Ein Zufallsfund und ein Erklärungsversuch von Brigitte Zwerger Werbeanzeige in Neue Mannheimer Zeitung, 15.02.1932, Morgenausgabe, Seite 8 (MARCHIVUM) MARCHIVUM Archivplatz 1 68169 Mannheim www.marchivum.de
[email protected] © alle Rechte vorbehalten, MARCHIVUM Mannheim, Mai 2021 1 Ende November 1931 feierte ein Film Premiere, der mittlerweile den Status eines internationalen Kultklassikers erlangt hat und als filmhistorischer Meilenstein gewürdigt wird. Dass es den Filmemachern gelungen ist, einmal mehr ein Kunstwerk außergewöhnlicher Art zu schaffen, war auch den zeitgenössischen Kritikern bewusst. Nach der Berliner Uraufführung trat der Film innerhalb weniger Monate, so vermeldete es die Badische Presse, „seinen Siegeslauf nicht nur durch ganz Deutschland, sondern durch die ganze Welt“ an.1 In den zahlreichen Artikeln, die sich seit einigen Jahren mit dem Film beschäftigen ‐und in denen bisweilen Vergleiche gezogen werden zwischen dem Original von 1931 und dem Remake von 1958 (mit Lilli Palmer und Romy Schneider in den Hauptrollen), die zumeist zugunsten des ersteren ausfallen ‐, findet man aber auch häufig den Hinweis, der Film sei in der Zeit des Nationalsozialismus verboten gewesen.2 Das Verbot schien naheliegend, stellte der Film doch das „pädagogische“ Leitbild und den rigiden militärischen Drill an den Pranger, der in dem Stift für Offizierstöchter herrschte. Einen Film der Öffentlichkeit zu bieten, der an Grundfesten preußisch‐militärischer Traditionen rüttelte und zudem eine Liebesbeziehung zwischen Frauen andeutete, das konnte auf den ersten Blick nicht im Interesse der braunen Machthaber sein. Das heute sehr stark in den Vordergrund gerückte lesbische Thema spielte in den zeitgenössischen Kritiken in Deutschland allerdings kaum eine Rolle; die Beziehung zwischen der Lehrerin und ihrer Schülerin wurde nicht explizit als solche interpretiert: „Aus den Zustandsschilderungen, die einen Begriff von der furchtbaren Härte der im Internat praktizierten Pädagogik geben, entwickelt sich der Konflikt zwischen dem alten und dem neuen Geist.