Haus Des Rundfunks Hier Spricht Berlin
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Haus des Rundfunks Hier spricht Berlin 75 Jahre Haus des Rundfunks 75 Jahre Radiogeschichte Der einzigartige Bau des Architekten Hans Poelzig ist ein Symbol deutscher Rundfunkgeschichte – ein Ort programmlicher und technischer Innovationen. Dieses Haus hat seit seiner feierlichen Einweihung 1931 viel gesehen: Weimarer Republik und Nationalsozialismus, Nachkriegswirren und Kalten Krieg, Teilung und Wieder- vereinigung Berlins. Es war ein Ort der Information und der Propaganda. Dem Rundfunk Berlin-Brandenburg ist die Geschichte dieses Hauses Verpflichtung: zu journalistischer und künstlerischer Qualität. Intendantin Rundfunk Berlin-Brandenburg „Das Schiff ist klar zur Fahrt” Donnerstag, 22. Januar 1931: Eröffnung des Haus des Rundfunks (HdR) Das Haus des Rundfunks an der Charlottenburger Masurenallee. Mit dem Bau in der Nähe des Ausstellungsgeländes endet für die regionale Rundfunkgesellschaft in der Weimarer Republik „Berliner Funk-Stunde” ein Provisorium. Der mit sieben Jahren älteste Radio-Programmdienst des Deutschen Reiches erhält ein Gebäude, das 1929 bis 1933 ausschließlich dem Rundfunk und seinen Bedürfnissen dient. Das Haus des Rundfunks ist in seiner Größe und Ausstattung einzigartig in Europa: Der massive Ziegelbau in Form eines gleichschenkligen Dreiecks mit Klinker- und Keramikplattenverblendung beherbergt neben unzähligen Büroräumen drei große Sendesäle in seinem Inneren, außerdem mehr als zehn Aufnahmestudios sowie Proben- und Schalträume. Architekt des neuen Funkhauses ist Hans Poelzig. Der 1869 geborene Berliner – seit 1923 Professor an der Technischen Hochschule – vereint visionäre Architektur mit den Anforderungen moderner Büro- und Studiobauten. Erfahrungen aus früheren Projekten wie Max Reinhardts Großem Schauspielhaus in Berlin oder dem Breslauer Konzertsaal dienen dem Vertreter der Klassischen Moderne beim Bau des Charlotten- burger Rundfunkhauses, dessen Grundsteinlegung am 29. Mai 1929 gefeiert wird. 19 Monate später übergibt Poelzig, der zeitgleich auch das IG-Farben-Haus in Frankfurt/Main (heute Johann Wolfgang Goethe-Uni- versität) errichtet, den rund 5 Mio. Reichsmark teuren Bau. Ruhe im Äther: Für den Umzug der Rundfunkmacher aus Deutschlands erstem Studiogebäude, dem Vox-Haus an der Potsdamer Straße, schweigt die Berliner Funk-Stunde zwei volle Tage – die Mitarbeiter packen Umzugs- kisten und verstauen Mikrophone. Dann die feierliche Eröffnung: „Das Schiff ist klar zur Fahrt – Kommandant, geben Sie Befehl zum Start!” ruft Radiopionier Alfred Braun dem Rundfunk-Kommissar Dr. Hans Bredow Nachkoloriertes Foto der 155 m Hans Poelzigs Rang als zu. langen und 21 m hohen Frontfassade Architekt ist unbestritten. des Haus des Rundfunks. Werk und Person (1869-1936) sind in der Baugeschichte Neben der Funk-Stunde bietet das Haus des Rundfunks zu dieser Zeit vier des 20. Jahrhunderts fest weiteren Institutionen Platz: der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft mbH, verankert. die als Dachgesellschaft des Rundfunks in Deutschland fungiert, dem nationalen Hörfunkanbieter Deutsche Welle GmbH, dem vom Reichspost- ministerium zur Rundfunkaufsicht eingesetzten Rundfunk-Kommissar sowie einem – für das junge Medium noch einzurichtenden – Rundfunk- Museum. 2 Ein erfolgreiches Medium: Anfang 1932 gibt es bereits mehr als vier Millionen registrierte Rundfunkteilnehmer. Allein im Sendegebiet der Berliner Funk-Stunde, das neben der Hauptstadt und der Provinz Branden- burg auch einen Teil Pommerns abdeckt, verfügt ein Viertel bis ein Drittel aller Haushalte über ein Radio. Obwohl Rundfunk für die meisten nicht gerade preiswert ist. Die monatliche Gebühr beträgt zwei Mark, die Kosten für ein Gerät bis zu einigen hundert – ein Vermögen bei einem durchschnittlichen Arbeitereinkommen von 68,13 Mark monatlich (1927/28). Der Rundfunk befindet sich in der Endphase der Weimarer Republik in einer ernsten Krise. Mit dem Ende der kurzen ökonomischen Scheinblüte Deutschlands 1929 gerät auch das eigentlich wirtschaftlich stabile Medium in eine Rationalisierungsdebatte – die Folge: Programmkürzungen und eine stärkere Konzentration auf die „Hauptabhörzeiten”. Die politischen Begehrlichkeiten nehmen ebenfalls zu. Die Zahl so ge- nannter Auflagesendungen steigt rapide an – die Reichs- und Länder- regierungen nutzen den Rundfunk intensiv für ihre Interessen. Dadurch werden die Sender zum Sprachrohr der Politik und drohen außerdem durch Eingriffe in die Programmstruktur im Chaos zu versinken. Der staatliche Zugriff auf den Rundfunk erlebt seinen Höhepunkt im Jahr 1932. Ab 11. Juni verfügen die Staatsorgane, dass täglich zur besten Sendezeit deutschlandweit eine 30-minütige „Stunde der Reichs- regierung” ausgestrahlt wird. Diese Sendung ist Vorbotin einer neuen Rundfunkordnung, die ab August zu strukturellen Konsequenzen führt. Urheber der „Rundfunkreform” ist Erich Scholz, NSDAP-Mitglied und Referent im Reichsministerium des Innern. Unter den Stichworten Zentralisierung und Verstaatlichung werden u. a. private Rundfunk- Mikrofon im Sprecherraum Eine Rundfunkaufnahme Anfang Investitionen untersagt, den Rundfunkgesellschaften Staatskommissare der Berliner Funk-Stunde. der 30er Jahre. an die Seite gestellt – und Scholz wird neben Hans Bredow zum zweiten Rundfunkkommissar ernannt, zuständig für die Kontrolle des Programms. Die ersten Pflöcke der nationalsozialistischen Rundfunkpolitik sind eingeschlagen. 3 Das Haus des „Deutschen” Rundfunks 30. Januar 1933: Während sich die braunen Parteiverbände zum Sieges- Widerstand und Propaganda zug formieren, fährt der Berliner Gaufunkwart der Nationalsozialisten Eugen Hadamovsky zum Haus des Rundfunks. Unterstützt durch einen im Nationalsozialismus Anruf beim neu ernannten Reichsinnenminister Frick, erzwingt er eine Übertragung des Fackelzuges zu Ehren des neuen Reichskanzlers Adolf 1933 bis 1945 Hitler. Kurz darauf beginnt die Demontage des Weimarer „Judenrund- funks”. So genannte Säuberungswellen erfassen das Haus des Rundfunks. Fast jeder zweite Funk-Stunden-Mitarbeiter muss gehen. Unter den von den Nazis in den ersten Augusttagen 1933 Verhafteten und in das KZ Oranienburg Verschleppten befindet sich fast die gesamte Führungs- etage des Funkhauses. Einige entziehen sich den nationalsozialistischen Misshandlungen durch Selbstmord. Auch institutionell verabschieden sich die neuen Machthaber vom Rund- funk Weimarer Prägung: Propagandaminister Joseph Goebbels unterstellt alle deutschen Sender dem Reich, installiert das „Führerprinzip” – eine strikt hierarchische Gliederung im Gegensatz zur vorherigen kollegialen Arbeitsweise. Die nationalsozialistische Gleichschaltung erfasst auch die Programme. Die Sendeanstalten heißen von nun an „Reichssender”. Am 9. Juli 1940 endet die Zeit der regionalen Sender. Es wird nur noch ein Reichsprogramm verbreitet. Das Gebäude an der Masurenallee nennen die Nationalsozialisten ab 1938 „Zentrale des Großdeutschen Rundfunks”. Die wachsenden Aufgaben erfordern Platz: Bereits 1934 kommt es im Funkhaus zu baulichen Veränderungen. Ein neuer zentraler Schaltraum und weitere Sprecherräume entstehen. Um mehr Arbeitsplätze einrichten zu können, werden in den seitlichen Fluren der oberen Etagen des Licht- hofs Glastrennwände aufgestellt. Die bislang für Hörspiele genutzten Sendesäle 2 und 2a bekommen Zwischendecken, um Platz für technische Räume zu gewinnen. Außerdem kommen zwei neue Säle hinzu. Die erhöhte Produktion von Sendungen Im KZ Oranienburg (v.l.): RRG-Geschäfts- erfordert 1934 einen neuen Haupt- führer Heinrich Giesecke, Funk-Stunden- Mit Hochdruck arbeiten die Nationalsozialisten im Haus des Rundfunks schaltraum. Intendant Dr. Hans Flesch und deren Künstlerischer Leiter Alfred Braun. an der Einführung des Fernsehens. Eugen Hadamovsky ist zum Reichs- sendeleiter aufgestiegen. Er will mit dem neuen Medium das „Bild des Führers in alle deutschen Herzen pflanzen”. Am 22. März 1935 ist es so weit: Der Reichssendeleiter eröffnet im Großen Sitzungssaal den ersten regelmäßigen Fernsehprogrammdienst der Welt. Bis August kommen drei Mal in der Woche Sendungen aus dem Haus des Rundfunks, dann ziehen die Fernsehmacher in das posteigene Studio in der Charlottenburger Rognitzstraße. 4 Die Nationalsozialisten verändern das Radioprogramm mehrfach. Im ersten Jahr setzen sie noch ganz auf propagandistisches Trommelfeuer. Die negativen Zuhörerreaktionen zwingen jedoch zu seichter Unterhaltung. Originalton Goebbels: „Nicht die Gesinnung auf den Präsentierteller legen!” Ab 1938 wird – in Zusammenhang mit der aggressiven deutschen Expansionspolitik – wieder verstärkt politische Propaganda ausgestrahlt, bis die negativen Kriegsnachrichten eine Rückkehr zum Unterhaltungsprogramm erfordern. Das Pausenzeichen des Reichssenders Berlin seit 1935: die Schlusstakte des Liedes „Volk ans Gewehr!”. „Auf Wiedersehen sagt das Vaterland.” Mit diesen Worten endet vom 1. Oktober 1939 bis 25. Mai 1941 immer sonntags das Wunschkonzert für die Wehrmacht, eines der wichtigsten Instrumente der Goebbelschen Propagandamaschine. Reichsweit ausgestrahlt, vier Stunden lang, mit Stars wie Zarah Leander, Gustaf Gründgens oder Heinz Rühmann – die „Brücke zwischen Front und Heimat” ist eine Mischung aus Musikwünschen, Nachrichten über Genesung oder Beförderung sowie Mitteilungen über Geburten und andere freudige Ereignisse. Das Ziel: den Durchhaltewillen stärken, bei den Soldaten an der Front und den Familienangehörigen zu Hause. Ein „braunes Haus des deutschen Geistes”? Nicht alle Mitarbeiter im Funkhaus arrangieren sich mit den Nazis: Der Chefsprecher des Europasenders Rudolf-Günther Wagner hält seine Kenntnisse geheimer Abhörberichte