Nannette Streicher Wurde Am 2
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Streicher, Nannette Orte und Länder Sie wirkte fast ausschließlich in Augsburg und Wien und hat kaum Reisen unternommen. Biografie Nannette Streicher wurde am 2. Januar 1769 in Augs- burg als sechstes Kind des berühmten Klavier- und Orgel- bauers Johann Andreas Stein (1728–1792) geboren und auf die Namen Anna Maria getauft. Ihre Mutter war Ma- ria Regina Stein geb. Burkhart. Die Familie bekannte sich zur evangelischen Kirche bzw. zur Augsburger Konfession, der „Confessio Augustana“, die am 25. Juni 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg Kai- ser Karl V. von den Reichsständen der lutherischen Re- formation vorgelegt worden war. Wohnung und Firmensitz Steins, zu dem auch ein Kla- viersalon gehörte, befanden sich ab 1774 nahe der St. Ul- richskirche in dem heute noch erhaltenen Haus Maximili- Nannette Streicher, Tuschezeichnung von Ludwig Krones, 1836 ansplatz 10. (Eva Hertz, Johann Andreas Stein (1728–1792). Ein Beitrag zur Geschichte des Klavierbau- Nannette Streicher es, Würzburg 1937, S. 38 und Ernst Fritz Schmid, Ein Geburtsname: Nannette Stein schwäbisches Mozart-Buch, 2. Aufl., Augsburg 1998, S. 188.) * 2. Januar 1769 in Augsburg, Deutschland † 16. Januar 1833 in Wien, Österreich Stein unterrichtete seine Tochter selbst und ließ sie schon früh öffentlich auftreten. In einem Notizbuch ver- Klavierbauerin, Pianistin, Komponistin, merkte er: „Mein kleines Mädgen von im 7ten Jahr hat Musikpädagogin, Konzertveranstalterin letzten Donerstag auf der H.[erren] Geschlechter stube und Mittwoch darauf auf der Kaufleuth Concert – es war „In unvergesslicher Weise prägten sich gewiß jedem, der publiquis – Clavier Concert gespielt; mit vieler Empfin- die heiter-offene Frau einmal gesehen, ihre zwar etwas dung und einer arth Enthusiasmus machte sie die Einlei- hartgeformten, scharfkantigen, aber sprechenden Züge dung ihrer Rondeaux, so daß die Mehrsten der Gesell- mit intelligentem und zugleich wohlwollendem Ausdruck schaft schrien: aha, das ist Steins Tochter.“ (Eva Hertz, und ihr lebhaftes, in Art und Ton der Sprache fast männ- Johann Andreas Stein, a. a. O., S. 13f.) liches Wesen ein.“ (Hermann Rollett, Begegnungen. Erinnerungsblätter Im Sommer 1777 unternahmen beide eine Reise nach Wi- (1819–1899), Wien 1903, S. 23.) en, auf der Stein seine neueste Erfindung vorstellte. And- reas Streicher schrieb darüber: „Als er [Stein] einige Jah- Profil re später eine Reise nach Wien machte, um seine neuen Nannette Streicher war eine der bedeutendsten Klavier- Pianoforte, besonders aber ein sehr sinnreich eingerichte- bauerinnen ihrer Zeit und eine der wenigen frühbürgerli- tes Instrument, welches durch drey Tastaturen den Flü- chen Unternehmerinnen, die auch finanziell äußerst er- gel und das Pianoforte vereinigte und von zwey sich ge- folgreich agierten. Bekannt wurde sie daneben als eine genübersitzenden Personen zugleich gespielt werden enge Vertraute Beethovens. konnte, den Liebhabern vorzuzeigen; nahm er auch die achtjährige Tochter mit sich und gewöhnte sie daran, eben so zwanglos vor den höchsten Standespersonen, – 1 – Streicher, Nannette wie vor Musikern und unbekannten Zuhörern, die Vorzü- Pianoforte mit freundlichstem Ernste anhielt. Dabey wur- ge der neuen Arbeiten ihres Vaters bemerklich zu ma- de der Unterricht im Gesange und Klavierspiele mit un- chen.“ ([Andreas Streicher], Nekrolog, in: Allgemeine ausgesetztem Eifer fortgeführt, und durch die genaueste musikalische Zeitung, Jg. 35, Nr. 23 vom 5. Juni 1833, Kenntniss der Mechanik geleitet, dem Instrumente den hier Sp. 374.) Von diesen „Vis-à-vis-Flügeln“, bei denen schönsten Ton zu entlocken, wurde ihr Spiel immer voll- ein Cembalo und ein Hammerflügel sich in einem Instru- kommener; es erhielt, selbst gegen ausgezeichnete Musi- mentenkorpus gegenüberstehen, sind nur noch zwei Ex- ker gehalten, einen solchen Vorzug, dass der Vater nur emplare erhalten. dann erst dem Fremden erlaubte, eines seiner Pianoforte zu versuchen, wenn zuerst die Tochter dasjenige aus Während des Aufenthalts in Wien schrieb Stein an Mo- demselben gezogen, was er oder sie hineingearbeitet hat- zart in Salzburg und kündigte ihm einen Besuch an: „An ten. Da kein Reisender, noch weniger aber ein Musiker Mozart. Meine Hochachtung, die ich vor Sie und Ihre mu- von Bedeutung den Weg über Augsburg nahm, ohne den sikalische Familie habe, wachst [!] täglich und beson- berühmten Stein zu besuchen, und dieser mit Stolz die ders, da ich mich hie in Wien befinde, so stark, daß sie Talente seiner Tochter und dreyfachen Schülerin geltend wirklich auf dem Point steht, eine enthusiastische Tat zu zu machen wusste; so erhielt sie schon in frühen Jahren begehen.“ (Ernst Fritz Schmid, Ein schwäbisches Mozart- einen sehr ausgebreiteten Ruf, der noch durch verschie- Buch, a. a. O., S. 188.) Bei diesem denkwürdigen Abste- dene Reisen vermehrt wurde.“ (Allgemeine musikalische cher nach Salzburg begegnete Nannette dem damals Zeitung, Jg. 35, Nr. 23 vom 5. Juni 1833, hier Sp. 374f.) 21-Jährigen erstmals persönlich. Am 26. April 1787, auf der Rückreise von seiner ersten Ihr Vater machte sich insbesondere um die Weiterent- Reise nach Wien, kam auch der junge Beethoven für eini- wicklung des Hammerflügels verdient. So gelang es ihm, ge Tage nach Augsburg. (Augsburger Intelligenzblatt, Nr. den Tangentenflügel, bei dem die Hämmer noch starr an 18 vom 30. April 1787, S. 76.) Er besuchte in der Stadt den Tastenhebeln montiert waren, mit einer so genann- die bekannte Pianistin und Komponistin Nanette Scha- ten Auslösung auszustatten, durch die die Hämmer un- den (1763–1834) sowie Nannette Stein und ihre Familie. mittelbar nach dem Anschlag wieder zurückschnellten. Sie erzählte später dem Arzt Karl Bursy, „wie er als zwölf- Diese Prellzungenmechanik wurde später zur „Wiener jähriger [recte: „sechzehnjähriger“] Knabe ein Konzert Mechanik“ weiterentwickelt. Mozart erprobte diese bahn- auf der Orgel gegeben und öfters auf den Instrumenten brechende Neuerung, als er sich vom 11. bis 26. Oktober ihres Vater so herrlich phantasiert habe.“ (Beethoven aus 1777 in Augsburg aufhielt. Seinem Vater schrieb er dar- der Sicht seiner Zeitgenossen, hg. von Klaus Martin aufhin begeistert, die Steinschen Klaviere „dämpfen no- Kopitz und Rainer Cadenbach unter Mitarbeit von Oliver ch viell besser“, und bemerkte zu Nannette: „sie kann Korte und Nancy Tanneberger, München 2009, Bd. 1, S. werden: sie hat genie“. (Mozart, Briefe und Aufzeichnun- 171.) So begann eine Freundschaft, die bis zu Beethovens gen, Bd. 2, hg. von Wilhelm A. Bauer und Otto Erich Tod anhielt. Deutsch, Kassel 1962, S. 68 und 83). Am 22. Oktober gab er in Augsburg ein Konzert, bei dem er selbst auf einem Welch kreative Atmosphäre im Hauses Steins herrschte, Steinschen Klavier spielte. (Augsburgische Staats- und beschreibt der Komponist und Musikschriftsteller Jo- Gelehrten-Zeitung, 28. Oktober 1777.) hann Friedrich Reichardt (1752–1814), der sich 1789 auf der Durchreise nach Italien in Augsburg aufhielt. Dem- Nannette wurde von ihrem Vater schon früh als Klavier- nach hatte Stein speziell für seine Tochter ein ungewöhn- bauerin ausgebildet: „Da keine der älteren Schwestern so liches Instrument gebaut, das diese – unter Verwendung viele Anlage zur Musik verrieth, als die kleine Nannette; mehrerer Kniehebel – virtuos beherrschte. Reichardt sch- sie auch die zarteste Anhänglichkeit für ihren Vater und reibt darüber in einem Brief aus Augsburg: „Meinen Tag Lehrer bey jeder Gelegenheit bewies, so wurde diesem hab’ ich hier sehr musikalisch zugebracht, getheilt zwi- das Kind so werth, dass es seine immerwährende Gesell- schen der Frau von Schaden, die unter allen musikali- schafterin seyn musste, und er sie, in ihrem 10ten Jahre schen Damen, die ich kenne, selbst die Pariserinnen schon, erst zur Verfertigung einzelner Theile der damali- nicht ausgenommen, bei weitem die größte Klavierspiele- gen Mechanik, so wie endlich zum Einrichten der Tasta- rin ist, ja an Fertigkeit und Sicherheit vielleicht von kei- turen, zum Stimmen und gänzlicher Vollendung seiner nem Virtuosen übertroffen wird; auch singt sie mit vie- – 2 – Streicher, Nannette lem Ausdruck und Vortrag, und ist in jedem Betracht ei- Um 1797 fand man ein geräumigeres Quartier im „Gold- ne angenehme, interessante Frau; – und dem berühmten spinnerhaus“ auf der Landstraße Nr. 376, und im April Instrumentenmacher Stein und seiner Familie. Er hat sei- 1802 bezog die Firma das eigene, von Andreas Streicher ner 17 bis 18jährigen Tochter ein ganz originelles herrli- gekaufte Haus „Zum heiligen Florian“ in der Ungargasse ches crescendo forte-piano gemacht, das sie meisterlich Nr. 334, den sogenannten „alten Streicherhof“, der 1959 spielt. Es sind Züge dabei angebracht, die das Crescendo abgerissen wurde. („Diesem Menschen hätte ich mein vom allerleisesten Hauch bis zum Donnerwetter geben, ganzes Leben widmen mögen“, a. a. O., S. 13.) und die sie alle mit den Knien während dem Spielen re- giert. So hat sie ein vollständiges Orchester unter ihren Bereits um 1795 genossen die Klaviere der Firma „Frère beiden Händen.“ (Musikalisches Wochenblatt, hg. von et Sœur Stein d’Augsbourg à Vienne“, wie sie jetzt hieß, Friedrich Ludwig Aemilius Kunzen und Johann Fried- einen ausgezeichneten Ruf und wurden mit denen von rich Reichardt, Berlin 1793, Heft 1, S. 30.) Anton Walter (1752–1826) und Johann von Schanz (um 1762–1828) verglichen, zwei der damaligen Marktführer Nach dem Tode Steins, 1792, übernahm die 23-jährige in Europa. Der Prager Musikschriftsteller und Kunst- Nannette Stein mit ihrem knapp 16-jährigen Bruder sammler Johann Ferdinand von Schönfeld (1750–1821)