seine Kollegen. Er sei „Rad- profi und kein Blutspender“, formulierte Pantani, dessen Verzicht in eingeweihten Krei- sen auch mit dem Hinweis ge- deutet wird, daß er nur so be- vorstehenden Polizeiermitt- lungen entkommen könne. Ihm will sich der Franzose Laurent Jalabert anschließen – eine der wenigen Hoffnungen des Gastgeberlandes fährt zur Zeit den Giro d’Italia, eine Ver- anstaltung, bei der die Doping- kontrollen eher lässig bewäl- tigt werden. Möglich auch, daß demnächst ganze Mannschaf- ten absagen: Die spanischen Teams Banesto und Once, Ar- beitgeber von Mitfavoriten wie Alex Zülle, Jalabert oder Abra-

PRESSE SPORTS / SPORTIMAGE PRESSE SPORTS ham Olano, wollen nicht mit- Radprofis Jalabert, Pantani (beim Giro d’Italia): „Kein Blutspender“ machen, wenn Frankreich bei seiner strammen Linie bleibt. Ausgeschlossen allerdings, daß eine RADSPORT wie Marie-George Buffet deshalb ein- knicken würde. „Man darf nicht gewissen Pressionen nachgeben und den Kampf Hoffen auf Mutter Courage gegen Doping einstellen, damit die Tour unter den gleichen Bedingungen statt- Die verliert ihren Wert – immer mehr findet wie in früheren Jahren“, ließ die Ministerin während ihrer Senatsbefragung Spitzenkräfte sagen ab, weil sie die stramme Anti-Doping-Linie wissen. der Sportministerin Marie-George Buffet fürchten. Wenn sich auf Einladung von Otto Schily die Sportminister der Europäischen Union aum war sie ein Jahr im Amt, da so weit kommen, daß das Spektakel aus- zu Beginn dieser Woche in Paderborn ein- hatte es die Frau aus dem 15. Stock fällt, dann würde die Mutter Courage ihr finden, um über das Thema Doping zu Rate Kin der Pariser Rue Olivier de Serres eigenes Opfer. zu sitzen, wird Buffet als Stargast der Run- schon zu ewigem Ruhm gebracht. Unwahrscheinlich ist derzeit zwar, daß de empfangen. Die Frau aus Frankreich Die Zeitung „Libération“ verkündete tatsächlich alle Mannschaften dem Aufruf soll der in Teilen etwas bräsigen Versamm- eilig den Anbruch einer neuen Zeitrech- des früheren Rad-Weltmeisters Francesco lung die Richtung aufzeigen, und sie weiß nung in der Sportpolitik: Es werde „ein Moser folgen werden, der einen Boykott auch schon, was sie zu tun hat. Vor und ein Nach Marie-George“ geben. der Frankreich-Rundfahrt fordert. Doch si- Es gehe „derzeit noch etwas langsam Sie habe sich „den Respekt der gesamten cher ist schon jetzt: Die Tour, ohnehin seit voran“, sagt sie und will darauf drängen, Sportwelt erworben“, applaudierte vergangenem Jahr schwer ramponiert, hat ein europaweit gültiges Gesetz zur Do- „L’Equipe“. Und das Volk gab ein don- ihren Wert verloren. pingbekämpfung auf den Weg zu bringen. nerndes Votum ab: Mit einer Zustim- Vorjahressieger Marco Pantani sagte sei- Die Kollegen müßten einsehen, daß der mungsquote von 70 Prozent lag sie noch ne Teilnahme bereits ab. Der Italiener Feldzug gegen pillengepushte Rekorde vor dem Ministerpräsidenten – Marie- schwang sich zum selbstlosen Gewissen „eine Frage der Glaubwürdigkeit für die George Buffet, 50, Frankreichs Ministerin seines Berufsstandes empor und entrüste- europäischen Regierungen ist“. Mit Marie- für Jugend und Sport, hatte den Landsleu- te sich über eine „Hexenjagd“ von Er- George Buffet ist Frankreich zur Avant- ten mächtig imponiert. mittlern und Journalisten gegen ihn und garde geworden. Denn das, wovon die Welt im Sommer Den deutschen Kollegen hat letzten Jahres sprach, war ihr Werk: Gen- die Doping-Jägerin schon mit- darmen und Sonderermittler in nächtli- gerissen. Auch für Schilys Ge- chem Einsatz, Radprofis in Beugehaft,Ärz- schmack mahlen die Mühlen te im Gefängnis – die große Reinigungs- Europas bei der Doping- welle während der vergangenen Tour de bekämpfung etwas zäh: „Da- France ging nur deshalb durchs Land, weil gegen ist eine Schnecke ein diese rigorose Madame das Gesetz dazu Leichtathlet.“ Und nach der angewendet hatte. Europa lamentierte über Verschärfung des deutschen den Kampf gegen Doping, Frankreich zeig- Arzneimittelgesetzes schließt te, wie es richtig geht. er einen noch festeren Zugriff Neulich allerdings geriet Frau Buffet sel- des Staates nicht aus: „Wir ber in die Enge: Der französische Senat müssen genau prüfen, worauf hatte sie zu einer Fragestunde gebeten, es der Erfolg in Frankreich ba- stand gewissermaßen das Fortleben natio- siert“, stellt er in Aussicht.

nalen Kulturguts zur Debatte – die Tour de OSSENBRINK F. Wann immer sich Gelegen- France ist in Gefahr. Und sollte es wirklich Minister Schily, Buffet: „Frage der Glaubwürdigkeit“ heit fand, stand MGB, wie sie

144 der spiegel 22/1999 Sport in der Belegschaft ihres Ministeriums ge- bis zu 30000 Mark Strafe und dem Entzug nannt wird, gegen die „Kommerzialierung der Lizenz beikommen können. Händlern des Sports“ auf – und zeigte, warum sie und Verabreichern unerlaubter Substanzen lange als die große Hoffnung des französi- drohen in Frankreich sieben Jahre Gefäng- schen Kommunismus gehandelt wurde. Die nis und 300000 Mark Bußgeld. Konsumentin schwarzer Gitanes, die mit Daß die Radler eine Aufpasserin vom dem Sport außer ein paar Einsätzen als Gewicht dieser französischen Ministerin Basketballspielerin zu Schulzeiten nichts brauchen, stellen sie zur Zeit beim Giro verbindet, stieg in der Kommunistischen d’Italia nachdrücklich unter Beweis. Bevor Partei empor, weil sie sich als stramme Va- der gestartet wurde, wählten die Sportler sallin des finsteren Altstalinisten Georges Francesco Moser, den Fürsprecher eines Marchais einen Namen machte. Tour-Boykotts, zum Präsidenten ihres neu Die linientreue Genossin erklomm höch- gegründeten Interessenverbandes – Moser ste Parteiämter, und als Sozialistenpremier hatte 1984 den Stundenweltrekord aufge- Lionel Jospin sie vor zwei Jahren in sein stellt und später zugegeben, mit Eigenblut- Kabinett holte, hatte Buffet zwei wesentli- Doping nachgeholfen zu haben. che Erkenntnisse auf einmal: Zum einen ist Und als das Nationale Olympische Ko- Sport die Sache des Volkes, und Kommuni- mitee Italiens seine eigenen Dopingkon- sten sahen sich schon immer als Anwälte des trolleure losschickte, um bei den italieni- Volkes. Zum anderen bot sich der Feldzug schen Radlern das Blut zu untersuchen, gegen Doping schlicht als Marktlücke an. wurde der Weltverband UCI auffallend Ihr Vorgänger, der ehemalige Hürden- streng: Schriftlich ließ dessen Präsident sprinter Guy Drut, verstand seine politi- die Giro-Organisatoren wissen, derlei Tests sei- en außerhalb der UCI „explizit verboten“. Derlei Sperenzchen werden die Fahrer bei der Tour de France nicht mehr schützen – da steht Marie-George Buffet vor. Gebremst werden könnte deren Schwung jetzt allenfalls noch vom Traditionsbe- wußtsein ihrer Lands- leute. Die Franzosen, von der Natur eher mit fröhlichem Gleichmut gegen jede Art von

REUTERS „magouille“ – Durch- Tour de France auf den Champs-Elysées: Von Skrupeln geplagt stechereien in Politik, Wirtschaft und Sport – sche Mission zuallererst in der Funktion ausgerüstet, werden kurz vor dem Start der eines Medaillenzählers. Er hatte ihr „nicht 86. Tour am 3. Juli doch wieder von Skru- das winzigste Dokument“ zum Thema Do- peln geplagt: Zwei Drittel der Bevölkerung, ping hinterlassen, erinnert sich die Nach- das ergab eine Umfrage, wollen das Spek- folgerin, und unter seiner Führung war das takel gern durch das Land rollen sehen. Budget für das nationale Dopinglabor ge- Schön wäre es auch, wenn nach einer strichen worden. Buffet stellte den Posten Absage von Laurent Jalabert zumindest wieder her und verdoppelte ihn. noch ein französischer Held am Start wäre. Sie reiste durch die Republik, suchte den Doch da bleibt nur . Der Rat prominenter Sportgrößen wie des ehe- war im letzten Jahr Chef bei , jener maligen Tennisprofis Yannick Noah, und Truppe also, die den Skandal auslöste, weil ihre Eingriffe verschreckten die altvorderen sich ihr Masseur Willy Voet beim Transport Sportführer. Dem Gewichtheberverband, unerlaubter Mittel erwischen ließ. einem Sammelbecken für Muskelschwel- Während seine Kollegen systematisches ler, entzog Buffet die Lizenz, den Fußball- Doping zugaben, behauptet Virenque bis Nationalspielern – Ikonen des Landes seit heute, seine Beine nur mit homöopathi- dem Gewinn der Weltmeisterschaft – schen Mitteln beschleunigt zu haben. Neu- schickte sie sogar zur Weihnachtsfeier in ei- lich wurde er in dieser Angelegenheit wie- nem Skicamp die Dopingjäger auf den der vernommen und traf dabei nach langer Hals. Zeit noch einmal auf Willy Voet, seinen Zur Überwachung der Kontrollen führte Wegbegleiter aus besseren Tagen. die ehemalige Studienrätin für Geschichte Der hatte es, so stellte sich bei der Zu- und Geographie eine unabhängige Kom- sammenkunft heraus, immer nur gut mit mission aus Juristen,Wissenschaftlern,Ath- Virenque gemeint: „Du Bastard wärst tot, leten und Sportfunktionären ein, die den wenn ich dir alles injiziert hätte, was du Sportverbänden bei laschem Vorgehen mit wolltest.“ Lutz Krusche

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