10. JAHRGANG · 2016 · HEFT 1

NACHRICHTENBLATT DER DEUTSCHEN LIMESKOMMISSION

Neu entdeckte Lager bei Till • Das Legionslager von Mogontiacum • Neue Erkenntnisse zum Kastell • Blick über die Grenze • Unter Beschuss! Germanischer Angriff auf das Kastell Osterburken Der bei Laimerstadt • Einem Rätsel auf der Spur. Zum Limesverlauf bei Welzheim INHALT/IMPRESSUM Der Limes 10/2016 Heft 1 02 SEITE

INHALT

ERSTE GRABUNGSERGEBNISSE ZU DEN NEU ENTDECKTEN LAGERN BEI TILL Seite 04

DAS LEGIONSLAGER VON MOGONTIACUM Seite 08

NEUE ERKENNTNISSE AUS ALTEN GRABUNGEN: DAS KASTELL SAALBURG Seite 12

DER BLICK ÜBER DIE GRENZE Seite 16

UNTER BESCHUSS! — SPUREN EINES GERMANISCHEN ANGRIFFS AUF DAS Titelbild: Unter Beschuss — Angriff germanischer Krieger auf das KASTELL OSTERBURKEN Seite 22 Kastell Osterburken, virtuelle Rekonstruktion im Archaeoskop. DER LIMES IM HIENHEIMER FORST BEI LAIMERSTADT Seite 26

EINEM RÄTSEL AUF DER SPUR. ZUM LIMESVERLAUF BEI WELZHEIM Seite 31

IM DIENSTE DES KAISERS – ROMS SOLDATEN IM KLEINFORMAT Seite 34

23. INTERNATIONALER LIMESKONGRESS IN INGOLSTADT Seite 36

BUCHTIPPS Seite 38

Herausgeber: Deutsche Limeskommission, Römerkastell Saalburg, 61350 Bad Homburg ViSdP: Geschäftsführerin Dr. Suzana Mateši´c, www.deutsche-limeskommission.de Redaktion: Karen Schmitt, Stuttgart, www.lexis-lektorat.de Gestaltung: Christian Hölzl, Johanna Hermenau; HUND B. communication, München, www.hundb.com Druck: Eder Druck GmbH, Dachau, www.ederdruck.de

© 2016 by Deutsche Limeskommission

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Deutschen Limeskommission unzulässig. Titel: Römermuseum Osterburken/D. Rothacher, archaeoskop, Freiburg. – 5: J. Englert, artemus GmbH. – 6: J. Vogel, LVR-LMB. – 7: B. Song, Universität Bochum. – 8: Stadtarchiv . – 9: Datengrundlage Festung Stadtarchiv Mainz/Bearbeitung D. Burger. – 10: Digitales Geländemodell GeoBasis-DE/BKG 2016, Bearbeitung D. Burger. – 11 o: Kartengrundlage Baatz 1962, Taf. 2. – 11 Mitte: GDKE Landesarchäologie Mainz. – 11 u: D. Burger, RGK. – 13 li: Römerkastell Saalburg, C. Rothenberger. – 13 re, 14 li, 15 u re: C. Moneta, Mainz. – 14 li: Saalburg-Archiv, Nr. FG 020.030,015. – 15 o li: Saalburg-Archiv, Nr. SA 39,40. – 15 o re: Römerkastell Saalburg. – 16/17: Landesamt für Denkmalpfl ege und Archäologie Sachsen-Anhalt, J. Lipták. – 18: Aus: S. Schwarzländer, Römisches im germanischen Haus. AiD 2004, Heft 1, 43; Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpfl ege und Archäologie. – 19 o: S. Suhr, Landesamt für Denkmalpfl ege und Archäologie Mecklenburg-Vorpommern. – 19 u, 21 o: H.-U. Voß, RGK. – 20: Aus: H.-U. Voß, Fremd, nützlich, machbar. Römische Einfl üsse im germanischen Feinschmiedehandwerk. In: S. Brather (Hrsg.), Zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Archäologie des 4. bis 7. Jahrhunderts im Westen. RGA Ergänzungsbd. 57 (Berlin, New York 2008) 343–365. – 21 u: Aus: K. Frank, Römisches Militär in germanischen Gräbern im Vorfeld des Niedergermanischen Limes? In: P. Henrich (Hrsg.), Der Limes vom Niederrhein bis an die Donau. Beiträge zum Welterbe Limes 6 (Stuttgart 2012) 8–19 Abb. 2. – 22, 24: Römermuseum Osterburken/D. Rothacher, archaeoskop, Freiburg. – 25 u re: Römermuseum Osterburken, J. Scheuerbrandt. – 25 u li: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, M. Schreiner. – 26/27: BLfD. – 27 re, 30: A. Heising, Universität Freiburg. – 28: A. Schafl itzl, Ingolstadt. – 29: Fa. ADA Archäologie, Wei- ßenburg. – 31, 32: Landesamt für Denkmalpfl ege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD), C. Nübold/M. Meyer. – 33: LAD, M. Meyer. – 34/35: Th. Kurtz, www.mules-of-marius.com. – 37 1. Reihe, 2. Reihe re, 3. Reihe li u. Mitte, 4. Reihe re: S. Sulk, DLK. – 37 2. Reihe li: J. Dannenberg, Mittelbayrische Zeitung. – 37 3. Reihe re: C. S. Sommer, BLfD. – 37 4. Reihe li: L. Böhres-Rübeling, DLK. Der Limes 10/2016 Heft 1 EDITORIAL SEITE 03

Liebe Leserin, lieber Leser,

Unser Titelbild „Unter Beschuss!“ zeigt den Angriff „Nahe“ und „ferne“ Zwei Beiträge setzen sich mit neuesten Erkenntnis- von Germanen auf das Kastell Osterburken und Germanen sen zum Limes selbst auseinander. Die Ausgrabun- wirft damit ein Schlaglicht auf eine Zeit, als der Blick über die Grenze gen am Limes im Hienheimer Forst deckten einen Seite 16 Limes nicht mehr nur eine Demarkationslinie wäh- Abschnitt der „Grenze wie sie im Buche steht“ auf. rend einer weitestgehend konfl iktfreien Ära bilde- Ein weiterer Artikel veranschaulicht dagegen auf te, sondern als tatsächlich sein fortifi katorischer eindrückliche Weise, dass nach wie vor der Limes Charakter gefordert war. Außerdem betreten wir nicht überall im Detail bekannt ist und überra- passend zu diesem Thema auch ein wenig Neuland: schende Grabungsbefunde ein anderes Bild zeich- Wir wagen den „Blick über die Grenze“ und werden nen als die Publikationen der Reichs-Limeskommis- im Rahmen dieser neuen Beitragskategorie nach sion, wie ein neuer „Limesknick bei Welzheim“ und nach erkunden, was sich auf der anderen Seite beweist. des Limes abgespielt hat. Dass es „die Germanen“ Neue Erkenntnisse aus alten In den Buchtipps stellen wir Ihnen wieder aktuelle als einheitliches Volk nicht gab ist altbekannt, aber Grabungen: das Kastell Publikationen rund um das Thema Limes und römi- Saalburg wie das Verhältnis der einzelnen Gruppen zum Rö- sches Militär vor und möchten auch nicht versäu- Forschung mischen Reich sich in den materiellen Hinterlassen- men, Sie im Rahmen unserer Veranstaltungshin- Seite 12 schaften widerspiegelt, dem wollen wir in den kom- weise zu einem Besuch der Ausstellung „Im menden Heften nachspüren. Dienste des Kaisers — Roms Soldaten im Kleinfor- Außerdem präsentieren die Beiträge dieses Heftes mat“ anzuregen, die in den Museen in Aalen, Oster- wieder ein breites Spektrum neuer Erkenntnisse, burken und Ruffenhofen die Truppen Roms bei ver- sowohl zum Limes selbst wie auch zu ausgewählten schiedensten Aktionen zeigt und ein lebendiges Kastellen. Besonders spannend wird es, wenn neue Unter Beschuss! — Spuren Bild der militärischen Realität der Antike vermittelt. Lager entdeckt werden und erste Grabungsergeb- eines germanischen Angriffs Hierbei und bei der Lektüre dieses Heftes wünsche nisse vorliegen, wie im Beitrag zu dem neu ent- auf das Kastell Osterburken ich Ihnen viel Spaß. Denkmalvermittlung deckten Lager bei Till, Kapitelshof. Aber auch die Seite 22 erneute Beschäftigung mit Altbekanntem und vor langer Zeit Ausgegrabenem erbringt immer wieder Dr. Suzana Matešic´ neue interessante Ergebnisse, so auch die beiden Geschäftsführerin der Artikel zum Legionslager von Mainz und dem Kas- Deutschen Limeskommission tell Saalburg.

Im Dienste des Kaisers — Roms Soldaten im Kleinformat Ausstellung Seite 36 NIEDERGERMANISCHER LIMES Der Limes 10/2016 Heft 1 04 SEITE

BEFESTIGUNGEN AUS DER ZEIT DES BATAVERAUFSTANDS? ERSTE GRABUNGSERGEBNISSE ZU DEN NEU ENTDECKTEN LAGERN BEI TILL

In den letzten Jahren wurden dank geomagnetischer und Luftbildprospektion vermehrt bislang unbekannte römische Lager lokalisiert. In diesem Zusammenhang gelang auch die Entdeckung zweier Lager bei Till im Kreis Kleve, deren Untersuchung spannende neue Erkenntnisse zur römischen Militärpräsenz am Niedergermanischen Limes ermöglicht. VON JOHANNES ENGLERT UND STEVE BÖDECKER

Nijmegen Xanten Neuss

Bonn Bei Till, Gemeinde Bedburg-Hau im Kreis Kleve, ERGEBNISSE DER GRABUNG:

Mainz wurde in den letzten zwei Jahren im Bereich des LAGER A BEIM KAPITELSHOF Till Kapitelshofes, nur unweit des am benachbarten Zwei Grabungsmaßnahmen durch die Firma arte- Steincheshof gelegenen Hilfstruppenkastells, ein mus sollten zunächst den Charakter des ursprüng- großes römisches Lager erkundet. Luftbildbefunde lich entdeckten Lagers („Lager A“) klären. Ein erster und eine Magnetometerprospektion der Universi- Sondageschnitt hatte zum Ziel, den im Magneto- tät zu Köln hatten erste Hinweise auf ein mindes- gramm wie auch im Luftbild nur undeutlich wie- tens 9 ha großes Lager mit zwei erkennbaren La- dergegebenen Bereich an der Mittelachse der nach gergräben geliefert. Im Inneren des Lagerareals Südosten gewandten Schmalseite zu erkunden, wo deuteten zahlreiche Grubenstrukturen und eine das Lagertor vermutet wurde. Ein zweiter Schnitt mögliche Lagerstraße in der Längsachse der Anla- war zur Klärung des möglichen Straßenbefundes ge auf eine intensive Nutzung hin. Die zwei Lager- vorgesehen. gräben sowie Straßenbefunde ließen weniger auf Im Torbereich gaben sich unter einer bis zu 0,7 m ein Marschlager (castra aestiva) als eher auf das mächtigen Auftragsschicht in ca. 1 m Tiefe die bei- Winterlager (castra hiberna) eines größeren Trup- den Lagergräben als Spitzgräben von etwa 0,8 m penverbandes schließen. Tiefe zu erkennen. Hier prägte offenbar bis min- destens in die römische Kaiserzeit die Senke einer PROSPEKTION MIT ÜBERRASCHUNGEN eiszeitlichen Rinne das Geländerelief, das heute Dank eines Sonderforschungsprogramms des Mi- weitgehend eben wirkt. nisteriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung Auf der Grabensohle des äußeren Lagergrabens und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen zur konnten Holzkohlereste geborgen werden, die mit- Denkmälerqualifi zierung potenzieller UNESCO- tels 14C-Analyse auf ca. 101 ± 25 n. Chr. datiert wur- Welterbeelemente am Niedergermanischen Limes den. Mit der Grabung sollten in diesem Bereich konnten 2015 die Untersuchungen zu diesem Bo- auch gezielt zwei in der Magnetometerprospektion dendenkmal intensiviert werden. Dabei sollten die von 2014 entdeckte Grubenbefunde untersucht römische Datierung überprüft, die Ausdehnung werden, die parallel hinter der Flucht der Lagergrä- geklärt und erste Einschätzungen zum Erhaltungs- ben erkannt worden waren und daher für weitere zustand der Befunde ermittelt werden. Dazu wur- Befunde im Zusammenhang mit dem Lager spra- den die Magnetometerprospektionen durch die chen. Diese erwiesen sich in der Sondage als römi- Firma Terrana Geophysik großfl ächig erweitert so- sche Öfen mit vorgelagerten Bediengruben und wie die Luftbildprospektion mit Baoquan Song von können offenbar der Nutzungsphase des Lagers zu- der Universität Bochum intensiviert. Überraschen- gerechnet werden. derweise zeigte sich, dass in diesem Areal mehrere Die vermutete Torsituation bestätigte sich in Form Lager in einer noch unbekannten Reihenfolge einer inneren clavicula, d. h. der innere Lagergra- nacheinander angelegt worden waren. ben wurde hier viertelkreisförmig nach innen Der Limes 10/2016 Heft 1 SEITE 05

 Till, Westrich-Hof. Profi l des vierten Grabens von Lager B mit drei Erneuerungsphasen.

ƒ Till, Kapitelshof. Die Öfen zwischen den beiden Lagergräben von Lager A im Grabungsbefund. NIEDERGERMANISCHER LIMES Der Limes 10/2016 Heft 1 06 SEITE

„ Till, Kapitelshof. Die dolabra war die typische Pionieraxt der römischen Armee und diente sowohl für Holz- wie für Erdarbeiten.

gezogen. Diese Torform gilt als ein typisches Ele- sich als Spitzgräben mit bis zu drei Erneuerungs- ment von Marschlagern und tritt bei Standlagern phasen, d. h. man hatte die Gräben noch während äußerst selten und vermutlich nur dort auf, wo die- der Lagernutzung verfüllt und an fast gleicher Stel- se direkt aus einem Marschlager hervorgingen. Un- le erneut angelegt. Der sandige Boden der Nieder- mittelbar an der Grabenspitze des inneren Lager- terrasse, in den die Lagergräben in römischer Zeit grabens setzte ein weiterer Graben an, der in sei- eingetieft werden mussten, bot offenbar nur wenig nem Verlauf mit dem im Luftbild vermuteten Stabilität. Damit konnte auch für Lager B eine län- Straßenbefund in der Längsachse des Lagers über- gere Nutzungsdauer belegt werden. Funde aus einstimmt. Gruben zwischen den Lagergräben deuten auf Ak- Der Straßenbefund konnte dann 100 m weiter im tivitäten im 1. Jahrhundert hin, deren Zusammen- Inneren des Lagers durch einen schmalen Sondage- hang mit dem Lager aber noch nicht feststeht. Der schnitt geklärt werden. Das 6 m breite Kiespaket Torbereich war hier nicht, wie bei Lager A, als des Straßendamms wurde an der westlichen Seite clavicula ausgebildet, sondern die beiden inneren von einem ca. 1,2 m tiefen, als Spitzgraben ausge- Gräben weisen eine einfache Unterbrechung für führten Straßengraben begleitet. Eine Holzkohle- den Tordurchgang von etwa 10 m Breite auf. Unmit- probe lieferte ein 14C-Datum, das auf eine Verfül- telbar hinter dem inneren Lagergraben konnte in lung ebenfalls im späten 1. bis frühen 2. Jahrhun- der Grabung und der Magnetometerprospektion dert hindeutet. der Pfostengraben einer Holz-Erde-Mauer nachge- Aus dem Ackerhorizont unmittelbar vor dem Gra- wiesen werden. Im Bereich der Grabenunterbre- bungsschnitt konnte eine vorzüglich erhaltene chung weisen zwei Pfostengruben von bis zu 2,5 m dolabra, die typische Pionieraxt der römischen Ar- Durchmesser auf die mächtige Torkonstruktion mee, geborgen werden. Sie wirft ein besonderes hin. Diese wurde mit Rücksicht auf die Befunder- Schlaglicht auf die Schanztätigkeiten der römi- haltung und die Nutzung als Gartenareal jedoch schen Truppe an diesem Ort. nicht weiter verfolgt.

LAGER B BEIM WESTRICH-HOF DEUTUNGSANSÄTZE Im Bereich des westlich benachbarten Westrich- Die Grabungen erbrachten insgesamt den Nach- Hofes konnte durch Luftbilder und Magnetometer- weis für die Errichtung zweier römischer Lager in prospektion ein weiteres Lager („Lager B“) mit einer der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts oder zu Be- Ausdehnung von ca. 360 m × 500 m dokumentiert ginn des 2. Jahrhunderts. Vor allem die mit vier bis werden, das mit vier bis fünf Lagergräben unge- fünf Lagergräben im Rheinland einzigartig starke wöhnlich stark befestigt war. Während sich vor al- Befestigung von Lager B – gewöhnlich weisen die lem die Lagerecken der nach Südwesten orientier- Standlager am Rhein nur ein bis zwei Lagergräben LITERATUR ten Schmalseite des Lagers deutlich abzeichneten, auf – lassen vermuten, dass die hier lagernde Trup- gab sich hier – wie bei Lager A – der eigentliche Tor- pe auf eine besondere Bedrohungssituation re- St. Bödecker/S. Held/E. Rung, Ein bereich weder im Luftbild noch im Magnetogramm agierte. temporäres Legionslager bei Till, zu erkennen. Hier konnte in einer zweiten Gra- Da die Standlager der drei bis vier Legionen Kapitelshof? Archäologie im bungskampagne gezielt die errechnete Torsituati- des niedergermanischen Heeres in Bonna/Bonn, Rheinland 2014, 98–101. on untersucht werden. Die Lagergräben zeigten Novaesium/Neuss, Vetera/Xanten und Batavodurum Der Limes 10/2016 Heft 1 SEITE 07

 bzw. Noviomagus/Nijmegen in dem fraglichen Zeit- meist mit Rindern (Stadtkreis Kleve) gleichgesetzt. Till, Westrich-Hof. Im Luftbild raum gut bekannt sind, wirft die Entdeckung dieses Es scheint nun jedoch auch möglich, dass die um- zeigt sich die spielkartenförmig Standortes Fragen nach der historischen Einord- fangreichen Lagerspuren im Umfeld des Kapitels- abgerundete Südwestecke des nung auf. Für die Zeit der Niederschlagung des Ba- hofes und des Westrich-Hofes mit diesen Ereignis- Lagers B mit ihren zahlreichen taveraufstandes in den Jahren 70 und 71 n. Chr. ist sen in Verbindung stehen. Lagergräben. die genaue Stationierung der aus anderen Provin- Für die Lager bei Till sollen daher 2016 weitere Un- zen herangezogenen Legionen allerdings nur lü- tersuchungen folgen, um die Geschichte dieses fa- ckenhaft überliefert. Die vormaligen Legionslager cettenreichen Bodendenkmals am Niedergermani- waren von den Aufständischen niedergebrannt schen Limes weiter zu erhellen. worden, zudem verfügte der niedergermanische Den Eigentümern und Pächtern der untersuchten Statthalter für diese außergewöhnliche Situation Flächen gilt an dieser Stelle unser besonderer Dank kurzfristig über fünf statt vier Legionen. So muss- für die Unterstützung. ten die in diesen Kämpfen eingesetzten Legionen zunächst eigene Lager errichten, über deren ar- chäologische Spuren wir noch kaum Kenntnis be- sitzen. Von Tacitus erfahren wir dabei von einem Johannes Englert M.A. vorher als Legionsstandort nicht bekannten Platz artemus GmbH, Frechen namens Arenacum, an dem die aus Spanien beor- [email protected] derte 10. Legion im Jahr 70 n. Chr. ihr Winterlager bezogen und bei einem Angriff der Bataver den Steve Bödecker M.A. Verlust einiger hochrangiger Offi ziere, darunter LVR-Amt für Bodendenkmalpfl ege im Rheinland sogar der Lagerkommandant (praefectus castro- Bonn rum), zu beklagen hatte. Bislang wurde dieser Ort [email protected] FORSCHUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 08 SEITE

TRUPPENSTANDORT UND FESTUNGSSTADT MAINZ DAS LEGIONSLAGER VON MOGONTIACUM

Das Legionslager von Mogontiacum/Mainz war fast 400 Jahre lang einer der wichtigsten Militärstandorte am Rhein. Die dort stationierten Truppen waren vor allem im 1. Jahrhundert n. Chr. mehrfach an Ereignissen von reichsweiter Bedeutung beteiligt. Im Rahmen einer Doktorarbeit an der Universität Freiburg werden jetzt erstmals alle Befund- beobachtungen in einem digitalen Befundkataster erfasst sowie eine Neuauswertung der verschiedenen Lagerum- wehrungen vorgenommen. VON DANIEL BURGER

Mainz Der Bewohner von Mainz darf sich nicht verbergen, Regensburg dass er für ewige Zeiten einen Kriegsposten be- Straßburg wohnt: alte und neue Ruinen erinnern ihn daran

Mainz (J. W. Goethe, 1816).

400 JAHRE LEGIONSLAGER Erwähnt wird das Mainzer Lager erstmals im Zu- sammenhang mit den Germanienfeldzügen unter Drusus (13/12–9 v. Chr.) als castra hiberna, also als Winterlager für die im rechtsrheinischen Germani- en operierenden Militäreinheiten. Auch wenn für die logistische Herausforderung dieser groß ange- legten Feldzüge ein früherer Beginn – wie auf dem Hunnerberg bei Nijmegen am Niederrhein mit 19/16 v. Chr. – zunächst logisch erscheint, erlaubt das archäologische Material bisher keine Verschie- bung der Anfangsdatierung des Mainzer Lagers. „ Lediglich ein singuläres Dendrodatum von 17 Der erste Plan von Pater v. Chr. aus dem Bereich der späteren zivilen Lager- J. Fuchs aus dem Jahr 1771. Viele vorstadt könnte für eine frühere Anwesenheit von Baubefunde wurden damals für Pioniereinheiten sprechen. Überreste des Legionslagers ge- Mit ca. 35–36 ha wurde das Mainzer Lager von An- Dieser frühen Umwehrung können zum jetzigen halten, weshalb der Grundriss fang an als Zweilegionenlager und somit als eine Stand der Bearbeitung zwei Wehrgräben zugewie- weit über das Mainzer Stadtge- der Operationsbasen der rechtsrheinischen Feldzü- sen werden, die jedoch nicht zeitgleich in Benut- biet hinausreicht. Außerdem ge errichtet. Es liegt strategisch günstig auf einer zung waren. Für die Holz-Erde-Phase sind außer ei- ging Pater Fuchs von einem ver- Spornlage gegenüber der Mainmündung, von der nigen frühaugusteischen Gruben, Back- und Töp- änderten Rheinverlauf aus, der aus die gesamte Rhein-Main-Niederung kontrol- feröfen sowie Teilgrundrissen von Baracken keine nach seinen Vorstellungen durch liert werden konnte. Das Plateau erhebt sich 40 m weiteren sicher einzuordnenden Strukturen der das Gebiet der heutigen Altstadt über den Rhein und ist durch ein tiefes Bachtal un- Innenbebauung bekannt. gefl ossen ist. terteilt, wodurch das Lager an drei Seiten durch Bis in die Jahre 92/97 n. Chr. sind insgesamt sieben Steilhänge geschützt ist. Der Standort des Mainzer Legionsverbände sowie verschiedene Auxiliar- Lagers bot damit ähnliche Voraussetzungen wie je- truppen nachgewiesen. Zusätzlich gibt es Belege ner der gegenüber der Lippemündung errichteten für mindestens drei weitere kurzfristig stationierte Vetera castra bei Xanten. In beiden Fällen diente Legionseinheiten. Weitere Verbände waren in dem der Fluss als strategische Einfallsroute in die rechts- wesentlich kleineren, nur 3,5 km rheinaufwärts ge- rheinischen Gebiete. legenen Weisenauer Auxiliarlager untergebracht. Die frühe Lagerumwehrung bestand aus einer Damit konzentrierten sich teilweise bis zu 20 000 Holz-Erde-Mauer, die mehrfach erneuert wurde. Soldaten im Mainzer Raum. Steinmetzzeichen der Der Limes 10/2016 Heft 1 SEITE 09

ab c d

0 100 200 300 m

 legio I Adiutrix (in Mainz stationiert zwischen 70 gegeben. Somit gehört Mainz zusammen mit Bonn Das Gebiet des Legionslagers und 86) auf Steinquadern, die der Lagermauer zuge- zu den am längsten belegten Truppenlagern am war bis zum Bau der barocken rechnet werden, deuten einen Ausbau des Lagers Rhein. Festung größtenteils unbebaut. unter Vespasian (69–79) an. Das Fundmaterial aus Der Kästrichhang (dunkelbraune den Wehrgräben unterstützt zum jetzigen Zeit- 1900 JAHRE MILITÄRISCHE Fläche) wurde bis ins 19. Jh. als punkt diese Annahme weitgehend. Der steinernen KONTINUITÄT Weinberg genutzt. Umwehrung können mindestens vier Spitzgräben Die zweite römische Stadtmauer verlief strategisch Bau der zweiten Mainzer Stadt- unterschiedlicher Zeitstellung zugewiesen wer- günstig auf einer 120 m-Höhenlinie quer über das mauer um 375 (a); Westumweh- den. Bis auf eine Vorverlegung an der nordwestli- ehemalige Lagergelände, dessen größter Teil von rung der Mainzer Festung: um chen Ecke noch während der Holz-Erde-Phase lässt da an im Vorfeld der Stadtbesiedlung lag. In der 1450 (b), um 1620 (c), um 1866 (d). sich bis jetzt keine Verschiebung der Lagerum- Flucht der ehemaligen via praetoria wurde ein grenzung sicher belegen. Zum jetzigen Bearbei- Stadttor des Typs Andernach mit Torwangen aus tungsstand könnte sich aber an der West- sowie an gegenüberliegenden T-förmigen Querzügen errich- der Nordumwehrung eine Verlegung der Lager- tet, auf denen sich jeweils ein Torturm erhob. Der front andeuten. westliche Stadtzugang erfolgte somit durch die Ru- In der Folge des Saturninus-Aufstandes wurden die inen des ehemaligen Legionslagers. Die nachfol- Mainzer Truppenverbände spätestens 92/97 auf genden mittelalterlichen Stadtbefestigungen orien- eine Legion reduziert. Als zukünftige Hauslegion tierten sich zumindest an dieser Seite weitgehend verblieb die legio XXII Primigenia im am Verlauf der römischen Stadtmauer. Sie wurden Mainzer Lager. Auf den dadurch freigewordenen jedoch durch die neuen Anforderungen der stetig Flächen dürften auch die Lagerthermen entstan- effektiver werdenden Belagerungstechnik immer den sein, bis heute das einzige Gebäude des Lagers, weiter auf das ehemalige römische Lagergebiet dessen Grundriss vollständig bekannt ist. Spätes- vorgeschoben, dessen größter Teil dennoch bis zur tens zu dieser Zeit war Mainz Hauptsitz der Zivil- Barockzeit unbebaut blieb. Erst mit der Ernennung verwaltung der Provinz Germania superior und zur Bundesfestung im 19. Jahrhundert kam es zu ei- zählte mit der Errichtung des rechtsrheinischen Li- nem massiven Ausbau der Mainzer Militäranlagen, mes am Anfang des 2. Jahrhunderts zum Limeshin- wobei das gesamte Gelände des ehemaligen Legi- terland. onslagers mit tiefgreifenden Fundamentierungen Den Status einer direkten Grenzstadt erhielt Mainz sowie Schanzwerken überprägt wurde. Diese fes- erst wieder mit der Aufgabe der Limesgebiete in tungszeitlichen Überlagerungen erschweren bis der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts. Diesem Er- heute die Befundinterpretationen und führten zu eignis ging der Bau der ersten Mainzer Stadtmauer einem erheblichen Verlust der antiken Bausub- um die Mitte des Jahrhunderts voraus, die das Legi- stanz. Regelhaft lässt sich feststellen, dass die Be- onslager zangenartig auf drei Seiten umschloss – funde ab der Mitte des 3. Jahrhunderts dem Fes- bisher ein Sonderfall im gesamten Imperium. In tungsbau vollständig zum Opfer fi elen und nur der Spätantike, möglicherweise in konstantini- noch in tieferen Strukturen wie Kellern, Gruben scher Zeit, lassen sich die an den Rheinlagern vor- und Wehrgräben festgestellt werden können. Erst genommenen Veränderungen der Militärarchitek- mit der allmählichen Aufgabe der Befestigungsan- tur in Form von Mauervorblendungen auch in lagen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Mainz feststellen; sie sind als Reaktion auf neue mi- und schließlich mit der endgültigen Schleifung der litärische Herausforderungen zu verstehen. Festung nach dem Ersten Weltkrieg konnten groß- Im Zuge innerrömischer Konfl ikte wurde die fl ächige archäologische Untersuchungen durchge- Mainzer Legion 351 bei Mursa in der Provinz Pan- führt werden. nonien (heute Osijek in Kroatien) vollständig aufge- rieben. Ob Restverbände im Mainzer Lager verblie- 380 JAHRE FORSCHUNGSGESCHICHTE ben oder in den später gegründeten milites Die ersten Aufzeichnungen über noch sichtbares Armigeri, einer abgespaltenen Abteilung des spät- römisches Mauerwerk gehen in Mainz bis in das antiken Bewegungsheeres, aufgingen, ist unklar. Jahr 1632 zurück. Bereits 1771 wurde von Pater J. Das Legionslager wurde spätestens mit der Errich- Fuchs der erste Grundrissplan mit einer ausführli- tung der zweiten Mainzer Stadtmauer um 370 auf- chen Abhandlung vorgelegt. Erst mit der Aufl as- Legende 6 65 80 5 95 120 m üNN FORSCHUNG 10 SEITE

1 4 3 2

sung des Festungsgeländes begannen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge von Bauerschließun- gen erste größere Ausgrabungen. Am sogenannten Kästrichhang, der seit der Antike weitgehend un- bebaut geblieben war, wurden 1855 die Praetorial- 0 500 1000 m 7 front, möglicherweise der Durchlass für die porta N praetoria, Reste eines Torturms sowie der Grund- LITERATUR riss eines Speicherbaus festgestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts ist mit dem Thermengebäude im Be-  reich des festungszeitlichen Glacis der bis heute Topographische Situation von Mainz. D. Baatz, Mogontiacum. einzige vollständige Grundriss aus der Innenbe- 1 Legionslager, Neue Untersuchungen am bauung freigelegt worden. Die Bautätigkeiten für 2 Bühnentheater, römischen Legionslager in das städtische Krankenhaus, heute zur Universi- 3 Kenotaph des Drusus (Drususstein), Mainz. Limesforschungen 4 tätsmedizin Mainz gehörig, führten 1910 zu groß- 4 Zitadelle und heutiger Bahntunnel, (Berlin 1962). fl ächigen Geländeöffnungen, bei denen zahlreiche 5 römische Rheinbrücke, Baubefunde des Legionslagers sowie der zivilen La- 6 castellum Mattiacorum (Brückenkopf Mainz-Kastell), D. Burger, Adlerkopf und gervorstadt zutage traten, allerdings große Areale 7 Kastell von Weisenau (durch den Herkuleskeule. Zwei fi gür- auch unbeobachtet abgetragen wurden. G. Behrens modernen Steinbruch weitgehend abgetragen). liche Messergriffe aus dem und E. Brenner gelang es damals, die Reste der Mainzer Legionslager. rückwärtigen Umwehrung sowie einen Torturm Berichte zur Archäologie der porta decumana nachzuweisen. in Rheinhessen und Umge- Grundlegend für das Verständnis des Mainzer Le- wissenschaftlichen Aufarbeitung des Legionslagers bung 7, 2014, 31–49. gionslagers ist bis heute die Arbeit von D. Baatz aus dar. Damit wird erstmals ein aktueller Gesamtplan dem Jahr 1962. Anhand gezielter Suchschnitte aller Grabungen sowie der Lagerbefunde seit 1962 A. Heising, Die militärischen konnte er die Umwehrung und deren Phasenabfol- vorliegen, die nach den jeweiligen Bedürfnissen Werkstätten (fabricae) des ge an der Südfront klären. Mit der Innenbebauung mit historischen Karten, modernen Katasterplänen Legionslagers von Mogonti- beschäftigte sich zuletzt A. Heising im Zusammen- oder Luftbildern kombiniert werden können. Zu acum/Mainz. In: F. Kemmers hang mit den 2002 ausgegrabenen fabricae in der jedem Befund werden die wichtigsten Informatio- u. a., Lege Artis: Festschrift retentura, die zum ersten Mal einen differenzierten nen als Metadaten hinterlegt. Die Festungsbauten für Hans-Markus von Kaenel Blick in die komplexe Abfolge der Binnenstruktur liegen bereits in dem frei zugänglichen sogenann- (Bonn 2014) 21–38. des Lagers ermöglichen. Baubegleitende Grabun- ten Mainzer Digitalen Häuserbuch vor und können gen seit den 1980er Jahren durch die Direktion Lan- schon jetzt mit dem Plan des Legionslagers in di- R. Knöchlein, AD URBEM, desarchäologie Mainz deckten weitere Befund- rekten Bezug gesetzt werden. Dadurch können Flä- QUAM MOGONTIACUM VETE- strukturen der Umwehrung sowie der Lager- chen mit möglicherweise besser erhaltener antiker RES APPELLARUNT: Vom innenbebauung auf. Vor allem die modernen Un- Bausubstanz lokalisiert bzw. Informationen zum Legionslager Mainz zu den tersuchungen an der Vallation zeigen bereits jetzt Lagebezug römerzeitlicher oder festungszeitlicher Anfängen der Stadt des ein differenzierteres Bild als das bis dato bekannte Baubefunde im Vorfeld einer Grabungsmaßnah- Mittelalters. In: M. Konrad/ nach D. Baatz. Für die Neuuntersuchung der Um- me abgerufen werden. Vergleichbaren Arbeiten zu C. Witschel (Hrsg.), Römische wehrung werden sowohl die Altgrabungen als den ebenfalls stark überbauten Legionslagern von Legionslager in den Rhein- auch die jüngsten Ausgrabungen berücksichtigt, Bonn und Neuss ist dabei eine erstaunliche Neube- und Donauprovinzen. womit insgesamt 21 Fundstellen, verteilt an allen wertung des Flächenverlustes gelungen, die zeigt, Nuclei spätantik-frühmittel- vier Seiten, vorliegen. Damit wird hoffentlich die dass mit wesentlich mehr erhaltener Denkmalsub- alterlichen Lebens Festlegung und Klärung der Lagergrenzen in ihrer stanz zu rechnen ist, als dies bisher angenommen (München 2012) 265–286. Gesamtheit möglich sein. wurde. Aufgrund fehlender Daten zur Bautiefe der Festungsanlagen wird dies in Mainz allerdings nur M. Witteyer, Mayence-Mo- DIGITALES BEFUNDKATASTER ZUM ansatzweise gelingen. Es ist jedoch zu hoffen, dass gontiacum. In: M. Reddé MAINZER LEGIONSLAGER über die Aufnahme der Tiefenausdehnung antiker u. a. (Hrsg.), Les fortifi ca- Zur Aufarbeitung der Grabungen aus den letzten und neuzeitlicher Grabungsbefunde hierfür ein tions militaires. Jahrzehnten im Bereich des Legionslagers wur- Annäherungswert erreicht werden kann. L’architecture de la Gaule de 2009 eine Kooperation zwischen der Direk- romaine. Documents tion Landesarchäologie Mainz und der Provinzial- d’archéologie française 100 römischen Archäologie der Universität Freiburg Daniel Burger M.A. (Bordeaux 2006) 324–329. geschlossen. Die Neuauswertung der Lagerum- Römisch-Germanische Kommission wehrung sowie die Erfassung aller Befunde und des Deutschen Archäologischen Instituts www.mainz.de/digitales_ Grabungsaktivitäten in einem Geoinformations- Frankfurt am Main haeuserbuch system (GIS) stellen dabei einen ersten Schritt zur [email protected] Der Limes 10/2016 Heft 1 SEITE 11

ƒ Das Legionslager von Mogontiacum/Mainz, Gesamtplan nach D. Baatz mit Kartierung neuer Bau- strukturen und der Fund- stellen zur Umwehrung mit Angabe zum Grabungsjahr (Stand Februar 2016).

Wehrmauer Gabäude

Verteidigungsgraben Friedhof

Strasse Einzelgrab

Wasserleitung Gräber, Lage unsicher 0 100 200 300 m N spätantike Stadtmauer interpolierte Lagerstraße

6 8 3 2 5

4 1 7

 Legionslager Mainz, Profi l durch die südwestliche Umwehrung a b (Grabungsjahr 1997). 1 Fundament der Lagermauer, 2 spätantike Mauervorverblendung, 3 Abbruchhorizont der Lagermauer, 4—6 Spitzgräben unterschiedlicher Zeitstellung, 7 frühe Grubenstruktur, 8 neuzeitliche Planierschicht.

0 1 3 cm

c d ƒ Fundmaterial aus dem Mainzer Legionslager: a Wangenklappe eines Helms Typ Weisenau,0 0,5 1 cm b steinerne Schleuderkugel (Gew. 512 g). Jüngste Funde aus den letzten Spitzgräben: c Münze Kaiser Valentinians I. (367/375); 0 1 3 cm 000,51 cm 0,5 1 cm d Bleiplombe, valentinianische Dynastie (?). FORSCHUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 12 SEITE

WISSENSCHAFTLICHE NEUBEARBEITUNG NEUE ERKENNTNISSE AUS ALTEN GRABUNGEN: DAS KASTELL SAALBURG

Die Saalburg bei Bad Homburg v. d .H. ist eines der wenigen römischen Kastelle am Obergermanischen Limes, das zusammen mit seiner zivilen Siedlung (vicus) vollständig ausgegraben wurde. Nachdem der vicus bereits vorgelegt wurde, erfolgte nun die Bearbeitung des Kastells. VON CECILIA MONETA

Mainz Kastell und vicus der Saalburg liegen auf einem nur sehr wenige Befunde bei den Grabungen Taunuspass, auf dem heute wie damals wichtige erkannt wurden. Im Osten des Kastells kann Regensburg Verkehrsverbindungen von der Rhein-Main-Ebene man eine lange Baracke erkennen, die wohl 80 Straßburg in das Usinger Becken verlaufen. Durch den Wie- Soldaten beherbergte. Im Südwesten sind Bau-

Saalburg deraufbau am Anfang des 19. Jahrhunderts, fi nan- ten zu ergänzen, die als kleinere Baracken zu ziert durch Kaiser Wilhelm II., erreichte der Kas- interpretieren sind. Ein Mittelgebäude (princi- tellplatz große Berühmtheit und stellt heute eines pia) wurde nicht nachgewiesen, ist aber anzu- der wichtigsten Museen am Limes dar. Das Kastell nehmen. Im Nordosten lag ein kleines Wasser- und der vicus wurden hauptsächlich von den becken, das mit Treppen versehen war. Min- 1860er Jahren an bis in das Jahr 1934 ausgegraben. destens drei Brunnen dienten zur Wasser- Die damalige Grabungsdokumentation und -me- versorgung. thodik waren für ihre Zeit vorbildhaft. Man nutzte Außerhalb des Kastells entwickelte sich die zi- neue Techniken und Methoden, etwa bei Vermes- vile Siedlung, deren Reste sich insbesondere an sung, Photogrammetrie oder naturwissenschaftli- der Südseite bis in eine Entfernung von ca. chen Untersuchungen. Es fehlten allerdings bislang 240 m vom Kastell fanden. Hier zeigte sich die wissenschaftliche Aufarbeitung der Grabungen rechts und links einer Straße eine Streifen- und ihrer Dokumentation sowie eine Veröffentli- hausbebauung. Im Norden des Kastells befand chung derselben. Während diese für den vicus be- sich das Badegebäude und im Osten, auf der an- reits 2010 erfolgt ist, konnten nun die Altgrabungen deren Seite der zum Limes verlaufenden Stra- des Kastells durch ein von der Deutschen For- ße, zwei Kleinkastelle, die sogenannten Schan- schungsgemeinschaft fi nanziertes Projekt bearbei- zen. Die beiden Anlagen waren sehr wahr- tet werden. Somit werden nach über 80 Jahren der scheinlich gleichzeitig mit dem „Erdkastell“ in wichtige Kastellplatz Saalburg und seine Geschich- Benutzung und dienten der besseren Überwa- te vollständig vorgelegt und stehen für die zukünf- chung des Passes und des darüber laufenden tige Limesforschung zur Verfügung. Verkehrs.

DAS ERSTE KASTELL DAS KOHORTENKASTELL Die älteste Anlage auf der Saalburg stellt ein Etwa um 135 n. Chr. wurde die cohors II Raetorum 0,7 ha großes Kastell (das sogenannte „Erdkas- civium Romanorum vom Kastell Butzbach auf die tell“) dar, das durch eine hölzerne Umwehrung Saalburg verlegt. Für die neue, größere Truppe er- und einen Spitzgraben geschützt war. An den richtete man ein größeres Kastell mit einer Fläche Toren, Ecken und an den Seiten standen höl- von nun 3,2 ha. Das alte „Erdkastell“ wurde pla- zerne Türme. Dieses Kastell wurde am Anfang niert; an dessen Stelle baute man nun die principia des 2. Jahrhunderts n. Chr. errichtet und bot des neuen Kastells. Teile des vicus wurden in Brand Platz für etwa 150 bis 200 Mann, wahrschein- gesetzt, um schnell Platz für die neuen Kastellbau- lich eine Abteilung () einer Legion. Die ten zu schaffen. Innenbauten sind schwer zu rekonstruieren, da Das Kohortenkastell wies zunächst eine hölzerne ist das Mittelgebäude, die die Mittelgebäude, das ist erkennen zu Gut Holz. aus waren Innenbauten Die Gebrauch in waren. aber nicht gleichzeitig die Öfen, 30 über sich fanden Insgesamt wurden. angebaut Umwehrung die an die Backöfen, chen zahlrei- die auch sind Kohortenkastell zweite ses die- für Charakteristisch Kastell. das schützte ben Spitzgra- Ein fehlten. Eck- Seitentürme Seite. und pro zwei und Ecke jeder an Tor und jedem bei zwei Mauer, die auf denAufstieg ermöglichten Rampen 24 derMauer. Insgesamt auf verlief Wehrgang Der verfüllt. Schutt und Erde mit war Innere Das waren. verbunden Balken horizontale durch und lagen der entfernt 1,6–1,9 die m voneinan- Mauerschalen, 0,80 m starke zwei um sich handelt Es ist. belegt der Saalburg auf allein bislang Umwehrung römische eine für die erbaut, Technik ungewöhnlichen einer in war Mauer Diese wurde. ersetzt ner Holz-Stein-Mauer vonei- Zeit kurzer nach aber die auf, Umwehrung Kastells Saalburg. Das Haupttor (porta praetoria) deswiederaufgebauten 1 Heft Der Limes10/2016 erhöht war. Nördlich davon ist eine über 50 50 über eine m lange ist davon Nördlich war. erhöht Stützen hölzerne durch Boden dessen Magazin, ein hölzernes ein lag Bereich südöstlichen praetorium tens mindes- an sich gruppierten Innenhof Um diesen drei lag. Wasserbassin demein in Innenhof, einen saß Seiten be- gelegen, Kastells des Bereich südwestlichen im mandanten mehrerewasser gespeist Das Haus wurde. des Kom- vonRegen- das Wasserbecken, ein gängerkastell, Räume. den Hinter ge Baracken. Westlichder links und Rechts errichtet. Stein in Kastell im Raum einziger als war Fahnenheiligtum gelegene trakts des Raum- rückwärtigen des derMitte in Das war. baut der über die Vorhalle, eine reits principia ist eine Doppelbaracke erkennbar. Im Im erkennbar. Doppelbaracke eine ist (praefectus), befanden sich befanden je 74 zwei biszu m lan- das sogenannte praetorium, principia principia. via principalis lag, wie im Vor- Es besaß be- Es besaß horreum, er-

Siedlung (vicus). Plan derersten militärischenAnlage aufderSaalburg, de Straßen undInnenbauten desKastells sindrekonstruiert undgestricheltdargestellt. s sogenannten „Erdkastells“, undderzivilen N 0 50 SEITE 13 100 m Der Limes 10/2016 Heft 1 14 SEITE

Saalburg. Grabungsfoto der Holz-Stein-Mauer aus dem Jahr 1914. Im Vordergrund liegt die Rampenmauer, dahinter die innere Schale der 0 25 50 m Holz-Stein-Mauer. Gut zu erkennen sind die Schlitze, in denen ehemals horizontale Holzbalken lagen.

 Saalburg. Plan des Kohortenkas- tells mit der Holz-Stein-Mauer. Baracke zu identifi zieren und eine weitere, gleich man eine latrina. Alle Backöfen wurden ersatzlos Die rekonstruierten Innenbauten lange Baracke zu vermuten. Der rückwärtige Teil stillgelegt und mit dem Erdwall der Umwehrung sind gestrichelt dargestellt. des Kastells (retentura) war im Westen ebenfalls bedeckt. Offenbar erfolgte nun das Backen von mit bis zu drei Baracken bzw. Ställen für Pferde Brot in den einzelnen Baracken und nicht mehr in oder Maultiere besetzt. Im Osten ist dagegen nach gemeinsamen Öfen. dort gefundenen Eisenschlacken ein Werkstattbe- reich anzunehmen. Ein typisches Werkstattgebäu- DIE FRAGE DER BESATZUNG de (fabrica) ist allerdings nicht nachgewiesen. Ausgehend von den erkannten Baracken war eine Wahrscheinlich lagen hier mehrere kleinere Ge- Kohorte aus ca. 500 Soldaten (cohors quingenaria), bäude (fabriculae), die den Handwerkern als Ar- wie die 2. rätische Kohorte, problemlos im Kohor- beitsplatz dienten. tenkastell unterzubringen. Es wird nach der Kas- tellgröße und einiger Pferdgeschirrfunde ange- DAS STEINKASTELL nommen, dass die Kohorte teilberitten (equitata) Am Anfang des 3. Jahrhunderts erfolgte wiederum war, auch wenn dies nicht inschriftlich belegt ist. ein Umbau des gesamten Kastells in Stein. Die Um- Eine solche Kohorte, die sechs Baracken für die In- wehrung wurde erneuert. Eine gemörtelte Stein- fanterie (centuriae) und vier für die Kavallerie (tur- mauer mit dahinter aufgeschüttetem Erdwall und mae) benötigte, hätte ebenfalls in den Saalburg-Ba- zwei Spitzgräben boten in dieser Zeit Schutz. Diese racken Platz gefunden. Die entsprechende Anzahl LITERATUR wiederaufgebaute Umwehrung ist heute Teil des an Unterkünften ist auf der Saalburg vorhanden. Archäologischen Parks Saalburg und sehr anschau- Allerdings konnten nirgends eindeutig Reiterbara- H. Jacobi, Das Kastell lich für die Besucher. Weiterhin einzigartig ist das cken identifi ziert werden. In den vier großen Bara- Saalburg. In: E. Fabricius/ Fehlen von Eck- und Seitentürmen, die sonst in al- cken an den Seiten der principia waren nach einer F. Hettner/O. von Sarwey, len Limeskastellen vorhanden sind. Inschrift und der Beschaffenheit der Bauten Infan- Der Obergermanisch-Rae- Die Innenbauten wurden nach und nach durch teristen untergebracht. Auch bei den anderen Ba- tische Limes des Römer- Steinbauten ersetzt. Der Innenplan des Kastells än- racken liegen keine Hinweise auf Reitertruppen reiches B 2a, Nr. 11 (Heidel- derte sich nicht wesentlich, mit der Ausnahme des vor. Die Frage der Truppenbelegung kann damit berg, Berlin, Leipzig 1937). südöstlichen Bereichs. Hier wurde das horreum auf nicht sicher beantwortet werden. die doppelte Fläche vergrößert. Dies verursachte C. Moneta, Der Vicus des einen Wechsel der Orientierung der Baracken. Ver- DAS ENDE DES KASTELLS römischen Kastells Saal- schiedene Bauten waren von kleinen Änderungen Der vicus der Saalburg wurde 233 durch einen Ger- burg (Bad Homburg v. d. H., betroffen. Das Bassin nördlich der principia wurde maneneinfall zerstört und großteils aufgegeben. Mainz 2010). zugefüllt. In der nordöstlichen Kastellecke baute Das Kastell scheint von diesem Ereignis verschont in denArchiven. in formationen und Erkenntnisse schlummern noch In- ungeborgene bisher Viele von Altgrabungen. Potenzial große das erneut zeigen Saalburg zes Kastellplat- des Vorlage und Neubearbeitung Die gelegt. Grube eine in Personen, drei bis zwei für Geschirrservice einem Gefäßen, zwölf mit zusammen wurde Inventar Das an. ers Werkzeugeim- eines Fund z. hört derberühmte B. ge- Zeit Dieser sein. erfolgt Jahren 270er bis 260er den in Limes, Obergermanischen am Kastellen anderen bei wie wird, Kastells des Aufgabe che friedli- wohl zusammen. endgültige, Die penstärke derTrup- Reduktion einer mit wohl hängen tells Kas- des Bauplan im Umstrukturierungen Die tet. errich- neu Gebäude beheiztes kleines ein wurde Kastells des Bereich nördlichen Im Vorhalle. ren den in ebenso gebaut, daten derSol- Wohnstellen wosonst derBaracken, Mitte torium prae- Das Umbauten. einige Kastell im man tätigte am insbesondere ist Dies betroffen. Brand von einem davon bzw. Teile Kastell das war Jahren, 240/50er den später, in Jahre einige Erst sein. zu geblieben 1 Heft Der Limes10/2016 [email protected] Mainz Moneta Dr. Cecilia praetorium (contubernia) lagen, wurden Heizräume ein- (contubernia) erhielt einen geänderten Grundriss. In der In Grundriss. geänderten einen erhielt dokumentiert. Nach diesem Brand principia Jahr 1875. Mitte stand derEimer, ringsherumlagendieGefäße. Skizze ausdem Profil der„Eimer-Grube“imrückwärtigen Bereich desKastells. Inder und direkt an de- dargestellt. bauten sindgestrichelt Die rekonstruierten Innen- kastells mitderSteinmauer. Saalburg. Plandes Kohorten- „ gefäßen ineinerGrube, wohl alsdasKastell verlassen wurde. werkzeugen gefüllt.Mandeponierte ihnzusammenmitzwölfKeramik- Hortfund von derSaalburg. DerEimerwar mitverschiedenen Eisen- 550m 25 0

SEITE 15 BLICK ÜBER DIE GRENZE Der Limes 10/2016 Heft 1 16 SEITE

GERMANIEN, „NAHE“ UND „FERNE“ GERMANEN DER BLICK ÜBER DIE GRENZE

Seit Gaius Julius Caesar die Bezeichnung „Germanen“ nachhaltig prägte, sind Roms Nachbarn an Rhein und Donau in den Schriftquellen antiker Autoren mit Stereotypen behaftet. Obwohl die archäologischen Quellen inzwischen ein wesentlich differenzierteres Bild zeichnen, wirken alte Klischees bis heute nach. VON HANS-ULRICH VOSS

„Obwohl sich das Land nach seiner Erscheinung beträchtlich unterscheidet, ist es doch im allgemei- nen entweder mit unwirtlichen Wäldern oder mit wüsten Sümpfen bedeckt. […] Doch haben die uns Nächsten wegen des Handelsverkehrs Gold und Sil- ber schätzen gelernt, erkennen einige Sorten unse- res Geldes an und nehmen sie mit Vorliebe; die wei- ter innen haben einfacher und altertümlicher noch den Tauschhandel“ (Tacitus, Germania 5,1; 5,4).

Prägnant schildert Publius Cornelius Tacitus im fünften Kapitel der „Germania“ das Land und des- sen Bewohner, von denen es immerhin einige ver- mocht hatten, der römischen Militärmacht im Jahr 9 n. Chr. eine empfi ndliche Niederlage beizubrin- gen. Doch stimmt das Bild, das Tacitus von den in unmittelbarer Nachbarschaft (proximi) und den weiter entfernt, im Landesinneren Lebenden (inte- riores) zeichnet, mit dem überein, was den archäo- logischen Funden zu entnehmen ist? Der Limes 10 / 2016 Heft 1 SEITE 17

Profen, Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt. Brandgrab einer adeligen Dame mit im Barbaricum bisher selten nachgewiesener Bronze- eimerform als Urne. Mitte 1. Jh., Gewicht der Goldbeigaben 430 g. BLICK ÜBER DIE GRENZE Der Limes 10/2016 Heft 1 18 SEITE

„FÜRSTENGRÄBER“ UND „RÖMISCHER IMPORT“ Lange Zeit waren es vor allem römische Sachgüter in Gräbern, meist Gefäße aus Bronze, Glas oder Ke- ramik, selten aus Silber, die als „römischer Import“ Kontakte zwischen Römern und Germanen bele- gen. Nicht zuletzt dank spektakulärer Neuentde- ckungen hat sich der Blick auf die Grabfunde in- zwischen beträchtlich erweitert. Dazu gehören das „Königsgrab“ von Mušov in Mähren aus der Zeit der Markomannenkriege (166/168–180 n. Chr.), das „Fürstengrab“ von Gommern bei Magdeburg aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. oder das jüngst entdeckte Urnengrab einer vornehmen Germanin aus der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. von Profen, Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt). Mit zwei Goldfi beln, Goldringen und zwei (!) Goldket- ten nebst goldenen Berlocken (Anhängern) sowie römischen Silberbechern und einem Bronzeeimer ist es das bislang reichste bekannt gewordene Frau- engrab der frühen Römischen Kaiserzeit in der Germania libera. Auch die Bearbeitung von Alt- funden, wie dem Brandgräberfeld Leverkusen- Rheindorf in unmittelbarer Nachbarschaft des Rö- mischen Reiches, trägt zur Bereicherung des Bildes bei. So zeigen auch Brandgräber Ausstattungsmus- ter, die denen der als „Fürstengräber“ bezeichneten Körperbestattungen der frühen und späten Römi- schen Kaiserzeit nahe kommen oder entsprechen. Zudem werden weitgespannte Netzwerke germa- nischer Stammeseliten mit ihrer Bedeutung für den innergermanischen Austausch römischer Er- zeugnisse zunehmend klarer erkennbar.

DIE SIEDLUNGEN — AUFSCHLUSS- REICHER SCHROTT UND ABFALL Lassen schon die Grabfunde nicht zuletzt als Folge unterschiedlicher Bestattungssitten eine Differen- zierung innerhalb der Germania magna erkennen, so führt zum einen die Einbeziehung der Sied- lungsfunde römischer Gegenstände in die Betrach- tung das eingeschränkte Spektrum römischer Sachgüter deutlich vor Augen. Dieses umfasst im Wesentlichen nur wenige Formen des Tafelge- schirrs, zumeist Trinkgefäße, sowie des Schmucks, der Bewaffnung und Ausrüstung sowie Gerät- schaften. Zum anderen lassen die Verbreitungsbil- der einiger Sachgüter, etwa der vielgestaltigen rö- mischen Fein- und Gebrauchskeramik oder der Mühlsteine römischer Drehmühlen aus Basaltlava Liebenberg, Kr. Märkisch-Oderland, Brandenburg. Siedlung der späten Römischen Kaiserzeit, Gruben- eine Differenzierung der germanischen Siedlungs- haus. Mühlstein aus Mayener Basaltlava, Sesterz der Sabina (128—138 n. Chr.), vulvaförmige Riemenbe- gebiete in limesnahe und limesferne, „innergerma- schläge, massiver Niet und germanische Fibel mit umgeschlagenem Fuß. nische“ erkennen, was die oben angeführte Aussage des Tacitus zu bestätigen scheint. Bei genauerer hingegen sehr wohl. wiesen werden konnten, andere römische Güter nachge- Siedlungen aus –noch Bewaffneter chen sol- nicht –auch Gräbern in weder Stücke derartige wo Weichsel, und Oder, Warthe zwischen Kultur derPrzeworsk- Gebiet das für nicht dies gilt dings Aller- auftreten. Gürtelbeschläge oder Amulette manischen Fundzusammenhängen wiederum als ger- n. in auch die Chr., Jahrhundert 3. und 2. späten dem aus Pferdegeschirrs verwendeten zivil wie militärisch des Riemenbeschläge den römischen dienen- Amulette als die liefern dafür Beispiel tes gu- Ein nachweisbar. überzeugend Verweigerung bzw. Ignoranz bewusste auf Hinweise auch schen inzwi- –werden zeigen Siedlungen manischen ger- limesfernen wie limesnahen aus gegenstände Edelmetall- und Bunt- römischer terverarbeitung derWei- Nachweise regelhaften beinahe zwischen in- die wie Metalle, anderen alle dies betraf Eisen –außer Rohstoffe römischer vomImport schaft Gesell- dergermanischen Abhängigkeit aller Bei wird. fassbar archäologisch Roms“ Einfl stärkerer „deutlich ein Mainfrankens Siedlungsgefi germanischen entfernten ze vonderReichsgren- denweiter in gebot“, während „Kulturan- demrömischen gegenüber Germanen ansässigen derdort Verhalten „reservierteres“ lich merk- Wetzlar/Gießen ein um -Limes des Vorfeld im Untersuchungen die zeigten So werden. erkennbar Trier, und vonRheinzabern Töpfereien den aus vorallem Terra-sigillata-Bilderschüsseln der etwa Erzeugnisse, römischer der Verwendung bei Unterschiede Regionen dengrenznahen in auch dass deutlich, schnell sehr jedoch wird Betrachtung Der Limes 10/2016 Heft 1 Heft Der Limes10/2016 lden lden uss ‚ auf denFundstellen. oder Halbfabrikate). Rote Rahmen: Einsatz von Metalldetektoren Bearbeitungsspuren oderGuss- und oder Werkabfällen oderAltmetall) undAnzeichen (Altmetall mit Kombinationen ausGuss- undSchmelzresten mitHalbfabrikaten Schmelzresten, Tiegeln,Halbfabrikaten, Edelmetallverarbeitung: Nachweise (Kombinationen ausGuss- und Römisches SilberundAltmetall ausgermanischenSiedlungen. Eimer undGlasschale. Zweite 3./frühes Hälfte 4. Jh. n. Chr. Körpergrab VII/1872 mitrömischemWestlandkessel, Hemmoorer Häven, Kr. Parchim-Sternberg, Mecklenburg-Vorpommern. ƒ Edelmetallverarbeitung Schmelzreste oderWerkabfälle Altmetall); Hinweise (nur funde Metalldetektor- Anzeichen Hinweise Nachweise 0

SEITE 19 200 m BLICK ÜBER DIE GRENZE Der Limes 10/2016 Heft 1 20 SEITE

Ebenso zeigen die Funde römischer Münzen, dass es zwar keine geregelte Münzgeldwirtschaft bei „den“ Germanen gab, die Wertrelationen zwischen Gold/Silber und Aes, also Bronze und Messing, aber sehr wohl bekannt gewesen sein werden, wie die differenzierte Verwendung dieser Metalle für einheimische Statussymbole hinreichend belegt.

DER BLICK ÜBER DIE GRENZE Die Betrachtung des gesamten Spektrums archäo- logisch greifbarer römischer Produkte und Einfl üs- se – vom Handwerk bis hin zu den geistigen Vors- tellungen – macht deutlich, dass der lange Schatten Roms die germanischen Stämme zu unterschiedli- chen Zeiten und mit wechselhafter Intensität streif- te. Anhand der Grabfunde festigt sich der Ein- druck, dass nicht nur Eliten in den grenznahen Re- gionen über enge Beziehungen zum Römischen Reich und Kenntnisse römischer Kultur aus eige- ner Anschauung verfügten, sondern auch die in größerer Entfernung ansässigen Vertreter der ger- manischen Führungsschicht. Ebenso lässt sich dem Fundaufkommen der Siedlungen entnehmen, dass insbesondere nach den Markomannenkriegen rö- mische Gegenstände, und zwar nicht nur die oft zi- tierten Glasperlen, Teil der germanischen Alltags- kultur breiterer Bevölkerungsschichten wurden. Dabei waren die jeweiligen germanischen Grup- pen, die seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. als Stam- mesverbände agierten, keineswegs nur passive Empfänger römischer Kultur, sondern vielmehr aktive und durchaus wählerische Akteure, die, statt stupide zu kopieren, Nützliches oder für die Darstellung von Rang und Status Notwendiges aus- wählten und in eigener Umsetzung nachahmten. Und schaut man aus „Germanien“ über die Grenze in die römischen Provinzen, wird überraschender- weise deutlich, dass originär „Germanisches“ auch auf römischem Boden hergestellt worden ist. Die in Augusta Vindelicorum/Augsburg während der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. gefertig- ten Augenfi beln der sogenannten preußischen Ne- benserie mit einem Verbreitungsschwerpunkt öst-  lich der Oder und Warthe sind nur ein Beispiel für Augusta Vindelicorum/ die neuen Fragestellungen, die sich bei der Beschäf- Augsburg, Bayern. Halbfer- tigung mit „römischem Import“ und den römisch- tigprodukte germanischer germanischen Beziehungen ergeben. Augenfi beln, „preußische Nebenserie“, zweite Hälfte 1. Jh. n. Chr. Eine Kartie- Dr. Hans-Ulrich Voß rung der Verbreitung zeigt Römisch-Germanische Kommission einen deutlichen Schwer- des Deutschen Archäologischen Instituts punkt östlich von Oder Frankfurt am Main und Warthe. [email protected] Lek 0 0 10 km Siedlungsgebiet derBataver. Nebenkarte: Fundstellen im schlag bislangeinzigartig. einem derartigen Riemenbe- woj. zachodniopomorskie, mit bark-Kultur von Debczyno, eines Körpergrabes derWiel- Nordwestpolen istderBefund Beschlagteilen fundleer;in bleibt beidiesenundanderen Oder undsüdlichderWarthe Przeworsk-Kultur östlichder 2. und3. Jh.DasGebietder rischer Verwendung, spätes schläge zivilerundmilitä- muschelförmiger Riemenbe- Verbreitungskarte römischer  Der Limes 10/2016 Heft 1 Heft Der Limes10/2016 Maas 200 km Waal Niederrhein stände mitdenerhaltenen Originalenausanderen Fundzusammenhängen. Reste römischerMetall- undGlasgefäße, Käs Leverkusen-Rheindorf, Nordrhein-Westfalen. Urnengrab 80, Mitte/zweite 3. Hälfte Jh.n. Chr. Verbrannte tchenbeschläge undLeuchter sowie germanischeGegen- Fundart fund /Sonst. Siedlungs- Grabfund (Bonn 2010). ropa. BonnerBeiträge12 ber imnördlichen Mitteleu- kaiserzeitliche Fürstengrä- J. Schuster, Lübsow. Älter- 2002). phien RGZM 55,1–3 (Mainz Mušov inMähren. Monogra- manische Königsgrab von J. Peška/J. Tejral, Dasger- 2010). schichte 63/1.2 (Halle/Saale – LandesmuseumfürVorge- chäologie Sachsen-Anhalt für Denkmalpflege undAr- chungen desLandesamtes von Gommern.Veröffentli- M. Becker, DasFürstengrab 67 (Mainz2011). Germanische Forschungen und derLimes. Römisch- S. Biegert,DieGermanen A. Abegg/D. Walter/ LITERATUR Reich Römisches

SEITE 21 Germanien Freies DENKMALVERMITTLUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 22 SEITE

Angriff germanischer Krieger auf das Kastell Osterburken, virtuelle Rekonstruktion im Archaeoskop.

NEUES ARCHAEOSKOP UNTER BESCHUSS! — SPUREN EINES GERMANISCHEN ANGRIFFS AUF DAS KASTELL OSTERBURKEN

Im 19. Jahrhundert kamen bei Ausgrabungen am Kastell Osterburken immer wieder verbogene Pfeilspitzen und menschliche Knochen zutage. Von Anfang an wurden diese Befunde als Hinweise auf ein gewaltsames Ende des römischen Ortes gedeutet. Das vierte Archaeoskop setzt dieses Ereignis am historischen Schauplatz in Szene. VON DIETRICH ROTHACHER UND JÖRG SCHEUERBRANDT Der Limes 10/2016 Heft 1 SEITE 23

„Im Wallgraben fanden wir gegen neunzig abge- VIII Augusta. Diese Bauteile geben seltene Hinwei- schlagene Hände. Sie mögen einst den anstürmen- se für die Rekonstruktion der oberen Teile der den Germanen angehört haben. Als sie im Brausen Wehranlage, die Inschriften liefern Daten für den Mainz der Völkerwanderungszeit auch Osterburken über- Bau des Annexkastells zwischen 185 und 192 n. Chr. Regensburg rannten, da haben sie sicher die Kastellwände mit Der plötzliche Tod des Initiators und Leiters der Straßburg Leitern zu ersteigen versucht. Oben aber standen Grabungen, Julius Hofmann, im Jahr 1900 und der die römischen Legionäre und hieben mit ihren berufl iche Wechsel Karl Schumachers an das Rö- Kastell Osterburken Schwertern alle Hände ab, die sich auf die Mauer- misch-Germanische Zentralmuseum in Mainz im brüstung legten. Es war eine grausame Zeit.“ Mit folgenden Jahr ließen diese bis dahin nur kurso- diesen Worten zitiert der Limeswanderer Ernst risch publizierten Befunde in Vergessenheit gera- Wittke 1927 den Ausgräber Karl Schumacher, der ten. Vor allem die Pfeilspitzen und einige Knochen ihn auf der Kastellanlage führte. Schon 1897, wäh- lagerten nun auf dem Dachboden des Wohnhauses rend der Feiern zur Eröffnung der ersten konser- von Julius Hofmann. 2006 übergaben dessen Nach- vierten Kastellmauern und des Kriegerdenkmals, fahren, die Familie Steinbauer, diese Funde als Teil wurde dieser Befund als Bestandteil eines histori- der Sammlung Steinbauer dem Römermuseum Os- schen Theaterstückes in Szene gesetzt. terburken, wo sie nun in der Dauerausstellung ge- zeigt werden. DER BEFUND Bereits Karl Wilhelmi lokalisierte 1838 anhand von PFEIL- UND GESCHOSSSPITZEN Skelettfunden und verbogenen Pfeilspitzen den Die insgesamt über 120 bekannten und heute auf Angriff an der höchsten Stelle des Kastells, alle wei- drei Sammlungen verteilten Geschossspitzen zei- teren Grabungen sicherten ebenfalls solche Pfeil- gen das gesamte Spektrum limeszeitlicher Fern- spitzen im Bereich der Umwehrung. Nach den um- waffen. Bolzen römischer Katapulte, kleine drei- fangreichen Forschungen des Mannheimer Alter- fl ügelige Pfeilspitzen mit Widerhaken sowie tumsvereins beschränkte sich die Reichs- panzer brechende sogenannte Bodkin-Spitzen sind Limeskommission während ihrer Ausgrabungen römischen Ursprungs. Der größte Teil aber be- im Jahr 1892 auf nur wenige Punkte im Kastellareal. steht aus lanzettförmigen Pfeil- und Speerspitzen LITERATUR Der badische Streckenkommissar Karl Schuma- germanischer Provenienz. Diese sind 6–12 cm lang, cher publizierte 1895 die bis dahin bekannten Gra- haben einen schmalen Mittelgrat und wurden aus K. Wilhelmi, Siebter Jahres- bungsergebnisse als eine der ersten Lieferungen ungehärtetem, also weichem Eisen gefertigt – ihre bericht an die Mitglieder der Abteilung B des Limeswerkes. Mit dieser Publi- Form ist für den gesamten germanischen Raum ty- der Sinsheimer Gesell- kation weckte er in Osterburken eine beachtens- pisch. schaft zur Erforschung der werte Römerbegeisterung, die umfangreiche Gra- Viele Exemplare zeigen Nutzungsspuren: Die Spit- vaterländischen Denkmale bungen an der Südseite des Annexkastells zur Fol- zen der römischen Katapultbolzen sind vom Auf- der Vorzeit 1840, 73–95. ge hatte. Geplant war die Errichtung eines prall gestaucht, die germanischen Eisenspitzen oft Kriegerdenkmals für die Teilnehmer des Krieges abgeknickt oder verbogen. K. Schumacher, Germa- 1870/71, das von einer konservierten Ruinenland- nische Waffen aus vormero- schaft umrahmt werden sollte. Dafür wurde unter DER ANGRIFF vingischer Zeit. Westdeut- Leitung des ehemaligen Bürgermeisters Julius Hof- Über den genauen Ablauf der Kämpfe kann man sche Zeitschrift XV, 1896, mann die gesamte Südseite freigelegt und mit Mit- nur spekulieren. Die Angreifer suchten sich den 65–67. teln des Großherzogtums Baden konserviert, zu- schwächsten Punkt des Kastells: Die Südecke ist sätzlich hob man den vorgelagerten Kastellgraben der höchste Punkt der Umwehrung, hier kann man K. Schumacher, Osterbur- aus. Bei diesen wissenschaftlich weitgehend unbe- sich dem Eckturm nähern, ohne wirksamen Be- ken [Bauinschriften vom obachteten Arbeiten stieß man vor allem vor dem schuss von benachbarten Türmen befürchten zu Kastell]. Limesblatt 24/1897, südlichen Eckturm und der nach Osten anschlie- müssen. Offenbar beschossen die Angreifer den 667–668 [161]. ßenden Mauer auf große Mengen weiterer Pfeil- Eckturm des Kastells mit ihren Waffen, um die Ver- spitzen und Knochen. Diese lagen unter dem Ver- teidiger zu vertreiben. Beim Erklimmen der Wehr- K. Schumacher, Neues vom sturz der Wehrmauer in einer mächtigen Brand- mauer wurden dann einige Kämpfer getötet und Limeskastell Osterburken. schicht, vergesellschaftet mit einer kleinen blieben im Graben liegen. Allgemeine Zeitung, Beilage Münzreihe vor allem spätseverischer Münzen. Die- Wer die Angreifer waren, die in der Mitte des 3. zur Nr. 147 vom 6. Juli 1897, se endet mit einer Prägung von Philippus Arabs Jahrhunderts n. Chr. das Kastell Osterburken be- 1897, 1–3. (244–249 n. Chr.) und datiert diesen Zerstörungs- schossen, erstürmten und vermutlich zerstörten, horizont auf die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. muss offenbleiben. In Frage kommen germanische J. Ilkjær u. a., Illerup Ådal. Im Schutt der in den Graben gerutschten Wehr- Plünderer ebenso wie römische Bürgerkriegstrup- Jutland Archaeological So- mauer lagen zahlreiche Keilsteine der Fensterbö- pen jeder Partei. Germanische Söldner kämpften ciety Publications XV, 1–14 gen und insgesamt fünf Bauinschriften der legio zu dieser Zeit auf beiden Seiten! (Aarhus 1990–2011). DENKMALVERMITTLUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 24 SEITE

 DAS ARCHAEOSKOP Nach diesem Befund waren germanische Krieger Osterburken. Lokalisie- Das Archaeoskop bietet einen dreidimensionalen im Ostseegebiet schon ein halbes Jahrhundert frü- rung des Angriffes an Blick in die römische Vergangenheit und soll den her in großem Maße mit römischen Schwertern der Südecke des Annex- Angriff an seinem Originalschauplatz visualisie- ausgestattet und trugen in ihren Beuteln römische kastells. ren. Um den räumlichen Eindruck zu ermöglichen, Silbermünzen bei sich. So führen auch hier die An- muss das Bild zweimal mit nur geringfügig verän- greifer römische Schwerter, nachdem auch die dertem Blickwinkel – dem Augenabstand – erstellt mehrfach von Wilhelmi und Schumacher beschrie- werden. Dazu wurde ein digitales Modell der ge- benen „eng beisammen liegenden Silbermünzen“ samten Szene gefertigt: das Kastell auf dem Gelän- an den Befund von Illerup Ådal denken lassen. demodell, dann Angreifer und Verteidiger und Der Angriff fi ndet im Morgengrauen statt, gezeigt schließlich die verschossenen Pfeile. Daraufhin wird seine Anfangsphase: Einige Krieger mit Schil- wurden die Körper mit Oberfl ächen versehen und den, Lanzen und Schwertern beginnen mit dem in zwei Ansichten berechnet. Sturm auf die Mauer und legen provisorische Lei- tern an. Den Graben haben sie vorher mit Ästen und DAS KASTELL Laufbrettern überbrückt. Aus der Entfernung un- Gezeigt wird der Eckturm in der Südecke des An- terstützen Bogenschützen ihre Kameraden und be- nexkastells von einem Standpunkt vor dem Südtor schießen die Verteidiger auf der Mauer mit Pfeilen. der Anlage aus gesehen. Am rechten Bildrand er- hebt sich der mächtige Zwischenturm, die Fenster- bögen entsprechen den im Bauschutt am Ort ge- borgenen Keilsteinen. Die Zweifarbigkeit wurde Dietrich Rothacher durch die Verwendung von zwei unterschiedlichen archaeoskop, Freiburg Steinmaterialien erreicht. Die helleren, ehemals [email protected] weißen Keilsteine bestanden aus Tuffstein, die grauen aus Sandstein. Beide Steinarten stehen in Dr. Jörg Scheuerbrandt nur wenigen Kilometern Entfernung an und wur- Römermuseum Osterburken den bis in die Neuzeit abgebaut. Unter dem mittle- [email protected] ren Fenster, am rechten Bildrand zu sehen, ist eine der oben erwähnten Bauinschriften angebracht. In der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. war die Mauer etwa 70 Jahre alt, die schwierigen Jahre un- ter den Soldatenkaisern spiegeln sich in ihrem Zu- stand. Der ehemals strahlend weiße Verputz und die rote Farbe der Gesimse ist großfl ächig abgewa- schen, überall scheint der graue Stein durch. Am Fuß der Mauer wächst Moos auf den Steinen.

DIE ANGREIFER Außer den germanischen Pfeilspitzen sind in Os- terburken keine materiellen Hinweise auf Germa- nen überliefert. Die Ausrüstung der Angreifer ori- entiert sich an den Funden aus den Mooren Jüt- lands, vor allem dem großen Opferplatz Illerup Ådal (in der Nähe von Skanderborg, Dänemark). Kampf um das Kastell Osterburken. Postkarte mit der Darstellung der Theateraufführung anlässlich der Einweihung des Kriegerdenkmals 1897.

Osterburken. Pfeilspitzen aus dem Kastellgraben. Die Südecke des Annexkastells von Osterburken. In diesem Grabenabschnitt lagen die meisten der verbogenen Pfeilspitzen.

LIMESPARK OSTERBURKEN INVESTITIONSPROGRAMM Ausführliche Informationen NATIONALE UNESCO- im Internet unter WELTERBESTÄTTEN www.limespark-osterburken.de 2010—2014

RÖMERMUSEUM OSTERBURKEN Tel. 06291-415266 Antragsteller: Stadt Osterburken Zweigmuseum des [email protected] Projekttitel: Archäologischen Landesmuseums Di—So, an Feiertagen auch montags Limespark Osterburken — Kastell Osterburken Baden-Württemberg Winterzeit: 10—17 Uhr Projektlaufzeit: 2010—2014 Römerstraße 4 · 74706 Osterburken Sommerzeit: 10—18 Uhr Förderhöhe: aus Bundemitteln 21 030 Euro, aus kommunalen Mitteln 2337 Euro der Gesamtkosten von 23 367 Euro AUSGRABUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 26 SEITE

EINE GRENZE WIE SIE IM BUCHE STEHT

Mainz Regensburg DER LIMES IM HIENHEIMER FORST Straßburg Laimerstadt BEI LAIMERSTADT

Von der Donau bei Hienheim kommend, verläuft die Limesmauer abseits der modernen Siedlungen durch den Wald. Da der Bau einer Pipeline, die den Limes nahe Laimerstadt (Bayern) quert, das Denkmal zu zerstören drohte, wurden archäologische Untersuchungen notwendig. Was dabei entdeckt wurde, überrascht die Fachwelt und bietet neue Einblicke in den Aufbau der Grenzbefestigung. VON ANDREAS SCHAFLITZL, MATTHIAS LEICHT UND ALEXANDER HEISING wurde es nötig, bauvorgreifend archäologische archäologische bauvorgreifend nötig, es wurde plant, Leitung bestehenden zur parallel Pipeline neue eine (OGE), GmbH Essen, Europe Grid Open die nun Da zerstört. Begleitung archäologische ohne Jahren den1970er in Gas-Pipeline einer Bau beim Mauer die wurde Eichstätt), Lkr. mannstein, Alt- (Markt Laimerstadt Markung auf Türmen, denbeiden Weg zwischen halbem auf Annähernd verschwindet. hinaustritt, demWald eraus sobald er, auch bis erahnen, zu Schatten als noch ist wall derSchutt- Nur abrupt. Linien diese schwimmen 15/42 15/41 WP WP und ver- den Wachttürmen zwischen Hohlweges eines Westlich geschnitten. wurde, errichtet später Jahrhundert halbes ein gut vonderMauer, die nie aber wird entfernt, weiter etwas teils näher, teils n. läuft Dieser hunderts Chr. Jahr- 2. des derMitte aus Palisadenbefestigung ren derälte- Reste die Graben, einen noch man kennt er- davon nördlich Etwas aufreihen. Perlenschnur einer an wie derMauer entlang sich die türmen, Holz- und vonStein- Reste die sieht Man erkennen. zu deutlich noch ebenfalls später Jahre 100 dieser ist demLIDAR-Laserscan Auf sichtbar. gut als Forst Hienheimer im Mauer derraetischen Schuttwall 10 denfast Jahrhunderts 19. des Ende m breiten am beschreibt Reichs-Limeskommission die Schon AUSGANGSLAGE 1 Heft Der Limes10/2016 0 100 200 m bis November 2015. November bis vonJuli dauerte Maßnahme gesamte Die tersucht. un- Freiburg derUniversität Archäologie römische chäologische Provinzial- Abt. Wissenschaften, für Ar- für vomInstitut wurde Dieser werden. angelegt Schutthügels des Bereich erhaltenen besser einen durch Schnitt zusätzlicher ein westlich mittelbar Erhaltung besser beurteilen zu können, sollte Umdie un- beauftragt. Weißenburg GbRaus ADA ma Fir- die wurde derGrabung derDurchführung Mit müssen. werden eingeplant Bau beim UNESCO-Welterbes des Schutz zum Maßnahmen welche und zerstört, weiter nicht Denkmal das sie dass kann, werden gelegt so Leitungstrasse neue die inwieweit chen, Es galt zu untersu- durchzuführen. Maßnahmen ten verhalten optimistisch, noch etwas vonder etwas noch optimistisch, ten verhalten Beteilig- alle waren derGrabung ZuBeginn de klar: derBefun- derZusammenschau bei wird hat, lohnt Vorgehen ge- dieses sich Dass gebracht. Schwitzen ins Schatten im Grad 35 über bei Sommer im schaft Mann- die haben Wurzelstöcke 100 als mehr die Gerade durchzuführen. Einsatz maschinellen ohne Grabung ganze die beschlossen, wurde zerstören, zu derGrenzanlagen Spuren letzten die Um nicht DIE GRABUNG von Süden. Mauer desLimesinSchnitt 3 Laimerstadt. Schuttwall und Rechts: blau: Untersuchungsareal. blau: Verlauf deralten Pipeline, grün: Wachtturm WP15/42, hell- wall, gelb:Palisadengraben, nahe Laimerstadt. Rot: Schutt- Laserscan desraetischen Limes Links:

SEITE 27 28 SEITE

3 ƒ Laimerstadt. Grabungsplan mit 2 Lage der Schnitte 1 bis 3 und Verlauf von Limesmauer und 0 2468 10 m 1 Palisadengraben.

raetischen Mauer anzutreffen, da im Bereich der al- hier nur noch vereinzelte Steine der Fundament- ten Bautrasse keine Steine als Überreste der Mauer schüttung unberührt angetroffen werden. Wenige zu fi nden waren. Nach Abtrag des humosen Wald- Meter westlich erwies sich der Schuttwall jedoch LITERATUR bodens konnte man im ersten Schnitt an der alten als gänzlich unberührt. Man konnte hier gut erken- Pipeline von Norden nach Süden verlaufende linea- nen, dass die Steine gleichmäßig zu beiden Seiten F. Herzig, unpubl. Bericht zu re Strukturen erkennen. Es handelte sich hierbei der Mauer heruntergefallen waren. Durch Frost verbrannten Hölzern im um die Fahrspuren der Baumaschinen, die vor gut und Druck wurden die ehemaligen großen Palisadengraben von Lai- 40 Jahren im Einsatz waren – laut Erzählungen des Handquader in kleine Platten gespalten. Diese la- merstadt vom 8. Dezember Altbürgermeisters wurde damals sogar ein umge- gen dann wie aufgefächert in der Fläche. 2015 (BLfD). bauter Panzer zum Verlegen der Rohre eingesetzt. Die raetische Mauer selbst war in Schnitt 3 noch Diese Schwergewichte haben sich bis zu 30 cm tief sechs Lagen hoch erhalten. Durch den Schutz der A. Heising/B. Kopecky- in den Boden eingegraben. In dieser Tiefe konnten Erdüberdeckung konserviert, konnten auch ein- Hermanns/M. Leicht/A. jetzt erstmals Steine erkannt werden, die in der malige Details zum Ablauf des Mauerbaus beob- Schafl itzl, Gesucht, gefun- Fläche verstreut lagen und im Norden einen gera- achtet werden. Im Profi l lässt sich deutlich eine Ab- den und gerettet — Der den Abschluss bildeten. Man vermutete, dass sich folge nachvollziehen: Limes im Hienheimer Forst hier vielleicht noch die Reste des Palisadengrabens Über einem rötlichen Boden erkennt man einen bei Laimerstadt. Gemeinde abzeichneten, der mit dem Schutt der verfallenen bräunlichen Streifen, die ehemalige römische Altmannstein, Landkreis Mauer zugefüllt war. Oberfl äche mit Humusaufl age. Eine dünne Schicht Eichstätt, Oberbayern. Das Im weiteren Verlauf der Grabung stellte sich aller- mit viel Holzkohle (im Foto nicht erkennbar) zeigt Archäologische Jahr in dings heraus, dass man hiermit die unterste Lage an, dass die Römer wahrscheinlich vor dem Bau Bayern 2015 (im Druck). des Schuttwalles entdeckt hatte. Ebenso konnte das Gelände durch Feuer gerodet haben. Als sie noch die erste Lage der Mauer freigelegt werden. dann einen wenige Zentimeter tiefen Graben für E. Fabricius/F. Hettner/O. Viele der Steine waren zerborsten und aus ihrer das Fundament aushoben, warfen sie den Aushub von Sarwey (Hrsg.), Strecke Flucht verschoben. Sie waren durch den Druck der einfach links und rechts daneben. Der kleine Hügel 15. Der Raetische Limes von Baumaschinen vor allem nach Süden verdrückt aus rötlicher Erde zeugt davon. Darüber – hier Kipfenberg bis zur Donau. worden. Westlich davon in Schnitt 2 war im Bereich schwer zu erkennen – liegt ein dünnes Band mit Der Obergermanisch-Rae- der Mauer vor Grabungsbeginn eine längliche Mul- Mörtel und Kalksteinchen. Das ist ein sogenannter tische Limes des Römer- de zu erkennen. Es zeigte sich, dass hier – wahr- Bauhorizont: Mörtel und Steine, die beim Aufmau- reiches, Abt. A, Bd. 7 scheinlich kurz nach dem Pipelinebau – die unbe- ern auf den Boden fi elen. Darüber hat sich dann mit (Heidelberg, Berlin, Leipzig schädigten Steine der Mauerschalen ausgebrochen der Zeit wieder ein dünnes bräunliches Band aus 1933). und weggebracht worden waren. Deswegen konnten angeschwemmter Erde, verrotteten Pfl anzen etc. deckt und geschützt. geschützt. und deckt über- denGraben und Mauer die so und abgesetzt fl abge- muss, haben bestanden schon Zeitpunkt sem die- derzu Osten, im denHohlweg durch ist Wasser Das aufgehalten. Sperrriegel ein wie es hat wall derSchutt- hinabgeschwemmt, den herHang vonNor- Erde hat Wasser klarer. zeigt, Laserscan der das Bild, das nun wird Doch gerechnet. mand nie- hatte Überdeckung mächtigen so einer Mit ihre Beschaffenheit analysiert werden. und Alter ihr auf Labor im derzeit die nommen, ge- Proben wurden untersuchen, zu näher verhalt Sach- Umdiesen zusammen. Mittelalter im rung Klimaverschlechte- einer mit Schwemmschichten diese hängen Möglicherweise wurde. transportiert hierher Wasser durch Material das dass zeigen, ben Scher- abgerollte stark Eisenzeitliche, überdeckt. Kolluvium, ein Erde, angeschwemmter aus Schicht 1 fast eine durch Norden m mächtige im vor allem ist Dieser hinterließ. 8 zu bis Schuttwall m breiten zerfi Mauer die einen el und schließlich bis gebildet, 1 Heft Der Limes10/2016 Weitem übertroffen: Nach 20 20 Nach Weitem übertroffen: auf man stieß cm bei Erwartungen alle wurden Abtiefen weiteren Mauer. Beim zur parallel annähernd verläuft ser Die- entdeckt. Palisadengrabens des ten Anzeichen ers- die 1 Überdeckung einer unter m starken stand 6 in und m Ab- gegraben tiefer ebenfalls Bereichen dennördlichen in wurde Erkenntnis dieser Nach DIE PALISADE ossen. Westlich davon haben sich die Sedimente Sedimente die sich haben davon Westlich ossen. zur Lösung des Puzzles liefern werden. werden. liefern Puzzles des Lösung zur Hinweise wichtige sicher die werden, ausgewertet Proben naturwissenschaftlichen die erst müssen derBefunde Interpretation und de Auswertung umfassen- eine Für Überlegungen. lediglich dings aller- das sind Gegenwärtig markierte. Grenze die (= Fuß 1römischen 29,9 ca. mit Lücken cm) breiten hoherZaun ein eherwie sondern nen dargestellt, Rekonstruktio- allen in wie ist, gewesen Holzwand geschlossene keine wohl Forst Hienheimer im hier Palisade die dass folgt, Ergebnis erstes Als halten. ge- aufrecht und abgestützt möglicherweise mente Seg- diese hat stand, Graben Richtung schräg und der1,80 derPfahlreihe Pfosten, m südlich Ein stellt. ge- diesen in Zwischenverbindungen mit Pfosten aus Bauelemente vorgefertigte womöglich sie ben ha- Danach ausgehoben. Graben tiefen mer einen Rö- die haben Zuerst rekonstruieren: folgt wie derBau sich lässt Zeitpunkt gegenwärtigen Zum zeigen. vonProben Analyse die soll verbrannten, nicht diese Warum werden. entdeckt standen, ander zuein- 20–30 Abstand in cm die Pfosten, verbrannten vonun- Reste die konnten Balken den verkohlten Zwischen anzeigt. Boden gefärbte Feuer rot durch der wie verbrannt, Stelle und Ort an sind de und Grabenwän- derbeiden entlang gen hauptsächlich la- Diese Holzarten. unterschiedlichen aus Balken bearbeiteter verschiedener Reste die um hierbei sich handelt Es wurden. gefunden anderliegend überein- Lagen mehreren in die Hölzer, verbrannte die Pfosten derPalisade. tig derGrubenwand, dazwischen verbrannte Holzbalken beidsei- Laimerstadt. AnOrtundStelle Rechts: Palisadengrabens. in derVerfüllung des balken undPfostenstrukturen Laimerstadt. Verkohlte Holz- Links:

SEITE 29 AUSGRABUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 30 SEITE

ERGEBNIS Durch die frühzeitig durchgeführte Grabung noch im Planungsverfahren der Pipeline ist es nun mög- lich, die Trasse der neuen Gasleitung näher an die bereits bestehende heranzuführen. Die Baumaß- nahmen beschränken sich somit auf jene Bereiche des Bodendenkmals, die bereits in den 1970er Jah- ren zerstört wurden. Nach Grabungsende wurden sämtliche nicht durch den Bau berührten Bereiche konservatorisch überdeckt, so dass der Limes zu- künftigen Generationen erhalten bleibt. An dieser Stelle wollen wir uns bei der OGE und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpfl ege bedanken, die uns bei dieser durchaus schwierigen Grabung unterstützt haben und die Finanzierung der naturwissenschaftlichen Analysen überneh- men. Ebenso sei dem Waldbesitzer gedankt, der bei seinen Arbeiten immer Rücksicht auf die Archäolo- Laimerstadt. Nordteil von Profi l 6 in Schnitt 3. gen genommen hat. Er war am Ende so begeistert vom Limes in seinem Wald, dass er anbot, Bäume zu fällen, die eine unmittelbare Gefahr für die Mau- er darstellten. Somit wird der Grenzverlauf nach knapp 2000 Jahren wieder durch eine Schneise er- lebbar. Das Denkmal wird dadurch optimal ge- schützt und stellt auch zukünftig ein eindrückli- ches Zeugnis des römischen Herrschaftsanspruches

Eines der größten Rätsel am Obergermanischen Limes ist die F rage nach dem genauen V erlauf der Sperranlagen im Bereich des Kastellstandortes Welzheim. Bei einer gezielten Baggersondage wurde nun ein neuer Limesabschnitt entdeckt, der eine Lösung des Problems verspricht. dar. Durch die Sensibilisierung der Bürger vor Ort VON MARCUS G. MEYER wird die Archäologie zum wichtigen Instrument der Denkmalpfl ege und des Denkmalschutzes.

Andreas A. Schafl itzl M.A. Ingolstadt andreas.schafl [email protected]

Prof. Dr. Alexander Heising Institut für Archäologische Wissenschaften, Abt. für Provinzialrömische Archäologie Laimerstadt. Die Mauer war in Schnitt 3 noch sechs Lagen hoch erhalten. der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg [email protected]

Dr. Matthias Leicht M.A. Fa. ADA Archäologie GbR Weißenburg [email protected]

Laimerstadt. Blick über den Schuttwall entlang des Mauerverlaufes. Der Limes 10 / 2016 Heft 1 SEITE 31

EIN NEUER LIMESKNICK

EINEM RÄTSEL AUF DER SPUR. ZUM LIMESVERLAUF BEI WELZHEIM

Eines der größten Rätsel am Obergermanischen Limes ist die Frage nach dem genauen Verlauf der Sperranlagen im Bereich des Kastellstandortes Welzheim. Bei einer gezielten Baggersondage wurde nun ein neuer Limesabschnitt entdeckt, der eine Lösung des Problems verspricht. VON MARCUS G. MEYER

Mainz

Welzheim DIE BESONDERE LAGE VON WELZHEIM UND DER LIMESVERLAUF Welzheim war von 160 bis 260 n. Chr. der bedeu- tendste Militärplatz am südlichen Obergermani- schen Limes, über den schon vieles bekannt ist. a Unklar blieb jedoch bislang der Limesverlauf, da im heutigen Stadtgebiet trotz rund 120-jähriger Suche der Nachweis des Sperrwerks über meh- Limes rere Kilometer fehlt. Würde man den üblichen Kleinkastell geradlinigen Verlauf des Limes verlängern, wür- Rötelsee den das Ostkastell, Teile des Lagerdorfs und des zugehörigen Gräberfeldes außerhalb des Limes liegen. Da das unwahrscheinlich ist, war hier entweder die Linie unterbrochen, oder die Rö- mer haben den Limes um den Ort herumge- führt. b DIE SITUATION NÖRDLICH VON WELZHEIM Beim Kleinkastell Rötelsee ca. 0,8 km nördlich von Welzheim befi ndet sich der bislang letzte Li- mesnachweis. Während der Ausgrabung 1974 wurden dort sowohl der ältere Palisadengraben wie auch der dahinterliegende jüngere Große

Graben dokumentiert. Die Sperranlagen liegen 0 100 m hier an einem alten Feldweg, der nach Norden N L 1080 auf vielen Kilometern dem Limes folgt. Südöst- lich des Kleinkastells knickte dieser Feldweg früher in einem stumpfen Winkel nach Südosten ab. Verlief der Weg auch hier ursprünglich am Der neue Limesknick bei Welzheim. Das 1974 freigelegte Kleinkastell Rötelsee und der Schnitt durch den Limes entlang? Sowohl in Luftbildern als auch in Limes (a) sowie der Grabungsschnitt von 2015 (b) mit dem Verlauf von Palisadengraben (blau) und dem der Geomagnetikmessung zeigt sich ein Befund. Großen Graben (rot), nachgewiesen durch Grabungen, Luftbilder und Geophysik. AUSGRABUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 32 SEITE

Palisade gesichert / vermutet Die Spur wurde jedoch bislang als Überrest des Wall-Graben gesichert / vermutet aufgegebenen Weges interpretiert, auch deswegen, Fluss als Grenzlinie vermutet weil auf Luftbildern westlich davon ein lineares Be- wuchsmerkmal zu erkennen ist, bei dem es sich um die geradlinige Fortsetzung des Palisadengrabens handeln könnte. Ein Grabungsschnitt durch sämtliche angespro- chenen Befunde sollte im Oktober 2015 zur Klä- rung der offenen Fragen bezüglich des Limesver- laufs verhelfen. Die Maßnahme war Teil eines Pro- jektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu den Welzheimer Militäranlagen.

DIE PALISADE Der Palisadengraben der älteren Phase fand sich südlich des Kleinkastells Rötelsee tatsächlich in der geradlinigen Verlängerung der 1974 nachgewie- senen und durch Bewuchsmerkmale gekennzeich- neten Flucht. Die Verfüllung bestand aus Lehm und zahlreichen Bruchstücken des vor Ort anstehen- den Angulatensandsteins. An einer Stelle fanden sich Holzkohle und feuergerötete Steine. Diese könnten von einer Feuerstelle stammen, deren Res- te beim Bau der Palisade oder ihrer Entnahme in den Boden gekommen sein dürften. Eine 14C-Probe lieferte ein Datum von cal. AD 2–125. Das vergli- chen mit dem für 160/165 n. Chr. angenommenen Limesbau hohe Alter deutet an, dass die Probe aus dem Kernholz alter Baumstämme stammte. Dem- nach könnte es sich um Überreste der Palisaden- hölzer handeln, die man vor Ort (beim Abriss?) ver- feuert hat.

DER GRABEN 0 1 km N Der Große Graben kam nicht wie ursprünglich an- genommen bei der Palisade, sondern mehrere Me- ter östlich davon zum Vorschein. Er verlief zudem  nicht parallel, sondern in einem Winkel von Der Limes bei Welzheim. Der unterschiedliche Verlauf von Palisade und Wall-Graben im Bereich der 36 Grad. Damit ist geklärt, dass Luftbild und Geo- heutigen Stadt nach den neuen Ausgrabungen von 2015. — Römische Zivilsiedlung (rot), Gräberfeld magnetik-Messbild doch den Limesgraben wieder- (orange) und heutige Bebauung (grau). geben, dem der Feldweg ursprünglich auch hier folgte. Wahrscheinlich verlief er auf der zum Gra- ben gehörenden Wallanschüttung, von der sich kei- ne Spuren mehr nachweisen ließen. Die im Magne- togramm erkennbare Stelle, wo der Graben vom DFG-PROJEKT üblichen Verlauf nach Südosten abknickt, befi ndet Der römische Militärplatz von Welzheim. Auswertung der archäologischen sich 90 m südlich des Kleinkastells Rötelsee. Der Forschungen 1974—2006 Spitzgraben, dessen Sohle man in den anstehenden Ziel des Projektes ist die Erforschung der regionalen und überregionalen Bedeutung des Kastellplatzes. Sandstein geschlagen hatte, war überwiegend mit Der Fokus liegt dabei auf den drei unterschiedlichen Militäranlagen: dem großen Alenlager (Westkastell), Lehm verfüllt. Etwa 1 m über der Sohle zeigte sich dem Numeruskastell (Ostkastell) und dem Kleinkastell Rötelsee. Dahinter steht die übergreifende Frage ein dünnes Band aus Holzkohle, das mittels 14C-Me- nach der Organisation der Grenzsicherung und ihrer Entwicklung. Auch der Unterbrechung bzw. dem tat- thode auf cal. AD 653 – 768 datiert wurde. Der Gra- sächlichen Verlauf des Limes bei Welzheim soll in diesem Zusammenhang nachgegangen werden. Die ben existierte somit mindestens bis in das Früh- Sichtung der Befunde und Funde der Zivilsiedlung im Umfeld der Kastelle rundet das Projekt ab. mittelalter als deutlich sichtbare Geländemarke. Der Limes 10/2016 Heft 1 SEITE 33

Welzheim. Der 1,25 m tiefe Palisadengraben der älteren Phase. Gut Welzheim. Der 2,30 m tiefe und noch bis 5,80 m breite Große Graben erkennbar ist der verfüllte Bereich mit Holzkohle und feuergeröteten der jüngeren Phase. Sandsteinen. LITERATUR

E. Schallmayer, Zur Limes- palisade im 3. Jahrhundert ZWEIMAL LIMES WALL-GRABEN ALS VERSTÄRKUNG n. Chr. Funktion und Deu- Der Limes bei Welzheim besitzt also zwei unter- DES LIMES? tung. In: Ders. (Hrsg.), Limes schiedliche Linien, und zumindest die jüngere mit Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob der Große imperii Romani. Beiträge dem Spitzgraben weicht vom üblichen geraden Graben eine nachträgliche Verstärkung des Limes zum Fachkolloquium „Welt- Verlauf ab. Die Geradlinigkeit des rund 80 km lan- darstellt und als Ergänzung zu der Palisade zu be- kulturerbe Limes“, November gen Teilstücks von Walldürn bis zum Haghof ist ge- trachten ist – so die traditionelle Vorstellung, die 2001 in Lich-Arnsburg. Saal- radezu das Markenzeichen des äußeren Limes. Nur auch in vielen Rekonstruktionen zu fi nden ist – burg-Schriften 6 (Bad Hom- bei Gleichen war bislang eine Abweichung davon oder ob es sich bei dem Erdwerk lediglich um den burg v. d. H. 2004) 29–45. bekannt; nun kommt bei Welzheim eine weitere, Ersatz für die Palisade handelt, die im Laufe der zudem großräumigere hinzu. Diese jüngere Phase Zeit marode geworden war. Durch die aktuellen M. Reuter, Lag das Welzhei- des Sperrwerks – nach heutiger Auffassung vom Welzheimer Untersuchungen wird nun deutlich, mer Ostkastell tatsächlich Anfang des 3. Jahrhunderts – knickte südlich vom dass Palisade und Wall-Graben hier tatsächlich außerhalb des Limes? — Kleinkastell Rötelsee nach Osten hin um und ende- zwei sich ablösende Elemente des Limes sind! Überlegungen zur Geschichte te vermutlich an dem kleinen Fluss Lein. Ab hier des römischen Militärlagers dürfte der Fluss, nach Süden führend, die Grenzli- von Welzheim. Jahreshefte nie gebildet haben. Erst südlich von Welzheim, Historischer Verein Welzhei- wohl beim Zusammenfl uss von Ropbach und Lein, mer Wald 13, 2009, 10–15. setzte sich die Grenze wieder wie üblich mit Palisa- de, Wall und Graben in einer Linie fort. M. G. Meyer, Welzheim. In: Die ältere Phase des Obergermanischen Limes, die S. Mateši´c/C. S. Sommer Palisade, führte von Norden her zunächst noch Dr. Marcus G. Meyer (Hrsg.), Am Rande des Rö- weiter auf das heutige Welzheimer Stadtgebiet zu. Landesamt für Denkmalpfl ege im Regierungspräsidium Stuttgart mischen Reiches: Ausfl üge Zur Klärung des anschließenden Verlaufs bedarf Esslingen a. N. zum Limes in Süddeutsch- es zukünftiger Untersuchungen. [email protected] land. Beiträge zum Welterbe Limes, Sonderband 3 (Bad Homburg v. d. H. 2015) 62–67.

M. Reuter/A. Thiel, Der Limes. Auf den Spuren der Römer (Darmstadt 2015) 93. AUSSTELLUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 34 SEITE

LEGIONEN UND HILFSTRUPPEN

IM DIENSTE DES KAISERS — ROMS SOLDATEN IM KLEINFORMAT

Eine Ausstellung des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg, des Limesmuseums Aalen, des Limeseums Ruffenhofen und des Römermuseums Osterburken. KONZEPTION: THOMAS KURTZ 22. Mai bis 18. Dezember 2016 18. Dezember bis Mai 22. Ruffenhofen: Limeseum unterwegs Armee –Die demMarsch Auf TEIL 2: 2016 Oktober 30. bis Juni 26. Osterburken: Römermuseum 2016 Juni 19. bis Februar 28. Aalen: Limesmuseum Hilfstruppen und Von Legionen – Disziplin und Ordnung TEIL 1: Limes. UNESCO-Welterbe am Vermittlungsorte zentrale sind Häuser drei Alle gezeigt. Baden-Württemberg und Bayern in seen Mu- verschiedenen drei in Schwerpunkten tischen thema- unterschiedlichen mit wird Ausstellung Die Graham Sumner. Zeichners berühmten des derFeder aus bensgröße Le- in Soldaten vielen Augenhöhe auf Besucher der begegnet Daneben Kurtz. Thomas Sammlung der aus Dioramen weitere und Aufbau ger im Marschla- ein Kohorten, marschierende einheiten, ordnung (ca. 5400 Zinnfi Schlacht- in Legion aufgestellten vollständig einer neben sich präsentieren Ausstellung konzipierten Englisch und Deutsch in derumfangreichen, In wird. überdeutlich aber Romanum Imperium des Machtapparates gegliederten straff des Teil als Funktion dessen können, struieren fi nur zwar wir Namen persönlichen sen des- Soldaten, römischen einen für dabei steht ren Zinnfi großen Zentimeter wenige dernur Jede können. werden gezeigt eindrucksvoll Ausstellung dieser in sie wie an, Visualisierung zur ge Modelle kleinformati- sich bieten wäre, überfordert Gruppe Reenactment- beste die auch allerdings hiermit Da gegenübersteht. Material und Tieren schen, Men- an Masse schiere die ihm wenn bewusst, erst Betrachter demheutigen wird setzen, zu Marsch in und auszurüsten zuletzt nicht und trainieren zu ordnen, zu Legion einer Soldaten 6000 bis 5000 die recht erst oder Mann 1000 bis von500 Ala eine oder Kohorte eine bedeutet, konkret Was jedoch es stationiert. Soldaten 45 rund zusammen mit 000 Auxiliareinheiten 50 über und n. Legionen drei Chr. Jahrhunderts 2. des Ende waren Raetien und Obergermanien in lein Al- unterhalten. zu von 200 300 Soldaten bis 000 000 Heer stehendes ein Zeiträume lange über war, Lage der in es wobei Weltreich, ein Jahrhunderte über Rom beherrschte und eroberte Armeen seinen Mit 1 Heft Der Limes10/2016 guren) auch ganze Reiter- ganze auch guren)

ktiv rekon- gu- Di—Fr 10—16 Uhr, Sa,SoundFeiertage 11—17 Uhr, Mo (außer Feiertage) und24. 12.—6. 1. geschlossen Römerpark Ruffenhofen 1 LIMESEUM RUFFENHOFEN Di—So 10—18 Uhr, anFeiertagen auchmontags Römerstraße 4 Zweigmuseum desArchäologischen Lande RÖMERMUSEUM OSTERBURKEN Di—So 10—17 Uhr, anFeiertagen auchmontags St.-Johann-Straße 5·73430 Aalen Zweigmuseum desArchäologischen Lande LIMESMUSEUM AALEN · 74706 Osterburken · 91749 Wittelshofen · Tel. 07361-52 82 87-0 ·[email protected] · Tel. 06291-41 52 66 smuseums Baden-Württemberg smuseums Baden-Württemberg · Tel. 09854-979 92 42 · [email protected] · [email protected]

SEITE 35 TAGUNG Der Limes 10/2016 Heft 1 36 SEITE

TRADITIONSVERANSTALTUNG ZU GAST IN DEUTSCHLAND 23. INTERNATIONALER LIMESKONGRESS IN INGOLSTADT

Kaum eine Veranstaltung der provinzialrömischen Archäologie kann auf eine derart lange Tradition zurückblicken wie der „Congress of Roman Frontier Studies“. Bereits seit 1949 fi ndet der stetig wachsende Internationale Limeskongress an wechselnden Orten innerhalb der Grenzen des Römischen Reiches annähernd alle drei Jahre statt. VON SUZANA MATEŠIC´

Mehr als 30 Jahre, nachdem der 13. Limeskongress zum Limes in Süddeutschland in deutscher und 1983 in Aalen getagt hatte, fand die traditionsreiche englischer Sprache erstellt, der als Sonderband 3 in Veranstaltung mit dem 23. Internationalen Limes- der Reihe „Beiträge zum Welterbe Limes“ erschie- kongress in Ingolstadt wieder in Deutschland statt, nen ist (siehe Buchtipps). gemeinsam ausgerichtet vom Bayerischen Landes- Abgerundet wurde das vielfältige Programm amt für Denkmalpfl ege und der Deutschen Limes- durch diverse abendliche Empfänge: den Staats- kommission. empfang des Bayerischen Staatsministeriums für Vom 14. bis 20. September 2015 fanden sich an der Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, einen Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) ca. 350 Empfang der Stadt Ingolstadt sowie die Empfänge Wissenschaftler aus 30 Nationen ein, um sich mit der Städte Weißenburg, Manching und Regens- den vielfältigen und interdisziplinären Themen burg. Überall wurden wir gastlich und herzlich rund um den Limes auseinanderzusetzen. Das empfangen, was angesichts der Größe der Reise- Spektrum der Sitzungsthemen reichte unter ande- gruppe mitunter eine logistische Herausforderung LITERATUR rem von der Ernährung der Soldaten, Müll und da- darstellte. raus zu gewinnenden Erkenntnissen, Bewirtschaf- Besonders reisefreudige Teilnehmer hatten zudem S. Sulk, Von Newcastle nach tung in den zugehörigen Zivilsiedlungen, Baumate- die Möglichkeit, während einer am 12. und 13. Sep- Ingolstadt — Der XXIII. Inter- rialien für Lager, Betrachtung der Holzbauphasen tember stattfi ndenden Vorexkursion den Donauli- nationale Limeskongress von Lagern über römische Soldaten und ihre Reli- mes und damit Künzing, Passau, Straubing und die fi ndet 2015 in Bayern statt. gion sowie Sexualität an der Grenze bis hin zu offe- Walhalla in Donaustauf zu besuchen. Das Ziel der Berichte der Bayerischen nen und geschlossenen Grenzen und in die Tiefe Nachexkursion vom 21. bis 23. September im An- Bodendenkmalpfl ege 54, wirkenden Grenzsystemen. An vier Sessiontagen schluss an den Kongress waren der Raetische und 2013, 183–189. wurden etwa 210 Vorträge in jeweils vier parallel Obergermanische Limes in Baden-Württemberg, stattfi ndenden Sessions an der THI gehalten. Er- unter anderem mit den Kastellorten Rainau, Aalen, P. Henrich/S. Sulk, 23. Inter- gänzt wurden diese durch ca. 50 Poster, die wäh- Schwäbisch-Gmünd, Mainhardt und Osterburken. nationaler Limeskongress rend einer separaten Postersession ausgiebig dis- Wir freuen uns, dass so viele internationale Wis- 2015 in Bayern mit einer kutiert wurden, und durch eine Festschriftüberga- senschaftler den Weg nach Ingolstadt auf sich ge- Liste der Limeskongresse. be an Bill Hanson sowie eine Buchpräsentation des nommen haben, und wir möchten an dieser Stelle Der Limes 2013, Heft 1, Tagungsbandes des vormaligen Kongresses 2012 in noch einmal all unseren Helfern, Sponsoren und 36–37. Ruse, Bulgarien (siehe Buchtipps). Unterstützern danken, die zum Gelingen dieser au- Im Wechsel mit Sessiontagen fanden Exkursionsta- ßergewöhnlichen und vielfältigen Veranstaltung S. Matešic´/C. S. Sommer, ge statt, an denen die wichtigsten Museen in der beigetragen haben. Am Rande des Römischen Region, die am besten erhaltenen und präsentier- Reiches — Ausfl üge zum ten Stätten am Bodendenkmal Limes und zwei zu Limes in Süddeutschland. dieser Zeit laufende Grabungen besucht wurden. Beiträge zum Welterbe Dabei gab es auch Gelegenheit zu Wanderungen Dr. Suzana Matešic´ Limes, Sonderband 3 (Bad entlang des Limes, und eine Schiffsfahrt auf der Do- Deutsche Limeskommission Homburg v. d. H., München nau war ebenfalls vorgesehen. Speziell für den Saalburg, Bad Homburg v. d. H. 2015). Kongress wurde im Vorfeld ein Exkursionsführer [email protected] Der Limes 10/2016 Heft 1 Heft Der Limes10/2016

SEITE 37 Der Limes 10/2016 Heft 1 38 SEITE BUCHTIPPS

Sonderband 3 Suzana Matešic´/C. Sebastian Sommer (Hrsg.) Marcus Reuter/Andreas Thiel Lyudmil Vagalinski/Nicolay Sharankov

Am Rande des Römischen Reiches Am Rande des Römischen Reiches — Der Limes. Auf den Spuren (Hrsg.)

Ausfl üge zum Limes in Süddeutschland

BEITRÄGE ZUM WELTERBE LIMES Ausfl üge zum Limes in Süddeutschland der Römer Limes XXII. Proceedings of the 22nd Beiträge zum Welterbe Limes Sonderband 3 Konrad Theiss Verlag, International Congress of Roman In deutscher und englischer Sprache erhältlich Darmstadt 2015 Frontier Studies, Ruse, Bulgaria, Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, ISBN: 978-3806227604 September 2012 Mainz 2015 49,95 Euro National Archaeological Institute with ISBN (deutsch) 978-3-945751-19-0 Museum/Bulgarian Academy of Sciences, ISBN (englisch) 978-3-945751-32-9 Sofi a 2015 19,90 Euro ISSN 0323-9535 Circa 35,50 Euro

Am Rande des Römischen Reiches lung skizziert. In den drei folgenden Kapiteln zum niedergermanischen, obergermanischen und raetischen Limes kann der Leser einer Route vom Anlässlich des Internationalen Limeskongresses 2015 in Ingolstadt er- Norden der Provinz Niedergermanien in den Niederlanden bis hin zur Gren- schien der dritte Sonderband der Reihe „Beiträge zum Welterbe Limes“ ze nach Österreich folgen, wo Passau an der Donau das östliche Ende der als Exkursionsführer zu den schönsten und bedeutendsten Ausfl ugszie- Provinz Raetien markierte. Alle wichtigen Etappen sind mit größtenteils len am Limes in Süddeutschland. Namhafte Archäologen beschreiben in hervorragenden Abbildungen vertreten und durch besondere Funde illus- den einzelnen Beiträgen verständlich und informativ historische Hin- triert. Kleinere Infokästen beleuchten schlaglichtartig aktuelle Fragen der tergründe und wissenschaftliche Aspekte sowie insgesamt 41 Fundstät- Forschung oder vertiefen einzelne Aspekte des Lebens am Limes. Das letz- ten am Limes. te Kapitel behandelt das Ende des Limes in römischer Zeit und das verän- Im ersten Teil erhält der Leser in sieben Kapiteln grundlegende Informa- derte Konzept der Reichsgrenzen in der Spätantike. Ein Überblick über die tionen, die zum Verständnis der römischen Grenze beitragen. Dieser Forschungsgeschichte ist für das Verständnis der Rolle des Limes in heuti- Block geht weit über eine gewöhnliche Einführung hinaus: Auf die Dar- ger Zeit unerlässlich und rundet den sehr gelungenen Überblick über den stellung der Geschichte und Struktur des Limes sowie archäologischer aktuellen Stand der Limesforschung zusammen mit einem kleinen Glossar Fragestellungen folgen knappe Erläuterungen zur Heeresstruktur, An- ab. Lediglich die Literaturliste am Ende des Buches hätte etwas struktu- lage und Funktion von Kastellen und Wachttürmen. Abschließend wer- rierter gestaltet werden können, um die einzelnen Kapitel leichter vertie- den die naturwissenschaftlichen Prospektionsmethoden der Geomag- fen zu können. netik und des Airborne Laserscanning erklärt, durch die in den letzten Neben den ansprechenden Abbildungen und dem klaren Layout punktet Jahren wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden konnten. der Band mit einer sehr gut verständlichen Schreibweise, die vielen ar- Der größte Teil des Buches ist jedoch den verschiedenen Fundorten ge- chäologie- und geschichtsbegeisterten Lesern mit Sicherheit schöne Stun- widmet. Jeder einzelne wird in einem Textteil beschrieben, daneben den mit dem Buch und vor Ort bescheren wird. sind die wichtigsten Fakten übersichtlich in einem separaten Kasten SIMON SULK aufgeführt. Ein Kartenausschnitt und eine Vielzahl von Bildern veran- schaulichen mit einem Blick Lage und Aussehen des Fundplatzes und präsentieren dazu Fundstücke und Ergebnisse der neuesten Forschun- Limes XXII. Proceedings of the 22nd Internatio- gen. Ein Verzeichnis der Museen fi ndet sich neben weiteren Hinweisen nal Congress of Roman Frontier Studies im Anhang. Als informativer und handlicher Exkursionsführer (er passt in jeden Rechtzeitig zum 23. Internationalen Limeskongress 2015 in Ingolstadt Rucksack!) ist dieses Buch nahezu ein Muss für jeden, der den römi- erschienen mit diesem Band die Vorträge der vorangegangenen Tagung schen Limes erkunden möchte. Indem er die umfangreichen wissen- von 2012 in Ruse, Bulgarien, im Druck. Die 966 Seiten des solide einge- schaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre in einem Band vereint, ge- bundenen Werks enthalten außer dem Inhaltsverzeichnis und einem re- winnt der Führer zusätzlich an Bedeutung. 2000 Jahre Geschichte kordverdächtig kurzen Vorwort (fünf Zeilen!) insgesamt 119 Beiträge; werden somit topaktuell präsentiert! auf den Abdruck des Tagungsprogramms und einer Teilnehmerliste MIRIAM ETTI wurde verzichtet. Entsprechend der Struktur des Kongresses sind die Texte in neun Themenblöcken angeordnet, wobei – wenig verwunderlich – knapp die Hälfte der Rubrik „Fortifi cations and Soldiers“ angehört. Die Der Limes. Auf den Spuren der Römer Übrigen verteilen sich auf die Abschnitte „Veterans on the Frontiers“, „Families and Dependents of Soldiers“, „Civil Settlements, Roads and Mit dem edel ausgestatteten, großformatigen Buch legen die Autoren Mar- Trade“, „Religion and Burial Rites“, „Rome and Barbaricum“, „Interdisci- cus Reuter und Andreas Thiel ein neues populärwissenschaftliches Werk plinary Researches“, „Remote Sensing on Roman Frontiers“ sowie „Run- zur römischen Grenze vor. Beide Verfasser sind ausgewiesene Experten ning and Expanding the World Heritage Site“. Wie die Überschriften be- auf dem Gebiet der Provinzialrömischen Archäologie. Das erste, umfang- reits andeuten, sind 90 Prozent der Beiträge auf Englisch abgefasst, oft reiche Kapitel widmet sich den geschichtlichen Rahmenbedingungen der auch von deutschsprachigen Autoren; hinzu kommen neun auf Deutsch Entstehung des Limes. Die Eroberungen Caesars und die Okkupation der und drei auf Französisch. Innerhalb der Sektionen sind die Aufsätze in Gebiete des heutigen Westdeutschlands unter Augustus und dessen Nach- bewährter Form geographisch von Nordwest nach Südost und sodann folgern bis zur Errichtung der Grenzlinie unter Kaiser Trajan nehmen den Nordafrika angeordnet. Die Verfasser kommen aus ganz Europa, aber größten Raum ein, auch die ersten Krisenzeiten werden in ihrer Entwick- auch aus Nordamerika, Jordanien und dem Iran und decken somit fast Der Limes 10/2016 Heft 1 SEITE 39

Siegbert Huther Stefan F. Pfahl Der römische Weihebezirk von Osterburken III Provinzialprägungen des Ostens aus der Bd. 1.1 und 1.2 Die Holzbauwerke; Bd. 2 Kompendium Zeit von Augustus bis Gallienus im römi- zum römischen Holzbau schen Westen Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Verlag Dr. Rudolf Habelt, Bonn 2015 Baden-Württemberg 127 ISBN 978-3-7749-3943-1 Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2014 69,00 Euro ISBN-13: 978-3-8062-2973-8 104,00 Euro

alle Grenzprovinzen des Römischen Reiches ab. Wie auch in anderen würdigen Abschluss der Auswertung der umfangreichen und besonde- Sammelwerken dieser Art sind die einzelnen Arbeiten teils mehr, teils ren Baubefunde im Weihebezirk von Osterburken. Darüber hinaus weniger tiefgründig; Grabungsberichte und Analysen zu einzelnen schafft das Werk ein festes Fundament für weitere Forschungen zum Fundgruppen stehen neben Synthesen längerer Forschungen. Die Qua- Baustoff Holz in der Römerzeit. lität der – nur in Ausnahmefällen farbigen – Abbildungen und Pläne ist JÖRG SCHEUERBRANDT hierbei zumeist gut bis sehr gut. Der Wert des Bandes liegt eindeutig in seiner Überblicksfunktion; nir- gendwo sonst fi ndet man eine so materialreiche Zusammenfassung ak- Provinzialprägungen des Ostens aus der Zeit tueller Forschungsergebnisse zum gesamten Limes und darüber hin- von Augustus bis Gallienus im römischen aus. Westen MARTIN WIELAND Im Osten des Römischen Reiches gab es in der Zeit von Augustus bis Gal- lienus eine pseudo-autonome Münzprägung. Rund 530 verschiedene Der römische Weihebezirk von Osterburken III Autoritäten prägten überwiegend Kupfermünzen zur Deckung des örtli- chen Kleingeldbedarfs. In älterer hellenistischer Tradition stehend, ent- Fast 30 Jahre nach dem Ende der Grabungen hat Siegbert Huther in ei- sprachen diese Münzen weder im Nominal noch in der Darstellung der nem gewaltigen Werk die Auswertung der Baubefunde aus dem Weihe- römischen Reichsprägung. Die Arbeit von Stefan F. Pfahl deckt vier zu- bezirk der Benefi ciarier in Osterburken vorgelegt. Die Masse der unter sammenliegende regionale Bereiche ab: die Region südlich des Rhein- dem Grundwasserspiegel besonders gut erhaltenen Befunde und das Donaulimes, Zivilstadt und Militärlager Carnuntum, das zivil geprägte archäologisch nur selten anzutreffende Baumaterial Holz lassen ein linksrheinische Gebiet und schließlich das Barbaricum nordöstlich von wichtiges Buch erwarten. Rhein und Donau ohne ausgeprägte Münznutzung. Band 1, unterteilt in je einen separaten Text- und Abbildungsband, legt Grundsätzlich kommen die Ostprägungen aufgrund ihres lokalen Cha- die Baubefunde im Detail vor: Im Areal des Tempelbezirkes ließen sich rakters als Funde selten vor. Der Katalog umfasst 1173 provinzielle Ost- insgesamt zehn verschiedene Bauphasen nachweisen. Auf eine vorrö- prägungen, unterteilt in 1003 Einzelfunde, 87 Grabmünzen, 56 Münzen mische Phase, bestehend aus der Quelle und dem Baumbestand, folgen aus Schatzfunden, 26 Weihemünzen und 1 Mittelkupfer des Alexander acht dendrochronologisch in den Zeitraum von etwa 160 bis etwa 238 Severus aus Nicaea, das sich auf dem Kampfplatz am Harzhorn in Nie- n. Chr. datierte Bauphasen eines mehrfach neu- und umgebauten römi- dersachsen fand. Verdienstvoll ist allein schon die Erstellung dieses Ka- schen Quellheiligtums. In der Schwemmschicht, die das Ende der römi- taloges, der durch die höchst sorgfältige Dokumentation sämtlicher An- schen Nutzung markiert, waren als zehnte Phase nachrömische Nut- gaben zu Münzen und Fundsituationen noch an Wert gewinnt. Die zungsspuren sowie Hinweise auf Steinraub feststellbar. Alle Befunde Anordnung innerhalb der vier Untersuchungsgebiete erfolgt chronolo- – Bohlenwege, Zäune, Wasserbauten, Tempel und andere Gebäude – wer- gisch, also jeweils von Augustus bis Gallienus. den vorgestellt, am Schluss folgen Rekonstruktionsvorschläge und Be- Die Auswertung stützt sich auf die Sortierung des Fundmaterials in 57 fundpläne der Gebäude sowie des gesamten Grabungsareals. Im Detail Tabellen, vier Karten und vier Histogrammen. Hier setzt Pfahl die Her- werden die in Osterburken verwendeten Bauweisen, Konstruktionen kunftsländer und die Zielgebiete der Ostmünzen in Relation. Eine Son- und Holzverbindungen beschrieben. Aus der Kenntnis des Details folgen derrolle spielte die Münzstätte Viminacium in Moesia superior (Stari Aussagen und Überlegungen zu Planung, Baurecht und Nutzung im Kostalc in Serbien) seit Gordian III., die offenbar eigens für die Geldver- vicus. sorgung im Donauraum prägte. Von dort stammt der halbe Provinzbe- Band 2, das Kompendium zum römischen Holzbau, liefert zusätzlich die stand aus Carnuntum und viele Funde von der oberen Donau mit Quintessenz jahrzehntelanger Beschäftigung des Autors mit der Holz- Schwerpunkt Regensburg. Besonderen Wert legt der Verfasser auf die bearbeitung der Römer. Alle bei der Arbeit mit den Befunden aus Oster- Frage, welche Wege in den Westen die Münzen genommen haben und burken gewonnenen Informationen zum Holz selbst, zur Holzgewinnung welche Rolle sie dort im Zahlverkehr spielten. und zum Transport, zur Weiterverarbeitung und der Verwendung als Mit dieser geordneten Materialvorlage und gut strukturierten Auswer- Baustoff, ferner zu Holzkonstruktionen, Holzverbindungen und dem tung der Funde provinzialer Ostprägung im Limesgebiet ist das vorlie- spezifi schen Werkzeug wurden gesammelt und in diesem Band gende Werk ein wichtiger Beitrag zur Fundmünzenauswertung im wei- vorgestellt. ten Raum zwischen Euphrat und Rhein. Zusammengenommen bilden die beiden Bände einen umfassenden und FRANK BERGER DEUTSCHE LIMESKOMMISSION Dr. Suzana Mateši´c Geschäftsführerin Römerkastell Saalburg, 61350 Bad Homburg Tel. 06175 - 93 74 34 [email protected] www.deutsche-limeskommission.de

ARCHÄOLOGISCHE INFORMATIONEN ZUM LIMES

NORDRHEIN-WESTFALEN Steve Bödecker M.A. LVR-Amt für Bodendenkmalpfl ege im Rheinland Endenicher Str. 133, 53115 Bonn [email protected]

RHEINLAND-PFALZ Dr. Peter Henrich Generaldirektion Kulturelles Erbe Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Koblenz Niederberger Höhe 1, 56077 Koblenz [email protected]

HESSEN Dr. Kai Mückenberger hessenARCHÄOLOGIE Schloss Biebrich, 65203 Wiesbaden [email protected]

BADEN-WÜRTTEMBERG Dr. Stephan Bender Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpfl ege Berliner Straße 12, 73728 Esslingen am Neckar [email protected]

BAYERN Dr. Markus Gschwind Bayerisches Landesamt für Denkmalpfl ege Hofgraben 4, 80539 München [email protected]