Filmverlag Der Autoren
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Die 1970er Jahre: Filmverlag der Autoren Es war eine verwegene Generation. Das gilt schon für bare Zusammenschlüsse in Hamburg oder Berlin zeigt, die Verfasser des Oberhausener Manifests von 1962. dass der Filmverlag nicht die Heimat von Experimental- Aber mit Bescheidenheit wären sie damals schwerlich oder Dokumentarfilmen sein wollte, mit alternativen Ab - weitergekommen. Auch die Gründer des Filmverlags spielstätten wenig im Sinn hatte und mit seinen Filmen der Autoren haben sich 1971 einiges zugetraut – viel - von Anfang an ins Kino zu drängen versuchte – gegen leicht zu viel, wie aus heutiger Sicht zu befürchten ist. die beharrende Macht der etablierten Verleiher und Die genossenschaftliche Basis (Vorbild: der Verlag der Produzenten, die noch zurückhaltend als »Altbranche« Autoren) bestand zunächst aus 13 Gesellschaftern, al - oder aggressiver als »Schnulzenkartell« etikettiert lesamt Filmemacher oder solche, die es gerne ge - wurde und auch in den 1970er Jahren mit ihren Se - wesen wären. Ursprünglich sollte der Filmverlag als rienproduktionen, von den Simmel- und Lümmelfilmen eine Art Produktionsgemeinschaft funktionieren; die bis hin zu den »Schulmädchen-Reports«, noch ver - PIFDA 1 (Produktion 1 im Filmverlag der Autoren) reali - gleichsweise hohe Einnahmen erzielten. Was keiner n e sierte bis 1974 – vorwiegend im Auftrag des Fern - r damals wirklich zugeben wollte: Die Alten waren film - o t sehens – 25 Produktionen und brachte sie teilweise wirtschaftliche Profis, die Jungen enthusiastische Ama - u A vor der TV-Ausstrahlung ins Kino. Die Verleihtätigkeit teure und allesamt autodidaktische Seiteneinsteiger, r e d wurde ab 1972 intensiviert. Ende 1974 wurde daraus die sich irgendwie durchzuwursteln verstanden. g a eine »GmbH & Co. KG«, die sich fortan mehr auf den Dass die 1970er Jahre die beste Zeit des Filmverlags l r e Verleih als auf die Produktion konzentrieren sollte. Im waren, hat seine Logik: Die Aufbruchsstimmung war v m l Februar 1977 rettete Rudolf i Augstein den Filmverlag vor F dem drohenden Konkurs, aber 35 langfristig eben nicht vor der Abhängigkeit von einigen Hits im Programm, die die anfallen - r e l den Flops ausgleichen mussten. e g o Wer damals wen gerettet oder v r e k verraten hat, darüber streiten l o v sie noch heute. Auf jeden Fall : d n e war es das Ende einer schönen g e i l Utopie, die manchmal sogar d n u funktioniert hat, aber auf Dauer r g r e d zum Scheitern verurteilt war. r o v Witterten die größeren Verlei - m I . her, vor allem die amerikani - i n o schen, bei einem Projekt ein m a h c Geschäft, war der Film für den S s Filmverlag verloren – schon a m o h wegen der hohen Verleihgaran - t , l tien, die in die Produktion ein - e d e i r flossen. Es war früh abzusehen, F n a i dass die wenigen wirklich er - t s i r folgreichen Filmemacher damit h c , e auf Dauer nicht zufrieden sein t s u wollten und konnten. Solidarität p a K e hin oder her. t a n Von Anfang an lag folglich ein e r , enormer Druck auf dem Unter - m h o nehmen. Ein Blick auf vergleich - B Hintere reihe: Klaus Brücher-Herpol, michael Fengler, laurens Straub, Harry Baer. mittlere reihe: Hark n i e t s g u a f l o d u r , i k c i W d r a h n r e B , r e d n i b s s n a F e r r e o n t r u e A W r r e e n i d a r g , a m l h r o e B v k r a m l H i F noch nicht verbraucht, aber es herrschte auch nicht inzwischen gar nicht so sehr verändert haben. Das 36 mehr der unbedingte Zorn der Sechziger, man begann, komödiantische Roadmovie THEO GEGEN DEN REST sich mit dem ökonomischen Druck zu beschäftigen, DER WELT zählte ebenfalls zu den Arbeiten, die den und Filme nur für sich selbst wollten die Filmemacher, Filmverlag kurzfristig vor dem Untergang retteten. Nur wenngleich ihnen das oft nachgesagt wurde, auch BOMBER UND PAGANINI traf mit dem rabenschwarzen nicht drehen – und erst recht wollten das die TV-Re - Humor seiner böse gehandicapten Helden (ein Lahmer dakteure nicht, von denen die Produktionen der jungen und ein Blinder, beide Ganoven und im Kopf auch nicht Filmemacher ökonomisch abhängig waren. Ein Blick so ganz klar) wohl nicht so recht in die Herzen der deut - auf die Stab- und Besetzungslisten zeigt ebenfalls den schen Zuschauer, die von einer Komödie auch ein an - Willen, endlich ein größeres Publikum zu erreichen. Da ständiges Happy-End erwarteten und darin eher ent - tauchten etablierte Darsteller wie Lina Carstens und täuscht wurden. Fritz Rasp (LINA BRAAKE) oder Ivan Desny (DIE EROBE - Wirklich versöhnlich endeten die Filme des Filmverlags RUNG DER ZITADELLE) oder Mario Adorf (BOMBER ohnehin nur in Ausnahmefällen. Aus heutiger Sicht UND PAGANINI) auf, populäre Größen wie Brigitte Mira möchte man fast glauben, dass das Happy-End als (ANGST ESSEN SEELE AUF) und Jungstars wie Bruno Standard der »Altbranche« per se zutiefst abgelehnt Ganz (DER AMERIKANISCHE FREUND, MESSER IM wurde. Und dafür waren auch die Zweifel an dieser Ge - KOPF), der Popstar Marius Müller-Westernhagen sellschaft vital genug, um die Geschichten nicht in ba - (THEO GEGEN DEN REST DER WELT) oder auch Ingmar naler Versöhnlichkeit enden zu lassen. Aufschlussreich Bergmans Kameramann Sven Nykvist (STROHFEUER). ist das Finale von EIN UNHEIMLICH STARKER ABGANG: Man begann, auf production values zu setzen, die man Michael Verhoevens Heldin Sonja sitzt wegen eines in den 1960er Jahren noch verachtet hatte. Mordes vor Gericht und hat ein hartes Urteil zu erwar - Dennoch, die Zahl der Komödien, die es mutmaßlich ten. Da stürzt die Wand hinter dem Richter ein, in einer am einfachsten gehabt hätten beim Publikum, hielt lächerlichen Apotheose erscheint ihr großer Schwarm, sich in Grenzen, aber sie sorgten meist für Erfolge: In der Eislauf- und Schlagerstar Hans-Jürgen Bäumler, LINA BRAAKE hauen zwei alte Menschen eine Bank um sie zu retten; er fliegt mit ihr wie Batman durch die übers Ohr, weil sie sich zu Recht von ihr betrogen füh - Lüfte, das Happy-End mag die rettende Kraft einer pri - len – eine in ihrer entwaffnenden Einfachheit auch vaten Utopie beinhalten und ist doch eine Verhöhnung heute noch aktuelle subversive Freude für den Zu - der Wirklichkeit auf der Grundlage der Naivität Sonjas. schauer, der feststellen wird, dass sich die Banken Nur wenige wichtige Filmemacher fehlen, aus unter - schiedlichen Gründen, in dieser Reihe: etwa Edgar einzige Film, der mit seinen Drehorten, luxuriöse Villen Reitz, Herbert Achternbusch, Werner Schroeter, Jean- und Hotels an einem oberitalienischen See, einfach Marie Straub. Wenn damals im In- und auch im Aus - eine zusätzliche, damals fast noch exotische Attraktion land über den »Neuen deutschen Film« geschrieben suchte – was ihm dann einige Kollegen und Kritiker an - wurde, so pries man ihn weniger wegen einiger inzwi - schließend durchaus übel nahmen. schen weltweit anerkannter Regisseure wie Fassbinder, Eine Ausnahme macht nur Peter Lilienthal, der in ES Herzog oder Wenders, sondern wegen seiner Vielfalt. HERRSCHT RUHE IM LAND von Putsch und Diktatur in Auch diese gehört, aus heutiger Sicht, zu den Vorzügen Chile erzählt, ohne das Land je beim Namen zu nennen. der Produktion und des Verleihs im Filmverlag . Man Dass sich die Zentrifugalkräfte im deutschen Film erst mag das auch als Mangel an verbindenden und ver - ein Jahrzehnt später auswirkten, mag an den Budgets bindlichen Konzepten abtun, doch der Vergleich mit ebenso gelegen haben wie am Bewusstsein der inlän - den heutigen, vor allem vom Fernsehen regulierten dischen Autoren und Regisseure, dass noch längst oder auch domestizierten Arbeiten, die sich seit einer nicht alle Geschichten über dieses Land erzählt sind. Reihe von Jahren ästhetisch nur in Ausnahmefällen Fassbinder war dafür das beste und überzeugendste n voneinander unterscheiden, offenbart: Damals wehte, Beispiel. Außerdem gab es damals in München das e r o ungeachtet allen äußeren Drucks, wenigstens ein Lüft - t Gefühl eines größeren Zusammenhalts, der eigentlich u chen von Mut und Freiheit, das spätestens seit der erst 1979 mit dem ersten Exodus der Filmemacher A r Jahrtausendwende eingeschlafen ist – oder einge - zum Hamburger Filmfest endete (nachdem das Kon - e d schläfert wurde. Die gemeinsame Basis der Filme - zept eines Münchner Filmfests kläglich gescheitert g a l macher damals waren die Zweifel an der real existie - war). Vorher traf man sich regelmäßig zum Fußballspie - r e renden Gesellschaft und, jedenfalls in den meisten Fäl - len, manchmal waren sogar Kritiker dabei. Es war ein v m l i len, ebenso die Zweifel an herkömmlichen Methoden, Jahrzehnt der Verbrüderung auf der Basis der gemein - F Geschichten zu erzählen. So kommt es, dass die meis - samen Abneigung gegen das »alte« deutsche Kino; ten jener Filme auch dem heutigen Betrachter nicht davon ist längst nichts mehr geblieben. Dass viele »Alt - 37 hoffnungslos veraltet und überholt erscheinen – ganz produzenten« gelegentlich Filme der jungen Generation anders als es zum Beispiel der damaligen Pseudo - mit finanzierten, hat man meist ignoriert. Und die Kriti - modernität der Simmel-Filme ergangen ist. ker fingen an, über die Filmemacher selbst Filme zu Abgesehen von den eher seltenen Versuchen jener Fil - drehen. Niemals war die gefährliche, aber auch span - memacher, die sich in den 1970er Jahren mit einem nende, gelegentlich vielleicht korrumpierende Nähe »linken« Heimatfilm versuchten, der meist in der Ver - zwischen den Machern und ihren Kritikern intensiver. gangenheit angesiedelt war, spielte die große Mehrzahl Die Dekade war hinreißend chaotisch. Der junge Brecht der Filme des Filmverlags in einem mehr oder minder hatte einst in München (am Ende seines Stücks »Im urbanen Raum; selbst Peter Fleischmanns DIE HAM - Dickicht der Städte«) geschrieben: »Das Chaos ist auf - BURGER KRANKHEIT, ein Roadmovie, das von Nord gebraucht. Es war die beste Zeit!« nach Süd durch die Republik führt, lässt sich auf die Hans Günther Pflaum Provinz weniger intensiv ein als auf die Großstadt.