Außerschulische Bildung 1-2011
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Außerschulische Bildung 1-2011 Materialien zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung Rechtspopulismus/ Rechtsextremismus Erscheinungsformen, Ursachen, Gegenmacht Rechtspopulismus in der Europäischen Union Rechtsextreme Jugendkulturen als Erlebniswelten Politische Bildung gegen menschenfeindliche Ideologien ISSN 0176-8212 Außerschulische Bildung 1-2011 INHALTSVERZEICHNIS ZU DIESEM HEFT 5 ADB-FORUM Benedikt Widmaier SCHWERPUNKT Der Deutsche Qualifikationsrahmen – Eine Chance für non-formale Politische Bildung Frank Decker/Marcel Lewandowsky Eine Replik auf Boris Brokmeier und Paul Populistische Strömungen in Europa: Erschei- Ciupke 55 nungsformen, Ursachen und Gegenmacht 6 Lutz Heinke ADB-JAHRESTHEMA Rechtspopulismus in der Europäischen Ge- meinschaft 15 Ann-Kathrin Preuschoft Politik erleben und Möglichkeiten politi- Franziska Göpner/Oliver Decker scher Arbeit kennenlernen Noch mehr Demokratie wagen. Jugendfreiwilligendienst im politischen Le- Die „Mitte“-Studien der Friedrich-Ebert- ben Sachsen-Anhalts 58 Stiftung und ihre Konsequenzen für Politik und politische Bildung 23 ARBEITSFORMEN UND METHODEN Arne Schäfer/Sabrina Broszeit Rechtsextreme Jugendkulturen als Erlebnis- Wolfgang Schütze welten Karikaturen-Einsatz als Methode in der po- Herausforderungen für die Bildungsarbeit 29 litischen Bildung 61 Juliane Lang/Esther Lehnert „…wir sind trotzdem aktiv und wir stehen INFORMATIONEN trotzdem unsere Frau, und stehen mit bei der Demo oder beim Infostand und sind Meldungen 64 deswegen noch lange kein Heimchen am Herd…“ Aus dem AdB 83 Mädchen und Frauen im Rechtsextremismus 39 Personalien 96 Andrea Müller Ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextre- Bücher 98 mismus setzen! Projekte zur Auseinandersetzung mit men- Markt 116 schenfeindlichen Ideologien 46 STICHWORTREGISTER 2010 124 IMPRESSUM 132 Thema des nächsten Heftes: Sexualität in der Jugendarbeit 3 4 ZU DIESEM HEFT Die Entscheidung für das allem in den neuen Bundesländern präsent, zog in Thema dieser Ausgabe fiel die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vor- im vergangenen Jahr unter pommern und in zahlreiche Kommunalparlamente dem Eindruck politischer ein. Es sind längst nicht mehr nur Ewiggestrige Bewegungen in einigen anfällig für die Parolen der Neonazis, sondern die- Ländern der Europäischen se üben eine nicht zu unterschätzende Anzie- Union, die in eine uner- hungskraft auch auf junge Menschen aus. wartete Richtung wiesen. Plötzlich drangen – vor al- Weshalb heute rechtspopulistische und gar rechts- lem in jenen Ländern, die extreme Einstellungen wieder von großen Teilen sich vor mehr als 20 Jahren der Bevölkerung in den demokratischen Staaten die Demokratie erkämpft Europas vertreten werden, ist die Frage, der sich hatten – rechtspopulistische Kräfte in den Vorder- dieses Heft widmet. Erscheinungsformen und Ursa- grund der Politik, die mit fremdenfeindlichen, chen des Rechtspopulismus in Europa werden dar- nationalistischen und autoritären Positionen bei gestellt, der Rechtsextremismus als „Erlebniswelt“ Wählern und Wählerinnen punkten konnten und von Jugendlichen in Deutschland beschrieben und in der Bevölkerung verbreitete demokratiefeind- Strategien der Gegenmacht und der Gegenwehr, liche Ressentiments bedienten. Der Spezialfall Ita- auch im Rahmen politischer Bildung, werden erör- lien unter Berlusconi galt eher noch als Ausnahme, tert. Die – einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aber inzwischen sind rechtspopulistische Parteien zufolge – bis in die Mitte der Gesellschaft reichende auch in west- und nordeuropäischen Ländern auf Zustimmung zu diskriminierenden, fremdenfeind- dem Vormarsch, beeinflussen die Regierungspoli- lichen und rassistischen Aussagen ist gewiss nicht tik in ihren Ländern und sind inzwischen sogar im nur ein Indiz für einen Mangel an Aufklärung. Sie Europäischen Parlament vertreten, obwohl sich ist vielmehr Ausdruck der Unfähigkeit, Unsicher- ihre politischen Vorstellungen mit den Grundlagen heiten zu ertragen und Anforderungen zu bewälti- der Zusammenarbeit in einem pluralistischen Europa gen und einzuordnen, die sich aus politischen Ge- nur schwer vereinbaren lassen. Ihre Mitwirkung mengelagen ergeben, die bisherige Gewissheiten stellt den ohnehin gefährdeten Zusammenhalt in in Frage stellen. Dass sich viele Menschen von der der EU vor eine neue Bewährungsprobe. Politik nicht mehr vertreten und ernstgenommen fühlen, im eigenen politischen Engagement keinen In der Bundesrepublik Deutschland haben sich rechts- Sinn mehr sehen und gegenüber einer immer populistische Parteien langfristig bisher nicht so unübersichtlicher gewordenen Welt Ohnmachts- richtig durchsetzen können. Die Partei Rechtsstaat- gefühle entwickeln, macht sie anfällig für rechts- liche Offensive in Hamburg scheiterte an den populistische und rechtsextreme Parolen. Wenn die Unzulänglichkeiten ihres Vorsitzenden Schill, die Demokratie auch in schwierigeren Zeiten als über- Republikaner sind nach ersten Wahlerfolgen heute legene Staatsform überzeugen soll, muss sie erfah- nur noch in einigen Kommunalparlamenten ver- ren und gelebt, aber auch gelernt werden können. treten. Dafür haben allerdings die Rechtsextremen Terrain besetzt, die NPD ist nicht nur, aber vor Ingeborg Pistohl 5 SCHWERPUNKT Populistische Strömungen in Europa: Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenmacht Frank Decker/Marcel Lewandowsky Frank Decker und Marcel Lewandowsky begrün- ideologische Basis zurückgeführt werden kann den das Erstarken rechtspopulistischer Parteien in (Mudde 1996) oder er überhaupt als Gegenstand vielen Ländern der Europäischen Union und führen der Forschung geeignet sei (Ignazi 2003). Bei der aus, was sowohl den modernen Rechts- als auch Untersuchung der Parteien Europas wurden auch Linkspopulismus kennzeichnet. immer wieder Überschneidungen zwischen populis- tischen und radikalen Phänomenen deutlich. Eini- Allen populistischen Phänomenen ist jenseits ideo- ge Autoren (etwa Mudde 2007) betonen, dass der logischer Differenzen ihre Anti-Establishment-Ori- Populismus supplementäres Merkmal einer radika- entierung gemeinsam. Der Populismus ist eine Be- len Ideologie sei, während andere Forscher dies gleiterscheinung von Modernisierungskrisen. Seine mit Blick auf die Eigenständigkeit populistischer Vertreter beschwören eine vermeintliche „Volks- Parteien verneinen (Decker/Lewandowsky 2011). identität“, die bestimmte Gruppen der Bevölke- Tatsächlich erweist sich der Populismus als äußerst rung ausschließt. Populistische Parteien können, wandlungsfähig. Besonders erfolgreiche Exponen- müssen aber nicht extremistisch sein. Zu einer Ge- ten wie Geert Wilders‘ Partij voor de Vrijheid (PVV) fahr für die Demokratie können sie werden, wenn oder die Dansk Folkeparti geben sich nicht mehr es der Politik nicht gelingt, die Ursachen für ihre als Außenseiter vom rechten Rand, sondern als Existenz zu beseitigen. Verteidiger der liberalen Demokratie gegen die vermeintliche Bedrohung durch „den Islam“. Euro- päisch-kulturelle treten mithin an die Stelle klas- Einleitung sisch nationalistischer Abgrenzungsmuster. Dabei werden die Zuwanderer und die politischen Eliten Seit Mitte der achtziger Jahre ist es in zahlreichen gleichzeitig angeprangert. Letztere hätten eine er- westeuropäischen Ländern zur Herausbildung einer folgreiche Integrationspolitik versäumt und seien neuen und zugleich neuartigen Parteienfamilie ge- aus falsch verstandener political correctness nicht kommen, für die sich in der Wissenschaft und im gewillt, die Probleme auch nur zu benennen. Das journalistischen Sprachgebrauch der Begriff „rechts- Establishment habe sich ohnehin von den Bürgern populistisch“ eingebürgert hat. Als die Neuankömm- abgesetzt; es verfolge in den raumschiffartigen linge am rechten Rand (Front National, Lega Nord, Parlamenten (materielle) Eigeninteressen, wäh- Vlaams Blok, FPÖ) in ihren Ländern auf den Plan rend das „Volk“ als Träger demokratischer Legiti- traten und die ersten spektakulären Wahlerfolge mation bei den Entscheidungen nicht (mehr) be- erzielten, war man noch geneigt, sie als flüchtige rücksichtigt werde. Protesterscheinungen abzutun, wie es sie in den westlichen Demokratien – auch in populistischer GNU Brandsen/Quelle: Wikipedia Gestalt – schon immer gegeben hatte. Es herrschte also die Erwartung, dass die Herausforderer über kurz oder lang wieder auf Normalmaß zurück- gestutzt und aus den Parteiensystemen ganz ver- schwinden würden. Die weitere Entwicklung sollte dies gründlich widerlegen. Nicht nur, dass die Rechtspopulisten ihre Stellung verteidigen und so- gar noch weiter ausbauen konnten – das Phäno- men begann sich nun auf andere westeuropäische Länder auszudehnen und machte auch vor den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas nicht halt. Der Begriff „Rechts- Der Begriff „Rechtspopulis- populismus“ hat sich mus“ hat sich sowohl in sowohl in der For- der Forschung als auch in schung als auch in der Umgangssprache als der Umgangssprache Bezeichnung für fremden- als Bezeichnung für feindliche Protestparteien Pia Kjærsgaard ist Vorsitzende der Dansk Folkeparti, hier fremdenfeindliche weitgehend durchgesetzt. bei einer Parteikonferenz im Jahr 2009 Protestparteien In der Forschung galt es je- weitgehend durch- doch lange als strittig, ob Wo sich die Wahlergebnisse der rechtspopulisti- gesetzt er auf eine gemeinsame schen Parteien leicht verschlechtert haben, dürfte 6 SCHWERPUNKT das mehr an deren Erfolgen liegen als mit einer zungsmuster er vornimmt und welche Gruppe(n) nachlassenden Empfänglichkeit der Wähler für die er mit seinem Volksbegriff adressiert. Die dritte Be- populistischen Botschaften.