Hamburger Abendblatt Mario Adorf.Pdf
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24.01.15 Sonnabend/Sonntag, 24./25. Januar 2015 HA-HP1 Belichterfreigabe: -- Zeit::: 25 Belichter: Farbe: AD steusche CR Sonnabend/Sonntag, 24./25. Januar 2015 KULTUR HamburgerAbendblatt 25 ...THEATER.MUSIK.FILM.BUCH.KUNST.SZENE.TV.MEDIEN... Auszeichnung An diesem Sonnabend erhält Schauspielerin Friederike Becht in Hamburg den Ulrich-Wildgruber-Preis Seite 26 Online Aktuelle Kritiken, Tipps und Termine zum Hamburger Kulturleben Abendblatt.de/kultur-live OFFEN GESAGT Böse gucken Danke, Keith Jarrett! EIN GESTÄNDNIS VON konnte er nicht HOLGER TRUE :: Es hilft ja nichts. 40 Jahre nach- dem es eingespielt wurde, zum Jubilä- Mit seinen Lebens- und Schauspieleranekdoten kommt Mario Adorf nach Hamburg um also, ist die Zeit reif für ein Ge- ständnis: Ich habe Keith Jarretts ARMGARD SEEGERS Wenn die Regisseure jemand suchten, Und sie ebenso beeindruckte mit seinen „Köln Concert“ immer geliebt. der beispielsweise gut fallen konnte, schneidenden Beobachtungen und Kri- Zugegeben, als Jugendlicher stand HAMBURG :: Mario Adorf, der seit wussten sie, der Adorf, der macht das“. tiken. Da ruft Kortner einen Schauspie- das Doppelalbum nicht offen im Plat- den 50er-Jahren und bis heute vor der Eines Tages sagte ihm der Regisseur ler stets mit „Herr Nur“. Schließlich tenregal, genauso wenig wie Abbas Kamera steht, kennt fast jeder. Gerade Paul Verhoeven: „Mario, alles, was du fasst sich sein Assistent ein Herz und „Arrival“ und „Gone To Earth“ von erst wurde er zum beliebtesten machst, brauchst du nicht mehr zu ma- sagt: „Herr Kortner, der Herr heißt Barclay James Harvest. Schließlich deutschsprachigen Schauspieler ge- chen. Lass es weg.“ Er sollte nicht mehr nicht Nur, der Herr heißt Knur!“ Kort- wollte ich mich keinesfalls als Hörer wählt. Wenn ihm Menschen auf der suchen, nichts mehr zu den Rollen dazu ner: „Das K muss er sich erst verdie- von „Mädchenmusik“ outen, wenn Straße begegnen, so erzählt er, spre- erfinden. Seine Darstellung allein ge- nen.“ Zu einem Schauspieler sagte er: Kumpels zu Besuch kamen. Mein chen sie ihn manchmal an und fragen: nügte. „Sie schwänzen einen anderen Beruf.“ (männlicher) Freundeskreis war näm- „Hey, Mario, warum hast du Nscho- Adorf, der seit 1992 auch Bücher Oder Adorf erzählt von Hans Albers, lich zeitweise wenig tolerant. Was tschi erschossen?“. Das war 1963 in schreibt, mit wunderbaren Lebens- und dem ein Kollege nachsagte, er habe nicht mit drei Akkorden auskam und – „Winnetou“. Oder sie rufen ihm mit Schauspieler-Anekdoten, von denen er einen Wortschatz von zehn Wörtern Gott bewahre! – eine Melodie hatte, rheinischem Akzent hinterher: „Ich inzwischen mehr als 600.000 verkauft und zwei davon seien „Otto, Otto“, und galt als „Dreck“. Und das war noch die scheiß dich so wat von zu mit meinem hat, beginnt nun etwas Neues. Er liest dann fängt Adorf auch noch an zu sin- freundliche Formulierung. Jeld“, ein Zitat aus Helmut Dietls Serie und erzählt die schönsten Geschichten gen wie Albers. Aber Qualität setzt sich durch, und „Kir Royal“, in der Adorf einen Millio- aus seinem Schauspielerleben auf der Naturgemäß handeln die Geschich- so steht Jarretts 66-minütiges Meis- när und Emporkömmling spielte. Das Bühne. Er fragt sich, warum er Schau- ten von Kollegen und von Schauspie- terstück längst für jedermann sichtbar ist immerhin auch schon 28 Jahre her. spieler geworden ist. Was war entschei- lern, die Adorf bewunderte. Kraftmen- im Regal. Immerhin habe (nicht nur) Aber Adorf ist so präsent, dass er vielen dend, Talent, Glück, Aussehen? Die Zu- schen wie Heinrich George oder Walter ich dem gefühlvollen Solo-Klavier- Menschen vertraut erscheint. Sie sind schauer können das fast von selbst be- Richter, Martin Held, Siegfried Lowitz. Recital einiges zu verdanken: romanti- mit ihm und seinen Filmen durchs Le- antworten. Denn Adorf spielt auch die Es geht um Hänger und Versprecher, sche Jugendzimmerabende mit denen, ben gegangen. Allein im letzten halben Menschen, von denen er erzählt, den Missgeschicke mit Handschellen, die die Mädchenmusik mögen. Mädchen Jahr konnte man ihn wieder zweimal scheuen Heinz Rühmann, den nu- nicht auf- und Hosenschlitzen, die nämlich. Wenn der Kräutertee im sehen, im Film „Der letzte Mentsch“ schelnden Fritz Kortner oder den lau- nicht zugehen. Adorf erzählt, wie er als braunen Tonbecher dampfte und die und im TV-Film „Altersglühen“, beim ten Hans Albers. Man sieht sie vor sich, junger Mann einmal aus Geldnot vor- Tropfkerze auf der leeren Chiantifla- Speeddating mit Altersgenossen. sieht Adorfs Schauspieltalent. Mario mittags gegen einen Hünen boxen und sche flackerte, waren die vom sensi- In rund 200 Filmen hat Mario Adorf tourt damit nun durch Deutsch- abends Theater spielen musste, völlig blen Amerikaner wie flüchtig hinge- Adorf gespielt, auf Deutsch, Englisch, land. Man sollte es sich ansehen. Denn blau gehauen. Oft spielt auch der Alko- worfenen Pianotöne der ultimative Italienisch, Französisch. Seine Karriere jeder Mensch, der auch nur einen Mo- hol eine große Rolle. „Früher wurde am Stimmungsabrunder. ist unvergleichlich und beispiellos un- nat am Theater gearbeitet hat, weiß, die Theater unfassbar viel getrunken“, er- Und heute? Reichen schon wenige ter den deutschen Schauspielern. Die Anekdoten sind sehr oft das Unterhalt- zählt Adorf, „die konnten auch unglaub- Sekunden des Albums, um plötzlich Liste der Regisseure, mit denen er Fil- samste am Theater. All jene Geschich- lich viel vertragen. In den 50er-Jahren wieder 17 zu sein oder sich jedenfalls me gedreht hat, liest sich wie ein Auszug ten, die man sonst nur in der Theater- saß man jeden Abend nach der Vorstel- so zu fühlen. Das muss man erst mal aus der Hitliste des Weltkinos: Sam kantine, der Theaterkneipe hört, hier lung zusammen. Es wurde viel getrun- schaffen. Danke, Keith Jarrett! Peckinpah, Franco Rossi, Wolfgang kommen sie lebendig auf die Bühne. ken, es wurden Trinkspiele gemacht. Es Staudte, Edgar Reitz, Billy Wilder, Vol- nahm kein Ende. Niemand hatte damals Seite 26 Bericht ker Schlöndorff, Helmut Dietl, Rainer ein Auto, man lief zu Fuß nach Hause, so Werner Fassbinder, Claude Chabrol gut man eben konnte. Dieses Leben im und Sergio Corbucci, einer der Väter des Erfolgsgeschichten will Ensemble hat heute völlig aufgehört“, Italo-Western. Aber vor allem ist Mario doch keiner hören, sagt Mario Adorf. Vielleicht klingen sei- QUERSCHLÄGER Adorf ein Theaterschauspieler, einer, die sind meist langweilig. ne Geschichten deshalb umso lustiger. der als junger Mann die Bühne erobert Und dann macht er auch noch vor, wie Ich möchte durch Musik nicht Mario Adorf hat. Bereits für eine seiner ersten gro- Schauspieler lachen. tapfer oder sonst was werden, ßen Filmrollen, als Massenmörder Bru- Mario Adorf drehte mehr und mehr ich möchte überhaupt nichts no Lüdke in Robert Siodmaks vielfach Filme, zunächst in Frankreich, dann in werden, nur etwas mehr preisgekrönten „Nachts, wenn der Teu- Italien. „In den 60er-Jahren war Rom von der Welt verstehen. fel kam“, erhielt Adorf ein Filmband in Adorf hat in Mainz studiert und ist die Welthauptstadt des Films. Alle wa- Gold und einen Bundesfilmpreis. „Gu- „zufällig“ mit dem Studententheater in ren dort. Man begegnete sich auf der Der Bariton Christian Gerhaher cken Sie mal böse“, hatte Siodmak den Berührung gekommen, „zufällig“ ist er Straße, in Restaurants.“ Mario Adorf im „SZ Magazin“ jungen Adorf aufgefordert, bevor er ihn mit diesen Leuten nach Zürich gekom- zog nach Rom und blieb viele Jahre besetzte. Adorf versuchte es, sah aber men und dann „zufällig“ mit der Truppe dort. „Es kam nicht so darauf an, was nicht böse genug aus. Erst als Siodmak, Komparse in München geworden, wo er man machte. Es wurde gelebt.“ Das ging der mit einem riesigen Koffer voller „zufällig“ an der Schauspielschule vor- so bis 1973, der ersten Energiekrise. FINANZSPRITZE Arzneien aus den USA nach München beiging, an der er aufgenommen wurde. Vorher ging man um halb neun ins Kino, angereist war, Adorfs auf der Bühne „So viele Zufälle gibt es nicht“ hat ihm um halb elf essen, und im Sommer fuhr Projektförderung für freie verletztes Bein mit Eisspray (damals der Kollege Peter Lühr einst entgegnet, man danach noch ans Meer zum Baden. Ta nz- und Theaterszene hochmodern), Salbe und Verband zu „das kann gar nicht sein. Bei Ihnen hat Nach der Energiekrise machten die Lo- heilen versuchte, engagierte er ihn. sich alles gefügt“. kale um Mitternacht zu. Man konnte HAMBURG :: Die Hamburger Kul- Denn Adorf humpelte nach dieser Be- „Ich bin Schauspieler geworden, also nur noch ins Kino oder früher ins turbehörde will in der Spielzeit 2015/16 handlung nicht mehr. Dabei tat es im- weil ich Theater spielen wollte“, erzählt Restaurant. Das Gesellschaftsleben 39 Projekte der freien Tanz- und Thea- mer noch höllisch weh. Aber Adorf hat- Mario Adorf. „Ich bin erst ziemlich spät starb. Die große Zeit des Genießens ging terszene fördern. Insgesamt rund te den richtigen Instinkt, Siodmak fühl- drauf gekommen. Aber dann hab ich zu Ende.“ Bis 2004 lebte Mario Adorf in 625.000 Euro gehen an Vorhaben in den te sich als Heiler und war stolz. „Da hat- mich ins Theater verliebt. Das Theater Rom, „zu lange“, wie er heute sagt. Heu- Bereichen Kinder- und Jugendtheater, te ich Glück“, erzählt Adorf. war einmal mein Leben.“ Bald entdeck- te hat er eine Wohnung in München Tanztheater, Performance sowie te er aber den Reiz des Films, „Reisen, und in Südfrankreich. Sprech- und Musiktheater. „Die freie Mario Adorf spielt auch die Menschen, andere Menschen kennenlernen, das darstellende Kunst ist mit ihrer innova- von denen er auf der Bühne erzählt wurde mir wichtig. Natürlich hat das In Coppolas „Der Pate“ und bei Billy tiven, vielfältigen und extrem bewegli- Mario Adorf, der in München auf Theater darunter gelitten, aber ich bin Wilder hat Adorf Rollen abgelehnt chen künstlerischen Herangehenswei- die Schauspielschule ging, weil er bei immer wieder dorthin zurückgegangen. Zwei wichtige Rollen hat Mario se ein wichtiger Baustein der Hambur- einer Wohnungssuche zufällig an ihr Ich habe das auch als Exerzitium gese- Adorf abgelehnt. Francis Ford Coppola ger Kultur“, erklärte Kultursenatorin vorbeikam, war schon bei der Aufnah- hen, eine Rolle entwickeln zu können hatte ihn für „Der Pate“ im Blick.