Stadtplanung

Von der Kaserne zum Stadtquartier Zur Konversion von Militärflächen in München

www.muenchen.de/plan Von der Kaserne zum Stadtquartier | Inhalt

Inhalt Intro 5 Grußwort: Christian Ude

6 „Alltagsschönheiten entdecken und mit neuen Bausteinen die Potenziale des Vorhandenen stärken.“ Im Gespräch mit Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk

10 Aus Konversionsflächen wird lebendige Stadt Eine Einführung von Susanne Ritter 12 „Wie ein Sechser im Lotto“. Ein Spaziergang und Gespräch mit Prof. Christiane Thalgott und Dr. Theo Waigel Porträts 17

19 Nordhaide

25 Am Ackermannbogen 31 Funkkaserne 37 Luitpoldkaserne

41 Prinz-Eugen-Kaserne

45 Kronprinz-Rupprecht-Kaserne (mit Virginia-Depot) 49 Fürst-Wrede-Kaserne 53 Bayernkaserne Erbe 57

59 Geschichte der Garnisonsstadt München, Franz Schiermeier 67 Fallbeispiel Funkkaserne: Aufgeräumt Fallbeispiel Funkkaserne: Geschützt Fallbeispiel Nordhaide: Schafe als Landschaftspfleger Fallbeispiel Nordhaide: Mittendrin statt Endstation 68 Fallbeispiel Am Ackermannbogen: Neue Nutzung für alte Gemäuer Fallbeispiel Funkkaserne: Gärtnerin der ersten Stunde 69 Fallbeispiel Prinz-Eugen-Kaserne: Abtauchen statt Abreißen Fallbeispiel Kronprinz-Rupprecht-Kaserne: Dohlentürme statt Unterhosenbunker Prozess 71

73 Militärische Konversion in München: Erfahrungen mit dem Instrument der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Dr. Marie-Luis Wallraven-Lindl 79 Von der Kaserne zum Stadtquartier: Entscheidende Entwicklungs - schritte und Erläuterungen zum Veräußerungsverfahren Axel Kunze, Jörg Musial und Monika Maucher

81 Moderation und fachliche Begleitung von Konversions- und Entwick- lungsprozessen durch die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Andreas Distler 83 Grunderwerb und Zwischennutzungen ehemaliger Kasernenareale: Ein Resümee des Kommunalreferats der Landeshauptstadt München Axel Markwardt

87 Zwischennutzung als Instrument der Stadtentwicklung: Möglichkeiten und Grenzen am Beispiel der Münchner Kasernenareale Georg Eisenreich 89 „Auf das Konzept kommt es an.“ Im Gespräch mit Christoph Fisser 90 Chancen für den Wohnungsbau, Georg Reisner

92 „Ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten.“ Im Gespräch mit Gertrud Hautum und Walter Buser 94 Zwischennutzung: Chance oder Last?, Werner Lederer-Piloty 95 Fallbeispiel Funkkaserne: Europas größte Künstlerkolonie Fallbeispiel Zwischennutzungen: Die Karawane zieht weiter

3 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Intro

Nachhaltigkeit 97 Grußwort Christian Ude, Oberbürgermeister der Stadt München 99 Freiraum, öffentliches Grün, Natur und Landschaft Susanne Hutter-von Knorring 103 Nachhaltigkeitsevaluation Nordhaide und Am Ackermannbogen Matthias Fuchs und Tobias Kern

107 Pionierflächen: Von den Frauenbelangen zum Gender Mainstreaming Dr. Marie-Luis Wallraven-Lindl 109 Von der „Kasernentram“ zur „Tram in die Parkstadt Schwabing“ Gunnar Heipp 112 Solare Nahwärme am Ackermannbogen 113 „Diese Verträge haben Pilotcharakter.“ Im Gespräch mit Prof. Karlhans Stark

116 Sozial, ökologisch und wirtschaftlich: Nachhaltigkeit im Wohnungsbau von GEWOFAG und GWG München. Gestaltung und kostengünstiges Bauen am Ackermannbogen, Gordona Sommer und Hans-Otto Kraus 118 Fallbeispiel Nordhaide: Freiraum zum Ruhen und Toben Liebe Leserin, lieber Leser, Kunst- und Kulturprojekte, verschie- Fallbeispiel Am Ackermannbogen: Spiel- und Freiräume für alle dene Modellvorhaben und engagierte 119 Fallbeispiel Funkkaserne: Ruhiger Wohnen die Region München wird über das Initiativen, die die Orte nachhaltig ge- Fallbeispiel Nordhaide: Gut versorgt Jahr 2020 hinaus weiter wachsen. prägt haben. Damit wird auch der Flächenbedarf Städtebau und Architektur 121 zunehmen, mehr Wohnungen und In den nächsten Jahren steht die Ent- 123 „Eine Frage der Qualität.“ Büros werden entstehen. Nachhaltiges wicklung weiterer Kasernenflächen Im Gespräch mit Franz Meyer und Susanne Ritter Wachstum bedeutet gleichzeitig, den wie der Luitpoldkaserne, der Prinz- Flächenverbrauch konsequent zu redu- entstandenen Quartier Nordhaide rund Eugen-Kaserne und der Bayernkaserne 125 „Das ist selten in Neubaugebieten“. Ein Rundgang durch den zieren und unbebaute, unversiegelte 5.500 Einwohnerinnen und Einwohner mit rund 100 Hektar für etwa 5.000 bis Ackermannbogen und die Nordhaide mit Friederike Meyer Flächen zu schützen. Dabei kommt ins- zwischen preisgekrönter Architektur 6.000 Wohnungen an. Sie bilden so 129 Fallbeispiel Nordhaide: Wege ins und durchs Quartier besondere den ehemals militärisch und weitläufiger Heidelandschaft. einen wesentlichen Baustein für die Fallbeispiel Am Ackermannbogen: Pioniere des ökologischen Bauens genutzten Flächen eine erhebliche Be- zukünftige Stadtentwicklung. Daneben deutung zu. Auf den ehemaligen Militärflächen werden auch die wirtschaftliche Pros- Kooperation und Partizipation 131 Nordhaide, Ackermannbogen und perität und die Förderung von Sport 133 „Wenn es so läuft, dann lohnt sich der außerordentliche Aufwand.“ Bis Anfang der 1990er-Jahre war die Funkkaserne entstand bis heute im und Bildung durch die Entwicklung der Im Gespräch mit Dr. Walter Klein Landeshauptstadt München eine der Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen ehemaligen Kasernenflächen unter- größten Garnisonsstädte der Bundes- Baurecht für über 6.300 Wohnungen stützt. Im Bereich der Kronprinz-Rup- 135 Neuland: Baugemeinschaften am Ackermannbogen, Christian Herde republik; zuvor als Residenzstadt der auf insgesamt rund 270 Hektar Fläche. precht-Kaserne werden Erweiterungs- 137 „Spezialeinheiten im einem großen Verwaltungsapparat.“ Wittelsbacher, danach im Deutschen Durch die konsequente Anwendung möglichkeiten für das Forschungs- und Im Gespräch mit Elisabeth Ziegler Kaiserreich, während des NS-Regimes insbesondere des planungsrechtlichen Innovationszentrum des Unternehmens

als sogenannte „Hauptstadt der Bewe- Instrumentariums der Städtebaulichen BMW sowie ein den gesamten Münch- 138 Fallbeispiel Am Ackermannbogen: „Offensive Zukunft“ gung“. Militärische Konversionsflächen Entwicklungsmaßnahme wurde in ner Norden versorgendes Gymnasium Fallbeispiel Kronprinz-Rupprecht-Kaserne: Neue Verfahrenswege waren schon immer ein Motor für die München eine die Gemeinwohlinte- entwickelt. Auf der ehemaligen Fürst- 139 Fallbeispiel Prinz-Eugen-Kaserne: Workshop „Open Space“ Stadtentwicklung. Ausgedehnte Kaser- ressen sichernde Vorgehensweise Wrede-Kaserne wird Baurecht für den Fallbeispiel Bayernkaserne: Planung im Dialog mit der Öffentlichkeit nen und Exerzierplätze, wie zum Bei- entwickelt. Planungsziele waren die Amateursport des FC Bayern München spiel das Marsfeld, wurden zu neuen Schaffung und Finanzierung von mög- e. V. geschaffen. Identität 141 Stadtquartieren, das Oberwiesenfeld lichst viel Wohnraum für ein breites 143 „Man muss das Aushalten lernen.“ wandelte sich zum Olympiapark, und Bevölkerungsspektrum mit den dazu- Selbstverständlich wären wir hocher- Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk im Gespräch mit Micha Purucker auf dem Gelände der Türkenkaserne gehörigen Infrastruktureinrichtungen, freut, wenn wir unsere Erfahrungen entstand die Pinakothek der Moder- die städtebauliche Neuordnung der Mi- auch noch auf den verbleibenden mili- 148 „Davon könnten alle Anwohner profitieren.“ ne. Mit dem Ende des Kalten Krieges litärbrachen und ihre Einbindung in das tärisch genutzten Flächen in München Im Gespräch mit Dr. Herbert Grebenc und den anschließenden Reformen bestehende Stadtgefüge. Entstanden anwenden könnten. 149 Fallbeispiel Am Ackermannbogen: Ein echtes „Zu-Hause“-Gefühl der Bundeswehr wurden nach und sind beispielhafte Stadtquartiere mit nach zahlreiche Kasernenstandorte hoher Lebensqualität an der Nordhaide 150 Fallbeispiel Nordhaide: Hohe Zufriedenheit aufgegeben. Bereits 1992 hat deshalb und am Ackermannbogen. Das Areal Fallbeispiel Nordhaide: Arabisch im Kirchenzentrum der Stadtrat der Landeshauptstadt der Funkkaserne folgt als nächstes. 151 Fallbeispiel Nordhaide: „Hier musste die Zukunft, die unsere, München für die frei gewordenen und und zwar eine glückliche entstehen.“ frei werdenden Kasernen- und Trup- München blickt auf einen weitreichen- Fallbeispiel Am Ackermannbogen: Bus mit Füßen penübungsplätze die Einleitung Städte- den Erfahrungsschatz mit den Chan- baulicher Entwicklungsmaßnahmen cen, aber auch mit den Herausforde- Anhang 152 Zusammenfassung nach dem Baugesetzbuch beschlossen rungen von Konversion, einschließlich Zahlen und Zeichen: Fotografien von Edward Beierle und vorbereitende Untersuchungen seiner Randerscheinungen wie Zwi- Christian Ude 157 Summary veranlasst. Als erste Fläche wurde die schennutzungen oder Altlasten. Im Numbers and Signs: Photographs from Edward Beierle Panzerwiese im Münchner Norden frei- Zusammenhang mit der Entwicklung Oberbürgermeister gegeben. Heute wohnen hier im neu der Flächen entstanden interessante der Stadt München 162 Impressum

4 5 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Intro

»Alltagsschönheiten entdecken und mit neuen Bausteinen die Potenziale des Vorhandenen stärken.« Im Gespräch mit Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München

Wenn man sich die Münchner die eine gewisse Distanz zu uns haben, Auf einer rationellen, planerischen einem lebendigen Stück Stadt wer- Ich fände es toll, wenn es gelingen wür- Stadtentwicklungsgeschichte an- die Flächen gut entwickeln will, dann Ebene unterscheiden sich die Flä- den zu lassen, damit es von den de, bestimmte Qualitäten – denn die schaut, scheint sie sehr eng mit kann er das eigentlich nur, wenn es chen möglicherweise nicht so stark: Menschen auch angenommen wird? zeitlich begrenzten Nutzungen sind ja Konversionsflächen verbunden zu eine viel bessere Anbindung an das Die rechtlichen Vertragsbedingungen Gibt es ein Rezept? auch Teil der Identität eines Gebietes – sein. Stimmt dieser Eindruck? große ÖPNV-Netz gibt, als es derzeit sind kompliziert, und die inhaltlichen in die neuen Quartiere zu transportie- der Fall ist. Themen sind irre komplex, ob es der Rezepte gibt es nicht, weil die Themen- ren. Oft gibt es in dieser Phase zum Ja, ich kann mich diesem Eindruck Naturschutz ist, der Denkmalschutz schwerpunkte schon sehr unterschied- Beispiel wunderbare Kioske, wo man auch nicht entziehen. Die Kasernen- Vielleicht müssen einige Flächen aber oder die ganze Altlastenfrage. Insofern lich sind. Ich glaube aber, eine Methode Bratwürste kaufen kann. Während der flächen hatten und haben für die auch einfach wieder Landschaft wer- sind diese Flächen alle unterschiedlich ist schon, die Menschen, die Bürgerin- Bauarbeiten gibt es die auch noch, Stadtentwicklung eine große Bedeu- den. Unsere Beispiele zeigen dieses gleich schwierig. Auf einer emotiona- nen und Bürger der Stadt, die sich für aber kaum sind wir fertig, wird alles tung – bereits während ihrer „akti- breite Spektrum an Entwicklungsmög- len Ebene unterscheiden sie sich aber die Flächen interessieren, auf das Gelän- abgeräumt. Ich würde mir wünschen, ven“ militärischen Zeit, aber vor allem lichkeiten ganz schön – vom Heide- bestimmt. Meine persönliche Einschät- de zu führen, solange es noch nicht um- dass solche Provisorien auch in einem auch für unsere zukünftigen Planun- flächenverein im Münchner Norden, wo zung ist, dass es darauf ankommt, ob geplant ist. So kann man den Ist-Zu- Neubaugebiet Platz finden. gen. Die Entwicklung des Münchner eine ganze Fläche der Natur zurückge- es Räume sind, die ich selbst erfahren stand erleben. Da müssen wir als Plane- Nordens wäre so in der Form, ohne geben wird, bis hin zu dichten, urbanen konnte, zu denen ich einen eigenen rinnen und Planer gar nichts mehr groß Ich träume auch davon, dass wir einmal das Reservoir dieser frei werdenden Nutzungen an anderen Stellen. Bezug habe, oder nicht. Eine Kaserne, erklären. Die Rahmenbedingungen – wie eine „grüne Zwischennutzung“ wie das Flächen, überhaupt nicht denkbar ge- die ich nicht kenne, wird für mich einen teuer es ist, so ein Haus zu erhalten, urbane Gärtnern realisieren können. wesen. Denken Sie, dass München mit den anderen Status haben als für jeman- und die Potenziale, die man entwickeln Das grüne Thema in Verknüpfung mit Konversionsflächen Erfahrungen für den, der in dem Stadtteil wohnt, in kann – werden sichtbar und direkt erfahr- den Biotopen und den Qualitäten, die Aber bereits historisch haben Militärflä- kommunal übergreifende Koope- dem die Kaserne lag. Der Unterschied bar, wenn man vor Ort ist. Diesen Weg dann hinterher die Bebauung haben chen eine große Rolle in München ge- rationen liefern kann oder schon liegt also möglicherweise im persönli- gehen wir gerade konsequent im Fall der kann, könnte eine ganz enge Synthese spielt, auch wenn wir uns dessen nicht Nicht ausschließlich. Es gibt viele länd- Beispiele gesetzt hat, wie so etwas chen Zugang. Bayernkaserne und der Luitpoldkaserne. eingehen. In diesem Zusammenhang immer bewusst sind. Vor dem Krieg lichere Standorte, die bereits in der erfolgreich funktionieren kann? überlegen wir, wie wir es schaffen, die hatte man noch ein starkes Bewusst- Vergangenheit militärische Konver- Wichtig ist schon, was hinterher bleibt. Bewährte Methoden sind auch Zwi- sogenannte Baufreimachung nicht zu sein für die historischen Kasernenflä- sionsflächen hatten – Neu-Ulm und Es macht sicherlich Mut, wenn man Wir versuchen, einige Landmarks schennutzungen, ob gewerblich oder verzögern. Die Baufreimachung hängt chen, auch dort, wo sie dann umge- Landshut und natürlich die Oberpfalz zwei, drei Beispiele hat, wie etwa den oder gebaute Zeitzeugen auf den Ka- künstlerisch. Die Kunst hat natürlich ja mit dem Altlastenverdacht und der nutzt wurden. Nach dem Krieg, durch und Franken. Da gab es viele Stand- Heideflächenverein oder die Fürst- sernenflächen zu erhalten. Aufgrund nochmal eine andere Wertigkeit, weil Kampfmittelentschärfung zusammen, die Zerstörung und die vielfältigen orte, an denen entweder amerikani- Wrede-Kaserne, bei deren Entwick- der geschichtlichen Entwicklung und sie viel mehr Leute in solche Quartiere die schon sorgfältig abgearbeitet wer- Nachnutzungen ganz unterschiedlicher sche Truppen stationiert waren, oder lung wir mit der Gemeinde Ober- Zerstörung nach dem Krieg haben wir hineinbringt. Es ist sicherlich sehr po- den muss. Leider heißt das manchmal, Natur, erscheint der militärische Ur- die Bundeswehr. Aber Sie haben recht, schleißheim und dem FC Bayern Mün- nicht mehr so viele alte und schöne Ka- sitiv, dass man so in der Bevölkerung dass Bäume gefällt werden müssen, sprung vieler Flächen nicht mehr ganz mit dem Beschluss der Bundeswehr- chen e.V. kooperieren. Es muss einen sernen aus dem neunzehnten Jahrhun- eine breite Akzeptanz und Interesse weil man vermutet, dass darunter etwas so klar und lässt sich auch nicht mehr reform vom Oktober 2011 wurde ein Austausch an Wissen und Erfahrungen dert, die wirklich unter Denkmalschutz für einen solchen Standort erweckt. ist. Das ist aus meiner Sicht schon eines eins zu eins im Stadtbild nachvollzie- ganz erheblicher Anteil der Standorte geben, und wir haben viele Erfahrun- stehen. Aber ich glaube, die Vermitt- Wobei man sagen muss, dass bei uns der schwierigeren Probleme, die wir hen. Es ist daher eine schöne Gele- auch in der Region München auf- gen. Wir können jetzt die Instrumente lung des Vergangenen ist wichtig für in München das Problem ein bisschen haben. Wir würden den Baumbestand genheit, mit dieser Publikation und der gegeben. Das empfinde ich als die und Verfahren Revue passieren lassen die neuen Bewohnerinnen und Bewoh- anders als in anderen Städten ist, gern erhalten, weil er eine große Quali- Jahresausstellung 2013 vielen, die sich eigentliche Herausforderung für die und mit anderen diskutieren. Ich glaube ner, denn es macht einen Unterschied, weil wir händeringend solche Flächen tät für die folgende Wohnnutzung bringt. nicht beruflich damit befassen, deutlich Stadtentwicklung. aber nicht, dass wir ein Münchner ob ich mich in einem Neubaugebiet suchen. Wenn ich andere Veröffentli- Aber oft wird das konterkariert von Alt- zu machen, wie dieser Umstand, dass Modell haben, das man anderen eins irgendwo ansiedle, oder ob ich die chungen über Kasernenflächen oder lasten, die das Grundwasser beeinträch- München eine der größten deutschen Inwiefern? zu eins empfehlen kann. Dazu unter- Prägung des Ortes mitnehmen kann. überhaupt über Konversionsflächen in tigen, oder den Kampfmitteln. Es ist für Garnisonsstädte war, die Stadtentwick- scheiden sich die Örtlichkeiten und Ich bin überzeugt, dass wir gut beraten der Republik lese, dann gibt es oft an- den Bund Naturschutz und den Landes- lungsgeschichte beeinflusst hat. Ich denke, die Flächen, die wir inner- Gemengelagen auf den einzelnen sind zu versuchen, diese Qualitäten zu gestrengtes Bemühen, dass dort über- bund für Vogelschutz und alle anderen halb Münchens noch haben, werden Flächen zu stark. Wir in München sind transportieren. Es lohnt sich immer, haupt einer hingeht und etwas Tolles Ehrenamtlichen, die in dem Bereich ar- Ich denke, es geht dabei um drei wir gut bearbeiten und nutzen. Aber ja nicht die ersten in der Republik, die sich mit den Geschichtsspuren ausei- macht, damit der Rest der Welt sieht, beiten und die Kasernenflächen mit uns Zeitebenen – einmal der weite Blick die eigentliche Herausforderung ist es, das gemacht haben. Wir haben uns nanderzusetzen. Das ist nicht immer dass dort Potenziale brach liegen. betreuen, schwierig, wenn aufgrund der zurück in die Geschichte mit der Frage: die Flächen in der Region zu betrach- zum Beispiel auch in den neuen Bun- ganz leicht, weil dies viel Geld kostet, Dieses Problem haben wir nicht – im Nachfolgenutzung erhebliche Eingriffe Woraus hat sich München eigentlich ten und sie für das Wachstum der eu- desländern angeschaut, wie es dort und meist stehen diese Zeichen am Gegenteil, wir haben eigentlich zu viele in diese Bestände passieren. Da muss entwickelt? Dann geht es um die ropäischen Metropolregion zu erschlie- funktioniert hat, und uns viele gute „falschen Platz“, wenn wir jetzt im Sin- Interessenten für zu wenige Flächen. man dann nach so viel Transparenz, jüngere Geschichte der Flächen, die ßen. Das funktioniert nicht, wenn es Anregungen geholt. Aber hier in Mün- ne unserer neuen Planungen denken. Unsere Zwischennutzerinnen und Austausch und Zusammenarbeit wie wir jetzt schon umgewandelt haben. jede Gemeinde für sich tut, einfach chen gibt es in jedem Fall Beispiele, Aber wir haben die Erfahrung bei der -nutzer tendieren aus verständlichen möglich suchen. Das ist möglicherweise Und dann geht es um das, was noch aufgrund der Größenverhältnisse. Oft die den genauen Blick verdienen, um Neuplanung gemacht, dass es ganz Gründen dazu, sich sehr zu verfesti- eine wichtige Rezeptzutat: Transparenz möglich ist und kommt. Da geht die nehmen die Kasernen an anderen daraus eigene Wege zu entwickeln. gut ist, zu diesem großen neuen Wurf, gen, weil es eben so schwer ist, einen und Kooperation. Es gibt sehr viele Geschichte weiter mit dem Sprung in Stellen noch viel größeren Raum im der sich aus den Wettbewerben ergibt, nächsten Ort zu finden. Mit dieser Pro- Akteurinnen und Akteure im Umfeld, die Region. Verhältnis zur restlichen Stadt ein als Was unterscheidet solche ehemals einen gewissen Puffer einzubauen. Da- blematik müssen wir umgehen, und mit denen man vorher das richtige Maß bei uns. Daran knüpfen sich klassische militärisch genutzten Areale von durch kommt in der Überarbeitung eine wir versuchen mit Entwicklungen wie verhandeln muss. Sie spielen damit auf die durch die Stadtentwicklungsfragen, wie etwa anderen Konversionsflächen wie andere Lebendigkeit in die Entwürfe. dem Kreativquartier dafür Lösungen zu jüngste Bundeswehrreform frei ge- die Mobilität und Infrastruktur des öf- einem ehemaligen Flughafengelän- schaffen. Nicht jede Fläche ist zudem Was sind weitere wichtige planeri- wordenen Areale an, die sich vor al- fentlichen Nahverkehrs im Großraum de oder den Bahnflächen? Macht es Was sind aus Ihrer Sicht die wich- für Zwischennutzungen geeignet, aber sche Aspekte, die bei der Konversion lem in der Metropolregion München München als europäische Metropol- einen Unterschied, wie die Flächen tigsten „Zutaten“, um so ein neues, ich denke, dass dort, wo sie möglich einer ehemaligen Militärfläche eine befinden?Bildunterschrift region. Wenn jemand an Standorten, vorher genutzt wurden? großes Entwicklungsgebiet zu sind, die Quartiere davon profitieren. zentrale Rolle spielen?

6 7 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Intro

Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Bei der Bayernkaserne habe ich mich wiefern können die Kasernenflächen Frage der Mobilität. Wir haben das gefreut, dass überhaupt so ein gro- diese Wertigkeit verschieben? Glück, dass unser Grundsystem sehr ßes Interesse da war. Die Leute, die gut aufgestellt ist. Dennoch bleibt die bereits um die Kaserne herum woh- Wenn es gut geht – wovon ich über- Frage, ob man es schafft, die eine oder nen, sind nicht nur angetreten, um zeugt bin und woran wir intensiv arbei- andere Fläche zusätzlich mit einer Tram- ihre eigenen Interessen zu verteidi- ten – entstehen dort attraktive neue bahn, einer U-Bahn oder mit Bussen zu gen, sondern haben sich auch Gedan- Wohnquartiere und gute neue Verknüp- erschließen. Wir wollen ja durchlässige ken gemacht, wie man dieses neue fungen unserer Landschaftsräume. Der Quartiere auf der Ebene der Nahmo- Feld in den Stadtteil integrieren kann. Norden ist aus vielerlei Gründen nicht bilität, der Fußwege und der grünen Das fand ich sehr positiv. Dort haben so stark in der Wahrnehmung vertre- Verbindungen. Die Koppelung zwischen sich an den Tischen der Ideenwerk- ten. Ganz München orientiert sich eher neuer sozialer, kultureller Infrastruktur statt richtige Themen ergeben, die auf gen Süden. Man will an den See. Man und den umgebenden Gebieten ist der neuen Fläche entwickelt werden will in die Berge. Und dann will man dabei im Sinne einer sogenannten inte- sollen. vielleicht noch nach Italien. Ich würde grierten Planung sehr wichtig. sagen, der Norden ist im Kopf noch Für uns überraschend war vielleicht nicht so besetzt von den Surfbrettern, Auf der anderen Seite möchte man in der Wunsch einiger Bürgerinnen und den Cabrios und den Bergrucksäcken, den Nachbarschaften aber keine Durch- Bürger, dass wir ein bisschen dichter sondern er ist ein bisschen stiller. Man lässigkeit des Autoverkehrs. Das ist bei bauen sollten. Ihnen war klar gewor- muss sich schon die Mühe machen, jeder Kasernenfläche eine schwierige den, dass manches an Infrastruktur den zweiten Blick zu wagen und dort Aufgabe, weil sie im dicht besiedelten erst ab einer bestimmten Dichte ent- tatsächlich auch zu radeln und zu wan- Stadtgebiet liegen. Das ist ein Vorteil, wickelt werden kann, wovon dann dern. Das ist vielleicht heute seine gro- aber auch eine Herausforderung. auch die anderen profitieren. Natürlich ße Qualität. Diese Qualität der nörd- gibt es auch Stimmen, die besorgt lichen Landschaftsbereiche hat man Die Kasernenflächen muss man zudem sind, dass dort ein zweites Neuperlach erst seit den 1990er-Jahren wiederent- möglichst in einem Zug entwickeln – in der Mitte der Stadt entsteht. Und es deckt. Und daran haben die Kasernen- zwar mit flexiblen Bauphasen, aber ist schwierig, die zukünftigen Bewoh- umstrukturierungen, neben anderen doch als eine Maßnahme, die in sich nerinnen und Bewohner an den Ort Entwicklungen wie dem Stadion oder rund ist. Das bedingt eine gewisse zu bringen, weil es sie ja noch nicht der Studentenstadt Garching, einen Logik und Rationalität des Entwurfs gibt. Aber insgesamt würde ich sagen, sehr großen Anteil. Es gibt mittlerweile und der Umsetzungsschritte und damit lohnt es sich, denn nur so kann man Rad- und Wanderwege, die entlang auch eine stärkere Notwendigkeit, die auch die Verknüpfungen von alten und der Kanäle und Wassergroßachsen Bewohnerinnen und Bewohner, die in neuen Nachbarschaften anlegen. geführt werden, es gibt ein Haus in der den umliegenden Quartieren schon da Heidefläche, das eine Anlaufstätte des sind, in den Prozess miteinzubeziehen. Bei der Prinz-Eugen-Kaserne wollen Heideflächenvereins ist. Wenn man da wir eine ökologische Mustersiedlung rausgeht, ist man sehr verblüfft, was Mein Anspruch ist, dass ein neues ausprobieren. Das hat der Stadtrat es dort alles Schönes gibt. Quartier auf der Prinz-Eugen-Kaserne beschlossen. Und wir haben interes- oder an der Dachauer Straße nicht nur santerweise in der Onlinebefragung Wenn wir sagen: Die Stadt hat sich in sich ein neues Quartier ist, für die zur „Perspektive München“, die eine weiterentwickelt, wir wachsen stark, Personen, die dort hinziehen, sondern stadtweite Beteiligungsform war, die wir suchen in diesem Siedlungsdruck ein neuer Baustein für den Stadtteil. Anregung erhalten, Holzbau stärker zunehmend nach Räumen, die Ruhe Ein Ort, wo andere aus dem Stadtteil zu fördern. Das könnte man ganz gut und meditativere Klänge zulassen – gerne hingehen, weil es dort einen verbinden. Eine persönliche Wunsch- dann haben diese nördlichen Flächen neuen Park, neue Spielmöglichkeiten, vorstellung von mir wäre, dass wir die und Landschaftsbereiche ein ganz neue soziale Infrastruktur, Lokale et ce- ökologische Mustersiedlung im zu- großes Potenzial. Die Kasernenent- tera gibt. Das muss in Wechselwirkung künftigen Prinz-Eugen-Park in Holzbau- wicklungen sind für mich Bausteine, treten und ist ein wichtiger Anspruch weise realisieren. Insofern werden die die das deutlich machen und Qualitä- unserer Konzepte. Kasernen also auch zum Innovations- ten einbringen, um das Vorhandene träger für andere Bauentwicklungen an zu stärken. Die großen Entwicklungs- Bei den Planungsverfahren der Bay- einer anderen Stelle in der Stadt. Die achsen in München gehen nach Nor- ernkaserne, der Prinz-Eugen-Kaserne Konversionsflächen sind in gewisser den zum Flughafen und nach Osten oder der Dachauer Straße wird die Weise für uns auch ein Experimentier- zur Messe. Insofern ist es für uns eine Öffentlichkeit frühzeitig beteiligt. labor, um Dinge zu entwickeln. große Chance, den Norden über die Hat es in diesen gemeinsamen Work- Kasernenkonversionen aufwerten zu shops überraschende Erkenntnisse Die ehemaligen Kasernenflächen können. oder Anregungen gegeben, die die konzentrieren sich zum großen Teil Die Kasernenkonversionen konzentrieren sich im Münchner Norden, dessen weite und einzigartigen Landschaften sich gut per Fahrrad erkunden lassen. Mit den neuen Quartieren entsteht ein reizvoller Kontrast zwischen Urbanität und Natur, zwischen gestaltetem und gewachsenem Raum. Entwicklung der Flächen beeinflus- im Münchener Norden, der lange Das Gespräch führten Sally Below, sen werden? als das Stiefkind der Stadt galt. In- Franziska Eidner und Margarete Sigl.

8 9 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Intro

Aus Konversionsflächen wird lebendige Stadt Einführung von Stadtdirektorin Susanne Ritter, Referat für Stadtplanung und Bauordnung

eit mittlerweile fast zwei Jahrzehn- Neben den thematischen Schwerpunk- lungs- und Naturschutzräume ebenso Bewohner mit ihrem Stadtviertel iden- Sten arbeitet die Landeshauptstadt ten, die den einzelnen Konversionen wie eine lebendige Kunst- und Kultur- tifizieren? In sechs Themenkomplexen München an der Konversion ehema- von der Kaserne zum Wohnquartier zu- szene sowie Raum für eine Vielzahl von haben wir zentrale Fragestellungen liger Militärflächen, das heißt an der grunde gelegt wurden, ist bemerkens- engagierten Initiativen, welche die Orte zur Konversion zusammengefasst. So Umwandlung von militärisch genutzten wert, wie effizient die referatsübergrei- nachhaltig prägen und für eine hohe generiert sich aus den verschiedenen Flächen in Stadtquartiere. Seit 1993 be- fende, integrierte Organisationsstruktur Lebensqualität sorgen. Kapiteln ein umfassendes Bild unserer steht die Arbeitsgruppe „Städtebauliche funktioniert. Gleich zu Beginn der ers- Arbeit und spiegelt die vielfältigen Er- Entwicklungsmaßnahme“ (SEM) in der ten Einleitungsbeschlüsse wurde ent- München kann also mittlerweile auf fahrungen wider. Fallbeispiele aus den Hauptabteilung Stadtplanung. Seither schieden, auf eine externe Koordination einen umfangreichen Erfahrungsschatz Kasernen, Fachbeiträge und Interviews haben wir 270 Hektar Baurecht für über zu verzichten und diese Aufgabe der mit Chancen, aber auch mit Herausfor- beleuchten die Themen aus den Per- 6.300 Wohnungen auf ehemals mili- referatsübergreifenden Arbeitsgruppe derungen blicken – von „Altlasten“ bis spektiven der verschiedenen Akteure, tärisch genutzten Flächen geschaffen. zu übertragen. Diese hat mittlerweile „Zwischennutzung“. Unsere Erfahrun- zeigen Lösungsansätze und fokus- Und weitere 5.000 bis 6.000 Wohnun- über 100 Sitzungen hinter sich, die gen möchten wir mit der vorliegenden sieren einzelne Schwerpunkte. Dazu gen werden in den nächsten Jahren vertretenen Disziplinen sind nach wie Publikation zugänglich und nutzbar ma- haben wir auch zahlreiche externe Au- noch auf einstigen Kasernengeländen vor zahlreich und unterschiedlich, die chen. Diese Veröffentlichung ist Teil der torinnen und Autoren eingeladen, mit entstehen. Die Entwicklung dieser Kooperation und die Abstimmungen Planungs- und Kommunikationskultur ihren Erfahrungen und ihrer Sichtweise Flächen ist auch für uns etwas Beson- unter den Beteiligten aber sind zu einer des Referats für Stadtplanung und Bau- zu dieser Publikation beizutragen. So deres, weil wir vielen städtischen Zielen Selbstverständlichkeit geworden. In ordnung und stellt die wichtigsten Pha- kommen zum einen Akteurinnen und gleichzeitig Rechnung tragen können: vorbildlicher Art und Weise wird hier ein sen und Aspekte rund um die Entwick- Akteure zu Wort, die maßgeblich an integrierter Planungsansatz praktiziert. lung der Münchner Kasernenflächen der Entwicklung beteiligt waren. Zum • Wir nutzen offensiv die Chancen, dar. Wir ziehen damit eine Zwischenbi- anderen werden so die komplexen unsere Stadt im Inneren auf Brach- • Die vorhandene Infrastruktur des Aber nicht nur die interne Kommunika- lanz und stellen erfolgreiche Instrumen- Entwicklungsverfahren und ihre Ergeb- flächen weiterzuentwickeln und öffentlichen Nahverkehrs, aber auch tion musste strukturiert werden, son- te und gewonnene Erfahrungen aus nisse nicht nur aus einer Binnensicht, schonen den Stadtrand. die sozialen Einrichtungen erfahren dern vor allem auch die Bürgerbeteili- den vergangenen zwei Jahrzehnten vor. sondern auch mit dem Blick von au- an manchen Stellen eine effizien- gung beziehungsweise -mitwirkung im ßen betrachtet und bewertet. Daher • Wir können unsere seit Jahren tere Auslastung. Planungsprozess. Die Größe der ehe- Die Broschüre veranschaulicht den finden sich auch Meinungen, die nicht vorrangige Aufgabe, die Schaffung maligen Kasernenareale in München ist Konversionsprozess im Planungsverlauf unbedingt der Haltung des Referats von Flächen für den Wohnungsbau, • Allerdings darf die Entwicklung der beträchtlich, sie schwankt zwischen 25 und im Ergebnis von acht ehemaligen für Stadtplanung und Bauordnung be- erfüllen. Dabei sorgen wir auf die- ehemaligen Kasernenflächen nicht und 50 Hektar und stellt damit für die Kasernen. Sie werden jeweils zu Be- ziehungsweise der Landeshauptstadt sen Flächen für eine sozial sehr zulasten der Nachbarschaft gehen. benachbarten Stadtquartiere in vielerlei ginn porträtiert: Was ist das Besondere München entsprechen. ausgewogene Stadtentwicklung Das heißt, die für das Gebiet not- Hinsicht eine Herausforderung dar. an genau diesem Ort? Was war hier mit einem Anteil von 30 bis 50 Pro- wendigen Infrastrukturen wie Schu- Neben der obligatorischen Bürgerbetei- vorher? Was ist hier entstanden oder Die Veröffentlichung richtet sich sowohl zent gefördertem Wohnungsbau, len, Kindergärten et cetera werden ligung während der Bebauungsplanver- wird zukünftig noch entstehen? Dabei an die breite Öffentlichkeit als auch an das heißt, es entsteht ein sehr breit dort vorgesehen und errichtet. fahren haben wir unsere Transparenz stellen diese Porträts Gebiete in sehr die Planungsverantwortlichen in ande- gefächertes Wohnungsangebot für und Partizipation intensiviert, zum unterschiedlichen Entwicklungsstadien ren Kommunen. Wir wünschen uns, unterschiedliche Einkommens- • Wir können aber auch auf die Not- Beispiel bei der ehemaligen Prinz- vor – von bereits bezogenen Stadt- dass die Publikation einen Beitrag zur gruppen. wendigkeiten aus der Umgebung Eugen-Kaserne, der Bayernkaserne und quartieren wie der Nordhaide und Am Debatte um Kasernenkonversion liefert. reagieren, beispielsweise indem der Luitpoldkaserne an der Dachauer Ackermannbogen bis zur erst kürzlich Zudem können die Genossenschaf- strukturelle Ergänzungen wie bür- Straße. Zusätzliche Diskussionen und aus der militärischen Nutzung entlasse- Mein Dank gilt allen Autorinnen und Au- ten und Baugemeinschaften Flächen gerschaftliche Nutzungen, Läden, Workshops, integriert in die förmlichen nen Bayernkaserne. toren der Fachbeiträge und auch dem aussuchen, die individuelle Lösun- Arbeitsplätze oder Grün- und Frei- Verfahren, bilden den Rahmen, um die Münchner Fotografen Edward Beierle, gen zulassen. räume auch der Nachbarschaft zu- Kompetenzen vor Ort einzubinden und Neben den einzelnen Kasernen widmet dessen Fotografien in dieser Publika- gutekommen. für einen offenen Dialog im Stadtteil zu sich die Publikation aber auch überge- tion eine Vielzahl von Geschichten aus • In qualitätsvollen Planungsprozes- sorgen. ordneten Themen: Wie sind wir mit den den ehemaligen Kasernen erzählen. sen und einer intensiven Partizipa- • Da es sich bei den ehemaligen verschiedenen Hinterlassenschaften, Entstanden sind Bilder voller Leben tion entstehen Stadtquartiere mit Kasernen um städtische Flächen im Unter diesen Prämissen wurden und dem „Erbe“ der militärischen Nutzung, in den bereits bewohnten Quartieren, hoher Lebensqualität, die dem Zwischenerwerb handelt, konnten werden aus militärischen Flächen le- umgegangen? Welche Erfahrungen aber auch Bilder, in denen die Zeit still- jeweiligen Ort Rechnung tragen. beziehungsweise können wir mo- bendige Stadtteile, aus ehemaligen Sol- konnte die Landeshauptstadt München zustehen scheint, in denen mancher dellhafte Entwicklungen anstoßen, datenunterkünften familienfreundliche bei der organisatorischen Umsetzung Ort auf seine neue Bestimmung zu • Durch die Öffnung von bisherigen wie Gendergerechtigkeit in der Wohnungen. eines so komplexen Verfahrens wie der warten scheint. Enklaven in der Stadt können die Nordhaide, die ökologische Muster- Städtebaulichen Entwicklungsmaßnah- Stadtstruktur komplettiert und die siedlung im Prinz-Eugen-Park sowie Die ehemaligen Kasernenflächen sind me sammeln? Inwiefern konnten auf Auch in den nächsten Jahren wird Gebiete räumlich und funktional in- die Siedlungsmodelle „Offensive wahre Pionierflächen der Stadtentwick- den ehemaligen Militärflächen neue die Konversion von Militärflächen ein tegriert werden: Für die Vernetzun- Zukunft Bayern“, ein Modellprojekt lung und der Bürgerbeteiligung und Akzente einer nachhaltigen Stadtent- wichtiges Handlungsfeld unserer Arbeit gen von Straßen, Wegen und Frei- des Freistaates Bayern, die Solare zugleich Standorte zahlreicher Modell- wicklung mit überzeugenden städte- sein. Ich würde mir wünschen, dass wir räumen, aber auch von unterschied- Nahwärme am Ackermannbogen projekte. Im Zusammenhang mit der baulichen und architektonischen Kon- an die hier geschilderten Erfahrungen lichen Nutzungen, ergeben sich und die modellhafte Partizipation in Entwicklung der Flächen entstanden zepten gesetzt werden? Welche Vo- und Erfolge anknüpfen können und es neue Chancen, Anschlüsse und der Luitpoldkaserne / Dachauer so nicht nur neue Wohnbauten und In- raussetzungen sind notwendig, damit uns gelingt, weitere lebendige Stadt- Ergänzungen. Straße. frastrukturen, sondern auch neue Erho- sich die neuen Bewohnerinnen und quartiere für München zu entwickeln.

10 11 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Intro

»Wie ein Sechser im Lotto.« Ein Spaziergang und Gespräch mit Prof. Christiane Thalgott und Dr. Theo Waigel

Prof. Christiane Thalgott hat seit 1992 bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 2007 die Konversion der Münchner Kaser- Christiane Thalgott: In München nenareale als Stadtbaurätin maßgeblich begleitet. Dr. Theo Waigel war von 1989 bis 1998 Bundesfinanzminister. hätten wir dann die Flächen aber auch Unter seiner Federführung wurden die Voraussetzungen geschaffen, die es München ermöglichten, die großen dem freien Immobilienmarkt überlas- Militärflächen zu relativ günstigen Konditionen zu erwerben. Bei einem gemeinsamen Spaziergang durch das neue sen müssen. Dann wären in den Neu- Stadtquartier Am Ackermannbogen, das auf den einstigen Flächen der Waldmann- und Stettenkaserne entstanden baugebieten nur die oberen Einkom- ist, erinnerten sich die beiden an die Anfänge der Zusammenarbeit. Einige Ergebnisse des Konversionsprozesses mensgruppen angesiedelt, und der konnten sie während ihres Rundgangs gleich vor Ort in Augenschein nehmen und beim anschließenden Gespräch Rest würde sich in den Altbaugebieten in Münchens erstem Co-Working-Space „Combinat 56“ gemeinsam erörtern. drängeln. Insofern verdanken wir Ihnen hier in München wirklich einiges. Ohne Herr Dr. Waigel, Sie haben als da- Theo Waigel: Wobei der Bund zu die- Theo Waigel: Wir hätten das schon Ihr Vorbild und die Verbilligungsgrund- maliger Bundesfinanzminister die sem Zeitpunkt mit der Finanzierung der anders machen können. Der Grund- sätze bei den ersten Kasernenverkäu- Entwicklung auf den ehemaligen Wiedervereinigung stark belastet war. stückspreis wäre mir nicht davonge- fen wären auch die Verhandlungen bei Münchner Kasernenflächen durch Insofern war es nicht ganz einfach, auf laufen, und ich hätte sagen können: den später erworbenen Kasernen noch die verbilligte Bereitstellung der diese Einnahmen zu verzichten. Da „Komm, jetzt warten wir ab, was sich schwieriger gewesen. Grundstücke erst möglich gemacht. gab es außerdem vom Freistaat Bayern die nächsten 15 bis 20 Jahre tut und Wieso sind Sie diesen Weg gegan- Forderungen oder auch schon einmal veräußern das dann an den jeweils Welche Chancen haben sich damals gen? den Verweis auf die Bayerische Ver- Best- oder Meistbietenden.“ Aber dann durch den Erwerb der Grundstücke fassung, dass man nichts unter Wert hätten die Sozial- und Entwicklungs- konkret für München geboten? Theo Waigel: Im Bundestag und in abgeben dürfe. Daraufhin habe ich maßnahmen, etwa die wichtigen Maß- anderen politischen Diskussionen kam etwas sarkastisch erwidert: „Ja, dann nahmen zur Stadtentwicklung, nicht Theo Waigel: Gerade eine dichte Stadt damals, in den frühen 1990er-Jahren, ändert halt eure Verfassung, damit ihr stattfinden können. wie München benötigt im Prinzip stän- immer wieder die Frage auf, was mit auch Grundstücke billiger und besser dig Flächen. Bei der Gebietsreform den frei werdenden Militärgeländen abgeben könnt!“ Das war dann aber Christiane Thalgott: Die Entwicklung hat die Landeshauptstadt aber keine zu tun sei. Und natürlich haben die doch nicht nötig. der Grundstücke wäre dann mehr oder zusätzliche Ausdehnung erhalten. Haushälter und Liegenschafter im Bun- weniger dem Markt überlassen geblie- München war und ist also besonders desfinanzministerium gesagt: „Das ist Hier in München ist die Konversion ben, und das wäre fatal gewesen. Die darauf angewiesen, dass sich innerhalb eine ideale Möglichkeit, wir verkaufen zumindest gelungen. Riesige Flächen, Gemeinden sind ja nicht so reich, dass der Stadtgrenzen etwas tut. Und wenn die Grundstücke.“ Dann mussten wir die damals noch am Rand waren, sind sie auf einmal eine solche Fläche über- sich – wie bei den Kasernenarealen – feststellen, dass nur einige wenige heute ein lebendiger Teil der Stadt. Ge- nehmen könnten, wenn keine Partner- Möglichkeiten eröffnen, dann muss die Kommunen über die entsprechenden rade für eine Stadtbaurätin, würde ich schaften oder günstige Bedingungen Stadt eine solche Chance ergreifen. Ressourcen zum Kauf verfügten. Da- sagen, bot dies die ideale Möglichkeit, bestehen. Dann haben sie nur ihre Pla- Und das hat München getan. mit aber endlich die Konjunktur wieder- sich zu verwirklichen, in einer einma- nungshoheit, aber keine Chance, die belebt wird und die Wiedervereinigung ligen Art und Weise – und das ist ihr Wohnungsnot zu bekämpfen. Christiane Thalgott: Durch den Er- und die Abrüstung auch ganz konkret gelungen. Es freut mich wirklich sehr, werb mehrerer Kasernenflächen konn- etwas für die Menschen vor Ort, in den das auch bei diesem Spaziergang heu- Ohne diese Verhandlungsmöglichkei- ten wir verschiedene Entwicklungsauf- ehemaligen Kasernenorten, bringen, te wieder zu sehen. ten wäre zum Beispiel der geförderte gaben angehen. München hat ja nicht habe ich damals gesagt: „Jetzt geben Wohnungsbau wie in der Nordhaide, nur die neuen Wohngebiete wie die wir unserem Herzen einen Schub und Neben München haben ja aber auch die auf dem ehemaligen Truppenübungs- Nordhaide oder Am Ackermannbogen legen ein echtes Programm auf. Und einige kleinere oder mittlere Städte platz Panzerwiese entstanden ist, so auf den Militärarealen geschaffen und zwar ein Programm, bei dem wir den Bemerkenswertes auf ehemaligen überhaupt nicht möglich gewesen. Wir wird noch weitere auf anderen Kaser- Kommunen auf die Grundstücke 50 Kasernenflächen geschaffen: Nürn- konnten Grundstücke mit Bindungen nenflächen entwickeln. Wir hatten mit Prozent Verbilligung gewähren, wenn berg, Kempten, Ansbach, Erlangen für den geförderten Wohnungsbau be- der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne auch es dort um gemeinnützige Zwecke wie oder Neu-Ulm. Dort sind zum Beispiel ziehungsweise anderen sozialen Bin- die Möglichkeit, für BMW Erweite- Schulen, Kindergärten, sozialen Woh- 12.000 Wohnungen entstanden. Das dungen zum entsprechenden Verkehrs- rungsflächen zur Verfügung zu stellen. nungsbau, Kultureinrichtungen oder hat die Wohnungsnot von Ulm und wert erwerben. Das hätten wir ohne Das hätten wir sonst nie gekonnt, und auch Naturschutz geht.“ Das war der Neu-Ulm auf einen Schlag entschei- Ihre Initiative nicht leisten können. das wäre ein richtiges Problem gewor- entscheidende Durchbruch für einen dend entspannt. Das waren tolle Ent- den, wenn sich die Industrie nicht hätte Großteil der Kommunen zu sagen: wicklungschancen, die sich nur einmal Theo Waigel: Letztlich hat der Bund so ausdehnen können. Dafür wird die „Jawohl, dann können wir’s packen!“ bieten – die muss man nützen. Man auf einige Milliarden gewissermaßen Bayernkaserne nun ein reines Wohn- kann nicht mit zwei kleinen Schritten verzichtet. Aber ich bereue es nicht. Für gebiet. Wenn man mehrere Kasernen Christiane Thalgott: Insbesondere über den Abgrund gehen, sondern muss viele Kommunen im Freistaat Bayern hat und die Rahmenbedingungen dass den Gemeinden das „Recht des ihn mit einem großen überwinden. und weit darüber hinaus war dies eine kennt, kann man das machen, was für ersten Zugriffs“ auf die frei werdenden Und darum haben wir damals auch den einzigartige Möglichkeit, Entwicklungs- die Stadt wirklich notwendig ist. Sonst Flächen und die Möglichkeit des Ver- Schritt des 50-Prozent-Preisnachlasses chancen wahrzunehmen, die sich nur steckt man in einem sehr, sehr engen zichts auf eine rechtlich anspruchsvolle für soziale Einrichtungen getan. einmal in einem Jahrhundert ergeben. Korsett. Entwicklungssatzung nach dem Bau- München hätte es vielleicht auch ohne gesetzbuch eingeräumt wurden, war in Das heißt, Sie haben auch gar keine unsere Verbilligung geschafft, aber die Theo Waigel: Frau Thalgott, wie viele Bis 1995 nutzte die Bundeswehr die Flächen der Waldmann- und der Stettenkaserne. 2004 zogen der Tat ein großzügiges und wichtiges anderen Möglichkeiten in Betracht meisten anderen Kommunen hätten Menschen haben durch die Nutzung von die ersten Bewohnerinnen und Bewohner in das neue Quartier Am Ackermannbogen. Startkapital für uns. gezogen? nicht die Kapazität dazu gehabt. früherem militärischen Gebiet eine –

12 13 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Intro

ohne es institutionell zu meinen – neue Die schweben ja nicht durch die Luft, an alles erinnert, und dafür – obwohl Heimat gefunden? diese Einrichtungen. Die brauchen im- sie selbst davon nichts gehabt hat, au- mer ihre Anker. ßer viel Arbeit – auch noch dankbar ist, Christiane Thalgott: Insgesamt sind dann find ich das schön. das zwischen 10.000 und 13.000 Woh- Theo Waigel: Das erinnert mich an nungen. Und die können Sie in Neu- einen der bewegendsten Momente Christiane Thalgott: Die Dankbarkeit baugebieten eigentlich mit 2,3 oder im Zusammenhang mit den Münchner kommt wirklich aus tiefster Über- sogar mit 3 multiplizieren. Denn wir er- Kasernen, Frau Thalgott. Wir haben uns zeugung und aus tiefstem Herzen, leben ja, dass wir in den Neubauquar- damals die Flächen gemeinsam ange- weil ich weiß, dass es keineswegs tieren Am Ackermannbogen und auch schaut, Sie haben mir das alles gezeigt. ein einfacher Weg war und München in der Nordhaide wirklich für Familien Und dann bekam ich einen Brief von ohne die Kasernen wirklich massive mit Kindern bauen. Eltern von schwerbehinderten Kindern. Probleme gehabt hätte. Allein durch Sie baten darum, ob man nicht in Mün- die Kasernenflächen – die gesamten Theo Waigel: Das ist schon fast eine chen betreutes Wohnen und Leben mit 300 Hektar – hatten wir die Chance, große Kleinstadt oder eine Mittelstadt. Behinderten auch in einem bestehen- die Stadtentwicklung langfristig zu or- den Wohngebiet ermöglichen könne. ganisieren und den Herausforderungen Christiane Thalgott: Ja, eine Mittel- Ich komme aus Ursberg. Ursberg für eine Stadt mit wachsenden Ein- stadt. Das sind über 300 Hektar Fläche gehört zu den größten Behindertenein- wohnerzahlen und Ansprüchen an den gewesen. richtungen in Deutschland. Ich bin mit öffentlichen Raum gerecht zu werden. behinderten Menschen aufgewachsen, Das war wie Weihnachten und Ostern Theo Waigel: Ich bin kein Baufach- und mich hat das natürlich bewegt. zusammen. mann, aber gerade beim Spaziergang Die Eltern erzählten mir, dass sie ihre Instrumentarium der Entwicklungs- Zum Beispiel im Umgang mit Altlas- Christiane Thalgott: In München wa- durch die Gegend Am Ackermann- Kinder bis in die Gegend von Altötting maßnahme zusammenfassen? ten: Was kostet das denn alles, und ren die Kasernen zwar da, und sicher Theo Waigel: Wie ein Sechser im Lotto. bogen ist mir diese aufgelockerte bringen müssen – das ist täglich ein- kann man die Bundeswehr tatsächlich waren auch die Soldaten gerne hier, Bebauung mit den kleinen Wäldchen fach nicht möglich. Und wenn man mit Christiane Thalgott: Man sollte zu- verpflichten, saubere Flächen zu hin- aber sie waren nicht so prominent wie Christiane Thalgott: Ja, wirklich ein aufgefallen. Der Erhalt der alten Baum- einer Rampe die behindertengerechte nächst einmal schnell sein. Beim ersten terlassen? Man musste wissen, wie andernorts in kleineren Gemeinden. Sechser im Lotto. Ein Geschenk für die bestände, die Plätze, das viele Grün Zugänglichkeit einer Wohnung schaf- Gerücht, dass die Flächen vom Militär groß das Risiko ist. All dieses erst mal München ist eine alte Garnisonsstadt, Stadt. Wir wissen, dass wir diese Ent- wären doch sicher nicht realisierbar fen könnte, hier mitten in München, freigegeben werden könnten, haben wir erproben zu können, um dann für die im 19. Jahrhundert kamen auf 148.000 wicklung schrittweise voranführen kön- gewesen, wenn Ihnen nicht diese gro- dann böte das die Möglichkeit, dass Entwicklungsmaßnahmen über alle Ka- weiteren Flächen zu wissen, worum Einwohner etwa 24.000 Soldaten, also nen. Jedes Jahr eben 400, 500 Woh- ßen Areale zur Verfügung gestanden sie ihre Kinder morgens hinbringen sernen eingeleitet und damals auch die es geht, das war ganz wesentlich. Die ein Sechstel der Bevölkerung. Aber nungen. Wir wissen, das Instrumenta- hätten, oder? und abends wieder holen könnten. Bahnflächen über das Instrument der Stadt München ist eine gut verwaltete bereits um 1900 machte das Militär rium steht uns zur Verfügung. Wir sind Und dann hab ich gesagt: „Das ma- Entwicklungsmaßnahme auf den Weg Stadt, die ihre Instrumente kannte und schon nur noch mehr ein Vierzigstel auf dem Weg und können auch einiger- Christiane Thalgott: Das ist ganz rich- chen wir“. Bei der Einweihung, Frau gebracht. Damit waren die Bodenpreise auch immer angewandt hat. der Gesamtbevölkerung Münchens maßen mit Hindernissen und Schwie- tig. Man hatte genug Platz, um in der Thalgott, waren die weinenden Eltern bezüglich der damals vorhandenen Nut- aus. Und 1970 kamen auf 1,3 Millionen rigkeiten umgehen. Und es ist ein einen Ecke sehr dicht zu bauen und in anwesend. Ich habe selten in meinem zung eingefroren. Die Planungshoheit Sie haben gerade die militärischen Alt- Einwohner nur noch 10.000 Soldaten. großes Glück, dass die Flächen, zwar der anderen Flächen frei zu halten. Leben so viel Dankbarkeit verspürt lag bei der Gemeinde, und sie konnte lasten angesprochen – die bestanden Der Rückzug des Militärs hat hier also in unterschiedlichen Quartieren, alle im wie bei den Beteiligten und vor allen verhandeln, ob es eine reale Entwick- ja auch aus den Gebäuden, den Wohn- keine großen Verlustgefühle ausgelöst. Norden sind, weil die Entwicklungen in Theo Waigel: Wenn man hier durch- Dingen bei ihren Eltern. Das sind klei- lungsmaßnahme wird oder ein städte- heimen und Bunkern zum Beispiel ... München im Wesentlichen im Norden läuft, verspürt man eine fast dörfliche ne Mosaiksteine, die man nie mehr in baulicher Vertrag, der eine Quasi-Ent- Was ist Ihr größtes Erfolgserlebnis stattfinden. Entwicklungen, die nicht Atmosphäre. seinem Leben vergisst. wicklungsmaßnahme ist –, aber immer Christiane Thalgott: Ja, und das Militär in diesem langen Prozess der Kon- immer nur im industriellen Bereich an- eine Maßnahme, in der die Infrastruktur war hervorragend im „Schwarzbauen“ version von Münchner Kasernenflä- stehen. Und damit ist der Norden nicht Christiane Thalgott: Ja, es ist eine Christiane Thalgott: Das Problem der aus den Grundstückspreisen finanziert oder inoffiziellen Umnutzen. Die haben chen? immer nur der „Abfallhaufen der Stadt“, sehr nachbarschaftliche Atmosphäre. Familien konnten wir zum Glück mit wird. Denn die Städte sind ja überhaupt die Gelände, die sie nicht mehr brauch- sondern mit den Kasernen sind lauter Das liegt natürlich auch an der Tatsa- einer Rampe vor Ort in ihrem Wohnge- nicht in der Lage, bei solch großen Flä- ten, schon anderweitig genutzt. Dage- Theo Waigel: Ich habe den Prozess ja positive Einrichtungen gekommen. che, dass wir die Genossenschaften biet lösen. In allen Neubaugebieten auf chen die Infrastruktur zu finanzieren. gen mussten wir als Stadt vorgehen. nur ganz am Anfang begleitet, aber ich Und das ist für den Norden ein großer hier vor Ort haben, dass die Leute sich den Kasernenflächen haben wir dann Wir haben gemeinsam mit der Bundes- glaube, wir haben damit einen Impuls Gewinn – auch im Selbstverständnis. kennen, und dass sie sich kannten, die Erdgeschosswohnungen barriere- Mit der Entwicklungsmaßnahme ist das wehr Bestandserhebungen gemacht, gesetzt. Wir haben den Menschen Das waren Chancen, die wir das letzte bevor sie gebaut haben. Das trägt auch frei zugänglich gemacht und, wenn Instrumentarium klar, die Investition in die nicht genehmigten Nutzungen gezeigt, dass der Paradigmenwechsel Mal vor 80 Jahren hatten. diejenigen, die hierher nur zur Miete möglich, auch die Obergeschosse. Das die Infrastruktur wird gemacht und sie stillgelegt und Wertverzichte verlangt. einer neuen Welt in Europa, dass der gekommen sind. Weil es eben Kerne kommt allen Bewohnern zugute, ob wird refinanziert aus den zu gewinnen- Ganz systematisch. Das haben wir auch Übergang zur Abrüstung eine Frie- Theo Waigel: Ja, eine Jahrhundert- für ein Gemeinschaftsleben gibt. Es ist mit Kinderwagen oder Rollator. den Grundstückspreisen. Mit der Wert- anderen Gemeinden über den Bayeri- densrendite für die Menschen bringt. chance. Ich glaube, durch die Konver- natürlich ein großer Vorteil, dass man differenz zwischen einer Kaserne und schen Städtetag dringend ans Herz ge- Und zwar eine Friedensrendite, die wir sion der Militärflächen ist es wirklich Infrastruktureinrichtungen, wie Privat- Die soziale Infrastruktur in den neu- einem Wohngebiet werden Kindergär- legt. Wenn wir das nicht getan hätten, nicht nur außenpolitisch oder deutsch- gelungen, aus Schwertern Pflugscha- oder Sonderschulen, Einrichtungen für en Quartieren wird ja aus der Städ- ten, Schulen, Straßen und Grünflächen wären die zusätzlichen Bauten für die landpolitisch zeigen konnten, sondern ren zu machen. Behinderte oder betreutes Wohnen, tebaulichen Entwicklungsmaßnah- bezahlt. Grundstücke wertsteigernd gewesen. auch entwicklungspolitisch in vielen wirklich positionieren kann – und zwar me heraus finanziert. Frau Thalgott, Städten. Und darum bin ich nach wie Das Gespräch führte Sally Below. am richtigen Standort. Man kann damit wie würden Sie für Planerinnen Wir konnten hier in München große Welche Rolle spielten denn die Ka- vor überzeugt: Es war richtig. Und ganz anders umgehen, wenn man und Planer anderer Kommunen die Flächen auf den Weg bringen und viele sernen zu Betriebszeiten im Münch- wenn man dann jemanden trifft wie weiß, dass es mehrere Quartiere gibt. Münchner Erfahrungen mit dem Erfahrungen sammeln. ner Stadtgefüge? Frau Prof. Thalgott, die sich auch noch

14 15 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Porträts Porträts

Nordhaide Fürst-Wrede-Kaserne

Kronprinz-Rupprecht-Kaserne Bayernkaserne

Virginia-Depot

Funkkaserne

Am Ackermannbogen

Luitpoldkaserne / Kreativquartier Prinz-Eugen-Kaserne

16 17 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Nordhaide

Nordhaide (ehemals Panzerwiese)

Anschrift / Lage Bauzeit Kindertreff Wiesenanger, Zugang MIRA: 1998 – 2011 Hildegard-von-Bingen-Anger 6 Schleißheimer Str. 506 Freizeitstätte Neuland, Zugang Dominikuszentrum: Städtebaulicher Wettbewerb Neuherbergstraße 90 Hildegard-von-Bingen-Anger 1 – 3 Auslobung: 12 / 1993 Katholisches Kirchenzentrum (Domi- 1. Preis: Arbeitsgemeinschaft nikuszentrum) mit Caritas-Zentrum Größe Hans Engel und Prof. Herbert Jötten, Schulzentrum Nordhaide (in Planung): Gesamtbereich der Städtebaulichen Augsburg, mit Landschaftsarchitektin Berufsoberschule Wirtschaft BOS / Entwicklungsmaßnahme: 200 Hektar Prof. Bü Prechter, Nürtingen Fachoberschule Wirtschaft FOS / Planungsgebiet: 100 Hektar Fachakademie für Heilpädagogik davon Siedlungsbereich: ca. 30 Hektar Anzahl der Wohnungen öffentliche Verkehrsfläche: ca. 5,5 Hektar ca. 2.500 Wohnungen einschließlich Freiflächen öffentliche Grünflächen: ca. 9 Hektar Studentenwohnheim öffentliche Grünflächen: ca. 9 Hektar auf ca. 210.000 m2 Geschossfläche Naturschutzgebiet Panzerwiese und Nutzung als Kaserne Hartelholz: ca. 280 Hektar Das Gelände im Norden Münchens Gewerbeflächen wurde bis zum Februar 1990 als ca. 28.000 m2 Geschossfläche Truppenübungsplatz genutzt. Vier Einkaufszentrum (MIRA) mit Jahre später kaufte die Landeshaupt- Einzelhandel und Dienstleistungen, stadt München das Areal. Nahversorgung (Discounter), Arztpraxen, Apotheke, Gastronomie Datum der Freigabeerklärung 20.09.1990 Weitere Nutzungen Grundschule mit Tagesheim und Hort Realisierungsstand Kindertagesstätten (acht Kleinkinder- Realisierung bis auf Restgebiete krippen, 14 Kindergarten- und vier abgeschlossen Hortgruppen)

In der archaischen, fast baum- und strauchlosen Heidelandschaft der Panzerwiese sind allein 22 Pflanzensorten zu finden, die vom Aussterben Die Nordhaide ist ein „Quartier der kurzen bedroht sind, etwa die Labkraut-Büschelmiere und der Stengellose Enzian. Zudem leben hier mehr als 35 gefährdete Tierarten, wie das Rebhuhn, Wege“ und bietet eine direkte U-Bahn- der Sperber, zahlreiche Wildbienen-, Schmetterlings-, Heuschrecken- und Käferarten. Anbindung.

18 19 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Nordhaide

eidespaziergang oder Einkaufs- Heidegärten und auf den Terrassen. Die Heidelandschaft auf der Panzerwie- Bauträger – Wohnungsgenos- Bei der ersten Besichtigung des Geländes waren Eine wichtige Rolle im Quar- Hbummel? Zum Hip-Hop im Kin- Das neue Viertel ist besonders bei se ist europaweit einmalig. Zudem er- senschaften und private In- wir von der Weite und Großzügigkeit der riesigen tiersleben spielt die Bewoh- dertreff am Wiesenanger oder zum Familien beliebt, fast ein Drittel aller füllt sie eine wichtige klimaökologische vestorinnen und Investoren – Panzerwiese überwältigt. Auch die friedliche Stimmung mit nergemeinschaft Nordhaide Tauschring ins Bewohnerzentrum am „Nordhaidlerinnen und Nordhaidler“ Ausgleichsfunktion für die angrenzen- vergeben worden. Aus den den weidenden Schafherden war so beeindruckend. Einer e. V. Seit 2005 engagieren Schneeheideanger? Schach spielen an ist unter 18 Jahre alt. den Stadtteile Hasenbergl und Harthof. Verkaufserlösen konnten alle der ersten Leitgedanken war also: Wie kann man möglichst sich Anwohnerinnen und An- der „Diagonale“ oder Schafe zählen Deshalb wurde im Ergebnis der Studie öffentlichen Erschließungs- viele Bewohner an dieser Situation teilhaben lassen? Wie wohner hier ehrenamtlich für auf der Panzerwiese? Seit Ende der Eine möglichst eigenständige Sied- auch nur ein kleiner Teil der 200 Hektar anlagen, also Straßen und könnte eine Bebauung aussehen, die wirklich auf die Situ- ihre Nachbarschaft. Der Verein 1990er-Jahre die ersten Bewohnerin- lung, ein „Quartier der kurzen Wege“ großen Fläche für die neue Wohnsied- Grünflächen und die soziale ation reagiert? Wie kann man trotz der geforderten hohen veranstaltet zum Beispiel nen und Bewohner auf die Großbau- wollten die Planerinnen und Planer der lung ausgewählt. Das neue Quartier Infrastruktur in städtischer Trä- Dichte ein Wohnen im Grünen ermöglichen? regelmäßig Feste, organisiert stelle im äußersten Münchner Norden Stadt auf dem Gelände des ehemali- Nordhaide entstand im Südwesten der gerschaft finanziert werden. (Hans Engel und Herbert Jötten, Architekten) Aufräumaktionen, informiert zogen, hat sich hier ein lebendiges gen Truppenübungsplatzes Panzerwie- Panzerwiese. Die besonders schüt- Ab diesem Zeitpunkt rollten vier Mal im Jahr in den kos- Stadtquartier mit rund 6.500 Einwoh- se gestalten. Auch nach Abzug der Sol- zenswerten Heideflächen mit ihren abschnittsweise die Baufahrzeuge an. gemeinsam in einem Viertel. Mehr als tenfreien „DiNo-News“ über Termine nerinnen und Einwohnern und vielsei- daten im Jahr 1990 blieb das Areal also seltenen Kalkmagerrasen stehen seit Im Jahr 2011 wurden die Bauarbeiten ein Drittel des Wohnraums sind öf- und berichtet aus dem Alltagsleben im tigem Freizeitangebot entwickelt. Wo „Pionierfläche“. Erstmals in München 2002 unter Naturschutz. Im Gegensatz weitestgehend abgeschlossen. Ge- fentlich geförderte Mietwohnungen, Quartier. Aktuelle Probleme werden einst Panzer über die Wiese ratterten, wurde ein Gebiet unter den rechtlichen zu norddeutschen Sandheiden bestim- plant ist ab dem Jahr 2013 noch die darüber hinaus wurde ein weiteres im Verein diskutiert und mit entspre- rollen jetzt Skateboards und Fahrräder. und planerischen Prämissen einer men hier Gräser und Kräuter das Land- Errichtung eines Berufsschulzentrums Drittel der Wohnungen über das so- chenden Lösungs- beziehungsweise Städtebaulichen Entwicklungsmaßnah- schaftsbild. Wer Vergleichbares sucht, mit einer öffentlichen Sporthalle. genannte München Modell an Haus- Verbesserungsvorschlägen an die Ver- Das Leben in der neu entstandenen me umgestaltet. Zudem spielten hier findet erst in den Steppen der Tundra halte mit mittlerem Einkommen zu antwortlichen herangetragen. Wohnsiedlung Nordhaide spielt sich von Beginn an Aspekte des Gender im nördlichen Polarkreis eine ähnliche Obwohl die Nordhaidlerinnen und gesonderten Konditionen vergeben. tatsächlich nicht nur in den rund 2.500 Mainstreamings eine wichtige Rolle in Vegetation. Nordhaidler im wahrsten Sinne des Außerdem zählen zu den temporären Die Bewohnergemeinschaft ist dabei Wohnungen ab, sondern zu einem der Planung. Wortes auf der grünen Wiese woh- Bewohnerinnen und Bewohnern des auch Vermittler im nachbarschaftlichen großen Teil auch draußen. Dabei pas- Am Rande der „bayerischen Tundra“ nen, ist hier keine klassische Einfami- Viertels auch die Studierenden, die ihr Zusammenleben verschiedener Kultu- siert weniger auf der sprichwörtlichen 1994 kaufte die Stadt die Panzerwiese mit ihren Golddisteln, Frauenmantel- lienhaus-Siedlung am Stadtrand ent- Quartier in einer der 550 Unterkünfte ren – ein großer Anteil der Bewohner- Straße – die Nordhaide ist verkehrsmi- von der Bundesrepublik Deutschland. Gewächsen, Felsennelken und Gras- standen. Singles und Großfamilien, im neu errichteten Studentenwohn- schaft hat einen Migrationshintergrund – nimierte Zone –, aber dafür umso mehr Zuvor hatte sie ein ökologisches und lilien waren ab 1997 die Grundstücke Mieterinnen und Mieter, Eigentüme- heim am Felsennelkenanger bezogen und initiiert gemeinsame Treffs, Wande- auf den Spielplätzen, in den Angern, städtebauliches Gutachten erstellt. an insgesamt 17 Bauträgerinnen und rinnen und Eigentümer wohnen hier haben. rungen und Mountainbike-Touren.

In dem rund 30 Hektar großen Siedlungsgebiet sind etwa 2.500 Wohnungen entstanden, in denen rund 6.500 Menschen leben. Ein 500 Meter langer, diagonal durchs Viertel verlaufender Fuß- und Radweg ist Treffpunkt und Spielplatz, Laufsteg und Rennbahn, die „Lebensader“ der Nordhaide. Von der Diagonale aus führen auch die nach Gewächsen der umgebenden Heidelandschaft benannten Anger zu beiden Seiten ins Wohngebiet.

20 21 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Nordhaide

Laut einer Umfrage aus dem Noch naturnäher könnte man sich die Nachbarschaft umgebenden Heidelandschaft rand zur Heide ab. Von vielen Balkonen In folgenden Beiträgen werden einzelne Aspekte, die im Porträt nur Erwäh- Jahr 2011 sind 90 Prozent nicht wünschen. Beim Blick aus dem Fenster sieht benannten Anger zu beiden aus erschließt sich hier der Blick in die nung finden, vertieft: aller Befragten zufrieden mit man Schafe weiden. Am Horizont, zu Fuß in einer Viertel- Seiten ins Wohngebiet. Die Weite der Landschaft, wo vielleicht der Erbe ihrer Wohnsituation in der stunde zu erreichen, ist der Waldsaum erkennbar. Doch trotz Diagonale ist allerdings weit Panzerwiesenschäfer gerade wieder • Fallbeispiel: Schafe als Landschaftspfleger...... S. 67 Nordhaide. An dieser posi- der nahen Natur ist das derzeit entstehende Wohnquartier mehr als nur der Hauptver- seine Herde über die Wiesen führt. • Fallbeispiel: Mittendrin statt Endstation ...... S. 67 tiven Wahrnehmung haben auf der Panzerwiese keine echt ökologische Mustersied- kehrsweg im Viertel – sie ist vor allem die Menschen im lung. Das verhindert schon der Anspruch bei der Städtebau- Treffpunkt und Spielplatz, Oder aber der Blick verweilt an der ve- Nachhaltigkeit Viertel selbst großen Anteil. lichen Entwicklungsmaßnahme, in Zeiten der Wohnungsnot Laufsteg und Rennbahn, die nezianischen Gondel, die die Künstler- • Fachbeitrag: Freiraum, öffentliches Grün, Natur und Landschaft ...... S. 99 Geschätzt werden von den möglichst viele neue Wohnungen zu errichten. Der Versuch, „Lebensader“ der Nordhaide. gruppe änderungsatelier neben weite- • Fachbeitrag: Nachhaltigkeitsevaluation Nordhaide Bewohnerinnen und Bewoh- am äußersten Nordrand Münchens städtische Dichte zu ren, an Venedig erinnernden Artefakten und Am Ackermannbogen ...... S. 103 nern vor allem die Nachbar- erreichen, erfüllt andererseits durchaus ein ökologisches Kri- Das planerische Konzept für im Auftrag der Stadt am Nordende des • Fallbeispiel Nordhaide: Freiraum zum Ruhen und Toben ...... S. 118 schaft, die sichere und kin- terium: Denn nur durch die Massierung der entstehenden die Siedlung wurde von den Frauenmantelangers aufgestellt hat. • Fallbeispiel: Gut versorgt ...... S. 119 derfreundliche Atmosphäre, 2.200 Wohnungen auf 30 Hektar am Südrand des europa- Architekten Hans Engel und Warum nicht beim Anblick der Heide Städtebau und Architektur die soziale Infrastruktur und weit einmaligen Magerrasen-Biotops bleibt die sechsmal so Herbert Jötten sowie der vom Meer träumen – ein wenig muten • Architekturrundgang: „Das ist selten in Neubaugebieten.“ ...... S. 125 die Anbindung an den öffentli- große Heidefläche weiter nördlich intakt. Landschaftsarchitektin die Anger in der Nordhaide ja vielleicht • Fallbeispiel: Wege ins und durchs Quartier ...... S. 129 chen Nahverkehr. (Süddeutsche Zeitung, Thomas Kronewiter, 24.08.2001) Bü Prechter entwickelt. Die wie die Kanäle der Lagunenstadt an? von Nord nach Süd verlau- So wird die bayerische Tundra zum süd- Identität Eine Viertelstunde fährt die U-Bahn von das flache Becken und lädt Kinder zum fende Zeilenbebauung führt die Heide ländischen Traumort, über dem ab und • Fallbeispiel: Hohe Zufriedenheit ...... S. 150 der Nordhaide in die Münchner Innen- Spielen ein. Hier beginnt auch die 500 tief in das Wohngebiet hinein. Immer an Turmfalken kreisen und Feldlerchen • Fallbeispiel: Arabisch im Kirchenzentrum ...... S. 150 stadt. Der U-Bahnhof Dülferstraße be- Meter lange „Diagonale“, der zentrale wieder gibt es den direkten Blick in die singen. • Fallbeispiel: „Hier musste die Zukunft, die unsere, und zwar findet sich direkt am lebendigen Nord- Fuß- und Radweg, der das Shopping- Landschaft – die dreigeschossige Be- eine glückliche entstehen.“ ...... S. 151 haideplatz vor dem Einkaufszentrum center mit dem Dominikuszentrum, bauung bildet dabei den Blickhorizont. MIRA. Besondere Aufmerksamkeit einem wichtigen kulturellen und spiri- Die dazwischen liegenden „Türme“ mit zieht hier ein Brunnen auf sich, den der tuellen Dreh- und Angelpunkt des Vier- ihren sieben Stockwerken gliedern und Künstler Alexander Laner gestaltet hat. tels, verbindet. Von der Diagonale aus strukturieren zusätzlich. Die neue Be- Ein bewegtes Wasserspiel durchzieht führen auch die nach Gewächsen der bauung schließt mit einem klaren Orts-

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1 – Blick in die Weiten der Panzerwiese; 2 – Sichtachsen im Quartier; 3, 4 – Gondel und Steg aus der Installation „ALITTLEMORELOVE“ (änderungs- Schafe grasen regelmäßig auf der Panzerwiese am Rande des neuen Wohngebietes. Sie tragen zur Pflege des seltenen Kalkmagerrasens bei. atelier), 2008; 5 – Sportfläche an der Diagonale

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Am Ackermannbogen (ehemals Waldmannkaserne und Stettenkaserne)

Anschrift / Lage Korpsnachrichtenkaserne errichtet und Bauzeit nördlich der Schwere-Reiter-Straße im Jahr 1938 nach Anton Waldmann 2002 bis voraussichtlich 2015 sowie östlich der Ackermannstraße benannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte das US-Militär auch diese Kaser- Städtebaulicher und landschafts- Größe ne, genannt Jensen-Barracks. 1955/56 planerischer Wettbewerb Planungsgebiet: 39,5 Hektar wurden die Flächen und Gebäude von Auslobung: 09/1996 der Bundeswehr übernommen und 1. Preis: Vogel und Brunninger Archi- Nutzung als Kaserne durch diese bis 1994/95 genutzt. Die tekten, München, mit Rita Lex-Kerfers Das Stadtquartier Am Ackermannbo- Landeshauptstadt München erwarb Landschaftsarchitekten, Bockhorn gen erstreckt sich über ein Gelände, die Waldmannkaserne und die Stetten- das vormals von der Waldmannkaser- kaserne am 01.09.2004. Anzahl der Wohnungen ne und der Stettenkaserne, der Post ca. 2.250 Wohnungen AG, dem Freistaat Bayern sowie der Datum der Freigabeerklärung auf 185.290 m² Geschossfläche Landeshauptstadt München genutzt 01.03.1995 (Stettenkaserne) / wurde. Die Stettenkaserne wurde 25.07.1996 (Waldmannkaserne) Gewerbeflächen 1931 als Kradschützenkaserne errichtet Mischgebiet: 43.900 m² Geschossfläche und 1938 nach Otto von Stetten be- Realisierungsstand Kerngebiet: 25.675 m² Geschossfläche nannt. Von 1945 bis 1956 wurde sie als Die ersten drei Bauabschnitte sind rea- Supermarkt und kleinteiliges Gewerbe Indiana-Depot vom US-Militär genutzt. lisiert, der vierte Bauabschnitt ist in der (Büros, Ärztehaus, Café): 1.200 m² Ge- Die Waldmannkaserne wurde 1934 als Umsetzung. schossfläche

Anzahl der Arbeitsplätze ca. 500 Arbeitsplätze

Weitere Nutzungen Hauptschule, Privatschule, sechs Kinder- tagesstätten, eine offene Einrichtung für Kinder und Jugendliche, Wohnen für ältere Menschen, Bewohnertreffs, Kulturpassage, Studentenwohnen (Das ehemalige Wohnheim wurde aus der Maßnahme genommen und vom Stu- dentenwerk München direkt vom Bund erworben.)

Freiflächen ca. 9,72 Hektar öffentliche Grünflächen

Das neue Stadtviertel entstand in vier Bauab- schnitten auf fast 40 Hektar. Noch dauern die Ob auf dem eigenen, weinumrankten Balkon, auf der großen Wiese oder einer der zahlreichen Frei- und Spielflächen am Ackermannbogen bieten Bauarbeiten im vierten Bauabschnitt an – bis sich vielseitige grüne Erholungs- und Freizeiträume. 2015 werden insgesamt etwa 2.250 Woh- nungen entstanden sein.

24 25 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Am Ackermannbogen

ur wenige Kilometer vom Stadt- zent geförderten Wohnungen 20 Pro- weite Teile des alten Baumbestandes Offensive Zukunft Bayern – Es geht doch nichts über eine kleine, städtebauliche Solarreihenhäuser bis hin Nzentrum entfernt, zwischen Olym- zent der Wohnungen im München in Form eines „Stadtwaldes“ so weit Neue Wege zu preiswertem, Exkursion an einem strahlend blauen Wintertag, zum geplanten Wohnprojekt piagelände und Schwabings Gründer- Modell, dem Förderprogramm speziell wie möglich integriert wurden. Der ökologischem und sozialem zum Beispiel in den Schwabinger Norden. Genauer ge- „Wohnen ohne Auto III“. zeitbebauung, ist das vielseitige Stadt- für junge Familien, sowie genossen- Stadtwald bildet eine Zäsur zwischen Wohnen in Bayern“ entwi- sagt, in das Quartier zwischen Schleißheimer Straße und quartier Am Ackermannbogen entstan- schaftliches Wohnen realisiert. dem Nord- und Südteil des Gebietes ckelt. Realisiert wurden hier Ackermannbogen. Da finden sich jede Menge Varianten Schon bevor die Bewohnerin- den – geprägt von nachbarschaftlicher und ist gleichzeitig Bestandteil der 654 Wohnungen sowie zwei moderner, großstädtischer Architektur. Wohnkomplexe, die nen und Bewohner der ersten Gemeinschaft ebenso wie von indivi- Die Ermöglichung von Vielfalt, von Fahrradhauptroute, die Schwabing mit Kindertagesstätten. Frühzeitig möglichst viele Menschen auf möglichst wenig Grundfläche Stunde ihre neuen Wohnungen duellen Wohn- und Lebenskonzepten, integrativem und gemeinschaftlichem dem Olympiagelände und Neuhausen band die Landeshauptstadt unterzubringen haben und daher in die Höhe gehen – Land am Ackermannbogen bezo- von jungen Familien, Senioren und Wohnen in einer sozialverträglichen verbindet. An diese Achse schließen im München im Rahmen eines in der Stadt ist teuer. Manche Beispiele sind gelungen, man- gen, ist durch den gemeinsa- „urbanen Singles“, von Öko-Pionieren, Nachbarschaft war von Beginn an Leit- Norden die „Große Wiese“ und im Sü- sogenannten Optantenver- che allenfalls aufschlussreich: kompakte Genossenschafts- men Planungsprozess eine Genossenschaften und Start-up-Unter- gedanke dieser Städtebaulichen Ent- den der „Marktplatz“ an. Dieses Achsen- fahrens Bauträgerinnen und ensembles aus den Zwanzigern mit ihren grünen Innen- hohe Identifikation mit dem nehmern. Reihenhaus oder Zwölf- wicklungsmaßnahme. Das im Rahmen kreuz teilt das Gebiet in vier Quartiere. Bauträger in den Planungs- blockbereichen, die schmucklosen, pastellfarbenen, hohen Quartier entstanden. Die seit geschosser, Stadtwald, Anger oder des 1996 ausgelobten städtebaulichen prozess ein. Zudem wurde Satteldachhäuser aus der Nachkriegszeit, beige Wohnsilos 2005 erscheinende Bewoh- Dachterrasse – das Wohn- und Grün- und landschaftsplanerischen Ideenwett- Während Teile des ehemaligen Kaser- in diesem Areal erstmals in aus den sechziger und siebziger Jahren. Und neuerdings die nerzeitung „Ackermannbote“, raumangebot ist vielfältig. Bis zum bewerbs mit dem ersten Preis ausge- nengeländes zunächst durch Zwischen- größerem Umfang die Mög- Bebauung des alten Militärgeländes am Olympiapark, wo der äußerst aktive Nachbar- Jahr 2015 werden auf dem Gelände zeichnete Team überzeugte durch sei- nutzungen – teilweise aus der Film- lichkeit für Baugemeinschaf- sich erfreulicherweise auch Architektur zum Vorzeigen findet: schaftsverein Ackermannbo- der ehemaligen Waldmann- und Stet- nen abwechslungsreichen Entwurf ei- und Kreativbranche, aber auch durch ten geschaffen, Wohnprojekte Häuser ohne modische Attitüde, in einer klaren Formenspra- gen e. V., die Nachbarschafts- tenkaserne voraussichtlich etwa 2.250 nes Stadtviertels mit einem breiten An- Initiativen wie dem Münchner Verein zu realisieren. Die Stadt be- che gehalten – wie die des Büros Meck, das in der Therese- börse oder der „Schulbus Wohnungen und circa 500 Arbeitsplät- gebot unterschiedlicher Wohnformen für Heilende Erziehung – genutzt wur- auftragte einen Architekten, Studer-Straße gleich mehrere Projekte geplant hat. zu Fuß“ sind nur einige Bei- ze entstanden sein. Zurzeit leben rund und großzügigen, vielseitig nutzbaren den, begannen im Quartier Nord-Ost der die Bauwilligen bei der (Süddeutsche Zeitung, Jutta Göricke, 19.01.2005) spiele für das Engagement 4.000 Menschen im neuen Quartier. Grün- und Freiräumen. Die Planungsge- im Jahr 2002 die ersten Bauarbeiten. organisatorischen und bauli- der Bewohnerschaft. Ebenso Der vierte und letzte Bauabschnitt wird meinschaft der Architekten Vogel und In diesem ersten Bauabschnitt wurde chen Umsetzung ihrer Vorhaben unter- Ackermannbogen wurden und werden sind die regelmäßigen Flohmärkte und voraussichtlich im Jahr 2015 fertigge- Brunninger mit der Landschaftsplanerin in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit geleis- stützte. Insgesamt sind nach diesem Baugemeinschaftshäuser realisiert – ein Wochenmarkt auf diesen Einsatz stellt sein. Am Ackermannbogen wur- Rita Lex-Kerfers entwickelte für das fast tet. So wurde der Teilbereich im Rah- Modell bereits im ersten Bauabschnitt vom Mehrgenerationen-Wohnprojekt zurückzuführen. Ein „KulturTeam“ den zusätzlich zu der in der „Münchner 40 Hektar große Areal ein sehr hetero- men des Programms der Bayerischen 35 Wohneinheiten entstanden. Auch „Stadtgestalten“ in Holzleichtbau- organisiert Ausstellungen und Veran- Mischung“ üblichen Quote von 30 Pro- genes Planungskonzept, in dem auch Staatsregierung „Siedlungsmodell in den anderen Bauabschnitten am weise über die großzügig verglasten staltungen. Im vierten Bauabschnitt

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Der Ackermannbogen liegt in direkter Nachbarschaft zum Olympiapark und wird als neuer Teil Schwabings wahrgenommen. 1 – Stadthäuser Centa-Herker-Bogen, Baumschlager-Eberle, München; 2 – Solarreihenhäuser Centa-Herker-Bogen, Bucher Beholz, Gaienhofen/Horn; 3 – Spielplatz und Wohnblock Elisabeth-Kohn-Straße, H2R Architekten, München; 4 – Genossenschaftsanlage, Rosa-Aschenbrenner-Bogen, A2architekten, Freising; 5 – Mittelschule im sanierten Militärschulungsgebäude; 6 – Baugruppe „Stadtgestalten“, Centa-Herker-Bogen, Vallentin + Reichmann, München

26 27 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Am Ackermannbogen

soll innerhalb der öffentlichen Wir waren am Ackermannbogen schon ,zu Hause‘, weiteres Genossenschaftspro- In folgenden Fallbeispielen und Beiträgen werden einzelne Aspekte, die im Grünflächen unter anderem als es noch die Kasernen gab, lange bevor wir den jekt mit ca. 60 Wohnungen in Porträt nur Erwähnung finden, vertieft: ein interkultureller Nachbar- ersten Grundstein legten. Denn nachbarschaftliches, ur- drei Häusern. Erbe schaftsgarten entstehen. banes Mehrgenerationen-Wohnen im Viertel ist das Ziel aller • Fallbeispiel: Neue Nutzung für alte Gemäuer ...... S. 68 wagnis eG-Projekte. (...) JedeR kennt jeden, nicht jede liebt Eine weitere Pionierleistung Die Häuser der Genossen- jeden, man/frau ist miteinander vertraut, die Atmosphäre ist im Quartier Nord-West zu Prozess schaft wagnis eG sind wich- ist meistens freundschaftlich und offen. Nachbarschaftliche finden. Im Rahmen des Mo- • Interview: „Auf das Konzept kommt es an.“ ...... S. 89 tige nachbarschaftliche Zen- Hilfe, Geben, Nehmen, Teilen (auch das Auto) sind selbstver- dellprojektes „Solare Nahwär- • Fachbeitrag: Chancen für den Wohnungsbau ...... S. 90 tren. So auch die Wohnanlage ständlich. In diesem sozialen Netz, in dem sich die Nachbarn me“ werden 319 Wohnungen Nachhaltigkeit am Rosa-Aschenbrenner-Bogen nicht gleichgültig sind, fühlen sich alle gut aufgehoben – und mit Energie versorgt. Dabei • Fachbeitrag: Nachhaltigkeitsevaluation mit 92 Wohnungen, einem sicher bis zum Lebensende. Engagement, Beteiligung und wird solare Wärme zur Be- Nordhaide und Am Ackermannbogen ...... S. 103 Gemeinschaftsgarten, Büros, Selbstorganisation gehören zum genossenschaftlichen reitung von Heizenergie und • Fachbeitrag: Solare Nahwärme am Ackermannbogen ...... S. 112 Gästezimmer, der Nachbar- Grundverständnis, sodass jeder Verantwortung und Aufga- Warmwasser eingesetzt. Das • Fachbeitrag: Sozial, ökologisch und wirtschaftlich: Nachhaltigkeit im schaftsbörse, dem Café Rigo- ben der Gemeinschaft, der Nachbarbetreuung, der Haus- technische Konzept stellt eine Wohnungsbau von GEWOFAG und GWG München ...... S. 116 letto und einem Backshop. Im bewirtschaftung übernimmt, am Besten diejenigen, die Neu- und Weiterentwicklung • Fallbeispiel: Spiel- und Freiräume für alle ...... S. 118 Rahmen des Bundesprojektes ihm auch Spaß machen. Meine ,Domäne‘ ist die Pflege der auf dem Gebiet der Nutzung „Experimenteller Wohnungs- Pflanzen auf der Gemeinschaftsterrasse, auf der ich mich regenerativer Energien dar. Städtebau und Architektur und Städtebau“ wurden hier sehr gerne mit und ohne Nachbarn aufhalte. Über drei große Kollektoren- • Interview: „Eine Frage der Qualität.“ ...... S. 123 nicht benötigte Tiefgaragen- (Elisabeth Hollerbach, wagnis eG) dächer wird Sonnenenergie • Architekturrundgang: „Das ist selten in Neubaugebieten.“ ...... S. 125 plätze im Haus „Rigoletto“ gewonnen und in einem eu- • Fallbeispiel: Pioniere des ökologischen Bauens ...... S. 129 zu einer „Kreativgarage“ mit sich der „Olymp“ mit 45 Wohnungen, ropaweit einzigartigen Erd- Kooperation und Partizipation Werkstatt und Medienraum umgebaut, verschiedenen Gemeinschaftseinrichtun- speicher gesammelt. Die Anlage ist • Fachbeitrag: Neuland: Baugemeinschaften am Ackermannnbogen ..... S. 135 die vom Nachbarschaftsverein Acker- gen, wie einer Dachterrasse und einem seit Sommer 2007 in Betrieb. • Fallbeispiel: „Offensive Zukunft“ ...... S. 138 mannbogen betrieben wird und deren Gästeappartement, das auch an externe Angebote allen im Viertel offenstehen. Besucher vermietet wird. Im vierten Im Südosten des Viertels, wo sich ne- Identität An der Elisabeth-Kohn-Straße befindet Bauabschnitt plant die wagnis eG ein ben der Wohnbebauung auch verschie- • Fallbeispiel: Ein echtes „Zu-Hause“-Gefühl ...... S. 149 • Fallbeispiel: Bus mit Füßen ...... S. 151

dene höherwertige Gewerbeflächen und sichere Frei- und Spielräume zu und ein Ärztehaus befinden, ist in der schaffen, verbunden mit einem umfas- Adams-Lehmann-Straße ein weiterer senden Fuß- und Radwegenetz, war ei- Pionier am Ackermannbogen zu finden. ne wichtige Planungsgrundlage für das Münchens erster Co-Working-Space familienfreundliche Viertel. Hierzu wur- wurde hier 2010 eröffnet. 30 Arbeits- de ein zusammenhängendes, vielfältig plätze und vier Besprechungsräume nutzbares Freiflächensystem mit inte- werden im „Combinat 56“ monats- griertem Spielraumkonzept angelegt. Es oder auch tageweise von Solo-Unter- wurde mit dem SPIELRAUM-Preis 2009 nehmerinnen und Unternehmern ge- ausgezeichnet, wobei die Jury beson- mietet – von der Designerin über den ders hervorhob, dass die Bedürfnisse Marketingberater bis hin zur Program- unterschiedlicher Benutzergruppen, also

1 2 miererin. auch der älteren Bewohnerschaft, in ide- aler Weise berücksichtigt wurden. Das Viertel wächst Schritt für Schritt. Im Zentrum des Quartiers ist ein Mittlerweile ist am Ackermannbogen Marktplatz mit Supermarkt und an- eine der beliebtesten Wohngegenden deren Läden geplant. Im vierten Bau- Münchens entstanden – vor allem bei abschnitt soll betreutes Wohnen für Familien. So äußerten sich im Rahmen ältere Menschen realisiert werden, die einer für den Familienbericht München Parzivalschule des Münchner Vereins 2011 durchgeführten Befragung 90 Pro- für Heilende Erziehung ein dauerhaftes zent aller Familien im Viertel zufrieden Domizil finden und eine weitere Kin- bis sehr zufrieden mit ihrem Wohnum- dertagesstätte entstehen. Noch ist das feld. Ein wichtiges Zufriedenheitskriteri- Wegenetz im Ackermannbogen nicht um stellten neben der Infrastruktur und vollständig fertiggestellt – mit dem En- der Lage die familienfreundlichen Quar- de der Bauarbeiten wird es dann aber tiers- und Wohnstrukturen dar. So wur- 3 4 einen sicheren und kreuzungsfreien den im Rahmen der Konversion einsti- Schulweg zur Grundschule jenseits der ger Militärflächen am Ackermannbogen 1 – Wohngebäude mit Kindertagesstätte an der Ackermannstraße, Blaumoser Architekten, Starnberg / 03 Architekten, München; 2 – Atriumhäuser, Adams-Lehmann-Straße, H2R Architekten, München; 3 – Große Wiese; 4 – Wohnturm, Steidle Architekten, München Ackermannstraße geben. Die Brücke neue Maßstäbe für familienfreundliches dazu ist bereits fertig. Möglichst viele Wohnen in München geschaffen.

28 29 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Funkkaserne

Funkkaserne

Anschrift / Lage verbindlich. Die Ausschreibung und Weitere Nutzungen städtischer Bereich: Vermarktung der Wohn- und Gewerbe- Kunsthof (mit ca. 100 Ateliers und Stu- zwischen Domagkstraße 33 und grundstücke durch die Stadt München dios), vier Kindertagesstätten, Grund- Frankfurter Ring 206 sollen 2013 abgeschlossen sein. schule, Haus für Kinder, Jugend und Familie, Bewohnertreff (in Planung), Größe Bauzeit Studentenwohnheim und diverse wei- Gesamtgebiet: 33 Hektar Baubeginn ab 2013 bis voraussichtlich tere soziale Einrichtungen für ältere davon Bundespolizei: 8,7 Hektar 2018 Menschen und Behinderte davon städtischer Grund im Zwischen- erwerb: 24,3 Hektar Städtebaulicher und landschafts- Freiflächen planerischer Wettbewerb: ca. 5 Hektar öffentliche Grünflächen Nutzung als Kaserne Auslobung: 12/2001 Die Funkkaserne wurde zwischen 1. Preis: Ortner & Ortner Baukunst, 1936 und 1938 als Luftwaffen- Berlin, mit Topotek 1 Landschaftsarchi- Nachrichtenkaserne errichtet. Nach tekten, Berlin Ende des Zweiten Weltkriegs beher- bergte sie bis 1955 eine Unterkunft Anzahl der Wohnungen für sogenannte „Displaced Persons“, ca. 1.600 Wohnungen Zivilpersonen, die sich kriegsbedingt auf ca. 157.100 m² Geschossfläche in Bayern aufhielten, vor allem ehe- malige Zwangsarbeiterinnen und Gewerbeflächen Zwangsarbeiter. Anschließend wurde 18.000 m² Geschossfläche die Kaserne bis 1992 von der Bundes- kleinteiliger Einzelhandel und andere wehr genutzt. Erste zivile (Zwischen-) der Versorgung des Gebietes dienende Nutzungen fanden ab 1993 statt. Einrichtungen, Büros, Räume für freie Berufe, kirchliche, kulturelle, soziale, Datum der Freigabeerklärung gesundheitliche und sportliche Einrich- 29.03.1994 tungen

Realisierungsstand Anzahl der Arbeitsplätze Die Bebauungspläne sind rechts- ca. 1.000 Arbeitsplätze

Das zukünftige Stadtquartier entsteht auf einer Während auf der einen Seite der Mauer Soldaten trainierten, wurde auf der anderen Seite gepflanzt und geerntet. Die Schrebergärten am Areal der Fläche von 24,3 Hektar mit etwa 1.600 neuen ehemaligen Funkkaserne werden auch zukünftig erhalten bleiben. Wohnungen und zahlreichen Infrastrukturein- richtungen.

30 31 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Funkkaserne

aserne, Flüchtlingszentrum, Künst- als Pionierkaserne der Bundeswehr ge- Abschluss der Planungsphase für das angeboten für alle Altersgrup- Von Exerzierplätzen zu blühenden Gärten könnte Es ist ein stimmiges Pla- Klerkolonie, Partylocation, Polizei- nutzt wurden. Während auf Teilen des neue Stadtquartier weiter zu ermögli- pen ausgestattet ist. Dieser eine Devise sein, die auch im besten Sinne für die nungskonzept für das ganze standort – die Nutzungsgeschichte des Geländes das Militär noch präsent war, chen. Mit der umfangreichen Koordi- Park gliedert das Planungs- Funkkaserne zutrifft. Zwischen Stadtautobahn, Gewerbe- Viertel entstanden, Probleme ehemaligen Funkkasernenareals an wurden erste Gebäude bereits auf nation der verschiedenen Zwischen- gebiet in zwei unabhängig gebiet und Kleingärten gelegen, bietet das etwa 25 Hektar wurden im Gesamtkontext der Domagkstraße ist vielfältig. Anfang Initiative des damaligen Kasernenkom- vermietungen wurde auf Betreiben der erschlossene Quartiere, die große Areal die Chance, ein eigenständiges Stadtquartier gelöst und die notwendigen 2013 werden die baulichen Grundlagen mandanten zunächst an die Musikhoch- Landeshauptstadt München ein Gene- jedoch über Fuß- und Radwe- zu entwickeln. [...] Die neue städtebauliche Ordnung Planungskorrekturen sind vor für ein weiteres Kapitel geschaffen: Im schule und andere Kunsttreibende ralmieter vom Bundesvermögensamt ge verbunden sind und die basiert auf dem Vorhandenen: Kernstück – räumlich wie der ersten Baumaßnahme neuen Stadtquartier sollen etwa 1.600 vermietet. Nach der militärischen Frei- beauftragt. unterschiedlichen Nutzungen atmosphärisch – bleibt ein großer Park, um den herum erfolgt. Wohnungen, ein Park und verschiede- gabe entstand daraus innerhalb kürzes- aufnehmen. sich das neue Wohnquartier gruppiert. Verschiedene Haus- ne soziale Einrichtungen entstehen. ter Zeit ein Konglomerat unterschiedli- Ausgangspunkt für die städtebauliche typen, in Schichten angelegt, liegen auf höher gelegten Das ehemalige Kasernenareal Teile der alten Funkkasernen-Geschich- cher Nutzungen aus dem öffentlichen, Entwicklung des neuen Quartiers war Bei der weiteren Entwicklung Privatgärten mit möglichst optimalem Bezug zum Park. bot hier als stadtplanerische te werden auch weiterhin fortgeschrie- sozialen, künstlerisch-kulturellen und ein städtebaulicher und landschafts- des Gebietes konnten die Der Autoverkehr wird minimiert. Fußgängerinnen und „Terra Incognita“ einige Über- ben – sowohl die Bundespolizei als privatwirtschaftlichen Bereich. Neben planerischer Ideenwettbewerb, der Erfahrungen der verantwortli- Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer sollen raschungen. So wurden bei auch die Münchner Kunstszene, die der Bundespolizei und den verschiede- auf Grundlage eines vom Stadtrat chen Planerinnen und Planer die Stimmung prägen. Die unterschiedlichen Haustypen der Vorbereitung der ersten zu den ersten nicht militärischen (Zwi- nen Künstlerinitiativen zählte auch das beschlossenen Strukturkonzeptes der Stadt aus den Konversio- – Punkthäuser, Zeilen mit Reihenhäusern und Geschoss- Abrissarbeiten eine überge- schen-)Nutzerinnen des Geländes zähl- Technische Hilfswerk zu den temporä- Ende 2001 ausgelobt wurde. Sieger nen der anderen Militärareale wohnungsbau an den Rändern versprechen eine gute ordnete Fernwärmeleitung ten, haben bereits jetzt ein dauerhaftes ren Hauptnutzern des Areals. Bereits des Wettbewerbs war das Berliner Panzerwiese und Waldmann-/ soziale Mischung, in deren Mittelpunkt sicherlich die Fa- und eine Hauptwasserver- Domizil auf dem Areal erhalten. im Juni 1992 hatte die Landeshaupt- Architekturbüro Ortner & Ortner Bau- Stettenkaserne einfließen. milie steht. (Ortner & Ortner Baukunst, Sieger des sorgungsleitung entdeckt, stadt München mit einem Beschluss kunst, gemeinsam mit dem Berliner So wurde entschieden, das städtebaulichen Ideenwettbewerbs) die in den vorhandenen Im Oktober 1993 begann das Kapitel des Stadtrats eine Städtebauliche Büro Topotek 1 Landschaftsarchitekten. gesamte Gebiet nicht in Teil- Unterlagen des Militärs nicht der nicht militärischen Nutzungsge- Entwicklungsmaßnahme für das Kaser- Das zentrale städtebauliche und land- abschnitten, sondern „in einem Guss“ So konnten einer späteren Verzöge- dokumentiert waren. Da diese Lei- schichte der Kasernengebäude, die in nengelände eingeleitet. In Absprache schaftsplanerische Element ist der gro- zu überplanen. Die Folge war zwar ein rung während der Realisierungsphase tungen das angrenzende Stadtviertel der NS-Zeit errichtet und später kurz- mit der damaligen Flächeneigentüme- ße, zentrale Park, der die prägnanten, relativ langer Planungsprozess, ande- und damit verbundenen rechtlichen Schwabing inklusive des Schwabinger zeitig von den Vereinten Nationen als rin, der Bundesrepublik Deutschland, wertvollen Grünstrukturen aufnimmt, rerseits wurde das Bebauungsplanver- Konsequenzen aufgrund der Vereinba- Krankenhauses versorgten, mussten Übergangsunterkunft für sogenannte wurde schließlich vereinbart, die be- in seinem landschaftlichen Charakter fahren erst nach der Lösung aller auf- rungen aus dem Kaufvertrag mit der sie vor dem Beginn der Abbrucharbei- „Displaced Persons“ sowie ab 1955 gonnenen Zwischennutzungen bis zum weiterentwickelt und der mit Freizeit- getretenen Probleme abgeschlossen. Bundesrepublik vorgebeugt werden. ten möglichst ökonomisch außerhalb

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Fast 18 Jahre lang sind Teile der ehemaligen Kasernengebäude nach dem Auszug der Bundeswehr „zivil“ zwischengenutzt worden. Im Sommer 2011 1 – Der Sportplatz und die Gebäude am sogenannten Ehrenhain werden dauerhaft von der Bundespolizei genutzt; 2, 3, 4 – Abbrucharbeiten im Som- wurden die Abrissarbeiten weitestgehend beendet. Im Jahr 2013 beginnen voraussichtlich die Bauarbeiten für das neue Quartier. mer 2011; 5 – Haus 49 vor dem Abriss; 6, 7 – Die Kleingärten an der Funkkaserne bleiben erhalten.

32 33 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Funkkaserne

der Bauflächen neu verlegt ‚Es ist traurig, aber die Realität‘, sagt Yongbo Zhao. in der Alabamahalle in hygie- geworden. Es bietet 101 Atelierräume In folgenden Fallbeispielen und Beiträgen werden einzelne Aspekte, die im werden. In unkonventioneller Die Häuser der ehemaligen Funkkaserne an der nischer Hinsicht bewältigen und Studios, die von den Künstlerinnen Porträt nur Erwähnung finden, vertieft: Vorgehensweise wurde des- Domagkstraße werden verschwinden, und mit ihnen ein zu können, waren zeitweilig und Künstlern selbst verwaltet und Erbe halb unter anderem die Pla- einzigartiges Künstler-Biotop. ‚Die Stadt braucht den Platz‘, auf dem Gelände etwa 1.000 vom Münchner Kulturreferat betreut • Fallbeispiel: „Aufgeräumt“ ...... S. 67 nung der zukünftigen Straßen das sieht der chinesische Maler ein. Seit vier Wochen ar- mobile Toilettenhäuschen werden. Auch im neuen Wohngebiet • Fallbeispiel: Geschützt ...... S. 67 vorgezogen, und es mussten beitet der 47-Jährige nun in einem der 101 neuen Ateliers notwendig. Über die Jahre sollen weitere Räume entstehen, die • Fallbeispiel: Gärtnerin der ersten Stunde ...... S. 68 auch erhaltenswerte Bäume im ‚Haus 50‘, das die Stadt für 150 Künstler erhalten und wurden zudem die zum Teil für kulturelle Aktivitäten genutzt wer- des ansonsten verbleibenden für knapp 5,4 Millionen Euro renoviert hat. Zhao ist begeis- noch aus der Nachkriegszeit den können. Prozess alten Baumbestandes ent- tert: ‚Schau, der Raum ist über acht Meter hoch‘ ruft der stammenden Abwasserring- • Fachbeitrag: Zwischennutzung als Instrument der Stadtentwicklung: fernt werden. Mann, der in Peking Professor ist. ‚Das Licht ist so geil – leitungen undicht, sodass Insgesamt werden rund 1.600 neue Woh- Möglichkeiten und Grenzen am Beispiel der Münchner Kasernenareale ... S. 87 ich habe das Gefühl, ich würde da draußen arbeiten.‘ [...] eine umfangreiche Sanierung nungen errichtet, die Hälfte davon als • Interview: „Auf das Konzept kommt es an.“ ...... S. 89 Den Zwischennutzerinnen ‚Früher‘, fügt er hinzu, ‚gab es hier elf Häuser mit 350 durchzuführen war, um den geförderter Wohnraum. Die Bebauungs- • Fachbeitrag: Zwischennutzung: Chance oder Last? ...... S. 94 und Zwischennutzern waren Künstlern. Und in jedem war die Stimmung anders.‘ Da Zwischennutzungsbetrieb planung wurde auf Grundlage des Ent- • Fallbeispiel: Europas größte Künstlerkolonie ...... S. 95 die daraus resultierenden arbeiteten Maler, dort Filmemacher – ‚man konnte sich aufrechtzuerhalten. wurfs von Ortner & Ortner und Topotek 1 • Fallbeispiel: Die Karawane zieht weiter ...... S. 95 Verzögerungen nicht unwill- abgrenzen, aber auch besuchen.‘ In einem einzigen Haus vom Referat für Stadtplanung und Bau- Nachhaltigkeit kommen, schließlich verlän- werde es allerdings schwer sein, die Unterschiede zu Der Wunsch der Kunstschaf- ordnung entwickelt. Die Architektur- • Fachbeitrag: Von der „Kasernentram“ gerte das ihr Bleiben auf dem überbrücken. Aber natürlich überwiege die Freude: ‚Endlich fenden vor Ort und ihrer büros wurden mit der Erstellung eines zur „Tram in die Parkstadt Schwabing.“ ...... S. 109 Gelände, das im Laufe der wissen wir, dass das keine Übergangslösung mehr Unterstützerinnen und Unter- Gestaltungsleitfadens zur Entwicklung • Fallbeispiel: Ruhiger Wohnen ...... S. 119 Jahre zum Partyareal und zur ist.‘ (Münchner , Johannes Löhr, 08.07.2009) stützer nach einem Fortbe- beispielhafter gestalterischer Lösungen Künstlerkolonie mit mehr als stand der Künstlerkolonie als und eines stimmigen Gesamtbildes des 300 Künstlerinnen und Künstlern an- nen und Mietern aus dem Kunst- und „Cité des artistes“ konnte teilweise neuen Quartiers beauftragt. bauliche Entwurf und die Bebauungs- ten Qualitätsansprüchen gerecht wird. gewachsen war. Es kam allerdings nun Kleingewerbebereich und den Event- erfüllt werden. Zumindest eines der planung für diese neue „Gartenstadt“ Die Hofhäuser am Frankfurter Ring aufgrund des großen Nutzungsdruckes Betreibern der Alabamahalle, deren ehemaligen Kasernengebäude blieb Zwischen Domagkstraße und Frank- wurden durch ein Büro für solare und leiten mit unterschiedlicher Geschos- auch zu Konflikten zwischen den Betei- Gelände jedes Wochenende von bis zu erhalten und ist seit dem Sommer furter Ring wird ein lebendiges und energetische Planungsberatung beglei- sigkeit zu den Punkthäusern über, die ligten. Beispielhaft sind die Auseinan- 20.000 Besuchern aufgesucht wurde. 2011, nach aufwendiger Sanierung zum dichtes Stadtviertel entstehen. Neben tet. So konnten bereits frühzeitig die nördlich und südlich des Parks im neu- dersetzungen zwischen den Mieterin- Um den Andrang bei den Konzerten Kunsthof, eine dauerhafte Einrichtung Wohnraum bietet es zahlreiche Freiflä- Weichen für einen sorgsamen Umgang en Quartier entstehen sollen. chen, allen voran das grüne „Parkherz“ mit Ressourcen gestellt werden. Bis im Zentrum des neuen Viertels. Es zum Jahr 2018 soll das neue Viertel Etwa ein Viertel des Gebietes der vernetzt alle Teile des Quartiers mitei- fertig sein. ehemaligen Funkkaserne nimmt das nander und stellt einen großzügigen Sicherheitsgelände der Bundespolizei Erholungsraum für alle dar. Anfang Die Bauarbeiten für die ersten 420 ein. Der Teilbereich wurde nach der 2012 ging der Entwurf des Büros Wohnungen beginnen voraussichtlich Freigabe aus der militärischen Nut- Latz + Partner Landschaftsarchitekten 2013 am Frankfurter Ring – dem nörd- zung nicht an die Landeshauptstadt Stadtplaner aus Kranzberg als Sieger lichen Entrée des neuen Stadtquartiers. München verkauft, sondern durch das im Auswahlverfahren zur Gestaltung Anstelle des ursprünglich geplanten Bundesverteidigungsministerium an des Parks hervor. Die privaten Grünflä- Großhandels wurden für die Grund- das Innenministerium übergeben und chen innerhalb der Wohngebiete sollen stücke am Ring die Rahmenbedingun- damit die polizeiliche Nutzung dieses den künftigen Bewohnerinnen und gen für eine Wohnnutzung geprüft und Kasernenteiles dauerhaft etabliert. Die Bewohnern zur Erholung dienen und dann festgesetzt. Ein Großteil dieser Gebäude um den sogenannten Ehren- Rückzugsmöglichkeiten im Freiraum Grundstücke wurde bereits von der hain stehen zum Teil unter Denkmal-

1 2 bieten. Sie sollen barrierefrei erreichbar städtischen Wohnungsbaugesellschaft schutz und bleiben deshalb auch nach und im Gegensatz zu den Parkflächen GEWOFAG erworben. Diese lobte der geplanten baulichen Verdichtung für die Öffentlichkeit nicht zugänglich einen Realisierungswettbewerb aus, des Areals erhalten. So lässt sich bei sein. der im Januar 2012 entschieden wurde. einem Spaziergang entlang der Zaun- Entstehen soll hier eine „Bastion mit anlage an den Grundstückgrenzen zur Mit Einrichtungen wie Kindertagesstät- freundlichem Gesicht“, wie die „Bau- Bundespolizei, an denen zukünftig ne- ten, einem Haus für Kinder, Jugend welt“ den Siegerentwurf der Berliner ben einer Kindertagesstätte und einem und Familie, einer Grundschule und Büros Léon Wohlhage Wernik Architek- Jugend- und Familienzentrum mit Bolz- verschiedenen Läden werden kurze ten und Atelier Loidl Landschaftsarchi- platz auch öffentliche Grünflächen ent- Wege garantiert. Im Westen wird das tekten betitelte – eine Wohnbebauung, stehen sollen, möglicherweise weiter- Zentrum des Quartierlebens entste- die als Schutzwall gegen den Lärm des hin ein Blick auf diese letzten originalen hen. Um einen zentralen Stadtplatz vielbefahrenen Frankfurter Rings und Teile der Funkkasernen-Geschichte herum sollen sich zukünftig Infrastruk- des benachbarten Gewerbes ebenso werfen, während ringsherum die neue tureinrichtungen, Läden und andere ge- funktioniert wie als einladender Zugang Geschichte des Domagk-Quartiers werbliche Nutzungen gruppieren. Hier zum Quartier. Am Mittleren Ring haben längst begonnen hat. 3 4 befindet sich auch die Haltestelle der die Berliner Architekten in München- sogenannten Kasernentram, die das Bogenhausen bereits demonstriert, 1 – Domagk-Ateliers im sanierten Haus 50; 2, 3 – Visualisierung der geplanten Bebauung, Léon Wohlhage Wernik Architekten, Berlin; 4 – Visualisierung geplanter Quartierspark, Latz + Partner Landschaftsarchitekten, Kranzberg Gebiet in das öffentliche Personennah- dass auch an verkehrsreichen Straßen verkehrssystem einbindet. Der städte- Wohnraum entstehen kann, der höchs-

34 35 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Luitpoldkaserne

Luitpoldkaserne

Anschrift / Lage Datum der Freigabeerklärung Weitere Nutzungen zwischen Dachauer Straße, Schwere- 31.12.2006 kreativwirtschaftliche und kulturelle Reiter-Straße, Lothstraße und Heß-/ Nutzung im Bereich der historischen Infanteriestraße Realisierungsstand Hallen, Grundschule mit Dreifach-Sport- Ein städtebaulicher und landschaftspla- halle, drei Häuser für Kinder, Büroflä- Größe nerischer Ideenwettbewerb wurde im chen, Hochschulnutzung (Campus- Areal Luitpoldkaserne: 5,5 Hektar Mai 2012 entschieden. Mit der Bebau- Nord der Hochschule München mit vier Gesamtplanungsgebiet: 20 Hektar ung des Quartiers soll voraussichtlich Fakultäten), Einzelhandel 2015 begonnen werden. Nutzung als Kaserne Freiflächen Die Luitpoldkaserne wurde 1896 als Städtebaulicher und landschafts- Freiflächen als prägendes Element Unterkunftsliegenschaft der Luftschif- planerischer Ideenwettbewerb des neuen Quartiers. Es soll ein ab- ferabteilung der bayerischen Armee Auslobung: 09/2011 gestuftes, gut nutzbares Freiflächen- errichtet. 1931/32 wurde das Gelände 1. Preis: TELEINTERNETCAFE, Berlin, system mit hoher Aufenthaltsqualität auf 5,5 Hektar erweitert und ab 1950 mit TH treibhaus landschaftsarchitektur, geschaffen werden. durch die US-Armee genutzt. 1957 zog die Sanitätstruppenschule der Bundes- Ökologie wehr in die Kaserne. Die militärische Anzahl der Wohnungen Es sind konzeptionelle und bauliche Nutzung auf dem Nordteil wurde Juni ca. 900 Wohnungen Maßnahmen zur Gewährleistung der 2000 beendet. Der Südteil wurde zum städtischen Klimaziele (Reduzierung 31.12.2007 freigegeben. von Treibhausgasen und Anpassungs- strategien an den Klimawandel) unter Berücksichtigung der ökologischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Aspekte und baukulturellen Ziele vor- gesehen.

Das neue „Kreativquartier“ wird auf der Fläche der ehemaligen Luitpoldkaserne sowie angren- zenden Gebieten entlang der Dachauer Straße, Die historischen Gemäuer der Luitpoldkaserne sind Ausgangspunkt für die Entwicklung eines urbanen Wohnviertels und „Kreativquartiers“. Schwere-Reiter-Straße, Lothstraße und Heß-/ Infanteriestraße auf insgesamt 20 Hektar ent- wickelt.

36 37 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Luitpoldkaserne

ie Bauten der ehemaligen Luitpold- „Werkbundsiedlung“ sieht Christian Wenn es dabei gelingt, der Gefahr der genutzt, die Räume der Luitpoldka- Im folgenden Beitrag werden einzelne Aspekte, die im Porträt nur Erwähnung Dkaserne zählen zu den ältesten Böhm, 2. Vorsitzender des Deutschen Vereinfachung auf nur einen Aspekt zu serne werden teilweise als Ateliers finden, vertieft: noch erhaltenen Kasernengebäuden Werkbunds, mittlerweile auch eine entgehen und vielfältige Qualitäten zu zwischenvermietet. Ein Schwerpunkt Identität Münchens. Um 1900 wurden die gelb- Chance: „Ob die Werkbundsiedlung erreichen, dann hat München mit der der zukünftigen kulturellen und kreativ- • Interview „Man muss das Aushalten lernen.“ roten Ziegelbauten errichtet. Gemein- Wiesenfeld bei der Realisierung alle Werkbundsiedlung zwar ein weit über wirtschaftlichen Nutzung liegt in der Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk im Gespräch mit Micha Purucker ...... S. 143 sam mit den denkmalgeschützten ehe- Erwartungen hätte einlösen können, die Stadt hinaus beachtetes Leucht- Jutier- und Tonnenhalle. Das Konzept maligen Industriehallen, der Jutier- und bleibt dahingestellt. Und sicherlich turmprojekt verloren, aber an Planungs- für die Bespielung der Räume entsteht Tonnenhalle an der Schwere- kultur im Wohnungsbau ge- im Rahmen des zweistufigen, offenen das Gebiet in vier miteinander vernetz- und so im Stadtraum erlebbar machen. Reiter-Straße, bilden sie den Aus Sicht der bereits bestehenden kulturellen Nut- wonnen.“ Ideenwettbewerbs „Kreativen Raum te Quartiere, die unabhängig vonein- Die geplante „Kreativ-Plattform“ Ausgangspunkt für die Ent- zung im Bestand bietet dieser Entwurf die besten schaffen“ des Kulturreferats im Laufe ander entwickelt werden können. Ihr für Bildung und Wohnen im Süden wicklung eines neuen urba- Möglichkeiten, Vorhandenes weiterzuentwickeln und auf Dieser Gewinn an Planungs- des Jahres 2012. Die Ergebnisse bil- Entwurf zeigt ein breit gefächertes und schließt an die Gebäude der Hochschu- nen Quartiers. kommende Entwicklungen zu reagieren. Der Entwurf zeigt kultur zeigt sich auch am den einen wichtigen Baustein bei der vielfältiges Wohnangebot und hohe le München an der Lothstraße an. sich als Vision für ein zukunftsweisendes Wohnquartier, das weiteren Verlauf des Verfah- Entwicklung des Gesamtareals. Das Freiraumqualitäten. Das Quartier Im Mai 2012 wurde hier der zugleich flexibel auf zukünftige Entwicklungen antworten rens und der Einbindung der Bundesministerium für Verkehr, Bauen „Kreativ-Labor“ kombiniert Arbeiten Als „roh und mutig“ bewertete die erste Meilenstein mit der kann und enthält ein hohes Potenzial und eine gute Grund- Öffentlichkeit. Das Referat und Wohnen fördert das Verfahren zur und Wohnen bei gleichzeitiger Erhal- Jury die Freiräume der so entstehen- Prämierung des Siegerent- lage für eine abschnittsweise bauliche Umsetzung. für Stadtplanung und Bauord- Bürgerbeteiligung als Pilotprojekt im tung von Teilen der bestehenden Ge- den „Kreativ-Werkstadt“. „Sie verkör- wurfs des städtebaulichen (Aus dem Preisgerichtsprotokoll zum Siegerentwurf nung und das Kulturreferat Rahmen der Nationalen Stadtentwick- bäude und kann flexibel weitergestal- pern eine offene Atmosphäre, die in und landschaftsplanerischen für das geplante Kreativquartier) veranstalteten mit interes- lungspolitik. tet werden. Auch im Quartier „Kreativ- einer organischen Entwicklung, suk- Ideenwettbewerbs gelegt, sierten Kulturschaffenden, Feld“ soll laut dem Siegerentwurf der zessiver Aneignung und einer spezi- den die Landeshauptstadt München gibt es heute, wo das ehemalige Bürgerinnen und Bürgern sowie Die städtebaulichen und landschaft- Bestand im Norden erhalten und ein fischen Materialität zum Ausdruck für das Planungsareal, in dem auch die Werkbundareal in den größeren Zu- Fachleuten verschiedene Werkstattge- lichen Planungen werden parallel auf Wohnquartier mit Schule und Häusern kommt.“ Hier könnte ein neues Stadt- Luitpoldkaserne liegt, ausgelobt hatte. sammenhang des Kreativquartiers an spräche zur Entwicklung des Kreativ- Grundlage des preisgekrönten Ent- für Kinder baulich ergänzt werden. Als gebiet entstehen, das immer wieder Das Gebiet, 2,5 Kilometer nordwestlich der Dachauer Straße miteinbezogen quartiers. Bereits seit einigen Jahren wurfes des Berliner Architekturbüros zentraler Freiraum soll ein „Kreativ- neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnet der Münchner Altstadt in der Nähe des wird, größere Spielräume für übergrei- wird das Schwere-Reiter-Areal durch TELEINTERNETCAFE mit TH treibhaus Park“ Dachauer Straße und Heßstraße und „an dem München in Zukunft Olympiaparks und östlich der Dachauer fende Lösungen, können neue stadt- Institutionen wie die Münchner Kam- landschaftsarchitektur (Hamburg) wei- verbinden und die Jutier- und Tonnen- wachsen kann“. Straße gelegen, erstreckt sich von der räumliche Bezüge geschaffen werden. merspiele oder das Pathos-Theater ter erarbeitet. Die Architekten gliedern halle „aus der zweiten Reihe locken“ Lothstraße im Süden bis zur Schwere- Reiter-Straße im Norden. Im Osten wird das Gelände durch die Heßstraße beziehungsweise Infanteriestraße be- grenzt. Auf insgesamt 20 Hektar sollen hier vier miteinander vernetzte Teilquar- tiere entstehen.

Vorausgegangen waren dieser jüngsten Planungsgeschichte frühere Überlegun- gen, die Luitpoldkaserne auf dem Wie- senfeld in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Werkbund als Wohnsied- lung zu entwickeln. Den im Sommer

2005 ausgelobten Wettbewerb hatte 1 2 der renommierte japanische Architekt Kazunari Sakamoto gemeinsam mit Ove Arup and Partners gewonnen. Das Konzept sah 24 Hochhäuser mit insge- samt 400 Wohnungen vor, die – jeweils individuell gestaltet – dem Wohngebiet eine futuristische Anmutung verliehen hätten. Im Stadtrat fand Sakamotos Punkthausfeld 2007 allerdings auch nach mehreren Überarbeitungsschritten keine mehrheitliche Zustimmung, vor allem aufgrund fehlender Finanzierbar- keit und sozialer Durchmischung, au- ßerdem wurde der ökologische Ansatz des Entwurfs hinterfragt. 3

Die „Werkbundsiedlung“ mit den futuristischen Wohntürmen von Kazunari Sakamoto (1, 2) wird Die weitere Entwicklung des Quartiers erfolgt auf Grundlage des Entwurfs der Architekten von TELEINTERNETCAFE und der Landschaftsarchitekten Im Scheitern der Pläne für die architek- auf dem Areal der ehemaligen Luitpoldkaserne (3) nicht realisiert. von TH treibhaus. tonisch und städtebaulich ambitionierte

38 39 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prinz-Eugen-Kaserne

Prinz-Eugen-Kaserne

Anschrift / Lage Datum der Freigabeerklärung Gewerbeflächen Eingang Cosimastraße 60 19.02.2002 ca. 5.000 m² Geschossfläche Nahversorgung, Einzelhandel, Größe Realisierungsstand Gastronomie, Büro Planungsgebiet: ca. 29,9 Hektar Bebauungsplan mit Grünordnung in Bauland: ca. 15 Hektar Vorbereitung Weitere Nutzungen Erschließung: ca. 3 Hektar Grundschule mit Hort, Dreifachturn- Bauzeit halle und Schwimmbad Nutzung als Kaserne Baubeginn geplant ab 2014 fünf Kindertagesstätten Die Prinz-Eugen-Kaserne wurde ab Bürgerhaus für gemeinschaftliche 1934 als Lohengrin-Kaserne errichtet. Städtebaulicher und landschafts- Nutzungen Nach kurzzeitiger Nutzung des Are- planerischer Ideen- und Realisie- als durch US-Truppen ab Kriegsende rungswettbewerb: Freiflächen 1945, auch als Unterkunft für soge- Auslobung: 11/2008 ca. 69.000 m² öffentliche Grünflächen nannte „Displaced Persons“, wurde 1. Preis: GSP Architekten, München, ca. 49.000 m² Ausgleichsflächen das Areal ab 1956 als Pionierschule mit Rainer Schmidt Landschafts- insgesamt ca. 118.000 m² Freiflächen Prinz-Eugen-Kaserne der Bundeswehr architekten, München zur Verfügung gestellt und durch die- se bis zum April 2009 genutzt. Die Anzahl der Wohnungen Pionierschule wurde nach Ingolstadt ca. 1.800 Wohnungen verlegt. auf ca. 190.000 m² Geschossfläche

Das Leitbild der Münchner Stadtentwicklung „kompakt, urban, grün“ spiegelt sich klar im Auf dem ehemaligen Kasernengelände im Stadtviertel Bogenhausen befinden sich teilweise parkähnliche Landschaften, aber auch solche bizarr städtebaulichen und landschaftsplanerischen anmutenden Gewächse. Insgesamt wurden auf dem Areal drei Hektar schützenswerte Biotope in 13 Einzelflächen mit der Ausprägung Park, Hain, Entwurf für den zukünftigen Prinz-Eugen-Park Baumbestände, Hecken und Wiesen von der Stadt kartiert. wider.

40 41 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prinz-Eugen-Kaserne

er Park ist schon da. Seitdem die Wechsel mit den Freiflächen des Parks – dards gesetzt und der Prinz-Eugen-Park Erhalt der Anlage, der auch so vom In folgenden Fallbeispielen werden einzelne Aspekte, die im Porträt nur DSpuren der militärischen Nutzung – kompakte „Wohncluster“, also Siedlungs- so zu einem Vorbild für künftige Wohn- Stadtrat beschlossen wurde. Erwähnung finden, vertieft: etwa 3.150.000 Kubikmeter umbau- einheiten, die vielfältige Wohntypolo- quartiere werden. Erbe ter Raum, verteilt unter anderem auf gien bieten. Ob Reihenhaus, Stadtvilla Dies stellte die zuständigen Planer- • Fallbeispiel: Abtauchen statt Abreißen ...... S. 69 35 Gebäude und 18 unterirdische oder Geschosswohnungsbau – verschie- Als Zentrum des öffentlichen Zusam- innen und Planer nach dem Ende der Schutzräume – weitestgehend entfernt dene Gebäudetypen mit insgesamt menlebens ist ein Platz mit Läden militärischen Nutzung allerdings vor Kooperation und Partizipation worden sind, ist das Gelände der ehe- 1.800 Wohnungen sollen das Entste- und gastronomischen Einrichtungen eine Herausforderung. Zuvor war das • Fallbeispiel: Workshop „Open Space“ ...... S. 139 maligen Prinz-Eugen-Kaserne vor allem hen von Nachbarschaften unterstützen geplant. Darüber hinaus soll unter Schwimmbad, wie alle Kasernenge- eins: sehr grün. Wertvolle Bio- anderem eine Grundschule bäude, durch eine interne Heizanlage tope, alte Bäume und groß- „Wohnen und Naturraum [sind beim Siegerentwurf] mit einer Sporthalle ent- versorgt worden. Mit dem Abbruch Während also im nördlichen Teil kurz- Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. flächige Wiesen prägen den so miteinander verknüpft, dass sie zu Partnern in stehen. Sie werden sich in der Gebäude war diese Versorgung zeitig bereits gebaut wurde, fanden auf Neben einer Ausstellung der Ergeb- Ort und verleihen ihm bereits einem neuen Stadtraum wurden. Die vorgeschla- direkter Nachbarschaft zur technisch nicht mehr möglich. Eine dem Rest des Geländes die Abbruchar- nisse des städtebaulichen und land- jetzt einen parkähnlichen Cha- genen Bautypologien öffnen sich zu den Freiräumen und Schwimmhalle befinden, die temporäre Stilllegung hätte aber beiten statt. Erstmalig übernahm dabei schaftsplanerischen Wettbewerbs rakter. Das neue Wohngebiet schaffen günstige Voraussetzungen für neue Wohnformen seit mehr als 30 Jahren eine eine bakterielle Verschmutzung des der Bund als vormaliger Grundstücks- veranstaltete die Stadt unter anderem Prinz-Eugen-Park soll zukünftig in der Landschaft. Die Freiräume werten die vorhandene wichtige Rolle im Sport- und Schwimmbeckens und der Leitungen eigentümer den Rückbau und die einen ganztägigen Workshop. Hier ging davon profitieren. Grünstruktur auf und stiften für diesen Ort eine spezifische Vereinsleben nicht nur des bedeutet, deren spätere Reinigung zu Altlastensanierung. Bei bisherigen Ka- es nicht nur um die Vorstellung des Identität.“ (Prof. Carl Fingerhuth, Vorsitzender der umgebenden Stadtviertels teuer gewesen wäre. Deshalb wur- sernenkäufen hatte die Landeshaupt- Siegerentwurfes durch die verantwort- Voraussichtlich im Jahr 2014 Jury des städtebaulichen Wettbewerbs) Bogenhausen spielt. Hier de auf dem Gelände schon gebaut, stadt München selbst den Abbruch der lichen Architekten. Anwohnerinnen und werden die Bauarbeiten dazu trainieren unter anderem die noch bevor ein Wettbewerbsergebnis bestehenden Gebäude und die Entsor- Anwohner konnten sich in mehreren beginnen. Das Münchner Büro GSP und zur Identifikation der zukünftigen Berufsfeuerwehr der Landeshauptstadt oder gar ein Bebauungsplan für das gung der bekannten Altlasten veran- Expertenrunden über einzelne Themen Architekten hat gemeinsam mit Rainer Bewohnerschaft mit ihrem Quartier München und Vereine wie der Sport- Quartier vorlag. Die Stadtverwaltung lasst. Im Fall der Prinz-Eugen-Kaserne austauschen und Kritik und Anregungen Schmidt Landschaftsarchitekten ein beitragen. In einem Teilbereich ist die club Prinz Eugen. Der in München ein- ging diesen sonst unüblichen Weg, übernahm die Stadt so zum ersten Mal äußern. Auch zukünftig sind weitere gestalterisches Konzept entwickelt, Errichtung einer sogenannten ökolo- zigartige Tauchtopf in der Halle wird um den Betrieb der Schwimmhalle ein „aufgeräumtes“ Areal. solcher Informations- und Dialogveran- das die zukünftigen Wohnhöfe span- gischen Mustersiedlung für rund 500 von der Deutschen Lebens-Rettungs- für die Vereine durch neu verlegte staltungen geplant. nungsreich mit der umgebenden Land- Wohnungen vorgesehen. Hier sollen Gesellschaft genutzt. Viele Bürgerinnen Versorgungsleitungen und eine Ver- Was dort zukünftig entstehen sollte, schaft vernetzt. Entstehen sollen – im unter anderem neue Energiesparstan- und Bürger wünschten sich daher den bindungsstraße sicherzustellen. wurde frühzeitig mit interessierten

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Die ursprüngliche Kasernenbebauung umfasste 35 Gebäude, darunter die auch zukünftig öffentlich genutzte Schwimmhalle. Auch der alte Baumbe- 1 , 2 – Schwimmhalle in der Sentastraße; 3 – Ansicht des zukünftigen Wohngebietes Prinz-Eugen-Park, GSP Architekten, München, mit stand bleibt zu großen Teilen erhalten. Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, München

42 43 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Kronprinz-Rupprecht-Kaserne

Kronprinz-Rupprecht-Kaserne (mit Virginia-Depot)

Anschrift / Lage Realisierungsstand Fertigstellung geplant zum Schuljahres- beidseitig Schleißheimer Straße Teilbebauungspläne zum Bebauungs- beginn 2016/17 südlich Rathenaustraße plan 1939 in der Umsetzung oder in Planung Nutzungen Größe Forschungs- und Innovationszentrum Gesamtbereich: ca. 59 Hektar Flächeneigentümer der BMW Group: 16,6 Hektar Bundesanstalt für Immobilienaufgaben / Sportfläche: ca. 2,4 Hektar Nutzung als Kaserne BMW Group / Landeshauptstadt Gymnasium: ca. 3 Hektar Die Kronprinz-Rupprecht-Kaserne wur- München Gewerbeflächen: ca. 4 Hektar de zwischen 1958 und 1962 errichtet ca. 39.000 m2 Geschossfläche und bis 1994 von der Bundeswehr Wettbewerbe genutzt. Sie entstand auf dem nördli- Realisierungswettbewerb Teilgebiet Anzahl der Arbeitsplätze chen Teil des ehemaligen Heeresver- Zentrale Kanalbetriebsstation Münch- Für das BMW-FIZ Nord sind ca. 3.750 pflegungsamtes – eine zwischen 1936 ner Stadtentwässerung Arbeitsplätze vorgesehen. und 1940 errichtete Depotanlage, die Auslobung: 12/2008 – 05/2009 später durch das amerikanische Militär 1. Preis: Reinhard Bauer Architekten, Freiflächen in das Alabama- und Virginia-Depot auf- München, mit t17 Landschaftsarchitek- Biotope, Biotoparrondierungs- und gegliedert wurde. Neben der Kaserne ten, München Ausgleichsflächen: 19,84 Hektar selbst zählt heute auch das benachbar- Baubeginn: voraussichtlich Anfang 2013 te und 2001 frei gewordene Virginia- Realisierungswettbewerb Gymnasium Depot zum Gebiet der Städtebaulichen München-Nord Entwicklungsmaßnahme. Auslobung: 04/2012 1. Preis: h4a Gessert + Randecker Ar- Datum der Freigabeerklärung chitekten, Stuttgart und München, mit 1994 Kaserne / 03.08.2001 Virginia-De- Hackl Hofmann Landschaftsarchitek- pot / 14.10.2008 Panzerverladerampe ten, Eichstätt

Ursprünglich sah das Strukturkonzept für den rund 60 Hektar großen Gesamtbereich eine Mischnutzung aus Wohnen, Gewerbe und Freizeit vor. Durch die Verlagerung des Wohnungsbaus auf weitere Kasernenflächen Die Kronprinz-Rupprecht-Kaserne wird seit 1994 nicht mehr militärisch genutzt. Einige ehemalige Kasernengebäude werden zwischengenutzt oder wird auf dem Areal der Kronprinz-Rupprecht- dienen temporär der Natur als neuer „Entfaltungsraum“. Das benachbarte Virginia-Depot wurde 2001 von der Bundeswehr freigegeben. Kaserne nun ein Schwerpunkt auf den Bereich Forschung und Bildung gesetzt.

44 45 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Kronprinz-Rupprecht-Kaserne

n München liegt Virginia gleich Noch liegt das 30 Hektar große Gelände an der sollen die ersten von ihnen mit derzeit im Rahmen von Zwischennut- In folgenden Fallbeispielen und Beiträgen werden einzelne Aspekte, die im Ineben Alabama. Als die ame- Ecke Knorrstraße/Rathenaustraße trostlos da, dem Unterricht im neuen vier- zungsvereinbarungen genutzt. Auf dem Porträt nur Erwähnung finden, vertieft: rikanischen Truppen nach dem bald soll hier aber eine Kaderschmiede für Spitzensportler zügigen Gymnasium beginnen, einstigen Militärgebiet wird nun an der Erbe Zweiten Weltkrieg ihre Gelände entstehen. […] Bis zur achten Klasse werden alle Kinder das zudem als Partnerschule Mobilität der Zukunft gearbeitet. Im For- • Fallbeispiel: Dohlentürme statt Unterhosenbunker ...... S. 69 in der Landeshauptstadt bezo- gemeinsam unterrichtet, dann bildet sich eine Sportklas- des Leistungssports besonde- schungs- und Innovationszentrum (FIZ) gen, benannten sie ihre Depots se heraus, die Wettkämpfe bestreitet und mehr trainiert re Möglichkeiten der Förderung entwickeln und testen Fachleute aus Prozess nach US-Bundesstaaten. So als die anderen. Die Auswahl der Schüler treffen die ent- des sportlichen Nachwuchses Forschung, Ingenieurwesen und ande- • Fallbeispiel: Die Karawane zieht weiter ...... S. 95 umfasst das aktuelle Konver- sprechenden Sportverbände und der Olympiastützpunkt bieten soll. Deshalb sind neben ren Mobilitätssparten neue Fahrzeuge Kooperation und Partizipation sionsgebiet östlich und westlich Bayern. […] Um sicherzugehen, dass das geplante Gym- dem Schulgebäude unter ande- und Technologien. Zukünftig soll das Are- • Fallbeispiel: Neue Verfahrenswege ...... S. 138 der Schleißheimer Straße auch nasium auch Spitzensportler hervorbringt, müssen sich rem eine überhohe Sporthalle, al des FIZ Nord, zu dem unter anderem Teile des einstigen Virginia- Sportverbände mit einem Konzept beim Olympiastützpunkt eine Zuschauertribüne und auch eine unter-irdische Crash-Anlage Identität Depots mit der ehemaligen bewerben. Wenn das Konzept stimmt, wird die Sportart im Freisportflächen vorgesehen. gehört, als FIZ Nord-Nord noch erweitert • Interview: „Davon könnten alle Anwohner profitieren.“ ...... S. 148 Kronprinz-Rupprecht-Kaserne. Gymnasium angesiedelt. Bei voller Belegung könnten werden. Der neue BMW-Forschungs- Die Entwicklung des Geländes (Münchner Merkur, Moritz Hoffmann, 21.02.2012) hier zukünftig 1.000 Schülerin- standort wird dann eine Gesamtfläche erfolgt im Rahmen einer ge- nen und Schüler lernen und von insgesamt 25 Hektar umfassen. Am Beispiel der Kronprinz-Rupprecht- trum zu erweitern und zusätzliche meinsamen Vereinbarung zwischen der wertvollen Biotopflächen mit Arten wie trainieren. Den Realisierungswettbewerb Kaserne wird deutlich, welche Mög- Flächen auf dem Areal zu erwerben. Bundesrepublik als Flächeneigentümerin die seltene Heideschnecke oder der Ge- haben H4a Gessert + Randecker Archi- Westlich der Schleißheimer Straße soll lichkeiten sich durch die abgestimmt Die Landeshauptstadt konnte dieser und der Landeshauptstadt als „Vertrags- franste Enzian im Virginia-Depot werden tekten aus Stuttgart mit Hackl Hofmann ein Gewerbegebiet entstehen, das von stattfindende Konversion mehrerer Schwerpunktverlagerung schließlich SEM“. Die Ziele einer Städtebaulichen auch zukünftig erhalten. Landschaftsarchitekten aus Eichstätt im der Nähe zu den Forschungseinrichtun- Militärgebiete eröffnen. Die Landes- zustimmen, weil die nicht weit entfernt Entwicklungsmaßnahme können auf September 2012 für sich entschieden. gen der BMW Group profitieren könnte. hauptstadt kann so flexibel auf verän- liegende Bayernkaserne die Möglichkeit diese Weise verfolgt werden, ohne dass Auf einer Teilfläche an der Knorrstraße Eine weitere Teilfläche soll dem sonst derte Rahmenbedingungen reagieren. bot, die hier reduzierte Wohnnutzung zu- die Stadt München die Flächen erwirbt. wird das Gymnasium für den Münchner In direkter Nachbarschaft nutzt bereits mit Sporteinrichtungen eher unterver- So sollten ursprünglich etwa 1.400 mindest teilweise zu kompensieren. Entstehen wird hier ein Forschungs- und Norden entstehen. Die zukünftigen jetzt die BMW Group einen Teil des sorgten Münchner Norden zugutekom- neue Wohnungen auf dem Gelände Bildungsstandort im Münchner Nor- Schülerinnen und Schülern profitieren Geländes. Ein Areal von 8,4 Hektar hat men und unter anderem für Vereine zur der Kronprinz-Rupp-recht-Kaserne ent- Umgekehrt übernimmt die Kronprinz- den. Außerdem hat der Naturschutz in von der geplanten sportlichen Profilie- das Unternehmen bereits erworben Verfügung stehen. Ein Konzept wird stehen. Die BMW Group signalisierte Rupprecht-Kaserne eine Entlastungs- diesem Areal eine hohe Priorität: Die rung der Schule. Im Schuljahr 2016/17 (FIZ Nord), andere Teilflächen werden derzeit entwickelt. jedoch Interesse, ihr Forschungszen- funktion für andere Kasernengebiete. So fanden hier die Parzivalschule und die Heilpädagogischen Tagesstätten zwischen 2005 und 2012 ein temporä- res Domizil, nachdem sie ihre ersten zwischengenutzten Räume auf dem Areal des heutigen Ackermannbogens verlassen mussten. Dem Technischen Hilfswerk wurde im nordöstlichen Teil des Virginia-Depots nach einem Inte- rimsaufenthalt in der Funkkaserne eine permanente Nutzung mit einer umge- nutzten Halle ermöglicht. Außerdem entsteht dort auch der Neubau für eine Kanalbetriebsstation der Münchner

1 2 Stadtentwässerung.

Diese Nutzungen werden die reichhaltige Flora und Fauna im Virginia-Depot nicht beeinträchtigen. Notwendige Ausgleich- flächen werden an den dort noch vorhan- denen, vermutlich primären Heiderest angelagert. Damit entsteht ein 20 Hektar großer Lebensraum aus Magerrasen und anderen wertvollen Lebensgemeinschaf- ten auf Trockenstandorten, der zukünftig einen neuen Schwerpunkt im Mager- rasenverbund mit hoher naturschutzfach- licher Funktion bildet. Für Mauersegler, Dohlen und andere Gebäudebrüter, die 3 4 in der Bunkeranlage des Depots brüte- ten, wurden sogenannte Dohlentürme 1, 2, 3 – Vereinzelt sind noch Spuren der militärischen Nutzung auf dem Gelände zu finden (3), der Großteil der Bebauung wurde aber bereits abgerissen (1). Lageplan des zukünftigen Gymnasiums (Realisierungswettbewerb durchgeführt vom Baureferat Im Rahmen der Konversion werden wertvolle Biotopflächen erhalten (2). Hier sind unter anderem stark gefährdete Pflanzenarten oder mittlerweile selten Hochbau,1. Preis H4a Gessert + Randecker Architekten, Stuttgart, in Arge mit Hackl Hofmann Land- errichtet – erst im Anschluss wurden die gewordene Tiere wie die Zauneidechse zu finden. 4 – Luftbild BMW-Gelände mit Virginia-Depot (rechts oben) – die Bunker wurden mittlerweile rückgebaut. schaftsarchitekten aus Eichstätt) Bunker abgebrochen.

46 47 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Fürst-Wrede-Kaserne

Fürst-Wrede-Kaserne

Anschrift / Lage Realisierungsstand derzeit 1.300 Soldatinnen und Soldaten Ingolstädter Straße, nördlich und süd- Nordteil: Abbruch der Kasernengebäu- und 300 zivilen Mitarbeiterinnen und lich der Stadtgrenze de erfolgt Mitarbeitern Südteil: umfangreiche Sanierungsarbei- Planung und Ausführung: HOCHTIEF Größe ten (2008 – 2010) abgeschlossen Solutions AG Gesamtgebiet: ca. 68 Hektar zukünftiges Vereinsgelände FC Bayern Flächeneigentümer Freiflächen München e. V.: 30 Hektar Nordteil: FC Bayern München e. V. Die Freiflächen konzentrieren sich auf Südteil: Bundesrepublik Deutschland den Nordteil der ehemaligen Kaserne Nutzung als Kaserne (Gemeindegebiet Oberschleißheim) Das Gebiet der Fürst-Wrede-Kaserne Nutzungen am Übergang zur Fröttmaninger Heide. wird seit 1936 militärisch genutzt. Nach Nordteil: Vereinssportgelände dem Zweiten Weltkrieg übernahm die FC Bayern München e. V. US-Armee die Anlagen, seit 1969 be- Planung: Albert Speer & Partner, findet sich die Kaserne im Besitz der /Main Bundeswehr. Teile des Gebietes, etwa Freiraumplanung: Mahl Gebhard. 35 Hektar, werden auch heute noch Konzepte Landschaftsarchitekten militärisch genutzt, u. a. durch eine BDLA Stadtplaner Partnerschaft, Bundeswehrfachschule. Der Nordteil München, und PAN Planungsbüro für des Grundstückes wurde im Jahr 2007 angewandten Naturschutz, München an den FC Bayern München e. V. ver- Landschaftsplanerische Bestands- kauft. aufnahme: Ökokart, München

Datum der Freigabeerklärung Südteil: Kaserne und Bundeswehr- 25.01.2007 (für den Nordteil) fachschule Fürst-Wrede-Kaserne mit

Der nördliche Teil der ehemaligen Fürst-Wrede-Kaserne wird zukünftig im Zeichen des Sports stehen: Der FC Bayern München e. V. plant hier ein neues Vereinsgelände. Vorstudie im Rahmen des Bebauungsplans Nr. 1982a (2007)

48 49 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Fürst-Wrede-Kaserne

er nördliche Münchner Uns war von Anfang an bewusst, dass es eine des FC Bayern München e. V. gelegt: Die angrenzende artenreiche Im folgenden Beitrag werden einzelne Aspekte, die im Porträt nur Erwähnung DStadtrand ist geprägt sehr große Aufgabe ist, ein Sportgelände mit 30 trainieren derzeit in verschie- Fröttmaninger Heide prägt das Bild der finden, vertieft: durch weite Landschaften wie Hektar Fläche zu errichten. Seit dem Kauf arbeiten wir denen Einrichtungen quer über Landschaft und ist durch europäisches Kooperation und Partizipation die Fröttmaninger Heide und mit den Kommunen intensiv an der Baurechtsschaffung die Stadt verteilt. Zukünftig Recht als sogenanntes Flora-Fauna- • Interview: „Spezialeinheiten in einem großen Verwaltungsapparat.“...... S. 137 die Panzerwiese. Er steht aber mit zwei korrespondierenden Bebauungsplänen in Mün- sollen die unterschiedlichen Habitat-Gebiet besonders geschützt. auch im Zeichen des Sports. chen und Oberschleißheim. Wir stehen kurz vor dem Ziel, Disziplinen wie Turnen, Fußball, Hier sind zum Beispiel seltene Schmet- Weithin sichtbar befindet sich dann gilt es, die Sportanlagen und die notwendige Infra- Handball und Bogenschießen terlinge wie der Himmelblaue Bläuling In München und Oberschleißheim schleißheim werden stark aufeinander dort im 12. Stadtbezirk Schwa- struktur zu bauen. (Bernd Rauch, 2. Vizepräsident auf dem Gelände der ehemali- zu finden. Zu den mehr als 350 verschie- gelten unterschiedliche Regelungen abgestimmt und die Planungsverfahren bing-Freimann die Allianz Are- des FC Bayern München e. V.) gen Fürst-Wrede-Kaserne eine denen Pflanzenarten gehören zahlreiche und Zuständigkeiten, beispielsweise weitgehend parallel geführt, um ein ein- na, Spielstätte des FC Bayern neue sportliche Heimat finden. bedrohte Arten wie der Ausdauernde hinsichtlich der Freiflächengestaltung, heitliches Ergebnis zu erzielen. München und des TSV 1860 München. einstigen Militärareal neuen Wohnraum Entsprechend der Konzeption der vom Lein oder das Sonnenröschen. Diese des Baumschutzes oder des Verfah- Zukünftig könnte hier ein weiterer wich- entstehen zu lassen. Allerdings wird Verein beauftragten Planungsbüros Naturräume gilt es zu bewahren. rensablaufes. Deshalb haben sich Stadt Der südliche Teil der Fürst-Wrede-Kaser- tiger Standort des vielfältigen Münchner der südliche Teil der Kaserne nach wie Albert Speer & Partner und Mahl und Gemeinde bereits frühzeitig über ne wird nach wie vor militärisch genutzt, Sportlebens entstehen, das aus weit vor durch die Bundeswehr genutzt. Das Gebhard Konzepte sollen hier Sport- Die zukünftige Gestaltung des nörd- Verfahrensschritte und Planungsinhalte unter anderem durch das Landeskom- mehr als nur Fußball besteht. Der FC schließlich freigegebene Areal im Nor- hallen mit Sitzplätzen für 200 bis 5.000 lichen Teils der Fürst-Wrede-Kaserne abgestimmt. Darüber hinaus wird eine mando Bayern, eine Fachschule und ein Bayern München e. V., dessen sportliche den ist für die Entwicklung eines neuen Zuschauerinnen und Zuschauer, mehrere erfordert komplexe Abstimmungspro- „interkommunale Vereinbarung“ abge- Fernmeldezentrum der Bundeswehr. Aktivitäten von Basketball bis Schach Wohnquartiers zu klein und isoliert. An- Sportplätze, ein Vereinsheim und weite- zesse – nicht nur mit dem FC Bayern schlossen, die unter anderem Regelun- Derzeit frequentieren etwa 1.300 Sol- reichen, plant die Errichtung eines Ver- dere Kasernenareale wie die Bayernka- re Einrichtungen gebaut werden. Die Zu- München e. V. Weil sich das neue gen für die Abwasser- und Abfallentsor- datinnen und Soldaten sowie rund 300 einssportgeländes auf Teilflächen der serne bieten bessere Voraussetzungen fahrt soll über einen neuen Verkehrskno- Sportgelände zum Teil auf dem Gebiet gung, den Brandschutz, das Rettungs- zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Fürst-Wrede-Kaserne. und Möglichkeiten für eine Wohnnut- ten an der Ingolstädter Straße erfolgen. der Gemeinde Oberschleißheim befin- wesen oder das Gewerberecht enthält. das Gelände. Unterhalten werden die zung. So entsteht auf Teilen der ehema- det, waren besondere Vereinbarungen Die Regierung von Oberbayern hat die Einrichtungen der Kaserne bis 2028 Das Areal liegt nur wenige Kilometer ligen Fürst-Wrede-Kaserne nun das neue Im Zusammenhang mit der Entwick- zwischen den beiden Kommunen, aber Zuständigkeit im Baugenehmigungs- durch HOCHTIEF Solutions. Die Kaserne vom Stadion entfernt, südwestlich der Sportgelände. Auf circa 30 Hektar sind lung des neuen Amateursportzentrums auch unter anderem mit dem Landrats- verfahren vom Landkreis München auf gilt damit deutschlandweit als Pilotpro- Fröttmaninger Heide. Wie bei allen ehe- verschiedene Sporthallen und -flächen wird besonderer Wert auf den Schutz amt München, dem staatlichen Bau- die Landeshauptstadt übertragen. Die jekt und ist die erste öffentlich-private maligen Kasernenflächen wurde hier für den Amateur- und Jugendsportbe- der ökologisch wertvollen Flächen im amt Freising und der Regierung von Bebauungspläne der Landeshauptstadt Partnerschaft der Bundesrepublik zunächst die Option geprüft, auf dem reich geplant. Etwa 1.400 Mitglieder und um das einstige Kasernengelände Oberbayern erforderlich. München und der Gemeinde Ober- Deutschland im Bereich Hochbau.

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Das Gesamtgebiet umfasst etwa 68 Hektar. Der südliche Teil wird weiterhin militärisch genutzt, im Norden entsteht auf circa 30 Hektar das neue 1, 2 – Ansichten aus dem nördlichen Kasernenteil; 3 – auf dem Areal der Fürst-Wrede-Kaserne sind wertvolle, erhaltenswerte Naturräume mit Zentrum für den Amateursport. mehr als 350 verschiedenen, teilweise sehr seltenen Pflanzenarten zu finden; 4 – südlicher Kasernenteil.

50 51 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Bayernkaserne

Bayernkaserne

Anschrift / Lage Fertigstellung phasenweise geplant ab südlich der Heidemannstraße / nördlich voraussichtlich 2016 des Europarks Anzahl der Wohnungen Größe ca. 3.000 Wohnungen (in Abhängigkeit Gesamtgebiet der Städtebaulichen vom Wettbewerbsergebnis) Entwicklungsmaßnahme: ca. 48,3 Hektar Weitere Nutzungen Schulen und Kindertagesstätten und Nutzung als Kaserne gegebenenfalls weitere soziale Infra- Die Bayernkaserne wurde zwischen struktur, z. B. für Jugendliche 1936 und 1938 errichtet, nach dem Einrichtungen der Nahversorgung Zweiten Weltkrieg von der US-Armee genutzt und ging 1969 ins Eigentum Freiflächen der Bundeswehr über. Ein Kaufvertrag Vorgaben für den Wettbewerb: weitge- für das Gelände wurde zwischen Bund hende Berücksichtigung des Baumbe- und Stadt im Jahr 2007 aufgesetzt, standes und der mageren Wiesenbe- 2011 verließen die letzten Truppen das stände, öffentliche Grünflächen im Um- Gelände. fang von bis zu 12 Hektar erforderlich

Datum der Freigabeerklärung 27.07.2009

Realisierungsstand Ergebnis städtebaulicher und land- schaftsplanerischer Wettbewerb voraussichtlich Mitte 2013

Wie das mehr als 48 Hektar große Areal zu- Langsam erobern sich Wildgewächse das Kasernenareal zurück. Das Gelände der Bayernkaserne wurde noch bis 2011 militärisch genutzt, der Ab- künftig gestaltet wird, ist noch offen. bruch der Gebäude steht bevor. Münchens Bürgerinnen und Bürger werden frühzeitig in den Planungsprozess involviert.

52 53 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Bayernkaserne

as Potenzial ist groß. Sieben Kilo- wiss, ob das Areal als Militärstandort Anfang. Was für die Bayernkaserne ge- ma als Wandbemalung, die Kühlräume Im folgenden Fallbeispiel werden einzelne Aspekte, die im Porträt nur Erwäh- Dmeter vom Münchner Stadtzent- erhalten bleibt oder von der Bundes- plant wird, soll frühzeitig gemeinsam für die Großküche. Betreten werden nung finden, vertieft: rum entfernt könnte auf der einstigen wehr aufgegeben wird. Nun wird dem mit den Münchnerinnen und Münch- die Gebäude kaum noch. Nur ein klei- Kooperation und Partizipation Bayernkaserne im Bezirk Schwabing- Gebiet für die Entwicklung des Münch- nern erarbeitet und diskutiert werden. ner Teil dient seit November 2010 als • Fallbeispiel: Planung im Dialog mit der Öffentlichkeit ...... S. 139 Freimann ein neues Stadtquartier mit ner Nordens eine wichtige Bedeutung Zudem wird das neue Wohngebiet Aufnahmeeinrichtung für junge Asylbe- rund 3.000 Wohnungen entstehen. zukommen. Hier sollen voraussichtlich zukünftig besser mit öffentlichen Ver- werberinnen und -bewerber. Momen- Die Stadt geht davon aus, kehrsmitteln erreichbar sein. tan leben hier meist Jugendliche, die Eingeleitet wurde diese erweiterte urban geplant wird, so bietet das neue dass hier zukünftig etwa 7.500 Grün, sozial und wirtschaftlich nachhaltig in Sachen Zwei Trambahnlinien sollen ohne Begleitung ins Land kamen. Ge- Öffentlichkeitsbeteiligung mit einer Quartier ebenso grüne Freiräume. Menschen leben werden. Das Energienutzung: Das neue Viertel auf dem Areal das Gebiet künftig erschließen meinsam mit ihnen sowie weiteren Auftaktveranstaltung im Februar Gebiet der ehemaligen Militär- der ehemaligen Bayernkaserne soll ein echtes Modellpro- und so an die U-Bahn anbin- Nachbarinnen und Nachbarn haben 2012, an der rund 180 Bürgerinnen „Grün“ im Sinne von ökologisch könn- anlage erstreckt sich auf 48,3 jekt sein […] Die Landeshauptstadt hat sich hohe Ziele den. Derzeit existiert nur ein die Münchner Kammerspiele hier im und Bürger teilnahmen, und einem te das Gebiet auch noch aus einem Hektar und gilt damit nach gesteckt. […] Unter Einbeziehung der Anwohner […] soll Anschluss an den Busverkehr. Sommer 2011 das Theaterstück „Die Werkstattgespräch, bei dem die anderen Grund werden. Im Rahmen dem Neubaugebiet Freiham das Kasernengelände in die gewachsene Umgebung in Als das Gelände noch militä- Perser“ inszeniert, das 2012 wieder Grundlagen der Planung öffentlich des EU-Projektes „POLIS“ (Identifi- als Münchens zweitgrößte Freimann integriert werden. In einer Bürgerwerkstatt […] risch genutzt wurde, war eine aufgenommen wurde. diskutiert wurden. Die Ergebnisse cation and Mobilization of Solar Poten- Potenzialfläche für den Woh- können die Freimanner ihre Anregungen erstmals schon Anbindung an den öffentlichen fließen in die Auslobung des Wettbe- tials via Local Strategies), bei dem es nungsbau. vor einem Architektenwettbewerb einbringen.(Münchner Personennahverkehr nicht Voraussichtlich Mitte 2013 wird das werbs ein. um die Verbindung von Solarenergie- Merkur, 08.02.2012, Stefan Reich in der Berichter- notwendig. Zukünftig wird sie Ergebnis des städtebaulichen und land- nutzung und Städtebau geht, soll das Hier kann auch der Wegfall der stattung zum Auftaktgespräch am 06.02.2012) entscheidend sein. schaftsplanerischen Wettbewerbs für Bei der Entwicklung des neuen Pla- Areal der Bayernkaserne als Modell- Wohnnutzung auf dem Gelän- die Bayernkaserne vorliegen. Bereits nungskonzeptes gilt es dabei auch, quartier dienen. Dass neben der So- de der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne ab dem Jahr 2016 konzentriert Wohn- Momentan wirken die Gebäude auf im Vorfeld werden die Bürgerinnen und das Erbe des Geländes zu beach- larenergie auch die anderen Aspekte teilweise kompensiert werden, die raum und dringend benötigte soziale dem Areal der Bayernkaserne wie im Bürger in die Planungen einbezogen. ten. Bis zu zwölf Hektar öffentliche einer nachhaltigen Siedlungsentwick- nun zum Forschungs- und Wirtschafts- Infrastruktureinrichtungen entstehen. Dornröschenschlaf. Sie zeugen nicht Die Landeshauptstadt München nimmt Grünflächen werden nach aktuellen lung berücksichtigt werden, ist dabei standort avanciert, aber auch ein Gym- nur von einer militärischen Nutzung, den Gedanken der Partizipation ernst Überlegungen der Stadt für das neue selbstverständlich. nasium beherbergen wird. Seit Juli 2011 Die Planungen für das neue Stadtquar- sondern erzählen auch vom Alltagsle- und will im Fall der Bayernkaserne nicht Wohngebiet benötigt. Auch wenn die befindet sich die Bayernkaserne im tier zwischen Heidemannstraße und ben in der Kaserne – der Friseur im Un- nur vielfältige Informations-, sondern Wohnbebauung auf der ehemaligen Eigentum der Stadt. Lange war unge- Europark stehen dabei noch ganz am teroffiziersheim, das Münchenpanora- auch Dialogmöglichkeiten bieten. Bayernkaserne zukünftig dicht und

Auf dem Gelände der Bayernkaserne sind derzeit noch zahlreiche Zeugnisse der militärischen Vergangenheit – wie dieses Schießkino – zu finden. Impressionen aus der Bayernkaserne, fotografiert im Sommer 2011. Voraussichtlich ab 2016 sollen hier rund 3.000 neue Wohnungen entstehen.

54 55 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Erbe Erbe

Genau hinschauen. Wenn die Truppen das Areal verlassen und die Flächen nicht mehr militärisch genutzt werden, bleibt zunächst eine Hinterlassenschaft. Diese kann sich in unterschiedlichen Formen zeigen: baulich, landschaftlich, geschichtlich, organisatorisch, oder einfach nur menschlich. Wie geht man mit diesem – manchmal auch schwierigen – Erbe um, wenn es sich beispielsweise um Hinterlassenschaften aus der Zeit des Dritten Reiches handelt? Was befindet sich unter der Erde, und welche Schwierigkeiten können sich daraus ergeben? Welche Bezüge und Beziehungen – auch persönliche – gibt es zu einem Gelän- de, das jahrzehntelang von der Bundeswehr genutzt wurde?

56 57 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Erbe

Franz Schiermeier Erbe Geschichte der Garnisonsstadt München

ie Unterbringung von Soldaten waren 160 Mann in Holzhütten vor richtungen gehörten außerdem drei Din speziell dafür gebauten oder dem Schwabinger Tor, dem heutigen Pulvermühlen, eine Walkmühle und eingerichteten Gebäuden kam in Mit- Odeonsplatz, untergebracht. Inner- ein Bohrhaus im Schönfeldviertel vor teleuropa erst nach dem Dreißigjähri- halb der Stadtmauern bestanden seit dem Schwabinger Tor zur Anfertigung gen Krieg Ende des 17. Jahrhunderts 1670 die Kreuzkaserne unmittelbar an von Geschützrohren. auf. Bis dahin wurden Heere nur bei der Stadtmauer zwischen Neuhauser Bedarf für Kriegszüge aufgestellt und Sendlinger Tor, die bis 1712 für Das Militär im neuen Königreich und in Zelten oder Privaträumen un- die österreichischen Besatzungstrup- tergebracht. Der Begriff selbst leitet pen erweitert wurde und in der Ende Als der Pfälzer Nachfahre der baye- sich vom französischen „caserne“ des 18. Jahrhunderts bis zu 1.800 Sol- rischen Wittelsbacher, Max Joseph, beziehungsweise vom lateinischen daten hausten, die Kosttor-Kaserne im 1799 seine Herrschaft in Bayern „quaterna“ ab und bedeutet Quartier Bereich der heutigen Maximilianstra- antrat, war es um das Militärwesen für Garnisonssoldaten. ße (650 Soldaten) und die Alte Isarka- in seinem Kurfürstentum schlecht serne auf der Kohleninsel zwischen bestellt. Noch dazu entflammten Die ersten Kasernen in der Zeit Großer und Kleiner Isar, der heutigen erneut die kriegerischen Auseinander- Kurfürst Max Emanuels Museumsinsel, die 1762 nach einem setzungen der französischen Revolu- Brand neu errichtet wurde (950 Sol- tionstruppen mit der Koalition Öster- Für ein erstes feststehendes Heer in daten, 200 Pferde). Daneben gab es reich, Russland und den deutschen Bayern hatte Kurfürst Max Emanuel militärische Versorgungsbauten, unter Fürstentümern, denen sich Bayern in München Kasernen für die Armee anderem das Alte Zeughaus in der nicht entziehen konnte. Ein Grund für anlegen lassen, ein größerer Teil der Nähe der Kosttor-Kaserne und das Niederlagen der Bayerischen Armee Soldaten blieb jedoch zum Leidwe- Provianthaus gegenüber der Kreuzka- waren die mangelhafte Ausstattung sen der Bürger privat einquartiert. serne, das Kadettenkorps im Wilhel- und Organisation. Unmittelbar nach 1679 gehörten rund 600 Soldaten zur minum und seit dem 17. Jahrhundert seinem Regierungsantritt ließ der Münchner Garnison, dazu 100 Frauen die Alte Hauptwache am heutigen spätere König Max I. Joseph deshalb und 200 Kinder von Soldaten, davon Marienplatz. Zu den militärischen Ein- eine grundlegende Heeresreform aus-

ünchen hat mit der Aufgabe zahlreicher ehemaliger einzigartige Primärheide, auf allen Kasernengeländen stehen Mmilitärisch genutzter Flächen ein vielfältiges Erbe an- große, oft alte, auf jeden Fall aber weitgehend erhaltens- getreten. Auf der Panzerwiese gehört zu diesem „Erbe“ ein werte Bäume. Deshalb stellt sich im Zusammenhang mit Schäfer, der sich darum kümmert, dass die Heide eine Heide diesem Erbe auch die Frage nach anderen Lösungsmöglich- bleibt. Am Ackermannbogen galt es, auch mit denkmalge- keiten. schütztem Bestand umzugehen. In der Funkkaserne hatten sich schon vor der Übernahme der Fläche durch die Stadt Wichtig war es und wird es auch in Zukunft sein, genau zahlreiche, insbesondere künstlerische Zwischennutzungen hinzuschauen. Wodurch zeichnet sich eine ehemals mili- angesiedelt. Während der Planungsphase stellten sich große tärisch genutzte Fläche aus? Was sind die Potenziale und Schwierigkeiten mit der Kanalisation heraus, die sofort einer die Probleme jedes einzelnen Areals? Aber auch: Was sind Lösung bedurften. Wie sollte man in der Prinz-Eugen-Kaser- die Planungsziele für diese Flächen? Inwieweit können sie ne mit dem sogenannten, in München einmaligen Tauchtopf zur gesamtstädtischen Entwicklung und zur Behebung des und den Vereinen und Institutionen umgehen, die diesen Wohnungsmangels beitragen, unter Berücksichtigung der auch nach dem Abzug der Bundeswehr nutzen wollten? Herausforderungen des Klimawandels?

Geerbt hat die Stadt mit den Kasernenflächen auch die Fol- Eine umfassende und gründliche interdisziplinäre Analyse gen der militärischen Nutzung. Bereits bei der Übernahme ist unabdingbar, insbesondere dann, wenn die Flächen zu- der Flächen war klar, dass Altlasten aufgrund der vormaligen nächst in den städtischen Besitz übergehen sollen. Diese militärischen Nutzung eín großes Thema sein werden. Neu kann eine Planungsverwaltung aber nicht allein erstellen. Es hinzu kam im Zuge der Baulandfreimachung, dass auf den bedarf vieler Beteiligter – Expertinnen und Experten aus an- ehemaligen Kasernenflächen Kampfmittel in erheblichem deren Verwaltungen, Institutionen und Unternehmen sowie Umfang gefunden wurden. Eine komplette Untersuchung Bürgerinnen und Bürger –, die mit erfahrenem, visionärem der Gelände hätte bedeutet, den wertvollen Grünbestand zu oder auch hinterfragendem Blick genau hinschauen, um für Die Kreuzkaserne hinter der Stadtmauer, links das Neuhauser Tor (um 1870) opfern. Auf großen Teilen des ehemaligen Truppenübungs- dieses Erbe eine sinnvolle und tragfähige Zukunftsperspekti- platzes Nordhaide wächst beispielsweise die in Europa ve zu entwickeln.

58 59 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Erbe

arbeiten, die vorhandenen Kasernen nischen Verhältnisse oft katastrophal, aufgelassen. Weitere Exerzierplätze Eindruck. Schon als Kronprinz hatte er sich von 9,5 auf 17 Millionen Gulden. aufgenommen –, bevor er sich weit- auf ihre weitere Verwendbarkeit hin Waschmöglichkeiten standen nur im gab es auf dem Oberwiesenfeld (ein neben städtebaulichen, grünplaneri- Weiterhin wurden die Lebensumstän- gehend von der Residenzstadt zu- prüfen und neue Gebäude errichten. Freien zur Verfügung. Der Bauunter- Artillerie-Experimentierplatz und das schen und sozialen Themen auch kon- de der Soldaten in den Kasernen ver- rückzog. In die Zeit seiner Regierung Da durch die Säkularisierung von 1802 halt blieb mangelhaft und es gab zu Pulverdepot, in dem sich 1835 der Ar- krete Bauvorhaben für das Militär for- bessert. Mittels zahlreicher Paraden fallen zwei verlustreiche Kriegszüge: größere Baukomplexe der Kirche in wenige Toiletten. Oft lagen die Kaser- tillerist Stanislaus Schmitt mit 15.000 muliert. Dabei wirkte sich die Angst und Manöver suchte der König den der gescheiterte Feldzug gegen den Besitz des Staates gelangten, nen an Orten, die kaum für Wohnge- Kilogramm Schwarzpulver in die Luft vor einer neuen Revolution direkt auf Korpsgeist der Armee und das fachli- Preußen 1866, der die mangelhafte konnten hier kurzfristig Unterkünfte bäude geeignet waren, wie die Alte sprengte), am Gasteig und auf einem die Planungen aus: Der Kasernenneu- che Können der Soldaten zu fördern, Ausstattung und Organisation seiner für die Soldaten eingerichtet werden, Isarkaserne. Schießplatz bei Neufreimann. In bau war nach Berliner und Wiener Vor- die mit ihrem Treueeid direkt auf den Armee offenlegte, und der Deutsch- über mehrere Jahrzehnte ab 1806 im späteren Jahren wurde auch der Glas- bildern als Defensiv-Kaserne zur Ge- Monarchen verpflichtet waren. Französische Krieg, in dem die ehemaligen Kloster der Hieronymi- Es ist nicht verwunderlich, dass die palast immer wieder für militärische währleistung der inneren Sicherheit bayerischen Bataillone erfolgreich taner im Lehel (Lehel-Kaserne, rund großen Epidemien des 19. Jahrhun- Übungen genutzt. konzipiert. Auch für die Anlage der Ausbau der Garnison München kämpften. Mit einer großen Sieges- 390 Soldaten, 356 Pferde). Darüber derts, Cholera und Typhus, gerade Maximilianstraße waren militärische unter Ludwig II. parade durch die Innenstadt, die der hinaus verfügte der Kurfürst als sein in den Kasernen zahlreiche Opfer Reduzierung der Ausgaben für das Aspekte von Bedeutung. Die neue Ka- König am Odeonsplatz abhielt, feierte erstes Bauvorhaben im Juli 1801 den fanden. Max I. Joseph war jedoch be- Militär serne sollte zunächst in Haidhausen Die von seinem Vater begonnen man am 16. Juli 1871 den Sieg über Neubau der Infanteriekaserne am müht, die baulichen Umstände zu ver- entstehen, wurde schließlich jedoch Maßnahmen zur Ausgestaltung der Frankreich. Hofgarten in unmittelbarer Nachbar- bessern: Bis 1813 entstand die Neue Im Gegensatz zu den Bestrebungen ab 1860 in Neuhausen in der Nähe Münchner Garnison wurden in der schaft zur Residenz, die schon 1804 Isarkaserne an der Zweibrückenstra- seines Vaters forderte König Ludwig I. zum Oberwiesenfeld errichtet (Bele- Regierungszeit von König Ludwig II. In den darauffolgenden Jahren wurde teilweise bezogen und 1807 fertigge- ße (heute Deutsches Patentamt) und unmittelbar nach seiner Thronbestei- gung 1890: 2.751 Soldaten, mehr als im Wesentlichen fortgesetzt. Der der Militärstandort München umfang- stellt wurde. ab 1823 die Infanteriekaserne an der gung eine massive Reduzierung der 600 Pferde). König selbst, der wie alle seine Vor- reich ausgebaut. Vor allem im Bereich heutigen Türkenstraße in der Max- Ausgaben für das Militär, unter an- fahren eine militärische Ausbildung des Oberwiesenfeldes entstanden Reformen und Wehrpflicht vorstadt, außerdem der Neubau des derem den vollständigen Verzicht Das militärische Bauprogramm von erhalten hatte, kümmerte sich in Magazine, Werkstätten und Versor- Kriegsministeriums in der Schönfeld- auf den Neubau von Kasernen. Eher Maximilian II. beinhaltete darüber hi- seinen ersten Regierungsjahren noch gungseinrichtungen. In Freimann Die Heeresreformen ab 1804 ent- vorstadt. aus städtebaulichen Gründen und naus die Erweiterung der Neuen Isar- persönlich um militärische Maßnah- wurde ein Gelände für Schießübun- standen unter maßgeblicher Beteili- mit Rücksicht auf sein Bauvorhaben kaserne und den Bau einer Reitschule men und hielt große Paraden ab – in gen angelegt, die älteren Kasernen gung des Ministers Montgelas und Der Preis für die Königswürde war Pinakothek stoppte er den weiteren und eines Zeughauses auf dem Ober- das Repertoire der Musikkapellen wurden erweitert und instand ge- des Generals Triva und beinhalteten die Verpflichtung, an den Feldzügen Ausbau der Türkenkaserne. wiesenfeld, der Militäretat erhöhte wurden Stücke von Richard Wagner setzt. unter anderem einen Übergang vom Napoleons teilzunehmen, in denen Söldnerheer zu einer allgemeinen die Bayerische Armee große Verluste Einen großen Teil der Lehel-Kaserne Wehrpflicht, die allerdings zahlreiche erlitt: Von den über 33.000 bayeri- überließ er dem Franziskanerorden Ausnahmen enthielt und letztlich vor schen Soldaten des Russlandfeldzu- zur Errichtung eines Klosters, in der allem auf Kleinbürger, Handwerker ges kehrten nur 4.000 wieder in ihre Hofgarten-Kaserne quartierte er einen und Bauern beschränkt blieb. Verbun- Heimat zurück. Hofgärtner samt Treibhaus ein, am den mit der Reform waren eine Neu- liebsten hätte er die Kaserne abreißen organisation der Heeresverwaltung Manöver und Paraden in der Stadt lassen. und zumindest der Versuch, trotz der enormen Staatsverschuldung, die Neben den Exerziermöglichkeiten auf Der Sparwille des Königs bewirkte Ausstattung der Soldaten und ihre den freien Feldern vor der Stadt wur- jedoch im Gesamthaushalt kaum Unterbringung zu verbessern. den auch innerhalb der Stadtmauern eine Veränderung, da der Ausbau der Übungen und Paraden abgehalten, Festung Ingolstadt Millionen Gulden Soldatenleben in den Kasernen zum Beispiel ab 1780 auf dem heu- verschlang. Die unzureichende finan- tigen Promenadeplatz nach dem Ab- zielle Versorgung führte nicht nur bei Vor allem in den älteren Kasernen bruch der dort liegenden Salzstadel. den einfachen Soldaten zur Unzufrie- blieben die Lebensumstände der Als man den Platz im Jahr 1804 auf denheit – 1846 protestierten sie mit Soldaten bis in die zweite Hälfte des Vorschlag von Friedrich Ludwig von Tumulten gegen die Überfüllung der 19. Jahrhunderts schlecht: Betten Sckell mit Bäumen bepflanzte, um Kasernen –, sondern auch zu einer wurden in der Regel mit zwei Mann ihn „dem Vergnügen des Publikums generellen militärischen Unterver- belegt, und die Frauen der Soldaten allein zu widmen“, hielt man die Mi- sorgung, die sich bis in die zweite waren ebenfalls in den Mannschafts- litärparaden und das Exerzieren auf Hälfte des 19. Jahrhunderts negativ räumen untergebracht, nur durch dem freigeräumten Areal des ehe- auswirkte. Vorhänge getrennt. Es gab keinerlei maligen Franziskanerklosters, dem Privatsphäre, persönliche Habseligkei- heutigen Max-Joseph-Platz, ab. Die Kasernen für die innere Sicherheit ten lagerten auf Wandbrettern, an de- Beschwerden der Bürger wie auch unter Maximilian II. nen auch die Ausrüstung aufbewahrt der Hoftheaterintendanz wegen des wurde. Auch wenn die älteren Kaser- „quälenden Geschreies der Soldaten“ Auch wenn die bürgerlichen Unruhen nen grundsätzlich an Stadtbächen ab sechs Uhr früh wurden zunächst im März 1848 in Bayern vergleichs- angelegt wurden und damit eine ge- nicht erhört. Erst als König Ludwig I. weise harmlos ausfielen, führten sie wisse Versorgung mit Brauchwasser den Königsbau der Residenz bauen doch zur Abdankung von Ludwig I. Hofgarten-Kaserne um 1870 und eine Entsorgung der Abwässer ließ, wurde auch die letzte Exerzier- und hinterließen bei seinem Nachfol- gewährleistet war, waren die hygie- stelle innerhalb der Stadtmauern ger Maximilian II. einen nachhaltigen

60 61 Kasernen und militärische Einrichtungen in München 31 36 1 Kreuzkaserne 1670–1883 Infanteriekaserne 2 Alte Isarkaserne 1700–1914 Kavalleriekaserne 3 Kosttor-Kaserne 1705–1855 Artilleriekaserne 4 Alte Hauptwache 1771–1868 Marienplatz 14 35 5 Wilhelminum 1775–1826 Kadettenkorps 6 Altes Militärkrankenhaus 1777–1885 Müllerstraße 38 7 Seidenhauskaserne 1796–1899 Artilleriekaserne 8 Hofgartenkaserne 1801–1899 Artilleriekaserne Max-Joseph-Kaserne 9 Lehel-Kaserne 1807–1901 Artilleriekaserne 10 Neue Isarkaserne 1811–1953 Kavalleriekaserne Schwere-Reiter-Kaserne 34 11 Türkenkaserne 1823–1945 Infanteriekaserne Prinz-Arnulf-Kaserne 12 Kriegsministerium 1825–1919 Ludwigstraße 13 Kadettenkorps 1826–1890 14 Neues Pulverlager 1838 15 Kaserne im Dechanthof 1848–1866 16 Stadtkommandantschaft 1848–1904 Odeonsplatz 17 Zeughauswerkstätten 1852–1866 18 Salzstadelkaserne 1860–1890 Infanteriekaserne 23 Jägerkaserne 19 Neues Zeughaus 1865–1880 37 27 20 Maximilian-II-Kaserne 1865–1945 Artilleriekaserne 26 29 21 Militärkrankenhaus 1868 25 22 Marsfeldkaserne 1888–1945 Infanteriekaserne 32 17 23 Eisenbahnkaserne 1888–1976 20 19 24 Militärbildungsanstalten 1888 28 30 21 25 Barackenkasernement 1893–1969 Infanteriekaserne Oberwiesenfeld Oberwiesenfeldkaserne 26 Luitpoldkaserne 1896–1999 Luftschifferkaserne 11 27 Prinz-Leopold-Kaserne 1902–1945 Kavalleriekaserne 22 12 28 Telegraphenkaserne 1909/10 24 8 29 Barbara-Siedlung 1909 Bekleidungsamt 18 16 30 Stetten-Kaserne 1931–1994 urspr. Kradschützen-Kaserne 13 7 9 1945 Indiana Depot 15 5 3 31 Ernst-von-Bergmann-Kaserne 1934–2011 urspr. SS-Kaserne 1 4 1945 Warner-Kaserne 32 Waldmann-Kaserne 1934–1994 urspr. Korpsnachrichten-Kaserne 1945 Jensen-Barracks 6 10 33 McGraw-Kaserne 1935–1992 urspr. Reichszeugmeisterei 1945 Kaserne der US Army 2 34 Funkkaserne 1936–1992 Luftwaffen-Nachrichten-Kaserne 35 Bayern-Kaserne 1936–2009 urspr. Flak-Kaserne General-Wever-Kaserne 1945 Henry-Kaserne 36 Fürst-Wrede-Kaserne 1936– 2006 Artillerie- u. Panzerjägerkaserne Verdun-Kaserne 1945 Will-Kaserne 37 Prinz-Eugen-Kaserne 1938–2010 Pionierschule Lohengrin-Kaserne 33 38 Kronprinz-Rupprecht-Kaserne 1963–1994 1945 Alabama Depot 63 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Erbe

Modernisierung nach preußischem die Präsenz der Soldaten an vielen Auflösung der bayerischen Armee über den bis 1938 fertiggestellten nach amerikanischem Vorbild. Weite- ment verpflichtet sein. Auch das Bild Vorbild ständig besetzten Wachen, wie an nach dem Ersten Weltkrieg Eisenbahnring um München an die re Baulichkeiten wurden als Depots des Soldaten sollte sich wandeln – vom der Residenz, am Marienplatz, an Hauptverkehrsstrecken angeschlos- genutzt (Alabama-, Indiana-, Virginia- Befehlsempfänger zum mündigen Nach der Reichsgründung 1871 den Stadttoren und an bedeutenden Zu Beginn des Ersten Weltkrieges sen wurden. und Texas-Depot). „Staatsbürger in Uniform“. wurden die Organisationsformen Staatsbauten, und bei Aufmärschen hatte die bayerische Armee eine Prä- und die baulichen Maßnahmen der und Paraden mit Militärkapellen zu senzstärke von circa 90.000 Mann, Übernahme durch die US-Truppen Demilitarisierung und Wiederbe- Nutzung der bestehenden Kasernen bayerischen Armee in der Garnison Feierlichkeiten wie den Sedanfeiern, von denen der größte Teil unter dem waffnung durch die Bundeswehr München in erster Linie von den Staatsbesuchen, Eröffnungen und Oberbefehl Kronprinz Rupprechts an In den Bombenangriffen der Alliierten Interessen des Reiches und den Militärgottesdiensten. die Westfront zog. Insgesamt kamen wurden die neu errichteten Kaser- Die Wehrmacht selbst war im August Nach Gründung der Bundeswehr Anforderungen eines modernen Hee- rund 200.000 bayerische Soldaten nenanlagen weitgehend verschont 1946 formal von den Alliierten aufge- 1955 wurden die Münchner Kasernen reswesens bestimmt. Es entstanden Auszug der Garnisonstruppen aus ums Leben. Nach dem Waffenstill- und konnten für die Truppen der löst worden. Damit verbunden waren schrittweise von den amerikanischen zahlreiche technische Sondereinrich- der Innenstadt stand und der Rückkehr in die Hei- Besatzungsmächte übernommen eine Beseitigung der Waffenarsenale Besatzungstruppen geräumt und an tungen im Bereich des Oberwiesen- mat wurden die regulären Truppen werden, unter anderem die ehemali- und die vollständige Demontage der die deutschen Soldaten übergeben feldes, unter anderem für die Eisen- Der grundlegende Umbau des Mi- ab Januar 1919 demobilisiert, am ge SS-Kaserne im Münchner Norden Rüstungsindustrie. Mit dem Ende des beziehungsweise anderen Nutzungen bahnpioniere (Eisenbahn-Kaserne, litärwesens in der zweiten Hälfte 25. August 1919 wurde die Armee (Warner-Kaserne), die ehemalige Besatzungsstatutes und dem Beitritt zugeführt: Luitpold-Kaserne 1955, 1890), die Telegrafentruppe und eine des 19. Jahrhunderts, vor allem der von Reichspräsident Friedrich Ebert General-Wever-Kaserne (Henry-Kaser- der Bundesrepublik Deutschland zur Alabama-Depot ab 1963, Ernst- eigene Kaserne für die Luftaufklä- Ausbau der Standorte am Marsfeld in der Marsfeldkaserne in die Reichs- ne), die ehemalige Verdun-Kaserne NATO im Mai 1955 wurden schließlich von-Bergmann-Kaserne (ehemalige rung (Luftschiffer-Kaserne, 1896), die und am Oberwiesenfeld, ermöglichte wehr übernommen. (Will-Kaserne) sowie die Luitpold- die Voraussetzungen für eine Wie- Warner-Kaserne) 1968, Bayern-Kaserne zu Übungszwecken eine Vielzahl von einen Rückzug der Militärs aus den Kaserne. Die US-Militärregierung für derbewaffnung Westdeutschlands (ehemalige Henry-Kaserne) ab 1969, Luftbildern von München und der innerstädtischen Bereichen. Den ent- Aufrüstung und neue Kasernen in Bayern zog in die ehemalige Reichs- geschaffen, die vor allem im Interesse Fürst-Wrede-Kaserne (ehemalige Will- Umgebung fertigte. Es folgten Neu- scheidenden Anstoß dazu gab jedoch der NS-Zeit zeugmeisterei an der Tegernseer der West-Alliierten war. Im Oktober Kaserne) 1969. Mit dem endgültigen bauten für das Kadettenkorps, die die Typhusepidemie von 1893, die in Landstraße ein (McGraw-Kaserne mit 1955 wurden die ersten Soldaten der Abzug der amerikanischen Streitkräfte Artillerieschule, ein Kasernenneubau mehreren innerstädtischen Kasernen Entgegen den Bestimmungen des zahlreichen Versorgungseinrichtungen neuen Streitkräfte ernannt. Die neu wurde 1992 auch die McGraw-Kaserne für das 1. Schwere-Reiter-Regiment gleichzeitig ausbrach und bei der 378 Versailler Vertrages wurde im März für Angehörige der US-Streitkräfte). geschaffene Bundeswehr als reine frei und anschließend von verschiede- (Prinz-Leopold-Kaserne, 1902), Soldaten erkrankten. Die offensichtli- 1935 von der nationalsozialistischen Im Umfeld der Kasernen entstanden Verteidigungsarmee sollte im Gegen- nen nicht militärischen Einrichtungen Werkstätten des Bekleidungsamtes chen hygienischen Missstände in der Regierung die allgemeine Wehrpflicht Wohnsiedlungen für die US-Soldaten satz zur alten Reichswehr dem Parla- genutzt. (1898) und eine kleine Wohnanlage Hofgarten- und Seidenhauskaserne in Deutschland wieder eingeführt und für deren Bedienstete, die sich bis führten noch 1893 zu deren Auflö- ein groß angelegtes Bauprogramm heute erhalten hat (Barbara-Siedlung, sung. Auf dem Gelände entstand ab für militärische Einrichtungen begon- 1909 – 1918). München wurde nach 1900 der Neubau des Armeemuse- nen. Hatte die Armee in Deutschland Berlin zu einer der größten Garniso- ums. Bereits 1883 wurde die Kreuz- noch 1935 die festgelegte Personal- nen in Deutschland. kaserne aufgelöst und das Gebäude stärke von 100.000 Berufssoldaten in dem Königlichen Stadtrentamt über- sieben Divisionen, kamen nun jährlich Nach der Auflassung der Hofgarten- geben. weitere sieben Divisionen hinzu, 1938 kaserne und der benachbarten Sei- waren 45 Divisionen einsatzbereit. denhauskaserne nach einer Typhus- Konversionen um 1900 In München wurden in den Jahren epidemie 1893 wurde auf dem Ober- zwischen 1933 und 1938 allein sieben wiesenfeld das sogenannte Baracken- Die Alte Isarkaserne auf der Kohlen- Kasernen neu errichtet, die erhalte- kasernement in einer einfacheren insel wurde 1888 von der Garnisons- nen Kasernen des 19. Jahrhunderts Bauausführung errichtet. Neben verwaltung an die Stadt München wurden ausgebaut und weiterhin mi- den damals hochmodernen Einrich- verkauft, die 1892 hier das städtische litärisch genutzt. Die neuen Kasernen tungen für Telegrafen, Ballonfahrer, Arbeitsamt und das städtische Wehr- wurden innerhalb kürzester Zeit nach später auch Fliegerverbände und amt unterbrachte – bis 1914 fanden den Vorgaben der Heeresbaunorm Kraftfahrtruppen gab es nach wie vor hier die Musterungen der Wehrpflich- und Planungen des Heeresbauamtes Leichte und Schwere Reiterverbände, tigen statt. Das Wehramt wurde beziehungsweise des Luftwaffenbau- und es mutet mehr als anachronis- schließlich in einen Neubau an der amtes mit typisierten Baukörpern für tisch an, wenn in den Militärvorschrif- Winzererstraße verlegt, in dem heute die einzelnen Funktionsbereiche ge- ten für die berittenen Truppen das das Münchner Stadtarchiv seinen fertigt, nur in wenigen Fällen wurden aufrechte Tragen der Lanzen in den Sitz hat. Das Gelände der Kohleninsel Architekten hinzugezogen. Im Gegen- Straßen mit elektrischer Oberleitung stellte die Stadt im Erbbaurecht für satz dazu entstand an der Ingolstädter für die Straßenbahn untersagt wird. den Neubau des Deutschen Muse- Straße eine Kaserne für SS-Truppen ums zur Verfügung. Die Neue Isarka- als monumentaler Baublock. Diese Präsenz der Soldaten im Stadtbild serne auf dem gegenüberliegenden sollte als Teil der geplanten Nordstadt Isarufer blieb bis 1902 Standort der den Eingang zur Stadt von Norden her Das Militär spielte im städtischen Le- Schweren Reiter, auf dem Gelände markieren. Da München der zentrale ben um 1900 eine bedeutende Rolle, entstanden ab 1954 das Deutsche Versorgungs- und Nachschubstandort nicht nur durch die zahlreichen Mili- Patentamt und 1975 bis 1980 das für Südbayern war, entstanden hier Kasernengelände im Bereich der Dachauer, Schleißheimer und Schwere-Reiter-Straße, um 1915 tärbauten auch in den inneren Stadt- Europäische Patentamt. zentrale Depots für Waffen, Fahrzeu- vierteln, sondern vor allem durch ge, Material und Lebensmittel, die

64 65 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Erbe

Konversionen nach dem Zweiten störten Häuser und schließlich Aus- und Zivilangestellte, zusätzlich circa Fallbeispiel Erbe: Funkkaserne Fallbeispiel Erbe: Nordhaide Weltkrieg stellungsgelände. Das großflächige 3.000 Angehörige der US-Armee) Aufgeräumt Schafe als Landschaftspfleger Gelände war die Grundlage für eine auf heute circa 2.500 Stellen redu- Weitere Standorte wurden nach dem Ausrichtung der Olympischen Spiele ziert. Von den 13 großen Standorten, Im Zuge der Neugestaltung der vor- Um das landschaftlich kostbare Erbe Zweiten Weltkrieg aufgegeben. Auf von 1972 in unmittelbarer Nähe zum die nach dem Zweiten Weltkrieg im mals militärisch genutzten Gebiete der Panzerwiese zu pflegen, setzt dem Gebiet der fast völlig zerstörten Stadtzentrum und bietet heute eine Münchner Stadtgebiet militärisch wurden und werden fast alle Kaser- die Landeshauptstadt München auch Max II-Kaserne entstanden Wohnan- der schönsten und beliebtesten Park- genutzt wurden, sind heute nur noch nengebäude und Infrastrukturbauten auf Schafe. Etwa 600 Tiere umfasst lagen der GEWOFAG innerhalb der anlagen der Stadt in Verbindung mit drei von der Bundeswehr belegt: die abgerissen und entsorgt, Kampfmittel die Herde, die hier regelmäßig in der Hilble-, Schachenmeier- und Pfänder- einer nach wie vor überzeugenden Ernst-von-Bergmann-Kaserne an der beseitigt und die Areale fachgerecht Heide steht. Schäfer Josef Kosmatsch straße, nachdem die Stadt München Architektur. Neuherbergstraße unter anderem mit saniert. Die Hauptverantwortung liegt erhält einen genauen Plan von der den größten Teil des Baugeländes der Sanitätsakademie der Bundes- in den meisten Fällen beim Kommu- Stadt, wo seine Tiere weiden sollen. vom Freistaat erworben hatte. Das Abbau der militärischen Einrich- wehr, die Fürst-Wrede-Kaserne an nalreferat der Landeshauptstadt Mün- So wird die Entwicklung des seltenen Grundstück der ehemaligen Türken- tungen nach der Wende der Ingolstädter Straße und das Bun- chen. So musste zum Beispiel auf dem Kalkmagerrasens gefördert und gleich- kaserne ging nach einer Regelung deswehrverwaltungszentrum an der Gelände der ehemaligen Funkkaserne zeitig verhindert, dass bestimmte aus dem Jahr 1925 wie andere Lie- Die jüngere Geschichte des Garni- Dachauer Straße. In den Jahren nach eine Entsorgungsmasse von rund Grassorten überhandnehmen. Für die genschaften der ehemals bayerischen sonsstandortes München ist eine 2005 wurden drei große Standorte 450.000 Tonnen bewältigt werden. durch die Wohnsiedlung in Anspruch Armee in den Besitz des Freistaates Geschichte des Rückzuges. Die aufgelassen: die Luitpoldkaserne an genommenen Heideflächen wurden über und wurde vorausblickend für Wiedervereinigung der beiden deut- der Infanteriestraße, die Bayernka- Ausgleichsareale ausgewiesen. So spätere kulturelle Nutzungen freige- schen Staaten 1990 und das Ende serne an der Heidemannstraße und entwickeln sich nun unter anderem auf halten. Heute befinden sich hier Insti- des Kalten Krieges bewirkten einen die Prinz-Eugen-Kaserne an der Cosi- dem nördlich gelegenen städtischen tute der Ludwig-Maximilians-Univer- massiven Umbau und eine Neuorien- mastraße in Bogenhausen. Auch die Gut Hochmutting, das die gleiche sität und die Pinakothek der Moder- tierung der Bundeswehr: Die Trup- Bundeswehrstrukturreform von 2011 landschaftlich-geologische Ausgangs- ne. Einen für die weitere Entwicklung penstärke wurde seither radikal redu- bewirkt deutliche Reduzierungen: situation aufweist, neue Flächen mit der Stadt außerordentlich wertvollen ziert, viele Standorte geschlossen. Allein in Bayern werden rund 20.000 Kalkmagerrasen. Baugrund stellte das Oberwiesen- Die Garnison München, auch nach Stellen von den mehr als 50.000 feld dar, lange Zeit Exerzierplatz der dem Zweiten Weltkrieg einer der gestrichen und in München 950 von Münchner Garnison, ab 1925 erster größten Standorte in Deutschland, den bisher 2.520 Stellen. Der Stand- Flughafen der Stadt, Ablageplatz für wurde von rund 12.000 Bundeswehr- ort München wird jedoch nicht völlig den Trümmerschutt der kriegszer- angehörigen im Jahr 1972 (Soldaten aufgegeben. Fallbeispiel Erbe: Funkkaserne Fallbeispiel Erbe: Nordhaide Literatur Geschützt Mittendrin statt Endstation Christian Lankes: „München als Garnison im 19. Jahrhun- Ulrich Heiß: „Militärbauten“, in: „Bauen im Nationalsozia- Der Bundesgrenzschutz bezog ur- Als die Bauarbeiten für den U-Bahnhof Spielgeräte entlang der Diagonale in- dert“, Berlin 1993. lismus“, herausgegeben von Winfried Nerdinger, München sprünglich 19 Gebäude im nördlichen Dülferstraße 1987 begannen, war die stalliert worden, und ein Aufgang führt 1993. „Bayern und seine Armee“, Ausstellung des Bayerischen Bereich der Funkkaserne als Zwischen- Panzerwiese noch Truppenübungs- zusätzlich direkt ins neu entstandene Hauptstaatsarchivs, München 1987. Silke Lode, Katja Riedel: „Rückzug aus München – aber nutzer. Nun nutzt die mittlerweile platz. Sechs Jahre später, als die Einkaufszentrum MIRA. nur zum Teil“, in: Süddeutsche Zeitung, 27.10.2011. als Bundespolizei umstrukturierte von den Architekten Peter Lanz und Beate Freytag/Alexander Franc Storz: „Milbertshofen“, Behörde dauerhaft acht teilweise Jürgen Rauch entworfene Station er- München 2004. Klaus Bäumler: „Stadt-Grün statt Grau“, in: Margret denkmalgeschützte Bauten rund um öffnet wurde, liefen die Planungen für Wanetschek: „Grünanlagen in der Stadtplanung von Markus Ingenlath: „…meinem König Otto I. treu zu den sogenannten Ehrenhain und den das neue Wohngebiet auf Hochtouren. München 1790 – 1860“, München 1971. dienen…“, in: „München – Musenstadt mit Hinterhöfen“, dazugehörenden Sportplatz. Das Die neue Endstation der Linie U2 herausgegeben von Marita Krauss/Friedrich Prinz, Klaus Bäumler: „Zur Münchner Stadtplanungsgeschichte Grundstück wurde vom Bundesvertei- und die dazugehörige U-Bahn-Trasse München 1988. und Kartographie“, in: Franz Schiermeier/Klaus Bäumler: digungsministerium zu diesem Zweck stellten ein infrastrukturelles Erbe „Ein Bild der Stadt. Der Kartograph Gustav Wenng und an das Innenministerium übergeben. dar, das auch die zukünftige Gestalt Birgit-Verena Karnapp: „Militärbauten“, in: „Zwischen sein Topographischer Atlas von München“, Bezirksaus- Die Bundespolizei wird ihre Funktionen des Wohngebietes maßgeblich mit- Glaspalast und Maximilianeum“, herausgegeben von schuss Maxvorstadt, München 2002. an diesem Standort konzentrieren – bestimmen sollte. Entlang der Trasse Winfried Nerdinger, München 1997. weitere Baumaßnahmen sind geplant. wurde – im leichten Schwung – die 500 Meter lange „Diagonale“ geplant, der wichtigste Verbindungsweg und Schauplatz des öffentlichen Lebens der heutigen Nordhaide. Sie beginnt direkt am südöstlichen Eingang zum U-Bahnhof, der im Jahr 2002 eröffnet wurde. Endstation ist der U-Bahnhof Dülferstraße seit der Erweiterung der U2 im Jahr 1996 schon lange nicht mehr. Mittendrin im Quartiersleben ist er seit 2008: Seitdem sind zahlreiche

66 67 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Erbe

Fallbeispiel Erbe: Am Ackermannbogen Fallbeispiel Erbe: Prinz-Eugen-Kaserne Neue Nutzung für alte Gemäuer Abtauchen statt Abreißen

Der Gebäudebestand auf den ehema- Rand durch eine schmiedeeiserne Um- Die Prinz-Eugen-Kaserne verfügte über ligen Kasernenarealen war und ist nur zäunung begrenzt, die auch schon in der eine Vielzahl von Sportanlagen: ein Ra- in wenigen Fällen erhaltenswert. Den- einstigen Waldmannkaserne als Begren- senspielfeld mit 400-Meter-Laufbahn, noch finden sich auch in einem neuen zungsmauer diente. Die Mauer wurde ein Basketballfeld, eine Weitsprungan- Stadtquartier wie Am Ackermannbogen saniert und verweist nun – gemeinsam lage, eine Turnhalle und ein Schwimm- steinerne Zeugen der militärischen mit den benachbarten alten Bäumen – bad. Das 1976 errichtete Bad und sein Vergangenheit, die nun in einen neuen auf die Geschichte des Ortes. in München einmaliger „Tauchtopf“, Nutzungskontext überführt worden in dem sich durch eine stufenlos sind. So wird der Deidesheimer Anger Westlich davon befindet sich in der absenkbare Hebebühne in verschie- mit seinen großzügigen Wiesen und Elisabeth-Kohn-Straße ein ehema- denen Wassertiefen trainieren lässt, zahlreichen Spielplätzen am östlichen liges Militärschulungsgebäude, das in Abflugposition die Schüler schon von wurden nicht nur von der Bundeswehr zwischenzeitlich von der Bayerischen Weitem zum „Durchstarten“ auf. Wei- genutzt. Der etwa 700 Mitglieder Staatsoper und der Berufsschule ge- ter im Süden ist noch ein zweiter Ort umfassende Sportverein SC Prinz nutzt, dann aufwendig saniert wurde des Lernens aus einem ehemaligen Eugen e. V. oder die Berufsfeuerwehr und seit September 2011 dem Quartier Kasernengebäude entstanden. Das der Landeshauptstadt München ab- als Mittelschule dient. Das Gebäude ist Studentenwerk hat das siebenstöckige solvierten hier verschiedene Trainings. kaum zu verfehlen: Die 28 Meter hohe Gebäude auf der einstigen Stettenka- Auch die Deutsche Lebens-Rettungs- Stahlskulptur START des Münchner serne erworben, und nun lernen und Gesellschaft nutzte den Tauchtopf für Bildhauers Martin Schmidt überspannt wohnen hier über 240 Studierende in die Bademeisterausbildung. Mit dem mit einem großen Bogen die Schule dem sanierten Studentenwohnheim an Gelände übernahm die Landeshaupt- und fordert mit einer stilisierten Rakete der Schwere-Reiter-Straße. stadt München also auch in gewisser Weise eine sportliche Verpflichtung. Während die anderen Gebäude der Schwimmhalle bestehen. Zusätzlich tigen Grundschule, sondern auch dem Fallbeispiel Erbe: Funkkaserne Kaserne abgetragen wurden, um neu- ist eine neue Turnhalle geplant. Beide Breitensport zur Verfügung stehen. Gärtnerin der ersten Stunde en Wohnraum zu schaffen, bleibt die Anlagen werden nicht nur der zukünf-

Seit 1959 bewirtschaftet Katharina Ries ihren Garten in der Kleingarten- Fallbeispiel Erbe: Kronprinz-Rupprecht-Kaserne anlage NO 058. Er liegt direkt am Are- Dohlentürme statt Unterhosenbunker al der ehemaligen Funkkaserne – der Stacheldraht an der Grundstücksmau- Diese Zwischennutzerinnen sind 33 den zwei sogenannte Dohlentürme er zeugt noch von der militärischen bis 39 Zentimeter groß, gelten als entwickelt. Ein wenig erinnern sie an Vergangenheit. äußerst intelligent und treten meist in militärische Wachturmanlagen. In zwölf Kompaniestärke auf. Seitdem das Mi- Meter Höhe beherbergen sie jeweils Die Gärtnerin der ersten Stunde hat im litär die Bunker auf dem Virginia-Depot etwa 30 Nistkästen für die Dohlen. Ein Laufe der Jahre zahlreiche Wechsel in an der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne Turm bietet zusätzlich Brutnischen für der Nachbarschaft erlebt – nach der Ar- nicht mehr als Speicher- und Lagerge- Mauersegler und andere Höhlenbrüter, mee kam die Kunst- und Partyszene und bäude nutzte, hatte sich hier eine Doh- im zweiten Turm ist ein Nistplatz für schließlich das Abrissunternehmen. lenkolonie eingenistet. Nur in Mün- Turmfalken untergebracht. Seit dem chen-Solln gibt es noch einen weite- Frühjahr 2010 stehen die beiden Doh- Nun ist sie gespannt auf die zukünf- ren Bestand dieser mittlerweile stark lentürme auf dem Gelände der ehe- tigen Bewohnerinnen und Bewohner gefährdeten Vogelart. Zu den Dohlen maligen Kronprinz-Rupprecht-Kaserne. des neu entstehenden Domagk- gesellten sich im Verlauf der Jahre Ein Jahr später konnten die Bunker Quartiers. Die Kleingärten bleiben er- auch noch andere Gebäudebrüter abgerissen werden – der Umzug der halten. Um die baulichen Eingriffe so wie Turmfalken und Mauersegler und gefiederten Zwischenmieterinnen war gering wie möglich zu halten und die Höhlenbrüter wie der Feldsperling und geglückt. angrenzenden Gartenhäuser oder den verschiedene Meisenarten. Als der Spalierobstanbau nicht zu beeinträch- Abriss der „Unterhosenbunker“ – wie tigen, soll versucht werden, auch die die ehemalige Münchner Stadtbaurä- angrenzende Kasernenmauer den zu- tin Christiane Thalgott die Lagerräume künftigen Eigentümern zu übertragen. einst scherzhaft bezeichnet hatte – feststand, war klar, dass ein Ersatz für die Nistplätze geschaffen werden musste. In Zusammenarbeit mit dem Landesverband für Vogelschutz wur-

68 69 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess Prozess

Hand in Hand. Wenn eine Kaserne im Rahmen einer Städtebaulichen Entwick- lungsmaßnahme zum Wohngebiet umgestaltet werden soll, ist die Ausgangsla- ge besonders komplex. Eigentum des Bundes wird – zumindest temporär – als kommunales Eigentum erworben, entwickelt und dann wieder veräußert. Das involviert umfassende rechtliche, planerische, verwaltungstechnische, aber auch politische Entscheidungen, Verfahren und Instrumente. Wie lassen sich diese orga- nisieren, koordinieren und steuern? Was geschieht mit den Arealen während der langen Planungs- und Abstimmungsphasen? Was sind die besonderen Herausfor- derungen für eine Kommune bei einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme?

70 71 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

Dr. Marie-Luis Wallraven-Lindl, Referat für Stadtplanung und Bauordnung München Militärische Konversion in München: Prozess Erfahrungen mit dem Instrument der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme

ie Landeshauptstadt München war gab es also genug. Trotzdem schreckte Allerdings gab es keinerlei Erfahrungen Din der Bonner Republik eine der beispielsweise ein Konsortium, das in der Stadtverwaltung hierzu. Mitt- größten Garnisonsstädte. Mit elf Ka- ursprünglich einen Teil der Kronprinz- lerweile blickt München auf einen sernen mit rund 250 Hektar und zahl- Rupprecht-Kaserne kaufen wollte, vor sehr breiten Erfahrungsschatz in der reichen Truppen- und Panzerübungs- der Größe der Aufgabe und dem finan- Anwendung der Städtebaulichen Ent- plätzen (Nordhaide, ehemals Panzer- ziellen Engagement zurück. wicklungsmaßnahme (SEM) zurück. wiese 200 Hektar) stand die Stadt Im Folgenden sollen daher wichtige zu Beginn der 1990er-Jahre vor der So betrat München mit der Umsetzung Arbeitsansätze, Abläufe und hilfreiche großen Herausforderung, aber auch der Konversion der großen ehemals Verfahrensweisen im Überblick darge- einzigartigen Chance, die aufgrund der militärischen Flächen in eine zivile stellt werden. Truppenreduzierungen nach der Wende Nachnutzung Neuland und stand vor frei werdenden Flächen und Kasernen einer komplexen, mit zahlreichen Fra- Arbeitskreis SEM in eine zivile Nutzung zu überführen. gen verbundenen Herausforderung. Andererseits eröffnete sich die Chan- Die Großstädte Nürnberg, Augsburg, Hinzu kamen noch zahlreiche Konver- ce, die ehemals abgeschlossenen Be- München, Erlangen und Landshut grün- sionsflächen der Bahn, insbesondere reiche entsprechend ihrer Lage in das deten im Jahr 1992 den Bayerischen entlang der Achse zwischen Pasing umgebende Stadtgefüge einzubinden Arbeitskreis Städtebauliche Entwick- und Hauptbahnhof, die für bahnspezi- sowie möglichst viel Wohnraum für ein lungsmaßnahmen (AKSEM). Mit der Lei- fische Nutzungen nicht mehr benötigt breites Spektrum der Bevölkerung zu tung, der Federführung, dem Tagungsort wurden. schaffen. und dem Protokoll wechselten sich die Städte ab. Der Arbeitskreis erwies Im Vergleich zu anderen Kommunen Zugute kam der Stadt, dass mit dem sich hinsichtlich aller tatsächlichen und bestand in München schon damals ein BauGB-Maßnahmengesetz von 1990 rechtlichen Fragen als ausgesprochen großer Mangel an Flächen für Wohn- das lange Zeit nicht praktizierte städte- hilfreich. Auf einzelne Beispiele wird nutzung. Interessentinnen und Inter- bauliche Instrument der Entwicklungs- auf den folgenden Seiten hingewiesen. essenten für eine zivile Nachnutzung maßnahme wieder eingeführt wurde. Im Laufe der Zeit gesellten sich auch ei der Konversion von Kasernenflächen arbeiten zwei sehr früh, das Instrument der Städtebaulichen Entwicklungs- B„öffentliche Hände“ – Bund und Kommune – zusam- maßnahme einzusetzen. Maßgeblich für diese Entscheidung men. Das erweitert einerseits das Spektrum der Handlungs- waren unter anderem auch die Verbilligungsgrundsätze des möglichkeiten, andererseits müssen teilweise widerstrei- Bundes, der den Gemeinden damit das Recht des ersten tende Interessen in Einklang gebracht werden. Städtische Zugriffs auf die Flächen einräumte, ohne das Rechtsinstru- Verwaltungen und Einrichtungen des Bundes unterliegen mentarium der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gleichermaßen relativ engen rechtlichen Verpflichtungen. direkt einzusetzen.

Zum Erfolg der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen Die Anwendung war nicht nur für die Münchner Verwaltung auf den Münchner Kasernenarealen gehört, dass die un- Neuland. Eine Arbeitsgruppe – der Arbeitskreis SEM –, die terschiedlichen städtischen und staatlichen Dienststellen aus einer Initiative einiger Großstädte mit dem Bayerischen an einem Strang ziehen und so alle Fachbereiche ihr Know- Städtetag und der Fachstelle Städtebauförderung der Ober- how in den Prozess einbringen können. Dabei geht es zum sten Baubehörde hervorging, setzte sich bayernweit mit Beispiel um die Bauleitplanung mit der Abwägung aller dem Thema und den unterschiedlichen Fragen auseinander. öffentlichen und privaten Belange. Es geht aber auch um Außerdem fand ein reger Austausch mit der Arbeitsgruppe die genaue Bedarfsplanung, wie viel soziale und technische aus Nordrhein-Westfalen statt. Die Kasernenkonversion in Infrastruktur gebraucht wird. Und schließlich müssen diese der Landeshauptstadt profitierte vom ständigen fachlichen Planungen umgesetzt werden, also rechtzeitig Straßen und Austausch. Zudem setzten sich die Beteiligten in sogenann- Bauflächen mit Grünanlagen, anschließend Schulen, Kinder- ten Planspielen mit der Städtebaulichen Entwicklungsmaß- gärten, Einrichtungen für ältere Menschen oder für die Nah- nahme auseinander – so wurde der Prozess auch wissen- versorgung zur Verfügung stehen. schaftlich begleitet und unterstützt.

Bis es soweit ist, geht es oftmals um temporäre Lösungen Um auch verwaltungsintern die unterschiedlichen Belange für den Erhalt und die Nutzung des Geländes. Zwischen- innerhalb des Prozesses zu steuern, wurde gleich zu Beginn nutzungen stellten für die Entwicklungen vieler ehemaliger vom Oberbürgermeister unter Leitung des Referats für Münchner Kasernenareale daher ein wichtiges, wenn auch Stadtplanung und Bauordnung eine Lenkungsgruppe einge- nicht immer konfliktfreies Instrumentarium dar. setzt und ein Steuerungsteam festgelegt. Dennoch blieben alle Referate für ihren Bereich eigenverantwortlich. Wichtig Ein wichtiger Bestandteil des Prozesses ist der Erwerb und war und ist, dass nicht die Arbeit eines Referats oder einer die Reprivatisierung der Grundstücke. Als bekannt wurde, Dienststelle allein, sondern das abgestimmte Planen aller dass zahlreiche Flächen in München zukünftig nicht mehr städtischen Verwaltungen, aber auch das Einbinden von ex- vom Militär genutzt und damit vom Bund „freigegeben“ ternen Dienststellen zum Erfolg führt. werden, entschloss sich die Landeshauptstadt München

72 73 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

kleinere Städte und Gemeinden hinzu, Einleitungsbeschlüsse SEM publik erließ einen Haushaltsvermerk, durchgeführt war, mit einem Entwurf Festzuhalten bleibt, dass die Anwen- Der Oberbürgermeister bestimmte im die Problemlagen unterschieden sich zu- der die Abgabe der Konversionsgrund- einer Satzung mit Begründung und dung des Haushaltsvermerkes (Verbil- Referat für Stadtplanung und Bauord- nehmend und die Diskussionen und der München hatte bereits 1992 für alle stücke zum entwicklungsunbeeinfluß- Kosten- und Finanzierungsübersicht ligungsgrundsätze), der mit Entstehen nung ein Lenkungsteam, welches die Austausch im Arbeitskreis verloren die militärischen Konversionsflächen mit ten Wert zuließ, wenn der Nachweis (KoFi) für die Regierung von Ober- der Bundesanstalt für Immobilienauf- Maßnahmen steuern, die Kosten- und Dynamik der Anfangsjahre. Nachdem Ausnahme der McGraw-Kaserne durch geführt wurde, dass die Voraussetzun- bayern die Voraussetzungen der SEM gaben (BImA) am 1. Januar 2005 ent- Finanzierungsübersichten erstellen einige Kommunen zudem nicht mehr Beschluss des Stadtrats entsprechend gen des § 165 Abs. 1 und 2 BauGB nach § 165 Abs. 1 und 2 BauGB. Die fallen ist, nur möglich war, weil sich der und die Koordination gewährleisten die in den Behörden Verantwortlichen § 165 Abs. 4 BauGB eine Städtebauliche vorlagen und die Maßnahme finanzier- Regierung von Oberbayern bestätigte Freistaat Bayern durch Erklärung des sollte. Vorgabe war, dass die Maßnah- entsandten, sondern nicht entschei- Entwicklungsmaßnahme eingeleitet. bar war. Es entfiel damit der tatsächli- der Landeshauptstadt München das damaligen bayerischen Finanzministers men mit den Entwicklungskosten den dungsbefugte Mitarbeiterinnen und Dabei wurde nach den Empfehlungen che Erlass einer Entwicklungssatzung Vorliegen der Satzungsvoraussetzun- von Waldenfels zu einer entsprechen- städtischen Haushalt nicht belasten Mitarbeiter, die weder über alle not- der Obersten Baubehörde und der Recht- mit der Möglichkeit der Enteignung gen, und die Stadt leitete diese Bestä- den Anwendung verpflichtete. und Fördergelder ausschließlich den wendigen Informationen verfügten noch sprechung und Literatur das gleichmäßi- von nicht mitwirkungsbereiten Be- tigung an die Oberfinanzdirektion. Da- Städtebaulichen Sanierungsmaßnah- neue Entwicklungen anstoßen konnten, ge Vorgehen insoweit nachgewiesen, als troffenen. Die Anforderungen an das nach begannen die zähen und durch- Umsetzung und Durchführung der SEM men nach §§ 136 ff. BauGB verblieben. wurde der Arbeitskreis ineffektiv und auch alle aufgegebenen Bahnflächen und Allgemeinwohl mussten daher nicht aus streitigen Vertragsverhandlungen Gleichzeitig wurde unter Federführung löste sich 2001 auf, ein Jahr nach Aus- durch den öffentlichen Personennahver- mit der bei Satzungen üblichen Stren- zum Kauf und über die Höhe des Die Stadt kaufte nach und nach die des Referats für Stadtplanung und tritt der Landeshauptstadt München. kehr gut erschlossene private Flächen ge belegt werden. Letztlich wurde „entwicklungsunbeeinflußten Wertes“ Konversionsflächen der Panzerwiese, Bauordnung eine regelmäßig tagende wie die Bergwachtstraße und Federsee- mit dem Haushaltsvermerk, den so- im Sinne der §§ 169 Abs. 1 Nr. 6 in Ver- Waldmann- und Stettenkaserne sowie Lenkungsgruppe SEM mit allen städ- Der direkte interkommunale Austausch straße mit einem Untersuchungsbe- genannten Verbilligungsgrundsätzen, bindung mit 153 Abs. 1 bis 3 BauGB. der Funkkaserne mit den erwähnten tischen Beteiligten eingesetzt, mit zur SEM war zweifelsohne sehr sinn- schluss belegt wurden. Dieses systema- den Gemeinden eine „Als-ob“- oder Natürlich mussten alle Kommunen, die Vertragsvorgaben des Haushalts- deren Hilfe bis heute die gegenseitige voll – als Fazit empfehlen die Münch- tische Vorgehen wurde im Stadtrat mit „Vertragsentwicklungsmaßnahme“ nach diesem Grundsatz Flächen erwar- vermerkes und stand nun vor der Information sowie die Koordinierung ner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einer Bekanntgabe vorgestellt. ermöglicht und das „Recht des ersten ben, auch eine „Kröte“ schlucken. Als Umsetzungsfrage. Nachdem ein sichergestellt wird. Regelmäßig wird solche Arbeitskreise nach Interessen- Zugriffs“ eingeräumt. München wandte Preis für das Recht des ersten Zugriffs treuhänderischer Entwicklungsträger hier auch die Kostenmeldung und lage zusammenzusetzen und nur Ent- Als-ob-SEM, Haushaltsvermerk und dieses Instrument bei drei Kasernen legte die Bundesrepublik Durchfüh- ausgeschlossen wurde, machte sich -kontrolle angemahnt. Zudem wurde scheidungsbefugte zu entsenden. Die Recht des ersten Zugriffs und einem Truppenübungsplatz erfolg- rungsfristen fest, deren Einhaltung die Großstadtverwaltung – in der Linie in dieser Gruppe ein Verständnis für Größe sollte zehn Personen nicht über- reich an. Die Verwaltung begründete, durchaus mit Strenge überwacht wur- und unter Beibehaltung der jeweiligen Ordnungsmaßnahmen entwickelt und schreiten, damit die Arbeitsfähigkeit Die Einleitungsbeschlüsse erwiesen nachdem ein ordnungsgemäßes de und wird. Verlängerungen gab es Zuständig- und Verantwortlichkeiten – wie die §§ 165 ff. BauGB entsprechend gewährleistet bleibt. sich rasch als Segen. Die Bundesre- Verfahren wie für eine SEM-Satzung nur auf begründeten Antrag. an die Umsetzung. der vertraglichen Verpflichtungen sinn-

Eingang zur Bayernkaserne Freiflächen am Ackermannbogen

74 75 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

gemäß angewandt werden können. zeigte sich, dass sich die Einleitung dungsvereinbarung. Die Gemeinden Ebenso lernte man gemeinsam, die der SEM gemäß § 165 Abs. 4 BauGB untereinander schließen für die Umset- Entwicklungskosten von anderen bewährt hatte und durch den Aus- zung der jeweiligen Bebauungspläne, nicht entwicklungsbedingten Kosten tausch mit den Städten im Bayerischen mit denen das Gelände entwickelt zu unterscheiden. Die Wünsche der Arbeitskreis (AKSEM) die Erfahrungen wird, eine sogenannte Interkommuna- beteiligten Referate waren vielfältig, der Mitgliedsstadt Augsburg zum ei- le Vereinbarung. aber aufgrund der vertraglichen Pflich- nen bekannt waren und zum anderen ten gegenüber der Bundesrepublik erfolgreich übernommen werden konn- Voraberwerb konnte und kann nicht alles, was wün- ten. Ohne den Arbeitskreis hätten die schenswert wäre, umgesetzt werden, Verantwortlichen in der Stadt München Zwischen dem Einleitungs- und dem nur weil es nicht aus dem städtischen vermutlich diese Möglichkeit weder Satzungsbeschluss werden regelmäßig Budget, das heißt dem der jeweils kennengelernt noch angewandt. unter anderem Strukturüberlegungen zuständigen Referate, zu zahlen ist be- (Strukturkonzept) oder Rahmenplanun- ziehungsweise war. Auch die erfolgreichen Prozesse (zur gen durchgeführt. Eine Wertermittlung städteübergreifenden SEM Gewerbe- und die erste Kosten- und Finanzie- Entwicklungsvereinbarung park Nürnberg, Fürth, Erlangen oder rungsübersicht lagen vor. Danach zur SEM Gewerbegebiet Schweinfurt) wurden von der Stadt die Grundstücke Nicht alle Kasernen wurden nach dem beförderten kritische Fragen und die der Luitpoldkaserne, der Prinz-Eugen- oben genannten Haushaltsvermerk Sorgfalt, mit der einzelne Maßnahmen Kaserne und der Bayernkaserne er- erworben. Nachdem ein Konsortium, durchgeführt wurden. Der Prozess worben, und zwar ohne Bindungen als das nach Absprache mit der Landes- zur SEM in Landshut, der bedauerli- Vertragsentwicklungsmaßnahme. Die hauptstadt München die Kronprinz- cherweise verloren wurde, führte in Entwicklung der Gebiete wurde und Rupprecht-Kaserne kaufen und selbst München zum Einsatz des Instruments wird noch heute damit sehr erleichtert, entwickeln wollte, während laufender der Baugebote und einem sinnvollen, da die unbedingte Einhaltung von Fris- Vertragsverhandlungen mit der Stadt strategischen Vorgehen, welches im ten mit entsprechenden Nachzahlungs- im Hinblick auf die schwierig gewor- Jahr 2008 zu 1.094 zusätzlichen Wohn- verpflichtungen nicht mehr gefordert dene Wirtschafts- und Kreditbeschaf- einheiten führte. ist. Das Gebot der Zügigkeit bleibt. fungslage (Basel II) „das Handtuch warf“, entdeckte ein großer Münchner Abwendungsvereinbarung Zwischennutzung Autobauer und Nachbar – das Unter- nehmen BMW – das Gelände. Nach Nachdem die Verbilligungsgrundsätze Vom Freiwerden der Kaserne bis zur vielen Verhandlungen einigten sich ausgelaufen waren – vorher war die Überplanung sowie Abbruch und zivi- Oberfinanzdirektion (OFD) und Stadt Gesellschaft für Entwicklung, Be- len Nachnutzung braucht es in der auf eine Vorgehensweise, die die Stadt schaffung und Betrieb mbH (g.e.b.b.) Regel fünf bis zehn Jahre. Auch in Augsburg bei der SEM Spinnerei/ gegründet worden –, wurde die Situ- München wurden auf den Konversi- Weberei Pfersee angewandt hatte. Es ation nochmals ein wenig komplizier- onsflächen temporäre Nutzungen für kam zu einer sogenannten Entwick- ter. Nach wie vor bestanden bei den diesen Zeitraum zugelassen. Um aber lungsvereinbarung oder -abrede mit Kasernen die Einleitungsbeschlüsse, keinen unbeplanten Innenbereich ent- der OFD, die 2011 mit der neu ent- und die Stadt war fest entschlossen, stehen zulassen, bot es sich an, nur standenen BImA wegen geänderter auch echte SEM-Satzungen zu erlas- Zwischennutzungen in Absprache mit Entwicklungsziele erneuert wurde. sen, was sie stets dokumentierte. der BImA zuzulassen. Dies war nur möglich, weil der bereits Der Verein FC Bayern München zeigte mehrfach erwähnte Haushaltsvermerk, 2006 gleichzeitig großes Interesse an Voraussetzung ist immer, dass nur in die sogenannten Verbilligungsgrund- dem Teil der Fürst-Wrede-Kaserne, der Abstimmung mit der Gemeinde – in sätze, den Gemeinden ein „Recht von militärischer Nutzung freigegeben München mit der Stadtplanung – die des ersten Zugriffs“ ermöglichte. Die wurde und der teilweise auf Münchner Nutzung befristet (maximal fünf Jahre) Stadt verzichtete hierauf nur, wenn die Stadtgebiet, teilweise auf der Gemar- beantragt und befristet genehmigt Bundesrepublik die Stadt von allen Ent- kung der Gemeinde Oberschleißheim wird. Da die Landeshauptstadt Mün- wicklungskosten freistellt. Letzteres liegt. Ein neues Vereinsgelände für den chen davon ausgeht, dass freigezoge- sind die Kosten für die Ordnungsmaß- Amateursport des FC Bayern München ne Kasernen Außenbereiche sind, kön- nahmen wie Abbruch, Straßenherstel- e. V. erschien an dieser Stelle beiden nen Genehmigungen nach § 35 Abs. 2 lung et cetera und im konkreten Fall Kommunen wünschenswert. Mit Zu- BauGB erteilt werden. Wegen der Be- zusätzlich die Schaffung einer Sportan- stimmung der Stadt und der Gemeinde fristung greift § 35 Abs. 3 BauGB der lage für den Münchner Norden. Dabei kaufte der Verein das Gelände. Zur Ver- öffentlichen Belange der Planungsbe- einigte man sich darauf, dass eine meidung einer Entwicklungssatzung dürftigkeit nicht, da nur ein Provisorium bestimmte Fläche hierfür an die Stadt schloss der Verein für die Übernahme entstehen soll. Auch die Mietverträge, unentgeltlich und kostenfrei abgetre- aller ursächlichen Kosten mit den bei- die die BImA schließt, sollten auf die Bestandsgebäude Bayernkaserne ten wird. Die Stadt selbst übernimmt den Kommunen einen Städtebaulichen Dauer der befristeten Genehmigung die Kosten der Herstellung. Auch hier Vertrag, eine sogenannte Abwen- abgestellt sein. Es bietet sich an,

76 77 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

Axel Kunze, Joerg Musial, Monika Maucher / Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Von der Kaserne zum Stadtquartier: Entscheidende Entwicklungsschritte und Erläuterungen zum Veräußerungsverfahren

dass die gesamte Kaserne an einen überzeugen, dass eine Nutzungsände- eit Ende der 1950er-Jahre hat die Verwertung eingeleitet. Da die Flächen gefasst. Zeitgleich hatte das BMF un- Generalmieter abgegeben wird, sollte rung nur im gesetzlich vorgesehenen SBundesvermögensverwaltung im als militärisches Sondergebiet ausge- ter bestimmten Voraussetzungen die eine längerfristige Zwischennutzung Verfahren möglich ist und die Stadt ihre Rahmen eines dreistufigen Verwal- wiesen sind, bedarf die Nachnutzung verbilligte Veräußerung bundeseigener vorgesehen sein. Sonst kann bei Über- Planungshoheit reklamieren kann und tungsaufbaus (aufsteigend: Bundes- überwiegend einer neuen Überplanung Grundstücke durch Haushaltsvermerke nahme der Kaserne durch die Gemein- will. Im vorliegenden Fall schlug bereits vermögensämter, Bundesvermögens- durch die Planungsträgerin. Damit zum Bundeshaushaltsplan zugelassen. de wegen notwendiger Kündigungen, durch Umzug des Bundesgrenzschut- abteilungen bei den Oberfinanzdirek- kommt den Kommunen eine maßgeb- Aufgrund dieser Verbilligungsrichtli- Verwaltungen et cetera erheblicher zes (BGS) die „normative Kraft des tionen und Bundesministerium der liche Bedeutung zu. Die Bundesvermö- nien wurden in München ehemalige Verwaltungsaufwand entstehen. Faktischen“ durch, der BGS verblieb an Finanzen (BMF)) die Verwaltung und gensverwaltung nahm daher frühzeitig Militärflächen zum entwicklungsun- Ort und Stelle und wurde dann plane- Verwertung von für militärische Zwe- erste Gespräche mit den Gemeinden beeinflussten Wert an die Stadt ver- Bei der Zwischennutzung sollte be- risch festgesetzt. cke nicht mehr benötigten Liegenschaf- zur Klärung der Möglichkeiten und Vo- äußert. Diese musste sich vertraglich dacht werden, dass die Antragstellerin- ten des Bundes wahrgenommen. raussetzungen für eine zivile Anschluss- zur Durchführung der städtebaulichen nen und Antragsteller eine sogenannte Arbeitsgruppe Konversion nutzung auf. Ferner wurden neben Maßnahmen innerhalb von fünf Jahren Wertverzichtserklärung abgeben, damit Seit Beginn der ersten Truppenredu- dem Bau- und Zustandsbericht für die verpflichten. So erfolgten die Veräu- es später keine Streitigkeiten über den Diskussionen wie die vorgenannten zierung Anfang der 1990er-Jahre er- Gebäude insbesondere für Folgenutzun- ßerungen der Panzerwiese 1994, der Ersatz getätigter Investitionen geben wurden von den städtischen Dienst- folgte nach Erklärung der sogenannten gen notwendige Untersuchungen über Waldmannkaserne 1996, einer Teilflä- kann. Für die Stadt war es besonders stellen mit denen der Bundesrepublik Freigabe einer Liegenschaft durch das Altlasten beziehungsweise schädliche che der Stettenkaserne 2003 und des wichtig, Kasernen „frei“ von Nutzun- und gegebenenfalls des Freistaates in Bundesministerium der Verteidigung Bodenveränderungen eingeleitet. Restareals 2004. gen zu übernehmen. Da häufig ohne der seit den Einleitungsbeschlüssen (BMVg) die Zuführung der Liegenschaft baurechtliche Verfahren die einzelnen 1992 zweimal jährlich tagenden Ar- in das Allgemeine Grundvermögen des Die Landeshauptstadt München hatte Parallel zur Tätigkeit der Bundesvermö- Kasernengebäude oder -flächen an beitsgemeinschaft (AG) Konversion ge- Bundes. Die Bundesvermögensverwal- nach Bekanntwerden der Freigabe- gensverwaltung hatte die Abteilung zivile Nutzungen „vergeben“ wurden, führt. In der AG wurden natürlich auch tung prüfte möglichen Anschlussbedarf pläne des BMVg im Jahr 1992 den Entwicklung & Vermarktung der im sollte vor Übernahme einer Kaserne alle Themen wie Zwischennutzung, Ge- des Bundes sowie in Ausnahmefällen Beschluss über die Einleitung von städ- Jahr 2000 gegründeten Gesellschaft diese (zivile Nutzung) festgestellt wer- neralvermietung und „Schwarznutzun- vorhandene Wiederkaufs- und Rücker- tebaulichen Entwicklungsmaßnahmen für Entwicklung, Beschaffung und Be- den. Regelmäßig werden die zivilen gen“ behandelt. Einladung, Protokoll werbsansprüche früherer Eigentümer. über Konversionsflächen (der Panzer- trieb mbH (g.e.b.b.) die Aufgabe, aus- Nutzer, zu denen besonders Sportver- et cetera wechselte. Die Einrichtung Anschließend wurden alle notwen- wiese, der Funk-, Kronprinz-Rupprecht gewählte Liegenschaften der Bundes- eine gehören, Anforderungen an die der AG erwies sich als ausgesprochen digen Schritte zur Vorbereitung der sowie Waldmann- und Stettenkaserne) wehr zu entwickeln und zu vermarkten. Gemeinde stellen. Hierauf sollte eine hilfreich, weil sich häufig auch die Verwaltung vorbereitet sein. Dienststellen der Bundesrepublik und des Freistaates bei den Sitzungen ko- Freigabe ordinierten und ein allgemein gleicher Wissensstand hergestellt werden Die Aufgabe der Kasernen wurde konnte. nach längeren Diskussionen mit der Wehrbereichsverwaltung durch eine Interne Organisation sogenannte Freigabeerklärung der Wehrbereichsverwaltung gegenüber Die Stadt hatte sich gegen einen der Stadt erklärt. Die Entbehrlichkeits- treuhänderischen Entwicklungsträger abfrage der Bundesrepublik bei allen entschieden. Es wurde in der Hauptab- Ministerien „befreit“ die Kasernen teilung II Stadtplanung ein Team (AK- nicht von der Planungshoheit der SEM) zur Lenkung der Maßnahmen, Gemeinde. In einigen Fällen hat es der Kostenkontrolle, der Herbeiführung sich angeboten, für die Kasernen- der Planungen, Satzungen und für die flächen Aufstellungsbeschlüsse für Steuerung installiert. Die Durchführung Bebauungspläne zu erlassen, um der Maßnahmen wird in einer Len- gegebenenfalls planungssichernde kungsgruppe SEM mit allen Beteiligten Maßnahmen nach erkennbarer Auf- abgestimmt. Diese tagt im zweimo- gabe der militärischen Nutzung zu natigen Abstand (mit Protokoll). Die ergreifen. So wurde in München ohne Ankäufe, Ordnungsmaßnahmen, Her- ein Verfahren, das eigentlich notwen- stellung et cetera erfolgten innerhalb dig gewesen wäre, in einem Teil der der bestehenden Verwaltung mit den Funkkaserne der Bundesgrenzschutz jeweiligen Zuständigkeiten. (jetzt Bundespolizei) angesiedelt, den die Stadtplanung gerne aus vielerlei Last but not least, die Einleitung einer Gründen an anderer Stelle, nämlich SEM hat sich für die Stadt München im Virginia-Depot, gesehen hätte. Es ausgezahlt. Sie wird aber sicher nur bedurfte einiger Gesprächsrunden, dort empfohlen werden können, wo unter anderem bei der Regierung von ein erkennbares Interesse an Nachnut- Vom Wohn- ins Naturschutzgebiet: Blick von der Nordhaide in die Panzerwiese Oberbayern, die Vertreterinnen und zungen oder Bauland besteht. Vertreter der Bundesrepublik davon zu

78 79 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

Andreas Distler, a. D., Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern Moderation und fachliche Begleitung von Konversions- und Entwicklungsprozessen durch die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern

Beispiele hierfür sind die Verkäufe der Generell hat sich eine kontinuierliche nfang der 1990er-Jahre führten tive Wertsteigerungen gefragt, die Leidenschaft den Prozess der SEM in Luitpold-, Bayern- sowie der Prinz- partnerschaftliche Zusammenarbeit Adie zunehmende Knappheit von nur durch Leistungen der öffentlichen Gang setzen und manche Klippen zum Eugen-Kaserne an die Stadt München der BImA mit den Kommunen und preiswertem Bauland und die stei- Hand überhaupt erst eintreten konn- Beispiel der Kommunalpolitik oder des sowie der Verkauf von Teilen der Frött- Ländern, gegebenenfalls unter Einbin- genden Kosten städtebaulicher Ent- ten. Die Abschöpfung dieser Wertstei- Grundeigentums erfolgreich umschif- maninger Heide beziehungsweise der dung potenzieller Investoren und unter wicklung in vielen Städten zu großen gerungen konnte dank der SEM für die fen und damit eine rechtssichere Basis Fürst-Wrede-Kaserne. Weit vor Ende breiter Beteiligung der Öffentlichkeit, Engpässen in der Daseinsvorsorge. Finanzierung der Entwicklung genutzt für die Zielerreichung schaffen. Und es der militärischen Nutzung wurde auch sehr bewährt. Nur so können die He- Da war die Städtebauliche Entwick- werden. Die anfängliche Zurückhaltung lohnt sich weiterhin, die interessanten hier Kontakt mit den Kommunen zur rausforderungen und Chancen der Kon- lungsmaßnahme (SEM) ein geeignetes vieler Kommunen gegenüber dem Möglichkeiten der SEM auszuloten Klärung der Rahmenbedingungen der version gemeistert und bestmögliche planungsrechtliches Instrument, um Bund konnte ein Normenkontrollurteil und für ein Handlungskonzept zu er- Anschlussnutzung aufgenommen, Ergebnisse für alle Beteiligten realisiert diese zunehmenden Hemmnisse des vom 12. September 1992 überwin- wägen. um Leerstände zu vermeiden und im werden. Die BImA bietet daher auch lokalen Bodenmarktes zu überwinden. den, wo es unter anderem hieß: „Das Idealfall die Liegenschaft zeitgleich den Abschluss von Konversionsverein- Für die Oberste Baubehörde (OBB) Freiwerden großflächiger Kasernenge- Vor allem Großprojekte von der Art mit der Freigabe dem neuen Nutzer barungen und städtebaulichen Verträ- gab es daher den politischen Auftrag, lände in einer unter starkem Siedlungs- der SEM und Konversion, die meist übergeben zu können. Ein Meilenstein gen an. den Kommunen durch praxisnahe druck stehenden Stadt rechtfertigt die in einem Umfeld starker gesellschaft- war dabei die Absicherung des mit Aufklärung den Zugang zu diesem wir- Festsetzung eines städtebaulichen licher Gegenkräfte und ideologischer den Kommunen abgestimmten Nut- Aufgrund dieser Mitwirkungsbereit- kungsstarken, aber mit vielen Reizwor- Entwicklungsbereichs. Dem steht nicht Vorbelastungen – da ist von „kalter zungskonzeptes durch städtebauliche schaft besteht aus Sicht der BImA ten belasteten Instrument der SEM zu entgegen, dass sich die Grundstücke Enteignung“ oder „Preisstopp“ die Eckwertepapiere. weder Raum noch Notwendigkeit für erleichtern. im Eigentum des Bundes befinden.“ Rede – durchgeführt werden müssen, die Durchführung von aufwendigen profitieren von den Netzwerken der ak- Im Jahr 2005 erwarb die Stadt Mün- Städtebaulichen Entwicklungsmaßnah- So galt etwa die SEM einigen als „so- Vor allem auch der sogenannte Ein- tiv Beteiligten und einer stets aktuellen chen die Funkkaserne von der nun- men über Konversionsflächen, da die zialistischer Griff in die Taschen des leitungsbeschluss (§ 165 Absatz 4 und verlässlichen Informationszufuhr mehr zuständigen Bundesanstalt für angestrebten Ziele und Zwecke durch privaten Eigentums“. Und auch heute BauGB) der Kommune, mit dem eine aus allen relevanten Fach- und Politik- Immobilienaufgaben (BImA), die zum gemeinsame Vereinbarungen einfacher noch scheint Aufklärung vonnöten. Das Entwicklungssatzung vorbereitet bereichen. 01.01.2005 durch das BImA-Errich- und zeitnäher erreicht werden können. zeigt allein schon die unrichtige Bewer- wird, hat immer wieder wertvolle tungsgesetz als bundesunmittelbare Ferner ist die Möglichkeit, dass die tung des Instruments der SEM in Wiki- Dienste für eine sozial verträgliche In Bayern gab es dafür schon sehr früh rechtsfähige Anstalt des öffentlichen BImA sich bei Städtebaulichen Ent- pedia von 2012: „Das Instrument einer Nachnutzung der brachliegenden vertrauensvolle fachliche Netzwerke Rechts und Nachfolgeorganisation wicklungsmaßnahmen an planerischen Entwicklungsmaßnahme ist in der Liegenschaften geleistet. Mit seiner unterhalb der Schwellen formaler Zu- die Aufgaben der Bundesvermögens- Vorarbeiten finanziell beteiligt, ausge- Praxis schwierig,“ heißt es dort und Bekanntmachung wurde frühzeitig ständigkeitsstränge. Es war vor allem verwaltung übernahm. Die BImA hat schlossen. finde „in Deutschland nur noch wenig ein Pflock für die Wertfindung der der Arbeitskreis SEM (AKSEM), der den gesetzlichen Auftrag, die Liegen- Anwendung“. Grundstücke gesetzt. Daher hat die aus einer Initiative einiger Großstädte schaften des Bundes wirtschaftlich zu Um in allen regionalen Konversions- Oberste Baubehörde gleich nach Be- mit dem Bayerischen Städtetag und verwalten und zu verwerten und nicht fragen schnell und kompetent unter- Es gab damals eine Reihe von großen kanntwerden der Freigabe von Kaser- der Fachstelle Städtebauförderung der betriebsnotwendige Grundstücke zum stützen zu können, stehen vor Ort die Informationsveranstaltungen. Dane- nen mit einem Rundschreiben an die Oberste Baubehörde im Bayerischen Verkehrswert zu veräußern. Sie be- jeweiligen Hauptstellenleiter Verkauf ben veröffentlichte die OBB 1994 das Konversionsgemeinden empfohlen, Staatsministerium des Innern hervor- steht aus einem dreiköpfigen Vorstand sowie spezielle Projektverantwortliche Arbeitsblatt „SEM“, das bundesweit vor jeglicher kommunaler Planung für ging. In diesem hierarchiefreien Ge- und ist unter anderem in die operativen des Verkaufs zur Verfügung. Für Kon- nachgefragt wurde. Für die Akzeptanz diese Liegenschaften einen Einlei- sprächsraum konnten Erfahrungen und Sparten Facilitymanagement, Verkauf versionsliegenschaften in Bayern und der kritisierten Wertabschöpfung bei tungsbeschluss zu fassen, um spätere Wissen ausgetauscht und Anregungen und Bundesforst sowie Portfolioma- Baden-Württemberg ist bei der Direk- marktbedingten Bodenpreissteigerun- „spekulative“ Preisaufschläge gänzlich zu aktuellen Problemen weitergegeben nagement und Verwaltungsaufgaben tion München die Hauptstellenleiterin gen konnten wir auf den 2. Absatz des auszuschließen. Die Kommunen, die werden. Im AKSEM wirkten die Groß- gegliedert. Sitz ihrer Zentrale ist Bonn. Verkauf, Frau Maucher, erste Ansprech- Art. 161 der Bayerischen Verfassung dieser Empfehlung folgten, sind gut städte München, Nürnberg und Augs- Regional nehmen neun über das ge- partnerin. verweisen, wo es heißt: „Steigerun- damit gefahren bei den oft schwierigen burg ebenso mit wie etwa das kleine samte Bundesgebiet verteilte Direktio- gen des Bodenwerts, die ohne beson- Verhandlungen mit dem Bund und Karlstadt am Main. Die Gespräche nen mit zahlreichen Nebenstellen das deren Arbeits- und Kapitalaufwand des dann auch der Bahn. Immer hat die wurden immer von der einladenden Geschäft vor Ort wahr. Eigentümers entstehen, sind für die Einleitung einer SEM die Position der Stelle moderiert, die auch das jeweili- Allgemeinheit nutzbar zu machen.“ Gemeinde bei den Grunderwerbsver- ge Ergebnisprotokoll fertigte. Mit der Übernahme des Verwertungs- handlungen deutlich gestärkt. geschäftes der g.e.b.b. mbH für die Ein neues Feld eröffnete sich für die Auf der Ebene der ARGEBAU, der Bundeswehr durch die BImA im Jahr SEM, als in den 1990er-Jahren die bis- Dennoch, der Weg vom Recht über die Arbeitsgemeinschaft der Bauminister 2008 ist diese nunmehr allein zuständig herigen Nutzungen von Anlagen des Umsetzung bis zum Bau erster Häuser von Bund und Ländern, gab es zudem für die Verwertung von Konversions- Militärs und der Bahn aufgegeben und auf den Satzungsflächen ist trotz Fort- eine kleine Arbeitsgruppe SEM, also liegenschaften. Die BImA hat darüber die frei gewordenen Flächen auf den bildung, Broschüren, guter Vorbilder ein länderübergreifendes Netzwerk der hinaus die Aufgabe, ein ressortüber- Markt gebracht wurden. Denn sowohl und nützlicher Rechtsprechung steinig. Länder mit besonderem Interesse an greifendes, einheitliches Liegenschafts- der Bund als auch die Bahn versuchten Bei den gängigen Planungsverfahren einem Erfahrungsaustausch. Da der für management für fast alle dienstlich selbstverständlich – wie jeder private ist man längst daran gewöhnt, dass die SEM in Bayern zuständige Leiter genutzten Immobilien des Bundes Eigentümer – aus dem Verkauf ihrer erst viele Umwege zum ersten Spaten- der Städtebauförderung in beiden Krei- aufzubauen. Sie wird Eigentümerin oft gut gelegenen Liegenschaften stich führen. Es bedarf daher gebün- sen mitwirkte, ergaben sich in seiner der Dienstliegenschaften, die sie nach möglichst hohen Gewinn zu schlagen. delter Kräfte, die mit hoher fachlicher Person zusätzliche fachliche Verbindun- immobilienwirtschaftlichen Grundsätzen Damit war – und ist immer noch – die Kompetenz, klugen Handlungsstrate- gen zum Nutzen von SEM und Konver- zu verwalten und zu optimieren hat. SEM als Instrument gegen spekula- gien, listenreicher Ausdauer und auch sion in Bayern.

80 81 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

Axel Markwardt, Kommunalreferat München Grunderwerb und Zwischennutzungen ehemaliger Kasernenareale: Ein Resümee des Kommunalreferats der Landeshauptstadt München

Neben diesen beiden größeren Netzen wa schreckt viele Kommunen zunächst as Kommunalreferat ist in der Lan- ßerung/Nutzungsüberlassung und Damit war die Stadt in die Lage ver- existierten natürlich auch die kleinen die gemeindliche Grunderwerbspflicht Ddeshauptstadt München für die unentgeltliche Veräußerung bundesei- setzt, die freigegebenen Kasernenare- wichtigen Netzmaschen der persönli- in den Entwicklungsgebieten ab, da- städtischen Liegenschaften einschließ- gener Grundstücke (VerbGs)“, waren ale zum entwicklungsunbeeinflussten chen Kontakte über das Telefon kreuz bei kann davon durchaus abgesehen lich deren Erwerb beziehungsweise ein Haushaltsvermerk zur Bundes- Wert direkt vom Bund zu erwerben. und quer durch Bayern und das Bun- werden. Nur wenige Städte, wie etwa Veräußerung und Bewirtschaftung haushaltsordnung, der die Kommunen Bei der Ermittlung dieses Wertes desgebiet. Diese Verknüpfungen im München, arbeiten weiterhin mit den zuständig. Daher ergaben sich bei den in die Lage versetzen sollte, günstig bleiben die Auswirkungen der Städte- vertrauensvollen Netz hatten vor allem Möglichkeiten, die der Einleitungsbe- militärischen Konversionen die nachfol- große Entwicklungsareale auf Ge- baulichen Entwicklungsmaßnahme, auch dann große Bedeutung, wenn die schluss des Baugesetzbuches (§ 165 genden Hauptaufgaben. meindegebiet zu erwerben und zu wie zum Beispiel raschere Baulandent- Städtebauförderung gebraucht wurde, Absatz 4) für eine stadtentwicklungs- entwickeln. Voraussetzung für die An- wicklung, auf den Wert der Immobilie etwa für wissenschaftliche Begleit- politische Strategie eröffnet. Und der Grunderwerb und -veräußerung wendung war aber auch, dass das je- gänzlich unberücksichtigt, ebenso künf- untersuchungen zur planungsrechtli- kleine Nebensatz, „wenn die mit der weilige Land entsprechend handelte. tige Planungsüberlegungen. Es handelt chen Einstufung einer innerstädtischen SEM angestrebten Ziele und Zwecke Nachdem Anfang der 1990er-Jahre sich also um Bauerwartungsland. Das Kaserne mit der Auswirkung auf die durch städtebauliche Verträge nicht er- die Aufgabe verschiedener Kasernen- So war zwar gegenüber der Regie- städtische Bewertungsamt bedient Wertermittlung und den Kaufpreis reicht werden können“ (Nummer 3 im areale auf Münchner Stadtgebiet rung zum Beispiel der Nachweis des sich bei der Wertermittlung eines ver- oder auch für die Anwaltskosten einer Absatz 3 des § 165 BauGB), weist aus- bekannt geworden war, fasste der dringenden öffentlichen Interesses kürzten Residualverfahrens zur deduk- Kommune in einem grundsätzlichen drücklich auf flexible Wegstrecken hin, Stadtrat ab 1992 diverse Untersu- am Erlass einer Entwicklungssatzung tiven Ableitung des Bodenwertes. In Rechtsverfahren. die sich bei einer konsensorientierten chungs- und Einleitungsbeschlüsse, die notwendig, aber es galten nicht so die Wertermittlung fließt zulasten des und moderierten Anwendung der SEM in Kombination mit den sogenannten strenge Anforderungen an das All- Verkäufers (Bund) Folgendes ein: Mit diesen persönlichen Kontakten in einer Atmosphäre von Kooperation Verbilligungsgrundsätzen des Bundes gemeinwohl wie bei privaten Eigen- konnten solche Ratschläge zur Ver- statt Konfrontation immer bieten. die Anwendung der Bestimmungen tümerinnen und Eigentümern, was • 50 Prozent öffentlich geförderter fahrenspraxis gegeben werden, die der Städtebaulichen Entwicklungsmaß- eine große Erleichterung darstellte. Wohnungsbau in keinem Lehrbuch oder Kommentar Weitere Anlagen von Militär, Bahn, nahme (SEM) auch ohne förmliches In Anwendung des § 166 Absatz 3 • Ansatz der ursächlichen, realen zu finden sind. So etwa zu den takti- Gewerbe und auch des Einzelhandels Satzungsverfahren zuließen. BauGB wird auch bei sogenannten sozialen Infrastrukturkosten schen Möglichkeiten des Einleitungs- werden künftig vermehrt für eine nach- Als-ob-Maßnahmen vom „kommuna- • unentgeltliche Abtretung der beschlusses oder zu kooperativen haltige Innenentwicklung auf den Markt Die Verbilligungsgrundsätze, offiziell len Recht des ersten Zugriffs“ ausge- Gemeinbedarfsflächen Verfahren, mit denen die Kommunen kommen. Allein dies macht es notwen- „Grundsätze für die verbilligte Veräu- gangen. • Herstellungspauschalen für Ver- ihre Grunderwerbspflicht in Entwick- dig, dass die SEM als eine wunderbare lungsbereichen umgehen können, die „Maschine der Baulandproduktion“ zur bis heute viele Städte davon abhält, die Wiedernutzung brachliegender Flächen SEM anzuwenden. (§ 165 Abs. 3 Nr. 3 BauGB) wieder verstärkt in die Handlungsstrategien Es ist bedauerlich, dass die SEM als der Stadtentwicklung einbezogen wird. kommunaler Antrieb für die Durch- Sie bringt allerdings nur dann ihren setzung von Stadtentwicklung – so Nutzen, wenn sie gut vorbereitet, die wie die Bodenpolitik insgesamt – mo- Verfahrensregeln kreativ ausgelegt und mentan nur von wenigen praktiziert die Maßnahme in einem professionell wird. Obwohl die Wirtschafts- und Fi- moderierten Dialog ins Gespräch ge- nanzwelt die Gesellschaft immer mehr bracht wird. Es lohnt sich, die SEM aus in die Zange nimmt, scheint der harte der Instrumentenkiste herauszuholen sozioökonomische Zusammenhang und sie als ganz normales Verfahren zu zwischen privat verfügbarem Grund- gebrauchen! eigentum und der Stadtentwicklung weitgehend aus dem allgemeinen politischen und fachlichen Bewusstsein verschwunden zu sein. So ist etwa im Bericht „Berliner Gespräche zum Städ- tebaurecht“ vom November 2010 zur Vorbereitung der letzten Novellierung des Planungsrechts von der Verfügbar- keit des Bodens zum Wohl der Allge- meinheit keine Spur zu finden!

In einschlägigen Aussagen zur SEM wird heute zudem der Gesetzestext teilweise nur sehr verkürzt und eher schemenhaft wiederholt. Es fehlen Hinweise auf die verschiedenen Mög- Von der temporären zur dauerhaften Nutzung: Domagk-Ateliers im sanierten Haus 50 der ehemaligen Funkkaserne lichkeiten, die sich zwischen den Zeilen des Gesetzestextes verbergen. So et-

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kehrs- und Grünflächen nach den Bedingungen weitere Konversionsflä- werden, weil die Verfahrensdauer Grundsätzen der Sozialgerechten chen erwerben: die Luitpoldkaserne sowohl für die Neuplanung als auch Bodennutzung (SoBoN-Grundsät- 2004, die Prinz-Eugen-Kaserne 2005 für die einzelnen Vergabeschritte von zen) und die Bayernkaserne 2007. einigen Unabwägbarkeiten begleitet • Ausgleichsflächen nach SoBoN- wird. Zudem ist unklar, ob die Miete- Grundsätzen Nach Schaffung von Baurecht und rinnen und Mieter die Nutzung auch Realisierung von Erschließung und wirklich zum vereinbarten Zeitpunkt Unter Anwendung der Verbilligungs- Infrastruktur durch die Stadt werden wieder beenden, sodass ein gewisser richtlinien konnten die ehemalige Pan- die Bauquartiere zum Verkehrswert Puffer vorgesehen werden muss, um zerwiese (1994), heute die Nordhaide reprivatisiert. Im Rahmen von öffent- die nachfolgenden Abbrucharbeiten Ost und West, und die ehemalige Wald- lichen Ausschreibungen werden die nicht zu behindern. Schließlich soll die mannkaserne (1996) und Stettenkaser- Grundstücke weiten Kreisen der Bevöl- geplante endgültige Nutzung weder ne (2004), heute Siedlungsgebiet Am kerung angeboten. Nach Abschluss der zeitlich verzögert noch dauerhaft ver- Ackermannbogen, erworben werden. Maßnahmen bleibt im günstigsten Fall hindert werden. für die Kommune eine „schwarze Null“. Mit Gründung der Bundesanstalt für Insgesamt konnten mit direkter oder Darüber hinaus werden für die Zwi- Immobilienaufgaben (BImA) wurde entsprechender vertraglicher Anwen- schennutzung in der Regel Strom, zum 1. Januar 2005 die Vergünstigung dung der sogenannten Verbilligungs- Wasser und ein Abwasseranschluss für die Kommunen leider grundsätzlich grundsätze mit dem Kauf der Kasernen benötigt. Allerdings verfügen alle aufgehoben. Gleichwohl hat die BImA Entwicklungsflächen für rund 11.000 Kasernen über ein Privatnetz, sodass der Stadt Vertrauensschutz in den ers- Wohneinheiten gesichert werden. es weder eine Versorgungssicherheit ten sechs Monaten des Jahres 2005 Der Gesamtaufwand der Stadt beim durch die Stadtwerke gibt, noch die Ab- gewährt. So konnte die ehemalige Erwerb aller Kasernenareale belief nahme mangels Zwischenzähler genau Funkkaserne im Sommer 2005 noch sich so seit 1994 auf insgesamt circa gemessen kann. Das Netz funktioniert unter Anwendung der Verbilligungs- 206 Millionen Euro. in der Regel auch nur als Gesamtnetz grundsätze erworben werden. und nicht in Teilen. Es gibt im Grunde Ohne die konsequente Anwendung genommen auch keine wirkliche Weiter ist es gelungen, anschließend – der Verbilligungsgrundsätze wäre der Sicherheit gegenüber Leib und Leben, nicht immer ohne „Androhung“ einer Erwerb dieser für die Stadtentwicklung weil zum Teil sogenannte Kabeldiebe Entwicklungssatzung auf vertraglichem und Zukunft der Stadt München so alles verwertbare Kupfer entwenden Wege – im Rahmen eines sogenann- bedeutenden Flächen nicht möglich ge- und deshalb sogar stromführende ten Voraberwerbs weitere Kaser- wesen. Es wird aus unserer Erfahrung Leitungen schlichtweg abtrennen und nenareale von der Gesellschaft für daher dringend empfohlen, sich an- ausbauen. Entwicklung, Beschaffung und Betrieb gesichts der massiven Auswirkungen mbH des Verteidigungsministeriums der Bundeswehrstrukturreform auf die Erschwerend kommt hinzu, dass, (g.e.b.b.) zu erwerben und dabei die betroffenen Kommunen für das Wie- sobald der Auszug der Bundeswehr den gesetzlichen Bestimmungen einer derauflebenlassen dieser Verbilligungs- und damit auch meist der Abbruch Städtebaulichen Entwicklungsmaß- grundsätze einzusetzen. beschlossen sind, die örtliche Stand- nahme entsprechenden Konditionen ortverwaltung nur noch die notwen- auszuhandeln. Damit wurde die Über- Steuerung von Zwischennutzungen digsten Investitionen vornimmt, um nahme der entsprechend einer Städ- den Bestand zu sichern. Demgemäß tebaulichen Entwicklungsmaßnahme Es vergehen Jahre zwischen dem ist es „normal“, dass die kompletten bestehenden Kosten und Lasten durch Auszug des Militärs, dem Grunder- Infrastrukturen in der Regel ihr Lebens- die g.e.b.b. vereinbart. werb und einer Neubebauung, sodass alter erreicht haben oder jedenfalls die leer stehenden Gebäude und seit längerer Zeit nicht mehr gewartet Sehr hilfreich war hier die „gemeinsame Flächen stets einen Anreiz für eine worden sind. Die nachfolgenden Nut- Erklärung vom 19.02.2002“ von Staats- zwischenzeitliche Nutzung bieten. zungen erfolgen daher im Hinblick auf sekretär Klaus-Günther Biederbick, Dieser Wunsch kommt häufig aus den den Zustand des Netzes und die Kurz- Bundesverteidigungsministerium, Reihen der Politik, selbstverständlich fristigkeit mehr oder weniger in einer Dr. Ulrich Horsmann, Geschäftsführer aus der Kreativszene, von Gewerbe- Art Graubereich auf der Ebene von Dul- der g.e.b.b., und Oberbürgermeister betreibenden und aus der Bevölke- dungen, jedoch nicht ohne Bedenken. Christian Ude, in der auf politischer rung. Und sie ist zunächst nur ver- Nach der Trinkwasserverordnung aus Entscheidungsebene eine gemeinsa- ständlich. Schließlich stehen zahlreiche dem Jahr 2001, „Trinkwasser für den me Entwicklung der freigegebenen bis vor Kurzem genutzte Gebäude leer. Genuss oder Gebrauch“, muss Trink- Kasernen im Rahmen der Zielvorgaben Allerdings entstehen in diesem Zusam- wasser so beschaffen sein, dass eine Städtebaulicher Entwicklungsmaßnah- menhang auch viele Herausforderun- Schädigung der menschlichen Gesund- men und eine Übernahme durch die gen. Zunächst kann der tatsächlich für heit insbesondere durch Krankheits- Auch für Zwischennutzungen werden Strom, Wasser und ein Abwasseranschluss benötigt. Stadt vereinbart worden war. So konn- eine Nutzung zur Verfügung stehende erreger nicht zu befürchten ist. Diese te die Stadt zu vergleichbar günstigen Zeitraum nicht exakt vorherbestimmt Forderung gilt nicht mehr als erfüllt,

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Georg Eisenreich, Regierungsdirektor a. D., ehemaliger Leiter des Bundesvermögensamtes München Zwischennutzung als Instrument der Stadtentwicklung: Möglichkeiten und Grenzen am Beispiel der Münchner Kasernenareale

wenn Leitungsnetze nicht mehr wie werden jeweils per Juryverfahren für Schulungsort für Sondereinheiten der as Bundesvermögensamt Mün- durch die Stadt, um Generalmietver- Vorweg war zu prüfen, ob die Gebäu- bisher in Gänze, sondern nur noch in eine Dauer von fünf Jahren vom Kultur- Polizei, für Rettungsdienste und für Dchen übernahm zum 1. Oktober träge für die drei Kasernen und deren desubstanz sowie Heizung und Kanali- Teilbereichen benutzt werden, sodass referat vergeben. Hundestaffeln, als äußerst begehrte 1991 erstmals eine ehemalige Kaserne Zwischennutzung durch den Bund. Da sation in den Kasernen aus wirtschaft- die das Keimwachstum maßgeblich be- Drehorte für zahlreiche Filmaufnah- – die von den US-Streitkräften genutz- diese schwierigen Themen nicht sofort lichen Gründen eine Zwischennutzung günstigenden Faktoren überwiegen. Die Bayernkaserne wurde Mitte 2011 men, als provisorische Unterkünfte bei te Flint-Kaserne in Bad Tölz. Hier wurde abschließend geklärt werden konnten, zuließen. Ferner war bei einer Zwi- ebenfalls mit einer Zwischennutzung Großveranstaltungen wie die Special das Amt auch erstmalig mit den Proble- wurde ein Arbeitskreis eingerichtet. schennutzung die Aufrechterhaltung Zudem ist Kurzfristigkeit ein relativer übernommen, denn die Regierung von Olympics, als Lager- und Abstellflächen men von frei werdenden Kasernen in der Funktionsfähigkeit dieser Kasernen Begriff. Als die Stadt im Jahr 2005 Oberbayern betreibt dort in einem der sowie in gewissem Umfang auch als Bezug auf Personal, Zwischennutzung, Dieser Arbeitskreis Konversion hatte in Bezug auf Heizung, Warmwasser, das Areal der ehemaligen Funkka- 70 Gebäude eine Aufnahmeeinrichtung Spielstätte für kulturelle Nutzungen. Verkauf, Sicherheit, Vandalismus und eine hochinteressante und wichti- Strom et cetera erforderlich. Hierfür serne übernahm, gab es dort bereits für circa 400 Asylbewerberinnen und Bauunterhalt konfrontiert. Die hier ge Aufgabe. Unter Beteiligung von konnten wir erfreulicherweise von der seit zwölf Jahren „Europas größte Asylbewerber. Die Stadt wird diese Alle Nutzungen sind auf kurze Dauer gewonnenen Erfahrungen konnten Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Bundeswehr Fachkräfte ausleihen, bis Künstlerkolonie“, eine Gemengelage Einrichtung für etwa zwei Jahre weiter angelegt und können mehr oder we- wir auf die von der Bundeswehr 1993 Technischem Hilfswerk, Staatlichem wir eigene Stellen für diese Aufgaben aus Künstlern, Werkstätten, Band- ermöglichen, zugleich aber in anderen niger rasch beendet werden, um das bis 1996 in München freigegebenen Hochbauamt und Vertretern der Stadt erhielten. Proberäumen, Kneipen und Discos in Bereichen mit dem Abbruch beginnen. eigentliche Ziel, nämlich den zügigen Kasernen Funkkaserne, Kronprinz- aus Planungs-, Wirtschafts- und Kom- Selbstverwaltung, formiert in losen Auch hier kommt es darauf an, wie die Abbruch und die Weiterentwicklung Rupprecht-Kaserne sowie Waldmann- munalreferat, bei Bedarf erweitert Zum Teil hat die Vermietung der einzel- Verbindungen, in eingetragenen Ver- Versorgung über das alte Leitungsnetz zum dringend benötigten Wohnstand- und Stettenkaserne übertragen. durch andere Referate sowie Vertreter nen Gebäude und Flächen das Bundes- einen, in einer Genossenschaft oder abschnittsweise erhalten werden kann, ort, nicht zu gefährden. der Oberfinanzdirektion, tagte dieser vermögensamt direkt durchgeführt, in einer GmbH. Für die Stadt als neue ohne den Rückbau, den Abbruch und Im Juni 1993 wurde von der Oberfinanz- Arbeitskreis zweimal im Jahr. Die zum Teil wurden die Kasernen komplett Eigentümerin ist die Übernahme, Ver- den Neubau der neuen Anlagen zu direktion München, der das Bundesver- Hauptaufgabe bestand in der Realisie- an einen Generalmieter vermietet, den waltung und Beendigung einer solchen behindern. Im Hinblick auf die Erfah- mögensamt unterstand, eine Bespre- rung der Zwischennutzung der Kaser- Münchner Unternehmer Christoph Nutzungsvielfalt nicht gerade einfach. rungen in der Funkkaserne eignen sich chung mit der Stadt München verein- nen durch den Bund, bis die Kasernen Fisser. Er war ab 1994 für die Stetten- Die Rückführung der vertragsgemä- Atelier- oder gar Wohnnutzungen nicht bart. Bei diesem Termin mit der dama- schließlich an die Stadt verkauft wur- kaserne und ab 2001 für die Luitpold- ßen beziehungsweise vertragslosen für temporäre Nutzungen. Gleichwohl ligen Stadtbaurätin Christiane Thalgott, den. Der Arbeitskreis legte die Dauer kaserne Generalmieter sowie auch Zustände in der Funkkaserne dauerte haben die weniger gut erhaltenen dem Finanzpräsidenten Heinrich Kraus, und Art der Zwischennutzung der Ka- Teilmieter in den anderen Kasernen. letztlich sechs Jahre. Gebäude während der Planungspha- LtRD Anton Eisenkölbl und mir ging sernen sowie die Vergabekriterien für Als Vertragspartner des Bundesvermö- se durchaus noch ihren Nutzen: als es um den Ankauf der Kasernenareale die Vermietung fest. gensamtes war Christoph Fisser ein Die Beendigung des letzten abzubre- chenden Gebäudes Nummer 49 war besonders schwierig: Den Kunstschaf- fenden war die Chance eingeräumt worden, das Haus innerhalb eines Jahres selbst in Eigeninitiative zu ertüchtigen und anschließend zu er- werben. Das Jahr verstrich allerdings, ohne dass am Gebäude Reparaturen vorgenommen wurden, da es den Kunstschaffenden nicht gelungen war, gemeinsam ein realisierbares Projekt auf die Beine zu stellen und eine Finan- zierung sicherzustellen. Die Zwischen- nutzungen der Ateliers in Haus 49, die mittlerweile ohnehin größtenteils de facto in Wohnungen umfunktioniert worden waren, wurden letztlich Mitte 2011 beendet: Die Stadt musste das Gebäude wieder zurücknehmen und ließ es sodann abbrechen.

Unter dem Gesichtspunkt der Wirt- schaftlichkeit konnte bei der Funkka- serne nur eines der Gebäude erhalten und saniert werden. In Gebäude 50, vormals eine technische Betriebsstät- te, stehen nunmehr über 100 Ateliers rund 140 Künstlerinnen und Künst- lern zur Verfügung. Damit sind die Domagk-Ateliers das größte städtische Graffiti an den Wänden der durch Künstlerinnen und Künstler zwischengenutzten Gebäude der ehemaligen Funkkaserne Atelierhaus und eines der größten Bestandsgebäude Bayernkaserne Atelierhäuser Europas. Die Ateliers

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»Auf das Konzept kommt es an.« Im Gespräch mit dem Film- und Immobilienunternehmer Christoph Fisser, dem Generalmieter für die Zwischennutzungen von Münchner Kasernenarealen

idealer und zuverlässiger Partner für die Gewerbesteuer war für die Stadt beendet werden konnte. Bei sozialen Sie sind Filmproduzent und unter gesamte Kanalisation zu restaurieren, Zwischennutzungen der freigeworde- eine Einnahmequelle. Vandalismus Einrichtungen war von Bedeutung, anderem Vorstand der Filmstudios die gleiche Auflage gab es damals für nen Kasernen in München. Der Verwal- konnte weitgehend vermieden wer- dass dann jeweils eine anderweitige in Babelsberg. Außerdem waren Sie die Kronprinz-Rupprecht-Kaserne. In tungsaufwand unsererseits konnte so den, Sicherheitsdienste waren nicht er- Unterbringungsmöglichkeit zur Verfü- in München Generalmieter für die der Funkkaserne habe ich alle beste- erheblich reduziert werden, konnten forderlich, denn die Gebäude standen gung stehen musste. Zwischennutzungen am Ackermann- henden Mietverträge übernommen und doch so Absprachen, die sonst mit je- nicht leer und unbeaufsichtigt. Die Zwi- bogen und in der Funkkaserne, in versucht, die freien Flächen für diesen dem einzelnen Mieter hätten getroffen schennutzung leistete als Instrument So konnten wir zum Beispiel dem der Luitpoldkaserne und Teilen der Zeitraum zu vermieten. Der Bund und werden müssen, gebündelt über den der Stadtentwicklung also hervorra- ICP München, Integrationszentrum Kronprinz-Rupprecht-Kaserne. Wie das Kommunalreferat hatten keine Ka- Generalmieter erfolgen. gende Dienste, da hierdurch für die für Cerebralparesen, in der Kronprinz- kam es dazu? pazitäten für diese Aufgabe. Planung der endgültigen Nutzung die Rupprecht-Kaserne Räume anbieten, Interessenten für eine Zwischennut- notwendige Zeit gewonnen wurde. während gleichzeitig das ICP in der Ich bin durch reinen Zufall auf die Ka- Wie lange konnten die Zwischenmie- zung konnten sich beim Bundesver- Garmischer Straße in München 2001 sernenflächen geraten. 1993 suchte terinnen und -mieter in der Regel in mögensamt beziehungsweise beim Als nicht unproblematisch erwiesen bis 2004 saniert und erweitert wurde. ich für eine Kindersendung eine Stu- den Räumen verbleiben? Generalmieter bewerben. Wegen der sich stets die befristeten Mietverträge, Nach Auskunft des ICP-Geschäftsfüh- diofläche in München. Da sowohl die großen Nachfrage war keine Werbung da eine langfristige Planung für die rers Dr. Hans Beyrle konnten durch ARRI als auch die Studios in der Die Funkkaserne hatte ich nur etwa drei erforderlich. Durch das Zwischennut- Mieter schwierig war. Sowohl die Stadt diese Zwischennutzung mehrere Mil- ausgebucht waren, fragten wir bei der Jahre als Generalmieter unter Verwal- zungsmodell konnten viele Gewerbe- als auch das Bundesvermögensamt lionen Euro eingespart und Baumaß- Standortverwaltung nach geeigneten tung, sie wurde allerdings am längsten treibende und Geschäftsleute in den versuchten jedoch durch engagierten nahmen durchgeführt werden, die bei Flächen. Letztendlich produzierten wir genutzt – von 1992 bis 2011. Die Teilflä- Kasernen eine Existenz aufbauen oder Einsatz, den Mietern die Vertragsver- laufendem Betrieb so nicht möglich dann, gut bewacht von der Bundes- chen der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne, erweitern, und viele Künstler fanden längerungen rechtzeitig mitzuteilen, gewesen wären. wehr, in einer Turnhalle in der Stetten- auf denen vor allem soziale Einrichtun- in der Funkkaserne eine neue Heimat. um die Planungssicherheit zu opti- kaserne auf dem Gelände des heutigen gen untergebracht sind, verwalten wir Dadurch wurden auch neue Arbeits- mieren. Deshalb war bei der Mieter- Zusammenfassend lässt sich feststel- Ackermannbogens. Synergieeffekte, und keiner der Mieter nun auch schon seit über zwölf Jahren. plätze geschaffen. Die Mieter richteten auswahl auch zu berücksichtigen, ob len, dass die Zwischennutzung ein musste das Gelände verlassen, um alle In der Stettenkaserne waren wir ins- die Räume mit viel Eigeninitiative und das Mietverhältnis jeweils rechtzeitig hervorragendes Instrument bei frei Als die Kaserne im darauffolgenden notwendigen Dienstleistungen erhalten gesamt elf Jahre, und ein guter Teil der Geschick nach ihren Vorstellungen her. zum Abschluss der Planung oder spä- werdenden militärischen Liegenschaf- Jahr geräumt wurde, mieteten wir das zu können. Hierzu gründeten wir 1995 Mieter ist mittlerweile auf dem Gelän- Die Mietpreise waren moderat, und testens zum Beginn der Bauarbeiten ten, insbesondere Kasernen, ist. gesamte Areal. Wir wussten von be- auch einen Studiodienstleister, die SAS, de in der Infanteriestraße, das wir im freundeten Produktionsfirmen, dass sie Studio- und Atelierbetriebe für Film und Jahr 2001 angemietet haben. auf der Suche nach Flächen waren, und Fernsehen Schwabing. So konnte tat- wir hatten uns selbst auf dem Gelände sächlich die gesamte Produktionskette Viele Nutzer wandern mit uns mit, weil sehr wohlgefühlt. Nun mussten wir von der Redaktion bis zur Postproduk- sie sich auf dem alten Gelände sehr Bauanträge für jedes einzelne Gebäude tion abgedeckt werden. wohlgefühlt haben und in einem ähnli- zum Zwecke der Zwischennutzung chen Umfeld bleiben wollen. Oder aber stellen und entsprechende Umbauten Und die erfolgreiche Profilierung es besteht ein zusätzlicher Raumbedarf, durchführen. Die fehlenden Damentoi- der Stettenkaserne als temporärer der über die geplante Zwischennutzung letten sind hier nur eine kleine Rand- Standort vor allem für die Medien- hinausgeht. Im Fall der Parzivalschule geschichte – zum Umbau könnte man und Filmbranche hat Sie bestärkt stand zum Beispiel die Baugenehmi- einen ganzen Roman verfassen. Die weiterzumachen? gung für einen Neubau noch aus, die Flächen waren dennoch sehr schnell Räume in der Stettenkaserne mussten vermietet. Unser Konzept eines Me- Ja. Da wir die Flächen so schnell ver- wir verlassen. Wir wurden hier ganz vor- diengeländes kam bei fast allen Inte- mieten konnten, sich alle Nutzer sehr züglich von der Landeshauptstadt und ressenten sehr gut an. wohlfühlten, die Behörden mit unserer der Bundesanstalt für Immobilienaufga- Arbeit wohl recht zufrieden waren und ben unterstützt, und die Schule konnte Wie genau sah dieses Konzept aus? wir durchaus weiteren Bedarf sahen, ein neues temporäres Quartier in der Welche Firmen waren auf dem Ge- haben wir uns für zusätzliche Kasernen- Kronprinz-Rupprecht-Kaserne beziehen. lände ansässig? War die Aussicht auf flächen beworben. eine nur temporäre Nutzung kein Pro- Welche Empfehlung würden Sie blem für die Mieterinnen und Mieter? Eine Ausnahme war die Funkkaserne, Kommunen mit frei werdenden Flä- die ich auf ausdrücklichen Wunsch der chen mitgeben? Wir wollten erreichen, dass die jewei- Landeshauptstadt und des Bundes- ligen Mieter möglichst voneinander vermögensamtes übernommen habe. Ich würde den Kommunen vor allem profitieren und miteinander zusam- Da ich die Funkkaserne bereits aus raten, sich zunächst ganz genau das Kon- menarbeiten konnten. So achteten wir früheren Jahren sehr gut kannte – ich zept des Mietinteressenten anzusehen, sehr darauf, dass wir nicht nur große war Geschäftsführer der Panzerhallen da dies absolut entscheidend für eine Produktionsfirmen wie die Kinowelt, GmbH, die unter anderem die Ala- zügige und problemlose Nutzung ist. Ich die GAT oder Discovery Channel ge- bamahalle betrieb –, stimmte ich zu, glaube, dass es ein sehr großer Vorteil wannen, sondern auch alle möglichen die Funkkaserne für die Restlaufzeit war, dass ich aus der Branche komme, die Zulieferer, wie zum Beispiel Grafiker, von drei Jahren zu übernehmen. Der dann die Gelände genutzt hat. Ich kannte Etwa 350 Künstlerinnen und Künstler nutzten zwischenzeitlich die Funkkaserne und betrieben die Künstlerkolonie in Eigenverwaltung. Cutter, Agenturen oder Designer an- Hintergrund war die problematische viele Firmen und Personen und konnte sprachen. So entstanden sehr gute Mieterstruktur und die Auflage, die deren Bedürfnisse gut einschätzen.

88 89 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

Georg Reisner, Referat für Stadtplanung und Bauordnung München Chancen für den Wohnungsbau

er Mangel an Wohnraum und befreite die Landeshauptstadt nicht deren Verfahrensgrundsätzen auch die sich neue Chancen. Denn es gelang, entstehen. Für Modellvorhaben sind Der Stadtrat hat im Jahr 2010 beschlos- Dinsbesondere an bezahlbarem nur für Jahre von den Fesseln der Entwicklungsflächen Privater überplant neben den städtischen Wohnungsbau- in der Regel auch die Vergabeverfah- sen, ein eigenes Flächenkontingent Wohnraum ist in einer wachsenden Flächenknappheit. Sie eröffnete ihr werden, kann die Münchner Mischung gesellschaften und Münchner Unter- ren für die Grundstücke anzupassen. zwischen 20 und 40 Prozent der Stadt wie München seit vielen Jahren auch die Chance, in den städtischen letztlich bei der Entwicklung aller neuen nehmen immer wieder auch auswärti- Als Beispiel sei hier ein sogenanntes Wohnbauflächen eines Planungsge- ein gravierendes soziales Problem. In Planungsgebieten Miet- und Eigen- Planungsgebiete umgesetzt werden. ge Bauunternehmen zu gewinnen, die Optantenverfahren für das Siedlungs- bietes für junge Genossenschaften den Jahren ab 1984 verschärfte sich die tumswohnungen für alle Einkommens- Von privaten Planungsbegünstigten den Sprung nach München wagten und modell genannt. Dabei wurden die und Baugemeinschaften zur Verfügung Situation, da die für den Wohnungsbau gruppen anzubieten. Diese „Münchner wird ein Anteil von 30 Prozent für den in den neuen Bereichen Pioniergeist Grundstücke nicht sofort vergeben zu stellen. Allerdings ergibt sich ein verfügbaren Flächen immer weniger Mischung“, auf die die Stadt zu Recht geförderten Wohnungsbau – davon bewiesen. Viele dieser Unternehmen und verkauft, sondern die unter einer erhöhter Aufwand bei den Ausschrei- wurden. Zudem fielen jährlich 10.000 stolz ist, da sie die Grundlage für das mindestens 20 Prozent für Sozialmiet- realisierten über die Jahre hinweg noch Vielzahl von Bewerbungen ausgewähl- bungen und ein erhöhtes Risiko, dass bis 15.000 Wohnungen aus der Sozial- Entstehen langfristig stabiler Nachbar- wohnungen – gefordert, 70 Prozent mehrere Wohnbauprojekte auf den ten neun Optantinnen und Optanten Vergabeentscheidungen rechtlich bindung und oblagen damit nicht mehr schaften in den neuen Stadtquartieren verbleiben für den frei finanzierten städtischen Flächen, mit guten Erfah- erhielten zunächst nur eine Kaufoption. angefochten werden. Demgegenüber den Beschränkungen hinsichtlich der ist und die Nachteile einseitiger sozia- Wohnungsbau. rungen für beide Seiten. Darin wurden sie verpflichtet, einen eröffnen sich neue Chancen für einen Miethöhe im geförderten Wohnungs- ler Strukturen für die Stadtgesellschaft gemeinsamen beschränkten Realisie- abwechslungsreichen und lebendigen bau. Gleichzeitig drängte eine zuneh- vermeidet, wurde also erst durch die Die große Zahl neuer Flächen, ihre Die Kasernenflächen waren und sind rungswettbewerb durchzuführen und Wohnungsbau auf den ehemaligen mende Zahl einkommensschwacher Kasernenflächen möglich. Inzwischen sehr dynamische Entwicklung und auch immer wieder Orte von Modell- die Ergebnisse mit den ausgewählten Kasernenflächen. Gerade die Mischung Haushalte auf den Markt für preiswerte konnten die Anteile auf 30 Prozent für die unterschiedlichen Wohnbauarten vorhaben. So wurde im ersten Bauab- Preisträgerinnen und Preisträgern, an unterschiedlichen Eigentums- und Mietwohnungen. Ein starker Anstieg Sozialmietwohnungen, 20 Prozent für stellten die Stadt bei der Vergabe der schnitt am Ackermannbogen eines der unter denen sie wählen durften, auch Wohnformen macht die Vielfältigkeit der Mieten und Mietbelastungsquo- das München Modell und 50 Prozent Kasernenflächen an Bauträgerinnen zwölf bayernweiten Siedlungsmodelle umzusetzen. In dieses Verfahren wur- der neuen Quartiere aus. ten von häufig über 30 Prozent des für den frei finanzierten Wohnungs- und Bauträger gerade auch in den An- im Rahmen des Programms „Offen- de als Optantin erstmalig auch eine Haushaltsnettoeinkommens waren die bau auf eine sozial sehr verträgliche fängen vor große Herausforderungen, sive Zukunft Bayern“ errichtet. Mit junge Genossenschaft mit eingebun- Folge. Im ersten wohnungspolitischen Mischung festgelegt werden. Dieser zumal sie sich im Interesse einer bau- dem Projekt „Solare Nahwärme“ im den. Das Verfahren hat sich dabei in Handlungsprogramm „Wohnen in Mün- Schlüssel gilt auch generell für die gro- lichen Vielfalt dafür entschieden hatte, dritten Bauabschnitt konnte zudem jeder Hinsicht bewährt, konnte in der chen“ vom 21. Juni 1989 beschloss ßen städtischen Planungsgebiete. nur einzelne Baufelder zu verkaufen eine neue Form der Nahwärmever- Folge aufgrund der geänderten Recht- der Stadtrat deshalb für die Jahre 1990 und nicht ganze Bauabschnitte oder gar sorgung erprobt werden. In der Prinz- sprechung für die Vergabe städtischer bis 1994 eine Quote von 75 bis 100 Durch die 1994 eingeführte sogenann- eine gesamte Kasernenfläche. Doch Eugen-Kaserne soll künftig ein Teil der Grundstücke aber nicht mehr in dieser Prozent für Sozialwohnungen auf städ- te Sozialgerechte Bodennutzung, nach auch durch dieses Verfahren eröffneten Bebauung als Plus-Energie-Siedlung Art eingesetzt werden. tischen Flächen und von 40 Prozent auf neu überplanten privaten Flächen.

So war es für den Wohnungsbau in München ein besonderer Glücksfall, dass genau in dieser angespannten Lage in der Folge der deutschen Wie- dervereinigung gleich mehrere Kaser- nenflächen frei wurden und von der Stadt für den Wohnungsbau erworben werden konnten. Zu den Konversions- flächen kamen in den folgenden Jah- ren mit der Verlagerung des Flughafens Riem nach Erding und der Umsiedlung der Messe von der Theresienhöhe nach Riem weitere Umstrukturierungs- flächen hinzu.

Bei den ersten Vorhaben wurden noch 42 Prozent der Kasernenflächen für den Bau von Sozialmietwohnungen genutzt, so zum Beispiel auf der Nord- haide. Zusätzlich wurden 30 Prozent der Wohnbauten für mittlere Einkom- men, insbesondere für Haushalte mit Kindern im sogenannten München Modell, errichtet, das als städtisches Programm 1996 eingeführt wurde. Für den frei finanzierten Wohnungsbau ver- blieben 28 Prozent.

Wohnbebauung auf der Nordhaide Ansicht des dritten Bauabschnitts im Quartier Am Ackermannbogen Die Freigabe der ehemaligen Kaser- nenflächen für eine Wohnnutzung

90 91 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

»Ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten.« Im Gespräch mit Stadtdirektorin a. D. Gertrud Hautum, von 1994 bis 2010 zuständige Leite- rin für Stadtsanierung und Wohnungsbau im Münchner Referat für Stadtplanung und Bau- ordnung, und ihrem amtierenden Nachfolger, Stadtdirektor Walter Buser

Frau Hautum, Sie haben die Entwick- zu entwickeln. Das schuf gegenseitiges ne stärkere Akzeptanz der städtischen mit einem angespannten Wohnungs- lung des Wohnungsbaus auf den Vertrauen in die Einsicht der allseitigen Wohnungsbaupolitik. markt umgehen. ehemaligen Kasernenarealen von Erfordernisse, wirkte sich sowohl auf Anfang an begleitet. Was waren die die Qualität vieler Bauvorhaben als auch Baugenossenschaften und Baugemein- Auf einem freien Wohnungsmarkt muss größten Herausforderungen, was auf eine zeitlich bedarfsgerechte Pro- schaften müssen auch zukünftig als es im Sinne sozialer Wohnungspolitik die größten Chancen? Was war Ihre grammplanung und Realisierung positiv Kristallisationskerne guter Nachbar- staatliches und kommunales Interesse Strategie? aus. Die Kooperationsangebote stärkten schaften und Innovationsmotoren im sein, Einkommensschwächere, die sich das Interesse möglicher Investorinnen bautechnischen Bereich die ihnen vom freie Marktmieten und –preise nicht Gertrud Hautum: Die Knappheit an und Investoren am Wohnungsbau – auch Stadtrat zugewiesenen Entfaltungs- leisten können, mit angemessenem Grund und Boden im Besitz der Stadt in mit geringer Rendite – in einer Zeit, als möglichkeiten in einer Größenordnung Stadtplanerin mit dem Quartier an der auch für die Zukunft. Auch bezogen auf Wohnraum zu versorgen. Dazu haben den frühen 1990er-Jahren und die sei- andere Anlageformen selbst an einem von 20 bis 40 Prozent der Wohnbauge- Nordhaide besonders gut gelungen. die sonstigen in diesem Zeitabschnitt in den vergangenen 20 Jahren die nerzeit noch nicht im heutigen Umfang Standort wie München vorrangig im Fo- schossflächen eingeräumt bekommen. Neben allen strukturellen Qualitäten entstandenen Quartiere erscheint mir Kasernenareale mit der Bereitstellung gegebenen rechtlichen Voraussetzungen kus standen. des Quartiers empfinde ich die öffent- das gelungen. Dabei muss gerechter von ungefähr der Hälfte des dort neu für städtebauliche Verträge verengten Zum Erfolg der Siedlungsmaßnahmen lichen und privaten Freiräume äußerst Weise bedacht werden, dass an einem geschaffenen Wohnbaurechts im öffent- die Handlungsfähigkeit der Stadt. Dies Die größte Herausforderung durch die auf den Kasernenarealen werden auch angenehm gefasst durch die vergleichs- so teuren Standort wie München die lich geförderten Wohnungsbau einen betraf die wünschenswerte Vorsorge unerwartet großen Entwicklungspoten- die städtischen Wohnungsbaukonzerne weise niedrigen Traufhöhen der beglei- Variationsbreite und damit in gewisser herausragenden Beitrag geleistet. und Mischung für Wohnbauflächen, ziale war aber nicht nur die zeitgerechte GEWOFAG und GWG ihren Anteil bei- tenden Bauzeilen, rhythmisiert durch Weise auch die Gestaltungsmöglichkei- insbesondere für sozial schwächere Gewinnung von Investorinnen und In- tragen – seien dies hohe energetische die wiederkehrenden Hochpunkte. So ten unterschiedlicher Wohnungsange- Die günstigen Gelegenheiten für den Bevölkerungsgruppen, die gezielte För- vestoren auch für weniger begünstigte Standards im Wohnungsbau, wie sich ist trotz hoher baulicher Dichte eine bote dann beschränkt sind, wenn die Münchner Wohnungsbau, die die derung unterschiedlicher Wohnbauarten, Flächen und Bauformen, sondern die solche bereits im Nordteil der Funk- gute Belichtung aller Wohnungen und Wohnungen auch für Normalverdiener Kasernenareale geboten haben und Miet- und Eigentumswohnungen, eine Aufgabe, in relativ dichter Folge eigen- kaserne in der Ausführungsplanung der Freibereiche während des ganzen bezahlbar bleiben müssen. Ein Blick auf mittelfristig noch bieten, neigen sich Mischung von großen und kleinen Woh- ständige Stadtquartiere unterschiedli- befinden, oder dem Wohnen zugeord- Jahres gesichert. Stets der nahe gele- die nahezu gleichen Wohnflächen pro absehbar dem Ende zu. Die Erfahrun- nungen in den Planungsgebieten oder cher städtebaulicher Ausprägung und nete Einzelhandelseinrichtungen im genen Heide verbunden und dennoch Haushaltsgröße im geförderten und frei gen aus den ehemaligen Kasernen auch die Neusituierung der in den späten differenzierter Lebensqualitäten zu Ackermannbogen oder der Prinz-Eugen- inmitten eines städtisch geprägten finanzierten Marktsegment kann das zeigen, dass auch zukünftig größere 1990er-Jahren in zunehmendem Umfang schaffen. Kaserne. Generell sehe ich die städti- Umfelds können sich Bewohnerinnen vielleicht verdeutlichen. Entwicklungsflächen, möglichst in städ- auftretenden jungen Genossenschaften schen Wohnungsbaukonzerne auch im und Bewohner und Besucherinnen und tischem Eigentum, für die Befriedigung und weniger betuchter Baugemeinschaf- Herr Buser, knüpfen Sie daran an? Bereich früherer Kasernen als Motoren Besucher zu Hause fühlen. Als Stadtplanerin und „Wohnungs- der Wohnungsnachfrage gebraucht ten. Oder gibt es einen Kurswechsel? baulicher Innovationen und als Träger fachfrau“ wünsche ich der Stadt den werden. Nur auf solchen Flächen kön- von Modellprojekten. Meine besondere Liebe als „Woh- finanziellen Spielraum und Atem, trotz nen unter Anwendung der Prinzipien Die größte Chance der unerwarteten Walter Buser: Was die bewährte nungsbauerin“ gilt allerdings dem des hohen Preisniveaus den Mietwoh- der „Sozialgerechten Bodennutzung“ Flächenpotenziale bestand daher in der „Münchner Mischung“ aus frei finan- Die Flächen der früheren Kasernen Quartier Am Ackermannbogen, in nungsbau und dabei Genossenschaften relevante Anteile an öffentlich geför- bedarfsorientierten Zuordnung entspre- ziertem und öffentlich gefördertem haben zusammen mit den im Zuge dem eine große Vielfalt an Wohnungs- unterstützen und fördern zu können, da dertem Wohnungsbau entstehen. chender Wohnbauarten und auch deren Wohnungsbau in den zukünftigen der Privatisierung von Bahn und Post formen, an Grundrissqualitäten und sie zu einem städtischen Miteinander Vor allem dort können die Flächenzu- finanzieller Förderung in Ergänzung Stadtquartieren auf Kasernenarealen frei gefallenen Flächen dem Münchner architektonischen Experimenten beitragen können und die Stadtgesell- weisungen an Baugenossenschaften, der bei Bund und Land zunehmend angeht, stehe ich für Kontinuität. Eben- Wohnungsbau während der vergan- gelungen ist. Meines Erachtens mit schaft nicht vorrangig vom Interesse Baugemeinschaften und städtische geringeren Mittel. Eine entsprechende so gilt dies für die Ausschreibungs- und genen zwei Jahrzehnte zuvor nicht ge- Erfolg wurden kooperative Verfahren von privatem Wohnungseinzeleigentum Wohnungsbaukonzerne problemlos Zuordnung mit privaten und öffentlichen Vergabeverfahren, wo nicht allein der ahnte Entwicklungsmöglichkeiten ver- erprobt, die in einer offenen und part- geprägt wird. erfolgen. Und insbesondere auf diese Grünflächen war ebenso möglich wie gebotene Grundstückspreis, sondern schafft. Doch die Kasernenflächen sind nerschaftlichen Planung bis hin zu einer Weise kann weiterhin gewährleistet die Ansiedlung sozialer Infrastruktur im ergänzend auch qualitative Kriterien endlich. Ein Kurswechsel im Münchner vom Freistaat seinerzeit sogar im frei Herr Buser, wie geht es weiter mit der werden, dass bauliche Innovationen, Nahbereich. den Ausschlag geben sollen. Die Bei- Wohnungsbau wird zwangsläufig an- finanzierten Wohnungsbau geforderten angespannten Wohnungssituation in angefangen bei den Baumaterialien behaltung der Architekturwettbewerbe stehen, wenn mit der Funkkaserne, der Kostenverfolgung relativ preiswerten München, und was haben Sie aus den über die energetischen Konzepte bis Die Vergabe der Flächen durch die Stadt und Beratungsgremien als wichtige Prinz-Eugen-Kaserne und der Bayern- Wohnraum sicherten und/oder eine Erfahrungen der ehemaligen Kasernen hin zu barrierefreiem Bauen und „Bau- ermöglichte die Auswahl der Wohnungs- Qualitätsbausteine unserer städtischen kaserne in den kommenden Jahren die mehrere Bauvorhaben umspannende für mögliche weitere Flächen gelernt? en in Gemeinschaft“, fester Bestandteil unternehmen und Bauträgerinnen und Planungskultur erwähne ich nur der letzten Kasernenareale bebaut sind. Solartechnik ermöglichten. der Münchner Baukultur bleiben. Bauträger oder sonstiger Gruppen nach Vollständigkeit halber. Verwaltung und Politik werden sich in Walter Buser: Wer sich mit der Woh- bestimmten Qualitätszielen, wie zum der unmittelbar bevorstehenden Zeit Sicher hätte manches noch besser nungssituation in München beschäftigt, Deshalb ist es richtig, dass die Stadt Beispiel energetische Standards, Bar- Ich bin davon überzeugt, dass der neu überlegen müssen, wo der Wohnungs- gelingen können. Zum Beispiel bedau- wird feststellen, dass in den vergan- bereits heute über eine langfristige rierearmut beziehungsweise -freiheit, installierte „Wohnungsbaumanager“ im bau der Zukunft – unterstellt es gibt ere ich, nicht noch mehr Augenmerk genen 100 Jahren der Wohnungs- Siedlungsentwicklung nachdenkt und gute Wohnungsgrundrisse einschließlich Referat für Stadtplanung und Bauord- diesen Bedarf weiterhin – stattfinden auf die Ausgestaltung und Nutzbarkeit markt in München im Grunde immer ein Projekt ins Leben gerufen hat, bei eines vielfältig nutzbaren Angebotes an nung zukünftig eine wichtige Ansprech- soll. der Dachflächen gelenkt zu haben angespannt war. München ist eine dem sie interdisziplinär und zusammen zugehörigen Freiräumen wie Loggien, funktion gegenüber Investorinnen und oder auch auf die Ausformung der wirtschaftlich prosperierende und eine mit externen Planungsbüros an den Balkonen und/oder Terrassen. Investoren, Baugenossenschaften und Frau Hautum, was ist in Ihrer Amts- Tiefgaragenentlüftungen in den eng wachsende Stadt, deren Bevölkerungs- Entwicklungsmöglichkeiten für den zu- Baugemeinschaften übernehmen wird. zeit besonders gut gelungen und bemessenen Privatgrünflächen. Gera- zuwachs sich aus Wanderungsgewin- künftigen Wohnungsbau und gleichzei- Nicht zuletzt konnte so zumindest über Zusammen mit der bei der Stadtbau- was würden Sie heute rückblickend de in hoher baulicher Dichte könnten nen und einem Geburtenüberschuss tig an der damit zusammenhängenden, viele Jahre hinweg versucht werden, die rätin eingerichteten „Arbeitsgruppe anders machen? beide Aspekte große Chancen für speist. Bei gleichbleibenden Trends qualifizierten Freiflächensicherung ar- jeweiligen Quartiere in Kooperation aller Wohnungsbauoffensive“ verspreche Nutzung und Raumwirkung bieten. entsteht daraus weiterhin erhebliche beitet. So wie heute schon werden die beteiligten Investorinnen und Investoren ich mir von beiden Neuerungen wich- Gertrud Hautum: Zwei Aspekte möch- Alles in allem entstanden meines Nachfrage nach neuem Wohnraum. Die mangelnden Bauflächen der eigentliche untereinander und mit der Stadt unter tige Impulse für höhere jährliche Woh- te ich hervorheben: Die Betonung des Erachtens doch insgesamt lebendige Stadt muss daher auch zukünftig mit Engpassfaktor für den Wohnungsbau anderem im Rahmen von Wettbewerben nungsbaufertigstellungszahlen und ei- Stadtrandes im Norden scheint mir als Stadtquartiere mit hohen Potenzialen dieser Nachfragesituation und mithin der Zukunft sein.

92 93 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Prozess

Zwischennutzung: Chance oder Last? Ein Statement von Werner Lederer-Piloty, Vorsitzender des Bezirksausschuss 12 Schwabing-Freimann

Baukunst schlägt im Südosten des Ich gebe die Hoffnung nicht auf, Fallbeispiel Prozess: Funkkaserne Planungsgebietes eine Gruppe von dass München aus dem Fall Domagk Europas größte Künstlerkolonie Kasernengebäuden zum Erhalt als gelernt hat und diese sich bei der Künstlerhof vor. Leider können sich Entwicklung des großen Areals der Im Herbst 1993 bezogen die ersten lich bis zu 20.000 Besucher an. Im Jahr jedoch Bauträgergesellschaften und Bayernkaserne erneut bietende Künstlerinnen und Künstler die ehema- 2005 hatte der Stadtrat beschlossen, zuständige Behörden nicht vorstellen, Chance nun genutzt wird. Das wäre ligen Mannschaftsgebäude der gerade Haus 50 dauerhaft als Atelierhaus zu wie das Potenzial dieses einzigartigen nicht nur im Sinne der vielen Münch- freigegebenen Funkkaserne an der erhalten, die anderen zwischengenutz- Künstlerareals für Leben und Image ner Künstler wünschenswert, sondern Domagkstraße. Was mit zweijährigen ten Gebäude jedoch für den Abbruch des neuen Wohnquartiers zu nutzen auch aus historischer und ökologischer Mietverträgen als Zwischennutzung be- freizugeben. Das Gebäude wurde für wäre, und geben die Kasernenbauten Sicht: Es tut gut, sich in einem neuen gann, dauerte fast 18 Jahre an und hat in circa 5,6 Millionen Euro saniert und vom zum Abbruch frei. Stadtquartier mit steinernen Zeugen Teilen heute noch Bestand. Die Domagk- Kulturreferat der Stadt übernommen. der Geschichte auseinanderzusetzen Ateliers beherbergten zwischenzeitlich Heute hat es 101 Ateliers und Studios, des Hauses durch einen privaten Träger In einer beeindruckenden Solidarität und von ihnen zu profitieren. Und es mehr als 300 Künstlerinnen und Künst- in denen derzeit 140 Künstlerinnen und kam wegen der hohen Sanierungskos- zwischen Künstlerschaft, Bezirksaus- ist ökologisch sinnvoll, die im Baube- ler aus über 35 Nationen. Sie avancier- Künstler in Selbstverwaltung durch die ten nicht zustande. Auf dem ehemaligen schuss und dem neuen Kulturreferen- stand gebundene Energie zu nutzen, ten zu Europas größter Künstlerkolonie Domagk-Atelier gGmbH arbeiten. Im Kasernenareal in der Dachauer Straße ten gelingt es dennoch, wenigstens anstatt sie einfach durch Abbruch zu und wurden zur festen Instanz nicht nur Sommer 2011 wurde mit Haus 49, für wurden teilweise Ersatzquartiere von eines der Gebäude als großes Atelier- vernichten. In diesem Sinne schaue in der Münchner Kulturszene. Über die dessen Erhalt sich bis zuletzt nicht nur der Stadt zur Verfügung gestellt. Dauer- haus zu retten. Das ursprüngliche Ziel ich mit Zuversicht in die Zukunft der Jahre wurden elf Häuser von Kunsttrei- die Kunsttreibenden eingesetzt hatten, haft soll nun auch auf dem Gelände einer Durchmischung von Atelierbau- Stadtentwicklung im Münchner Nor- benden genutzt, die jährlich stattfinden- das letzte temporär genutzte Gebäude, der Luitpoldkaserne ein Kreativquartier ten des Bestandes und modernem den – wir haben spannende Zeiten den Domagk-Ateliertage zogen schließ- geräumt und abgerissen – der Erhalt entstehen. Wohnungsbau wurde aber bedauer- vor uns! nfang der 1990er-Jahre folgt licherweise mit den Jahren aus den A dem Auszug der Soldaten aus Augen verloren. München hat mit Fallbeispiel Prozess: von Neue-Deutsche-Welle-Größen wie schen Rundfunks war zwischenzeitlich der Münchner Funkkaserne der Ein- Domagk die Chance vertan, eine Zwischennutzungen Trio oder Ina Deter. Spätestens mit der im Wirtshaus im Schlachthof unterge- zug der Künstler – als sogenannte „Cité des artistes“ zu schaffen. Die Karawane zieht weiter wöchentlichen Talkshow „Live aus dem kommen, wechselte aber in die neue Zwischennutzer, also Nutzer auf Zeit. Alabama“ erlangte die Halle Kultstatus. Veranstaltungshalle in der Funkkaserne, Rasch entwickeln sich auf dem Kaser- 1988 ließ BMW die Halle für eigene Er- als diese von dem neuen Betreiber in nengelände die Domagk-Ateliers – die Die ehemaligen Münchner Kasernen- weiterungsbauten abreißen. Anknüpfung der Tradition in Alabama- größte Künstlerkolonie Münchens. areale waren in den vergangenen Jahr- Halle umbenannt worden war. Auch als Bereits 1994 gilt sie als Europas be- zehnten für verschiedene Initiativen, In einer Panzerhalle in der ehemaligen das Fernsehen Ende der 1990er-Jahre deutendster Kreativ-Campus. Über Kultur- und Gewerbeschaffende, Vereine Funkkaserne bot sich einige Jahre spä- in den inzwischen sanierten Schlacht- 300 Leute arbeiten und wohnen auf und Unternehmen eine „Heimat auf ter die Chance der Wiederauferstehung hof zurückzog, blieb das Alabama das dem Gelände – zunächst fast unbe- Zeit“. Durch Zwischennutzungsverein- des Alabama. Dort wurden nach dem Alabama. Mit zum Teil bis zu 10.000 merkt vom etablierten Kulturbetrieb barungen konnten preiswert Räume zur Weggang des Militärs seit Beginn der Besuchern pro Wochenende brachte die der Stadt. Erst gegen Ende des Jahr- Verfügung gestellt werden, teilweise 1990er-Jahre Konzerte und Discos Veranstaltungshalle das Gelände an die hunderts richtet sich die öffentliche wanderte die temporäre Nutzung von veranstaltet. Die Talkshow des Bayeri- Grenzen der Belastbarkeit. Es behielt Aufmerksamkeit auf die Kolonie – einem Areal zum nächsten. In einer den Namen bei seinem Umzug in die einerseits, weil international renom- dichten Stadt wie München sind solche ehemaligen Optimolwerke und in die mierte Künstler Glanz auf die Stadt – im wahrsten Sinne des Wortes – Frei- Friedensstraße, wo es 2008 endgültig werfen, andererseits, weil München räume selten und wertvoll. geschlossen wurde und jetzt als „Thea- das Kasernenareal nach dem Erwerb terfabrik“ betrieben wird. „städtebaulich entwickeln“ muss und Die Geschichte einer mittlerweile legen- in dieser Maßnahme Künstler nicht dären Institution des Münchner Nacht- Eine ähnliche Wanderung hat der vorgesehen sind. und Kulturlebens, die Alabamahalle, Münchner Verein für Heilende Erziehung ist eng mit den militärischen Konversi- auf den ehemaligen Militärflächen hinter Von nun an gerät die Künstlerkolonie onsflächen verbunden. Sie reicht bis in sich. Seit 1996 betreibt er die Parzival- zwischen die Mühlsteine von Politik, die frühen 1980er-Jahre zurück. Das in Schule und die Heilpädagogische Tages- Verwaltung und Bauträgern – im Nachbarschaft zur Kronprinz-Rupprecht- stätte Michael-Haus nach Grundlagen Interessenkonflikt zwischen Schaf- Kaserne gelegene Alabama-Depot der Waldorfpädagogik. Acht Jahre lang fung von Wohnraum auf der einen wurde bis 1974 als militärisches Lager konnten dafür Räumlichkeiten auf dem Seite und dem Erhalt eines ungeplant genutzt und danach an die BMW AG Kasernenareal am Ackermannbogen ge- entstandenen Kunstbiotops – um das veräußert. Ab 1981 betrieb hier der Ver- nutzt werden. Als die Abrissarbeiten be- München von anderen Großstädten ein Spielmotor e. V. – eine gemeinsame gannen, fand der Verein ein Ausweich- beneidet wird – auf der anderen Seite. Initiative von BMW und dem Kulturrefe- quartier in ehemaligen Militärgebäuden In der Auslobung des internationalen rat der Landeshauptstadt München – in der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne. Im Architektenwettbewerbs war der teil- der Schleißheimer Straße eine Kon- Herbst 2012 kehrten Schule und Tages- weise Erhalt von Bestandsgebäuden zert- und Theaterhalle. Das Bayerische stätte wieder in den Ackermannbogen Haus 50 vor der Sarnierung noch ausdrücklich empfohlen. Der Fernsehen übertrug von dort unter dem zurück – als dauerhafte Einrichtung in Siegerentwurf von Ortner & Ortner Titel „Rock aus dem Alabama“ Konzerte Neubauten auf eigenen Grundstücken.

94 95 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit

Werte schaffen und erhalten. Nachhaltige Stadtentwicklung umfasst nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und soziokulturelle Themen. Welchen Beitrag kann hier die Entwicklung der ehemaligen Militärgelände in München leisten? Welche Rolle spielten bei der Neugestaltung der einstigen Kasernen- areale die drei Säulen der Nachhaltigkeit? Inwiefern bieten sich durch das Ver- fahren der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gerade auf diesem Gebiet besondere Chancen?

96 97 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Nachhaltigkeit

Susanne Hutter-von Knorring, Referat für Stadtplanung und Bauordnung München Nachhaltigkeit Freiraum, öffentliches Grün, Natur und Landschaft

it dem Freiwerden der militärisch wichtigen grünen Vernetzungsachsen können, natürlich in erster Linie von Mgenutzten Areale in München er- mit ihren ökologischen, klimatischen der neuen Bewohnerschaft, aber auch gaben sich auch enorme Chancen für und Erholungsfunktionen weitergebaut von den Bewohnerinnen und Bewoh- eine nachhaltige Weiterentwicklung werden. Ein besonderes Beispiel hierfür nern der bestehenden umliegenden des Freiflächensystems in der Stadt. ist die Prinz-Eugen-Kaserne im Münch- Gebiete. Die Verknüpfung mit schon ner Osten. Hier kreuzen sich wichtige in der Umgebung vorhandenen öffent- Vernetzung Nord-Süd- und Ost-West-Grünzüge. Der- lichen Grün- und Freiflächen und die zeit sind sie nur in sehr schmaler Aus- Erschließung durch sichere, räumlich Fast alle Areale – bis auf den Truppen- prägung beziehungsweise nur in Form attraktive und möglichst im Grünen übungsplatz Panzerwiese, auf dem die einer Wegetrasse vorhanden. Durch verlaufende Fuß- und Radwege sind eil die Kasernenflächen in der Regel zwischenerwor- ökonomisch, aber auch sozial – also nachhaltig. Mit kurzen neue Siedlung Nordhaide entstanden die Ausformulierung und räumliche wichtig auch für eine unkomplizierte Wben wurden und sie sich damit im städtischen Eigen- Wegen wird die Umwelt geschont und der individuelle Zeit- ist – bildeten abgeschlossene, relativ Zuordnung eines wesentlichen Teils der Erholungsnutzung, ohne dafür das Au- tum befinden, können zahlreiche Modellprojekte durchge- verbrauch für Mobilität und Besorgungen reduziert. Das er- große Enklaven, die nicht betretbar wa- öffentlichen Grünflächen, die mit dem to bewegen zu müssen. Private Freiflä- führt werden. Ökologisch vorbildhafte Bauten und Energie- leichtert nicht nur berufstätigen Eltern den Lebensalltag. Die ren. Nach der Öffnung können nun neue, neuen Wohngebiet entstehen werden, chen auf dem Baugrundstück ergänzen versorgungskonzepte sind so realisiert worden, ökologi- Nordhaide wie auch die Kronprinz-Rupprecht-Kaserne ver- bessere Fuß- und Radwegebeziehungen können diese Grünzüge hier ihrer über- dieses System. sche Mustersiedlungen sollen zukünftig entstehen. Die fügen zum Beispiel über einen direkten U-Bahn-Anschluss, entstehen, Freiraum- und Grünvernet- geordneten Bedeutung nach gestärkt geschlechter- und generationengerechte Planung kam bei am Rande des Ackermannbogens, der Luitpoldkaserne und zungen verbessert werden. Mit der Pla- und ausgebaut werden. Öffentliche und private Freiflächen sind der Überplanung der Kasernen erstmals umfassend zum auch der Prinz-Eugen-Kaserne verkehren Straßenbahnlinien, nung von neuen Wohngebieten in den Teile eines abgestuften Freiflächensys- Einsatz. Bereits in der Auslobung des städtebaulichen und die Funkkaserne und zukünftig die Bayernkaserne werden ehemaligen Kasernenarealen besteht Abgestuftes Freiflächensystem tems, das möglichst alle Spielarten be- landschaftsplanerischen Wettbewerbs zur Nordhaide Anfang durch die „Kasernentram“ an die Innenstadt angebunden. die Möglichkeit, große Grünzüge, die an inhaltet, von sehr privaten eigenen Gär- der 1990er-Jahre sind Kriterien des sogenannten Gender Das Thema Verkehr umfasst zudem den Umgang mit Lärm. diesen Orten unterbrochen oder noch Im Inneren der ehemaligen Kasernen- ten nahe an der Wohnung und Mieter- Mainstreaming festgeschrieben worden. So sind räumliche Im Fall der Funkkaserne mussten auch aus Gründen des nicht ausgebaut waren, entsprechend areale bietet sich die Chance, insbe- und Krautgärten zur Selbstversorgung Strukturen entstanden, die heute wesentlich für die Aufent- Emissionsschutzes die Planungen für das neue Wohngebiet den im Landschaftsplan formulierten sondere im Zusammenspiel mit künf- über halb öffentliche Grünanlagen einer haltsqualität und das Leben im neuen Stadtviertel sind. Sie südlich des stark befahrenen Frankfurter Rings wiederholt übergeordneten Zielen weiterzuent- tiger Wohnbebauung, Grün- und Frei- Hausgemeinschaft bis hin zu kleineren sorgen dafür, dass sich die Menschen in ihrem Wohnumfeld verändert werden. wickeln. Im Rahmen der Planung der flächen zu realisieren, die öffentlich und größeren Parkanlagen, die von je- wohlfühlen und sich mit ihm identifizieren. Ein besonderes öffentlichen Grünflächen können diese zugänglich sind und genutzt werden dermann nutzbar sind und auch weiter Augenmerk wurde zum Beispiel auf die Ausgestaltung und Ökologie und Naturschutz spielen bei allen Kasernenflächen Barrierefreiheit der Wege und des Freiraums gelegt sowie eine wichtige Rolle. Sie sind gleichzeitig Potenzial und pla- auf Sicherheitsbelange und die gute Ausstattung mit sozialer nerische Herausforderung – sei es als wertvoller Baumbe- Infrastruktur geachtet. In der Nordhaide sind etwa zahlreiche stand, der zentrales Element der zukünftigen Quartiersparks Einrichtungen für Kinder aller Altergruppen errichtet und mit sein wird, sei es in Form von Biotopen, die in die Planung dem Instrument der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnah- integriert werden können. Dort, wo zum Beispiel auf dem me finanziert worden. Mit dem Dominikuszentrum hat das Gelände der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne beziehungswei- Viertel sogar ein spirituelles Zentrum. se des Virginia-Depots früher Bunker standen, tummeln sich nun geschützte Arten. Auf dem einstigen Truppen- Auch am Ackermannbogen befinden sich zahlreiche sozio- übungsplatz Panzerwiese wächst die europaweit einmalige kulturelle Einrichtungen. In einem Bestandsgebäude, das Primärheide – das Wohngebiet Nordhaide bildet eine neue bereits während der militärischen Nutzung als Schule dien- Stadtkante gegenüber dem Naturschutz- und Flora-Fauna- te, konnte zum Beispiel eine neue Mittelschule eingerichtet Habitat-Gebiet, das eine der großen Qualitäten des neuen werden. Die private Parzivalschule wird in einem Neubau im Quartiers ausmacht. letzten Bauabschnitt unterkommen. Ebenso wird es in der ehemaligen Funkkaserne, der Prinz-Eugen-Kaserne und der Auch die Debatte um den Klimawandel spielt bei der Über- Bayernkaserne eigene Grundschulen und zahlreiche Einrich- planung der ehemaligen Kasernenflächen eine große Rolle. tungen für Kinder geben. Am Ackermannbogen wurde zum Beispiel das Modellpro- jekt „Solare Nahwärme“ initiiert, in der Prinz-Eugen-Kaserne Die Nahversorgung mit Einzelhandel und Dienstleistungen soll eine ökologische Mustersiedlung mit circa 400 Wohnun- sowie mit gastronomischen Einrichtungen ist für die neuen gen entstehen und bei der Überplanung der Bayernkaserne Stadtquartiere enorm wichtig – um kurze Wege zu schaffen, wird das Thema Nachhaltigkeit bereits in die Auslobung des aber auch, um durch urbane Zonen zur Identifikation mit Wettbewerbs einfließen. dem neuen Viertel beizutragen. Auf den Flächen der ehemaligen Kasernenareale wurden Durch eine entsprechende Vermarktung – 50 Prozent der und werden besonders wegweisende Planungen für die Flächen sind jeweils für den geförderten Wohnungsbau vor- Entwicklung nachhaltiger und damit lebenswerter Stadtquar- gesehen, 50 Prozent für den freien Markt – wird in München tiere konzipiert und realisiert. Das Verfahren der Städtebau- die soziale Mischung in den neuen Stadtquartieren gewähr- lichen Entwicklungsmaßnahme bietet hier vielfältige Gestal- leistet. tungs- und Einflussmöglichkeiten für die Landeshauptstadt München. Gemeinschaftliches Grün am Ackermannbogen Eine gute bis sehr gute Verkehrserschließung, vor allem mit dem öffentlichen Personennahverkehr, ist ökologisch,

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weg von der Wohnung liegen können. halten haben, ist nicht verwunderlich. Habitat-Gebiet und als Naturschutzge- Idealerweise sollten dabei Ruhe, Ent- Den Münchner Norden bedeckten ehe- biet unter Schutz gestellt. spannung, Bewegung, Sport, Spiel und mals weiträumig offene Heideflächen, Kommunikation für jedes Alter und alle die subkontinentalen Magerrasen der Ausgleich als Landschaftsentwick- Bevölkerungsgruppen möglich sein. Die- Münchner Schotterebene. Fragmente lung und Biotopvernetzung sem Anspruch ist nicht immer einfach oder Varianten dieses Trockenlebensrau- zu entsprechen – im Hinblick auf die mes haben in den Kasernenarealen mit Der mit der Bebauung der Nordhaide Flächenverfügbarkeit oder so mancher ihrer oft so wenig intensiven Nutzung und der Pufferzone entstandene Ein- notwendiger Distanzen von Spielplät- überdauern können. In relativer Nähe griff musste natürlich ausgeglichen zen. Ein gut gestaltetes, sozial funktio- liegt am nördlichen Stadtrand der noch werden. Ein Mehrfaches der zerstörten nierendes und ökologisches Freiflächen- größte verbliebene Heidebestand im Fläche wurde als Ausgleichsfläche konzept ist eine wichtige Aufgabe jeder Stadtgebiet: Panzerwiese und Fröttma- ausgewiesen. Etwa 25 Hektar sind vor- neuen Siedlungsentwicklung, so auch ninger Heide, beide ehemals militärisch beeinträchtigte Flächen auf der Panzer- bei allen Entwicklungen der ehemaligen als Truppenübungsplätze genutzt. Diese wiese selbst, die durch entsprechende militärischen Areale. Heiden sind ein viele Jahrhunderte al- Entwicklungspflege wieder Heide- ter Landschaftstyp. Die Landschaft ist qualitäten erlangen sollen. 36 Hektar Charaktervolle Orte eindrucksvoll und archaisch, eine fast Ausgleichsflächen wurden unmittelbar baum- und strauchlose weite, ebene nördlich der Panzerwiese auf Flächen Eigenart und Charakter von Orten Grasfläche. Mit den vielen besonders an mit gleicher landschaftlich-geologischer werden ganz entscheidend von den diesen Typus angepassten Pflanzen- und Ausgangssituation als neue Trocken- freiräumlichen Elementen geprägt. In Tierarten sind die Münchner Heiden von standorte mit dem Ziel der Ausbildung diesem Sinn sind die ehemaligen Ka- landesweiter Bedeutung. eines Kalkmagerrasens entwickelt. sernenareale charaktervolle Orte. Mit Diese Flächen gehören zum stadteige- ihrem zum Teil umfangreichen und al- Das neue Wohngebiet Nordhaide nen Gut Hochmutting und sind wichti- ten Gehölzbestand und ihren aufgrund durfte gemäß einem 1990 in Auftrag ge Verbindungsflächen zur Vernetzung der sehr extensiven militärischen Nut- gegebenen landschaftsökologischen der innerstädtischen Heide Panzerwie- zung noch vorhandenen blütenreichen Gutachten deshalb nur im äußersten se mit den in den nördlichen Gemein- Wiesenbeständen oder gar Resten von Süden der circa 200 Hektar großen den erhaltenen Heidestandorten. Mit Heidevegetation und anderen schutz- Panzerwiese gebaut werden, teil- diesen Flächen entstand auch wieder würdigen Biotopflächen können sie weise dort, wo durch die Baustelle der ein Teilstück der charakteristischen über die ökologische Bedeutung hinaus U-Bahn bereits eine Inanspruchnahme Landschaft des Münchner Nordens. maßgeblich zur Eindeutigkeit der neu erfolgt war. Das städtebauliche und Auch bei der Entwicklung anderer entstehenden Gebiete und zur Identi- landschaftsplanerische Konzept betont ehemaliger Kasernenareale wurden fikation der künftigen Nutzerinnen und den Kontrast zwischen Siedlung und Ausgleichsflächen notwendig. Für Ein- Nutzer beitragen. Naturlandschaft, gleichermaßen ent- griffe in höherwertige Biotopstrukturen standen Blickachsen in die Heideland- mussten Flächen für eine entspre- Ziel war es daher, möglichst viel der schaft, die die Weite der Landschaft chende Neuentwicklung geschaffen wertgebenden Gehölzbestände und visuell in die Siedlung mit einbinden. werden. In den Kasernenarealen im naturschutzfachlich bedeutsamen Vege- Innerhalb der gebauten Flächen bietet Münchner Norden zum Beispiel waren tationsstrukturen zu erhalten und in die ein differenziertes Freiflächensystem aufgrund ihrer Lage im Kontext der Freiraumplanung zu integrieren. Eine strapazierfähige und attraktive pri- ehemaligen Heidelandschaft immer besondere Herausforderung stellten in vate und öffentliche Freiräume. Die wieder Reste von Trockenlebensräu- diesem Zusammenhang die Altlasten intensive Erholung soll dort stattfin- men betroffen. Wenn sie nicht direkt und Kampfmittel auf den ehemaligen den. Zwischen die Bebauung und die vor Ort erhalten werden konnten, wie Militärarealen dar. Trotz vorheriger Gut- besonders wertvolle Kernzone der in der ehemaligen Stettenkaserne, achten wird der Umfang erforderlicher Heide ist eine Pufferzone gelegt, die heute Am Ackermannbogen, wurden Bodensanierungen oftmals erst im Zuge mit einem Rundweg ausgestattet den Ausgleichsräume innerhalb von wich- der Grundstücksfreimachung deutlich, landschaftlichen Erholungsreiz vermit- tigen Achsen zur Biotopvernetzung sodass leider immer wieder Bäume telt und helfen soll, die Besucherinnen entwickelt. Die Planungsgrundlage allein für diese Sanierung geopfert wer- und Besucher behutsam zu lenken. bildeten hier das „Gesamtstädtische den müssen. Mit der unmittelbaren Nähe zu den Ausgleichsflächenkonzept“ des Refe- weiten grasbestandenen Flächen der rats für Stadtplanung und Bauordnung Naturschutz und landschaftliche Heide und dem starken Kontrast zwi- aus dem Jahr 2010 und das „Arten- Kostbarkeit schen ursprünglicher Landschaft und und Biotopschutz-Programm“ des Re- der Bebauungsstruktur mit klar sicht- ferats für Gesundheit und Umwelt aus Dass sich in den Kasernenarealen des barem Siedlungsrand ist ein sehr ein- dem Jahr 2003, in denen räumliche Münchner Nordens naturschutzfachlich prägsames und charaktervolles neues und inhaltliche Aspekte für eine Aus- Weite Landschaften am Rande der Nordhaide bedeutsame Biotopstrukturen mit zum Wohnquartier entstanden. Mittlerweile gleichsflächenplanung formuliert sind. Teil heidetypischer Flora und Fauna er- ist die Panzerwiese als Fauna-Flora- So wurde zum Beispiel ein wichtiger

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Matthias Fuchs und Tobias Kern, ee concept Nachhaltigkeitsevaluation Nordhaide und Am Ackermannbogen

großer Baustein des Trockenverbundes und ökologischen Aspekte für ein neues setzung für eine ausgewogene, den bwohl das Leitbild „Nachhaltig- München” sowie dem „Integrierten auftragt, eine entsprechende Arbeits- im Münchner Norden auf dem Gelände Siedlungsgebiet benannt und grundsätz- Nachhaltigkeitskriterien entsprechende Okeit“ in Politik, Wissenschaft und Handlungsprogramm Klimaschutz in hilfe zu entwickeln – aktuelle wissen- des Virginia-Depots geschaffen. Die lich formuliert werden. Mit den ersten Stadtentwicklung. Die Verfahren der Bauwesen allgemein als anerkannt gilt, München (IHKM)“ – unter anderem schaftliche Erkenntnisse zur Nachhal- dort noch vorhandenen Biotopstruk- Eckdaten für eine Planung und für die Städtebaulichen Entwicklungsmaß- gestaltet sich seine Umsetzung kom- strategische und operative Maßnah- tigkeitsbestimmung sollen mit der turen mit vermutlich primären Heide- Auslobung der immer kombinierten nahme bieten dabei mit ihrem inten- plex und langwierig. Einer Umfrage men zum klimagerechten Städtebau Planungswirklichkeit des Referats resten in Verbindung mit Magerrasen- städtebaulichen und landschaftsplane- siven, bis zur Umsetzung reichenden des Bundesministeriums für Umwelt, definiert. Dabei sollen gleichermaßen zusammenfinden. Pionierstadien können durch die Arron- rischen Wettbewerbe werden auch die Abstimmungsprozess besonders gute Naturschutz und Reaktorsicherheit die Reduzierung von Treibhausgasen dierung von Ausgleichsflächen für Ein- freiraumplanerischen Anforderungen Chancen, nachhaltigen Städtebau zu (BMU) zufolge kennen nur etwa zehn (Mitigation) als auch Anpassungsstra- Interessant erscheint dabei, dass die griffe auf dem benachbarten Areal der und Grundsätze benannt: überge- realisieren. Prozent der Bürger die Bedeutung tegien an den Klimawandel (Adaption) Politik bereits seit Verabschiedung Kronprinz-Rupprecht-Kaserne zu einer ordnete Zielvorstellungen aus dem des Wortes „Nachhaltigkeit“ – irgend- in die Betrachtung einbezogen und der Agenda 21 auf der Rio-Konferenz Fläche von insgesamt 20 Hektar ver- Landschaftsplan, Charakterisierung und wie. Zudem droht mittlerweile die mit den Themen der Stadtentwicklung von 1992 (dem sogenannten Erd- größert und stabilisiert werden. Erhalt Qualifizierung des vorhandenen Grün- „Nachhaltigkeit“, durch unscharfe Ziel- verflochten werden. Denn die Risiken gipfel) ausdrücklich die Ausbildung und Weiterentwicklung von naturnahen bestandes, Ziele und Orientierungs- formulierungen und die unzutreffende des Klimawandels treffen mit ebenfalls von geeigneten Messgrößen für Strukturen und landschaftlichen Beson- werte für die Bereiche Erholung, Verwendung für singuläre Aspekte zu grundlegenden demografischen, sozia- eine „Nachhaltige Entwicklung“ ein- derheiten und deren Artenvielfalt kann Landschaftsbild, Naturhaushalt (Boden, einer Worthülse zu verkommen. Ohne len und ökonomischen Veränderungen fordert. Diese Messgrößen können so mit dem Instrument des Ausgleichs Wasser, Klima/Luft, Klimaanpassung), konkrete Definitionen fehlen Bezeich- zusammen, die in ihren Wechselbezie- gleichermaßen qualitative (beschrei- unterstützt werden und das Naturerle- Arten- und Biotopschutz. nungen für eine zielgerichtete Denk- hungen und -wirkungen zu beachten bende) als auch quantitative (be- ben in der Stadt befördern. und Handlungsweise und Hinweise sind. rechnende) Sachverhalte beinhalten. Auch in der weiteren Bearbeitung auf die Kräfte, die geeignet sind, hier Wie aus der nachfolgenden Tabelle Landschaftsplanung von Anfang an und Konkretisierung der Planung Wirkung hervorzubringen. Um das Planungsinstrument der ver- hervorgeht, wird entsprechend dem (Wettbewerbsüberarbeitung, Rahmen- bindlichen Bauleitplanung sowie die als Konzeptspezifikation bezeichne- Sollen alle Kriterien einer nachhaltigen planungen, Bebauungsplanung mit Die Landeshauptstadt München hat Durchführung von städtebaulichen ten Verfahren der Betrachtungsge- Planung berücksichtigt werden, so Grünordnung, Umsetzungsplanung) ist im Zusammenhang referatsüber- Wettbewerben konsistent am Leitbild genstand zunächst in verschiedene müssen bereits mit den ersten Pla- eine kontinuierliche Zusammenarbeit greifender Konzepte – wie der Leit- einer nachhaltigen Stadtentwicklung Themen untergliedert. Anschließend nungsschritten alle wesentlichen frei- von Stadt- und Landschaftsplanerinnen linie „Ökologie – Klimawandel und auszurichten, wurden wir vom Referat erfolgt eine weitere Aufspaltung in räumlichen, landschaftsplanerischen und -planern eine wesentliche Voraus- Klimaschutz“ aus der „Perspektive für Stadtplanung und Bauordnung be- Kriterien (oder Aspekte), denen wie-

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Grüne Vielfalt: 1, 2 – Nordhaide; 3 – Am Ackermannbogen; 4 – Bayernkaserne Fußgängerbrücke im Quartier Am Ackermannbogen

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derum Indikatoren zugeordnet sind. Komplexitätsreduktion. Sie bilden die Fehlt die sachgerechte Strukturierung Betrachtet man die Konversionsflächen Realisierung von rund 2.500 Wohnun- zahl von Wohnungsgrößen, öffentlich Somit stellen Indikatoren ein verein- Grundlage für eine weitestgehend in maßgebliche Kriterien, bleibt die Pro- Nordhaide und Ackermannbogen im gen auf einem Siedlungsgebiet von geförderte Wohnungen sowie ein fachtes Abbild der Wirklichkeit dar objektive Beurteilung und tragen zur jektierung nachhaltiger Stadtquartiere Kontext dieser Nachhaltigkeitskriterien, ca. 27 Hektar. Somit bleiben mehr als Wohnheim für Studierende garantieren und ermöglichen eine systematische Entscheidungsfindung bei. unmöglich beziehungsweise beliebig. zeigt sich folgendes Bild: 85 Prozent der in Europa einzigartigen eine durchmischte Bewohnerschaft Primärhaide erhalten, die seit 2002 un- und bewirken mit dem umfangreichen Thema Nr. Kriterien / Ziele Indikatoren Nordhaide ter Naturschutz steht und einen wich- Aufenthaltsangebot im Außenraum die tigen Beitrag zur klimaökologischen Entstehung eines belebten und belieb- Konzept und 01 Städtebauliche Struktur und Gestalt gemäß Konzept Umsetzung Hohe Raum-, Erlebnis- und Aufenthaltsqualität Auf Teilen des ehemaligen Truppen- Ausgleichsfunktion der angrenzenden ten Quartiers. Die bereits aufgeführte übungsplatzes der US-Armee entstand Stadtteile Hasenbergl und Harthof hohe Kompaktheit der Baukörper bildet 02 Freiraumplanerische Struktur und Gestalt gemäß Konzept auf Grundlage eines städtebaulichen erfüllt. Eine quer durch die Siedlung zudem günstige Voraussetzungen für Hohe Raum-, Erlebnis- und Aufenthaltsqualität Wettbewerbs bis ins Jahr 2011 für führende autofreie Fuß- und Radwege- einen geringen Energiebedarf. Aller- 03 Ortsbezug und Identität gemäß Konzept mehr als 5.500 Bewohnerinnen und erschließung mit angrenzenden Spiel- dings findet die Integration erneuerba- Orientierung und Identität durch Wiedererkennung Bewohner das neue Stadtviertel Nord- möglichkeiten, Aufenthaltsflächen, so- rer Energiesysteme in der Gebäude- 04 Planungsprozess / Prozessqualität Beteiligungsverfahren; Integrales Planungs- haide. Die drei- bis siebengeschossi- zialen Infrastruktureinrichtungen sowie hülle oder im Stadtraum – zumindest Akzeptanz durch Partizipation befördern team; Planungsverfahren gen Zeilenbauten gewährleisten infol- der U-Bahn-Haltestelle ermöglicht den bisher – keine Berücksichtigung. Siedlungs- 05 Soziale und funktionale Vielfalt Nutzungsmischung; Soziale und soziokultu- ge ihrer Ost-West-Orientierung und Bewohnerinnen und Bewohnern kurze und Nutzungs- Stadt der kurzen Wege mit vielfältiger Bevölke- relle Infrastruktur; differenziertes Wohnungs- Anordnung, dass sich die angrenzende und sichere Wege. Dabei wurde auf Am Ackermannbogen struktur rungsstruktur angebot; Nutzung von Bestand Heidelandschaft bis tief in das Wohn- Barrierefreiheit, eine rollstuhlgerechte 06 Nutzbarkeit für alle Geschlechtergerechtigkeit; Barrierefreiheit; gebiet erstreckt und mit dem neuen Nutzbarkeit der öffentlichen Wege und Das knapp 40 Hektar umfassende Freiraum für alle Nutzergruppen gestalten Sicherheit Quartier verzahnt. Es bildet sich ein Infrastruktureinrichtungen sowie der Gebiet Am Ackermannbogen liegt 07 Flächeninanspruchnahme Innenentwicklung vor Außenentwicklung; eigener, dem Viertel Identität gebender Wohnungen geachtet. Überschaubare, auf dem Gelände der ehemaligen Reduktion versiegelter Flächen Wiederverwendung von Brachflächen; Nach- Charakter, der auch dazu beiträgt, den klar gegliederte und gut beleuchtete Waldmann- und Stettenkaserne und verdichtung; Kompensationsmaßnahmen Ortsbezug der Bewohnerinnen und öffentliche Räume entlang der Diago- basiert auf einem städtebaulichen und 08 Wirtschaftlichkeit; Kostengünstige Bebauungsstruktur Baudichte; Erschließungseffizienz; Flexibilität Bewohner zu stärken. Die Kompaktheit nale tragen zum Sicherheitsempfinden landschaftsplanerischen Ideenwettbe- der Baukörper und deren Positionie- und Wohlbefinden bei, insbesondere werb. Das sich in vier eigenständige 09 Energiebedarf Kompaktheit; Orientierung; Besonnung; Geringer Energiebedarf durch baustrukturelle Vor- Verschattung rung befördern eine flächeneffiziente von Frauen und Kindern. Eine Viel- Quartiere untergliedernde Areal bietet kehrungen mit insgesamt rund 2.300 Wohneinhei- ten Raum für künftig mehr als 5.000 10 Energiebedarfsdeckung Integration und Inszenierung erneuerbarer Maximierung des Anteils erneuerbarer Energien Energiesysteme in der Gebäudehülle; Integra- Einwohnerinnen und Einwohner. Es tion und Inszenierung erneuerbarer Energie- besteht ein großzügiges öffentliches systeme im Stadtraum Freiflächenangebot, das durch unter- Grün- und 11 Öffentlicher und privater Freiraum Erreichbarkeit; Freiraumqualität schiedliche Grünflächen – vom Stadt- Freiraum Angebot von vielfältigen und hochwertigen öffentli- wald bis zum Rodelhügel – innerhalb chen und privaten Freiflächen des neuen Siedlungsgebietes ergänzt 12 Stadtklima (Mikroklima) Flächenversiegelung; Begrünung und Baum- wird. Eine zwischenzeitlich angedachte Vermeidung städtischer Wärmeinseln für heutige bestand; Dach- und Fassadenbegrünung; Teilüberbauung des an die Schwere- und zukünftige Klimaverhältnisse Luftqualität Reiter-Straße angrenzenden Stadtbio- 13 Gewässer- und Bodenschutz Grundwasserneubildungsrate; Grundwasser- tops, das zu Beginn der Planungen Schutz der Gewässer und des Bodens sowie deren gefährdung; Versiegelungsgrad; Altlasten noch deutlich kleiner war, wurde Funktionen zugunsten der Sicherung und Förde- rung der Artenvielfalt verworfen. Die 14 Wassermanagement Regenwassernutzung; Versickerung und Nutzung von Regenwasser und Sicherstellung von Rückhalt Konversion der Militärbrache trägt dazu Versickerungsmöglichkeiten bei, dass eine weitere Inanspruchnah- me von Grünflächen vermieden wird 15 Artenvielfalt und Vernetzung Erhalt von Lebensräumen für Flora und Fau- Sicherung und Förderung der Artenvielfalt na; Vernetzung und ein bereits gut erschlossenes Areal eine zeitgemäße Verwendung Verkehr und 16 Lärm und Schallschutz Orientierung der Nutzungen / akustische erfährt. Auch Bestandsbauten konnten verkehrliche Schutz der Nutzungen und Freiflächen vor Lärm Zonierung; Anordnung private und öffentliche Erschließung Freiflächen teilweise einer neuen Nutzung zuge- führt werden (zum Beispiel Wohnheim 17 ÖPNV Infrastruktur Erreichbarkeit; Haltestellenqualität; Sicherheit für Studierende). Förderung der umweltgerechten und energieeffizi- enten Mobilität Analog zur Nordhaide bilden das 18 MIV Infrastruktur Anbindung und Erschließung; Verträglichkeit; vielfältige Angebot von sozialen In- Reduzierung des MIV sowie der dazugehöri- PKW-Stellplätze gen Stellflächen frastruktureinrichtungen und Wohnun- gen sowie eine direkte und sichere 19 Radverkehr Infrastruktur Anbindung und Erschließung; Fahrradstell- Fuß- und Radwegeverbindung einen Gute und sichere Erreichbarkeit und Vernetzung plätze Planungsschwerpunkt. So entstand 20 Fußgänger/-innen Infrastruktur Anbindung und Erschließung; Aufenthalts- Solarsiedlung am Ackermannbogen eine Rad- und Fußgängerbrücke, die Gute und sichere Erreichbarkeit und Vernetzung qualität eine barrierefreie Überquerung der

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Dr. Marie-Luis Wallraven-Lindl, Referat für Stadtplanung und Bauordnung München Pionierflächen: Von den Frauenbelangen zum Gender Mainstreaming

Ackermannstraße ermöglicht und das Das bedeutende Projekt für das dürfnissen nicht gerecht. Bei den anste- ie Freigabe der Militärflächen, die und Bauträgern geregelt, wie etwa die zu berücksichtigen. Infrastrukturstand- neue Stadtviertel noch stärker mit 21. Jahrhundert – die Ermöglichung henden Kasernenflächen Prinz-Eugen- Dzu Beginn der 1990er-Jahre ein- nutzungsfreundlichen, sicheren Tiefga- orte wie Schule und Kitas wurden dem Olympiagelände verbindet und einer CO2-neutralen Zivilisation – er- Kaserne und Bayernkaserne sowie beim geleitet wurde, fiel in die Zeit der um- ragen. zum Beispiel so optimiert, dass für einen Fußweg schafft. Zudem wurde fordert zukünftig vermehrte Anstren- Kreativquartier wird der Ausrichtung am fangreichen Auseinandersetzungen der berufstätige Eltern ideale Bedingun- eine bestehende Buslinie zur besseren gungen, die Treibhausgasemissionen Leitbild einer nachhaltigen Stadtent- Frauenbewegung mit der räumlichen Bestärkt durch die Erfahrungen in der gen geschaffen werden können. Für Erschließung des nördlichen Teils in nachdrücklich zu reduzieren (Mitigation). wicklung eine noch größere Bedeutung Planung. In München etablierte sich Panzerwiese, bezog die Stadtplanung Jugendliche, Mädchen und Jungen, das Siedlungsgebiet verlängert. Das Dies betrifft einerseits einen geringen zukommen. Für einen Teilbereich der im Referat für Stadtplanung und Bau- auch bei der Waldmannkaserne und wurden eigene Bereiche vorgesehen, Nord-West-Quartier – geprägt durch Energiebedarf durch baustrukturelle Vor- Prinz-Eugen-Kaserne hat der Stadtrat ordnung ein aktiver Frauenarbeitskreis; der Stettenkaserne, nunmehr Acker- die ohne Störung der Nachbarschaft seine Stadthäuser und südorientierten kehrungen (zum Beispiel Kompaktheit, die Umsetzung einer ökologischen die erste Münchner Stadtbaurätin, mannbogen, von Beginn an geschlech- Gelegenheiten für die unterschiedlichs- Zeilenbauten – verfügt über ein solares Orientierung, Besonnung, Verschattung) Mustersiedlung beschlossen. Bei der Christiane Thalgott, wurde gewählt. terspezifische Planungsaspekte mit ten Aktivitäten bieten. Und dem Thema Nahwärmesystem, bestehend aus und andererseits die Maximierung des Bayernkaserne spielt das Thema Nach- Die Kommission „Frauen in der Stadt“ ein. Im Rahmen des Programms „Of- Gewaltprävention ließ man eine beson- dachintegrierten Solarkollektoren und Anteils erneuerbarer Energien (zum haltigkeit bereits vor der Auslobung des des Deutschen Städtetages wurde ins fensive Zukunft Bayern“ konnten Kom- dere Aufmerksamkeit zuteil werden, einem in die Topografie eingebetteten Beispiel Integration und Inszenierung städtebaulichen und landschaftsplaneri- Leben gerufen, und es gab die ersten munen vom Freistaat Bayern zinsgüns- nicht zuletzt im Gestaltungsleitfaden, saisonalen Wärmespeicher. Dieser erneuerbarer Energiesysteme in der schen Wettbewerbs eine Rolle und wird Bundesbauministerinnen, Gerda Has- tige Darlehen für Wohnbauentwicklung zu dessen Einhaltung die Stadt als soll einerseits landschaftliche Bezüge Gebäudehülle und im Stadtraum). Erfor- entsprechend in die Planung einfließen. selfeldt und Dr. Irmgard Schwaetzer. erhalten. Im Antrag der Stadt München Zwischenerwerberin die Käuferinnen zwischen dem Olympiapark und dem derlich erscheint dabei, unsere Städte in Zudem wurde die Bayernkaserne als Checklisten wurden erstellt, Tagungen für die Waldmannkaserne wurden auch und Käufer verpflichten wird. Auch in Areal herstellen und andererseits ge- ihrer tatsächlichen Vernetzung zu sehen Pilotprojekt von „POLIS“ ausgewählt – gehalten, die Literatur zum Thema die Frauenbelange als Ziel formuliert. der Umsetzung wird der Nachweis währleisten, dass 50 Prozent des Wär- und die technologischen Möglichkeiten, einem europäischen Kooperationspro- schwoll an. Es sollten „familien-, insbesondere von Gender Mainstreaming verlangt mebedarfs der 319 Wohnungen (bei beziehungsweise die angesichts der jekt. Hierbei sollen über die Möglich- kinderfreundliche Siedlungen mit ho- werden, gleichwohl dies inzwischen einer Geschossfläche von rund 30.000 Klimaschutzziele erforderlichen Not- keiten der strategischen Stadtplanung Natürlich beförderte dies bei der Über- hem Wohnwert und lebendiger Nach- Standard ist. Quadratmetern) aus lokal verfügbaren wendigkeiten, zukünftig mit Systemver- (sowie weiterer kommunalpolitischer planung großer Flächen, zu denen in barschaft“ entstehen und „auch den erneuerbaren Energien gedeckt wer- ständnis einzusetzen. Auch wenn den Ansätze) auf örtlicher Ebene Maßnah- München die Panzerwiese und die Ka- Belangen von Frauen, insbesondere Bei der Prinz-Eugen-Kaserne wurde den können. Erst wenn die Wärme des Klimaschutzzielen eine herausragende men implementiert werden, die dazu sernen gehörten, die Berücksichtigung älterer Frauen, Rechnung getragen“ das Preisgericht für den städtebau- Speichers zum Jahresbeginn aufge- Bedeutung zukommt, so wird die sekto- beitragen, das solare Potenzial in den der Frauenbelange. Bereits die Texte werden. München dürfte wohl den ein- lichen und landschaftsplanerischen braucht ist, übernimmt die Fernwärme rale Betrachtung einer klimagerechten „urbanen Strukturen“ der europäischen zur Auslobung des städtebaulichen und zigen Vertrag mit der Betonung gerade Wettbewerb nahezu paritätisch be- der Stadtwerke München die restliche Stadtentwicklung den menschlichen Be- Städte stärker als bisher zu aktivieren. landschaftsplanerischen Wettbewerbs dieses Aspektes mit dem Freistaat setzt und in der Überarbeitung des Versorgung. Die kompakten Baukörper unseres Startprojektes Panzerwiese, geschlossen haben und beförderte da- Wettbewerbsergebnisses eine Kon- erfüllen Niedrigenergiestandards. Ein später Nordhaide, wurden vom Frauen- mit unter anderem auch die Gründung kretisierung und Ausarbeitung des noch höherer solarer Deckungsgrad arbeitskreis kritisch kommentiert. Sei- zweier neuer Genossenschaften, der „genderorientierten Ansatzes“ gefor- ließe sich mit nur geringem baulich- ne umfassenden Forderungen wie zum wagnis e. G. und der Frauen-Wohn- dert. So sollen insbesondere „Wege- technischen Mehraufwand im Passiv- Beispiel wohnungsnahe öffentliche genossenschaft. Konsequenterweise ketten von Frauen“ überprüft und hausstandard erzielen. Grünflächen, eine gute, sichere und war außerdem im Preisgericht des dargestellt werden. „Hierbei sind die barrierefreie Erreichbarkeit der U-Bahn Realisierungswettbewerbs für den aktuellen Anforderungen der Wege- Fazit und der Kindergärten wurden als wich- Bebauungsplan der Waldmannkaserne beziehungen zu berücksichtigen, um tig erkannt und in den Auslobungstext eine Sachverständige für frauenge- Beruf und Familie zu koordinieren, also Bei den Quartieren Nordhaide und Am integriert. So berücksichtigt auch der rechtes Planen und Bauen vertreten, Wohnung – Arbeit – Kindergarten – Ackermannbogen wurden die Zielvor- preisgekrönte und schließlich umge- die Raumplanerin Christine Grüger. Einkauf – weitere Tagesgeschäfte“, gaben für ein differenziertes Angebot setzte Wettbewerbsentwurf der Ge- Eine frauengerechte Siedlung – der heißt es in der Empfehlungen für die an sozialen Infrastruktureinrichtungen meinschaft Engel / Jötten / Prechter die Ackermannbogen – entstand, für Mäd- Überarbeitung der Wettbewerbser- sowie an spezifischen Wohnformen Forderungen. Entstanden ist so eine chen wurde ein Theatron als Spielplatz gebnisse. und Freiflächen für unterschiedlichste autofreie Diagonale, die den sicheren vorgesehen, und selbst die Straßenna- Nutzergruppen vorbildlich umgesetzt. Zugang zur U-Bahn und zu Einrichtun- men waren „gegendert“, also sowohl Das Thema wird konsequent weiter- Neben der sozialen und funktionalen gen sozialer Infrastruktur, die entlang nach weiblichen als auch männlichen verfolgt und natürlich – learning by Vielfalt spielen insbesondere die Nutz- dieser Achse angesiedelt wurden, herausragenden Persönlichkeiten des doing – immer verbessert und reflek- barkeit für alle (geschlechtergerechte wie auch den „Westentaschenparks“ Freiheits- und Friedenskampfes des tiert. Das gesetzlich vorgeschriebene Stadt und barrierefreie Gestaltung) ermöglicht. Das Planungskonzept bot 20. Jahrhunderts benannt. Monitoring bietet zudem die Möglich- sowie auch eine gute Infrastruktur ausgezeichnete Möglichkeiten, die keit, zu prüfen, ob auch tatsächlich für Fußgänger- und Radverkehr eine Frauenbelange auch in den Bebau- Bei der Entwicklung der Funkkaserne „Gender drin ist, wo Gender drauf- maßgebliche Rolle. Nordhaide und Am ungsplänen festzuschreiben. Im ersten wurde das Gender Mainstreaming steht“. Bei den militärischen Liegen- Ackermannbogen sind sehr gut an den Teilbebauungsplan wurden Aspekte noch konsequenter beziehungsweise schaften ist dieser Nachweis bislang öffentlichen Nahverkehr angebunden. wie die sichere Erreichbarkeit des Kin- frühzeitiger verfolgt. Christine Grüger gelungen. Es ist angekommen im Anpassungsstrategien an den Klima- dergartens oder die Vermeidung von nahm als Sachverständige bereits am Planungsalltag, wie nachweisbar bei ei- wandel (Adaption) und dessen Folgen Autoverkehr im Quartier noch ausführ- städtebaulichen und landschaftspla- nem Besuch der bereits verwirklichten (Wärmeinseleffekt, Starkregenereignis- lich begründet. In den weiteren Plänen nerischen Wettbewerb teil. Die Wett- Wohngebiete festzustellen ist. Inzwi- se) finden bei beiden Quartieren über wurde die geschlechter- und generati- bewerbsgewinner Ortner & Ortner schen ist allen bewusst: Ohne Gender eine Vielzahl von Grünflächen und somit onengerechte Planung zur Selbstver- Baukunst und Topotek 1 wurden in der Mainstreaming gibt es keine nachhal- auch potenziellen Versickerungsflächen ständlichkeit. Was nicht festsetzbar Vertiefungsphase und innerhalb der tige Planung. Die Wohngebiete Nordhaide und Am Ackermannbogen (Abbildung) bieten eine gute Infrastruktur Berücksichtigung. für Fuß- und Radverkehr. war, wurde durch die Stadt in den Rahmenplanung beauftragt, bei der Kaufverträgen mit den Bauträgerinnen Überarbeitung diesen Gesichtspunkt

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Gunnar Heipp, Leiter Bereich Strategische Planungsprojekte, Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) Von der »Kasernentram« zur »Tram in die Parkstadt Schwabing«

er Abzug der Bundeswehr bedeu- attraktive Wohngegend wachsen, die in Zahlreiche Untersuchungen wurden Dtet für viele Standorte den Verlust fünf bis acht Minuten mit dem Herzen im Rahmen der Variantenauswahl für von Arbeitsplätzen und Kaufkraft, wo- Schwabings verbunden ist – und bei eine Vorzugs-Trasse durchgeführt. Die runter vor allem strukturschwache Orte der sich die Erschließung durch den öf- Umweltverträglichkeit, einschließlich zu leiden haben. Allerdings kann der fentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einer Schall- und Erschütterungsun- Wegzug und damit das Freiwerden von selbstverständlich in die Freiflächen- tersuchung, sowie die Wirkungen auf oft attraktiven militärischen Flächen und Siedlungsplanung einfügt. die angrenzenden bebauten Quartiere in Städten auch als Chance für eine wurden geprüft, es gab Wurzelraumun- nachhaltige Umgestaltung gesehen Schon seit den 1980er-Jahren gab es tersuchungen beim Baumbestand, und genutzt werden. Nicht erst seit Vorüberlegungen zur Erbauung der so- Untersuchungen des Baugrunds und der der aktuell in Kraft getretenen letzten genannten Kasernentram, um die neu Altlasten, eine Parkraumuntersuchung, Bundeswehrreform ist die Umnutzung entstehenden Wohngebiete auf den Leistungsfähigkeitsuntersuchung für von Kasernenflächen ein Thema in der ehemaligen Militärflächen im Münchner ÖPNV und motorisierten Individualver- Stadtentwicklung. München hat bei Norden besser an den ÖPNV anzubin- kehr – und schließlich wurde die volks- der Entstehung des „neuen“ Schwa- den. Konkret wurde das Projekt aber und betriebswirtschaftliche Rechnung binger Nordens mit der Parkstadt erst im Jahr 1997, als es in den Nahver- gemacht. Schwabing und der nun zur Bebauung kehrsplan der Landeshauptstadt Mün- anstehenden ehemaligen Funkkaserne chen aufgenommen wurde. Zur städtebaulichen Integration sowie gezeigt, dass bei einer langfristigen der ökologisch sinnvollen Einbindung Strategie der Nachnutzungen und der Nach der Erteilung der Streckengeneh- des Verkehrsweges der Straßenbahn frühzeitigen integrierten Planung aller migung durch die Regierung von Ober- wurde frühzeitig eine Arbeitsgemein- Infrastrukturen hochwertige Lagen bayern im Jahr 2000 konnte seitens der schaft mit Landschaftsarchitekten ge- geschaffen werden können. Wo früher Stadtwerke München (SWM) und der bildet. Die landschaftsplanerische Bear- ein weißer Fleck auf dem Münchner Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) beitung erstreckte sich neben der Ge- Stadtplan war, kann heute mit der Er- mit der konkreten Trassen-Planung be- staltung der öffentlichen Räume in den schließung durch die Straßenbahn eine gonnen werden. bestehenden Straßen (Leopoldstraße,

Die Diagonale in der Nordhaide garantiert kurze und sichere Wege durch das Quartier. Magerrasen auf dem Nordteil der Strecke der Tram 23

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Parzivalstraße, Parzivalplatz) besonders dem ÖPNV, besonders in der Parkstadt und Arbeitsplätze erschlossen, sowohl intensiv auf den nördlichen Abschnitt Schwabing und bei den Beschäftigten, neue im Bereich der Konversion als der Strecke. Die Trasse wurde hier in die bei den an der Strecke liegenden auch bestehende in den angrenzenden das Freiraumkonzept des Quartiers auf Firmen arbeiten. Gemäß Befragungen Quartieren. Die Bayernkaserne bietet ehemaligen Bahnschienen integriert. sind 88 Prozent der Fahrgäste mit der eine Entwicklungsfläche von etwa Streckenplan Domagkstraße Sie wurde so zu einem grünen Rück- neuen ÖPNV-Erschließung „zufrieden“ 48 Hektar. Im Interesse einer integrier- grat quer durch das Konversionsgelän- oder sogar „sehr zufrieden“. Außerdem ten und nachhaltigen Verkehrsplanung Sieben neue, moderne Haltestellen de. Dies wäre weder mit einer Eisen- wurde bereits zwei Jahre nach Inbe- wirkt die MVG am städtebaulichen Alle sieben Haltestellen ermöglichen einen barrierefreien Einstieg bahn- oder U-Bahn-Trasse noch mit ei- triebnahme der neuen Strecke sowohl Wettbewerb „Bayernkaserne“ bereits in die Tram. Sie erhalten Wartehäuschen, Sitzgelegenheiten sowie ner reservierten Bus-Strecke gelungen, eine Steigerung der Anzahl an ÖPNV- in der Vorbereitungsphase intensiv visuelle und akustische Einrichtungen zur Fahrgastinformation. sondern war nur durch die Flexibilität Fahrten als auch eine Steigerung bei mit und begleitet die Bauleitplanung An vier Haltestellen sind elektronische Fahrplan-Anzeigetafeln Parkstadt (so genannte dynamische Fahrgastinformations-Anzeigen) ange- der Gleis- und Trassengestaltung des der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel „Kronprinz-Rupprecht-Kaserne“ von bracht. Fahrradständer zum Umstieg vom Rad in die Tram sind Schwabing Systems Straßenbahn möglich. zulasten des motorisierten Individual- Anfang an. ebenfalls an vier Haltestellen zu finden. verkehrs verzeichnet. Auch der Fuß- Viele Stellen und Organisationen wa- gänger- und Radverkehr innerhalb der Nur wenn bereits vor einem Wettbe- ren in die Planungen eingebunden: der Parkstadt Schwabing ist in dieser Zeit werb dazu Vorgaben existieren, be- Technische Daten Stadtrat und die Stadtratsfraktionen, angestiegen. steht die Chance auf ein entsprechend die Regierung von Oberbayern, die umweltfreundliches Verkehrsverhalten Streckenlänge: Bezirksausschüsse, die Fahrgast- und Das Projekt der Integration der Tram in im neuen Quartier. Aus verkehrlicher rund 3 Kilometer (plus etwa 1 Kilometer Umweltverbände, die Industrie- und die Parkstadt Schwabing hat die Trans- Sicht scheidet gegebenenfalls die eine Betriebsgleis Parzivalstraße) Handelskammer, die Taxiverbände, formation der Quartiere im Ganzen oder andere Konversionsfläche für die Behindertenverbände, die Investo- erst nachhaltig und umweltfreundlich gewisse Nutzungen aus, da die damit Fahrzeit: rinnen und Investoren der Parkstadt ermöglicht. Da bei zahlreichen neuen produzierte Mobilität nicht verträglich etwa 8 Minuten von der Münchner Schwabing und Münchner Freiheit Arbeitsplätzen keinerlei Ergänzungen abgewickelt werden kann. Integrierte Freiheit bis zum Frankfurter Ring und nicht zuletzt die interessierten An- in der äußeren Straßenerschließung Siedlungs- und Verkehrsplanung be- wohnerinnen und Anwohner. notwendig waren, blieben die Gesamt- ginnt also – ob Konversion oder nicht – Takt: in der Regel alle 10 Minuten erschließungsaufwendungen moderat. bereits bei der Auswahl der überhaupt Tram Am 20. März 2007 wurde schließlich zu bebauenden Flächen, den geplanten 7 Haltestellen: mit dem Bau der Tram 23 begonnen, Der Münchner Norden ist im Ganzen Nutzungen, der Nutzungsmischung I Schwabing Nord Zeichenerklärung und am 12. Dezember 2009 wurde ein gutes Beispiel für eine gelungene und der Dichte und der politischen I Domagkstraße sie feierlich von der MVG eröffnet. Die integrierte Siedlungs- und Verkehrs- Beschlüsse zum Verkehrskonzept auf Potsdamer Straße Tramhaltestelle I Anni-Albers-Straße Tram 23 verbindet die Münchner Frei- planung in München. Somit ist die Basis fachlicher Konzepte. Nachbesse- Bonner Platz I Schenkendorfstraße U-Bahnhof heit mit dem Neubaugebiet „Parkstadt Tram in die Parkstadt Schwabing der rungen am Verkehrskonzept insbeson- I Parzivalplatz Trambahnlinie 23 Grundbaustein für eine attraktive dere am ÖPNV, wie zum Beispiel durch I Potsdamer Straße Schwabing“ und endet bislang am Betriebsgleis I Münchner Freiheit Frankfurter Ring in Höhe der ehemali- ÖPNV-Erschließung der aktuellen Shuttle-Busse oder Haltestellen, die ehem. DB-Industriegleis gen Funkkaserne. Insgesamt bedient und zukünftigen Entwicklungsflächen städtebaulich so ungeschickt liegen, städtebauliches sie eine Strecke von circa 3,1 Kilome- im Münchner Norden. Sie stellt ein dass sie nur ungern benutzt werden, Entwicklungsgebiet tern, verfügt über sieben neue Halte- leistungsfähiges und der Nachfrage können nichts mehr zur einer optima- MVG-Infocontainer stellen und bietet direkten Anschluss angepasstes Schienenverkehrsmittel len ÖPNV-Nutzung beitragen. * Die Haltestelle Kölner Platz in der Parzivalstraße wird von der Standort Kölner Platz sowohl an das Stadtteilzentrum an der zwischen den beiden großen, sich Tram nur bei Ein- und Ausrück- (vsl. ab Mai 2007) Münchner Freiheit als auch an die U3 scherenartig voneinander entfernen- Für größere Konversionsmaßnahmen fahrten bedient. Standort Münchner Freiheit (vsl. ab 2008) und U6 Richtung Marienplatz. den U-Bahn-Achsen der U2 im Westen sollten somit Gemeinde und Verkehrs- und der U6 im Osten dar. Dieses Ver- unternehmen noch vor Festlegung der Zwei Erschließungsgebiete können kehrsprojekt hat bereits und wird auch Eckdaten im städtebaulichen Wettbe- auf der Strecke der Tram 23 hervorge- in Zukunft deutliche Auswirkungen auf werb Ziele für die künftige Mobilität so- hoben werden: zum einen die Park- die Stadtstruktur, Stadtgestaltung und wohl qualitativ als auch quantitativ ge- stadt Schwabing, eine städtebauliche das Mobilitätsverhalten im Münchner meinsam erarbeiten und festlegen. Für Konversion eines brachgefallenen Norden haben. den gesamtökologischen Fußabdruck Industriegebietes, zum anderen die eines neuen Stückes gebauter Stadt ehemalige Funkkaserne. Beide Gebiete Zukünftig ist eine Verlängerung der ist die Abwicklung in erheblichem werden durch die Straßenbahn sehr Straßenbahnstrecke weiter nach Nor- Maße verantwortlich. Art und Maß gut erschlossen und erfahren dadurch den vorgesehen. Die bestehende Linie der Bebauung, Zuschnitt der bebauten auch eine hohe Lagegunst mit hoher soll zum U-Bahnhof Kieferngarten Flächen zu Freiflächen, Anordnung der Nachfrage am Immobilienmarkt. geführt werden; weiterhin soll eine publikumsintensiven Wohn-, Arbeits-, Für den öffentlichen Personennah- Verbindung zwischen den U-Bahn- Einkaufs- und Freizeitflächen müssen verkehr und die Münchner Verkehrs- höfen Kieferngarten und Am Hart Hand in Hand mit der Planung von Tras- gesellschaft bedeutet dies steigende hergestellt werden. Hier werden im sen und Haltestellen des öffentlichen Streckenplan der Tram in die Parkstadt Schwabing Kundenzahlen, eine höhere Zufrieden- Bereich der früheren Bayernkaserne Nahverkehrs gehen. heit der Bürgerinnen und Bürger mit in erheblichem Umfang Wohnflächen

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Solare Nahwärme am Ackermannbogen »Diese Verträge haben Pilotcharakter.« Im Gespräch mit dem SNAB-Projektkoordinator Prof. Karlhans Stark

Die Federführung des Projektes „So- Was waren dabei aus Ihrer Sicht die werb durchgeführt und die Planung für lare Nahwärme Ackermannbogen“ größten Herausforderungen? das solare Nahwärmesystem weiter- (SNAB) liegt bei der Landeshaupt- getrieben. stadt München. Planung, Bau und Dazu muss man vielleicht kurz auf die Betrieb der Anlage hat die Stadtwerke Vorgeschichte eingehen. Bereits 1999 Die Umstellung des Fernwärmenetzes München GmbH übernommen. Das wurde das Referat für Stadtplanung vom bisherigen Dampfnetz auf das Projekt wird vom Bundesministerium und Bauordnung beauftragt, in Zusam- neue Heißwassernetz erforderte ein- für Umwelt, Naturschutz und Reak- menarbeit mit den anderen beteiligten schneidende Änderungen in der Kon- torsicherheit gefördert. Die Wohnge- Referaten, den Stadtwerken und den zeption und damit in der Planung des bäude wurden von fünf Bauträgerge- Bauträgern, ein Finanzierungskonzept solaren Systems. Die hierdurch ver- sellschaften errichtet und vermarktet. für das Nahwärmeprojekt Ackermann- ursachte Kostensteigerung führte zu Die Firma Solites (Stuttgart) und das bogen zu erstellen. einem Planungs- und Vergabe-Stopp. Bayerische Zentrum für Angewandte Mit Stadtratsbeschluss vom Februar Energieforschung (ZAE Bayern) sind Mit Stadtratsbeschluss vom Juli 2003 2005 erfolgte die Genehmigung der als wissenschaftliche Partner beteiligt. wurden die Stadtwerke München mit neuen Kostenvorlage, unter ande- Abgesehen von den technischen der Realisierung beauftragt, die Ko- rem mit der Auflage, einen neutralen Innovationen wurden für eine rei- ordinierung der Projektgruppe Solare Projektkoordinator zu involvieren und bungslose Kooperation zwischen der Nahwärme Ackermannbogen bis zur einen Lenkungskreis, bestehend aus Landeshauptstadt München, den Bau- Inbetriebnahme lag beim Planungsre- entscheidungsbefugten Vertreterinnen trägerinnen und Bauträgern sowie ferat, und das Kommunalreferat sollte und Vertretern sämtlicher beteiligter den Stadtwerken München auch neue durch entsprechende Verträge mit den städtischer Referate sowie gegebe- organisatorische und vertragliche Grundstückskäufern deren Beteiligung nenfalls der externen Beteiligten, zu Konzepte entwickelt. am Projekt sichern. Ein Jahr später initiieren. wurde der Bebauungsplan rechtskräf- Prof. Stark, Sie haben SNAB als Pro- tig, die Auswahl der Bauträger abge- Für mich als Projektkoordinator be- Mit „SNAB“ ist München europawei- andererseits erfüllen sie die Funk- sämtliche Transportleitungen und Steu- jektkoordinator seit 2005 begleitet. schlossen, ein Realisierungswettbe- stand die Herausforderung natürlich ter Vorreiter. Die vier Buchstaben ste- tion der Dachhaut. Drei der großen erungssysteme zusammen. hen für das Solarenergieprojekt „Sola- Wohnblocks sind mit den Kollektoren re Nahwärme Ackermannbogen“. Dabei bedeckt, die nahezu die ganze Dach- In der Energiezentrale ist auch eine verbindet sich qualitätsvolle Architektur fläche mit 3.000 Quadratmetern ein- innovative Absorptionswärmepumpe und Freiraumgestaltung mit einem nehmen. installiert, die die Effizienz des Ge- innovativen und ressourcenschonen- samtsystems erhöht. Für die vollstän- den Energieversorgungssystem. Seit Die gewonnene Solarenergie wird dige Versorgung der Wohnungen mit 2007 wird im nordwestlichen Teil des über ein Leitungsnetz (Solar-Sammel- Heizwärme und Warmwasser werden Quartiers mit Sonnenenergie geheizt. netz) in einen großen Saisonalspeicher nur noch 40 Prozent der Energie be- Sowohl technisch als auch organisato- gespeist, dessen Wasserinhalt sich bis nötigt, die bei einer optimalen Erdgas- risch hat die Stadt München mit ihren zum Herbst auf circa 90 Grad aufheizt. Heizanlage erforderlich wären. Damit Kooperationspartnerinnen und -part- Die beeindruckende Anlage aus Beton leistet das System einen deutlichen nern für SNAB Neuland betreten. und Stahl mit einem Fassungsvermö- Beitrag zum Klimaschutz und zur Scho- gen von 6.000 Kubikmetern ist bislang nung der Umwelt. Die solar versorgte Wohnsiedlung in Europa einmalig. Im Winter wird besteht aus vier großen Wohnblocks umgekehrt die Wärme aus dem Spei- sowie acht kleineren Stadthäusern cher entnommen und über ein weite- und umfasst 319 Wohnungen mit res Leitungsnetz (Nahwärmenetz) in insgesamt 30.400 Quadratmetern Ge- die Wohngebäude transportiert. schossfläche. Die Gebäude wurden auf Basis eines Realisierungswettbewerbs Bis in den Januar hinein kann die in Niedrigenergiebauweise ausgeführt. Siedlung komplett aus dem Speicher Das angekoppelte solare Nahwärme- versorgt werden. Dann übernimmt die versorgungssystem liefert das ganze Fernwärme der Stadtwerke die Versor- Jahr über das Warmwasser und im gung, die auch eine Reservefunktion Winter zusätzlich die Heizwärme für gewährleistet. Über das Jahr gesehen die Wohnungen. werden 50 Prozent des Heizwärme- bedarfs der Siedlung durch die Sonne Mit großflächigen Solarkollektoren geliefert. Herzstück der Anlage ist die wird im Sommer durch die Sonnen- Energiezentrale, die gemeinsam mit einstrahlung Wärme erzeugt. Die dem Speicher aus ästhetischen Grün- Der Erdhügel am Rande des Ackermannbogens lässt von außen kaum erahnen, welch komplexe Technologie in ihm steckt. Solarkollektoren sind einerseits Ener- den in einen Erdhügel vor der Solar- giesammler für das Solarsystem, siedlung integriert wurde. Hier laufen

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zum einen in der Koordination der durchzuführen. Diese neuartige Kon- Die Dachkonstruktionen mussten zum zahlreichen Beteiligten. Involviert wa- struktion war ein Vorschlag der wissen- Beispiel so geplant werden, dass sie ren unter anderem allein fünf verschie- schaftlichen Abteilung des Projektes auch tatsächlich für die Montage und dene Referate der Landeshauptstadt, und nicht problemlos zu realisieren. spätere Wartung oder Reparatur der vier Abteilungen der Stadtwerke, die Auch die Programmierung der Mess-, Solarfelder benutzt werden konnten Bauträger, wissenschaftliche Berater Steuerungs- und Regelungstechnik und gleichzeitig die Funktion eines wie das Zentrum für Angewandte mit mehreren zu berücksichtigenden dichten Daches erfüllen. Die Bauträger Energieforschung, verschiedene Pla- Betriebszuständen erforderte großes mussten zustimmen, dass die Woh- nungsbüros und ausführende Firmen. Engagement in der Umsetzung. nungsübergabestationen vom ZAE Ein verbindlicher Terminplan musste vor dem Einbau überprüft und gege- erstellt und umgesetzt werden. Der Was haben Sie aus der Begleitung benenfalls zurückgewiesen werden Kostenplan musste überwacht und des Prozesses gelernt und was dürfen. Die Heizleitungen mussten mit die teilweise notwendige zusätzliche geben Sie Kommunen aus Ihrer Er- vollentsalztem Wasser gefüllt werden, Finanzierung sichergestellt werden. fahrung für die Initiierung derartiger die Rücklauftemperatur der Heizung Zum anderen galt es darüber hinaus Projekte mit? wurde auf maximal 30 Grad Celsius zum Beispiel, die Umsetzung der festgelegt. vereinbarten Verpflichtungen der Man lernt bei jedem Projekt immer Bauträger zu koordinieren oder bei dazu. Es gibt keine Standardlösung. Bei höheren Rücklauftemperaturen Ausführungsproblemen vor Ort immer Um so komplexe Projekte wie SNAB waren die Stadtwerke berechtigt, die wieder neue Lösungen zu finden. Die zu steuern, sollte der eingeschaltete Heizleistung herunterzufahren. Das Bewältigung dieser Herausforderun- Projektmanager/-koordinator über war die schärfste Einschränkung für gen ist rückblickend im Team sehr gut reichhaltige Erfahrungen in den Finan- die Bauträger. Diese Verträge haben gelungen. Die Zusammenarbeit aller zierungs-, Planungs- und Ausführungs- Pilotcharakter – auf deren Inhalte und Beteiligten – vor allem bei auftreten- prozessen verfügen, um nicht nur zu die damit verknüpften Erfahrungen den Schwierigkeiten – war äußerst moderieren, sondern auch bei techni- kann nun bei ähnlichen Projekten zu- konstruktiv. schen Lösungen konstruktiv mitdisku- rückgegriffen werden. tieren zu können. Was war bei der Umsetzung vor Ort schwierig? Das SNAB-Projekt ist ein klassisches Organisationsprojekt. Es betritt Neu- Die Wohnungsübergabestationen land, es sind viele Abteilungen/Refe- mussten zum Beispiel von den Bauträ- rate beteiligt, es hat einen festen Kos- gern rechtzeitig zur Überprüfung der ten- und Terminrahmen. Das bedeutet, Daten an das Zentrum für Angewandte je früher ein Projektmanager/-koordina- Energieforschung übergeben werden, tor eingesetzt wird, desto erfolgreicher sodass bei einer Zielverfehlung noch wirkt sich seine Tätigkeit aus. Zu be- Zeit für Ersatz blieb. Außerdem muss- achten ist, dass dieser Projektmanager te die erhöhte Wärmedämmung der eine neutrale Stellung einnimmt. Das Gebäude von den Stadtwerken zusätz- ist keine leichte Aufgabe, denn eine lich geprüft werden. Das erforderte viel Partei ist immer Auftraggeber. Aber nur Koordination und Abstimmung. so können Interessenkonflikte vermie- den werden. Bei so einem Pilotprojekt treten natür- lich auch immer wieder Komplikationen Was unterscheidet das Projekt in der Herstellung und Programmie- SNAB von anderen Solaranlagen? rung auf. Teilweise traf hier der wissen- Was ist daran so neu und beson- schaftliche Erkenntnisstand auf die ders? Grenzen des technisch Machbaren. Der Erdbeckenspeicher ist zum Neben dem erwähnten Erdbecken- Beispiel eine Fertigteil-Spannbeton- speicher aus Spannbetonfertigteilen konstruktion. Die leicht gekrümmten ist vor allem neu, dass die Solarfelder 16 Meter hohen und 2,50 Meter auf „fremden“ Gebäuden montiert breiten Fertigteile mussten vor Ort wurden. Die Gebäude sind Eigentum mit sogenannten Spannbetonlitzen der Bauträger oder der Eigentümerge- zusammengeführt werden. Diese meinschaften. Auf den Dächern wer- Litzen wurden in Rohren mit sehr den Teile montiert, die Eigentum der kleinem Durchmesser geführt, die Stadtwerke sind. Das bedurfte kom- 319 Wohnungen werden über die solare Nahwärmeanlage im nordwestlichen Teil des Ackermannbogens versorgt. bei jedem Fertigteil passgenau sitzen plexer Verträge zwischen der Stadt, mussten, um den Zusammenschluss den Stadtwerken und den Bauträgern.

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Gordona Sommer, Geschäftsführerin der GEWOFAG, und Hans-Otto Kraus, Geschäftsführer der GWG Sozial, ökologisch und wirtschaftlich: Nachhaltigkeit im Wohnungsbau von GEWOFAG und GWG München – Gestaltung und kostengünstiges Bauen am Ackermannbogen

lle reden über Nachhaltigkeit. Der „Der Siegerentwurf beinhaltet einen Sozial und ökologisch gischen Kriterienkatalog der Landes- Gaststätte in den Wohnungsbau macht verzinsung deutlich unter vier Prozent ABegriff wird mittlerweile inflationär kreativen Vorschlag zur Gebäudeanord- hauptstadt München erfüllen. Alle dies deutlich. Idealerweise trennt man ist die Folge“, so Hans-Otto Kraus. „Un- gebraucht, ohne dass es einheitliche nung. Sie weicht von der ursprünglich Im Mittelpunkt des komplexen Baupro- Wohnungen werden barrierefrei, einige die Funktionen baulich. Dies lässt sich sere Empfehlungen zur Gegensteue- Definitionen gibt. Gleichzeitig ist die- im Bebauungsplan vorgesehenen jektes entstehen die neuen Wohnungen sogar rollstuhlgerecht gebaut. im innerstädtischen Bereich jedoch rung bei der Kostenentwicklung lauten ses Thema in allen Bereichen des U-Form ab. Statt einem Innenhof ent- auf insgesamt 9.770 Quadratmetern in der Regel aus Platzgründen nicht deshalb, den Stellplatznachweis bei ge- öffentlichen Lebens und der Wirtschaft stehen nun zwei große begrünte Höfe: Geschossfläche. Die multifunktionalen Wirtschaftlich: Kostenreduktion und realisieren, daher ist hier ein höherer förderten Wohnungen auf einen halben von entscheidender Wichtigkeit. Was östlich ein Wohnhof mit Mietergärten, und flexiblen Wohnungsgrundrisse Kostenbewusstsein Aufwand unvermeidbar.“ Stellplatz pro Wohnung zu reduzieren, aber bedeutet Nachhaltigkeit für die Zugangswegen und einer Busspur werden langfristig den vielfältigen und das Wohnungsgemenge nicht pro Ge- kommunale Wohnungswirtschaft? Eine samt eigener Haltestelle und westlich wechselnden Lebensentwürfen – vom Hohe Anforderungen an Gestaltung Zusätzlich sorgen sehr differenzierte bäude, sondern pro Quartier festzule- optimale Mischung aus wirtschaftli- ein zweiter Hof mit großzügig gestal- Singlehaushalt über die kinderreiche und Qualität wirken allerdings kos- Wohnungsschlüssel für Kostensteige- gen, um einfache Gebäudestrukturen chen, sozialen und ökologischen Fak- teten Spiel- und Aufenthaltsflächen Familie bis hin zu älteren Menschen – tentreibend. „Der erste Faktor für rungen. Gebäude mit exakt übereinan- zu ermöglichen, und keine höheren toren. Schließlich sollen die Mieten auf dem Dach des Supermarktes. gerecht. Ein zentraler Treffpunkt und möglichst niedrige Kosten ist die der liegenden identischen Grundrissen Energieeffizienz-Maßnahmen am später bezahlbar bleiben, die Gebäude Dieser Ansatz nutzt die vorhandene eine gut nutzbare Frei- und Grünflächen- Nutzung von innerstädtischen Flä- ermöglichen eine einfache Statik und Gebäude einzufordern als gesetzlich möglichst wenig Energie – sowohl bei Fläche nicht nur effizient, sondern gestaltung für Jung und Alt sorgen chen für Wohnungen. Damit stehen Gebäudetechnik. Dies lässt sich bei vorgesehen, sondern quartiers- oder der Herstellung als auch beim Betrieb – verbessert auch die Wohn- und Aufent- überdies für eine lebendige und in- erschlossene Grundstücke in einem gemischten Wohnungstypen nicht stadtteilbezogene Energiekonzepte zu verbrauchen und trotzdem Rendite ab- haltsqualität der künftigen Bewohner takte Nachbarschaft. städtebaulichen Kontext mit Infra- realisieren. entwickeln, die die Gesamteffizienz werfen. Und natürlich sind eine qua- deutlich“, lobt Gordona Sommer. Die struktur zur Verfügung, die im Rahmen steigern.“ litätsvolle Architektur und eine an- Wohnungen sind hell und großzügig Die städtischen Wohnungsbauge- einer städtebaulichen Entwicklung Weitere Anforderungen wie ein Stell- spruchsvolle Gestaltung weitere Ziele. geschnitten und verfügen über funk- sellschaften GEWOFAG und GWG teure Flächenentwicklungen wie zum platznachweis in Tiefgaragen, Schall- Ziel der beiden Münchner Wohnungs- tionale Küchen und Bäder. Sie haben München legen großen Wert auf eine Beispiel am Stadtrand entbehrlich schutz, Wärmeschutz und Barrierefrei- baugesellschaften GEWOFAG und Es gibt kein Patentrezept dafür, dies entweder einen Gartenanteil oder ökologische und energieeffiziente machen. Das Gebiet Am Ackermann- heit treiben die Kosten zusätzlich in die GWG München ist, für Bürgerinnen alles in einem Bauvorhaben umzuset- überdachte Balkone mit Blick auf die Bauweise. So erfüllen die Gebäude bogen ist ein Paradebeispiel hierfür“, Höhe. Der Siegerentwurf bietet jedoch und Bürger mit niedrigen Einkommen zen. „Die GEWOFAG und die GWG begrünten Höfe. Diese werden durch nach Fertigstellung mindestens den erläutert Hans-Otto Kraus, technischer auch die Chance, Flächen effizienter attraktive Neubauwohnungen in guter München nehmen diese Herausforde- eine großzügige Öffnung des Gebäu- KfW-Energieeffizienzstandard 70 (nach Geschäftsführer der GWG München. zu nutzen – indem zum Beispiel die und zentraler Stadtlage anzubieten rung an. Gemeinsam haben wir für den dekomplexes mit den Freiflächen des EnEV2009). Es werden ausschließlich „Für die neu entstehende Nutzung Frei- und Spielflächen für die Wohnun- und gleichzeitig ökologisch und wirt- vierten Bauabschnitt des Ackermannbo- Stadtquartiers vernetzt. Baustoffe verwendet, die den ökolo- sind natürlich die notwendigen Infra- gen auf das Supermarktdach verlegt schaftlich zu bauen. Das Quartier Am gens einen Realisierungswettbewerb struktureinrichtungen zu ergänzen werden. Ackermannbogen mit seinen Rah- ausgelobt. Ziel war, Münchnerinnen beziehungsweise nachzurüsten – wie menbedingungen ermöglicht dies auf und Münchnern mit geringem Einkom- zum Beispiel Kindergärten und Schu- Die im Wettbewerb für den Woh- beispielhafte Weise. Die beiden städ- men moderne und attraktive Neubau- len, aber vorhandene können auch nungsbau gesetzten Maximalkosten tischen Gesellschaften sind überzeugt wohnungen mit einem nachhaltigen effektiver genutzt werden. Der zweite für die Kostengruppen 300 und 400 davon, dass sich die Wohnanlage samt Energiekonzept anzubieten. Die Jury Faktor ist eine einfache Baukonstruk- von 1.650 Euro brutto pro Quadrat- Supermarkt, Restaurant und eigener hat sich für die bestmögliche Lösung tion. Im Rahmen des Wettbewerbs meter Wohnfläche erscheinen relativ Bushaltestelle nach der Fertigstellung für diese planerisch komplexe Aufgabe sollten kostengünstige Lösungen günstig – für die Bewirtschaftung sind 2014 zur urbanen Mitte des gesamten entschieden“, sagt Gordona Sommer, für den Wohnungsbau, Tiefgaragen, die Kosten jedoch hoch. „Wenn man Stadtquartiers entwickeln wird. Geschäftsführerin der GEWOFAG. Supermarkt und Nachbarschaftstreff bedenkt, dass hier die Kosten für die Im Zuge des vierten und letzten Bau- gefunden werden. Nutzungsmischun- Tiefgaragen noch nicht enthalten sind, abschnitts im südwestlichen Teil des gen, wie sie im Bebauungsplan für den wird deutlich, dass die Wirtschaftlich- Quartiers Am Ackermannbogen bauen Ackermannbogen vorgegeben sind, keit bei den gedeckelten Mieten des GWG München und GEWOFAG ab verteuern die Baukonstruktion. Die geförderten Wohnungsbaus nicht leicht 2013 auf einer Gesamtfläche von rund Integration des Supermarktes und der nachzuweisen ist. Eine Eigenkapital- einem Hektar 113 geförderte Wohnun- gen. Zusätzlich errichten die beiden GEWOFAG GWG München Gesellschaften einen 1.200 Quadratme- ter großen Supermarkt, einen Nachbar- Die GEWOFAG ist mit 35.000 Wohnungen Münchens größ- Mit rund 27.800 bewirtschafteten Wohn- und Gewerbeein- schaftstreff, eine Gaststätte und eine te Vermieterin. Sie stellt seit über 80 Jahren den Münchner heiten und ca. 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zählt Tiefgarage. Bürgerinnen und Bürgern Wohnraum zu erschwinglichen die GWG München zu den großen Vermietern in München. Preisen zur Verfügung und bietet damit Alternativen im Sie arbeitet seit ihrer Gründung im Jahr 1918 kontinuierlich Siegerentwurf des Realisierungs- angespannten Münchner Wohnungsmarkt. Neben Neubau daran, in der stetig wachsenden Stadt bezahlbaren Wohn- wettbewerbs und Vermietung ist die Sanierung und Instandsetzung des raum für die Münchnerinnen und Münchner anzubieten. Wohnungsbestandes die wichtigste Aufgabe der GEWOFAG. Darüber hinaus engagiert sich das Unternehmen auch in Sieger des Realisierungswettbewerbs Der GEWOFAG-Konzern mit den Tochterunternehmen Zukunft in der Stadtteilentwicklung, realisiert Wohnformen ist die Architektengemeinschaft Eck- Heimag München GmbH und Wohnforum München gGmbH für alle Lebensphasen und verpflichtet sich dem Klima- Fehmi-Zett aus Landshut, die zusam- beschäftigt in München 630 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. schutz. Im Mittelpunkt aller Aktivitäten stehen aber immer men mit dem Architekturbüro Brand aus die Wohn- und Lebensqualität ihrer Kundinnen und Kunden. Ingolstadt und den Landschaftsarchi- tekten Grünfabrik aus Altdorf einen Ent- Siegerentwurf der Architektengemeinschaft Eck-Fehmi-Zett / Brand / Grünfabrik wurf mit einem einzigen, mäanderförmi- gen Gebäudekomplex erarbeitet hat.

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Fallbeispiel Nachhaltigkeit: Nordhaide Fallbeispiel Nachhaltigkeit: Funkkaserne Freiraum zum Ruhen und Toben Ruhiger Wohnen

„Wenn ich heute über die Nordhaide ge- Das Gelände der ehemaligen Funkka- he, freut mich besonders die Aneignung serne grenzt an den vielbefahrenen der Freiräume durch die Bewohner. Ru- Frankfurter Ring und hat in der Nach- he suchende ältere Menschen, die das barschaft ein Heizkraftwerk, dessen Treiben auf der Diagonale beobachten, Betriebsgeräusche hier zu hören sind. junge Pärchen auf den Hollywoodschau- Um an dieser Stelle ein großes Wohn- keln, übermütige Kids am Wasserspiel- gebiet entstehen lassen zu können, platz und unermüdliche Tobegeister, die müssen zum Frankfurter Ring hin be- etwas fern der Bebauung den Klang- sondere Maßnahmen des Lärmschut- spielpatz erschallen lassen. Diese viel- zes ergriffen werden. Ursprünglich war fältigen Alltagsaktionen, die nicht im- für den Standort auch ein Großhan- mer störungsfrei verlaufen, erfordern delskomplex vorgesehen, der mit einer Toleranzfähigkeit und gegenseitigen Länge von fast 400 Metern und einer Respekt. Dass sie dennoch reibungsarm Höhe von etwa 24 Metern als Lärm- In den nächsten Jahren werden am ein ruhiges Wohnen gewährleisten. Ob nebeneinander bestehen können, ist schutzriegel für die südlich angren- Frankfurter Ring nun unter anderem rund dies in der Realität umsetzbar ist, muss einerseits Resultat des Konzeptes. Ei- zende Wohnbebauung fungiert hätte. 420 Wohnungen einschließlich Studen- noch geprüft werden. Die Wohnbauten nen wesentlichen Beitrag hierzu leistet Weil die Investorin ihre Bauabsichten tenwohnungen und soziale Einrichtungen entlang des Rings sollen abgerückt von jedoch andererseits das hohe, von den aber kurzfristig aufgab, wurden die durch das Münchner Wohnungsunter- der Straße platziert und durch Lauben- Bewohnerinnen und Bewohnern profes- Planungen für diesen Quartiersbereich nehmen GEWOFAG nach dem preisge- gänge erschlossen werden, die gleichzei- sionell geführte Bürgerengagement.“ überarbeitet und der Gewerbestandort krönten Entwurf des Berliner Büros Léon tig als Lärmpuffer fungieren. Außerdem (Prof. Bü Prechter, Landschaftsarchitektin) zugunsten zusätzlicher Wohnbebauung Wohlhage Wernik Architekten realisiert. ist eine Orientierung der Aufenthaltsräu- aufgegeben. Die Bewältigung der um- Der Frankfurter Ring wandelt sich da- me der Wohnungen zu den grünen Hö- fangreichen Vorkehrungen zum Schutz durch entlang der geplanten Bebauung fen hin geplant. Trotz der schwierigen Fallbeispiel Nachhaltigkeit: Am Ackermannbogen dieser und der südlich angrenzenden von der Durchfahrts- zur charaktervollen Lage wird am Frankfurter Ring eine Spiel- und Freiräume für alle Wohnungen vor den Lärmeinwirkun- Stadtstraße. Die Architektinnen und Lärmschutzbebauung mit hoher Wohn- gen war schließlich Gegenstand eines Architekten wollen auf die ursprünglich qualität und eine ansprechende Ein- Anfang 2012 entschiedenen Realisie- geforderten Lärmschutzwände zwischen gangssituation in ein neues attraktives Die einen wollen bolzen und toben, die rungswettbewerbs. den Gebäuden verzichten und dennoch Stadtquartier entstehen. anderen schaukeln, quatschen oder ein- fach nur abhängen. Am Ackermannbogen Fallbeispiel Nachhaltigkeit: Nordhaide sind nicht nur Spielplätze für kleinere Kinder entstanden. Auch die Bedürfnis- Gut versorgt se der Großen wurden bei der Gestal- tung der Spielzonen berücksichtigt. Mehr als 5.500 Menschen leben mitt- MIRA und das Dienstleistungszentrum die Ecke zur Neuherbergstraße. Dort lerweile in der Nordhaide – und woh- am Nordhaideplatz in knapp 70 Läden wurden zusätzlich Lebensmittelge- Nördlich der Elisabeth-Kohn-Straße, am nen nicht nur hier. Sie kaufen hier ein, fast alles für den täglichen und nicht schäfte, Arztpraxen und eine Apotheke Fuße des Rodelhügels, unter dem sich bringen ihre Kinder in der Siedlung in ganz alltäglichen Bedarf. Wer dennoch angesiedelt. In der Nordhaide ist so ein der Speicher für die solare Nahwär- die Kita oder zur Schule, gehen ins Kon- nicht findet, was er sucht, fährt von sozial nachhaltiges Quartier der kurzen meanlage befindet, sind zum Beispiel zert, zum Angerfest oder zur Andacht. hier aus nur eine Viertelstunde mit der Wege und umfassenden Versorgung verschiedene Spielräume entstanden, Entlang der Diagonale wurde zwischen U-Bahn in die Innenstadt oder läuft um entstanden. bei denen die Planerinnen und Planer Nordhaideplatz und Dominikusplatz ei- von Zacharias Landschaftsarchitekten ne umfangreiche und vielfältige soziale (mit Matthias Thoma) auch geschlech- Infrastruktur geschaffen. Das Angebot terspezifische Unterschiede im Spiel- reicht von einer Grundschule mit Tages- und Freizeitverhalten beachtet haben. heim und Hort über sechs städtische Mädchen bevorzugen oftmals ruhigere und eine kirchliche Kindertagesstätte, Spielplätze. Deshalb wurde die „Are- offene Kinder- und Jugendfreizeitein- na“ am Hügel mit Schaukeln und Rück- richtungen bis zu einem katholischen zugsbereichen ausgestattet. Nebenan Zentrum am Dominikusplatz mit kultu- kann es gerne etwas lauter werden – rellen Angeboten, Familientreffs und der Bolzplatz mit Streetballanlage und Beratungseinrichtungen. Die gegen- Kletterwand wurde wie der gesamte über dem Dominikuszentrum liegende Spielbereich mit Erdwällen umgeben Freizeitstätte Neuland veranstaltet auch und so gestaltet, dass der Lärmschutz Programme für Seniorinnen und Senio- für die Anwohnerinnen und Anwohner ren. Am anderen Ende der Diagonale gewährleistet ist. bieten zudem das Einkaufszentrum

118 119 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Städtebau und Architektur Städtebau und Architektur

Eigentum verpflichtet. Hohe Qualität in Städtebau und Architektur zu erreichen, ist seit jeher eines der wichtigsten Anliegen der Münchener Stadtplanung. Bei den ehemaligen Kasernenflächen ergeben sich in diesem Zusammenhang eine besondere Chance und eine Herausforderung zugleich. Hier entwickelt die Stadt nach dem Eigentumsübergang von der Bundesrepublik auf die Landeshaupt- stadt quasi eigene Flächen. Damit entsteht eine seltene Konstellation: Die Kom- mune übt Planungshoheit und Projektentwicklung in einem aus. Welche neuen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Entstehung qualitätsvoller Stadtquar- tiere eröffnen sich hier? Wie begegnet die Landeshauptstadt München aber auch der Verpflichtung zur umfassenden Qualitätssicherung für die neu entste- henden Bauten und Infrastrukturen?

120 121 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Städtebau und Architektur

»Eine Frage der Qualität.« Städtebau und Architektur Im Gespräch mit Franz Meyer, Leiter der Hauptabteilung Stadtplanung von 1994 bis 2009, und seiner amtierenden Nachfolgerin, Stadtdirektorin Susanne Ritter

Herr Meyer, Sie haben als Leiter der Stadtplanung fünfzehn Jahre lang den Konversionsprozess der Münch- ner Kasernenareale begleitet. Wie sichert man in so einem komplexen Entwicklungsvorhaben städtebauli- che und architektonische Qualität? Was waren/sind die wichtigsten Ins- trumente?

Franz Meyer: Lassen Sie mich das am Beispiel des Ackermannbogens erläu- tern. Ein ausgeprägtes, mehrstufiges Wettbewerbswesen sollte hier sowohl eine hohe gestalterische Qualität als auch breite Akzeptanz sichern. Die ers- te Stufe bildete der städtebauliche und uf Grundstücke in privatem Eigentum kann von der nalität zu unterstützen. Zudem waren und sind zum Beispiel landschaftsplanerische Wettbewerb für AStadt durch die Ausübung der Planungshoheit nur be- Gestaltungsleitfäden sehr nützlich. Hier erläutern die jewei- das Gesamtkonzept. Auf der Grundlage schränkt Einfluss genommen werden. Auf eigenen Flächen ligen Architektur- und Planungsbüros ihren städtebaulichen dieses Gesamtkonzeptes wurden dann besteht hingegen die Möglichkeit, eine verbindliche Qua- und landschaftsplanerischen Siegerentwurf und schaffen so auf Quartiersebene, den sogenannten litätssicherung auch über privatrechtliche Vereinbarungen eine wichtige Grundlage für konkrete Anforderungen wie Vergabeabschnitten, einzelne Wettbe- ist, dass der Kosten- und Verfahrens- für die Bayernkaserne die Bürgerschaft wie Kaufverträge festzuschreiben. Dazu gehört nicht nur Zugänge oder Oberflächenbeläge, aber auch übergeordnete werbe ausgelobt, die städtebauliche aufwand durch einen Qualitätsge- zu einer Podiumsdiskussion und einem die ästhetische Qualität, sondern auch die funktionale. Am Konzepte wie zum Beispiel für Spielplätze. mit architektonischen Elementen winn überzeugend kompensiert und Workshop eingeladen, mit dem Ziel, Ackermannbogen wurden beispielsweise die städtischen verbanden. Auch für die Freiflächen vertreten werden kann. Wichtig ist ausführlich zu informieren und gleich- Wohnungsbaugesellschaften GWG und GEWOFAG ver- Für die konkreten Bauvorhaben an städtebaulich beson- wurde ein Wettbewerb ausgelobt und jedoch auch das Zusammenwirken mit zeitig die Anliegen der Bürgerinnen und pflichtet, in ihren Bauvorhaben einen für das Viertel zur täg- ders exponierten Stellen oder öffentlichen Einrichtungen durchgeführt. Beteiligt am Wettbewerb weiteren Faktoren wie eine gesicherte Bürger vor Ort aufzugreifen. lichen Versorgung dringend benötigten Supermarkt sowie werden in der Regel zusätzliche Realisierungswettbewerbe waren Vertreterinnen und Vertreter aus Finanzierung, eine frühzeitige und um- eine Gaststätte, die auch für nachbarschaftliche Aktivitäten durchgeführt. So sind auf den ehemaligen Kasernenflächen Politik, Bürgerschaft, Verwaltung sowie fassende Öffentlichkeitsbeteiligung, die Was waren/sind aus Ihrer Sicht nutzbar ist, zur Verfügung zu stellen. Auf privaten Flächen architektonisch herausragende und preisgekrönte Bauwerke externe Fachleute. Dieses Grundmus- Bereitstellung eines möglichst hohen die größten Herausforderungen in könnte die Stadt im Bebauungsplan solche Nutzungen nur von namhaften Architekturbüros entstanden. Zahlreiche na- ter des mehrstufigen Vorgehens wurde Anteils an geförderten Wohnungen diesem Prozess? Was halten Sie für ermöglichen, nicht aber dazu verpflichten. tionale und internationale Besuchsgruppen fragen beim Re- vom Stadtrat beschlossen. sowie die Sicherung der Marktfähigkeit besonders gelungen – sowohl vom ferat für Stadtplanung und Bauordnung an und wollen diese des Gesamtprojektes. Verfahrensablauf als auch von den Qualitätssicherung beginnt allerdings nicht erst mit der Gebiete aufgrund ihrer Vorbildwirkung besichtigen. Um die gestalterische Qualität der Wett- Ergebnissen her? Umsetzung, sondern schon mit den ersten Überlegungen bewerbsergebnisse in der Umsetzung Setzen Sie diese Tradition fort, Frau zur Entwicklung eines Gebietes. Es soll ein Areal entste- Der hohe Qualitätsanspruch der Landeshauptstadt zeigt sich zu sichern, wurden jeweils Beratungs- Ritter? Mit welchen Instrumenten Franz Meyer: Die größte Herausforde- hen, das städtebaulich und landschaftsplanerisch nicht nur ebenfalls darin, dass sie bei Grundstücksausschreibungen gruppen eingesetzt. In diesen Gremien der Qualitätssicherung arbeitet das rung stellte die Finanzierung dar. Bei hohen ästhetischen Anforderungen gerecht wird, sondern die Umsetzung von besonders ökologischen oder partizipa- begleiten Bauherrinnen und Bauherren, Referat bei den aktuellen Kasernen- der Entwicklungsmaßnahme Am Acker- auch funktionale Zusammenhänge wie die Wege- und Grün- tiven Konzepten fordert und dementsprechend zukünftige Bürgerinnen und Bürger, Architektinnen konversionen? mannbogen erfolgt sie zum Beispiel vernetzungen oder die soziale Infrastruktur ausreichend Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer auswählt. und Architekten sowie Mitarbeiterin- komplett durch die Stadt München. berücksichtigt. Hier ist eine intensive und interdisziplinäre Dadurch wird die Umsetzung eines anspruchsvollen Projek- nen und Mitarbeiter der Verwaltung Susanne Ritter: Selbstverständlich Auf der Grundlage eines städtischen Zusammenarbeit zwischen zahlreichen Dienststellen und tes sichergestellt. In der Regel sind diese Bewerberinnen gemeinsam das Projekt während der werden wir diese Traditionen fortset- Sonderhaushalts wurde das Areal von mit externen Expertinnen und Experten notwendig. So wur- und Bewerber auch zum offenen Dialog mit der Verwaltung gesamten Laufzeit. Ziel und Aufgabe zen, aber auch auf neue Entwicklungen der Stadt vom Bund erworben. Alle den im Fall der Kasernenflächen in München Eckdaten und und damit zur Gestaltung eines qualitätsvollen Prozesses der Beratungsgruppen ist dabei nicht reagieren und unsere Verfahren anpas- öffentlichen Einrichtungen wie Straßen, Anforderungen zur Auslobung von städtebaulichen und land- bereit. Auch hier wird durch den Wettbewerb erreicht, dass nur die Begutachtung und Steuerung sen. Das große Potenzial des gesam- Freiflächen, Schulen, Kindergärten oder schaftsplanerischen Wettbewerben formuliert, die für die die beste Lösung sich durchsetzt und nicht allein, wer am des Hochbaus, sondern auch die Erar- ten Entwicklungsprozesses in Mün- öffentlich geförderter Wohnbau wurden Entwicklung der Areale maßgeblich waren. Damit konnten meisten bietet. beitung ergänzender, detaillierter Fach- chen liegt in der Kontinuität der Quali- durch die Stadt München finanziert. tragfähige städtebauliche Konzepte gefunden werden – wie konzepte. Dies bezog sich beim Projekt tätssicherung. Dabei ist der Planungs- Diese Ausgaben sollen dann mit den sich jetzt in den bereits umgesetzten Maßnahmen zeigt. Neue Erkenntnisse zu Wettbewerbsformen, insbesondere Ackermannbogen unter anderem auf wettbewerb für den Städtebau, den Einnahmen aus dem Verkauf der ent- Nicht umsonst ist die Wohnzufriedenheit auf der Nordhaide aber auch zur Transparenz von Planungsprozessen und zur die Themenbereiche Verkehr (Füh- Freiraum und die Landschaftsarchitek- wickelten Grundstücke gedeckt wer- oder die Nachfrage nach Wohnungsbauflächen für Baugrup- Partizipation an eben diesen, fließen bei der zukünftigen rung, Ausgestaltung), Energie (solare tur sowie die Architektur nach wie vor den – das ist einer der grundlegenden pen oder Genossenschaften am Ackermannbogen so hoch. Entwicklung von Arealen wie der Prinz-Eugen-Kaserne, der Nahwärme), Farbkonzept und techni- ein bewährtes Instrument. Noch stär- Ansätze einer Städtebaulichen Entwick- Luitpoldkaserne zusammen mit dem Kreativquartier oder sche Infrastruktur (Trafohäuser). ker als bisher müssen wir bereits mit lungsmaßnahme. Das erfordert eine Gestalterische Kriterien oder Aspekte des kostengünstigen der Bayernkaserne ein. Damit setzt die Landeshauptstadt dem Wettbewerb die beiden zentralen laufende Überprüfung mit einem Kos- und ökologischen Bauens spielen dann eine wichtige Rolle, München ihren vor mehr als zwei Jahrzehnten begonnenen Wesentlich bei allen Wettbewerbs- und Themen unserer Zeit – Nachhaltigkeit ten- und Finanzierungsplan – und der wenn das städtebauliche Konzept in reale Formen gegos- Weg fort. Es hat sich gezeigt: Wettbewerb auf allen Ebenen Beratungsverfahren ist die Einbindung und Partizipation – verbinden. So haben zeigt beim Ackermannbogen positive, sen wird. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Konzeptfindung und Umsetzung führt zu hervorragen- aller an der Entscheidung Beteiligten. wir bereits im Vorfeld des nun anste- ausgeglichene Ergebnisse. Es ist also hat bereits sehr früh Beratungsgremien eingerichtet, um den Lösungen! Diese variieren durchaus bei unter- henden großen städtebaulichen und gelungen, die gesamte Infrastruktur Bauwillige in ihrem Projekt bezüglich Ästhetik und Funktio- schiedlichen Verfahren. Entscheidend landschaftsplanerischen Wettbewerbs zu refinanzieren. Wichtig ist in diesem

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»Das ist selten in Neubaugebieten.« Ein Rundgang durch den Ackermannbogen und die Nordhaide mit der Architekturjournalistin Friederike Meyer, Bauwelt

Zusammenhang auch die Bezahlbarkeit ren tragen zur breiten Akzeptanz und uns gilt es, den vielen Anforderungen, ie mit der Schablone gezeichnet hinter ihnen, geschützt vom Lärm der In der Ferne spielt jemand Fußball. der Wohnungen. Es konnte am Acker- Vermarktbarkeit der Gebiete bei. Der die an so großräumige Planungsauf- Wverläuft der Ackermannbogen. Straße, beginnen die neuen Wohn- Ich kann es hören, weil kein Motoren- mannbogen ein erhöhter Anteil geför- Prozess setzt hier früh an – bereits auf gaben gestellt werden, gerecht zu Die baumgesäumte Straße markiert häuser: Stadtvillen mit gleichmäßigem geräusch das Kicken unterbricht. Nur derter Wohnungen geschaffen werden, Grundlage der Eckdaten für das Projekt, werden und gleichzeitig die richtigen die Grenze zwischen dem Olympiapark Fensterraster, ausladenden Balkonen wenige Autos stehen in den Buchten für München ein besonders zentrales die dann als Basis für die Auslobung Prämissen für die meist sehr langfris- und den mehr als 2.000 Wohnungen, und zart gelbem Anstrich; orangerote am Rand der Erschließungsstraßen, Thema. Auf privaten Flächen wird von des Wettbewerbs dienen, ist eine tigen Planungs- und Realisierungspro- die keine vier Kilometer Luftlinie vom Putzfassaden, deren Fensteröffnungen die meisten parken in Tiefgaragen. den Bauträgerinnen und Bauträgern die möglichst umfassende Partizipation zesse zu setzen. Insofern halte ich die Viktualienmarkt entfernt auf dem ehe- keiner erkennbaren Ordnung folgen; Sie überlassen die Flächen zwischen Schaffung von 30 Prozent gefördertem notwendig. Selbstverständlich müssen Konversion der Kasernenflächen für maligen Kasernengelände in Schwa- großflächig verglaste Reihenhäuser in den Häusern einem fein gegliederten Wohnbau verlangt. Im Ackermannbo- die so einfließenden Anregungen auch eine äußerst komplexe Planungs- und bing-West entstanden sind. Ähnlich Skelettbauweise; sorgfältig detaillierte System aus Gehwegen, Grünstreifen gen sind die Hälfte aller Wohnungen eingearbeitet und abgestimmt werden. Steuerungsaufgabe, die nur mit großer einer Bauausstellung stehen sie zu Betonzeilen, deren Balkone vor den und privaten Gärten. Ich meine, gut gefördert. Der Verfahrensablauf selbst ist komplex Transparenz und im kontinuierlichen kleinen Quartieren gruppiert: Zeilen, Blicken der Nachbarn schützen. erkennen zu können, wo Privatsphären und mehrstufig zu entwickeln. Er erfor- Dialog zwischen Politik, Bewohner- Reihen, Atriumhäuser, ein im Zickzack beginnen und enden. Frau Ritter, welche Erfahrungen ha- dert auf Seiten der Verwaltung ein qua- schaft, Bauwilligen und Verwaltung verlaufender Riegel, Laubenganghäu- Die Häuser stehen eng, es ist der Preis ben Sie gesammelt? Wodurch zeich- lifiziertes und engagiertes Team – nur sowie insbesondere der Bürgerschaft ser, Stadtvillen, mehrere Kindergärten. für die großzügige Wiese in der Mitte Auch im Nordwesten, am Ackermann- net sich Qualität im Zusammenhang dann ist ein Erfolg wie am Ackermann- gelingen kann. Erschlossen durch schmale Wege von des Quartiers. Alte Bäume erzählen bogen, wo ein Grashügel den Über- mit der Umgestaltung der ehemali- bogen auch möglich. mehreren Richtungen. Eine Insel der von der Vergangenheit, das ist selten in gang zum Olympiapark markiert und gen Militärflächen aus? Ruhe, so vermittelt es der Plan. Neubaugebieten. Ein älteres Ehepaar gleichzeitig eine deutliche Grenze zu Susanne Ritter: Die Kasernenflächen aus der Umgebung, das hier regelmä- den Wohnhäusern zieht. Er ist aber Susanne Ritter: Große Chancen lie- sind deutlich größer als viele andere Und so bestätigt es mein Spaziergang. ßig spazieren geht, weiß diese Stim- nicht nur Schallschutzwall und Rodel- gen vor allem in der Größe, der Lage Planungsgebiete, und sie grenzen Er beginnt im Süden, an der viel be- mung genauso zu schätzen wie die jun- hügel, sondern auch Teil des Modell- und im meist großartigen Baumbestand direkt an intakte Stadtquartiere aus fahrenen Schwere-Reiter-Straße vor ge Familie auf einem der Spielplätze: projektes „Solare Nahwärme“. Denn er der ehemaligen Kasernenflächen. Auch unterschiedlichen Epochen. Insofern ist einer Mauer mit schmiedeeisernem „Wir wohnen innenstadtnah und ohne wölbt sich über einen riesigen Wasser- wenn nicht alle Bäume wegen der Alt- die Entwicklung dieser Flächen gleich- Zaunaufsatz. Das ehemalige Kasino Durchgangsverkehr, außerdem ist der behälter, der von Solarkollektoren auf lasten und Kampfmittelräumung erhal- zeitig Chance und Herausforderung für der Prinz-Leopold-Kaserne und weitere Olympiapark gleich nebenan.“ Die Lage den Dächern der umliegenden Häuser ten werden können, bilden die Grün- uns Planende, aber auch für die Stadt- neobarocke Altbauten erinnern noch zählt im Ackermannbogen – und die aufgeheizt wird und 300 Wohnungen und Freiräume meist die Spuren, die teile, die diese Areale integrieren. Für an die ursprüngliche Nutzung. Erst Ruhe. versorgt. Auch andere Gebäude in aus der Kasernennutzung in die Stadt- quartiere überleiten und die Identifi- kation für die neue Bewohnerschaft erleichtern. Durch die Größe der Ge- biete können aktuelle städtebauliche und landschaftsplanerische Konzepte entwickelt werden, die Lösungen für einen zukunftsweisenden, nachhalti- gen Städtebau anbieten. Aspekte wie städtische, nachbarschaftliche Wohn- formen, eine enge Verzahnung von Wohnen und Arbeiten, attraktive öffent- liche Räume und Mobilitätskonzepte können integriert und modellhaft um-

gesetzt werden. 1 2 3

Inwiefern unterscheiden sich die Ka- sernenareale von anderen Planungs- gebieten der Stadt München? War/ ist es hier einfacher oder schwieriger, Qualität im Prozess und in den Er- gebnissen zu sichern?

Franz Meyer: Im Unterschied zu ande- ren Planungen im Stadtgebiet findet auf den Kasernenarealen beispielswei- se eine umfassendere Öffentlichkeits- beteiligung und eine viel weitergehen- de Beteiligung privater Baugruppen statt. Die frühzeitige Einbindung der 4 5 Öffentlichkeit und die marktgerechte Familienfreundliches Wohnen am Ackermannbogen „Bauausstellung“ und „Insel der Ruhe“: Architektonische Wohnvielfalt am Ackermannbogen, z. B. die Baugruppenhäuser im dritten Bauabschnitt Abstimmung mit Bauträgerinnen und (1, 2, 3, 4 – Architekten: Vallentin + Reichmann, Bucher Beholz) oder die Atriumhäuser (5 – H2R Architekten) Bauträgern, Baugruppen und Bürgerfo-

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diesem Teil des Quartiers nutzen die und dazwischen liegender Anger, gebung benannt sind, zu Kindergärten Energie der Sonne – wie die von einer die von einem Grünstreifen diagonal und Bewohnertreff. Dass die Nordhaid- Baugruppe initiierten Reihenhäuser ne- durchzogen werden, sind im Plan ein ler hier bei schönem Wetter das Leben benan. Das Finanzierungsmodell sieht Studentenwohnheim, eine Grundschu- feiern, sich in übergroßen Stühlen aus- man ihnen nicht an, ebenso wenig, wie le, ein Gemeinde- und ein Einkaufszen- ruhen, Tischtennismeister küren oder man die frei finanzierten von den geför- trum markiert. sich unter der Laterne küssen, kann ich derten Wohnungen im Quartier unter- mir trotz des neblig grauen November- scheiden kann. Die Siedlung will nicht An der U-Bahn-Haltestelle Dülferstraße tages gut vorstellen. auffallen durch singuläre extravagante steige ich aus. Das Einkaufszentrum Architektur, sondern für derzeit 4.000 MIRA am großen Platz macht deutlich, Ein kantiger Ziegelbau schiebt sich ins Menschen gleichermaßen ein Zuhause dass die Nordhaide keine Schlafstadt Bild: das Dominikuszentrum. Es ist im Zentrum von München sein. Nichts ist. Und seine farbenfrohe Fassade das programmatische Pendant zum besonderes sein zu wollen, das ist ihre stellt klar, dass es mehr sein will als Konsumtempel in meinem Rücken. größte Qualität. eine gewöhnliche Shoppingmall, die ja Mehrere Einrichtungen der katholi- normalerweise nur ein Innenleben füh- schen Kirche sind hier unter einem Ebenso wie der Ackermannbogen in ren. Beim Vorbeigehen erzeugen ihre Dach zusammengefasst. Sie werden innenstadtnaher Lage räumlich vielfälti- gefalteten Bleche optische Effekte, die von einem Hof erschlossen, der über ge Wohnungen und verkehrsberuhigte sich von der üblicherweise kreischen- große Öffnungen und in drei Richtun- Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität den Leuchtwerbung angenehm unter- gen mit dem Quartier verbunden ist. bietet, so hat diese Eigenschaften die scheiden. Unter dem Baum in der Mitte muss Nordhaide als kleine Stadt für 5.500 ich innehalten: sorgfältig komponierte Menschen am Rand der großen. Hier Von hier führt ein breiter Fußweg an Räume und Zwischenräume, versiert stehen Einrichtungen für die Freizeitge- Spielplätzen und Grünanlagen vorbei, verklinkerte Fassaden, Treppenstufen staltung der multiethnischen Bewoh- handgefertigte Schilder weisen zu den und Böden, dazu maßvoll gesetzte nerschaft im Vordergrund. Neben dem begrünten Angern zwischen den Häu- Fenster und Türen – alles wirkt wie aus einheitlichen Rhythmus langer Zeilen sern, die nach den Pflanzen der Um- einem Ganzen gefeilt. Das reflektierte

Die Studentenwohnanlage in der Nordhaide (Planung: bogevischs büro, München) wurde mit dem BDA-Bauherren-Preis 2006 und dem Ehrenpreis Das Dominikuszentrum (Planung: Meck Architekten, München) prägt die Nordhaide seit 2008 nicht nur architektonisch. Der imposante und mehrfach der Stadt München für guten Wohnungsbau 2005 ausgezeichnet. preisgekrönte Bau ist ein wichtiger Treffpunkt für das ganze Quartier.

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Licht an den blau pigmentierten Zie- das ist das Ergebnis. Kinder- und Fa- rassen am Ende der Anger stehend, Fallbeispiel Städtebau und Architektur: Nordhaide gelwänden der Kapelle, es beruhigt, milienfreundlichkeit, Einkaufs- und schaue ich in die Weite und denke an Wege ins und durchs Quartier schützt. Selten entwickeln Orte eine Betreuungsmöglichkeiten machen hier Kurt Tucholsky, der seinen Traum von derart starke Aura. Ich kann nachvoll- offenbar so manche architektonische Stadt einst mit den Worten „vorne die Verkehrslärm hört man in der Nordhai- Tiefgaragen untergebracht, die unter ziehen, warum das Dominikuszentrum Schlichtheit der Wohnhäuser wett, die Ostsee und hinten die Friedrichstraße“ de kaum. Entfernt rauscht es an den den Gebäuden durchgehend verlaufen viele Architekturpreise erhalten hat. entsprechend dem städtebaulichen umschrieb. Rändern des Quartiers von der Schleiß- und den Wohnungen zugeordnet sind. Konzept in regelmäßigen Abständen zu heimer Straße und der Neuherberg- So entstehen im Viertel verkehrsbe- Nur wenige Meter sind es von hier zur Türmen aufragen. straße herüber. Motorisierten Verkehr ruhigte Bereiche, die vielfältig nutzbar Jugendfreizeitstätte Neuland. In der möglichst zu reduzieren, war eine der sind.. Im Viertel selbst benötigt man Küche dort hängt ein interkultureller Umso mehr fallen dafür einzelne Ge- Planungsmaximen. Mit der direkten kein Auto. Ein Fuß- und Radwege- Jahreskalender. „Unser Partyraum ist bäude auf, die holzverkleidete Grund- U-Bahn-Anbindung war dafür bereits system läuft entlang dem Hauptweg, zwei Monate im Voraus ausgebucht“, schule oder das in die Angerstruktur eine wichtige Voraussetzung geschaf- der Diagonale, und senkrecht zu den erzählt der Mitarbeiter. „Aber wir eingegliederte Studentenwohnheim. fen. Schließlich sollte an der Panzer- künstlich aufgeschütteten Angern. Eine sind flexibel.“ Ob Familienfeier oder Wer hier wohnt, hat mehr als ein Gang- wiese ein familienfreundliches, sicheres wichtige Rolle spielte auch die Schaf- Karaoke-Abend, Kindergeburtstag zimmer und Bad: raumhohe Fenster Quartier entstehen – mit möglichst viel fung von Freiflächen. Vom Privatgarten oder Kochkurs, alle finden Platz im und schmale Balkonzonen mit Schiebe- Raum für Spielplätze und Freiflächen. vor der Terrassentür bis hin zu den Belegungsplan des Hauses, das sich läden in unterschiedlichen Rottönen, ei- Die Erschließung erfolgt daher durch kleinen „Westentaschenparks“ an der hauptsächlich an die 14- bis 18-Jähri- ne mehrgeschossige Laubenganghalle lange, gerade „Stiche“, die als verkehrs- Diagonale sind alle Freiraumtypen ver- gen richtet. Das Angebot ist eines von und Gemeinschaftsräume mit Ausblick. beruhigte Anger ausgebildet sind und die Landschaft bietet. Parkplätze sind treten, die von den Bewohnerinnen und vielen. Ja, es scheint, als gebe es für mit sogenannten Heideterrassen enden, im Wohngebiet auf den ersten Blick nur Bewohnern in vielfältiger Weise genutzt jede Altersgruppe und jeden Sozial- Ein Ausblick, den allerdings auch viele von denen sich eine weite Aussicht in sehr wenige zu finden. Sie sind in den werden. kreis einen Treffpunkt. Nur das gastro- der Wohnungen haben, auf den Joker nomische Angebot lässt Wünsche der Siedlung, die Nordhaide selbst. offen, lese ich in der Umfrageauswer- Denn die 170 Hektar große Wiese, tung der Stadt. Die meisten Bewohner auf der einst Panzer rollten, ist heute Fallbeispiel Städtebau und Architektur: Am Ackermannbogen sind mit ihrem Quartier sehr zufrieden, Naturschutzgebiet. Auf einer der Ter- Pioniere des ökologischen Bauens Am Ackermannbogen sind einige Bei- Das NEST Passivhaus liegt damit der Landeshauptstadt München mit spiele für die gelungene Symbiose von weit über den gesetzlich geforderten 50.000 Euro gefördert. Unter anderem anspruchsvoller Gestaltung und ökolo- Umweltstandards. Gegenüber einem für dieses Passivhaus wurde dem gischer Bauweise zu finden. Zu den Haus, das nach den Anforderungen Architekten und NEST-Geschäftsführer Pionierbauten zählt das NEST Passiv- der Energieeinsparverordnung ge- Joachim Nagel der Umweltpreis der haus am Rosa-Aschenbrenner-Bogen, baut und mit Fernwärme versorgt ist, Stadt München 2005 verliehen. Im das bereits im Jahr 2004 errichtet erzielt es immer noch eine jährliche vierten Bauabschnitt des Ackermann- wurde. Passivhäuser nutzen die Endenergieeinsparung von circa 240 bogens soll nun das jüngste NEST- Umgebungswärme, Abwärme und Megawattstunden und eine jährliche Projekt realisiert werden: ein Passiv-

Sonnenenergie so weit aus, dass auch CO2-Entlastung von circa 24 Tonnen. haus in Holzbauweise mit einer großen im Winter auf eine konventionelle Hei- Das Bauvorhaben wurde aus dem Fotovoltaikanlage. zungsanlage verzichtet werden kann. Förderprogramm Energieeinsparung In dem viergeschossigen Bau, der vom Ein weiteres Beispiel für eine res-

1 2 3 Architekturbüro A2 entworfen und von sourcenschonende und gestalte- dem Architekten Joachim Nagel mit risch anspruchsvolle Architektur am seiner NEST Baubetreuungs GmbH Ackermannbogen sind die neun umgesetzt wurde, befinden sich 20 Solarreihenhäuser, die der Architekt Wohnungen. Insgesamt liegt der Heiz- Ingo Bucher-Beholz für eine private wärmebedarf des NEST Passivhauses Baugemeinschaft entworfen hat. Die bei 13 Kilowattstunden pro Quadratme- Passivhäuserzeile zwischen Centa-Her- ter und Jahr, das entspricht 1,3 Liter ker-Bogen und Elisabeth-Kohn-Straße Heizöl und beträgt nur rund sieben Pro- wurde 2006 in Holzskelettbauweise zent des Münchner Durchschnittswer- mit einer auffallend großzügigen Ver- tes. Dieser Rest-Heizwärmebedarf und glasung errichtet und unter anderem der Energiebedarf der Warmwasserbe- mit einer Holz-Pellet-Heizung und einer reitung wird durch eine 70-Quadratme- thermischen Solaranlage ausgestattet. ter-Solaranlage und eine Grundwasser- Die Erfahrungen aus dem Ackermann- Wärmepumpe gedeckt. Das Haus hat bogen flossen in ein weiteres Solar- 4 5 6 außerdem eine Solarstromanlage, die reihenhausprojekt des Architekten in im Jahressaldo genauso viel Strom München-Riem ein, das unter anderem 1 , 4 – Einkaufszentrum MIRA, Fassadengestaltung: Léon Wohlhage Wernik Architekten, Berlin; 2 – Grundschule Hildegard-von-Bingen-Anger, Felix Schürmann Ellen Dettinger Architekten, München; 3 – Panzerwiese; 5 – Studentenwohnheim am Felsennelkenanger; 6 – Wohnbebauung entlang der produziert, wie von der Wärmepumpe mit dem Deutschen Holzbaupreis 2011 Diagonale verbraucht wird. ausgezeichnet wurde.

128 129 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Kooperation und Partizipation Kooperation und Partizipation

Information ist gut, Dialog ist besser. Für die erfolgreiche Entwicklung der ehemaligen Kasernenflächen ist die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnerinnen und Partnern notwendig. Wie gestaltet sich die Kooperation auf den verschiedensten Ebenen – Staat, Kommune, Wirtschaft oder Bürgerschaft – bei einem so komplexen Vorhaben wie der Kasernenkonversion? Wie gelingt es, die jeweiligen Interessen ernst zu nehmen und in regem Austausch zu bleiben? Die bedeutsamste Erkenntnis ist: Die reine Information über bereits erfolgte oder noch zu tätigende Schritte reicht hier nicht aus. Am wichtigsten ist die Initiierung eines Dialoges. Nur so lässt sich zu guten oder sogar zu den besten Lösungen kommen – für alle Beteiligten. Dabei kann es selbstverständlich nicht ausschließlich um reine Interessensdurchsetzung gehen, sondern vor allem um das konstruktive Mitwirken aller am besten Ergebnis für alle.

130 131 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Kooperation und Partizipation

»Wenn es so läuft, dann lohnt sich der außerordentliche Aufwand.« Kooperation und Partizipation Im Gespräch mit Dr. Walter Klein, Vorsitzender des Bezirksausschusses Schwabing-West

Welche Aufgaben nehmen die Be- bürgermeister Christian Ude beugte zirksausschüsse im Zusammenhang sich zu Stadtbaurätin Prof. Christiane mit den erfolgten und laufenden Ka- Thalgott hinüber und fragte: „Können sernenkonversionen wahr? Könnten wir das machen?“ Sie nickte zustim- Sie das an einem Beispiel erläutern? mend. So wurde der Bezirksausschuss Teil des Beirats, in dem die Hauptab- Wir begleiten den Prozess im Prinzip teilungen des Planungsreferats, betrof- ur mit dem persönlichen und finanziellen Engagement angeregt, die im zweimonatigen Rhythmus im Referat für von Beginn an. Im Fall der ehemaligen fene weitere Referate und eben auch Nzahlreicher Kooperationspartnerinnen und -partner Stadtplanung und Bauordnung mit anderen städtischen Waldmann- und Stettenkaserne, also Bezirksausschussmitglieder vertreten konnten auf den ehemaligen Kasernenflächen lebendige Dienststellen durchgeführt wurden. dem heutigen Ackermannbogen, setz- waren. Im ersten Bauabschnitt nah- Stadtquartiere entstehen, in denen sich die Bewohnerinnen ten sich bereits 1993 die Fraktionen im men zudem Vertreter der Regierung und Bewohner wohlfühlen. Zu nennen sind hier die Bauträ- Bei der Prinz-Eugen-Kaserne wurden die Ergebnisse des Bezirksausschuss 4 (Schwabing-West) von Oberbayern an den Sitzungen teil, gerinnen und Bauträger, Wohnungsbaugenossenschaften städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs zusammen, um ein Konzept für das wie es im Darlehensvertrag zur „Offen- und Baugruppen, nicht städtische und städtische Dienst- nicht nur vor Ort vorgestellt, sondern anschließend im neue Stadtviertel zu erarbeiten. Die sive Zukunft Bayerns“ geregelt war. stellen und Behörden. Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung in einer ersten Ergebnisse wurden in einem Schließlich konnten wir nach Abschluss Open Space-Veranstaltung diskutiert. Um Lösungen für die Grundsatzantrag an die Stadt gestellt dieses Bauabschnitts über den Stadtrat Ganz entscheidend ist jedoch, in den Dialog mit den künf- Verkehrsbewältigung zu finden, wurde ein weiterer Work- und behielten während des gesamten durchsetzen, dass ein Gestaltungs- tigen Bewohnerinnen und Bewohnern, aber auch mit den shop mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern unter weiteren Verfahrens ihre Gültigkeit. beirat eine optimale Umsetzung des Nachbarn des neuen Quartiers und der interessierten Stadt- Einbindung von Vertreterinnen und Vertretern der örtlichen Bebauungsplans ermöglicht. gesellschaft zu treten und diese frühzeitig in Entscheidun- und städtischen Politik durchgeführt und weitere Informa- Klar war das Ziel, den Umzug von gen einzubinden. tionsveranstaltungen unter der Moderation der Bezirksaus- Familien ins Umland zu stoppen und Die Werkstattgespräche fanden also schussvorsitzenden angeboten. familiengerechtes Wohnen anzubieten, Wir engagierten eine Historikerin aus im Rahmen dieser Gremienarbeit Um dies aktiv zu tun, aber auch um Nachbarschaftsarbeit zu was zum Beispiel Konsequenzen für dem Stadtarchiv, um uns aufzeigen statt. Ein Beispiel für die behandelten leisten, haben sich am Ackermannbogen und in der Nordhai- Durch solche Verfahren können sicher nicht alle geäußerten die soziale Infrastruktur, aber auch für zu lassen, was eigentlich die Identität Themen ist die soziale Mischung im de Anwohnerinnen und Anwohner zu einem Verein zusam- Wünsche in der Planung eins zu eins erfüllt, aber in jedem die Gestaltung des Verkehrs und der und den Charme unseres Viertels aus- neuen Viertel. Grundsätzlich wollten mengeschlossen. Fall Entscheidungsprozesse transparent gemacht werden. Durchgrünung hatte. Wir wiesen auf macht: Plätze, hohe Dichte und eine wir erreichen, dass die Kinder im gestalterische Randbedingungen wie daraus resultierende hervorragende Viertel zusammen spielen und auf- Allerdings reicht es eben ja nicht, nur mit denen zu spre- Für die Planungen zur ehemaligen Bayernkaserne wird die den nahegelegenen Olympiapark hin Infrastruktur, die sich auch rentiert, die wachsen, unabhängig davon, ob sie chen, die sich in den neuen Vierteln engagieren wollen. Öffentlichkeit in einem moderierten Prozess noch vor der und auf die Belüftungsschneise der Mischung von gründerzeitlichen Bau- mit ihren Familien in einer Sozial- oder Spätestens seit dem öffentlichen Disput über Stuttgart 21 Auslobung für den städtebaulichen und landschaftsplane- Winde, die aus Nordwesten vom Dach- ten und Nachkriegsbauten, die gewun- Eigentumswohnung leben. Hierzu ist Partizipation in aller Munde. Für die Landeshauptstadt rischen Wettbewerb in die Aufstellung von planerischen auer Moos über das Olympiagelände in denen Straßenverläufe der Ost-West- referierte der angesehene Stadtso- München war dies schon vor der Entwicklung der frei ge- und funktionalen Eckdaten und dann in den kompletten Pla- das Gebiet einfallen und die es bei der Achsen, die Sichträume schaffen – im ziologe Prof. Dr. Walter Siebel über wordenen Kasernenflächen in den 1990er-Jahren ein wichti- nungsprozess aktiv einbezogen werden. Eine vergleichbare Bebauung zu berücksichtigen galt. Im Gegensatz zu den schnurgeraden Ach- die Frage, was Städtebau für das Zu- ges Anliegen. Die ehemaligen Kasernenflächen liegen in der Vorgehensweise wird für die Überplanung der ehemaligen Ergebnis entstand die „Große Wiese“ sen in der Maxvorstadt. Wir wussten, sammenleben verschiedener sozialer Regel eingebettet in das Stadtgefüge, zu dem sich aber in Luitpoldkaserne mit dem Kreativquartier gewählt. Dieses im Zentrum der Siedlung. dass man Schwabing-West nicht in den Schichten leisten kann. Im Laufe der der Vergangenheit, während der militärischen Nutzung, nur Projekt wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Ackermannbogen übertragen kann, Auseinandersetzung mit diesem kom- wenige strukturelle und persönliche Bezüge gebildet haben. Stadtentwicklung (BMVBS) als Pilotprojekt „Stadt kreativ Auch dass im Ackermannbogen höher aber wenigstens als regulatives Prinzip plexen Thema fiel die Entscheidung Nun ist der Kasernenzaun weg, und eine Vernetzung mit denken – Raum für Wohnen, Kultur, Wissen“ im Rahmen gebaut werden konnte, die Geschoss- sollte es Geltung beanspruchen. für eine „grobe Körnung“ der unter- der Umgebung kann stattfinden. Das ruft – oft allein wegen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik ausgewählt und flächenzahl also gegenüber den in schiedlichen Wohnungstypen und die der Dimensionen der Planungen – bei den umgebenden gefördert. Mit den 2012 und 2013 geförderten Pilotprojekten der Mitte der 1990er-Jahre üblichen, Schließlich ging und geht es uns auch Stützung sozialer Netze. Ausgeschlos- Quartieren und deren Bewohnerinnen und Bewohnern auch sollen innovative und beispielhafte Handlungs- und Lösungs- weniger dichten Münchner Standards um die richtige soziale Mischung im sen wurden so stigmatisierbare Sozi- Sorgen und Ängste in Bezug auf die Auswirkungen der Pla- ansätze für Bürgerbeteiligung an Planungsprozessen unter- erhöht wurde, geht mit auf das Enga- neuen Viertel. Wichtig ist uns zum alwohnungslagen, ebenso aber auch nungen auf den Verkehr oder die soziale Infrastruktur hervor, stützt und bekannt gemacht werden. gement des Bezirksausschusses im Beispiel ein Modellprojekt für alte, eine zu kleinkörnige Mischung, die zu über die diskutiert werden muss. Hier übernehmen die Stadtrat zurück. So konnte Urbanität demenzkranke Menschen. Wir hoffen, viele Konflikte provoziert hätte. Dabei Bezirksausschüsse die wichtige Funktion als Sprachrohr in Wichtig für derartige Verfahren ist, dass die Verwaltung nicht entstehen. Wir setzten zudem durch, dass dies nun im letzten Bauabschnitt gibt es am Ackermannbogen durchaus beide Richtungen. Zum einen können sie die Stimmung vor nur Ergebnisse, wie die Siegerentwürfe eines Wettbewerbs, bereits in die Diskussionen vor den realisiert werden kann – unsere An- Beispiele einer sehr engen Mischung, Ort allein schon durch die räumliche Nähe und den Kontakt sondern auch Entscheidungsprozesse in der Öffentlichkeit Ausschreibungen der Städtebau- und sprüche sind relativ hoch. wo wie im Genossenschaftsbau von zu Bürgerinnen und Bürgern viel besser wahrnehmen und kommuniziert und diskutiert. Architekturwettbewerbe einbezogen wagnis verschiedene Bewohnergrup- in die Verwaltung kommunizieren. Andererseits können sie zu werden. Ein wichtiges Beispiel für die Ko- pen selbst in jahrelangen Diskussio- Prozesse und Entscheidungen der Verwaltung den Bürgerin- Wichtige Kooperationspartner bei der strategischen Um- operation zwischen dem Referat für nen einen Konsens gefunden hatten. nen und Bürgern näherbringen. Alle Bezirksausschüsse und setzung, bei Kauf und Entwicklung waren von Anfang an Wir gingen mit dem damaligen Stadtplanung und Bauordnung und Diese Nachbarschaften haben Bestand deren Vorsitzende hatten in der Vergangenheit und haben der Bayerische Städtetag und als vorherige Grundstücksei- Stadtplanungsleiter Franz Meyer auf den Bezirksausschüssen sind die und wirken integrierend auf andere auch in Zukunft dadurch einen großen Anteil am Gelingen gentümerin die Bundesrepublik Deutschland und ihre ver- Streifzug in ältere Siedlungen wie die Werkstattgespräche am Ackermann- Bereiche. der städtebaulichen Planung. Oftmals übernehmen sie eine schiedenen Behörden wie das Bundesvermögensamt oder Alte Heide oder Neubausiedlungen in bogen. Wie kam es dazu? aktive Rolle der Steuerung und Kommunikation. die Oberfinanzdirektion. Daneben war die Zusammenarbeit Trudering, um Baustrukturen zu analy- Ein anderes Thema war die Erschlie- mit dem Bayerischen Finanzministerium und der Obersten sieren und das Leben dort anzuschau- Start war die Stadtratssitzung im Jahr ßung des Viertels. Statt einer durch- Am Ackermannbogen hat zum Beispiel der Bezirksaus- Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern en. Ein besonderes Augenmerk hatten 1993, in der ich forderte, den Bezirks- gehenden Straßenverbindung wurde schussvorsitzende mit dem gesamten Bezirksausschuss sehr wichtig. wir auf öffentliches, halb öffentliches ausschuss von Anfang an in den Kon- durchgesetzt, dass die vier Quar- im Planungsreferat Werkstattgespräche mit der Verwaltung und privates Grün in den Siedlungen. versionsprozess einzubeziehen. Ober- tiersteile jeweils separat erschlossen

132 133 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Kooperation und Partizipation

Christian Herde, Architekt, Berater und Projektsteuerer für Baugemeinschaften Neuland: Baugemeinschaften am Ackermannbogen

wurden. Schleichverkehr oder Autos, Die Weitergabe der Informationen, Er- ange Zeit galt München als woh- tend zu unterstützen. Dazu gehörten Interessenten abspringen ließen. Bezirksausschüsse die auf Parkplatzsuche in Nähe des fahrung und Geduld sind bei solch lan- L nungspolitische Diaspora. Vorreiter Führungen zu den ausgestellten Wett- Aus der Sicht des externen Beraters Olympiageländes die Straßen des gen Planungsprozessen wichtig. Man für Wohnprojekte, Wohnungsgenos- bewerbsergebnissen sowie Informatio- und Prozesskoordinators bewundere Bezirksausschüsse (BA) bestehen Wohnviertels Am Ackermannbogen braucht Mitstreiter in allen Parteien, senschaften und private Baugruppen nen über Fördermöglichkeiten und die ich im Nachhinein aber auch die Verant- seit dem Ende des Zweiten Welt- verstopfen, konnten so zum Beispiel ohne die der Bezirksausschuss nicht waren Städte wie Hamburg, Berlin Angebote der beteiligten Bauträgerin- wortlichen bei der Stadt, die sich auf krieges und sind die Stadtviertel- vermieden werden. die nötige Durchsetzungskraft hätte. Tübingen und Freiburg. Doch 1999 nen und Bauträger. Viele Anfragen wur- diesen offenen Prozess mit ungewis- parlamente in den 25 Münchner Das politische Klima muss stimmen, hatte der Münchner Stadtrat be- den von der Verwaltung direkt an mich sem Ausgang, mit ihnen unbekann- Stadtbezirken. Sie haben Antrags-, Was die städtebauliche Gestalt betrifft, sonst kann ein langfristiger Prozess schlossen, dass am Ackermannbogen weitergeleitet. Als externer Berater ten, teilweise unerfahrenen Partnern Unterrichtungs-, Anhörungs- und seit so gab es auch manchmal heftige scheitern.Die Verwaltung muss zu Genossenschaften und private Bau- musste ich sowohl städtische Vorga- eingelassen haben. Hätten sie sich 1996 in stadtviertelbezogenen Ange- Debatten mit der Verwaltung. Wen- Kooperation und auch zu Wagnissen herrengemeinschaften zum Zuge kom- ben und Entscheidungen vertreten wie auf die bekannten Bauträger gestützt, legenheiten Entscheidungsrechte. depunkt war wohl, als der Bezirks- bereit sein. Schließlich müssen die men sollten. Als Teil des Programms auch die Wünsche der zu Beratenden hätten sie sich einerseits sicher einige ausschuss den geplanten nördlichen ehrenamtlichen Ausschussmitglieder „Offensive Zukunft Bayern“ sollte auf gegenüber der Verwaltung deutlich Arbeit gespart. Andererseits spricht Abschluss der „Großen Wiese“ in die Welche Erfahrungen und/oder Hand- das überdurchschnittliche Zeitinvest- dem ehemaligen Kasernengelände machen, was manchmal einem Spagat die gelungene architektonische Vielfalt, Stadtgestaltungskommission brachte. lungsempfehlungen ziehen Sie aus ment ermöglichen können. Das erlaubt im Schatten des Olympiabergs Neues glich. die durch die Baugemeinschaften am Diese entschied mit großer Mehrheit Ihrer Arbeit in den Bezirksausschüs- nicht jede familiäre und berufliche ausprobiert werden und entstehen. Ackermannbogen entstanden ist, für für die Alternative, die der Bezirksaus- sen in Bezug auf die Entwicklung Situation. Insgesamt neun Jahre lang habe ich Die Beratung begann lange bevor die diesen erhöhten Aufwand. schuss und die Bewohnerinnen und von Kasernenarealen in München? diesen Prozess zunächst als Berater im Bedingungen für den Erwerb von Grund- Bewohner des ersten Bauabschnitts Die Arbeits- und Kommunikationsstruk- Auftrag der Stadt und anschließend als stücken, wie Kosten, Lage und Zeitplan, Im ersten Bauabschnitt realisierte die favorisierten. Ab da war gegenseitiges Wenn es so läuft wie am Ackermann- turen und die politischen Schwerpunk- Koordinator und Vertreter von vier Bau- feststanden. Dies führte teilweise zu Genossenschaft wagnis eG im Rosa- Zuhören und Lernen angesagt. Viele bogen, dann lohnt sich der außeror- te sind in den Bezirksausschüssen oft gruppen begleitet. Enttäuschungen bei den Bewerberin- Aschbrenner-Bogen 92 Wohnungen Lösungen wurden schließlich nicht dentliche Aufwand. Es gibt allerdings unterschiedlich. Trotzdem gehe ich da- nen und Bewerbern. Erst schrittweise und Gemeinschaftseinrichtungen. nur mit dem Planungsreferat, sondern Voraussetzungen, ohne die es nicht von aus, dass ein Bezirksausschuss die Zunächst bestand meine Aufgabe wurden die einzelnen Regelungen ent- Zudem entstand das Passivhaus der auch gemeinsam mit anderen Refera- klappt. Ich bin seit 30 Jahren Mitglied Kraft hat, ein solches Projekt zusam- vor allem darin, Interessenten über wickelt, was für das Ergebnis durchaus NEST GmbH. Im Herbst 2002 konkreti- ten, Stadträtinnen und Stadträten und im Bezirksausschuss, andere sind men mit der Verwaltung zu stemmen. den Stand der Planungen an diesem vorteilhaft war. Schwierig waren die sierten sich die Planungen der Stadt für den Bewohnerinnen und Bewohnern sogar noch länger dabei. Auch wenn Wichtig ist in jedem Fall die Kommuni- begehrten Standort zu unterrichten großen Zeitverzögerungen im Planungs- den zweiten Bauabschnitt – auch hier erarbeitet. dies eine Ausnahme bleiben dürfte: kation mit der Bewohnerschaft. und freie Baugemeinschaften bera- ablauf, die viele wohnungssuchende waren Baufelder für Gemeinschaftspro-

Sind Sie mit den Ergebnissen der Werkstattgespräche zufrieden? Ist es gelungen, aus Kasernen ein Stadtquartier zu entwickeln?

Im Ergebnis eindeutig ja. Die Konver- sion ist gelungen, auch in der Außen- wirkung. Das ist nicht nur an der städ- tebaulichen Gestalt, an den Gebäuden und dem Leben im Viertel ablesbar. Auch die Straßennamen spiegeln die Wandlung vom Militär- zum Stadtraum wider. Alle Fraktionen im Bezirksaus- schuss kamen überein, Personen aus der Arbeiter-, Friedens- und Freiheits- bewegung im frühen 20. Jahrhundert zu ehren.

Natürlich gibt es auch Punkte, die ich persönlich bedauere, wie den Verlust der zahlreichen Bäume, die wegen der Kampfmittelräumung im Kasernen- gelände gefällt werden musten. Das ist bei ehemaligen Kasernenarealen unvermeidlich. Weiterhin gab es star- ke Verzögerungen im Planungs- und Umsetzungsprozess, die noch eine Ei- gendynamik entwickelten. Der Grund war, dass die letzten Bauabschnitte vom Bund erst dann erworben wer- Die „Große Wiese“ im Zentrum des Quartiers Am Ackermannbogen Bevor diese Baugemeinschaft am Ackermannbogen baute, holte sie sich unter anderem Anregungen bei einer Besichtigungstour in München-Riem. den konnten, als der erste Abschnitt bereits bezogen war.

134 135 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Kooperation und Partizipation

»Spezialeinheiten in einem großen Verwaltungsapparat.« Im Gespräch mit Elisabeth Ziegler, Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Oberschleißheim

jekte vorgesehen. Schnell wuchs erneut auch die Begleitung bei den Verhandlun- ständliches geworden. Die Angebote Welche Bedeutung hatte die Fürst- ländes, wie er bei anderen Kasernen die Zahl der Interessenten auf über gen mit der Stadt und der Ausarbeitung der Stadt wurden im Laufe der Jahre Wrede-Kaserne für die Gemeinde der Fall war und ist, gab es bei der hundert, und durch eine Reihe von Ver- des Vertrages zwischen den einzelnen konkreter und kalkulierbarer. Als es Oberschleißheim? Fürst-Wrede-Kaserne nicht. Auch ist anstaltungen bildeten sich daraus im Gruppen. Jede Gruppe baute mit ihrem in den Jahren 2010 und 2011 um die die nun geplante Nutzung aus Sicht Frühjahr 2003 zuerst acht Baugruppen, eigenen Architekten, und es entstanden Grundstückvergabe im vierten Bau- Die Kaserne mit ihrem Standort der Gemeinde Oberschleißheim gut von denen sich dann sechs als ARGE vier sehr unterschiedliche Gebäude mit abschnitt am Ackermannbogen ging, München hatte wegen ihrer Lage am verträglich mit der Lage des Geländes Ackerbau mit einem gemeinsamen insgesamt 35 Wohneinheiten und einer gab es eine Vielzahl von Gruppen und äußersten Ortsrand nur eine sehr un- inmitten von Naturschutz- und Fauna- Konzept für die Baufelder bewarben. sehr hohen architektonischen Qualität. professionellen Beraterinnen und Be- tergeordnete Bedeutung für unsere Flora-Habitat-Gebieten. Auf Betreiben der Baugruppen wurde Bis zum Bezug der Häuser im Jahr 2006 ratern, die um Teilnehmende warben, Gemeinde und rückte erst durch die von der Stadt sogar der Bebauungsplan trafen wir uns regelmäßig in meinem obwohl die gestiegenen Grundstücks- Planungen des FC Bayern München Im Zuge der Entwicklung des Areals geändert: Statt drei konnten nun vier Büro. Es es dauerte noch bis Ende 2007, preise einige Gruppen zur Aufgabe e. V., dort ein Vereinszentrum zu errich- wird zwischen Oberschleißheim und Reihenhauszeilen gebaut werden. Tat- bis die Freiflächen und die gemeinsame zwangen. ten, stärker in den Mittelpunkt. München eine interkommunale Ver- sächlich fanden dann alle Platz, wobei Tiefgarage abgerechnet waren und in einbarung getroffen. Was beinhaltet zwei Gruppen unter dem Dach von Bür- die Hände der gemeinschaftlichen Ver- Die Bauten von Baugemeinschaften Wie haben Sie die Nachricht vom diese Vereinbarung im Wesentlichen? gerbau eine Kooperation eingingen und waltung übergeben wurden. tragen maßgeblich dazu bei, dass auf Ende der militärischen Nutzung des sich vier Baugruppen verpflichteten, für diesem ehemaligen Kasernenareal Areals aufgenommen? Festgehalten wurden vor allem Pla- die Erschließung einen gemeinsamen Bei einem Besuch der Siedlung, bei ein besonders lebendiges Stadtviertel nungsabsprachen, um sicherzustellen, Masterplan zu erstellen. einem Spaziergang durch die kleinen entstanden ist. Von den Gemeinschafts- Die Nachricht vom Ende der militäri- dass die beiden Bebauungspläne der Erschließungswege spürt man die häusern mit Einrichtungen wie dem schen Nutzung war mit der möglichen Landeshauptstadt München und der Für diese Koordinationsaufgabe, die besondere nachbarschaftliche Qualität, Café Rigoletto profitieren auch die Nachfolgenutzung durch den FC Bayern Gemeinde Oberschleißheim eng auf- Moderation der Entscheidungsfindung die durch die Bauweise, aber auch Häuser der konventionellen Bauträger. München e. V. eng verknüpft. Diesen einander abgestimmt werden. und später die Rolle des Bauherren- durch das sehr intensive gemeinsame Der Ackermannbogen ist ein beliebtes Planungen stand die Gemeinde Ober- Für eine Gemeinde mit nur knapp vertreters, die Kontoführung und die Planen entstanden ist. Viertel – natürlich spielt dabei auch die schleißheim von Beginn an sehr positiv Was sind die besonderen Herausfor- 12.000 Einwohnern ist es natürlich eine Abrechnung wurde ich nach Ablauf ausgezeichnete Lage in der Stadt eine gegenüber. Einen Schwebezustand, derungen bei einem gemeinsamen Herausforderung, mit einem so großen des städtischen Vertrages von den vier Aus dem Experiment Baugemeinschaf- Rolle, die von Anfang an viele Men- geprägt von Ungewissheit über die Stadtentwicklungsvorhaben über Partner wie der Landeshauptstadt Gruppen direkt beauftragt. Dazu gehörte ten ist mittlerweile etwas Selbstver- schen angezogen hat. weitere Entwicklung des Militärge- kommunale Grenzen hinweg? München zusammenzuarbeiten. Auch wenn die Einigung über die Grundzüge der Planungen schnell erreicht werden konnte, ist die Abstimmung der De- tailfragen doch teils sehr langwierig. Viele Spezialeinheiten in einem großen Verwaltungsapparat müssen eingebun- den und beteiligt werden. Da sind nicht nur die Planer gefragt, sondern es muss zum Beispiel die Anbindung des Geländes mit den städtischen und staatlichen Straßenbaubehörden abge- sprochen werden. Einzelheiten sind zu regeln, Gremienbeschlüsse müssen herbeigeführt werden. So musste et- wa unser Gemeinderat alle einzelnen Schritte im Rahmen des Bauleitplan- verfahrens beschließen. Doch kann ich sagen, dass sich die Zusammenarbeit, das Hinwirken auf ein gemeinsames Ziel, sehr angenehm gestaltet.

Wie würden Sie sich das ehemalige Kasernengelände zukünftig wün- schen – wie sollte es sich idealerwei- se entwickeln?

Die derzeitigen Planungen für ein Ver- einsgelände entsprechen in vollem Um- fang den Vorstellungen der Gemeinde. Wir wünschen uns eine lebendige Nut- zung, die auch die Oberschleißheimer Planungsbesprechung einer Baugruppe am Ackermannbogen Im nördlichen Teil der Fürst-Wrede-Kaserne soll – in Sichtweite zur Allianz Arena – ein neues Ver- einssportgelände des FC Bayern München e. V. entstehen. Vereine wie den TSV Schleißheim oder den FC Phönix einbindet.

136 137 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Kooperation und Partizipation

Fallbeispiel Kooperation und Partizipation: Am Ackermannbogen Fallbeispiel Kooperation und Partizipation: Prinz-Eugen-Kaserne »Offensive Zukunft« Workshop »Open Space«

100 Gemeinden aus ganz Bayern hatten toren) wurden daher die Bauträger vom Das Areal der einstigen Prinz-Eugen- an der Cosimastraße gebaut?“ Diese sich mit insgesamt 132 Vorhaben für Stadtrat ausgewählt, die als Optanten Kaserne liegt inmitten eines bereits und weitere Fragen von Bürgerinnen das Programm „Siedlungsmodelle“ im den weiteren Planungsprozess beglei- voll entwickelten und gewachsenen und Bürgern zum Verkehr, zur Gestal- Rahmen der „Offensive Zukunft Bay- teten und gemeinsam den städtebauli- städtischen Umfelds. Das Referat für tung des Wohngebietes, zur sozialen ern“ der Bayerischen Staatsregierung chen Realisierungswettbewerb auslob- Stadtplanung und Bauordnung hatte Infrastruktur und zum Grundstücks- beworben. Zwölf Projekte wurden 1995 ten. Als Sieger wurde das Freisinger von Beginn an ein hohes Interesse an verkaufsverfahren im zukünftigen vom Ministerrat ausgewählt. Der erste Büro A2 ausgewählt, dessen Entwurf einer umfassenden Beteiligung und Prinz-Eugen-Park wurden während Bauabschnitt am Ackermannbogen die Grundlage aller weiteren Planungen aktiven Mitwirkung der Anwohner- der Veranstaltung erläutert. Mehr als zählte dazu. Für die Entwicklung des wurde. schaft am weiteren Planungsgesche- 80 Interessierte nahmen an diesem nordöstlichen Teils des Quartiers erhielt hen. Eine Maßnahme war hier unter neuen Partizipationsverfahren teil, die Landeshauptstadt München nicht Insgesamt wurden 654 Wohnungen anderem ein eintägiger Workshop im das als Erweiterung im Rahmen der nur ein Darlehen – das „Siedlungsmo- errichtet – sowohl öffentlich geförderte auf Bundesebene als beispielhaftes Juli 2010. gesetzlich vorgeschriebenen Öffent- die anwesenden Bürgerinnen und dell für neue Wege zu preiswertem, Mietwohnungen als auch geförderte Siedlungsmodell bewertet. So lobt zum lichkeitsbeteiligung durchgeführt wur- Bürger anschließend in verschiedenen ökologischem und sozialem Wohnen in Eigentumswohnungen, Wohnungen im Beispiel das Bundesamt für Bauwe- „Wird es eine höhere Lärmentwick- de. Die verantwortlichen Architekten Arbeitsgruppen mit Vertreterinnen und Bayern“ wurde auch in enger Koopera- München Modell und frei finanzierter sen und Raumordnung in einer Studie lung geben? Wie kann die neue Stra- erläuterten nicht nur ihr Planungskon- Vertretern der Verwaltung sowie wei- tion mit dem Freistaat entwickelt. Das Wohnraum. Sieben verschiedene Archi- (BBSR-Online Publikation 13/2009): ßenbahntrasse überquert werden? zept. Auf Grundlage der sogenannten teren Sachverständigen ihre Anregun- Projekt wurde unter anderem von ei- tekturbüros waren für die Realisierung „Trotz einer hohen Dichte (Reihenhäu- Werden zwingend nur Fünfgeschosser Open-Space-Methode diskutierten gen und Kritik. nem Beirat begleitet, bestehend aus je der Wohnprojekte verantwortlich. Ent- ser, Geschoss) ist es gelungen, durch vier Mitgliedern des Freistaates Bayern standen ist zum Beispiel das Haus in die Architektur und Freiraumgestaltung Fallbeispiel Kooperation und Partizipation: Bayernkaserne und der Landeshauptstadt München. der Therese-Studer-Straße des Münch- sehr private Räume (abgegrenzter Gar- Der Darlehensvertrag mit dem Freistaat ner Architekten Prof. Andreas Meck, das ten, Dachterrasse), hausnahe Grün- und Planung im Dialog mit der Öffentlichkeit erforderte eine frühzeitige Einbindung unter anderem mit dem Bauherrenpreis Aufenthaltsmöglichkeiten für Kleinkinder von Bauträgern und Bauträgerinnen. In des Deutschen Städtetages 2006 und Eltern sowie Spiel- und Freizeitan- Die Stadt München beschreitet einen Bewohner visionär in den Prozess ein- „Kurze Beine, kurze Wege“: Die Bür- einem gesonderten Auswahlverfahren ausgezeichnet wurde. Die „Offensive gebote für ältere Kinder im gesamten neuen Weg der Öffentlichkeitsbeteili- zubeziehen. Zudem soll die Beteiligung gerinnen und Bürger wünschen sich (Gespräch mit Investorinnen und Inves- Zukunft“ im Ackermannbogen wird auch Quartier zu schaffen.“ gung: Erstmals vor Auslobung eines dazu beitragen, den Bürgerinnen und eine fußläufige Erreichbarkeit aller Wettbewerbs waren die Münchner Bürgern die Ziele der Stadt zu vermit- Versorgungseinrichtungen im Quartier. Fallbeispiel Kooperation und Partizipation: Kronprinz-Rupprecht-Kaserne Bürgerinnen und Bürger eingeladen, teln, den Rahmen ihrer Gestaltungs- Urbanität soll durch Mischung von Neue Verfahrenswege in einer Informationsveranstaltung und möglichkeiten realistisch darzustellen Wohnen, wohnverträglichem Gewerbe, in einer Werkstatt ihre Erwartungen an und ihre Wünsche und Anregungen zu Gastronomie, sozialer Infrastruktur und das neue Quartier auf der ehemaligen diskutieren. Nahversorgung erreicht werden. Das Um eine Städtebauliche Entwicklungs- unterschiedlichen Gründen kam jedoch Bayernkaserne zu formulieren, damit neue Viertel soll von gemischten Wohn- maßnahme durchzuführen, muss das eine Einigung zwischen dem Bund und diese bereits in die Auslobung des 180 Interessierte, fast ausschließlich strukturen und einem vielfältigen und jeweilige Areal üblicherweise von der der Investorin nicht zustande. Wettbewerbs einfließen können. aus den umliegenden Wohngebieten, flexiblen Wohnungsangebot geprägt Stadt erworben werden. Im Fall der kamen zum Auftaktgespräch mit der sein. Neue Wohn- und Mobilitätskon- Kronprinz-Rupprecht-Kaserne wurde Bund und Stadt einigten sich dennoch Die Chancen, die sich durch das neue Stadtbaurätin am 6. Februar 2012. zepte wie Wohnen ohne Auto, Car- eine besondere Regelung getroffen. darauf, den vorgeschlagenen Verfahrens- Quartier für die Nachbarschaft, für 75 von ihnen nahmen auch an dem Sharing und andere Formen sollten Aufgrund der im Dezember 2003 getrof- weg auch für zukünftige Verkaufsbestre- die Entwicklung Freimanns und den ganztägigen Werkstattgespräch teil, berücksichtigt werden. Generell soll so fenen „Gemeinsamen Erklärung” zwi- bungen des Bundes weiterzuverfolgen. gesamten Münchner Norden erge- das am 11. Februar in einem ehema- wenig innerer Autoverkehr wie möglich schen der Bundesrepublik Deutschland Die dazu getroffene „Gemeinsame Er- ben, sollen gemeinsam ausgelotet ligen Kasernengebäude stattfand. entstehen. als Grundstückseigentümerin und der klärung” beinhaltet also, dass der Bund und entwickelt werden. Dabei gilt es Gemeinsam mit Expertinnen und Landeshauptstadt München kann auf Stadt signalisierte ihr Einverständnis, die Grundstücke an private Investorinnen einerseits, den Erwartungen der an- Experten der Stadtverwaltung und der Vor dem Start des Wettbewerbs kön- einen Zwischenerwerb durch die Stadt wenn sich die künftigen Grundeigentü- und Investoren verkaufen kann, wenn grenzenden Wohnbevölkerung gerecht Stadtwerke München, Büros der Wett- nen sich die Bürgerinnen und Bürger verzichtet werden. merinnen und Grundeigentümer vertrag- die Stadt zugleich die mit der Städtebau- zu werden und andererseits, die Inter- bewerbsbetreuung sowie Mitgliedern bei einer weiteren Veranstaltung darü- lich über eine Entwicklungsvereinbarung lichen Entwicklungsmaßnahme ange- essen zukünftiger Bewohnerinnen und des Preisgerichtes wurden in sechs ber informieren, welche ihrer Wünsche Die Vorgeschichte dieser besonderen Ko- den Zielen und Zwecken der Entwick- strebten Ziele und Zwecke erreicht. Der Arbeitsgruppen einzelne Aspekte, die und Anregungen den Weg in die Wett- operationsvereinbarung geht bis ins Jahr lungsmaßnahme unterwerfen und zu Bund erklärt sich im Gegenzug bereit, bei den Planungen Berücksichtigung bewerbsauslobung gefunden haben 1994 zurück. Bereits zu diesem Zeit- der entsprechenden Kostenübernahme die Stadt beim Verkauf der Grundstücke finden sollen, erläutert und diskutiert. und welche vielleicht erst später in der punkt führte die Bundesrepublik Tausch- verpflichten. Die Stadt, die auf ihr „Recht so zu stellen, als würde sie die Entwick- Umsetzungsphase Berücksichtigung verhandlungen über das Gelände der des ersten Zugriffs“ nach den Verbilli- lungsmaßnahme selbst durchführen. Die Es ging dabei um die zukünftigen finden können. Nach dem Wettbewerb Kronprinz-Rupprecht-Kaserne mit einer gungsgrundsätzen verzichtete, könnte „Gemeinsame Erklärung“ steht damit Grün-, Spiel- und Freiflächen, um werden die Ergebnisse des städte- privaten Investorin. Der Bund wollte die dann von einem Zwischenerwerb des exemplarisch für die zahlreichen neuen Wegesysteme, die städtebauliche baulichen und landschaftsplanerischen Fläche zum „entwicklungsunbeeinfluss- Kasernenareals absehen, da die mit der Verfahrenswege und Kooperationsfor- Struktur und Dichte des neuen Viertels, Wettbewerbs öffentlich vorgestellt, ten” Wert verkaufen. Die Stadt München Städtebaulichen Entwicklungsmaßnah- men, die im Rahmen der Konversion um Wohnqualität, Infrastruktur und wobei sich die Bürgerinnen und Bürger wurde vom Finanzministerium gebeten, me angestrebten Ziele und Zwecke so der Münchner Kasernenareale erstmals Verkehr. Auch Fragen zur Identität des im Zuge der Überarbeitung nochmals diesem Vorgehen zuzustimmen. Die auf andere Weise erreicht würden. Aus erprobt werden. neuen Quartiers waren ein Thema. einbringen können.

138 139 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Identität Identität

Strukturen schaffen, Raum lassen. Wie entsteht aus dem einstigen militä- rischen Sicherheitsbereich ein lebendiges Stadtviertel? Gilt: gut geplant ist halb gewonnen? Lässt sich Identität überhaupt planen? Kann Stadtplanung die Identität, das Profil eines Stadtviertels und die Identifikation damit lenken? Und versteht vielleicht jede und jeder etwas anderes unter Identität? Ob ein Quartier „funktioniert“ und ob sich die Menschen dort wohlfühlen, lässt sich an mehr oder weniger klaren Kriterien festmachen, die selbstverständlich in den Planungsprozess und die Umsetzung einfließen müssen. Ob es dann wirklich gelingt, bleibt offen bis zum „Stresstest“.

140 141 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Identität

»Man muss das Aushalten lernen.« Identität Stadtbaurätin Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk im Gespräch mit dem Choreografen Micha Purucker

Auf dem ehemaligen Kasernenareal Dachauer Straße / Schwere-Reiter- Straße / Luitpoldkaserne soll zukünf- tig ein Kreativquartier entstehen. Wie sieht Ihr Ideal eines kreativen Stadt- viertels aus, Herr Purucker? Kann man eine „kreative“ Identität für ein neues Stadtquartier planen?

Micha Purucker: Ob man so etwas planen kann, weiß ich nicht. Gelingt es, eine Plattform oder ein Areal zu konzi- pieren, auf dem Kreatives entstehen kann? Darin besteht die große „Chal- lenge“. Wir verfügen nicht über Bauten und Flächen, die andere Städte haben. Inzwischen schimpft sich in Berlin zum Beispiel jeder Hinterhof Krea- tivquartier, und da arbeiten dann drei Fotografen und eine, die Topflappen häkelt. München hat völlig andere Vor- uf der Nordhaide und am Ackermannbogen ist es be- stimmt. In einer Filmproduktion des Bayerischen Rundfunks aussetzungen, und deswegen finde ich Elisabeth Merk: Ja, man setzt regel- Oft wird Kreativität mit einem of- Areits gelungen, neue Stadtquartiere zu schaffen, mit von 2008 wurde unter dem Titel „Ödnis im Rechteck“ unter diesen Entwicklungsprozess hier total rechte Anker oder Impulsgeber. Ich fenen, nicht gesteuerten Prozess denen sich die jeweiligen Bewohnerinnen und Bewohner anderem auch die Nordhaide als eine mit dem Lineal abge- spannend. Ich glaube nicht, dass man glaube allerdings, wenn man jetzt gleichgesetzt. Inwiefern kann in identifizieren – in jedem Gebiet auf unterschiedliche Weise. zirkelte Siedlung ohne jede Qualität und Urbanität porträ- Kreativität planen kann. Aber es gibt planerisch auf die üblichen Instrumen- diesem Sinne Kreativität ein Instru- Es bleibt zu hoffen und alles zu unternehmen, dass dies tiert. Den Ackermannbogen bewertete der Beitrag hingegen gewisse „Trigger“-Elemente für Kreati- tarien zurückgreift und fragt: „Was ment der Stadtentwicklung sein? auch in den noch anstehenden Quartieren wie der ehemali- recht positiv. Dies nahm das Referat für Stadtplanung und vität. Dazu muss man sich anschauen, brauchen Kreative?“, kann man schnell gen Funkkaserne, im Prinz-Eugen-Park und der ehemaligen Bauordnung zum Anlass, bei der Bewohnerschaft in der wie die Leute arbeiten und leben. Das falsch liegen. Gerade, wenn man Men- Elisabeth Merk: Ich glaube, Kreativität Bayernkaserne gelingt. Bei der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne Nordhaide nachzufragen. Das Ergebnis der repräsentativen kann man dann in die Planung mitein- schen ansprechen will, die noch andere als Instrument ist der falsche Begriff. und der Fürst-Wrede-Kaserne werden andere Nutzungen Haushaltsumfrage: Drei Viertel der Befragten fühlen sich in beziehen, und aufgrund dieser Freiräu- Ideen und Bedürfnisse haben, die über Wir definieren ja gerade nicht, was – etwa aus den Bereichen Wirtschaft, Sport- und Bildung – ihrem neuen Stadtviertel wohl, denken aber, dass das Quar- me oder „Trigger“ entsteht vielleicht das normale Wohnen oder Arbeiten Kreativität ist, aber im weitesten Sinne Profilierungsschwerpunkte setzen. tier einen schlechten Ruf hat. „Das Erscheinungsbild der die kreative Identität eines Viertels. hinausgehen. kann sie ein Motor der Stadtentwick- Nordhaide setzt sich aus vielen Einzelaspekten zusammen“, Letztlich sind es die Menschen, die lung sein. Wie können die normalen Welche Rolle Kreativität und Kreative in der Stadtplanung schrieb dazu im März 2011 die Süddeutsche Zeitung. „Nicht dort arbeiten oder sich da zu Hause Es geht um das bewusste Zulassen linearen und notwendigen Planungs- haben, wird sich mit der Entwicklung der ehemaligen Luit- nur die Fassaden, die nicht alle schön sind, spielen eine Rol- fühlen, die Identität schaffen. von Prozessen, die vielleicht auf den prozesse mit der nötigen Offenheit im poldkaserne und dem angrenzenden Kreativquartier zeigen. le bei der Beurteilung des Stadtviertels. Bemerkenswert ist ersten Blick nicht immer ganz geklärt Bezug auf die zeitlichen Abläufe und Im Planungsprozess zur ehemaligen Funkkaserne standen zum Beispiel in der Nordhaide, dass die Stadtplaner an das Elisabeth Merk: Ich glaube auch, dass sind. Das ist etwas, das uns und die Verdichtung ihrer Aktionen in Ein- sich zum Teil widersprechende Entwicklungsziele und damit Sicherheitsgefühl der Bewohner gedacht haben – etwa bei man weder Identität noch Kreativität großen Teilen der Bevölkerung doch klang gebracht werden? auch zukünftige Identitäten gegenüber: die durch die Zwi- der Anordnung der Tiefgaragen-Stellflächen oder der Wege planen kann. Aber man kann Freiräume meistens eher Schwierigkeiten macht. schennutzung etablierte Künstlerkolonie versus die Schaf- und Spielplätze.“ Die Bewohnerinnen und Bewohner fühlen oder Spielräume durch Planung ermög- Es passieren in solchen Spielräumen Micha Purucker: Ich denke, man muss fung dringend benötigten Wohnraums für alle Bevölkerungs- sich wohl und sicher – sie identifizieren sich mit ihrem Vier- lichen. Man kann Rahmenbedingungen möglicherweise Dinge, die man nicht vor allem das Aushalten lernen. Man- schichten. Von der „Keimzelle“ der Kunst im erhaltenen tel. Dies zeigt sich langsam auch in der Außenwirkung. schaffen – das, was Sie wahrscheinlich genau einschätzen kann, sie sogar ab- che Dinge dauern eben etwas länger. Haus 50 könnten nun zukünftig wertvolle, identitätsstiftende mit „Trigger“ meinen. Es geht also um lehnt. Dass aus Ablehnung und Miss- Man kann die Entwicklung dieses Ge- Impulse für das neue Quartier ausgehen. Ist es zudem möglich, die Bewohnerschaft von Anfang Rahmenbedingungen, die bestimmte trauen dann Neugier entsteht, lässt ländes auch als die Entwicklung einer an einzubinden, stehen die Chancen gut, dass ein identi- Situationen zulassen und nicht verhin- sich aber zumindest durch Aktionen sozialen Plastik begreifen, einer Art Für die Wohngebiete gilt: Entscheidend ist das subjektive tätsstiftendes Quartier oder zumindest solche Strukturen dern. Wahrscheinlich werden diese eher oder informelle Beteiligungsprozesse Mobile in Bewegung. Das ist ein völlig Wohlbefinden der Menschen, die dort leben. Aber wie lässt entstehen. Erleichtert wird dies durch funktionierende Nach- durch ein Weniger an Planung geschaf- unterstützen. anderer Ansatz als „Zack! Hier sind wir, sich das durch entsprechende Planungs- und Stadtentwick- barschaften. Diese können nur entstehen, wenn dafür auch fen, die aber dennoch an den zwei, drei und da müssen wir hin“. lungsmaßnahmen unterstützen? Sollte jedes Quartier von Räume zur Verfügung gestellt werden. Das können zum wichtigen Stellschrauben dreht, damit Micha Purucker: Sie meinen, wie die allem etwas haben, oder ordnet man – falls man die Identi- Beispiel öffentliche städtische Nachbarschaftshäuser oder sich etwas entwickeln kann. Planungswerkstätten für das Kasernen- Elisabeth Merk: Das ist ein schönes tät eines Viertels planen könnte – ein Quartier den Familien, selbst organisierte Bewohnertreffs, unterstützt durch Bau- areal an der Dachauer Straße? Das Ge- Bild – wie in einem Mobile Bewegun- ein anderes den Etablierten und wieder ein anderes den trägerinnen und -träger, Baugruppen oder Genossenschaf- Micha Purucker: Wenn Sie in die Mitte biet war immer eine Sonderzone. Mit gen im Prozess und Wechselwirkungen Kreativen zu? Wie muss der Planungsprozess gestaltet sein, ten sein. Auch die Gestaltung des öffentlichen Raums muss eines Gebietes einen Nachtkiosk set- dem Label „Kreativquartier“ stellt man einfach bewusst zuzulassen und nicht um frühzeitig Partizipation, Akzeptanz und vielleicht sogar Nachbarschaften zulassen. Er muss nutzbar sein – durch zen, dann ist das für eine bestimmte diesen Sonderstatus auch noch heraus zu versuchen, sie zu verhindern. Wir eine Identifikation der zukünftigen Be- und Anwohnerschaft zugewiesene und individuell anzueignende Flächen gleicher- Gruppe von Menschen attraktiv. Diese und verpflichtet sich zu einem sehr offe- tun uns schwer damit, während eines zu erreichen? maßen. Schlicht: Es muss Raum für Identität bleiben. Leute wohnen dann gerne dort. Ich nen Planungsprozess. Letztlich arbeitet Prozesses den Standpunkt zu ändern, glaube, es gibt viele solche Kleinig- die Kunst ja auch so. Man hat keine de- vor allem, wenn es um die rechtliche Die Erfahrung zeigt, dass die Außenwahrnehmung mit der keiten, die unterschwellig bestimmte finitive Methode, und trotzdem hat man Situation geht. Da gibt es Richtlinien, im Viertel selbst empfundenen Realität nicht immer überein- Prozesse auslösen. irgendwann mal ein Ergebnis. Vorschriften und Gesetze. Genau da

142 143 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Identität

muss man flexibler sein, sonst kann man die positiven Dinge, die sich ent- wickeln, nicht aufgreifen.

Micha Purucker: Ich glaube, die Leute wollen auch etwas gestalten. Es muss ja nicht immer alles fertig sein, wenn man einzieht. Man könnte überlegen, ganz konkrete Sachen offenzuhalten. Wenn es um die rechtlichen Rahmen- bedingungen geht, die Sie gerade an- gesprochen haben, muss man für ein solches Quartier vielleicht auch einen etwas kreativeren Umgang mit der Rechtslage entwickeln.

Elisabeth Merk: Klar, das ist die wahre Herausforderung im Hintergrund. Aber man muss auch fragen, was man den Nutzerinnen und Nutzern tatsächlich zutrauen kann. Ich glaube, viel. Es wird aber bestimmte Sachen geben, die unterstützt worden sind, als Zwischen- Bundes im Rahmen der Nationalen können von den Akteurinnen und Ak- nutzungen in einem Areal, für das von Stadtentwicklungspolitik erhalten. teuren einfach nicht geleistet werden – Vornherein etwas anderes geplant Was erwarten Sie von dieser en- egal, wie sehr sie das wollen. Ganz war. An der Dachauer Straße haben gagierten Herangehensweise, Frau banale Dinge: Zum Beispiel gibt es sich nicht nur Einzelkünstler, sondern Merk? bestimmte Einrichtungen wie Schulen kreative Unternehmen angesiedelt, die oder Kindergärten, die unbedingt im Projekte initiieren. Das geht weit über Elisabeth Merk: Dass wir für die För- Quartier vorhanden sein müssen, und die private Nutzung von Atelierräumen derung vom Bundesministerium für dafür bedarf es traditioneller Träger- hinaus. Das ist ein Impuls, den man Verkehr, Bau und Stadtentwicklung schaften und Verantwortlichkeiten. jetzt in das Areal hinein weiterent- ausgewählt worden sind, ist ein An- wickeln kann. Gerade wenn man die sporn. Es zeigt, dass wir mit unseren Frau Merk, in der Funkkaserne gab es denkmalgeschützten, großen Hallen Ideen für ein Kreativquartier und einem ja viele Jahre lang eine Künstler-kolo- miteinbezieht, ist eine völlig andere gemeinsamen Beteiligungsprozess, in nie. Inwieweit unterscheidet sich die Durchmischung von Arbeiten und den nicht nur das Planungs-, sondern Herangehensweise von der künstleri- Wohnen denkbar. Zwar folgen auch die auch das Kulturreferat und die bereits schen Nutzung jetzt beim Kasernen- anderen ehemaligen Kasernenareale vorhandenen Akteure eingebunden areal Dachauer Straße / Schwere- in München dem Prinzip der sozialen sind, auf dem richtigen Weg sind. Die Reiter-Straße / Luitpoldkaserne? Durchmischung. Die Dachauer Straße Erwartungen sind natürlich hoch. Also, erhält mit unseren Diskussionen und jetzt müssen wir das richtig gut hinbe- Elisabeth Merk: Die Vorgeschichte Workshops darüber hinaus bereits jetzt kommen, oder? der Funkkaserne in der Domagkstraße ein inhaltliches Programm. kenne ich nicht gut genug, als dass Micha Purucker: Das fängt ja gerade ich das jetzt umfassend beantworten Micha Purucker: Ich hatte in der Do- erst alles an, und Initiativen wie der ge- könnte. Ich würde die Frage eher so magkstraße jahrelang ein Lager – das meinsame Workshop sind schon ein- formulieren: Warum beurteilen wir die war natürlich eine völlig andere Zeit. mal sehr ehrbar. Allerdings sind viele Entwicklung an der Dachauer Straße Als man in den 1980er-Jahren dahin Leute natürlich misstrauisch. So etwas jetzt schon als so vielversprechend? gegangen ist, war jeder froh, dass er gab es noch nie. Was viele an so einem Ich denke, das hängt vor allem mit der seinen Zipfel erwischt hat, und man Beteiligungsprozess irritiert, ist der feh- Lage in der Stadt und den Ausgangs- hat das nicht, wie jetzt zum Beispiel lende Schlagabtausch mit der Politik, bedingungen zusammen. Die Dachauer durch Workshops, vor einem partizipa- der sich so eingebürgert hat: Bürger Straße liegt zentraler als die Domagk- torischen Horizont diskutiert. Man hat fordern, Politik liefert, oder nicht. Die straße, ist viel besser erreichbar und damals auch noch nicht von einer krea- meisten Menschen empfinden offen- bereits jetzt Arbeitsort der kreativen tiven Klasse gesprochen. sichtlich keinen Gestaltungsspielraum Szenen. für ihr persönliches Umfeld mehr, und Mit dem sehr offenen Planungs- es macht sie misstrauisch, wenn ihnen Die Domagk-Ateliers in der Funkka- prozess zum Kreativquartier geht dieser plötzlich eingeräumt wird. Man Das Areal der Luitpoldkaserne gehört zum Planungsgebiet für das neue Kreativquartier. serne waren private Atelierräume die Stadt neue Wege. Sie hat dafür muss vielleicht erlebt haben, dass man in Randlage, die auch von der Stadt jüngst auch eine Förderung des etwas verändern kann, bevor man es

144 145 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Identität

Micha Purucker: Es ist immer Teil gesprochen. Wir haben in München jemand, der alleine wohnt, hat das Elisabeth Merk: Einer Verdichtung unserer Arbeit gewesen, sich Platz strukturell bedingt deutlich über 50 Pro- Bedürfnis nach einer Nachbarschaft, in stimme ich natürlich zu. Nicht nur im zu schaffen. Viele Leute haben nur in zent Singlehaushalte, und das heißt der er sich wohlfühlt. Man braucht ein baulichen Sinn, sondern auch in der München inzwischen den Eindruck, es ja jetzt nicht, dass alle jung, schön Umfeld, in dem man sich sicher fühlen Nutzungsentfaltung. Meine ideale Vor- ginge hier nichts mehr, weswegen ja und reich sind. Es geht querbeet und nach seinen Bedürfnissen entfal- stellung von dem Quartier wäre, dass einige gehen oder schon weggegan- durch alle Gesellschafts- und Alters- ten kann. Ein Umfeld, das die Möglich- es Überlagerungen von Nutzungen und gen sind. Trotzdem bleiben viele eben schichten, durch sämtliche Milieus keit zur Begegnung aktiv unterstützt Funktionen zulässt und dass es sich auch immer noch hier und haben nicht und Lebensvorstellungswelten. In der und Spielräume dafür bietet. Da lässt auch in einer visuellen Wahrnehmung das Handtuch geschmissen. Aber pro- Stadtentwicklungspolitik haben wir in sich bei der Entwicklung von solchen unterscheiden darf von anderen Quar- bieren Sie jetzt einmal, in Freiham ir- den letzten Jahren natürlich einen ganz Quartieren schon einiges tun. tieren. Ein Quartier, das, so gesehen, gendetwas zu machen. Das ist nicht so starken Fokus darauf gehabt, Familien dann eigentlich auch nie fertig wird. einfach. Da sind so viele Leute, die sich in der Stadt zu halten. Das ist sicherlich Um an dieser Stelle noch einmal gerade ihr neues Häuschen gebaut ein wichtiges Ziel und muss auch wei- auf den Anfang unseres Gesprächs Micha Purucker: Also ein kontinuierli- haben, die sofort Berührungsängste terbearbeitet werden. Aber wenn man zurückzukommen – wie sieht das cher, belebter, bewohnter Wandlungs- haben. Aber das ist vielleicht auch nicht sieht, dass nur rund 15 Prozent unserer ideale Kreativquartier dann aus? prozess – eine Art Dauerbaustelle. unbedingt der Punkt. Man findet sich Haushalte Familien im klassischen Sin- da schon zurecht. Es kann aber nicht ne sind, also Familien mit Kindern, be- Micha Purucker: Also ich würde mir Elisabeth Merk: Jedenfalls kein Quar- darum gehen, immer nur punktuelle deutet das auch, dass wir uns um die wünschen, dass man dort merkt: „Hallo, tier, bei dem man die Baustelle schlüs- Nischen zu besetzen. Ich hab nichts Bedürfnisse der anderen 85 Prozent hier ist was anders.“ Dass hier andere selfertig übergibt. Es sollte schon gegen Nomadentum, aber das ist nicht kümmern müssen, die in ganz ande- Gesetze gelten, dass hier ein bisschen bewusst auf Veränderungen angelegt jedermanns Sache. ren Lebenszusammenhängen stehen. auf die Tube gedrückt wurde, das dürf- sein. Auch der öffentliche Raum hat weiterbetreibt. Vielleicht haben die Micha Purucker: Die Frage, ob Mün- Da wird die Diskussion um das Krea- te man schon gerne spüren. Ich liebe eine Schlüsselfunktion für so ein Quar- meisten das noch nie erfahren. chen zu teuer oder zu dicht ist für Engagieren Sie sich deshalb in der tivquartier zu einem Thema, das die asiatische Städte, weil die einfach me- tier. Ich würde mir wünschen, dass die Kreative, beantworte ich mit „Ja“. Und Planung zum Kreativquartier? gesamte Stadtgesellschaft betrifft. Ich gavoll sind und megaverdichtet, und das Bürgerinnen und Bürger selbst mehr in Elisabeth Merk: Das fällt mir manch- München ist, das ist ja auch die Attrak- benutze den Begriff „Nachbarschaft“ in empfinde ich als sehr urban. Verdichtung diesen Räumen gestalten können und mal bei der jüngeren Generation auf. tion dieser Stadt, sehr ordentlich. Hier Micha Purucker: Ein Großteil meiner diesem Zusammenhang gerne. Auch finde ich in jedem Fall gut. immer wieder auch verändern dürfen. Viele haben scheinbar einfach noch steht kein Baum, kein Stein, bei dem Arbeit hat sich immer mit dem, im wei- nicht die Notwendigkeit erlebt, sich et- sich nicht eine Gestaltungskommission testen Sinne, urbanen Umfeld des Kör- Ideal wäre, wenn die zukünftigen Nut- was selbst generieren zu müssen. darum gekümmert hat, dass der genau pers auseinandergesetzt, egal ob das zerinnen und Nutzer die Bereitschaft Ich glaube schon, dass man als Stadt da steht. Das ist alles sehr gefügt. auf der Bühne war oder im öffentlichen mitbringen, eine andere Form von unterstützen muss und Möglichkeiten Wieder Platz oder Luft zu schaffen, das Raum. Zudem finde ich, dass München Treuhänderschaft für den öffentlichen schaffen sollte, aber es muss auch ist eine tolle Aufgabe. wieder ein Gelände braucht, in dem Raum und das Quartier zu überneh- eine starke Eigeninitiative geben. In sie sich irgendwie als zukunftswillig men. Ich würde mir wünschen, dass diesem Zusammenhang sehe ich die Elisabeth Merk: Ja, ich finde auch, und zukunftsfähig verortet. Ich muss dort Menschen hinziehen, die bewusst Institutionalisierung von Kultur und dass darin eine Aufgabe liegt. Warum immer an das Olympiagelände denken, sagen: „Ja, das möchte ich, das ist mir Kreativwirtschaft als große Gefahr. In setzt man sich nicht auch mit den Wi- wo man mal wirklich einen Schritt nach auch etwas wert, und ich übernehme so einem Kreativquartier darf es einen dersprüchen auseinander? Es könnten vorne gemacht hat und worin sich gerne einen Anteil, um den ich mich Anker geben, aber eben nur einen Künstler und Kreative bewusst nach die Stadt zu diesem Zeitpunkt auch kümmere, damit das Quartier lebendig Anker. Das ganze Kreativquartier muss Riem rausgehen, gerade weil es da erkannt und gespiegelt sah. Etwas mit wird.“ viel freier sein. so ordentlich und aufgeräumt ist, und einer ähnlich identitätsstiftenden Kraft versuchen, dort etwas zu bewegen. und Zukunftslust, das könnte München Das Gespräch führte Dina Straße, München gilt als wenig frei, als zu Aber es ist ja schon schwierig, die Stu- wieder einmal gut vertragen. Und Referat für Stadtplanung und dicht und zu teuer für Kreative. Sind denten dahin zu bringen. Es kommen deswegen muss sich eine Stadtgesell- Bauordnung. das Vorurteile, oder ist das zumin- immer fadenscheinige Erklärungen, schaft auch ein bisschen Mühe geben, dest die halbe Wahrheit? warum das nicht geht, aber zu irgend- wenn sie jetzt ein neues Viertel plant, welchen anderen Hallen, die am Ende über dem auch noch „kreativ“ steht. Elisabeth Merk: Es würde doch keiner der Welt liegen, schafft man es ja auch. Und sie muss über die Leute nachden- auf die Idee kommen, New York, Lon- Warum sollte man sogenannte Kreativ- ken, die eine ähnliche Lebenssituation don, Paris oder Rio als nicht kreativ zu quartiere nur in unmittelbarer Nähe zu haben wie Kreative. Man muss auch bezeichnen, weil sie zu teuer oder zu Schwabing oder nur auf Stadtbrachen in München genauer hinschauen, dicht sind. Es ist ja nicht so, dass diese inszenieren, statt nicht auch einmal be- wie es um die Leute mit schwierigen Großmetropolen, mit denen man Mün- wusst in Neubaugebiete wie Freiham Erwerbsbiografien und unsteten Le- chen manchmal vergleicht, billiger sind gehen, um dort etwas zu kreieren? bensläufen steht. Wie ist es mit Alters- oder weniger dicht. Ich finde, diese Krite- armut? Das sind Lebensumstände, die rien passen nicht wirklich. Was ich natür- Kann man von einer kreativen Szene nicht exklusiv für Kreativleute stehen. lich schon als Problem erachte, sind die nicht erwarten, dass sie sich selbst unglaublich teuren Räume hier, sodass ihre Nischen in der Stadt schafft, Elisabeth Merk: Ich würde das ganz Illustration zum Siegerentwurf von TELEINTERNETCAFE (Berlin) für das Kreativquartier der Zugang zu Räumen durch die hohen und dann eben auch im Neubauge- genau so sehen. Sie haben zum Bei- Preise in der Stadt erschwert wird. biet, Herr Purucker? spiel den demografischen Wandel an-

146 147 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Identität

»Davon könnten alle Anwohner profitieren.« Im Gespräch mit Dr. Herbert Grebenc, Leiter Immobilien- und Facility-Management der BMW Group

Bereits jetzt arbeitet die BMW tieren den hohen Standard auch zu- Fallbeispiel Identität: Am Ackermannbogen Group auf Teilfächen der ehemali- künftiger Produkte und damit den wirt- Ein echtes »Zu-Hause«-Gefühl gen Kronprinz-Rupprecht-Kaserne. schaftlichen Erfolg eines der größten Zukünftig soll der Forschungsbe- Münchner Arbeitgeber. Zum anderen „Der Ackermannbogen war ja von An- reich noch weiter ausgebaut wer- konnten wir konsequent das Prinzip fang als familienfreundliches Quartier den. Was macht das ehemalige Mili- der kurzen Wege weiterverfolgen. geplant. Damit ein Quartier tatsächlich tärareal interessant für BMW? Bislang ausgelagerte Umfänge konn- familienfreundlich wird, braucht es au- ten im FIZ konzentriert werden, was ßer großen und vor allem bezahlbaren Vor nunmehr über 25 Jahren hat unser positive Effekte auf den notwendigen Häusern und Wohnungen, verkehrs- Vorstand eine strategische Entschei- Logistikaufwand hat. beruhigten Straßen, Kindergärten und dung getroffen, die für das Unterneh- Schulen in der Nähe auch eine verläss- men BMW AG in zweifacher Hinsicht Dies ist aber nur ein kleiner Beitrag liche, sichere und gute Nachbarschaft. die Folgezeit prägte. Zum einen war zum strategischen Unternehmensziel Dank einer öffentlich-privaten Partner- BMW der erste Automobilhersteller, Nachhaltigkeit. Daneben beinhalten schaft zwischen der Landeshauptstadt der sich entschloss, alle Entwicklungs- unsere Konzepte den Anspruch auf München und der Wohnbaugenossen- aktivitäten an einem zentralen Ort Plus-Energie-Gebäude, diskutiert wer- schaft wagnis eG konnte mit dem Be- zu bündeln – dem Forschungs- und den auch offene Campusstrukturen zug der ersten Häuser auch die Nach- Innovationszentrum (FIZ) im Münchner mit der Integration von Kooperations- barschaftsBörse in Betrieb gehen. Mit Norden. Zum anderen bedeutete die partnern. dem Konzept der quartierbezogenen Wahl dieses Standortes ein klares Be- Bewohnerarbeit, sprich der Aktivierung kenntnis zum Standort München und In unmittelbarer Nachbarschaft und Unterstützung nachbarschaftlicher Deutschland. welten der Zukunft benötigen weitere wird ein Gymnasium entstehen. Initiativen, und den für die Nachbar- Wachstumsflexibilität. Das Areal der Sind hier Symbiosen zwischen dem schaft zugänglichen Gemeinschaftsräu- Das FIZ ist für die BMW Group ein we- ehemaligen Kronprinz-Rupprecht- BMW-Forschungsstandort und dem men wurde ein zentrales Element für sentlicher Garant für den Erfolg, und Kaserne kann diese bieten. zukünftigen Münchner Bildungs- ein familienfreundliches Viertel und ein auch der Stadtteil hat stark profitiert. standort vorstellbar? echtes „Zu-Hause-Gefühl“ geschaffen. Insgesamt haben wir im und um das Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Über die Jahre hat sich die Nachbar- FIZ bis heute circa 25.000 Arbeitsplät- Verbesserung der Verkehrserschlie- Wir sind immer an gutnachbarschaftli- schaftsBörse in Trägerschaft des Acker- ze geschaffen. Das Stadtbild hat sich ßung des Münchener Nordens bei- chen Beziehungen interessiert. Außer- mannbogen e. V., eines kleinen, ehren- durch die prägnante, aber auch nach- spielsweise durch eine bessere Auto- dem unterstützen wir mit zahlreichen amtlich geführten und gemeinnützigen barschaftsverträgliche Architektur des bahnanbindung. Davon könnten alle Projekten die Orientierung junger Nachbarschaftsvereins, zu einer Keim- FIZ mit den breiten Grünzonen sehr Anwohner profitieren. Menschen in Richtung technisch-wis- zelle vielfältigen bürgerschaftlichen positiv verändert. senschaftlicher Berufe. Eine Zusam- Engagements in den Bereichen Kultur, Welche Pläne verfolgen Sie konkret menarbeit ist also aus BMW Group- Gesundheit, Ökologie und Öffentlich- Das FIZ hat sich dazu immer wieder auf dem Gelände? Was könnte im Sicht erwünscht, und wir wollen diese keitsbeteiligung entwickelt. Für viele neu erfunden und weiterentwickelt. Zusammenhang mit dem FIZ Nord- im Laufe der Zeit entwickeln. Akteure und Akteurinnen und an der Trotz des starken Drucks der globa- Nord dort zukünftig entstehen? Kooperation Beteiligte, die inzwischen len Märkte zur Internationalisierung Der nachhaltige Erfolg eines Unterneh- ebenfalls im Quartier tätig sind, ist die der Entwicklung möchten wir diese Wir würden gerne das Erfolgskonzept mens hängt entscheidend davon ab, NachbarschaftsBörse ein wichtiger An- Erfolgsstory im Münchner Norden FIZ fortführen. In den vergangenen inwieweit es in der Lage ist, Mitarbei- ker und Zugangsknoten ins Viertel. weiterführen. Dabei wird sich das Jahren konnten wir zum einen neue ter und Kunden zu begeistern und zu FIZ noch weiter mit dem Stadtquar- Entwicklungsumfänge, die sich zum gewinnen. Die Ansiedelung des Gym- Identität entsteht über eigenes tier vernetzen und urbaner werden. Beispiel durch die Elektrifizierung des nasiums bietet hierzu Chancen, eben- Tun, über gute Nachbarschaft, über Antriebs und die zunehmende Bedeu- so können wir uns eine gemeinsame Engagement im Wohnumfeld. Die Gerade künftige Fahrzeug- und Mobi- tung von Elektrik/Elektronik im Auto Nutzung beispielsweise von Sport-, Stadtplanung kann Identitätsbildung in litätskonzepte erfordern eine stetige ergeben, dort abbilden. Hochqualifi- Bildungs- und Verpflegungseinrichtun- Wohnquartieren unterstützen, indem Intensivierung und Veränderung der zierte Arbeitsplätze und neueste Tech- gen vorstellen. sie möglichst viele partizipativ ange- Forschungs- und Entwicklungstätigkei- nologieanlagen – also wahrscheinlich legte Wohnprojekte zulässt und aktiv ten. Unser Anspruch an Nachhaltigkeit auch ein Mix an Büroarbeitsplätzen, befördert. Menschen, die die eigene und die Anforderungen der Arbeits- Prüfanlagen und Simulatoren – garan- Wohnung ganz konkret mitgeplant haben, sind auch eher bereit, sich im Quartier zu engagieren. Die Erfahrung, als Einzelperson oder als Gruppe etwas bewirken zu können, ist Grund- wo Initiativen gebündelt werden, wo führt. Wahrscheinlich ist das ein stän- lage für die Bereitschaft zu weiterem sich Engagement entfalten kann. Die diger, sich gegenseitig befruchtender Engagement und damit letztlich auch spannende Frage ist, was zuerst da Wechselprozess.“ von Identifikation. Allerdings braucht sein muss: das Engagement, das dann es dafür auch passende „Andock- zur Identifikation führt, oder die Iden- (Heidrun Eberle, NachbarschaftsBörse Stellen“, wo man Gleichgesinnte trifft, tifikation, die dann zum Engagement Am Ackermannbogen)

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Architektonisch herausragende Einzelbauten Architektonisch herausragende Einzelbauten Architektonisch herausragende Einzelbauten Studie zur Zufriedenheit im Quartier

Fallbeispiel Identität: Nordhaide Fallbeispiel Identität: Nordhaide Hohe Zufriedenheit »Hier musste die Zukunft, die unsere, und zwar eine glückliche entstehen.« Nordhaideplatz Studentenwohnanlage Dominikuszentrum Stadtplanung Der lebendige Nordhaideplatz vor dem Die Studentenwohnanlage bietet mit Unmittelbar am Dominikusplatz gelegen Im Auftrag des Referats für Stadtpla- „Ringsumher hohe Erdhaufen, be- Beseitigung der riesigen Restmüll- registrieren wir auf einmal, dass Spezia- Einkaufszentrum MIRA liegt direkt am ihren überdeckten Innenhöfen, halböf- bildet das Dominikuszentrum die geistige nung und Bauordnung wurde 2010 Zufriedenheit mit der Wohnsituation - alle Haushalte wachsen von bunten Wildblumen, ver- Bestände aus der Bauzeit angepackt, listen aus aller Welt unsere Siedlung be- U-Bahnhof Dülferstrasse. Von hier aus fentlichen Bereichen und Wohngemein- und kulturelle Mitte des Quartiers. Der eine Anwohnerbefragung in der Nord- schlammte Wege, Baugruben, Kräne, dreimal „Ramadamas“ organisiert, suchen und bewundern … Es ist auch ist die Innenstadt in 15 Minuten zu errei- schaften in den Türmen ein hochwertiges introvertierte Komplex beherbergt neben haide durchgeführt. An der repräsenta- Rohbauten … und mittendrin die eigene Probleme und Verbesserungsvorschläge unser Erfolg, ein Erfolg von uns Bürgern chen. Besondere Aufmerksamkeit zieht Angebot für gemeinschaftliches Wohnen. einer Kapelle verschiedene soziale Ein- tiven Umfrage nahmen mehr als 500 Ich bin rundum zufrieden neue Wohnung, die von der Umzugs- diskutiert und an die Stadt-Verantwortli- der Nordhaide.“ ein Brunnen auf sich, der vom Künstler Die Bauweise ist umweltfreundlich und richtungen, die vom zentralen Innenhof Haushalte teil. Die folgenden Ergeb- mit meiner Wohnsituation 24% Nordhaidefirma kaum gefunden wird (Sibirien?), chen herangetragen, schließlich eine ei- Alexander Laner gestaltet wurde. Ein be- energieeffizient. Charmant und wohltu- aus erschlossen werden. Der wie eine nisse stammen aus dem Abschlussbe- so ging’s los, 2004. Eine emotionale gene Stadtteilzeitung, die „DiNo-News“ (Frank May, Bewohnergemeinschaft wegtes Wasserspiel durchzieht das flache end ist die Farbgestaltung mit dem Rot plastische Ziegelskulptur konzipierte Bau richt des beauftragten Forschungsinsti- Neues Wohnen Zerreißprobezwischen Stadt – es konnteund Haidelandschaft nur besser gegründet, Angerfeste im Sommer Nordhaide e.V.) Becken und lädt Kinder zum spielen ein. der Felsennelke. Die Anlage wurde mit wirkt prägend in allen wesentlichen Sicht- Ich bin zwar nicht vollkommen tuts Empirica (Berlin/Bonn): zufrieden, aber insgesamt 49% werden –, und es wurde besser! Da durchgeführt, und so weiter … Erstaunt dem BDA-Bauherren-Preis 2006 und mit achsen des Quartiers. Der Bau erhielt gefällt es mir eigentlich gut waren die elegante U-Bahn-Station vor Bauherrin: dem Ehrenpreis der Stadt München für den Fritz-Höger Preis 2011 für Backstein- Landeshauptstadt München, Baureferat guten Wohnungsbau 2005 ausgezeichnet. Architektur. „Die Bewohnerinnen und Bewohner der Haustür, der Blick vom Rande der des Wohnquartiers Nordhaide sind mit Ich bin einigermaßen zufrieden Siedlung auf eine unfassbar leere, wei- Kunst am Bau: (Brunnen) 16% Alexander Laner, München Bauherrin: Bauherrin: ihrer Wohnsituation zufrieden (drei Vier- te Wiese, die langsam sichtbar werden- Baubeginn: 2008 Studentenwerk München, Anstalt des Kath. Kirchenstiftung St.Gertrud, Caritas- tel der Befragten rundum zufrieden, den Konturen einer Parklandschaft quer Fertigstellung: 2009 öffentlichen Rechts München zentrum München Nord, Erzbischöfliches bzw. ihre Wohnsituation gefällt ihnen). durch die Anger, die Nachricht vom Ent- Ich bin nicht zufrieden Planung: bogevischs buero hofmann Jugendamt München Es ist insbesondere die Kombination 9% stehen eines modernen Einkaufszen- ritzer architekten, München mit Keller Planung: meck architekten, München mit von ‚ÖPNV-Anbindung‘, ‚Nähe zu Natur trums um die Ecke, die Einrichtung von Landschaftsarchitekten, München Burger Landschaftsarchitekten, München und Erholungsflächen, Ruhe‘ und ‚In- 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% sieben (!) Kindertagesstätten und ei- Baubeginn: 2003 Baubeginn: 2006 frastruktur der Daseinsvorsorge‘, die nem Jugendfreizeitzentrum – allmählich Fertigstellung: 2005 Fertigstellung: 2008 zur Zufriedenheit beiträgt.“ räumten auch unsere Freunde ein, dass friedenheit mit den Kindergärten und „Die Zufriedenheit mit dem nach- die Entscheidung für die Nordhaide Impressum Einkaufszentrum „Das Wohnquartier Nordhaide wird als Kinderkrippen ist außerordentlich hoch barschaftlichen Zusammenleben ist etwas für sich hatte. Dann waren da die Herausgeberin: Das farbenfroh gestaltete Einkaufszen- Dominikusplatz Grundschule mit Tagesheim. sehr familienfreundlich eingestuft (von (fastIm Auftrag 90 Prozent des Referats sehr zufrieden/zufrie für Stadtplanung- sehrBefragten hoch. Achtsind dervon Auffassung, zehn Befragten dass sich Nachbarn – eine globalisierte Kommune Landeshauptstadt München trum MIRA versorgt mit seinen großen Der offen und einladend gestaltete Do- Die lange Front der Grundschule markiert 94 Prozent der Befragten) und acht von den).und Bauordnung Auch mit den wurde Spielmöglichkeiten 2010 eine An- habenKinder einen sicher guten im Wohnumfeld Kontakt zu bewegen ihren von Menschen, die, wie man selbst, Referat für Stadtplanung und Bauordnung und kleinen Läden und gastronomischen minikusplatz präsentiert sich als Ort der den östlichen Rand des Quartiers. Zwei zehn Befragten sind der Auffassung, fürwohnerbefragung Kinder sind die in Bewohnerinnen der Nordhaide durch- und Nachbarn,können. Die drei Familien Viertel schätzenfühlen sich das im viel - alles auf diese eine Karte gesetzt hatten HA II/12 - Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen Angeboten die Menschen im Quartier. Begegnung. Ein Platanenhain spendet Höfe modellieren den dreigeschossigen geführt. An der repräsentativen Umfrage fältige Betreuungsangebot für Kinder dass sich Kinder sicher im Wohnumfeld Bewohner zufrieden, wobei die Zu- Wohnquartier Nordhaide sicher und und dementsprechend entschlossen Blumenstr. 28b, 80331 München Durch innovative Gebäudetechnik konnte Schatten und lädt mit den darunter be- Baukörper an der Ost- und Westseite nahmen mehr als 500 Haushalte teil. Die (neun Einrichtungen, gleichmäßig über bewegen können. Die Familien schät- friedenheit mit Spielmöglichkeiten für bei den Älteren trifft dies sogar auf waren: Hier musste die Zukunft, die Tel.: (0 89) 233-2 25 43 eine Halbierung des Gesamtenergiever- findlichen Bänken zum Verweilen ein. Die und gliedern das Schulhaus in kindlich folgenden Ergebnisse stammen aus dem das Gebiet verteilt). Die Zufriedenheit Fax: (0 89) 233-2 42 38 brauches erreicht werden. Die Deutsche teilweise direkt angrenzenden Infrastruk- erfahrbare Einheiten. Auf den Dachgärten zen das vielfältige Betreuungsangebot KinderAbschlussbericht bis sechs Jahredes beauftragten höher ist For- 80mit Prozent den Kindergärten zu.“ und Kinderkrippen unsere, und zwar eine glückliche ent- E-Mail: [email protected] Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen tureinrichtungen wie Jugendfreizeitstätte, und Pergolen der Schulhöfe erzeugt eine für Kinder (neun Einrichtungen, gleich- (70schungsinstituts Prozent) als die Empirica für Kinder (BerlinBonn): von ist außerordentlich hoch (fast 90 % sehr stehen. Der Gedanke eines Vereins als hat das Gebäude im Jahr 2009 mit dem Kirchenzentrum, Kindertreff und Grund- Photovoltaikanlage Strom. mäßig über das Gebiet verteilt). Die Zu- sechs bis 13 Jahren (60 Prozent).“ zufrieden/zufrieden). Bewohnergemeinschaft entstand und wurde verwirklicht, auf einmal kann- Bildnachweis: Landeshauptstadt München Zertifikat in Gold ausgezeichnet schule sorgen für Lebendigkeit. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Auch mit den Spielmöglichkeiten für Kin- In Eigeninitiative brachte die Bewohnergemeinschaft Nordhaide entlang der autofreien Diagonale Referat für Stadtplanung und Bauordnung Bauherrin: Fallbeispiel Identität: Nordhaide Wohnquartiers Nordhaide sind mit ihrer der sind die Bewohnerinnen und Bewoh- ten sich viele Leute auch aus anderen zunächst Holzschilder mit den Straßennamen zur besseren Orientierung an. Diese werden nun nach Edward Beierle, Fotograf Bauherrin: Bauherrin: Landeshauptstadt München, Schul- und Arabisch im Kirchenzentrum Wohnsituation zufrieden (drei Viertel der ner zufrieden, wobei die Zufriedenheit Angerstraßen, gemeinsam wurde die und nach von der Stadtverwaltung gegen witterungsbeständige Beschilderungen ausgetauscht. Michael Heinrich, Fotograf FONDARA Gesellschaft für Immobilie- Landeshauptstadt München, Baureferat Kultusreferat Befragten rundum zufrieden bzw. ihre mit Spielmöglichkeiten für Kinder bis 6 Florian Holzherr nentwicklung und Projektmanagement Planung: Burger Landschaftsarchitekten, Planung: Felix Schürmann Ellen Dettiger Wohnsituation gefällt ihnen). Es ist Jahre höher ist (70 %) als die für Kinder Das Dominikuszentrum prägt die wieder private Initiativen die Räume Felix Schürmann Ellen Dettiger Architekten mbH, München München Architekten, München mit Landschafts- insbesondere die Kombination von von 6-13 Jahren (60 %). Fallbeispiel Identität: Am Ackermannbogen Karten: Prof. Bü Prechter, Landschaftsarchitektin, Planung: Chapman Taylor Management Baubeginn: 2008 architekten Stötzer + Neher GmbH, NordhaideÖPNV-Anbindung, nicht nur Nähe architektonisch. zu Natur und Er- im Kirchenzentrum. und Böhm Glaab Sandler Mittertrainer, Architekten GmbH, Düsseldorf Fertigstellung: 2008 Sindelfingen Derholungsflächen, imposante undRuhe mehrfach sowie Infrastruktur preis- Die Zufriedenheit mit dem nachbar - Bus mit Füßen Fassadengestaltung: Leon Wohlhage Baubeginn: 2002 gekrönteder Daseinsvorsorge, Bau ist auch die außerhalb zur Zufrieden- der Soschaftlichen berichtete Zusammenlebendas Anwohnermagazin ist sehr Redaktion und Gestaltung: Wernik Architekten, Berlin Fertigstellung: 2004 katholischenheit beiträgt. Sankt Gertrud Gemeinde „DiNo-News“hoch. Acht von in zehn seiner Befragten Ausgabe haben vom Eigentlich bietet der Ackermannbo- de gebaut. Der kürzeste Weg durchs von bis zu acht Erst- und Zweitkläss- Michael Hardi , Baubeginn: 2006 ein wichtiger Treffpunkt und Veran- Frühjahreinen guten 2010: Kontakt „Eine kroatischezu ihren Nachbarn, Mu- gen optimale Voraussetzungen für Viertel war also noch nicht passierbar. lern werden diese von ehrenamtlichen Angelika Lermer Fertigstellung: 2008 staltungsort.Das Wohnquartier Regelmäßig Nordhaide finden wird alsim sikgruppedrei Viertel trifft fühlen sich sich regelmäßig im Wohnquartier zum einen kurzen und sicheren Schulweg: So blieb den Schulkindern meist Helferinnen oder Helfern so sicher Pfarrsaalsehr familienfreundlich Konzerte und eingestuft Ausstellungen (von Proben.Nordhaide Ein sichermarokkanisches und bei den Ehepaar Älteren Quer durchs verkehrsberuhigte Viertel nur der weitere Weg um das Viertel zur Schule begleitet. Mittlerweile Druck: Color - Offset GmbH, München zum94 % Beispiel der Befragten) in Zusammenarbeit und acht von zehn mit führttrifft eine dies Hausaufgabenbetreuungsogar auf 80 % zu. führt der Weg zur Grundschule in der herum entlang der stark befahrenen gibt es den „Bus mit Füßen“ an 26 dem Münchner Kulturreferat statt. Der durch und veranstaltet gelegentlich ein Gertrud-Bäumer-Straße. Über die be- Ackermannstraße. Da ein regulärer Grundschulen in und um München. Im Papier:Circlesilk Premium White blaue Andachtsraum wird auch von internationales Frühstück für die El- fahrene Ackermannstraße wurde eine Schulbus erst ab einer Strecke von Ackermannbogen ist das Solarquartier 100% Recycling der serbisch-orthodoxen Gemeinde tern. Tunesische Kinder werden in der Fuß- und Radwegebrücke gebaut. Weil zwei Kilometern zur Verfügung gestellt im Nordwesten inzwischen fertigge- und anderen Gruppen genutzt. Im arabischen Sprache unterrichtet.“ aber die einzelnen Bauabschnitte zeit- wird, bot der seit dem Herbst 2008 an- stellt. Viele der Grundschülerinnen und Juni 2012 östlichen Flügel betreibt das Caritas- lich versetzt realisiert werden müssen, gebotene „Bus mit Füßen“ eine Alter- -schüler aus dem Viertel können nun Zentrum unter anderem eine Sozial- kann das komplette interne Fußwege- native. Eltern aus dem Viertel richteten auf den neuen Quartierswegen alleine www.muenchen.de/plan station und eine Schuldnerberatung, netz erst nach Abschluss sämtlicher diesen „Begleitservice“ auf privater zur Schule gehen. Komplett wird das im „Haus der Familie“ treffen sich Baumaßnahmen fertiggestellt werden. Initiative ein, angeregt von dem gleich- Wegenetz mit der Realisierung des regelmäßig Eltern- und andere Grup- namigen Projekt der Umweltorgani- vierten Bauabschnitts voraussichtlich pen. Mehrmals im Jahr finden Basare Als die ersten Schüler aus dem Nord- sation City e. V. Er funktioniert wie ein im Jahr 2015 sein. für Kinderbekleidung und Spielsachen osten des Quartiers sich auf den Weg richtiger Bus. Es gibt eine feste Route statt. Darüber hinaus nutzen immer machten, wurde im Nordwesten gera- mit fixen Abholzeiten. In einer Gruppe

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Nordhaide_Folder_Juni_2012.indd 1-6 14.06.2012 09:05:22 Von der Kaserne zum Stadtquartier | Anhang

Von der Kaserne zum Stadtquartier: Zusammenfassung

is Anfang der 1990er-Jahre war die projekte, verschiedene Modellvorha- Wohnungen auf insgesamt rund 270 der Kronprinz-Rupprecht-Kaserne wer- des Erbes, das die Landeshauptstadt sowohl durch Autorinnen und Autoren BLandeshauptstadt München eine ben und engagierte Initiativen, die die Hektar Fläche geschaffen worden. den Erweiterungsmöglichkeiten für das München mit der Übernahme und aus der Stadtverwaltung selbst, aber der größten Garnisonsstädte der Bun- Orte nachhaltig prägen. Die Publikation Durch die konsequente Anwendung Forschungs- und Innovationszentrum des Entwicklung der einstigen Militärare- auch aus Sicht der involvierten Behör- desrepublik. Mit dem Ende des Kalten „Von der Kaserne zum Stadtquartier“ insbesondere des planungsrechtlichen Unternehmens BMW sowie ein den ge- ale angetreten hat. Wichtig war es in den des Landes und Bundes erörtert. Krieges und den anschließenden dokumentiert diese Entwicklungen und Instrumentariums der Städtebaulichen samten Münchner Norden versorgendes diesem Zusammenhang – und wird es Reformen der Bundeswehr wurden skizziert anstehende Vorhaben, por- Entwicklungsmaßnahme wurde in Gymnasium entstehen. Auf dem Areal auch in Zukunft sein, – genau hinzu- Ein wichtiger Bestandteil des Prozes- nach und nach zahlreiche Kasernen- trätiert acht ehemalige Kasernenareale München eine die Gemeinwohlinte- der ehemaligen Fürst-Wrede-Kaserne schauen! Wodurch zeichnet sich eine ses ist der Erwerb und die Reprivati- standorte aufgegeben. Bereits 1992 und beleuchtet in sechs Themenkom- ressen sichernde Vorgehensweise wird Baurecht für den Amateursport des ehemals militärisch genutzte Fläche sierung der Grundstücke. Als bekannt hat deshalb der Münchner Stadtrat plexen anhand von Fachbeiträgen, entwickelt. Planungsziele waren die FC Bayern München e. V. geschaffen. aus? Was sind für jedes einzelne Areal wurde, dass zahlreiche Flächen in für die frei gewordenen und frei wer- Interviews und Fallbeispielen die Kon- Schaffung und Finanzierung von mög- die Potenziale, und was sind die He- München zukünftig nicht mehr vom denden Kasernen und Truppenübungs- version der einstigen Militäranlagen. lichst viel Wohnraum für ein breites Erbe: Genau hinschauen rausforderungen? Aber auch: Was sind Militär genutzt und damit vom Bund plätze die Einleitung Städtebaulicher Spektrum der Bevölkerung mit den Planungsziele für diese Flächen? „freigegeben“ werden, hat sich die Entwicklungsmaßnahmen beschlossen Der Wandel von der Kaserne zum dazugehörigen Infrastruktureinrichtun- Der Themenkomplex „Erbe“ beleuch- Eine umfassende und gründliche inter- Landeshauptstadt München sehr und vorbereitende Untersuchungen Stadtquartier umfasst komplexe Pla- gen, die städtebauliche Neuordnung tet die historische Ausgangslage und disziplinäre Analyse ist unabdingbar, früh entschlossen, das Instrument veranlasst. 20 Jahre danach zieht die nungs- und Entwicklungsprozesse, der Militärbrachen und ihre Einbindung den Umgang mit dem Bestehenden. insbesondere dann, wenn die Flächen der Städtebaulichen Entwicklungs- Landeshauptstadt München mit der an denen zahlreiche Akteurinnen und in das bestehende Stadtgefüge. Ent- Wenn die Truppen das Areal verlassen zunächst in den städtischen Besitz maßnahme einzusetzen. Maßgeblich vorliegenden Publikation ein Resümee Akteure beteiligt waren und sind. Die standen sind lebendige Stadtquartiere und die Flächen nicht mehr militärisch übergehen sollen. für diese Entscheidung waren unter über den in dieser Größendimension Publikation liefert hier umfassende an der Nordhaide und am Ackermann- genutzt werden, bleibt zunächst eine anderem auch die Verbilligungsgrund- einmaligen städtebaulichen Wand- Erfahrungsberichte und Handlungs- bogen, die Bauarbeiten auf dem Areal Hinterlassenschaft. Diese zeigt sich auf Prozess: Hand in Hand sätze des Bundes, die den Gemeinden lungsprozess und gibt einen Ausblick empfehlungen aus Sicht der involvier- der Funkkaserne beginnen in Kürze. ganz unterschiedliche Weise: baulich, das Recht des ersten Zugriffs auf die auf die zukünftigen Planungen. ten Planerinnen und Planer, externer landschaftlich, geschichtlich, organisa- Wenn eine Kaserne im Rahmen einer Flächen einräumten, ohne das Rechts- Expertinnen und Experten und nicht In den nächsten Jahren steht zudem die torisch, problematisch oder einfach nur Städtischen Entwicklungsmaßnahme instrumentarium der Städtebaulichen München verfügt über einen weitrei- zuletzt der Bewohnerinnen und Be- Entwicklung weiterer Kasernenflächen menschlich. Wie geht man mit diesem – zum Wohngebiet umgestaltet werden Entwicklungsmaßnahme als Satzung chenden Erfahrungsschatz mit den wohner der neuen Stadtquartiere. wie der Luitpoldkaserne, der Prinz-Eu- manchmal auch schwierigen – Erbe soll, ist die Ausgangslage besonders anzuwenden. Chancen, aber auch mit den Herausfor- gen-Kaserne und der Bayernkaserne mit um? Was befindet sich unter der Erde? komplex. Eigentum des Bundes soll – derungen von Konversion, einschließ- Porträts von acht ehemaligen rund 100 Hektar für circa 5.000 bis 6.000 Welche Bezüge und Beziehungen – zumindest temporär – als kommuna- Die Planungs- und Abstimmungs- lich seiner Randerscheinungen wie Münchner Militärarealen Wohnungen an. Sie bilden so einen we- auch persönliche – gibt es zu einem les Eigentum erworben, entwickelt phasen sind dabei im Rahmen des Zwischennutzungen oder Altlasten. Im sentlichen Baustein für die zukünftige Gelände, das jahrzehntelang durch die und dann wieder veräußert werden. Konversionsprozesses umfangreich Zusammenhang mit der Entwicklung In den neuen Stadtquartieren Nordhai- Stadtentwicklung. Daneben werden Bundeswehr genutzt wurde? Das involviert umfassende rechtliche, und entsprechend zeitintensiv. Zwi- der Flächen entstanden und entstehen de, Am Ackermannbogen und Funkka- auch die wirtschaftliche Prosperität und planerische, verwaltungstechnische, schennutzungen stellten daher für nicht nur beispielhafte Wohnbauten serne ist auf ehemaligen Militärflächen die Förderung von Sport und Bildung Fallbeispiele aus den ehemaligen aber auch politische Entscheidungen, die Entwicklungen vieler ehemaliger und Infrastrukturen, sondern auch zahl- bisher im Rahmen von Entwicklungs- durch die Entwicklung der ehemaligen Münchner Kasernengebieten veran- Verfahren und Instrumente. Im The- Kasernenareale ein wichtiges, wenn reiche Kultur-, Bildungs- und Freizeit- maßnahmen Baurecht für über 6.300 Kasernenflächen unterstützt. Im Bereich schaulichen die verschiedenen Aspekte menkomplex „Prozess“ werden diese auch nicht immer konfliktfreies Instru-

Zahlen und Zeichen: Fotografien von Edward Beierle

ie folgenden Bilder des Münch- Dner Fotografen Edward Beierle dokumentieren „Fundstücke“ auf den ehemaligen Kasernenflächen, die vom einst Vorhandenen erzählen, von den Spuren der vergangenen Nutzung, vom mittlerweile Verschwundenen und von der Transformation.

Sie sind während der vielen Streifzüge des Fotografen im Sommer 2011 und Frühjahr 2012 durch die acht Konver- sionsareale entstanden – eher als „Nebenprodukt“ oder vielmehr „persönliche Randnotizen“, die in der Serie eine ganz eigene, fast poetische Sprache entfalten.

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mentarium dar. Exemplarisch werden Energieversorgungskonzepte sind so des Ackermannbogens und der Nord- setzung von besonders ökologischen nenflächen ist die Zusammenarbeit mit Teilbereich der Kronprinz-Rupprecht- die Münchner Erfahrungen anhand von realisiert worden, ökologische Muster- haide veranschaulicht. oder partizipativen Konzepten fordert unterschiedlichen Partnerinnen und Kaserne. Fallbeispielen und aus der Perspektive siedlungen sollen zukünftig entstehen und dementsprechend zukünftige Grund- Partnern. Im Themenkomplex „Koope- verschiedener Akteure dargestellt. und Prozesse wie die geschlechter- und Auf eigenen Flächen besteht für die stückseigentümerinnen und -eigentümer ration und Partizipation“ wird dabei In den ehemaligen Kasernenbereichen, Wichtig war und ist für den Konversi- generationengerechte Planung kamen Stadt zum Beispiel die Möglichkeit, eine auswählt. Für städtebaulich sehr expo- das Zusammenspiel der verschiedenen die künftig hauptsächlich dem Wohnen onsprozess, dass nicht die Arbeit eines bei der Entwicklung der Kasernen erst- verbindliche Qualitätssicherung auch nierte Stellen oder öffentliche Einrich- Ebenen und Akteure (Staat, Kommune, dienen sollen, wäre ohne das persön- Referats oder einer Dienststelle allein, mals umfassend zur Anwendung. über privatrechtliche Vereinbarungen tungen werden in der Regel zusätzliche Wirtschaft oder Bürgerschaft) beleuch- liche und finanzielle Engagement zahl- sondern das abgestimmte Planen aller wie Kaufverträge festzuschreiben. Es Realisierungswettbewerbe für die tet. Wie gelingt es, die jeweiligen Inte- reicher Kooperationspartner an neue, beteiligten städtischen Verwaltungen, Städtebau und Architektur: sollen Areale entstehen, die städtebau- konkreten Bauvorhaben durchgeführt. ressen ernst zu nehmen und in regem funktionierende Stadtquartiere, in aber auch das Einbinden von externen Eigentum verpflichtet lich und landschaftsplanerisch nicht nur So sind auf den ehemaligen Kasernen- Austausch zu bleiben? denen sich die Bewohnerinnen und Be- Dienststellen zu einem nachhaltigen hohen ästhetischen Anforderungen ge- flächen teilweise auch architektonisch wohner wohlfühlen, nicht zu denken. Erfolg führt. Bei der Entwicklung der Flächen übt recht werden, sondern auch funktionale herausragende und preisgekrönte Bau- Wichtige institutionelle Kooperations- Zu nennen sind hier die Bauträgerin- die Kommune Planungshoheit und Zusammenhänge wie die Wege- und werke entstanden. partner waren unter anderem die Bun- nen und Bauträger, Wohnungsbauge- Nachhaltigkeit: Projektentwicklung in einem aus – eine Grünvernetzungen oder die soziale Infra- desrepublik Deutschland und ihre ver- nossenschaften und Baugruppen, nicht Werte schaffen und erhalten seltene Konstellation. Hier entwickelt struktur ausreichend berücksichtigen. So Neue Erkenntnisse zu Wettbewerbsfor- schiedenen Behörden wie das Bundes- städtische und städtische Dienststellen die Stadt nach dem Eigentumsüber- wurden Eckdaten und Anforderungen men, insbesondere aber auch zur Trans- vermögensamt oder die Oberfinanz- und Behörden. Eine wichtige Funktion Nachhaltige Stadtentwicklung umfasst gang von der Bundesrepublik auf die zur Auslobung von städtebaulichen und parenz von Planungsprozessen und zur direktion, das Bayerische Finanzminis- übernehmen bei der Konversion der dabei nicht nur ökologische, sondern Landeshauptstadt eigene Flächen. landschaftsplanerischen Wettbewerben Partizipation an eben diesen, fließen bei terium und die Oberste Baubehörde Münchner Kasernenareale auch die auch ökonomische und soziokulturelle Welche neuen Möglichkeiten der formuliert, die für die Entwicklung der der zukünftigen Entwicklung von Arealen im Bayerischen Staatsministerium des Bezirksausschüsse. Zum einen können Themen. Auf den Flächen der ehema- Einflussnahme auf die Entstehung ehemaligen Kasernen maßgeblich wa- wie der Prinz-Eugen-Kaserne oder der Innern. Intensiviert wurde die Zusam- sie die Stimmung vor Ort allein schon ligen Kasernenareale wurden und wer- qualitätsvoller Stadtquartiere eröffnen ren. Damit konnten tragfähige städte- Bayernkaserne ein. Damit setzt die Lan- menarbeit durch Modellprojekte wie durch die räumliche Nähe und den den in München besonders wegwei- sich so? Wie begegnet die Landes- bauliche Konzepte gefunden werden – deshauptstadt München ihren vor mehr im Rahmen des Programms „Offensive Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern sende Planungen für die Entwicklung hauptstadt München aber auch der wie sich jetzt in den bereits umgesetz- als zwei Jahrzehnten begonnenen Weg Zukunft Bayern“ am Ackermannbogen. viel besser wahrnehmen und der Ver- nachhaltiger und damit lebenswerter Verpflichtung zur umfassenden Qua- ten Maßnahmen in den Gebieten Nord- fort. Es hat sich gezeigt: Wettbewerb auf Daneben fanden partiell Beratungen waltung mitteilen. Andererseits können Stadtquartiere konzipiert und realisiert, litätssicherung für die neu entstehen- haide oder Am Ackermannbogen zeigt. allen Ebenen der Konzeptfindung und durch Forschungsinstitute und Univer- sie Prozesse und Entscheidungen der wie die Fachbeiträge und Fallbeispiele den Bauten und Infrastrukturen? Das Umsetzung führt zu hervorragenden sitäten statt. Bei der Entwicklung der Verwaltung den Bürgerinnen und Bür- im Themenkomplex „Nachhaltigkeit“ wird im Themenkomplex „Städtebau Außerdem wurden sehr früh Beratungs- Lösungen. Fürst-Wrede-Kaserne kam es zu einer gern näherbringen. zeigen. und Architektur“ nicht nur durch ein gremien eingerichtet, um Bauwillige in interkommunalen Zusammenarbeit mit Expertengespräch, einen Fachbeitrag ihren Projekten bezüglich Ästhetik und Kooperation und Partizipation: der Nachbargemeinde Oberschleißheim Die Einbindung der Bürgerschaft in Das Verfahren der Städtebaulichen Ent- zwei involvierter Wohnungsunterneh- Funktionalität zu unterstützen. Der hohe Information ist gut, Dialog ist besser! und dem FC Bayern München e. V. Eine den Planungsprozess ist für die Lan- wicklungsmaßnahme bietet hier vielfälti- men und exemplarische Fallbeispiele Qualitätsanspruch der Landeshauptstadt weitere öffentlich-private Partnerschaft deshauptstadt München ein wichtiges ge Gestaltungs- und Einflussmöglichkei- verdeutlicht, sondern auch in einer zeigt sich ebenfalls darin, dass sie bei Ein wichtiger Erfolgsparameter bei der besteht zwischen der Landeshauptstadt Thema und vornehmste Aufgabe. ten. Ökologisch vorbildhafte Bauten und architekturjournalistischen Betrachtung Grundstücksausschreibungen die Um- Entwicklung der ehemaligen Kaser- und der BMW Group für einen großen Neue partizipative Verfahren für eine

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From the Barracks to the Urban Quarter: Summary

sehr frühzeitige Einbindung der Bür- Inwiefern kann Stadtplanung das Profil dem Gelände der Kronprinz-Rupprecht- ntil the beginning of the 1990s, outlines upcoming plans, portrays interests of public welfare. Planning gerinnen und Bürger wurden und eines Stadtviertels und die Identifi- Kaserne und der Fürst-Wrede-Kaserne UMunich was one of the largest eight former barracks areas, and in six goals were the creation and financing werden im Zusammenhang mit der kation damit lenken? Wie muss der werden andere Nutzungen – etwa garrison cities in the Federal Republic. subject areas illuminates the conver- of as much living space as possible for Entwicklung von Kasernenarealen in Planungsprozess gestaltet sein, um durch die Wirtschaft, Sport- und Bil- With the end of the Cold War and the sion of the former military installations a broad spectrum of the population, München erprobt, wie die Fallbeispie- frühzeitig Partizipation, Akzeptanz und dungsträger – Profilierungsschwer- subsequent reforms of the armed with the aid of technical contributions, with the associated infrastructure, the le der Prinz-Eugen-Kaserne und der vielleicht sogar eine Identifikation der punkte setzten. Welche Rolle Kreati- forces, numerous barracks sites were interviews, and case studies. urban redevelopment of the military Bayernkaserne zeigen. Bedeutsamste zukünftigen Be- und Anwohnerschaft vität und Kreative in der Stadtplanung gradually abandoned. Thus as early as wastelands, and their integration into Erkenntnis ist hier: Die reine Informa- zu erreichen? Wie lässt sich ein leben- haben, wird sich mit der Entwicklung 1992, the Munich city council enacted The change from barracks to urban the existing urban fabric. Vibrant neigh- tion über bereits erfolgte oder noch diges Quartier durch entsprechende der ehemaligen Luitpoldkaserne und the introduction of urban development quarter involves complex planning bourhoods on the Nordhaide and Am zu tätigende Schritte reicht nicht aus. Planungs- und Stadtentwicklungsmaß- dem angrenzenden Kreativquartier measures and arranged for preliminary and development processes, in which Ackermannbogen have emerged, and Am wichtigsten ist die Initiierung eines nahmen unterstützen? Darum geht zeigen. studies for the vacant and soon to be countless actors have participated. The construction on the Funk barracks site Dialoges. Es sollten zum Beispiel nicht es im Themenkomplex „Identität“ – in vacant barracks and military training ar- publication provides comprehensive will begin shortly. nur Ergebnisse wie die Siegerentwür- Interviews und verschiedenen Fallbei- Erleichtert wird der Identifikationspro- eas. Twenty years later, the state capital experience reports and recommenda- fe eines Wettbewerbs, sondern auch spielen. zess in jedem Fall durch funktionieren- of Munich chronicles with this publica- tions from the view of the involved In the next few years, the development Entscheidungsprozesse in der Öffent- de Nachbarschaften. Diese können nur tion the urban planning transformation planners, external experts, and last of additional military sites—such as lichkeit kommuniziert und diskutiert Ob ein Quartier „funktioniert“ und ob entstehen, wenn dafür auch Räume process, which is unique for its size, and but not least, the residents of the new Luitpold, Prinz-Eugen, and the Bayern werden. sich die Menschen dort wohlfühlen, zur Verfügung gestellt werden. Auch gives an outlook for future plans. urban quarters. barracks—with around 80 hectares lässt sich an mehr oder weniger klaren die Gestaltung des öffentlichen Rau- for about 5,000 to 6,000 homes is Identität: Kriterien festmachen, die selbstver- mes muss Nachbarschaften zulassen. Munich has an extensive wealth of Portraits of eight former military pending. Hence, they form essential Strukturen schaffen, Raum lassen ständlich in den Planungsprozess und Er muss nutzbar sein – durch zugewie- experience with both the opportunities sites in Munich building blocks for future urban de- die Umsetzung einfließen müssen. Ob sene und individuell anzueignende Flä- and challenges of conversion, including velopment. In addition, the economic Schließlich soll am Ende aus einem es dann wirklich gelingt, bleibt offen chen gleichermaßen. Schlicht: Es muss its peripheral effects—such as tem- In the new urban quarters on the prosperity and the promotion of sports einstigen militärischen Sicherheitsbe- bis zum „Stresstest“. Mit der Nordhai- Raum für Identität bleiben. porary uses and contaminated sites. former military sites Nordhaide, Am and education through the develop- reich ein lebendiges Stadtviertel mit de und Am Ackermannbogen ist es In connection with the development Ackermannbogen, and Funk barracks, ment of the former barracks areas are einer eigenständigen Identität entste- bereits gelungen, neue Stadtquartiere of the areas, not only have exemplary over 6,300 homes in around 270 encouraged. Expansion possibilities hen. Für die Wohngebiete gilt: Ent- zu schaffen, mit denen sich die jewei- residential buildings and infrastruc- hectares have been created thus far, are being developed in the area of scheidend ist das subjektive Wohlbe- ligen Bewohnerinnen und Bewohner ture emerged, but also many cultural, under the framework of development the Kronprinz-Rupprecht barracks for finden der Menschen, die dort leben. identifizieren – in jedem Gebiet auf educational, and recreational projects, measures planning law. Through the BMW’s research and innovation cen- Wenn es gelingt, die Bewohnerschaft unterschiedliche Weise. as well as various pilot projects and consistent application—in particular of tre, and a secondary school serving all von Anfang an einzubinden, stehen die initiatives that characterise the sites planning law instruments Urban Devel- of north Munich. On the former Fürst- Chancen gut, dass ein identitätsstif- Es bleibt zu hoffen und alles zu unter- as sustainable. The publication “From opment Action under Section 165 et Wrede barracks, a building lease for tendes Quartier oder zumindest solche nehmen, dass dies auch in den noch the Barracks to the Urban Quarter” seq. Federal Building Code—a strategy FC Bayern Munich’s amateur sports is Strukturen entstehen. anstehenden Quartieren gelingt. Auf documents these developments and was developed in Munich ensuring the being created.

Numbers and Signs: Photographs from Edward Beierle

he following pictures from Munich- Tbased photographer Edward Beierle document “finds” on the former bar- racks areas, which tell of past exist- ence, of traces of prior usage, of things that have vanished in the meantime and of transformation.

They have been shot during the photo- grapher’s many wanders through the eight conversion areas in Summer 2011 and Spring 2012 – more as a “by- product” or rather a “personal side note“, which in series develop their own, almost poetic language.

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Heritage: Looking Closely A comprehensive and thorough inter- Development Action. Important for this also economic and socio-cultural is- after the property transfer from the Thus key data and requirements for la- disciplinary analysis is vital, especially decision were, among others factors, sues. On the former barracks areas in Federal Republic to the state capital. belling of urban building and landscape The section “Heritage” illuminates if the areas are initially to be passed to the federal price reduction principles, Munich, there have been particularly What new opportunities of influence planning competitions were formulated, the historical starting point and the municipal ownership. which granted the municipalities the ground-breaking plans for the devel- on the development of high-quality which were decisive for the develop- handling of the existing. When the right of first access to the land, without opment of sustainable, and thereby urban quarters present themselves? ment of the former barracks. Thereby, troops leave the areas and they are no Process: Hand in Hand directly utilising the legal instrument of liveable, urban quarters designed and How does the state capital of Munich sustainable urban building concepts longer used militarily, a legacy initially the Urban Development Action. realised—as the technical contribu- handle the obligations to comprehen- could be found—as is evident in the remains. This is reflected in very dif- If barracks are transformed into a tions and case studies in the section sive quality assurance for the newly measures already implemented in areas ferent ways: structurally, scenically, residential area in the context of an The planning and coordination phases “Sustainability” illustrate. created buildings and infrastructure? of Nordhaide or Am Ackermannbogen. historically, organisationally, problem- urban development action, the start- in the context of the conversion proc- This is clarified in the section “Urban atically, or simply humanly. How does ing position is particularly complex. ess are extensive and accordingly The Urban Development Action pro- Design and Architecture”, not only In addition, advisory committees were one deal with this—sometimes very Federal property should—at least time-consuming. Interim uses thus cesses offer here a variety of design through a discussion of experts, a established very early on, to assist difficult—legacy? What lies beneath temporarily—be acquired as com- present an important, if not always and influence opportunities through technical contribution of two involved property developers in their projects the earth? What connections and rela- munal property, developed, and then conflict-free, instrument for the de- the state capital of Munich. Environ- housing companies and exemplary regarding aesthetics and functionality. tionships—also personal—are there in sold again. That involves extensive velopment of many of the former mentally exemplary buildings and case studies, but also illustrated in an The high quality standards of the state a site that has been used for decades legal, planning, administrative, but also barracks. The Munich experiences are energy supply concepts have been architecturally journalistic observation capital are also reflected in the fact that by the armed forces? political decisions, procedures, and presented based on case studies and realised, environmental model commu- of Am Ackermannbogen and the Nord- the tenders for plots specifically call for instruments. This is discussed in the from the perspective of different ac- nities should develop in the future, and haide. the implementation of environmental Case studies from the former Munich section “Process” by authors from the tors. It was, and is, important for the processes like gender and generational or participatory concepts and select fu- barracks areas illustrate the various city administration, as well as from the conversion process that not just the rights planning were comprehensively For the city, on their on land also ture property owners accordingly. aspects of heritage that the city of perspective of the state and federal work of a single department or agen- employed for the first time during the means, for example, the opportunity Munich has encountered with the governments agencies involved. cy, but rather the coordinated plans overall planning of the barracks. to establish a compulsory quality as- For very exposed urban building sites acquisition and development of the of all urban administrations, as well surance over private law agreements or public facilities, additional realisa- former military sites. It was important An important part of the process is the as the inclusion of external depart- Urban Planning and Architecture: such as sales contracts. Areas should tion competitions for concrete building in this respect—and will also be in the acquisition and the reprivatisation of ments lead to a sustainable success. Responsibilites of Ownership emerge that not only make the grade projects are usually carried out. Thus in future—to look closely! How does an the properties. When it became known for high aesthetics in town planning some cases, architecturally prominent area formerly used for the military dis- that many areas in Munich would no Sustainability: In the development of the sites, the and landscape planning, but in which and prize-winning structures have also tinguish itself? What are the potentials longer be used by the military in the Creating and Maintaining Values local authority practises planning au- functional relationships such as the emerged on the former barracks areas. for each individual area, and what are future and thereby “released” by the thority and project development rolled paths and green networks or the so- the challenges? But also: What are the federal government, the city of Munich Sustainable urban development in- into one—a rare combination. Here, cial infrastructure are also considered Notably, new insights into forms of planning goals for these areas? decided very early to utilise the Urban volves not only environmental, but the city virtually develops its own land adequate. competition, as well as transparency of

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planning processes and participation Property Office, the Regional Finance district committees also assume an Identity: it actually succeeds, remains open in them, are incorporated in the future Office, the Bavarian Ministry of Fi- important function in the conversion Creating Structure, Leaving Space until the “stress test.” In Nordhaide development of areas such as the nance, and the Building Board in the of the Munich barracks areas. On and Am Ackermannbogen, it has been Prinz-Eugen barracks and the Bayern Bavarian State Ministry of the Interior. the one hand, they can perceive the At the end, a lively neighbourhood possible to create new urban quarters barracks. Thus, the state capital of The collaboration was intensified mood at the location and inform the with a distinct identity should emerge with which the respective residents Munich continues a path begun more through model projects in the frame- management much better, simply be- from a former military security area. identify—in each area in different ways. than two decades ago. It is apparent: work of the program “Future Bavaria cause of their proximity and contact to For residential areas, it holds true: The It is to be hoped that everything possi- competitions at all levels of conceptu- Offensive” in Am Ackermannbogen. citizens. On the other hand, they can key is the subjective well-being of the ble will be done so that this succeeds alisation and implementation lead to In addition, partial consultations with familiarise citizens with the processes people who live there. If it is possible in the quarters still pending. On the outstanding solutions. research institutes and universities and decisions of the management. to involve residents from the outset, grounds of the Kronprinz-Rupprecht took place. In the development of the chances are good that an identity- and Fürst-Wrede barracks, other us- Cooperation and Participation: Fürst-Wrede barracks, there was The involvement of the citizenry in the establishing quarter, or at least such es—such as business, sport, and edu- Information is good, dialogue is inter-municipal cooperation with the planning process is an important issue structures develop. To what extent can cational institutions—will set profiling better! neighbouring communities Ober- for the state capital of Munich and its city planning direct the profile of an ur- priorities. The role that creativity and schleißheim and FC Bayern München most important task. New participa- ban quarter and the identification with creative people have in city planning An important success parameter in e. V. A further public-private partner- tory processes for the early involve- it? How must the planning process be will become apparent with the devel- the development of the former bar- ship exists between the state capital ment of citizens have been and will be designed to achieve timely participa- opment of the former Luitpold barracks racks areas is the cooperation with and the BMW Group for a large por- tested in connection with the develop- tion, acceptance, and perhaps even an and the adjacent creative quarter. different partners. In the section tion of Kronprinz-Rupprecht barracks. ment of the barracks areas in Munich, identification of the future residents? “Cooperation and Participation”, the as the case studies Prinz-Eugen bar- How can a vibrant quarter be support- In any event, the identification pro- interaction of the different levels and In the former barracks areas—which racks and the Bayern barracks illus- ed by appropriate planning and urban cess will be made easier by function- actors (state, local authority, economy, will serve primarily as residential areas trate. The most significant finding is development measures? This topic is ing neighbourhoods. These can only or citizenry) is examined. How is it in the future—the new functioning this: Information alone about already handled in the section “Identity”—with emerge when there is enough space possible to take the respective inter- urban quarters in which residents feel finished or still to be concluded steps interviews and various case studies. made available. The design of public ests seriously and still continue in a comfortable would be unthinkable is not enough here. Most important is space must also allow neighbour- lively exchange? without the personal and financial the initiation of dialogue. For example, Whether a quarter “functions” and hoods. They must be useable—by engagement of many cooperation not only the results—such as the win- whether the people there feel comfort- assigned and individually appropriated Important institutional cooperation partners. Noteworthy here are the ning competition entries—should be able, can be more or less determined areas equally. Simply put: Space for partners were, among others, the property developers, building socie- communicated to the public and dis- by clear criteria, which of course must identity must remain. Federal Republic of and its ties and assemblies, non-urban and cussed, but also the decision-making be incorporated in the planning proc- various agencies, such as the Federal urban departments and agencies. The processes. ess and the implementation. Whether

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Herausgeberin Bildnachweis Landeshauptstadt München Edward Beierle: alle Abbildungen, außer: Referat für Stadtplanung und AS&P im Auftrag des FC Bayern München Bauordnung e. V.: S. 49; Blumenstraße 28b Bucher Beholz Architekten: S. 129 (unten); 80331 München Büro für Soziale Stadtentwicklung, www.muenchen.de/plan Eva Bruns, München: S. 139 (oben); citycom Ammermann: S. 139 (unten); Projektleitung Eck-Fehmi-Zett Architekten: S. 116; Empirica AG: S. 150 (oben); Michael Hardi / Dina Straße Christoph Fisser: S. 89; Herbert Grebenc: S. 148; Weitere Mitwirkende GSP Architekten: S. 43 (3); Reimund Andres, Monika Donaubauer- H2R Architekten: S. 28 (2), S. 125 (5); Biadsi, Christoph Dörnte, Elisabeth Christian Herde: S. 135, S. 136; Hesse, Patrick Hartmann, Wolfgang HOCHTIEF Solutions AG: S. 51 (4); Jäde, Reinhard Klima, Birgit Kögler, Walter Klein: S. 133; Angelika Lermer, Stephanie Obergfell, Landeshauptstadt München: S. 6, Angela Pahlke, Gabriele Reich, Ulrich S. 10, S. 16/17, S.19, S. 20, S. 25, S. 26, Schaaf, Klaus Tröppner, Andreas S. 28 (1), S. 31, S. 37, S. 38 (1, 2), S. 41, Uhmann, Dr. Marie-Luis Wallraven-Lindl, S. 42, S. 45, S. 46 (4), S. 47, S. 50, S. 53, Stephanie Wörner, Dr. Elisabeth Zaby S. 73, S. 93, S. 95 (unten), S. 103, S. 112, S. 123, S. 127 (2), S. 129 (oben), Konzeption, Text- und Bildredaktion S. 137 (unten), S. 143, S. 145, S. 146; Latz + Partner: S. 34 (4); sally below cultural affairs, Berlin Léon Wohlhage Wernik Architekten: Sally Below, Franziska Eidner (Redak- S. 34 (2, 3), S. 119 (oben); tionsleitung), Viola van Beek, unter- Münchner Verkehrsgesellschaft: stützt von Robert Müller und S. 109, S. 110; Friederike Krickel Jakob Piloty: S. 94 Franz Schiermeier: S. 62/63; Gestaltung und Satz Stadtarchiv München: S. 59, S. 61, S. 65; [take shape] media design, TELEINTERNETCAFE: S. 39, S. 147; Markus Schaefer Edith von Welser-Ude: S. 5; Elisabeth Ziegler: S. 137 (oben) Druck Weber Offset GmbH, München

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