Louise Reichardt Louise Reichardt Wurde Am 11
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Reichardt, Louise Louise Reichardt Louise Reichardt wurde am 11. April 1779 als zweites Kind der Eheleute Reichardt in Berlin geboren. Ihr Vater * 11. April 1779 in Berlin, Preußen war der königlich preußische Hofkapellmeister, Kompo- † 17. November 1826 in Hamburg, nist und Musikschriftsteller Johann Friedrich Reichardt, ihre Mutter Juliane Reichardt war die Tochter des Kom- Komponistin, Sängerin, Gesangslehrerin, Chorleiterin ponisten und Kapellmeisters Franz Benda und als Sänge- rin und Komponistin sehr geschätzt. „Ich bin zu meiner unaussprechlichen Freude noch auf Nachdem ihre Mutter 1783 an Kindbettfieber gestorben meine alten Tage zu einem recht ernsten Studium der war, heiratete Johann Friedrich Reichardt die Hambur- Harmonie, wozu es in meinem Leben an Mußen gebrach ger Pastorentochter Johanna Dorothea Wilhelmina Al- gekommen und hoffe indem nie ein Frauenzimmer den berti (verwitwete Hensler). Aus dieser Ehe gingen noch- reinen vierstimmigen Satz erreicht hat, dadurch meinen mals fünf Kinder hervor, drei weitere Kinder brachte Joh- Ruf in Deutschland auf immer zu begründen.“ anna Alberti mit in die Ehe. Als älteste Tochter (ihr älterer Bruder starb 1782) über- (Brief Louise Reichardts an Wilhelm Grimm vom 6. Juni nahm Louise Reichardt schon früh die Aufgabe, sich um [1821], zitiert nach Boffo-Stetten 2000, S. 75) die Erziehung und Ausbildung ihrer Geschwister zu küm- mern (vgl. Steffens 1842, S. 230ff.) Nach Steffens war ih- Profil re Stiefmutter mit den häuslichen Angelegenheiten völlig Louise Reichardt war eine Liedkomponistin und -interp- überfordert, so dass die häusliche Verantwortung zum retin, die von dem auf dem elterlichen Gut Giebichen- großen Teil auf ihr lastete. stein weilenden romantischen Dichterkreis (Ludwig Ihr Vater, der oft ausgedehnte Bildungsreisen durch Eu- Tieck, Achim von Arnim, Clemens Brentano, die Brüder ropa unternahm und vielgelesene Reiseberichte verfass- Schlegel und Grimm, Friedrich Schleiermacher u.a.) te, war anfänglich ein glühender Verehrer der französi- hoch geschätzt wurde. 1809 ging sie nach Hamburg, um schen Revolution, was ihn in Schwierigkeiten mit seinem sich als Gesangs- und Klavierlehrerin sowie als Kompo- Brotgeber, König Wilhelm II. von Preußen brachte. 1794 nistin eine berufliche Existenz aufzubauen. Zusammen wurde er aufgrund dessen ohne Pensionsanspruch aus mit Johann Hermann Clasing gründete sie den „Musikali- dem Amt des königlich preußischen Hofkapellmeisters schen Verein für geistliche Musick“ und veranstaltete entlassen. Kurze Zeit später erwarb er – als Salinendirek- vielbeachtete Aufführungen oratorischer Werke, vor al- tor erneut zu Wohlstand und Ansehen gekommen - das lem Georg Friedrich Händels, Mozarts und italienischer bei Halle an der Saale gelegene Gut Giebichenstein, das Komponisten. Das Musikfest von 1818 gilt als Vorläufer für die vielköpfige Familie zum Lebensmittelpunkt und der 1819 gegründeten Hamburger Sing-Akademie. Als für zahlreiche Dichter zu einem einzigartigen Refugium Chorleiterin, Organisatorin von Konzerten und Beraterin romantischer Geselligkeit wurde. (vgl. Neuß 1949) leistete sie einen wichtigen Beitrag zur Etablierung eines Häufig zu Gast in der „Herberge der Romantik“ waren bürgerlichen Musiklebens in der Hansestadt. u.a. Achim von Arnim, Clemens Brentano, Friedrich Eschen, die Brüder Schlegel, die Brüder Grimm, Ludwig Orte und Länder Tieck, Joseph von Eichendorff, Karl von Raumer, Hen- Louise Reichardt verbrachte die Kindheit in Berlin, be- rich von Steffens, Novalis und Friedrich Schleiermacher. vor die Familie in den 1790er Jahren auf das neu erwor- (Reichardts zweite Frau Johanna hatte mehrere Schwes- bene Gut Giebichenstein bei Halle umzog. Nach einem tern, darunter Amalie Alberti, die seit 1798 mit Ludwig kurzen Aufenthalt in Kassel, wo ihr Vater für kurze Zeit Tieck verheiratet war. Nicht zuletzt über ihn werden die die Stelle eines Hofkapellmeisters inne hatte, kehrte die Kontakte zu den Dichtern zustande gekommen sein.) Familie auf das elterliche Gut zurück. Von 1809 bis zu ih- Auch Goethe war zeitweilig zu Gast auf Gut Giebichen- rem Tod im Jahr 1826 wirkte Louise Reichardt als Ges- stein; in dessen Tagebüchern aus dem Jahr 1802 findet angs- und Klavierlehrerin, Chorleiterin und Komponistin sich folgender Eintrag: „Die Nähe von Giebichenstein in Hamburg. lockte zu Besuchen bei dem gastfreien Reichardt; eine würdige Frau, anmuthige schöne Töchter, sämmtlich ver- Biografie eint, bildeten in einem romantisch-ländlichen Aufenthal- te einen höchst gefälligen Familienkreis […]. Auch darf – 1 – Reichardt, Louise nicht übergangen werden, daß ich die Melodien, welche st produktiv auf ihr Liedschaffen aus. 1805 entstand das Reichardt meinen Liedern am frühsten vergönnt, von Lied „Lilje sieh mich“ aus „Ariels Offenbarungen“ von der wohlklingenden Stimme seiner ältesten Tochter ge- Achim von Arnim, das Louise Reichardt ihm anlässlich fühlvoll vorgetragen hörte.“ (Goethe 1802, WA I, S. 136, seines Weihnachtsbesuchs im selben Jahr überreichte. zitiert nach Busch-Salmen u.a. (Hg.) 2003, S. 70) In einem Brief an Clemens Brentano berichtete Arnim: Zeitgenössischen Berichten zufolge hat Johann Friedrich „Zehn schöne Tage blieb ich da von Weihnachtsliedern Reichardt der Ausbildung seiner Kinder nur wenig Auf- erhellt. Auch mir wurde beschert, Louise die älteste Toch- merksamkeit geschenkt. Louise Reichardt kam daher ter gab mir in einer gehölten Nuß mit einem rothen Ban- nicht in den Genuss einer kontinuierlichen musikali- de gebunden eine zierlich fein geschriebene Musik zu ei- schen Ausbildung und brachte sich das Singen, Gitarre- nem Lied des Ariel, sie hat noch drey daraus überaus sc- und Harfespielen autodidaktisch bei. Auch ihre literari- hön componirt […].“ (Brief Achim von Arnims an Cle- schen, philosophischen Kenntnisse verdankte sie wohl in mens Brentano vom 26. Januar 1806, zit. nach Busch- erster Linie dem anregenden geistigen Klima im Kreis Salmen (Hg.) 2003, S. 71) Arnim seinerseits überreichte der Dichter: „[…] für ihre Erziehung geschah im Ganzen der Familie ein Exemplar „Des Knaben Wunderhorns“, wenig, selbst die Musik ward nicht immer regelmäßig aus dessen ersten Band Louise Reichardt eine Reihe von und gründlich getrieben. Da das Haus aber nie leer von Gedichten vertonte. Gästen wurde, die zu den Hochgebildeten jener Zeit ge- Ein halbes Jahr später schrieb Achim von Arnim in ei- hörten, […] so war ihr dadurch eine reiche Bildungsschu- nem Brief an Bettine Brentano, seine zukünftige Ehe- le eröffnet.“ (Brandt, 1865, S. 14f.) frau: „Louise sang mir meine Lieder, neuere als Sie ken- nen, so klockenvoll (glockenhell), daß ich mich für einen Erste Kompositionen Louise Reichardts erschienen 1800 unwissenden Handlanger in einer Goldküche hielt; […] in einer Sammlung von Liedern ihres Vaters, die in der Mit meinem letzten Brief schicke ich Ihnen Louisens ged- „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ eine alles in allem ruckte Lieder, […] besonders schön sind ihr einige aus wohlwollende Besprechung erhielten, wenngleich der Re- dem Wunderhorn gelungen […].“ (Brief Achim von Ar- zensent am Ende auch auf einige Schwächen hinweist: nims an Bettine Brentano vom 12.7.1806, in: Steig, 1913, „Diese kleine Sammlung ist ein schätzbarer Beytrag zu S. 35) den vorzüglichern Liedern, welche unserm deutschen Pu- In Achim von Arnim fand Louise Reichardt einen Bewun- blikum zur Unterhaltung diene. Die Lieder des Herrn R. derer und Förderer, der ihre Lieder u.a. in seiner Zeitsch- zeichnen sich jederzeit durch Ausdruck, untadelhafte De- rift „Der Einsiedler“ veröffentlichte (u.a. 1808 „Der trau- klamation, und richtige Accentuation aus: auch vorliegen- rige Wanderer“). Er schätze ihre Vertonungen der Wun- de Gesänge machen hierin keine Ausnahme. Recensent derhorn-Lieder sehr und drückte seine Dankbarkeit im hätte einigen dieser Lieder etwas weniger Trockenheit ge- Vorwort zur zweiten Ausgabe der Liedsammlung aus: wünscht. Jedoch ist dies Sache des Gefühls, worin er kei- „Herzlichen Dank allen neuen Melodien, mit denen das nem der zahlreichen Liebhaber des Gesanges vorgreifen ‚Wunderhorn‘ von geschickten Händen ausgestattet wur- will, welche sich an diesen Gesängen ergötzen werden. de. Hier stehe Reichardts Name wie im Sendeschreiben Die von der Demoiselle R. komponirten Lieder verrathen oben an, verbunden mit dem Namen seiner Tochter Lui- sämmtliche feines Gefühl, und nicht gemeine literarische se […].“ (zitiert nach Reich, 1980, S. 374) Kenntnisse. Besonders gut ist ihr das Herbstlied gerat- hen, worin vorzüglich der Schluss ganz den naiven, wun- Johann Friedrich Reichardt scheint die kompositorische dersamen Ton des Gedichts ausdrückt. Warum hat De- Arbeit seiner ältesten Tochter nicht nur interessiert ver- moiselle R. aber nicht zugleich angezeigt, wie man die folgt, sondern auch mit Wohlwollen unterstützt zu ha- letzte Zeile der 4ten Strophe: ‚Ist und bleibt Frühlings- ben. 1806 veröffentlichte er drei Lieder seiner Tochter in schein‘ singen solle, da sie zu der vorstehenden Melodie der von ihm herausgegebenen „Berlinischen Musikali- schlechterdings nicht passen kann, indem sie einen Fuss schen Zeitung“ und sorgte dafür, dass ein größeres Publi- zu viel hat?“ (AmZ, Nr. 27, 1800, S. 474f.) kum auf die junge Komponistin aufmerksam wurde. Im selben Jahr erschien in der Allgemeinen musikali- Insbesondere die enge Freundschaft zu Achim von Ar- schen Zeitung eine ausführliche Rezension ihrer gerade nim und Clemens Brentano, die in einer Anzahl auf- erschienenen Liedsammlung „XII Deutsche und italiäni- schlussreicher Briefe dokumentiert ist, wirkte