- plan: 1. Unterwerfung der Alpenvölker und Sicherung stetten, Kr. Waldshut hat das Landesdenkmalamt ein der Alpenpässe als Voraussetzung der Operationen in Legionslager aus der Zeit des Räterfeldzuges entdeckt Germanien. – Gleichzeitige Besitzergreifung Noricums und ausgegraben – ein Holzerdelager, als dessen Besat- (Österreichs, 15 v. Chr.) und Pannoniens (14–12 v. zung die 19. Legion bezeugt ist Chr.). – 2. Besetzung 1 3,3 PH. FILTZINGER / DIE MILITÄRISCHE BESITZNAHME DURCH DIE RÖMER und das nach den Münzfunden bis 9 v.Chr. besetzt war. Alpenrandstraße nach Rätien und Noricum schützten Verglichen mit dem gleichzeitigen Legionslager Xanten Militärposten (146–150), die dem Legatus legionis in / Vetera Castra am Niederrhein – dem Ausgangspunkt Vindonissa unterstanden. Es dauerte noch drei Jahr- der römischen Expeditionen entlang der Lippe in das zehnte, bis Oberschwaben und Bayern eine zivile Innere Germaniens (Legionslager: Holsterhausen, Hal- römische Verwaltung erhielten. tern, Oberaden u.a.) – hat man auch von Dangstetten aus mit militärischen Operationen nach Norden durch das Donaulimes Wutachtal ins Neckartal zu rechnen. Allerdings erwähnt Sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Pro- kein Schriftsteller diese mutmaßlichen Expeditionen – vinzgründung Rätiens (Raetia et Vindelicia et Vallis wir müssen sie anhand von Funden rekonstruieren. Poenina) ließ in claudischer Zeit der in der Provinz- Das von Drusus und Tiberius im Jahre 15 v.Chr. hauptstadt Augsburg / Augusta Vindelicum residierende unterworfene Rätien und Vindelikien, die Alpen und das Statthalter (procurator) – dem nun die Truppen Rätiens Alpenvorland, unterstand der Militärverwaltung; der unterstanden – an der Nordgrenze seiner Provinz zum Kommandeur der bei Augsburg-Oberhausen lagernden Schutze der zum oberen Heer führenden Donaustraße Legionen war zugleich Statthalter von Oberschwaben Kastelle anlegen (Donaulimes: 62 a. 155–165. 167). und Bayern: legatus Augusti pro praetore in Vindolicis. Von Kastell Hüfingen gab es mit großer Wahrschein- lichkeit eine Straßenverbindung – mag es ein Natur- Der Rhein wird Reichsgrenze weg, ein Saumpfad gewesen sein, der wahrscheinlich Die zweite Phase des augusteischen Planes: die Er- nicht erst seit römischer Zeit existierte – über den oberung Germaniens bis zur Elbe – scheiterte. Tiberius Schwarzwald zu dem gleichzeitigen Kastell Riegel am konnte zwar nach seiner Rückkehr aus der Verbannung Kaiserstuhl; von Kastell Riegel führte eine ausgebaute in Rhodos in den Jahren 4 und 5 n.Chr. die Eroberungen Straße nördlich am Kaiserstuhl vorbei, überquerte den seines 9 v.Chr. verstorbenen Bruders Drusus in Germa- Rhein oberhalb des Kastells Sasbach und mündete in nien festigen; auch hatte die großgermanische Provinz der Gegend von Markolsheim in die römische Rhein- bis zur Elbe (Provincia Germania magna) mit der Ara talstraße. Den Verkehr auf der Rheintalstraße über- Ubiorum (Altar der Ubier) in der Provinzhauptstadt wachten die Besatzungen von Auxiliarkastellen (128. Köln / oppidum Ubiorum einen geistigen Mittelpunkt 130 bis 135. 135. 136. 140. 144): Die Provinzhaupt- erhalten; aber ein brutaler Aufstand in Pannonien stadt Augsburg / Augusta Vindelicum hatte über die vereitelte alle weiteren Pläne für die endgültige Donaustraße und die Rheintalstraße Verbindung zu den Einrichtung der Provincia Germania magna. Tiberius Kommandozentralen des oberen und unteren Heeres: mußte seine Legionen in Eilmärschen von Germanien Mainz / Mogontiacum und Köln / Colonia Claudia Ara auf den Balkan führen, wo ihn die Aufständischen in Agrippinensium. Nach dem Verlust des rechtsrheini- Ungarn und Kroatien drei Jahre lang in einen heim- schen Germanien war jedoch eine kürzere Straßenver- tückischen Partisanenkrieg verwickelten. Als er schließ- bindung vom Rhein zur Donau notwendig geworden. lich den Aufstand niedergeschlagen hatte, erreichte ihn Das zeigte sich während des Bataveraufstandes. die Nachricht von der Revolte der germanischen Römische Kastelle am oberen Neckar und auf der Stämme: Arminius hatte im Herbst 9 n.Chr. im Teuto- Schwäbischen Alb burger Wald die gesamte untere Heeresgruppe vernich- tet (3 Legionen, 3 Alen und 6 Kohorten, zusammen Während des Bataveraufstandes 69/70 n.Chr. – als 25000 Soldaten). Das war das Ende der Provincia Ger- Gallien abzufallen drohte und vom rechtzeitigen Ein- mania magna. An dieser Tatsache änderten auch nichts treffen der von Noricum herbeieilenden Verbände der die Feldzüge des Drusus-Sohnes Germanicus in den glückliche Ausgang der Entscheidungsschlacht bei Jahren 14–16 n.Chr. Kaiser Tiberius (14–31 n.Chr.) Trier abhing – in dieser für die Rheinarmee heiklen verzichtete 16 n.Chr. auf alle rechtsrheinischen Erobe- Situation war nachdrücklich deutlich geworden, daß rungen: der Rhein wurde die Nordostgrenze des römi- eine kürzere Straßenverbindung für Truppenverschie- schen Imperiums. Die Rheinarmee – das obere Heer bungen vom Rhein zur Donau unentbehrlich geworden (exercitus superior) und das untere Heer (exercitus war. Kaiser Vespasian (69–79 n.Chr.), der aus seiner inferior) – erhielt den Auftrag, die Rheingrenze zu Straßburger Zeit – er führte als Legionskommandeur schützen. Zur Überwachung der in der Nordschweiz aus die Straßburger Legio II Augusta 43 n.Chr. in den Italien, Gallien und Rätien zusammentreffenden Fern- Britannienfeldzug – das Verkehrsproblem am Ober- verkehrsstraßen stationierte die obere Heeresgruppe 16 rhein bestens kannte, ließ im Jahre 73/74 n.Chr. von n.Chr. eine Legion in Vindonissa, am Zusammenfluß dem Legaten der oberen Heeresgruppe Cn.Pinarius von Aare und Reuß. Der Legionskommandeur von Cornelius Clemens eine Straße ab Argentorate in Vindonissa erhielt seine Weisungen aus Mainz / Raetiam (von Straßburg nach Rätien) bauen und durch Mogontiacum, der Kommandozentrale des oberen Kastelle sichern (Kastelle Nr. 134, 111, 61a, 62, 113, Heeres. Die 114). Zwangsläufig mußte der Procurator Rätiens die Nordgrenze seiner Provinz dem neuen Grenzverlauf östlich des Rheines anpassen 2 PH. FILTZINGER / DIE MILITÄRISCHE BESITZNAHME DURCH DIE RÖMER 3,3 und die Donaukastelle – spätestens um 80 n.Chr. – auf (46 bis 46–51); Kleinkastelle dienten Wachkommandos die Schwäbische Alb vorverlegen (115–117, 66a–c). für ihre verschiedenen Aufgaben als Unterkunft. Die Rottweil / Arae Flaviae wurde Mittelpunkt