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TITELSTORY

Grüne Infrastruktur und Klimawandelanpassung

Die Verbände im Dritten Reich

Mitmachfluss zeigt Mehrwert für Region 2 Wasserstandpunkt 16

3 Editorial

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4 Schwerpunktthema Grüne Infrastruktur und Klimawandelanpassung in den Kommunen Programm Lebendige Städtebau 32 Renaturierung 40 bekommt Blaues Haus Vogelsang Klassenzimmer 12 Interview mit Ministerin 41 Interview mit Ursula Heinen-Esser 34 „HaLiMa“ Prof. Martina Oldengott zum Thema Klimawandel- Bandbrücke überspannt zum Thema „Sprung über anpassung die Lippe die

36 Superlativ 16 NS-Symposium Größte Schneckenkaskade Unsere Verbände im News Deutschlands steht in Bönen Dritten Reich – Aufarbeitung 42 Lippe Wassertechnik prüft der NS-Zeit bringt wichtige 47 Brücken für den Kreis Erkenntnisse Forschung und Entwicklung 38 EGLV-Thema: Spurenstoffe 42 Auf dem Weg zum Agrarsystem 20 Mitmachfluss Kläranlagen sind keine der Zukunft – das Gemüse zeigt Mehrwert Allheilmittel wächst auf der Kläranlage für die Region 42 Ministerin Svenja Schulze 39 Forschung und Entwicklung besucht Emschergenossenschaft Interview mit Dr. Issa Nafo 43 Interview mit Ulrike zur Initiative „ macht‘s Emscher-Umbau Westkamp: „Mein schönster klar – Weniger Medikamente 26 Renaturierung Platz an der Lippe“ im Abwasser“ Neue Natur am

Hellbach ist erfahrbar

28 Pumpwerk Gigantischer Abwasser-Aufzug

20 EDITORIAL EGLV.de 3 „Der Klimawandel wartet nicht. Wir müssen im Ruhrgebiet jetzt drin- gend konkrete Maßnahmen für die Klimaanpassung umsetzen. Das nun in der -Konferenz erarbeitete Projekt kann dies leisten!“

Foto Klaus Baumers

Liebe Leserinnen und Leser den Anspruchsgruppen selbst und im und dem Umweltministerium das unserer zweiten Ausgabe, Hinblick auf die Gewässerökologie zu Projekt „Klimaresiliente Region mit der Klimawandel bestimmt aktuell das neuen Konflikten führen zu können. internationaler Strahlkraft“ entwickelt. politische Geschehen. Auch in diesem Dazu soll auf Basis des bisherigen Sommer wurden Temperaturrekorde Aus meiner Sicht ist diese Defizitori- Netzwerks der „Zukunftsinitiative geknackt und Starkregenereignisse entierung jedoch wenig hilfreich. Statt Wasser in der Stadt von morgen“ sorgten für Schäden. Der Sonderbe- bereits Fronten für befürchtete Eng- für das gesamte Ruhrgebiet in einer richt des Intergovernmental Panel on pässe in der Zukunft vorwegzunehmen Servicestelle eine neue Form der was- Climate Change (IPCC), den Bun- und etwa zusätzliche Entnahmerechte serintegrierten Stadtplanung voran- desumweltministerin Svenja Schulze oder ein Primat für Trinkwasser vor getrieben werden. Ziel ist es, durch am 8. August im Anschluss an einen allen anderen Nutzungsformen zu Maßnahmen wie Flächenentsiegelun- Besuch bei uns (s. S. 42) per Video- fordern, muss es vielmehr darum gen, Gründächer oder Wasserspeicher konferenz direkt von der Kläranlage gehen, intelligente Lösungen entlang für Stadtgrün die Abkopplung befes- vorstellte, zeigt einmal mehr, des Wasserkreislaufs zu finden, die tigter Flächen im Revier bis 2040 auf dass es kein „Weiter so!“ geben kann. die Verfügbarkeit und Qualität der 25 Prozent zu steigern und eine um Politik, Unternehmen, Verbände, Ver- Wasserressourcen auch weiterhin si- 10 Prozentpunkte höhere Verdunstung eine und jeder Einzelne müssen zu chern. Dazu können Themen wie eine in den verdichteten Quartieren zu einem echten Umsteuern beitragen bessere Nutzung von Wasser gehören erreichen. Letzteres entspräche dem und das eigene Verhalten, Prozesse (s. dazu unsere Forschungsprojekt Pflanzen von 600.000 Stadtbäumen! und Geschäftsmodelle auf den Prüf- Agrarsysteme auf S. 42), intelligente stand stellen. Konzepte zur Vermeidung und Reduk- Darüber hinaus berichten wir in dieser tion von Schadstoffbelastungen oder Ausgabe u.a. über den Stand der Neben der Frage, wie zusätzlicher neue Konzepte zur Wasserverwendung Arbeiten an Emscher und Lippe, über CO2-Ausstoß gedrosselt werden kann, in der Stadt. das Städtebauprojekt „Sprung über gerät der Bereich der Klimawandel- die Emscher“ sowie über unsere Posi- anpassung in den Fokus. Dies be- Klimaanpassung in der tion in den aktuellen Dialogprozessen deutet einerseits, Wasserwirtschaft Metropole Ruhr zum Thema Spurenstoffe. neu als Querschnittsthema zu vielen Nicht zuletzt vor dem Hinter- weiteren Fragestellungen zu begrei- grund dieser Überlegungen wurde Ich wünsche Ihnen viel Freude bei fen. Andererseits führen die Heraus- im Rahmen der Ruhrkonferenz, hier der Lektüre. Mit besten Grüßen und forderungen des Klimawandels noch waren wir als Emschergenossenschaft einem herzlichen Glückauf! intensiver als bisher zu den bereits Co-Moderator des Themenforums bekannten Fragen der Wasserverfüg- „Grüne Infrastruktur in der Metropole barkeit und der Wassernutzung. Diese Ruhr“, gemeinsam mit den Kommu- wiederum haben die Kraft, zwischen nen, anderen NRW-Wasserverbänden Prof. Dr. Uli Paetzel

SCHWERPUNKT-THEMA EGLV.de 5

Text Alexander Knickmeier Foto Henning Maier-Jantzen

Wie Grüne Infrastruktur und Klimawandelanpassung in den Kommunen der Metropole Ruhr vorangetrieben wird Landeskabinett beschließt die Projekte „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ und „Offensive Grüne Infrastruktur 2030“ als Projekte der Ruhr-Konferenz

Auf Einladung von Ministerpräsident Armin Laschet Folgen des Klimawandels und des industriellen Erbes und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (beide CDU) in der hochverdichteten Metropole Ruhr beteiligt sich die Emschergenossenschaft an der Ruhr- Die Veränderungen des Klimas werden auch in unseren Konferenz. Die NRW-Landesregierung möchte damit die Breiten zunehmend spürbar. Von den zehn wärmsten Entwicklung des Reviers gemeinsam mit den Kommunen, Jahren seit Beginn der Wetteraufzeichnung in Deutschland der Wirtschaft und Vertretern der Zivilgesellschaft in 1881 lagen acht in den letzten 20 Jahren. Das Sommer- insgesamt 20 zentralen Themen, wie Mobilität, Bildung halbjahr 2018 gilt als das trockenste je gemessene. Nicht oder Energiewende, in unterschiedlichen Veranstaltungs- nur in den heute schon benachteiligten Regionen des formaten vorantreiben. Die Emschergenossenschaft ist Globalen Südens, auch in Europa beeinflusst der Klima- an der Planung und Durchführung des Themenforums 14, wandel die Lebensumstände der Menschen. Zwei Phäno- „Grüne Infrastruktur Metropolregion Ruhr“ beteiligt, mene sind nach aktuellen Klimaprojektionen maßgeblich: dessen Projektvorschläge nun nach Beschluss der Landes- lange Hitzeperioden ohne bemerkenswerte Niederschläge regierung umgesetzt werden sollen, um so zur Stärkung sowie zunehmende Extremwetterereignisse mit Starkregen. der ökologischen Vielfalt und zur Anpassung der Städte Heimische Ökosysteme geraten so massiv unter Druck, an den Klimawandel beizutragen. was schwerwiegende Folgen für die Biodiversität hat. 6 Wasserstandpunkt SCHWERPUNKT-THEMA EGLV.de 7

NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser beim 1. Themenforum „Grüne Infrastruktur“ in Mülheim an der Ruhr mit den Vorständen der Emschergenossenschaft, Prof. Dr. Uli Paetzel (rechts) und Dr. Emanuel Grün. Fotos S.6: Henning Maier-Jantzen; S.7: Rupert Oberhäuser

Nach einer Analyse des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) Zum Erhalt der Lebensqualität und zur Verbesserung sind weltweit rund eine Million Arten vom Aussterben urbaner Ökosysteme im Ballungsraum des altindustriellen bedroht, der Klimawandel ist dafür mitverantwortlich. In Ruhrgebiets gilt es, die geschilderten Problemfelder über Deutschland ist insbesondere der Rückgang bei Insekten ein regional abgestimmtes Konzept und geeignete auffällig. In NRW steht knapp die Hälfte der untersuchten Umsetzungsmaßnahmen anzugehen. Die Metropolregion Arten auf der Roten Liste. Ruhr ist mit ihren rund neun Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern die mit Abstand bevölkerungsreichste und am Die Konsequenzen dieser Entwicklungen sind etwa gesund- dichtesten besiedelte Metropolregion in Deutschland; heitliche Risiken für die Bürgerinnen und Bürger durch hohe die Bevölkerungsdichte in der Kernregion ist mit rund Temperaturen oder schlechtere Luftqualität – insbesondere 2.200 Einwohnern pro Quadratkilometer mehr als viermal in wenig durchgrünten, häufig auch ärmeren Vierteln –, so hoch wie im Landesdurchschnitt (525 EW/km²). Das Hitze- und Trockenstress für das Stadtgrün, Austrocknen Revier ist dementsprechend stark versiegelt. Fast eine von Bachläufen, steigende Kosten durch Überflutungsschä- Million Menschen leben in Wohngebieten, die weiter den sowie eingeschränkt funktionierende Ver- und Entsor- als 200 m von größeren Grünanlagen entfernt sind. Sie gungsinfrastrukturen nach Starkregenereignissen. Werden profitieren daher wenig von den vielfältigen Leistungen für Anpassungsmaßnahmen nicht zeitnah und in spürbaren Gesundheit und Freizeit. Darüber hinaus sind die Grün- Dimensionen umgesetzt, werden kommenden Generationen flächen fragmentiert, von Bebauung bedroht und starken große gesellschaftliche und finanzielle Probleme hinterlassen. Belastungen ausgesetzt. Dies hat zur Folge, dass die Gleichzeitig wächst auch der Druck auf die Politik, sich mit Biodiversität und die klimatische Situation schon heute Klimawandel und Artenverlust intensiver auseinanderzuset- deutlich beeinträchtigt werden. Für die Region erwächst zen und endlich konkrete Schritte umzusetzen. so ein besonderer Handlungsdruck. 8 Wasserstandpunkt

Diskussionsveranstaltungen münden in Ziel des Projektes „Grüne Infrastruktur Offensive konkrete Projektideen 2030“ ist die Schaffung und der Erhalt eines durch- Auf insgesamt zwei großen Veranstaltungen, zu denen gängigen Netzes der Grünen Infrastruktur. Mithilfe eines Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, der Verwal- Aktionsplans werden Lücken geschlossen und Flächen ent- tung, aus Fachverbänden und der Wissenschaft eingeladen wickelt. Ein gemeinsamer Handlungs- und Umsetzungsrah- waren, wurden die Probleme und Bedarfe im Bereich men soll geschaffen werden. Sämtliche Bereiche der Grü- Grüne Infrastruktur in der Metropole Ruhr ermittelt sowie nen Infrastruktur von Biodiversität über Klimaanpassung Projektideen vorgestellt, ausführlich diskutiert und weiter- bis Bildung sollen strategisch gestärkt und abgestimmt entwickelt. werden. Ein „Zentrum Grüne Infrastruktur“ soll zentrale Anlaufstelle werden und das geplante Netzwerk betreuen. Als Ergebnis dieses breiten Diskussionsprozesses wurden der Landesregierung vor der Sommerpause zwei Projekte Das Vorhaben „Klimaresiliente Region mit inter- zur Förderung vorgeschlagen: die „Grüne Infrastruktur nationaler Strahlkraft“ geht auf einen Vorschlag der Offensive 2030“ sowie das Projekt „Klimaresiliente Region Kommunen im Ruhrgebiet, der Emschergenossenschaft, mit internationaler Strahlkraft“. des Lippeverbandes, des Ruhrverbandes und der Links- niederrheinischen Entwässerungs-Genossenschaft zurück und baut auf den Erfahrungen, den gemeinsam verabre- deten „Spielregeln“ und der bestehenden vertrauensvollen Arbeitsweise der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ in der Kernzone des Ruhrgebiets auf. Durch eine neue, wasserintegrierte Form der Stadtplanung und durch die Umsetzung von konkreten Maßnahmen wie Flächenentsiegelung, Dachbegrünung, Baumpflanzungen, Info Schaffung von Versickerungsräumen oder Regenrückhalte- flächen, können Niederschläge gespeichert, Verdunstungs- kühlung erhöht sowie Verschattung und Feinstaubbildung gesenkt werden. Darüber hinaus tragen die Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtbildes und zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität bei.

Zur Umsetzung des Projekts wird bei der Emschergenos- senschaft eine Service-Stelle gegründet, die Interessierte bei der Umsetzung von Bauvorhaben unterstützt. Dies kann sowohl die Erstberatung und Planung oder auch die konkrete Ausführung der gesamten Maßnahme sein. Ziel des Projektes ist es, den Abfluss von Regenwasser im Mischsystem bis zum Jahr 2040 um 25 Prozent zu Projekt Zeche Ewald in reduzieren und die Verdunstung um 10 Prozentpunkte zu Ein alter Industriestandort mit neuen Aufgaben: Das erhöhen. Letzteres entspricht im Volumen der Verduns- Gelände der Zeche Ewald beheimatet heute diverse tungsleistung von 600.000 zusätzlichen Bäumen. Dienstleister und mittelständische Unternehmen. Denkmalgeschützte Gebäude und Schachtgerüste sind als „Leuchttürme“ weithin sichtbar und schaffen Fotos Jochen Durchleuchter, Henning Maier-Jantzen Charakter. Die prägende Gracht als „blaues Band“ mit Anbindung an den Schellenbruchgraben bzw. den Resser Bach dient der Entwässerung. Alte Industriekulisse mit Klimaanpassungspotenzial – ein hervorragendes Beispiel für Strukturwandel durch wassersensible Stadtgestaltung. SCHWERPUNKT-THEMA EGLV.de 9 10 Wasserstandpunkt

„Für den Klimaschutz Info und die Klima- anpassung in NRW und im Ruhrgebiet ist das ein guter Tag. Unsere beiden Projekte im Themenfeld Grüne

Infrastruktur können Projekt Johanniskirchgärten in Essen Aus nicht mehr zeitgemäßen Vierteln ein attraktives Quartier gestalten – das ist in den „Johanniskirchgärten“ umgesetzt werden“ in Essen-Altenessen gelungen. Ein Bauformenmix für verschiedene Zielgruppen hat neues Leben in die Siedlung gebracht. In den Gemeinschaftsflächen wird das Wasser Prof. Dr. Uli Paetzel der Gebäude zur Gestaltung genutzt. Der Schutz gegen Starkregenschäden ist ebenso gegeben wie die Kühlwirkung an heißen Tagen und das Wohlfühlen im Grünen ohnehin. Klimaanpassung ist hier auch unter den Rahmenbedin- gungen Wirtschaftlichkeit, Platzmangel und Raumnutzung exzellent gelöst.

Die Förderung wird für einen Zeitraum von zunächst Finanzierung der Klimafolgen: zehnJahren finanziell so ausgestattet, dass die Interes- Daueraufgabe für die nächsten Jahrzehnte sierten über eine attraktive, niederschwellige und unbüro- Gleichzeitig ist allerdings auch klar: Die Finanzierung von kratische Anschubfinanzierung verfügen und in relevantem Maßnahmen zur CO2-Einsparung und zur Anpassung an Umfang zur Maßnahmenumsetzung befähigt werden. Das die Folgen des Klimawandels bleibt eine Daueraufgabe Ruhrgebiet wird damit im Bereich Klimawandelanpassung und kann mit den bestehenden Förderinstrumenten nicht international eine Spitzenposition einnehmen. Nach dem geleistet werden. Es braucht daher neue Finanzinstrumen- aktuellen Beschluss der Landesregierung können die Pro- te, wie beispielsweise eine CO2-Bepreisung, die nicht nur jekte nun im nächsten Jahr starten und wichtige Beiträge eine Lenkungswirkung für ein umweltschonendes Verhal- zur Klimawandelanpassung sowie zur Bekämpfung des ten entfalten, sondern auch Mittel zur Bekämpfung der Artenverlustes liefern. Klimawandelfolgen generieren. Die Kosten des Klimawan- dels würden so verursachergerecht an die Emittenten von CO2 weitergegeben. Damit würde eine stabile finanzielle Grundlage geschaffen, um diese Daueraufgabe nachhaltig angehen zu können.

Fotos S.10: Jochen Durchleuchter, S.11: Henning Maier-Jantzen

12 Wasserstandpunkt

Ursula Heinen-Esser Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, INTERVIEW Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen von Alexander Knickmeier Illustration Katharina Freitag

Projekte zur Frau Ministerin, hinter uns liegt ein für die Wiederaufforstung von knapp vier Sommer, in dem intensiv über Millionen Euro auf zehn Millionen Euro Grünen Infrastruktur Umweltthemen wie das Artensterben mehr als verdoppeln. Wir müssen den stärken und Vorreiter und insbesondere den Klimawandel Wald an die neuen Herausforderungen diskutiert wurde… anpassen. Er ist CO2-Speicher, Naherho- bei Biodiversität Das stimmt, beide Themen hängen mit- lungsraum und gleichzeitig Lieferant für und Klimawandel- einander zusammen und schweben über nachwachsende Rohstoffe. uns wie ein Damokles-Schwert. Vor uns anpassung werden liegt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe Wie sieht es in den Städten aus? zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Auch in den urbanen Räumen nehmen Im Rahmen der Ruhr- Der Klimawandel ist in Deutschland und wir Veränderungen wahr. Gerade in den Konferenz moderieren das in Nordrhein-Westfalen angekommen und Sommermonaten heizen sich die Städte zeigt sich unter anderem an den neuen sehr stark auf und kühlen über Nacht Umweltministerium und Temperaturrekorden und den geringen auch nicht mehr so stark ab. Im Vergleich die Emschergenossenschaft Niederschlägen der letzten Jahre. In NRW zum Umland messen wir bis zu zehn gemeinsam das Themenfo- wurden 13 der 20 wärmsten Jahre seit Grad Temperaturunterschied. rum 14 „Grüne Infrastruktur Beginn der Messungen 1881 im 21. Jahr- hundert gemessen. Die Folgen sind überall Seit der Studie des Weltbiodiversitäts- Metropolregion Ruhr“. deutlich sichtbar: Wir hatten etwa in der rats wissen wir noch besser, dass unsere Wir haben die Ministerin Landwirtschaft bereits im letzten Jahr in Vielfalt an Ökosystemen und ökologischen nach ihren Einschätzungen ganz Deutschland große Probleme mit Strukturen wie beispielsweise Wanderkor- zu den Ergebnissen des Ernteausfällen. In diesem Jahr diskutieren ridore hochgradig gefährdet sind. Sie wer- wir insbesondere über die gravierenden den von Zerstörung und Fragmentierung, Dialogprozesses und der Schäden im nordrhein-westfälischen Wald aber auch vom Klimawandel geschädigt. Notwendigkeit beim Thema durch Dürre, Stürme und Schädlingsbe- Das hat schwerwiegende Folgen für die Klimawandelanpassung und fall. Daher haben wir 6,2 Millionen Euro Artenvielfalt: Rund eine Million Arten Artenschutz befragt. an Sondermitteln zur Bewältigung der sind weltweit vom Aussterben bedroht. Schäden in den Wäldern zur Verfügung In Teilen Deutschlands können wir bei- gestellt. Zusätzlich werden wir die Hilfen spielsweise laut Studie des Entomologi- SCHWERPUNKT-THEMA EGLV.de 13

Foto Henning Maier-Jantzen

schen Vereins Krefeld einen Rückgang von wir uns selbstverständlich nicht ausruhen. wir hier in Zusammenarbeit mit weiteren 75 Prozent der Biomasse bei Fluginsekten Der Schutz des Klimas, die Anpassung an Akteurinnen und Akteuren verschiedene beobachten. Die meisten Schutzgebiete, den Klimawandel und der Erhalt unserer Unterstützungsangebote an. Für Kom- in denen gemessen wurde, liegen in NRW. Biodiversität sind elementarer Bestandteil munen bieten wir beispielsweise gezielte Das ist alarmierend! Hinzu kommt, dass unserer Daseinsvorsorge. Beratung und Informationsveranstaltungen in NRW rund 45 Prozent der untersuch- an und fördern im Rahmen des Aufrufs ten Arten in einer Gefährdungskategorie NRW emittiert etwa ein Drittel des deut- KommunalerKlimaschutz.NRW Maßnah- der Roten Liste aufgeführt sind. schen CO2-Ausstoßes, daraus erwächst men zur Klimaanpassung. Da müssen wir ran! die Verantwortung, hier im Land voran- zugehen und Emissionen zu senken. Dazu Die Biodiversitätsstrategie NRW, die Nun muss sich die Politik den Vorwurf fördert die Landesregierung beispielsweise auf der Nationalen Biodiversitätsstrate- gefallen lassen, die Warnungen aus die Elektromobilität, die Energieeffizien gie aufbaut und deren Ziele für NRW der Wissenschaft zum Klimawandel in der Produktion oder die Sektorenkopp- konkretisiert sowie Handlungsvorschläge und Verlust der Artenvielfalt zu lange lung über entsprechende Programme. Zu- und Indikatoren beinhaltet, besteht seit ignoriert und selbstgesteckte Ziele sätzlich werden wir in NRW als Energie- 2015. Vor kurzem hat die Landesregie- gerissen zu haben. Was tut die Lan- land Nummer 1 mit dem Ausstieg aus der rung eine Konferenz zum Insektenschutz desregierung, um hier Fortschritte zu Kohleverstromung natürlich eine Hauptlast veranstaltet, um über konkrete Lösungen erzielen? im Umbau des gesamtdeutschen Energie- zu diskutieren. Wir fördern zum Beispiel Ganz klar – die aktuellen Entwicklun- systems zu tragen haben. Aktuell wird der schon länger zahlreiche Agrarumweltmaß- gen zeigen, dass wir noch entschiedener Klimaschutzplan zum Klimaschutz-Audit nahmen wie beispielsweise Blühstreifen vorgehen müssen. Ich möchte aber auch weiterentwickelt. in der Landwirtschaft, aber auch den betonen, dass NRW seine Klimaschutz- ökologischen Landbau. Und über den ziele für das Jahr 2020 bereits vor NRW hat zudem bereits 2009 eine An- EFRE-Förderaufruf zur Grünen Infrastruk- zwei Jahren erreicht hat: 2017 wurden passungsstrategie entwickelt. Gleichzeitig tur sind wir auch im eher urbanen Raum in unserem Bundesland 275 Millionen zeigen die aktuellen Entwicklungen, dass unterwegs und fördern mithilfe der EU in

Tonnen CO 2 ausgestoßen – das entspricht wir dringend die nächsten Schritte tun einem integrierten Ansatz beispielsweise der für 2020 gesetzlich vorgeschriebenen müssen, um die Region fit für die nicht die ökologische Aufwertung von Grün- Minderung von 25 Prozent gegenüber mehr vermeidbaren Veränderungen zu und Freiflächen, Maßnahmen zur Klima- dem Basisjahr 1990. Aber darauf dürfen machen. Als Umweltministerium bieten anpassung und Umweltbildung. 14 Wasserstandpunkt

Fotos S.14: Rupert Oberhäuser, S.15: Henning Maier-Jantzen

Das Thema Grüne Infrastruktur ist Wie sind die Ergebnisse des Themen- hitzebedingte Gesundheitsgefahren ab- daher auch Teil der Ruhrkonferenz. forums aus Ihrer Sicht zu bewerten? gemildert und Überschwemmungsrisiken Mit der Ruhrkonferenz möchte die Landes- Ich glaube, die Projekte sind so angelegt, gesenkt werden. Ich glaube, mit diesen regierung verschiedene Themen nach vorne dass sie in der Region wirklich etwas beiden Projekten würden wir in zwei wich- bringen, die für die Entwicklung des Reviers bewegen können. Sie würden der Grünen tigen Bereichen der Grünen Infrastruktur, zentral sind, von Fragen der Mobilität, der Infrastruktur in der Metropolregion Ruhr der Biodiversität und der Klimawandel- Digitalisierung, der Bildung bis hin zu Prob- einen weiteren Aufwind geben. Grüne anpassung, eine echte Vorreiterstellung lemen der Integration und der Verbesserung Infrastruktur wirkt dem Klimawandel ent- übernehmen. des Gesundheitswesens. Auch das Thema gegen, trägt zum Schutz der Artenvielfalt Grüne Infrastruktur zählt dazu, also die bei und erhöht die Lebensqualität. Ziel Nachdem die Projektvorschläge der Frage des Erhalts und der Weiterentwick- des Projekts „Offensive Grüne Infra- Themenforen jetzt beschlossene Sache lung naturnaher Grün- und Freizeitflächen, struktur 2030“ ist die Schaffung und der sind – wie geht es danach weiter? der Biodiversität, des Mikroklimas, der Erhalt eines durchgängigen Netzes Grüner Am 5. November hat die Landesregierung Wasserspeicherung und der Grundwasser- Infrastruktur. Es werden strategisch iden- die weitere Umsetzung der Ruhr-Konferenz regulation, insbesondere in den verdichteten tifizierte Lücken in der Grünen Infrastruk- beschlossen, darunter auch die Projekte urbanen Räumen. Die Themen Stadtgrün tur geschlossen und die interkommunale „Offensive Grüne Infrastruktur 2030“ und und Wasser in den Städten sind somit im Perspektive gestärkt. Verbundene Grün-, „Klimaresiliente Region mit internationaler Themenforum Grüne Infrastruktur fest ver- Frei- und Wasserflächen sollen sich als Strahlkraft“. Die Projekte selbst sind ja ankert. Hier hat das Ministerium mit Herrn Lebensadern durch das Ruhrgebiet ziehen. bereits weit ausgearbeitet, so dass es kurz- Prof. Dr. Uli Paetzel als Vorstandsvorsit- Das Vorhaben „Klimaresiliente Region mit fristig im nächsten Jahr losgehen kann. zendem der Emschergenossenschaft einen internationaler Strahlkraft“ geht auf einen Ich freue mich nach der erfolgreichen kompetenten Moderationspartner gewinnen gemeinsamen Vorschlag der Emscher- Projektentwicklungsphase jetzt auf die können, mit dem wir in den vergangenen genossenschaft, der Kommunen, des Konkretisierung und Umsetzung. Denn der zehn Monaten einen spannenden Diskus- Lippeverbands, des Ruhrverbands und der Klimawandel und auch der Artenverlust sionsprozess mit den wichtigen Akteurinnen LINEG zurück. Durch eine Service-Stelle, warten nun mal nicht auf uns. und Akteuren aus dem Ruhrgebiet gestaltet die bei der Emschergenossenschaft an- haben. Josef Tumbrinck hat das Themen- gesiedelt ist, sollen im ganzen Ruhrgebiet Frau Heinen-Esser, wir danken für forum als weiterer Moderationspartner Projekte für eine integrierte wassersensi- das Gespräch! in seiner Zeit als Landesvorsitzender des ble Stadtentwicklung in den Kommunen NABU NRW ebenfalls unterstützt. vorangetrieben werden. Dadurch sollen

16 Wasserstandpunkt

Unsere Verbände Noch Jahrzehnte nach dem Ende des Nationalsozialismus war die NS-Zeit ein „blinder Fleck“ in der Geschichte von Emschergenossenschaft und Lippeverband. Nachdem im Dritten Reich sich der Vorstand dennoch – oder gerade deswegen – vor zwei Jahren zur Aufarbeitung dieses Kapitels entschloss, Aufarbeitung der NS-Zeit bringt wurden wichtige Ergebnisse zutage gefördert. Ein Forscherteam der Professur für Zeitgeschichte wichtige Erkenntnisse an der Ruhr-Universität – Prof. Dr. Constantin Goschler, Dr. des. Eva Balz und Christopher Kirchberg – wurde 2017 beauftragt, Licht in die Geschichte der Verbände zwischen 1930 und 1960 zu bringen. Die Text Elena Burges, Michael Steinbach Fotos Archiv EGLV Ergebnisse der Studie wurden am 10. Mai 2019 in Essen in einer Pressekonferenz mit anschließendem Fachsympo- sium vorgestellt.

Lückenhafte Dokumentation Der Forschungsprozess beschränkte sich nicht auf histo- rische Dokumente, sondern bezog auch die Hinweise und Erinnerungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von EGLV mit ein. Die Sichtung von Akten gestaltete sich aufwändig, denn diese waren äußerst lückenhaft überliefert und beschränkten sich im Wesentlichen auf technische Do- kumentationen. Die Korrespondenz mit Reichsministerien, Behörden und Kommunen dagegen fehlte weitestgehend. NS-SYMPOSIUM EGLV.de 17

Schon dies führte zu der Schlussfolgerung, dass eine Beleg dafür, dass EGLV Kriegsgefangene, die für Baupro- „Säuberung“ des Aktenbestandes nach 1945 stattgefun- jekte eingesetzt wurden, selbst in Arbeitslagern durch Bau- den haben musste. Zufallsfunde erhärteten diese Annah- unternehmen hat unterbringen lassen: Ein Rechtsstreit über me, hier ein Beispiel: Bei der Durchsicht der Akten konnte die Kostenübernahme für Arbeitslager zog sich bis 1946 ein Dokument ausfindig gemacht werden, das zusammen- hin, die Akte war daher bei der Firma noch auffindbar gefaltet in einer sachfremden Projektakte sorgfältig ein- geklebt war. Es enthält eine offiziell Stellnnhe de Personalkontinuitäten damaligen EGLV-Baudirektors Alexander Ramshorn an die Die interne Aktenvernichtung ist daraus zu erklären, dass Wehrkreisverwaltung über bei einem Bauprojekt eingesetz- die EGLV-Führungsriege nach der NS-Zeit zum Teil weiter te jüdische Arbeiter und polnische Kriegsgefangene. Dies am Ruder blieb – vor allem in der Person von Ramshorn, zeigt, dass erstens Zwangsarbeiter eingesetzt wurden und welcher 1934 den Posten übernahm und bis 1958 im Amt zweitens eine umfassende Aktensäuberung stattgefunden blieb. Er war NSDAP-Mitglied und wurde von den Alli- haben muss, die Folge war wohl ein „subversiver“ Wider- ierten als „the typical Nazi in the management“ und als stand einzelner Mitarbeiter. „more than a nominal participant in Nazi-Party activities“ eingestuft. Einsatz von Zwangsarbeitern nachgewiesen Sein Verhalten als Baudirektor war mehr als system- Auf den Baustellen von EGLV wurden systematisch konform. So stieß das Forscherteam auch auf Dokumente, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Konzentrationslager- welche das Symbol des „Gaudiploms“, eine Auszeichnung häftlinge eingesetzt. Das konnte durch die Forschung in für hervorragende Leistungen, trugen. Das Diplom war zahlreichen externen Archiven (u.a. Bergbauarchiv Bo- eine Vorstufe der Auszeichnung als NS-Musterbetrieb und chum, Westfälisches Wirtschaftsarchiv , Landes- musste von Unternehmen aktiv beantragt und erworben archiven, Bundesarchiven und in den National Archives in werden. Trotz seiner offenkundigen Nähe zum NS-Regime London) klar nachgewiesen werden. Die Forscher gehen wurde Ramshorn nach Kriegsende zügig entnazifiziert und von über hundert Zwangsarbeitern aus. Es gibt auch einen wieder auf seinen Posten als Baudirektor gesetzt. 18 Wasserstandpunkt

Das Forscherteam mit den EGLV-Vorständen Prof. Dr. Uli Paetzel und Dr. Emanuel Grün bei der Pressekonferenz am 10. Mai 2019. Foto Rupert Oberhäuser

Wie in so vielen Fällen in Verwaltungen, Behörden und Und nun? Unternehmen setzten die Alliierten ehemalige Nazis Wie gehen Emschergenossenschaft und Lippeverband als aufgrund ihres Know-hows wieder in ihrer vorherigen Haus mit diesen Ergebnissen um? Auch über 70 Jahre Funktion ein, weil im zerstörten Nachkriegsdeutschland nach Kriegsende ist es wichtig, sich aktiv und verantwor- Infrastruktursysteme weiter funktionieren sollten. tungsvoll mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen – gerade in Zeiten des Rechtsrucks in Deutschland und Entlassungen anderen europäischen Staaten. Alle Forschungsergebnisse Auch die Entlassungen von fünf EGLV-Beschäftigten aus werden natürlich veröffentlicht. Eine Gedenktafel im Ein- rassistischen, religiösen und/oder politischen Gründen in gangsbereich der Hauptverwaltung erinnert an all diejeni- der Ramshorn-Ära lassen sich nachweisen: So wurde z. B. gen, die durch das Handeln von EGLV Opfer des Natio- 1935 der damalige „Chef-Chemiker“ Hermann Bach vor- nalsozialismus wurden. Auch wird die NS-Geschichte von zeitig in den Ruhestand versetzt, weil er nach den Nürn- EGLV im Rahmen einer Wanderausstellung in den Rathäu- berger Gesetzen als jüdisch galt. Bach, Leiter der Che- sern der Mitgliedskommunen Ende 2019 präsentiert. mischen Abteilung, hatte sich einen Namen gemacht als Gründungsmitglied der Fachgruppe „Wasserchemie“ sowie Dem Forscherteam der Ruhr-Universität sei an dieser Herausgeber ihrer Publikation „Vom Wasser“. Er starb am Stelle für seine engagierte Arbeit gedankt! 7. Januar 1944 im Sammellager in Berlin, von wo aus er ins KZ deportiert werden sollte.

Fazit – der Drang nach Selbsterhaltung Das Fazit der Forscher Balz und Kirchberg auf der Presse- konferenz: „Insgesamt zeigen die Forschungsergebnisse, dass das Verhalten der Verbände im Nationalsozialismus nicht ideologisch motiviert, sondern vielmehr von einem Drang nach Selbsterhaltung getrieben war. Dennoch stütz- te es damit verlässlich die rassistische und gewalttätige Politik des Dritten Reiches“.

20 Wasserstandpunkt Mit mach- flu ss MITMACHFLUSS EGLV.de 21 Mit mach- flu ss

zeigt den Mehrwert für die Region auf

Text Friedhelm Pothoff Fotos S.20: Bernhard Klug, S.21: Rupert Oberhäuser

Der Umbau der Emscher ist ein Generationenprojekt. Auf Das große Vorhaben, aus einer Kloake einen abwasser- der Zielgeraden gilt es, die Mehrwerte für die Region noch freien Fluss inklusive aller Nebenläufe zu machen, seine stärker zu heben als bisher. Alle Aktivitäten, die in diesem enorme Komplexität als eines der größten Infrastruktur- Zusammenhang stehen, werden zukünftig unter dem Titel und Transformationsprojekte in Europa betrifft zunächst „Mitmachfluss“ zusammengefasst. die wasserwirtschaftliche Dimension. Bis Ende 2021 verschwindet das Abwasser im ganzen System in Kanä- Das Vorhaben von Emschergenossenschaft und Lippever- len, zurück bleiben die Emscher und ihre Nebenläufe, die band (EGLV) ist in einem Dreiklang eindeutig formuliert: bereits seit Jahren nach und nach in einen ökologisch Die Verbände sind ein öffentlich-rechtliches Wasser- guten Zustand versetzt werden. wirtschaftsunternehmen, das effiin Afae fr da Auf dieser Grundlage wird es nun zunehmend wichtig, Gemeinwohl mit modernen Managementmethoden nach- die immer noch benachteiligten Emscher-Quartiere zu haltig erbringt und als Leitidee des eigenen Handelns das entwickeln: ökologisch, wirtschaftlich, sozial, partizipativ – Genossenschaftsprinzip lebt. EGLV ist ein starker Akteur auf allen Ebenen. in der Region – und leistet dort einen nachhaltigen Beitrag zur Entwicklung. Der „Mitmachfluss“ ist ein Projektbaustein mit mög- Sinn des „Mitmachflusses“ ist daher im Kern dies: Ge- lichst niederschwelligen Angeboten, um das Vorhaben meinsam mit den Anrainer-Städten sollen die Mehrwerte zu starten. Dabei geht es EGLV um die Organisation von des Emscher-Umbaus noch stärker entwickelt werden. Aktionen zunächst in den Städten und Gemeinden der Oder wie der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Uli Paetzel Emscher-Region – und später auch an der Lippe. es einprägsam formuliert: „Wir wollen den Menschen die Ein Beispiel: Am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel wird ein Flüsse zurückgeben und sie zu Mitgestaltern machen.“ Natur- und Wassererlebnispark entstehen; genau dort, 22 Wasserstandpunkt

Fotos S. 22: Kirsten Neumann, S. 23: Henning Maier-Jantzen

wo die Emscher den Rhein-Herne-Kanal unterquert, wird Ehrenamtliche sollen in der Zukunft als Emscher-Ranger im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Suderwicher den Interessierten auf Radtouren und Wanderungen entlang Baches ein außerschulischer Lernort kreiert. Ein schönes des Flusssystems erklären, was sie dort sehen und was wie spannendes Detail: Den Ort komplettiert ein Wein- dahintersteckt. Andere Mitmach-Projekte sind: „Blaue berg, so wie die Emschergenossenschaft bereits zwei in Klassenzimmer“ bauen, Bach-Patenschaften von Kindergär- Dortmund am PHOENIX See und im Ortsteil Barop im ten, Schulen, Interessierten ermöglichen, Bürgerinnen und neu entstehenden Gesundheits- und Ernährungsgarten Bürger in das Monitoring unserer Gewässer – dafür gibt es unterhält – übrigens ein Mitmach-Projekt par excellence. den Begriff „Citizen Science“ – einbeziehen. Auch Möglich- Was noch geschieht: Blütenteppiche und Baumpflan- keiten des Mitentscheidens am Fluss sind vorgesehen. zungen sollen die Aufenthaltsqualität entlang der Em- Ein ganz besonderes Augenmerk gilt neben dem Aus- scher erhöhen, ebenso entstehen Rastplätze mit Bänken bau der Betriebswege zu Fuß- und Radwegen nach wie und Fahrradständern. Die Wege werden zum Teil unter vor auch der Vermittlung der Angebote im Rahmen des Straßen hindurchführen, um die Barrierefreiheit und die Projektes ‚Emscherkunstweg‘, das die Emschergenossen- Durchgängigkeit zu erhöhen. Mit Blick auf die Einrichtung schaft zusammen mit den Urbanen Künsten Ruhr und der Emscher-Promenade, die von Castrop-Rauxel über dem Regionalverband Ruhrgebiet verfolgt. Zudem ent- Recklinghausen und Herne nach Herten reicht, wird eine stehen zahlreiche Angebote mit präventivem Charakter Trasse entstehen, die die Menschen dazu einlädt, an den entlang der Emscher, die in einer Kooperation mit der Fluss zurückzukehren. Krankenkasse Knappschaft entwickelt wurden und nun umgesetzt werden. MITMACHFLUSS EGLV.de 23 Emscher-Umbau Regionen- entwickler Foto Rupert Oberhäuser Regionen- entwickler

EMSCHER-UMBAU EGLV.de 27

Neue Natur am Hellbach ist erfahrbar Rad- und Fußweg am renaturierten Gewässer in Recklinghausen eingeweiht Foto S.28: Rupert Oberhäuser, S. 29: Ilias Abawi

Text Ilias Abawi

Im Rahmen des Generationenprojekts Emscher-Umbau 128 Kilometer an neuen Fuß- und Radwegen hat die hat die Emschergenossenschaft auch das Hellbach-System Emschergenossenschaft im Rahmen des Emscher-Umbaus in Recklinghausen vom Abwasser befreit. In den ver- bereits gebaut. Darüber freut sich auch der Landrat: „Mor- gangenen knapp zehn Jahren sind entlang der Gewässer gens mit dem Fahrrad über die Bahntrasse zum Kreishaus Hellbach und Breuskes Mühlenbach neue unterirdische fahren, das ist einfach schön“, schwärmte Cay Süberkrüb. Abwasserkanäle entstanden, beide Bäche führen mittler- weile komplett sauberes Quell-, Grund- und Regenwasser. In die Revitalisierung des Hellbach-Systems hat die Em- Die neue grün-blaue Infrastruktur will auch erlebt werden: schergenossenschaft rund 122 Millionen Euro investiert: Ein erster, insgesamt 1,3 Kilometer langer Abschnitt des 100 Millionen in den Kanalbau und 21,7 Millionen Euro in neuen Hellbach-Weges ist bereits fertiggestellt – vor den die ökologische Verbesserung. „Vor allem die Planung für Sommerferien wurde er im Beisein von Cay Süberkrüb den Bau eines unterirdischen Abwasserkanals in diesem (Landrat des Kreises Recklinghausen, SPD), Christoph Bereich war eine große Herausforderung, die Umsetzung Tesche (Recklinghausens Bürgermeister, CDU) und Prof. dann erst recht“, so Projektleiterin Ines Budach von der Dr. Uli Paetzel (Vorstandsvorsitzender der Emschergenos- Emschergenossenschaft. Doch die Strapazen haben sich senschaft) eingeweiht. gelohnt, denn der Breuskes Mühlenbach als Bestandteil des Hellbach-Systems ist mittlerweile bereits seit einigen „Die Renaturierung des Hellbachs wertet die Stadtteile Jahren komplett ökologisch umgestaltet. entlang des Gewässers auf. Es ist schön, dass nun auch der neue Hellbach-Weg geöffnet wurde, damit alle die Dieser Effekt wird sich auch am Hellbach selbst beobach- Früchte des Emscher-Umbaus erleben und beobachten ten lassen. Im Sommer hat die Emschergenossenschaft können“, sagte Bürgermeister Christoph Tesche beim ers- auch die naturnahe Umgestaltung dieses Gewässers fertig- ten Anradeln auf dem neuen Fuß- und Radweg. gestellt. Im Bereich der Käthe-Kollwitz-Schule entstand zudem mit dem „Blauen Klassenzimmer“ ein Lernstand- Mehr als nur Wasserwirtschaft ort direkt am idyllischen Gewässer. Den Abschluss der „Der Emscher-Umbau ist mehr als nur ein wasserwirt- Hellbach-Renaturierung feierte die Emschergenossenschaft schaftliches Projekt, er hat maßgebliche Strahlkraft für schließlich, wie bereits früh in der Bauphase versprochen, die städtebauliche Entwicklung der Region. Mit dem gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern. Emscher-Umbau schaffen wir neue grün-blaue Infrastruktu- ren, die es zu erfahren gilt. Wo es geht, öffnen wir unsere Betriebswege und bauen sie zu Fuß- und Radwegen aus“, sagte Uli Paetzel, Chef der Emschergenossenschaft.

EMSCHER-UMBAU EGLV.de 29

Ansprechpartner: Prof. Dr. Torsten Frehmann Betriebsmanager Mittlere Emscher [email protected]

Gigantischer Abwasser-Aufzug

Landmarke des Emscher-Tals: Gebietsmanager Reinhard Ketteler, Betriebsmanager das Pumpwerk Gelsenkirchen Torsten Frehmann, Gelsenkirchens OB Frank Baranowski (SPD) und Uli Paetzel oberhalb des gewaltigen Saugraums. Text Ilias Abawi Foto S. 26: Jörg Saborowski/EGLV, S.27: Stefan Tuschy

Vor zehn Jahren, im September 2009, erfolgte mit dem Der Wettbewerb wurde im Juli 2005 abgeschlossen. Der ersten Spatenstich für das Pumpwerk Gelsenkirchen Siegerentwurf des Büros B.A.S. Kopperschmidt + Moc- gleichzeitig auch der Startschuss für das Gesamtprojekt zala GmbH sah für das Betriebsgebäude einen elliptischen Abwasserkanal Emscher (AKE). Seit dem vergangenen Baukörper vor. Das Betriebsgebäude steht dabei frei im Jahr ist das Pumpwerk schrittweise in Betrieb genom- Landschaftsraum des Emscher-Tals. Wesentliches gestalte- men worden, mittlerweile hat die Emschergenossenschaft risches Element ist eine klar gegliederte Ziegelfassade. Die das Bauwerk inklusive aller Restarbeiten fertiggestellt. Dachflächen des Betriebsgebäudes können entsprechend Entstanden ist eine Betriebsanlage der Superlative und der exponierten Lage an der Emscher und dem Rhein-Her- zugleich eine neue Landmarke der Emscher-Region. ne-Kanal als Aussichtspunkte genutzt werden. Zusätzlich Die Besonderheit: Das Dach des Betriebsgebäudes dient erhielt das Tiefbauteil – das AKE-Pumpwerk – eine be- als öffentlicher Aussichtspunkt! gehbare Umfassungsmauer.

Im Gesamtsystem des über 51 Kilometer von Dortmund Der AKE und seine Pumpwerke bis reichenden AKE erfüllt das Pumpwerk Der Abwasserkanal Emscher wird nach seiner komplet- Gelsenkirchen die wichtige Funktion, die Abwasserströme ten Inbetriebnahme 2021 die neue abwassertechnische auf die Kläranlagen Bottrop und Dinslaken (Emscher-Mün- Hauptschlagader zwischen dem Westen des Dortmunder dung) zu verteilen. Elf Pumpen befördern in Gelsenkirchen Stadtgebiets und dem Klärwerk Emscher-Mündung in rund 12.800 Liter Abwasser pro Sekunde knapp 26 Meter Dinslaken sein. Der Abwasserkanal beginnt in Dortmund hoch. Das Bauwerk ist ein gigantischer Abwasser-Aufzug. in einer Tiefenlage von zirka acht Metern unter der Geländeoberkante und sinkt mit einem stetigen Gefälle Ankerpunkt für die Wasserkultur von 1,50 Metern je Kilometer bis zu 40 Meter tief in die Am Pumpwerk Gelsenkirchen treffen darüber hinaus Erde ab. Es war unumgänglich, Pumpwerke zwischenzu- Wasserwirtschaft und städtebauliche Entwicklung auf- schalten, die das Abwasser wieder aufwärts befördern. einander. Denn: Im Rahmen des Masterplans Emscher- Ohne sie hätte der Kanal bei Dinslaken eine Tiefe von Zukunft und der Werkstatt Neues Emscher-Tal wurde rund 80 Metern erreicht. Insgesamt wird es drei große 2004/2005 für die Gestaltung des Pumpwerks Gelsenkir- Pumpwerke geben: in Gelsenkirchen, Bottrop und Ober- chen ein architektonischer Wettbewerb ausgelobt. Dabei hausen. Das Pumpwerk Gelsenkirchen ist im Verlauf des galt es, die technische Anlage in das Gebiet im Über- AKE in Fließrichtung das erste Pumpwerk und neben gangsbereich zwischen Schalke und Erle landschaftlich der Anlage in Bottrop bereits in Betrieb. Das Pumpwerk zu integrieren und gleichzeitig einen „Ankerpunkt für die befindet sich zurzeit noch im Bau und soll Wasserkultur“ zu schaffen. Ende 2021 in Betrieb genommen werden. Programm „Lebendige Lippe“ die lippe verander t ihr

Gesicht Foto Hans Blossey die lippe verander t ihr Gesicht 32 Wasserstandpunkt

Fluss- Renaturierung Haus Vogelsang:

NRW investiert 13,7 Millionen Euro

Text Anne-Kathrin Lappe Foto Rupert Oberhäuser, Ilias Abawi

Auf dem Gruppenfoto an der neuen Lippe-Schleife: Gerhard Odenkirchen (Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft, Bodenschutz, Wasserwirtschaft, Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW), André Dora (Bürgermeister der Stadt Datteln), Regierungspräsidentin Dorothee Feller, Prof. Dr. Uli Paetzel (Vorstandsvorsitzender Lippeverband), Bodo Klimpel (Ratsvorsitzender Lippeverband und Bürgermeister der Stadt Haltern am See), Wilhelm Sendermann (Bürgermeister der Stadt Olfen), Dr. Emanuel Grün (Technischer Vorstand Lippever- band), Stefan Hager (Direktor des Servicebereichs Standort- und Geodienste, RAG) und Nicole Büsing (Landschaftsagentur plus). (v.l.) PROGRAMM „LEBENDIGE LIPPE“ EGLV.de 33

Landkarten, die den Bereich Datteln-Ahsen und Olfen Info abbilden, sind nicht länger aktuell. Der Flussverlauf der Lippe wurde dort durch den Lippeverband auf sechs Kilometern Länge naturnah umgestaltet. Im Juni feierten – Ziel: Schaffung einer neuen Lippe-Aue beim die Projektbeteiligen den Abschluss der Fluss-Renaturie- ehemaligen Gutshof „Haus Vogelsang“ – Projektzeitraum: Anfang 2016 bis Frühjahr 2019 rung und Auenentwicklung „Haus Vogelsang“. – Arbeiten auf rund sechs Kilometern Lauflänge – Lippe verlängerte sich um 450 Meter, wurde flacher und breiter. Durch das Programm „Lebendige Lippe“, das der Lip- – Mehr als 540.000 Kubikmeter Boden wurden peverband im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen auf insgesamt 60 Hektar Fläche bewegt umsetzt, ist der Fluss in Datteln und Olfen jetzt um 450 (in Kooperation mit der RAG einschließlich ihrer Meter länger geworden – eine bis dato noch nie dagewese- Töchter Haus Vogelsang GmbH, Landschafts- ne Dimension. „Die Renaturierung schafft einen wichtigen agentur Plus GmbH und dem Pächter HVG Lebensraum für Pflanzen und Tiere, denn das übergeord- Grünflächenmanagement durch die Bereitstel- nete Ziel für unsere Gewässer ist die langfristige Verbesse- lung von Flächen). rung und Wiederherstellung von intakten Fluss-Auen-Öko- – Wie bei allen Gewässerentwicklungsmaßnahmen systemen“, betont Umweltministerin Ursula Heinen-Esser am Landesgewässer Lippe trägt das Land Nord- rhein-Westfalen die Kosten zu 100 Prozent. zu der abgeschlossenen Baumaßnahme, die Anfang 2016 gestartet war. Rund 13,7 Millionen Euro investierte das Land in die ökologische Entwicklung von Fluss und Aue am Haus Vogelsang.

„Die Lippe soll lebendiger werden“ 2Stromland „Das Projekt ist ein Beispiel für eine Vielzahl großer und Die Fluss- und Auenentwicklung der Lippe zwischen Olfen kleinerer Maßnahmen, die wir als Lippeverband für das und Datteln ist auch Teil des Regionale-2016-Projekts Land Nordrhein-Westfalen umsetzen und die alle einem „2Stromland“. In diesem Projekt arbeiten die Städte Ol- Zweck dienen: Die Lippe soll lebendiger werden. Sie dient fen, Haltern am See und Datteln mit dem Lippeverband, nicht mehr in erster Linie der Entwässerung, sie wird zum der Haus Vogelsang GmbH, der Landschaftsagentur Plus Erlebens-, Natur- und Bewirtschaftungsraum, zum Mit- GmbH, der Gelsenwasser AG und der RAG Montan Im- machort und verbindenden Element zwischen Kommunen“, mobilien GmbH zusammen. ist Prof. Dr. Uli Paetzel als Vorstandsvorsitzender des Lippeverbandes überzeugt. Auch die heimische Wirtschaft, Das Programm „Lebendige Lippe“ die Tourismusbranche wie auch die städtebauliche Entwick- Der Lippeverband übernimmt im Auftrag des Landes lung profitieren von den ökologischen Umgestaltungen. Nordrhein-Westfalen an der Lippe neben der Gewässer- unterhaltung auch die Umsetzung der Wasserrahmenricht- Öffnung der Schleife war letzter Baustein linie. Hierzu hat das Land im Jahre 2013 das Programm Ende 2018 hatte der Lippeverband die größte Herausfor- „Lebendige Lippe“ aufgelegt, das der Lippeverband in derung im Projekt „Haus Vogelsang“ erfolgreich ab- seinem Zuständigkeitsbereich umsetzt. Dieser erstreckt geschlossen: Das Projektteam öffnete die neu gestaltete sich von Lippborg über rund 147 Kilometer Flusslauf bis Fluss-Schleife. Den alten Streckenverlauf der Lippe ver- zur Mündung in den Rhein bei Wesel und umfasst etwa füllten Bagger anschließend mit rund 50.000 Kubikmeter 110 Quadratkilometer Auenfläche. Das übergeordnete Bodenmaterial. Ziel des Programms „Lebendige Lippe“ ist die langfris- tige Verbesserung und Wiederherstellung eines intakten Natur soll sich Lippe zurückerobern Fluss-Auen-Ökosystems mit Entwicklung von fluss- und „Wir haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren die auentypischen Strukturen und Lebensgemeinschaften. Voraussetzungen für eine lebendige Lippe geschaffen. Nun sind wir neugierig, wie gut sich der Fluss im Projektgebiet entwickeln wird“, blickt Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand des Lippeverbandes, in die Zukunft. Im ersten Ansprechpartnerin: Dörte Borchard Bauabschnitt hatten Uferschwalben innerhalb kürzester Zeit Projektleiterin „Haus Vogelsang“ eine Abbruchkante als Nistplatz genutzt – ein voller Erfolg. [email protected]

PROGRAMM „LEBENDIGE LIPPE“ EGLV.de 35

Um die Anwohnerinnen und Anwohner von Haltern-Lipp- „HaLiMa“- ramsdorf und Marl im Kreis Recklinghausen nicht mit zu- sätzlichem Baustellenverkehr zu belasten, hat der Lippe- verband eine außergewöhnliche Lösung umgesetzt: Der Bodentransport für die XXL-Deichbaumaßnahme „HaLi- Bandbrücke Ma“ findet seit Frühjahr per Bandbrücke über die Lippe statt. Die Bandförderanlage ist auf eine maximale Förder- leistung von bis zu 500 Tonnen pro Stunde ausgelegt, was zirka 20 Lkw-Ladungen im gleichen Zeitraum entspricht. überspannt Zwischen rund 20 Meter hohen Stützen überspannt ein 80 Zentimeter breites Förderband den Fluss. Das Baumaterial, das Schiffe über den Wesel-Datteln-Kanal die Lippe anliefern, wird vom Schiffsanleger mit Fahrzeugen inner- halb der Baustelle zur Aufnahmestation der Bandbrücke transportiert. Nach dem Transport per Band kommen die Förderanlage zwischen Haltern Böden auf der anderen Lippe-Seite im Baustellenbereich zur weiteren Verarbeitung an. am See und Marl spart 20 Lkw- Die Installation des Brückenaufbaus hatte im Novem- Touren pro Stunde ber 2018 begonnen. Zwei Stützen der Bandförderanlage ruhen auf Bohrpfahlfundamenten aus Beton. Bis zu 20 Meter tief reichen die Bohrpfähle in die Erde. Auf diese Weise überspannt die Bandbrücke eine Gesamtweite von Text Anne-Kathrin Lappe zirka 490 Metern, von denen ungefähr 220 Meter über Fotos Jörg Saborowski/EGLV, Rupert Oberhäuser den Fluss führen. Für die Gesamtmaßnahme „HaLiMa“ schafft sie bis Ende 2023 die benötigten Böden auf die nördliche Flussseite.

Hintergrund HaLiMa Mit dem Neubau der Hochwasser-Schutzdeiche stellt der Lippeverband den Hochwasserschutz in der Region lang- fristig auf eine solide Grundlage. Die neuen Deiche liegen weiter im Hinterland und geben dem Fluss damit Raum für eine rund 60 Hektar große Aue. Da sie sanfter anstei- gen, fügen sie sich trotz einer Höhe von rund 14 Metern besser in das Landschaftsbild ein als die Altdeiche. Die Deiche werden auf fünf Kilometer Flussstrecke neu gebaut. Dafür bewegt der Lippeverband insgesamt 3,2 Millionen Kubikmeter Boden. In siebeneinhalb Jahren Bauzeit erfolgt nicht nur der Deichbau, sondern am Ende werden die alten Deiche abgetragen und mit dem Mate- rial wird die Lippe verfüllt, die sich in diesem Bereich tief „eingegraben“ hat.

Ansprechpartner: Gerhard Formanowicz Projektleiter „HaLiMa“ [email protected] 36 Wasserstandpunkt

13 m heben die Pumpen 3 das Wasser. 6,5 Mio. m Abwasser reinigt die Kläranlage Bönen im 42.000 Jahresmittel. Einwohnerwerte sind an den Abwasserkanal aus Heeren angeschlossen. PROGRAMM „LEBENDIGE LIPPE“ EGLV.de 37

Text Anne-Kathrin Lappe Unermüdlich schrauben sich die Schneckenpumpen auf der Fotos Andreas Fritsche Lippeverbands-Kläranlage Bönen Richtung Himmel. Sie he- ben dabei das Abwasser um 13 Meter, danach durchfließt es die Anlage im freien Gefälle. Damit ist die Bönener Schneckenkaskade die größte dieser Art in Deutschland. Rund um die Uhr transportieren die Pumpen das Abwasser aus -Ost, -Heeren, Bönen und Nordbögge in Richtung Reinigung.

Die Schneckenpumpen funktionieren wie überdimensional Größte große Schrauben. Doch den Weg nach oben legen sie stufenweise – über eine Kaskade – zurück. Der Grund: Der Kläranlagenzulauf aus Heeren liegt deutlich tiefer als der Zulauf aus Bönen. Daher kommt das Abwasser aus Heeren Schnecken- im „Untergeschoss“ an, trifft auf der Mittelebene auf das Abwasser aus Bönen und beide zusammen werden in die kaskade obere Etage transportiert. Deutschlands

Ansprechpartnerin: Judith Mittelbach Klärmeisterin Bönen steht in Bönen [email protected] 38 Wasserstandpunkt Standpunkt zu Spurenstoffen im Gewässer – breite Dis- klar- kussion über den Umgang mit Mikroverunreinigungen anlagenim Gewässer Die Umweltministerkonferenz hat den Bund im Jahre 2015 aufgefordert, eine breit abgestimmte Handlungsempfehlung im Umgang mit Spurenstoffen zu geben. Aktuell werden die wichtigsten Punkte im sogenannten Spurenstoffdialog sind und im Nationalen Wasserdialog intensiv diskutiert. Ein wichtiges Zwischenergebnis dieser Foren ist, dass eine reine „End-of-Pipe-Lösung“, die lediglich auf eine abschlie- ßende Stoffbehandlung bei den Kläranlagen setzt, nicht sinnvoll ist. Das Thema Spurenstoffe muss gleichzeitig auch bei der Herstellung der Produkte und keine bei ihrer Verwendung Berücksichtigung finden. Aus Sicht der Wasserwirtschaft ist es begrüßenswert, dass Einvernehmen darüber besteht, keine Verpflichtung zum flächendeckenden Bau einer vierten Reinigungsstufe einzu- führen, sondern nach den effektivsten Möglichkeiten zum All- Schutz des Gewässers zu suchen. Dies kann die Nutzung von individuellen technologischen Lösungen sein – ange- fangen von Urinauffangsystemen in Krankenhäusern gegen den Eintrag von Röntgenkontrastmitteln über Sensibili- sierungskampagnen zur Minderung des Arzneimittelkon- heil- sums bis zu Beratungsleistungen zur Pestizidreduktion im heimischen Garten oder in der Landwirtschaft.

Gleichzeitig ist es wichtig, die Produkthersteller an der Finanzierung der Reinigungsmehrkosten zu beteiligen. mittel So würden die Lasten der Entsorgung der Spurenstoffe gerecht auf mehreren Schultern verteilt und nicht nur Text Alexander Knickmeier die Endkunden zur Kasse gebeten. Daher müssen auch finanziell wirksame Anreize geschaffen werden, um die kritischen Substanzen zu reduzieren. Wo möglich, müssen die Hersteller den Austausch durch bekannte, aber gegebe- Info nenfalls teurere Inhaltsstoffe vorantreiben oder die Ent- wicklung völlig neuer, wirkungsgleicher Stoffe herbeiführen. Diese Punkte sind allerdings mit dem Verweis auf Kosten- Spurenstoffe Als Spurenstoffe werden Stoffe bezeichnet, die in sehr steigerungen und auf die Wirksamkeit von Arzneimitteln geringer Konzentration (weniger als einem millionstel auf Seiten der Pharma-Unternehmen höchst umstritten. Gramm pro Liter) in Gewässern oder im Trinkwasser Hier sind zusätzliche Anstrengungen nötig, um sowohl im vorkommen und das ökologische Gleichgewicht stören. Sinne der Gesundheit als auch im Sinne des Gewässer- und Dabei handelt es sich beispielsweise um Rückstände aus Umweltschutzes zufriedenstellende Lösungen zu finden. Arznei-, Körperpflege- oder Röntgenkontrastmitteln, Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmitteln oder Klar ist auch, dass die Maßnahmen nicht allein in einem Haushalts- und Industriechemikalien. Auch Mikroplastik nationalen Rahmen diskutiert werden können. Die Einbet- zählt zu den Spurenstoffen. Trotz moderner Technik tung der Foren-Ergebnisse in die europäischen Debatten können diese Stoffe von den Kläranlagen nicht vollständig und Richtlinien ist zwingend erforderlich. herausgefiltert werden. EGLV-THEMA: SPURENSTOFFE EGLV.de 39

Dr. Issa Nafo Leiter der Abteilung Entwicklung und Management INTERVIEW von Förderprojekten von Ilias Abawi Illustration Katharina Freitag

Herr Dr. Nafo, nach zwei Jahren Woran machen Sie das fest? Übertragbarkeit aller Projektbausteine und „Essen macht’s klar“: Wie fällt Ihr Fazit Unsere Aufklärungskampagne führte in der Materialien. Daher wurden sowohl die Maß- zum Abschluss aus? Bevölkerung zu einem höheren Problem- nahmen als auch das Informationsmaterial Wir haben unser Sensibilisierungskonzept bewusstsein und bewirkte dadurch auch so konzipiert, dass auch andere Städte die erfolgreich umsetzen können. Wir konnten Verhaltensänderungen. Konkret können Bausteine mit kleinstmöglichem Aufwand eine Vielzahl an Unterstützern gewinnen nach einer repräsentativen Befragung zum nutzen können. Die Lehrmaterialien sind und im Rahmen unseres Projektes als Beispiel folgende Aspekte benannt werden: für alle verfügbar. Wir hoffen daher, dass Multiplikatoren für eine wirksame Ver- - Das Wissen in der Bevölkerung um Me- nach Nordkirchen noch viele weitere Städte mittlung der Sensibilisierungsbotschaften dikamentenrückstände im Wasser ist um folgen werden und sich unserer Initiative in der breiten Bevölkerung einbinden. Und über 20 Prozent gestiegen, die Kenntnis anschließen. noch viel mehr: Das Projekt trägt Früch- des korrekten Entsorgungsweges über te, die Initiative wird fortgesetzt. Mit die Restmülltonne ist um fast 13 Pro- DAS PROJEKT „Essen macht’s klar 2019+“ folgt nicht zent gestiegen. Im Rahmen der Initiative „Essen macht’s nur eine Verstetigung unserer Kampagne in - Siebeneinhalb Prozent haben ihr Verhal- klar – Weniger Medikamente im Abwas- der Emscher-Ruhr-Metropole, mit „Nord- ten bei der Entsorgung geändert. ser“ wurden in der Stadt Essen gezielte kirchen macht’s klar“ zieht sogar eine Ge- - Die sporadische Einnahme von Schmerz- Kommunikations- und Bildungsmaßnah- meinde aus dem Lippe-Gebiet nach. mitteln und Schmerzsalben ist um men für die Sensibilisierung der Bevöl- sechseinhalb Prozent gesunken. kerung sowie für alle weiteren relevanten Kurz zusammengefasst: Was ist Akteure zur Minderung von Medika- der Ansatz Ihres Sensibilisierungs- Was bleibt nun von mentenrückständen im Wasserkreislauf konzeptes? „Essen macht’s klar“? entwickelt. Das vom NRW-Umweltmi- Aufklären, sensibilisieren, Belastungen Im Rahmen des Projekts wurden Lehrmate- nisterium geförderte Projekt wurde seit an der Quelle reduzieren – und damit rialien für Schulen und andere medizinische 2017 von den Wasserwirtschaftsverbänden aktiv Gewässerschutz betreiben. Ab- Bildungsbereiche sowie eine begleitende Emschergenossenschaft (Projektleitung) gelaufene und nicht mehr benötigte Medienkampagne entwickelt. Zu letzterer und Ruhrverband sowie der Stadt Essen Medikamente dürfen nicht über das gehören Social-Media- und Pressearbeit mit dem Projektbüro „Grüne Hauptstadt Abwassersystem in den Wasserkreislauf sowie Marketingmaßnahmen wie der Ein- Europas – Essen 2017“ durchgeführt. Wei- gelangen. Bei „Essen macht’s klar“ war satz von Großflächenplakaten, Buswerbung tere Informationen finden sich zum Projekt unser Ansatz erfolgreich, die Sensibili- und Radiospots. Eine wesentliche Randbe- auf www.machts-klar.de und zu Lernmate- sierung zeigte Wirkung. dingung war dabei die Gewährleistung der rialien auf www.spurenstoffe.eglv.de. 40 Wasserstandpunkt

Info

„Blaue Klassenzimmer“ sind Lernorte an Gewässern unter freiem Himmel, die immer an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Die „Blauen Klassen- zimmer“, die die Emschergenossenschaft bereits in , und Dort- mund gebaut hat, sehen in jeder Stadt anders aus. Der Lernort befindet sich direkt am Wasser und ermöglicht Kindern und Schülern, das Ökosystem Fluss aus der Nähe zu erleben. Das Blaue Klassenzimmer in Hamm-Her- ringen ist ein Projekt der Kooperation „Gemeinsam an der Lippe“. Es wird mit Mitteln der Städtebauförderung des Landes und des Bundes ermöglicht. „Ge- meinsam an der Lippe“ ist eine Koopera- Foto Kirsten Neumann tion von Lippeverband, den Ministerien für Städtebau und Umwelt des Landes NRW sowie den Lippe-Kommunen. Das Ziel: Wasserwirtschaft, naturnahe Gewässerent- wicklung und Stadterneuerung miteinander zu verknüpfen. Open-Air-Lernort mit

Marterpfahl Ansprechpartner: Toyin Rasheed Projektleitung „Gemeinsam an der Lippe“ Hamm bekommt Blaues Klassenzimmer [email protected]

Text Anne-Kathrin Lappe

Mit Knete, Legosteinen und Buntstiften haben Kita- und Wasserbewohner unter der Lupe Schulkinder aus Hamm ihre Ideen für ein „Blaues Klassen- Der erste Entwurf des Landschaftsarchitekten Rolf Tesch- zimmer“ in Form gebracht. Denn sie selbst sollen ihr Frei- ner sieht nun vor, dass hinter dem Schulgebäude der luft-Klassenzimmer am renaturierten Herringer Bach aktiv Jahn- und Lindenschule mehrere flächige Stufen mit großen planen und mitgestalten. Der Lippeverband und die Stadt Sitzquadern direkt an den Herringer Bach führen. Eine Hamm setzten den ersten Konzeptentwurf nach den Wün- Stele informiert über das renaturierte Gewässer, Tische und schen der Kinder um. In den nächsten Jahren entsteht so Bänke mit Stauraum stehen zur Verfügung. Durch große im Stadtteil Hamm-Herringen ein Mitmach-Lernort direkt Trittsteine im Wasser können die Kinder Wasserbewohner am Bach. und Pflanzen aus nächster Nähe sehen. Bachflohkrebs und Das Klassenzimmer unter freiem Himmel ähnelt einem Köcherfliege werden also in ihrer natürlichen Umgebung Amphitheater am Wasser. Kinder und Jugendliche erleben unter die Lupe genommen. Auch auf der anderen Seite das Ökosystem Fluss so aus nächster Nähe. Während sich führen Treppenstufen ans Gewässer. Durch einen Zaun ist die Hammer Kinder Sitzstufen, Fahrradständer und einen dieser Bereich vom Straßenverkehr abgetrennt. Im weiteren Marterpfahl wünschten, ergänzten die Erwachsenen in der Planungsprozess geht es nun um eine zukünftige „Rollen- Planungsgruppe das Konzept um Stauraum für Lern- und verteilung“ der beteiligten Akteure. Bastelmaterialen und um einen Platz zum Experimentieren. STÄDTEBAU EGLV.de 41

Prof. Martina Oldengott Leiterin Strategische Raumentwicklung bei INTERVIEW Emschergenossenschaft/Lippeverband von Michael Steinbach Illustration Katharina Freitag

Frau Prof. Oldengott, ab 2020 soll den Freiräumen an der Emscher – kom- der EU kommen. Da sind wir an einen am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel munale Parks und Gärten aufgereiht wie engen Zeitplan gebunden, da diese EF- eine neue Brücke über Emscher und Perlen an der künftigen Emscher-Prome- RE-Strukturfondsperiode 2022 ausläuft. Rhein-Herne-Kanal gebaut werden. nade – liegen uns besonders am Herzen. Was hat es damit auf sich? Doch zurück zur Brücke: Wie konkret Die Idee war, mit dem Erreichen der Dieser Hinweis geht schon über das ist denn das mit dem Baubeginn im Abwasserfreiheit an dieser markanten Brückenprojekt hinaus und berührt die nächsten Jahr? Stelle einen Schluss-Stein in dem großen interkommunale Handlungsstrategie Den großen Architektenwettbewerb wasserwirtschaftlichen Projekt zu setzen. Emscherland 2020? 2018, an dem die Crème de la Crème der Denn am Wasserkreuz lässt sich die Kom- Ja, damit wollen wir zeigen, wie sich der europäischen Brückenbauer teilgenommen plexität des Projekts in der Region quasi Emscher-Umbau positiv auf die Lebens- hat, hat die Planungsgemeinschaft Schüß- in „Schichten“ gut erklären: Unter dem qualität der ufernahen Stadtteile unserer ler-Plan Ingenieurgesellschaft mit den Schifffahrtskanal fließt die neue Emscher Partnerstädte Herne, Herten, Reckling- Partnern DKFS-Architekten aus London hindurch und darunter – unsichtbar sech- hausen und Castrop-Rauxel auswirkt. Im und Smeets Landschaftsarchitekten ge- zehn Meter tief im Boden – liegt unser Zuge dieses gesamträumlichen Konzepts wonnen. Sie sind mit der Planung für das Abwasserkanal Emscher. entsteht ein Natur- und Wasser-Erlebnis- Projekt beauftragt und werden die Brücke park mit 32 Hektar Grünflächen. von Frühjahr 2020 bis Spätsommer 2021 Braucht man denn eine Brücke, um umsetzen. dies zu zeigen? Wie wird denn das alles finanziert? Der Brückenschlag „Sprung über die Der Zuwendungsbescheid für den Was ist das Besondere an Emscher“ erfüllt mehrere Funktionen: Er „Sprung über die Emscher“ liegt schon diesem Entwurf? verbindet die Städte Recklinghausen und vor – 8 Millionen Euro Bundesmittel aus Das Bauwerk in der Form eines liegenden Castrop-Rauxel als ein dicht bebautes dem Programm für nationale Exzellenz- S, für das die Bürgerinnen und Bürger urbanes Stadtgebiet mit einer historischen projekte. Rund 25 Millionen Euro für das bereits den Spitznamen „Silberpfeil“ kulturlandschaftlichen Umgebung. Die zahl- „Emscherland 2020“ werden aus dem geprägt haben, weist besondere statische reichen Fuß- und Radwegeverbindungen zu Programm „Grüne Infrastruktur NRW“ und visuelle Funktionen auf. 42 Wasserstandpunkt

Lippe Wassertechnik prüft 47 Brücken „Vorbildlich für ganz Deutschland“ für den Kreis Recklinghausen Bundesumweltministerin Svenja Schulze besucht den Sie verbinden Städte, ermöglichen kurze Wege, über- Emscher-Umbau spannen Flüsse und Straßen – Brücken sind unverzichtbare Einige der zentralen Stationen des Emscher-Umbaus in Elemente unserer Infrastruktur. Als technisch anspruchs- Bottrop besuchte Anfang August Svenja Schulze (SPD), volle Bauwerke unterliegen Brücken einer regelmäßigen, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare gesetzlich vorgegebenen Wartung. Für Kommunen und Sicherheit. Beeindruckt zeigte sie sich beim Blick von Kreise häufig eine Herausforderung, denn insbesondere die den 54 Meter hohen Faultürmen, welche die Kläranlage alle sechs Jahre fällige Hauptprüfung der Brücken kostet der Emschergenossenschaft weit überragen. viel Zeit, ist komplex und darf nur von besonders geschul- ten Ingenieurinnen und Ingenieuren durchgeführt werden. Im Dezember 2018 hatte die Kreisverwaltung Reck- linghausen daher die Lippe Wassertechnik GmbH mit der Hauptuntersuchung an insgesamt 47 Brücken des Kreises Recklinghausen beauftragt. Das Tochterunternehmen des Lippeverbands konnte nach einem halben Jahr bereits mehr als die Hälfte der Brücken auf Grundlage der DIN 1076 prüfen. Nach Abschluss der Arbeiten entscheidet dann der Kreistag über die weiteren Maßnahmen.

Ansprechpartner: Prof. Dr.-Ing. habil. Holger Scheer Geschäftsführer Lippe Wassertechnik GmbH [email protected] Durch einen Mix von nachhaltigen Energieträgern wird die Anlage mittlerweile komplett energieautark betrieben. Dafür sorgen mehrere Blockheizkraftwerke, eine Photo- Agrarsysteme der Zukunft – voltaikanlage, eine Windenergieanlage und eine Dampftur- bine. Wärme, Gas und Klärschlamm, die beim Prozess der Gemüse von der Kläranlage Abwasserreinigung entstehen, werden zum energetischen Betrieb genutzt: „Die Mischung der Energieträger ist der Endliche Phosphatressourcen, Verschmutzung von Ge- Schlüssel zur CO -Reduzierung und Energieautarkie“, wässern und Böden durch Phosphor und Stickstoff – vor 2 erläuterte Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der diesem Hintergrund kommt Kläranlagen eine wichtige Emschergenossenschaft. Rolle für die Agrarwirtschaft zu: Sie können auf kosten- Als „vorbildlich für ganz Deutschland“ lobte die günstigem Wege Ressourcen wie CO , Dünger, Wärme 2 Bundesumweltministerin im Beisein von Oberbürgermeister und Wasser für einen hohen landwirtschaftlichen Ertrag Bernd Tischler (SPD) und Prof. Uli Paetzel, Vorstands- aus dem Klärprozess gewinnen. vorsitzender der Emschergenossenschaft, nicht nur das Mit dem Suskult-Projekt wird dafür seit Mitte 2019 Energiemanagement auf der Kläranlage, sondern auch das ein innovatives und nachhaltiges Bewirtschaftungssystem Generationenprojekt Emscher-Umbau. Davon überzeugte für den urbanen Raum entwickelt und durch das Bundes- sich Svenja Schulze im in 40 Metern Tiefe gelegenen ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geför- Maschinenraum des Pumpwerks Bottrop. Die Anlage wur- dert. Unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, de im vergangenen Jahr in Betrieb genommen und beför- Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) arbeiten 15 dert das Abwasser aus dem unterirdischen Abwasserkanal Partner aus Landwirtschaft, Technik, Forschung, Nahrungs- Emscher (AKE) in die benachbarte Kläranlage. Durch die mittelproduktion und Wasserwirtschaft eng zusammen. Inbetriebnahme des AKE im vergangenen September ist Dabei ist auch die Errichtung einer Demonstrations- die Emscher schon deutlich in punkto Schmutzfracht ent- anlage auf dem Gelände des Klärwerks Emscher-Mündung lastet worden – ein wichtiger Schritt in Richtung der Emschergenossenschaft geplant, um Gemüse zu pro- Abwasserfreiheit. duzieren. Ergebnisse des Projekts werden 2024 erwartet. „Wir sehen uns dennoch nicht als reinen Abwasser-

Ansprechpartner: Dr. Sven Lyko verband. Wir wollen auch einen Beitrag leisten zur Weiter- EG-Projektleiter Suskult entwicklung der Region und die grün-blaue Infrastruktur [email protected] im Revier voranbringen“, so Uli Paetzel zusammenfassend. NEWS EGLV.de 43

INTERVIEW von Michael Steinbach

Mein schönster Frau Westkamp, was ist Ihr Wie würden Sie gegenüber volle Gebiet. Dieser Rad- schönster Platz an der Lippe einem auswärtigen Besucher weg wird aktuell noch deutlich Platz an der – und weswegen? beschreiben, was sich der- verlängert. Lippe Der schönste Platz an der zeit an der Lippe tut? Lippe liegt für mich in der Auf Weseler Stadtgebiet Besonders stolz sind wir auf In unserer Rubrik „Mein Nähe des Kanuheims. hat sich in den vergangenen unsere Lippefähre „Quertrei- schönster Platz“ fragen wir Die Landschaft ist wild- Jahren sehr viel an der Lippe ber“. Es handelt sich da- romantisch, es ist sehr ruhig verändert. So wurde zum Bei- bei um eine Gierseilfähre, die Politikerinnen und Politiker und trotzdem nah zur Stadt spiel der Lippemündungsraum 2005 ihren Betrieb aufgenom- aus der Region nach ihren gelegen. großartig umgestaltet men hat. Unsere Stadt hat Lieblingsorten an Emscher und wieder der Natur über- mit der Fähre sogar den und Lippe. In dieser Aus- Wie sah es hier früher aus geben. Vor der Umgestaltung begehrten Deutschen Fahrrad- gabe sind wir bei der Bür- und was hat sich seitdem wurde die Lippe durch preis gewonnen. germeisterin von Wesel, verändert? ein enges, auf den letzten 100 Schon früher sah es ähnlich Metern fast kanalartiges Bett Ulrike Westkamp. aus. Als Jugendliche war ich zum Rhein geleitet. recht häufig dort, da wir im an- grenzenden Otto-Vorberg-Haus Seit 2016 führt ein Radweg tolle Partys gefeiert haben. durch das landschaftlich reiz- Im Bereich AQUATHERMIE bieten wir folgende Leistungen an (Auszug):

o Analyse vorhandener Potenziale zur Nutzung von Aquathermie Wir sind erfahrene Dienstleister für Klärschlammaufbereitung o Planung, Bau und langfristiger und -entsorgung mit modernen Anlagenkapazitäten, in denen Betrieb von Abwasser-Wärmetauscher wir das regenerative Potenzial von Klärschlamm nutzen. -Anlagen o Projektumsetzung in Kanälen von Darüber hinaus entwickeln und realisieren wir Projekte zur Emschergenossenschaft und Nutzung von Windenergie und weiteren regenerativen Lippeverband sowie in städtischen Quellen für einen nachhaltigen Beitrag zum Klima- und Kanalnetzen Umweltschutz in unserer Region.

Ein bisher wenig beachteter Energieschatz im dicht besiedelten Ruhrgebiet ist die Energiegewinnung aus Abwasser. Auch auf diesem Gebiet, der Aquathermie, sind wir ein kompetenter Partner für Anlagen zur Nutzung dieser sicheren, heimischen Energiequelle.

BETREM Emscherbrennstoffe GmbH Sturmshof 20 46238 Bottrop Telefon: 02041/ 744 - 33 00 [email protected]

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Kronprinzenstraße 24 Chefredakteur Druck 45128 Essen Friedhelm Pothoff Schürmann + Klagges GmbH & Co. KG T 0201 104-0 Industriestraße 34 Redaktion [email protected] 44894 Bochum Anne-Kathrin Lappe, Ilias Abawi, www.eglv.de Alexander Knickmeier, Michael Steinbach Gedruckt auf RecyStar Polar, 100 % Altpapier Design & Layout Verena Klos Titelfoto Henning Maier-Jantzen