DIETER HOPPMANN* Die Karte des potenziellen Mostgewichtes für das Weinbaugebiet als objektive Grundlage zur Charakterisierung der Weinlagen

1. Einführung

Die Hervorhebung der Weinberglage im deut- die Qualität. Dieser Anteil trockener Jahre kann je schen Weinbau besitzt eine lange Tradition, wurde nach Bodenart in den Anbaugebieten mit weniger jedoch in der Weingesetzgebung nicht als quali- als 550 mm Jahresniederschlag bis auf 40 % an- tätsbestimmende Größe aufgenommen. Mit der steigen. Die Basisdaten wurden in jahrzehntelan- angestrebten Harmonisierung der rechtlichen gen Standortuntersuchungen erarbeitet (ZAKOSEK Rahmenbedingungen in der EU ist zu erwarten, et al. 1967). Diese klimatischen und bodenkund- dass auch in der deutschen Weingesetzgebung lichen Einflüsse auf das Mostgewicht lassen sich zukünftig die Bedeutung der geographischen nach dem derzeitigen Wissensstand unter Anwen- Lage zur Differenzierung von Weinqualität stär- dung eines geographischen Informationssystems ker in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt (GIS) räumlich zuordnen. Die Karte zum poten- wird. Die Sonneneinstrahlung und die Tempe- ziellen Mostgewicht legt im Rheingau Bereiche raturen sind an der Nordgrenze der Weinbau- fest, die vom Klima und Boden für die Erzeugung gebiete die klimatisch begrenzenden Faktoren. besonderer Qualitäten begünstigt sind. Die be- In Jahren mit langen Trockenperioden beein- rechneten Mostgewichte gelten für die Rebsorte flusst auch die Wasserbilanz an einem Standort .

2. Methoden

Die für die Validierung des Mostgewichtsmo- Die Berechnungen erfolgen für den Zeitraum dells erforderlichen Grunddaten bilden Erhe- 1961–1990. Es werden die klimatischen Ein- bungsuntersuchungen über den Zeitraum 1960 flussgrößen (Temperatur, Sonnenscheindauer, bis 1984 (HOPPMANN 1988). Für die Auswertung relative Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit werden nur solche Standorte verwendet, auf de- und Niederschlag) und abgeleitete agrarmeteo- nen Mostgewichtserhebungen über einen Zeit- rologische Größen, wie die potenzielle Verduns- raum von mindestens 10 Jahren durchgeführt tung, die klimatische Wasserbilanz und die be- wurden. Für insgesamt 123 Testparzellen liegen rechnete direkte Sonneneinstrahlung verwendet. diese Daten vor, die zu Beginn der Hauptlese er- Der Einfluss des Klimas auf das Wachstum und hoben werden. Die Validierung der Einflüsse von die Reife der Beere wechselt in einzelnen Ent- Klima und Boden auf das Mostgewicht erfolgt wicklungsstadien. Die Berechnung der Stand- über ein Regressionsmodell aus dem BMDP-Sta- ortvariablen wird deshalb den phänologischen tistikprogrammpaket. Entwicklungsstadien (BBCH-Code) zugeordnet

*Dr. D. Hoppmann (e-mail: [email protected]), Deutscher Wetterdienst, Geschäftsfeld Landwirtschaft, Kreuzweg 25, D-65366 .

115 Tab. 1. Geländeklimatische und bodenkundliche Differenzierung der Weinbaustandorte

Topographie Boden Geländeklima

Hangneigung Bodentyp direkte Sonneneinstrahlung Hangrichtung Bodenart potenzielle Verdunstung und Wasserbilanz Höhe ü. NN pflanzenverfügb. Bodenwasser (nFK) Temperatur (Höhe, Hangrichtung, Hangneigung) Höhe ü. Talgrund Wärmehaushalt Kaltluftgefährdung und Windgefährdung

(HOPPMANN & JAGOUTZ 1986). Die geländeklimati- gebiete wurde speziell eine Karte der nutzbaren schen Verhältnisse werden mit Hilfe von Model- Feldkapazität (nFK) erstellt (ZIMMER 1996). len aus den Grunddaten des Klimamessnetzes Das geographische Informationssystem (GIS) des Wetterdienstes abgeleitet. Die Tab. 1 listet des Geographischen Instituts der Universität alle Größen auf, die als Standortvariablen die nimmt alle Standortvariablen auf. Als Qualität beeinflussen. Mit Hilfe von Temperatur- Grundinformation benötigt das GIS die digitali- funktionen können die tatsächlichen Tempera- sierten Daten eines Höhenmodells (DHM), die turverhältnisse an jedem einzelnen Standort in das Hessische Landesvermessungsamt zur Verfü- Abhängigkeit von der Höhenlage und der Gelän- gung stellt. Die Höhen liegen in einem Gitter- deform berechnet werden. punktabstand von 20×20 m vor. Daraus erge- Die Hinzunahme der berechneten Temperatu- ben sich dann auch Hangneigung und Exposition. ren sowie die Berechnung von Wasserbilanz und Neben den Grunddaten Koordinaten, Höhe, Nei- Verdunstung helfen, die Relation zwischen den gung, Exposition werden jedem Gitterpunkt Standortvariablen und beobachteten Mostgewich- Werte zur Kaltluft- und Windgefährdung, zur ten zu validieren. Im Rahmen der Neuauflage des Strahlung und Temperatur und zum pflanzen- Weinbaustandortatlas für die hessischen Weinbau- nutzbaren Bodenwasser zugeordnet.

3. Ergebnisse

Zunächst werden die Einflüsse der Jahres- fällt das Mostgewicht um 5,9 °Oechsle. Ähnlich schwankungen untersucht. Die Tab. 2 veran- lassen sich die anderen Einflüsse interpretieren: schaulicht den Einfluss der Klimagrößen auf das Die Erhöhung der Verdunstung um 27 mm und Mostgewicht – bei Veränderung um eine Standard- der klimatischen Wasserbilanz um 51 mm in der abweichung. Die größte Bedeutung für das Most- Zellteilungphase hebt das Mostgewicht um 7,2 ° gewicht hat der Termin der Vollblüte, gefolgt von bzw. 5,2 °Oechsle an. Die kombinierte Variable der Verdunstung in der Zellteilungsphase, dem aus Niederschlag und Wasserbilanz in der Reife- Niederschlag in der Reifezeit usw. Die Rangfolge zeit mindert die Qualität um 2,3 °Oechsle, wenn sagt allerdings nichts über die Stärke des Einflus- Niederschlag und Wasserbilanz um 23 bzw. ses aus. Dieser lässt sich aus den Regressionskoef- 31 mm ansteigen. Im Gelände beeinflussen Hö- fizienten und der Standardabweichung ermitteln henlage, Exposition und Neigung die Qualität. (Spalte 2 und 3 in Tab. 2). Der bekannte negative Einfluss der Höhe auf die Wenn sich der Blühtermin um sieben Tage Qualitätsbildung der Trauben ist eine Folge der (plus eine Standardabweichung) verspätet, so abnehmenden Temperatur mit der Höhe. Diese

116 Tab. 2. Einflüsse der phänologischen Entwicklung und der Klimagrößen auf das Mostgewicht im Jahreswechsel

Veränderung Qualitätsverlust/-gewinn Phänologie/Klimagröße (Standardabweichung) [°Oe]

Termin Vollblüte +7 Tage –5,9 Verdunstung (BBCH 65 bis 73) +27 mm +7,2 Niederschlag (BBCH 85 bis 89) +21 mm –2,0 Max-Temperatur (BBCH 73 bis 81) +0.9 °C +3,7 Niederschlag u. Wasserbilanz (BBCH 81 bis 85) +23 mm u. +31 mm –2,3 Wasserbilanz (BBCH 65 bis 73) +51 mm +5,2 Max-Temperatur (BBCH 85 bis 89) +1,8 °C +2,2

Abnahme ist aber nicht bei jeder Wetterlage lage, der direkten Sonneneinstrahlung und den gleich. Wind und Bewölkung bilden die Grund- Windwegsummen berechnet (HOPPMANN 1988). lage für die Klassifizierung der Wetterlagen. Für In die Berechnung der Temperaturen fließt die jeden Geländepunkt werden dann die nächt- Kaltluftgefährdung ein, die für den Rheingau lichen Temperaturminima und die Mitteltempe- flächendeckend vorliegt. ratur der hellen Tagesphase in Abhängigkeit von Die Abb. 1 veranschaulicht an einem Beispiel der Kaltluft- und Windgefährdung, der Höhen- den Grad der Kaltluftgefährdung. Im Vergleich

Kaltluftgefährdung

keine Gefährdung

sehr gering

gering

gering bis mittel

mittel

mittel bis hoch

hoch

sehr hoch

Abb. 1. Beispiel zur Kaltluftgefährdung.

117 15,0 15,0 Hangneigung 10 Grad Südhang 10 Grad Neigung 14,5 14,5

14,0 14,0

13,5 13,5

13,0 13,0

12,5 12,5

12,0 12,0

11,5 11,5 Ebene NE E SE S SW W NW Ebene 0 30 60 90 120 150 180 Hangrichtung Höhe über Talgrund [m]

Abb. 2. Mitteltemperatur der hellen Tagesphase von Reifebeginn bis Lese.

zu anderen Weinbaugebieten sind die Rebhänge heiten hierzu können den Publikationen zu die- im Rheingau wenig gefährdet. Von den neun Ge- sem Thema entnommen werden (u. a. HÜSTER fährdungsstufen fehlen im Rheingau die beiden 1993). Mit der Neuauflage des Standortatlas für höchsten Klassen. In ähnlicher Weise ist die Wind- die Hessischen Weinbaugebiete stehen die nFK- gefährdung in fünf Stufen kartenmäßig dargestellt. Werte flächendeckend für den Rheingau zur Ver- Die Abhängigkeit der Temperatur der hellen fügung. In Abb. 3 sind die nFK-Werte als Beispiel Tagesphase in der Zeit zwischen Reifebeginn und dargestellt (ZIMMER 1996). Lese soll an der Abb. 2 verdeutlicht werden. Die Die nächtlichen Temperaturminima, die Tem- obere Darstellung zeigt den Einfluss der Hang- peratur der hellen Tagesphase, Verdunstung und richtung. S- bis SW-Lagen zeichnen sich jeweils Wasserbilanz in den phänologischen Zeitspannen als das Optimum für die Temperatur aus, wobei sowie die nFK-Werte bilden die Eingangsgrößen SW-Lagen höhere Temperaturen aufweisen als für das Mostgewichtsmodell. Die Tab. 3 erklärt vergleichbare SE-Lagen. In der Höhe sind vor al- die Einflüsse der Standortvariablen, die in der lem Lagen in einem Bereich von 30 bis 60 m statistischen Analyse signifikant sind. Bei den für über dem Talgrund thermisch begünstigt (rechte alle Standorte durchgeführten Berechnungen Darstellung). Oberhalb von 120 m nehmen die entfallen 51 % auf die Tagesmitteltemperatur der Temperaturen dann deutlich ab. hellen Tagesphase während der Reifezeit, 15 % Die Verdunstung ist im Gelände von der Hang- auf das pflanzenverfügbare Bodenwasser (nFK), richtung und -neigung abhängig. Nur in wenigen 5,3 % auf das nächtliche Temperaturminimum Einzeljahren wird die Wasserbilanz positiv (HOPP- von der Vollblüte bis Reifebeginn und 4,2 % auf MANN 1988). In der Regel zehren die Reben die die Verdunstung vom Austrieb bis zur Vollblüte. Bodenwasservorräte auf. Die nutzbare Feldkapa- Insgesamt können mit dem Mostgewichtsmo- zität (nFK) nimmt deshalb eine Schlüsselstellung dell 76 % der gesamten Schwankung der Most- bei der Bewertung eines Standortes ein. Einzel- gewichtsmittel von den untersuchten Standorten

118 nutzbare Feldkapazität

<100

100–125

125–150

150–175

175–200

>200

Gleye und Auenböden

Abb. 3. Beispiel der nFK-Werte. erklärt werden. Die Tab. 4 verdeutlicht die Wir- Zeitspanne. Daraus ergeben sich die in Tab. 4 kung der Standortvariablen auf das Mostgewicht. ausgewiesenen Veränderungen. So steigert bei- Die Variablen werden jeweils um die einfache spielsweise die Erhöhung der Mitteltemperatur Standardabweichung erhöht. Bei den Klimawer- der hellen Tagesphase um 0,6 °Celsius das Most- ten sind es Mittelwerte über die phänologische gewicht um 2,8 °Oechsle. Die Differenzen zwi-

Tab. 3. Ergebnis der Regression der Standortschwankungen des mittl. Mostgewichtes (123 Parz.) im Rheingau

Einzel- F - Wert Regress- Zuwachs P-Wert Einflußgröße korrelat. koeff. Einfluß

Mitteltemperatur der hellen Tagesphase 0,714 158,03 4,641 51,0 % 0,001 (Reifebeginn – Lese) Pflanzenverfügbares Bodenwasser 0,508 53,83 0,0394 15,5 % 0,001 (Standortkarte) Nächtliches Temperaturminimum –0,328 33,09 –5,244 5,3 % 0,001 (Vollblüte – Reifebeginn) Potent. Verdunstung (Austrieb – Blüte) 0,309 20,63 20,034 4,2 % 0,001 Gesamtes Bestimmtheitsmaß 76,0 % Bemerkung Die Einflussgrößen sind dann signifikant, wenn der P-Wert < 0,05 wird

119 Tab. 4. Einflüsse der Standortfaktoren auf die langjährigen Mittelwerte des Mostgewichtes von 123 Standorten

Veränderung Qualitätsverlust/-gewinn Klima- Standortfaktor (Standardabweichung) [°Oe]

Mitteltemperatur der hellenTagesphase +0,6 °C +2,8 (Reifebeginn – Lese) Pflanzenverfügbares Bodenwasser (Standortkarte) +40 mm +1,4 Nächtliches Temperaturminimum +0,3 °C –1,6 (Vollblüte – Reifebeginn) Potenzielle Verdunstung (Austrieb – Blüte) +0,05 mm pro Tag +1,0

schen berechneten und gemessenen Mostge- stellung der Karte zum potenziellen Mostge- wichten an den Einzelstandorten schwanken in wicht mit berücksichtigt werden. Aufgrund die- einem Bereich von ±5 °Oechsle (Abb. 4). ser Ergebnisse ist es notwendig, an jedem be- Drei Standorte liegen geringfügig außerhalb die- rechneten Mostgewicht einen Zuschlag von ses Bereiches. Die Schwankung von ±5 °Oechsle +5 °Oechsle anzubringen. Unter Berücksichti- erklärt die Reststreuung von 24 %, die durch das gung dieser Zuschläge ist es nicht möglich, dass Mostgewichtsmodell nicht erfasst wird. an einem Standort ein höheres Mostgewicht er- Diese Streuung der gemessenen Mostgewich- zielt wird als es das Mostgewichtsmodell er- te um die berechneten Werte muss bei der Er- mittelt. Da die Reststreuung insbesondere die

10

8

6

4 Spannweite 2

0

-2

-4

Differenz Mostgewicht [˚Oe] -6

-8

-10 55 60 65 70 75 80 85 Gemessene Mostgewichte [˚Oe]

Abb. 4. Differenz zwischen gemessenen und berechneten Mostgewichten.

120 unterschiedliche Bewirtschaftung und Kulturfüh- timal bewirtschaftet und die Kulturführung ent- rung (Pflanzenschutz, Düngung, Laubarbeiten) sprechend der „guten fachlichen Praxis“ be- beinhaltet, ist der Zuschlag gleichzeitig die Vor- treibt. Der berechnete Wert wird deshalb auch aussetzung dafür, dass der Winzer die Fläche op- als potenzielles Mostgewicht bezeichnet.

4. Beschreibung der einzelnen Karten

Die Karte des potenziellen Mostgewichtes strahlungsbedingungen. Nächtliche Kaltluft aus liegt als blattschnittfreie Karte für den gesamten dem Wispertal überspült die Lagen am Hangfuß Rheingau vor. Als Druckdateien liegen auf der im Nahbereich von Lorch. Mit zunehmender CD-ROM zusätzlich sieben Einzelblätter im DIN Höhe werden die thermischen Bedingungen für A3-Format im Maßstab 1 : 25 000 vor. Die Ein- den Weinbau ebenfalls ungünstiger, die Wind- zelkarten umfassen folgende Bereiche: gefährdung nimmt zu. Bezüglich der Boden- Lorchhausen bis Bodenthal wasserversorgung sind Teilbereiche der Lagen Assmannshausen bis Geisenheim „Pfaffenwies“ und „Bodenthal-Steinberg“ als Geisenheim bis Oestrich-Winkel weniger günstig einzustufen. Die Karte verdeut- Oestrich-Winkel bis Hattenheim licht die Zusammenhänge. Die Lage „Kapellen- Hattenheim bis berg“ schneidet in den Mostgewichten am bes- Walluf bis -Neroberg ten ab, „Schloßberg“, „Bodenthal-Steinberg“ und Hochheim bis Flörsheim-Wicker „Pfaffenwies“ folgen. Die Flächen werden in 12 Stufen klassifiziert, wobei eine Stufe jeweils eine Klassenbreite von Der Bereich Assmannshausen bis 2 °Oechsle aufweist. Die Klasse „79–80“ bein- Geisenheim haltet beispielsweise den Wertebereich von Im Vergleich zu Lorch fallen die Lagen in Ass- 78,5–80,4 °Oechsle. Die Wertebereiche <68,5 mannshausen qualitativ etwas ab. Die aus den und >88,4 werden jeweils zu einer Klasse zu- höheren landwirtschaftlich genutzten Regionen sammengefasst. einfließende Kaltluft mindert die Qualität in Tal- Orange bis rot eingefärbte Bereiche sind Flä- nähe, zudem wechselt die Exposition sehr stark, chen mit sehr hohen Qualitäten, Flächen mit die häufiger anzutreffenden Nordwesthänge Gelbtönen sind gute Qualitäten, dunkelgrüne mindern ebenfalls die Einstrahlung. Die höher Flächen sind ausschließlich für früh reifende gelegenen Flächen sind zudem stärker wind- Rebsorten geeignet. exponiert. Kleinere Talgebiete der Lagen „Höl- Nachfolgend werden die Einzelkarten kurz be- lenberg“ und „Frankenthal“ heben sich aber schrieben und Besonderheiten hervorgehoben. durch sehr hohe Qualitäten hervor, lokal beein- Für jede Lage wurde auch die prozentuale Ver- trächtigt in der Lage „Frankenthal“ das fehlende teilung der Mostgewichte ermittelt. Bodenwasser die Qualitätsbildung. Zwischen Bestimmte Lagen können mehrmals auftreten, Assmannshausen und Rüdesheim drehen die wenn sie zu unterschiedlichen Großlagen oder Hänge wieder nach SW und S. Die Klimagunst zu unterschiedlichen Gemarkungen gehören. wird auch weniger durch herabfließende Kaltluft beeinträchtigt. Das in Teilbereichen geringe Der Bereich Lorchhausen bis Bodenthal pflanzenverfügbare Bodenwasser mindert in Die weinbaulich genutzten Hänge schaffen trockenen Jahren die Aussichten auf sehr hohe wegen der Exposition nach SW günstige Ein- Mostgewichte. Mit zunehmender Höhe durch-

121 laufen die Mostgewichtsklassen alle Qualitäts- wirkt sich ein hoher Strahlungsgenuss dann eher stufen. Sehr hohe Qualitäten werden in der Re- negativ aus. Klimatisch gesehen beeinflusst auch gel nur im Bereich von 80–180 m ü. NN ange- die Kaltluft des Elsterbaches die talnahen Gebiete troffen. am Schloß Johannisberg (Lage Klaus) und weiter Mit zunehmender Höhe wächst auch die östlich in Winkel auch die Randgebiete der Lage Windgefährdung. Die Einflüsse von Klima und „Gutenberg“. Klimatisch bevorzugt sind dann wie- Boden schlagen sich auch im potenziellen Most- der die südexponierten Hänge der Lage „Hasen- gewicht nieder. Insbesondere zeichnen sich die sprung“. Weiter unten in der Nachbarschaft des Lagen „Rosengarten“, „Schloßberg“ und „Berg Rheins breiten sich dann in einem schmalen Strei- Rottland“ aus, in Eibingen heben sich die tiefer fen die sehr guten Lagen des „Jesuitengartens“ gelegenen Bereiche der Lage des „Magdalenen- und „St. Nikolaus“ in Mittelheim aus. Ähnlich wie kreuz“ besonders hervor, die auch in der Regel der „Fuchsberg“ liegen sie windgeschützt und eine bessere Wasserversorgung aufweisen. sind meistens auch gut mit Wasser versorgt. Die In Richtung Geisenheim fallen die Hänge dann zwischen Schloß Johannisberg und Schloß Voll- flacher nach Süden zum Rhein hin ab. Ausnahme rads gelegenen grünen Flächen des „Dachsberg“ bilden lediglich die östlich von Geisenheim gele- im Bereich von mehr als 220 m fallen u. a. auch genen Lagen „Rothenberg“ und „Kläuser Weg“, wegen ihrer mageren Böden in der Qualität ab. die beide sehr steil sind. Die Lage „Fuchsberg“ Etwas weniger günstig im Vergleich zur Lage „St. nimmt in Geisenheim eine bevorzugte Stelle ein. Nikolaus“ setzt sich die Lage „Edelmann“ in Die Lage ist windgeschützt, wenig kaltluftgefähr- Mittelheim ins Bild. Die Lage „Schönhell“ im Be- det und verfügt zudem über sehr nachhaltige Bö- reich von Hallgarten erfüllt im Vergleich zu den den. Ein hoher Flächenanteil fällt deshalb in den tiefer gelegenen Lagen nicht die Erwartungen. Bereich hoher Qualitätsstufen. Zum „Mäuer- Zwar schafft die günstige Exposition günstige Ein- chen“ sinken die Qualitäten, wobei Teile des strahlungsbedingungen, die zunehmende Höhe „Mäuerchen“ als windexponiert einzustufen und die höhere Windgefährdung im Vergleich zu sind und auch der Boden nicht immer ausrei- den tiefer gelegenen Bereichen mindern dagegen chend Wasser in den trockenen Jahren nachlie- die Qualitätsaussichten. Stellenweise reicht auch fern kann. Ähnliches gilt auch für kleinere Teil- das pflanzenverfügbare Bodenwasser nicht aus. flächen am „Rothenberg“ und „Kläuserweg“. Aus Die klimatischen Bedingungen begünstigen dem Blaubachtal ergießen sich beträchtliche Kalt- dann wieder insbesondere die Lage „Oestricher luftmengen in Richtung Geisenheim. Die am Lenchen“ auf der Ostseite des Gottesthals und Hangfuß gelegenen Flächen des „Mönchspfades“ dann weiter östlich die Lage „Doosberg“. In den sind deshalb etwas weniger begünstigt. Die hö- potenziellen Mostgewichten heben sich folgen- her gelegenen Teile des „Mönchspfades“ sind de Lagen besonders hervor: dann nahezu eben, so dass nur ca 20 % der Flä- Mittelhölle che über 80 °Oechsle liegen. Für Geisenheim er- Schloß Johannisberg gibt sich Rangfolge „Fuchsberg“, „Rothenberg“ Teile des Hasensprung und „Kläuserweg“. Jesuitengarten St. Nikolaus Bereich Geisenheim bis Oestrich-Winkel Lenchen In Johannisberg setzen der „Schloßberg“, die Doosberg „Hölle“ und die „Mittelhölle“ mit steilen S- bis Abgesehen von der Lage „Lenchen“ und Tei- SW-Hängen deutliche Akzente. Aber nicht überall len des „Doosberg“ liegen die Lagen mit sehr ho- erreicht das planzenverfügbare Bodenwasser hen Mostgewichten in Oestrich-Winkel vor- Werte von über 150 mm. In trockenen Jahren nehmlich in Rheinnähe.

122 Oestrich-Winkel bis Erbach nen Rebflächen am Hühnerberg und Sonnen- Östlich und westlich von Hallgarten fließt im berg. Klimatisch bevorzugt sind dagegen die Süd- Vergleich zu anderen Bereichen im Rheingau nur westhänge entlang des Kisselbaches, des Kiedri- wenig Kaltluft in die Weinbergslagen. Auch das cher Baches, des Sulzbaches und des Walluftales. Kisselbachtal ist vergleichsweise weniger kaltluft- Eine Ausnahmestellung nehmen die direkt am gefährdet. Zwischen Oestrich-Winkel und Erbach Rhein südlich der Bahnlinie /Walluf gele- sind die höher gelegenen Standorte weniger be- genen Rebflächen ein. Die beschriebenen klima- günstigt, die aufgrund ihrer Höhenlage bzw. Ex- tischen Einflüsse lassen sich auch am potenziel- position nach SE oder E zunehmend windgefähr- len Mostgewicht ablesen. Von den Weinlagen det sind. Teile der Lage „Klosterberg“, „Würzgar- zeichnen sich insbesondere von Westen begin- ten“ und „Hendelberg“ sind deshalb nur für früh nend die Lagen reifende Rebsorten geeignet. In Rheinnähe ent- Hohenrain lang der Bahnlinie und parallel zum Rhein er- Schloßberg strecken sich die besten Lagen. Der Reigen der Steinmorgen sehr guten Lagen beginnt westlich von Hatten- Wasserros heim mit dem „Schützenhaus“ und „Pfaffen- Gräfenberg berg“, setzt sich dann östlich fort mit den Lagen Rheinberg „Engelmannsberg“, „Mannberg“, „Nußbrunnen“, Sonnenberg bevor dann in Richtung Erbach die berühmten Sandgrub Lagen des „Marcobrunn“, „Wisselbrunnen“ sowie Kalbspflicht „Siegelsberg“ und „Michelmark“ beginnen. Diese Baiken Lagen fallen auch in trockenen strahlungsreichen Langenstück Jahren qualitativ nicht ab, weil die Böden ausrei- Langenberg chend Wasser nachliefern können. Die Lagen Vitusberg sind weder durch Frost noch durch Wind gefähr- Walkenberg det. Nördlich von Hattenheim sind kleinere Teil- aus. In dieser Gruppe nehmen die Lagen „Schloss- flächen der Lage „Schützenhaus“ und des „Stein- berg“, „Rheinberg“, „Sonnenberg“, „Baiken“ und berg“, die vornehmlich nach SW abfallen, qualita- „Walkenberg“ noch einmal eine bevorzugte Stel- tiv begünstigt. Im „Steinberg“ liegt auf größeren lung ein. Teilflächen das pflanzenverfügbare Bodenwasser unter 125 mm. Bereich Walluf bis Wiesbaden-Neroberg Der Bereich Walluf– wird zum grö- Bereich Hattenheim bis Walluf ßeren Teil landwirtschaftlich und obstbaulich ge- Die aus dem Sulzbach kommende Kaltluft be- nutzt. Darin sind um Frauenstein und im städti- rührt die talnahen Bereiche der Lage „Baiken“ schen Gebiet von Schierstein und Dotzheim ei- und „Taubenberg“. Ein kräftiger Kaltluftstrom er- nige Rebflächen eingebettet. Die obstbauliche gießt sich auch aus dem ins Walluftal. Nutzung begünstigt in den talnahen Zonen Die Kaltluft strömt dann weiter östlich um den unterhalb von 140 m ü. NN das Aufstauen der Nussberg bis hin nach Schierstein und füllt den von den sanft geneigten Hängen einfließenden Talkessel zwischen Niederwalluf und Schierstein Kaltluft. In den Lagen „Herrnberg“, „Marschall“, stark auf. Im Bereich Erbach bis Walluf drehen „Homberg“, „Dachsberg“ und „Hölle“ sind davon die Hänge in den östlichen Teilbereichen häufig aber nur Standorte in unmittelbarer Nachbar- nach SE und E. Diese sind in der Regel stärker schaft der kleinen Seitentäler betroffen. Da die windgefährdet und fallen im Mostgewicht etwas Lagen in der Regel nach SW exponiert und somit ab. Insbesondere betrifft das die östlich gelege- wenig windgefährdet sind, zeichnen sich insbe-

123 sondere die Lagen „Herrnberg“ und „Hölle“ und SW-Hänge liegen sehr windgeschützt, so durch größere Anteile sehr hoher Mostgewichte dass die Klimagunst für sehr hohe Qualitäten aus. In Teilflächen mindern sich die Qualitäten spricht. Auch die Bodenverhältnisse lassen gene- wiederum durch ungünstige Bodenverhältnisse. rell keine Wünsche offen. Nur in kleineren Teil- Kleinere Rebflächen liegen im Stadtgebiet von bereichen sinkt das pflanzenverfügbare Boden- Wiesbaden. Sie heben sich qualitativ nicht be- wasser (nFK) unter 125 mm. Entsprechend hoch sonders hervor. fallen die prozentualen Flächenanteile sehr ho- her Mostgewichte aus. Bereich Hochheim bis Flörsheim-Wicker Im Westen beginnt das Band sehr hochwerti- Im Gegensatz zu der stark differenzierten Ge- ger Lagen mit der Lage „Weiß Erd“ und „Rei- ländestruktur des unteren und mittleren Rhein- chesthal“, setzt sich dann ostwärts in den Lagen gaus finden wir im Bereich von Hochheim und „Stielweg“, „Domdechaney“, „Kirchenstück“, Flörsheim nur Höhendifferenzen von knapp „Hölle“, „Königin Victoriaberg“ und „Stein“ fort 40 m. Die Weinbaulagen erstrecken sich vom und endet dann im Osten in den bevorzugten La- Mainufer einstufig bis zur allgemein eben ver- gen des „Herrnberg“, „Nonnberg“ und „König- laufenden Terrasse in 140 m ü. NN. Die S- und Wilhelmsberg“. In diesem Kollektiv guter bis SW-Hänge schaffen sehr günstige Strahlungsbe- sehr guter Lagen nehmen „Domdechaney“, „Kir- dingungen. Von der Kaltluftgefährdung sind nur chenstück“ und „Königin Victoriaberg“ eine ab- sehr talnahe Zonen, in denen in der Regel auch solute Spitzenstellung ein. kein Weinbau betrieben wird, betroffen. Die S-

5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Der Rheingau ist das erste Weinbaugebiet der erbringen hohe Einstrahlungswerte. Ungünstige Welt, das auf der Basis wissenschaftlich begrün- Hangrichtungen sind mit weniger als 5 % An- deter Unterlagen klassifiziert wird. Das Mostge- teil an der Gesamtfläche vertreten. wicht bestimmt nicht allein die Qualität, son- • Die Höhen des sind bewaldet. Der dern Geschmack und Inhaltsstoffe des Weins Wald bremst im Gegensatz zu Acker- und Wie- werden innerhalb der verschiedenen Bereiche senflächen den ungehinderten Abfluss nächt- von der Bewirtschaftung der Rebflächen und der licher Kaltluft in die tiefer gelegenen Rebhän- Kellertechnik bestimmt. Die Karte bestätigt in ge, auch gibt es nur wenige ausgedehnte Seit- eindrucksvoller Weise, dass der Rheingau im Hin- entäler, die den Rebhängen von den Höhen blick auf Klima und Boden eine Spitzenstellung Kaltluft zuführen. im Weinbau einnimmt. So kann auf 50 % der Reb- • Die Böden bieten beste Voraussetzungen für fläche im 30-jährigen Durchschnitt ein Mostge- den Anbau von Reben. In Trockenjahren fällt wicht von mehr als 80° Oechsle erzielt werden, häufig nicht genug Regen, um die Reben aus- und nur 14 % der Rebfläche erzielen potenziell reichend mit Wasser zu versorgen. Mehr als weniger als 75 ° Oechsle. zwei Drittel der Böden im Rheingau können Die Klimagunst begründet sich auf verschie- während des Winterhalbjahres mehr als dene Faktoren: 150 ltr/qm als Wasserreserve für den Sommer • Die günstig exponierten Hänge nach S und SW einlagern.

124 6. Schriftenverzeichnis

HOPPMANN, D. (1988): Der Einfluß von Jahreswitte- internat. Arbeitskreises „Begrünung im Weinbau“, rung und Standort auf die Mostgewichte der Reb- 28.–31.08.1996: 56–73; Kaltern. sorten Riesling und Müller-Thurgau (Vitis vinifera HÜSTER, H. (1993): A long-term simulation of the soil L.). – Berichte des Deutschen Wetterdienstes, water budget in tilled and grass covered . 176: 213 S.; Offenbach. – Die Weinwissenschaft, 43: 147–160; Mainz. HOPPMANN, D. & JAGOUTZ, H. (1986): Ermittlung des ZAKOSEK, H., KREUTZ, W., BAUER, W., BECKER, H. & Einflusses ökologischer Faktoren auf die Qualitäts- SCHROEDER, E. (1967): Die Standortkartierung der bildung der Reben zur Sicherung der nach dem hessischen Weinbaugebiete. – Abh. hess. L.-Amt Weinwirtschaftsgesetz geforderten Qualitäts- Bodenforsch., 50: 82 S.; Wiesbaden. begrenzungen von Weinbergslagen. – Abschluss- ZIMMER, T. (1996): Möglichkeiten zur flächendecken- bericht im Rahmen eines Forschungsprojektes, den Abschätzung der nutzbaren Feldkapazität AMBF, Teil I: 16 S.; Geisenheim. (nFK) als wichtige Größe zur Ermittlung der Begrü- HOPPMANN, D. & LÖHNERTZ, O. (1996): Die Standort- nungseignung von Weinbergen. Tagungsband des karte der Hess. Weinbaugebiete unter besonderer XI. Kolloquiums des internat. Arbeitskreises „Be- Berücksichtigung der Begrünungsmöglichkeiten der grünung im Weinbau“, 28.–31.08.1996: 41–47; Weinberge. Tagungsband des XI. Kolloquiums des Kaltern.

125