Außerschulische Bildung 1-2011 ISSN 0176-8212 ueshlsh idn 1-2011 Außerschulische Bildung Materialien zurpolitischenJugend-undErwachsenenbildung Rechtsextremismus Rechtspopulismus/ menschenfeindliche Ideologien Politische Bildunggegen als Erlebniswelten Rechtsextreme Jugendkulturen Europäischen Union Rechtspopulismus inder Gegenmacht Erscheinungsformen, Ursachen, INHALTSVERZEICHNIS

ZU DIESEM HEFT 5 ADB-FORUM

Benedikt Widmaier SCHWERPUNKT Der Deutsche Qualifikationsrahmen – Eine Chance für non-formale Politische Bildung Frank Decker/Marcel Lewandowsky Eine Replik auf Boris Brokmeier und Paul Populistische Strömungen in Europa: Erschei- Ciupke 55 nungsformen, Ursachen und Gegenmacht 6

Lutz Heinke ADB-JAHRESTHEMA Rechtspopulismus in der Europäischen Ge- meinschaft 15 Ann-Kathrin Preuschoft Politik erleben und Möglichkeiten politi- Franziska Göpner/Oliver Decker scher Arbeit kennenlernen Noch mehr Demokratie wagen. Jugendfreiwilligendienst im politischen Le- Die „Mitte“-Studien der Friedrich-Ebert- ben Sachsen-Anhalts 58 Stiftung und ihre Konsequenzen für Politik und politische Bildung 23 ARBEITSFORMEN UND METHODEN Arne Schäfer/Sabrina Broszeit Rechtsextreme Jugendkulturen als Erlebnis- Wolfgang Schütze welten Karikaturen-Einsatz als Methode in der po- Herausforderungen für die Bildungsarbeit 29 litischen Bildung 61

Juliane Lang/Esther Lehnert „…wir sind trotzdem aktiv und wir stehen INFORMATIONEN trotzdem unsere Frau, und stehen mit bei der Demo oder beim Infostand und sind Meldungen 64 deswegen noch lange kein Heimchen am Herd…“ Aus dem AdB 83 Mädchen und Frauen im Rechtsextremismus 39 Personalien 96 Andrea Müller Ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextre- Bücher 98 mismus setzen! Projekte zur Auseinandersetzung mit men- Markt 116 schenfeindlichen Ideologien 46

STICHWORTREGISTER 2010 124

IMPRESSUM 132

Thema des nächsten Heftes: Sexualität in der Jugendarbeit

3 4 ZU DIESEM HEFT

Die Entscheidung für das allem in den neuen Bundesländern präsent, zog in Thema dieser Ausgabe fiel die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vor- im vergangenen Jahr unter pommern und in zahlreiche Kommunalparlamente dem Eindruck politischer ein. Es sind längst nicht mehr nur Ewiggestrige Bewegungen in einigen anfällig für die Parolen der Neonazis, sondern die- Ländern der Europäischen se üben eine nicht zu unterschätzende Anzie- Union, die in eine uner- hungskraft auch auf junge Menschen aus. wartete Richtung wiesen. Plötzlich drangen – vor al- Weshalb heute rechtspopulistische und gar rechts- lem in jenen Ländern, die extreme Einstellungen wieder von großen Teilen sich vor mehr als 20 Jahren der Bevölkerung in den demokratischen Staaten die Demokratie erkämpft Europas vertreten werden, ist die Frage, der sich hatten – rechtspopulistische Kräfte in den Vorder- dieses Heft widmet. Erscheinungsformen und Ursa- grund der Politik, die mit fremdenfeindlichen, chen des Rechtspopulismus in Europa werden dar- nationalistischen und autoritären Positionen bei gestellt, der Rechtsextremismus als „Erlebniswelt“ Wählern und Wählerinnen punkten konnten und von Jugendlichen in Deutschland beschrieben und in der Bevölkerung verbreitete demokratiefeind- Strategien der Gegenmacht und der Gegenwehr, liche Ressentiments bedienten. Der Spezialfall Ita- auch im Rahmen politischer Bildung, werden erör- lien unter Berlusconi galt eher noch als Ausnahme, tert. Die – einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aber inzwischen sind rechtspopulistische Parteien zufolge – bis in die Mitte der Gesellschaft reichende auch in west- und nordeuropäischen Ländern auf Zustimmung zu diskriminierenden, fremdenfeind- dem Vormarsch, beeinflussen die Regierungspoli- lichen und rassistischen Aussagen ist gewiss nicht tik in ihren Ländern und sind inzwischen sogar im nur ein Indiz für einen Mangel an Aufklärung. Sie Europäischen Parlament vertreten, obwohl sich ist vielmehr Ausdruck der Unfähigkeit, Unsicher- ihre politischen Vorstellungen mit den Grundlagen heiten zu ertragen und Anforderungen zu bewälti- der Zusammenarbeit in einem pluralistischen Europa gen und einzuordnen, die sich aus politischen Ge- nur schwer vereinbaren lassen. Ihre Mitwirkung mengelagen ergeben, die bisherige Gewissheiten stellt den ohnehin gefährdeten Zusammenhalt in in Frage stellen. Dass sich viele Menschen von der der EU vor eine neue Bewährungsprobe. Politik nicht mehr vertreten und ernstgenommen fühlen, im eigenen politischen Engagement keinen In der Bundesrepublik Deutschland haben sich rechts- Sinn mehr sehen und gegenüber einer immer populistische Parteien langfristig bisher nicht so unübersichtlicher gewordenen Welt Ohnmachts- richtig durchsetzen können. Die Partei Rechtsstaat- gefühle entwickeln, macht sie anfällig für rechts- liche Offensive in scheiterte an den populistische und rechtsextreme Parolen. Wenn die Unzulänglichkeiten ihres Vorsitzenden Schill, die Demokratie auch in schwierigeren Zeiten als über- Republikaner sind nach ersten Wahlerfolgen heute legene Staatsform überzeugen soll, muss sie erfah- nur noch in einigen Kommunalparlamenten ver- ren und gelebt, aber auch gelernt werden können. treten. Dafür haben allerdings die Rechtsextremen Terrain besetzt, die NPD ist nicht nur, aber vor Ingeborg Pistohl

5 SCHWERPUNKT

Populistische Strömungen in Europa: Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenmacht Frank Decker/Marcel Lewandowsky

Frank Decker und Marcel Lewandowsky begrün- ideologische Basis zurückgeführt werden kann den das Erstarken rechtspopulistischer Parteien in (Mudde 1996) oder er überhaupt als Gegenstand vielen Ländern der Europäischen Union und führen der Forschung geeignet sei (Ignazi 2003). Bei der aus, was sowohl den modernen Rechts- als auch Untersuchung der Parteien Europas wurden auch Linkspopulismus kennzeichnet. immer wieder Überschneidungen zwischen populis- tischen und radikalen Phänomenen deutlich. Eini- Allen populistischen Phänomenen ist jenseits ideo- ge Autoren (etwa Mudde 2007) betonen, dass der logischer Differenzen ihre Anti-Establishment-Ori- Populismus supplementäres Merkmal einer radika- entierung gemeinsam. Der Populismus ist eine Be- len Ideologie sei, während andere Forscher dies gleiterscheinung von Modernisierungskrisen. Seine mit Blick auf die Eigenständigkeit populistischer Vertreter beschwören eine vermeintliche „Volks- Parteien verneinen (Decker/Lewandowsky 2011). identität“, die bestimmte Gruppen der Bevölke- Tatsächlich erweist sich der Populismus als äußerst rung ausschließt. Populistische Parteien können, wandlungsfähig. Besonders erfolgreiche Exponen- müssen aber nicht extremistisch sein. Zu einer Ge- ten wie Geert Wilders‘ Partij voor de Vrijheid (PVV) fahr für die Demokratie können sie werden, wenn oder die Dansk Folkeparti geben sich nicht mehr es der Politik nicht gelingt, die Ursachen für ihre als Außenseiter vom rechten Rand, sondern als Existenz zu beseitigen. Verteidiger der liberalen Demokratie gegen die vermeintliche Bedrohung durch „den Islam“. Euro- päisch-kulturelle treten mithin an die Stelle klas- Einleitung sisch nationalistischer Abgrenzungsmuster. Dabei werden die Zuwanderer und die politischen Eliten Seit Mitte der achtziger Jahre ist es in zahlreichen gleichzeitig angeprangert. Letztere hätten eine er- westeuropäischen Ländern zur Herausbildung einer folgreiche Integrationspolitik versäumt und seien neuen und zugleich neuartigen Parteienfamilie ge- aus falsch verstandener political correctness nicht kommen, für die sich in der Wissenschaft und im gewillt, die Probleme auch nur zu benennen. Das journalistischen Sprachgebrauch der Begriff „rechts- Establishment habe sich ohnehin von den Bürgern populistisch“ eingebürgert hat. Als die Neuankömm- abgesetzt; es verfolge in den raumschiffartigen linge am rechten Rand (Front National, Lega Nord, Parlamenten (materielle) Eigeninteressen, wäh- Vlaams Blok, FPÖ) in ihren Ländern auf den Plan rend das „Volk“ als Träger demokratischer Legiti- traten und die ersten spektakulären Wahlerfolge mation bei den Entscheidungen nicht (mehr) be- erzielten, war man noch geneigt, sie als flüchtige rücksichtigt werde. Protesterscheinungen abzutun, wie es sie in den westlichen Demokratien – auch in populistischer GNU Brandsen/Quelle: Wikipedia Gestalt – schon immer gegeben hatte. Es herrschte also die Erwartung, dass die Herausforderer über kurz oder lang wieder auf Normalmaß zurück- gestutzt und aus den Parteiensystemen ganz ver- schwinden würden. Die weitere Entwicklung sollte dies gründlich widerlegen. Nicht nur, dass die Rechtspopulisten ihre Stellung verteidigen und so- gar noch weiter ausbauen konnten – das Phäno- men begann sich nun auf andere westeuropäische Länder auszudehnen und machte auch vor den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas nicht halt.

Der Begriff „Rechts- Der Begriff „Rechtspopulis- populismus“ hat sich mus“ hat sich sowohl in sowohl in der For- der Forschung als auch in schung als auch in der Umgangssprache als der Umgangssprache Bezeichnung für fremden- als Bezeichnung für feindliche Protestparteien Pia Kjærsgaard ist Vorsitzende der Dansk Folkeparti, hier fremdenfeindliche weitgehend durchgesetzt. bei einer Parteikonferenz im Jahr 2009 Protestparteien In der Forschung galt es je- weitgehend durch- doch lange als strittig, ob Wo sich die Wahlergebnisse der rechtspopulisti- gesetzt er auf eine gemeinsame schen Parteien leicht verschlechtert haben, dürfte

6 SCHWERPUNKT

das mehr an deren Erfolgen liegen als mit einer zungsmuster er vornimmt und welche Gruppe(n) nachlassenden Empfänglichkeit der Wähler für die er mit seinem Volksbegriff adressiert. Die dritte Be- populistischen Botschaften. Ein Beleg dafür ist, dass deutungsebene stellt auf die formalen und stilisti- der Populismus auf die etablierten Parteien des po- schen Merkmale des Phänomens ab; hier geht es litischen „Mainstreams“ um die Organisation des Populismus und seine Der Populismus hat auf immer stärker überge- Techniken der Wähleransprache. die etablierten Parteien griffen hat. Diese ma- des politischen „Main- chen sich nicht nur die streams“ immer stärker Themen der rechtspopu- Gesellschaftliche Entstehungshintergründe übergegriffen listischen Akteure zu ei- Populistische Parteien und Bewegungen sind ein gen, sondern auch deren Phänomen gesellschaftlicher Modernisierungskrisen; Politikstil. Gleichzeitig können wir in Europa seit sie treten auf, wenn infol- einigen Jahren einen Aufschwung linkspopulis- Populistische Bewe- ge zu raschen Wandels tischer Parteien und Bewegungen beobachten, die gungen treten auf, oder zu großer Verwer- manches von dem, was die Wähler heute umtreibt, wenn infolge zu fungen bestimmte Bevöl- offenbar glaubwürdiger adressieren können als ih- raschen Wandels oder kerungsgruppen Wert- re rechten Kontrahenten. Zwei – häufig auch in zu großer Verwerfun- und Orientierungsverlus- Parteienform sich überlappende – Spielarten des gen bestimmte Bevöl- te erleiden. Diese Verlus- Populismus nehmen die Parteien heute in ihren kerungsgruppen Wert- te, die ökonomische Ur- Zangengriff: Ein wohlfahrtschauvinistisch gepräg- und Orientierungs- sachen haben können, ter Sozialpopulismus und ein Anti-Islam-Populis- verluste erleiden in der Regel aber kultu- mus. rell vermittelt sind, ge- hen mit Statusangst, Zukunftsunsicherheit und po- litischen Entfremdungsgefühlen einher. Schon zu Was ist Populismus? früheren Zeiten hat es populistische Bewegungen gegeben, die sich dies zunutze machten. So ver- Das „Schillernde“ des Populismus ist in der For- dankt der wissenschaftliche Begriff seinen Namen schung nahezu zu einem Sprichwort avanciert. All- der ausgangs des 19. Jahrhunderts in den USA ent- tagssprachlich setzt man den Populismus häufig standenen Populist Party. Handelt es sich bei den mit einer popularitätsheischenden, den Stimmun- historischen Populismen um zeitversetzt auftreten- gen des Volkes nachlaufenden und nachgebenden de Erscheinungen, so sind die aktuellen Moderni- Politik gleich. In der Konsequenz ist er negativ be- sierungsprozesse dadurch charakterisiert, dass die setzt. Es heißt, der Populist biedere sich „Volkes Gesellschaften in ihrer ökonomischen, kulturellen Meinung“ an; es gehe ihm nicht um die Sache, son- und politischen Problembetroffenheit immer mehr dern um die Wählergunst. zusammenrücken. Dies erklärt, warum die meisten der heutigen populistischen Parteien in Europa in Den wissenschaftlichen Inhalt des Begriffs trifft das etwa zeitgleich entstanden sind und sich in den je- nur zum Teil. Hier wird mit Populismus in erster Li- weiligen Parteiensystemen dauerhaft etablieren nie eine Haltung umschrieben, die für das soge- konnten. nannte „einfache“ Volk und gegen die herrschen- den gesellschaftlichen und politischen Eliten Partei ergreift. Was alle populistischen Phänomene eint, Selbstverständnis und Ideologie ist ihre Anti-Establishment-Orientierung. Träger Charakteristisch für den Populismus ist sein „schi- einer solchen Orientie- zophrenes“ Gleichheitsverständnis: Einerseits brin- Was alle populistischen rung können einzelne gen die Populisten das Volk in Stellung gegen die Phänomene eint, ist Personen, Bewegungen, herrschende Elite, die sie ihre Anti-Establish- Parteien oder auch gan- Auch die linken Popu- in verschwörungstheo- ment-Orientierung ze Regime sein. Für die listen pflegen das anti- retischer Manier als Ver- wissenschaftliche Analy- elitäre Ressentiment, räter des eigentlichen se des Populismus bietet es sich an, drei Bedeu- die Gegnerschaft zum Volkswillens brandmar- tungsebenen voneinander zu unterscheiden. Die System und die Partei- ken. Andererseits gren- erste Bedeutungsebene fragt danach, wie der Po- nahme für den „klei- zen sie das „einheimi- pulismus entsteht, das heißt, welche gesellschaft- nen Mann“ sche“ Volk von den lichen Ursachen ihm zugrunde liegen. Die zweite vermeintlich Nicht-Zu- Bedeutungsebene bezieht sich auf die ideologi- gehörigen anderer Nationen oder Kulturen ab. Es schen Inhalte des Populismus, welche Abgren- ist nicht in erster Linie die Rückwärtsgewandtheit,

7 SCHWERPUNKT

sondern das anti-egalitäre Moment, das solche Ab- Identität und Feindbilder grenzungen als ideologisch „rechts“ qualifiziert. Aber auch die linken Populisten pflegen das anti- Adressat und ideologische Grundlage aller Formen elitäre Ressentiment, die Gegnerschaft zum System des Populismus ist die romantisierte Vorstellung ei- und die Parteinahme für den „kleinen Mann“. Sie nes homogenen „Volkes“ als identitätsstiftendes grenzen sich allerdings nicht von anderen gesell- Ideal (Canovan 2004: 247). Anstelle der Anerken- schaftlichen Gruppen – etwa den „Ausländern“ – nung der Komplexität ab, sondern treten in wertebezogenen Fragen Beiden Richtungen des moderner Gesellschaften eher liberal auf. Damit haben sie lange den Gegen- Populismus ist gemein- setzen die Populisten pol zum rechten Populismus gebildet. Insbesonde- sam, dass sie die Parti- moralische Werte und re der niederländische Populismus um Geert Wil- kularinteressen ihrer Tugenden. Die inhaltli- ders und dessen ideologischen Vorgänger Pim Adressaten als „wah- che Füllung des Volks- Fortuyn konterkarieren diese Unterscheidung je- ren“ Volkswillen pro- begriffes variiert dabei doch. Fortuyn lebte seinen hedonistischen Lebens- pagieren je nach ideologischer stil und seine Homosexualität offen aus, und auch Ausrichtung. Rechte Par- Wilders inszeniert sich als Bewahrer der liberalen teien verweisen auf die nationale Identität, wäh- Gesellschaftsordnung gegenüber dem Islam. rend linke Gruppierungen stärker an den sozialen Status der Arbeitnehmer und Arbeitslosen appel- lieren. Beiden Richtungen ist gemeinsam, dass sie Auftreten und Organisation die Partikularinteressen ihrer Adressaten als „wah- In formaler Hinsicht treten als Hauptmerkmale ren“ Volkswillen propagieren. rechtspopulistischer Parteien ihr Bewegungscha- rakter und das Prinzip der charismatischen Führer- Populismus ist immer auch eine Abgrenzungsideo- schaft hervor. Darüber hinaus kennzeichnet den logie. Seine Identitätspolitik schließt die Exklusion Populismus eine bestimmte Art und Weise, wie er anderer Gruppen mit ein. Dem „guten“ Volk wird sich zu den umworbenen Wählern in Beziehung die politische Elite gegenübergestellt, die sich durch setzt. Inhalte und formale Merkmale des Popu- Eigeninteressen dem eigentlichen demokratischen lismus stehen in engem Zusammenhang. Das in- Souverän entziehe und vom Willen des „Volkes“ haltliche Selbstverständnis gipfelt in der Ausrich- entfernt habe (Canovan 2002). Die populistische tung auf eine Führerfigur als Verkörperung des Demokratievorstellung ist vage. Sie spielt die Volks- „Volkswillens“; die Anti-Establishment-Orientie- souveränität gegen den Verfassungsstaat aus, „be- rung äußert sich in den Techniken der populisti- ansprucht demokratischen Willen, ohne demokra- schen Agitation. tische Verfahren zum Ausdruck zu bringen“ (Möllers 2008: 33). Demo- cc: Dany-w/Quelle: Wikipedia kratie wird als unmittelbare und absolute Umsetzung des homogenen „Volkswil- lens“ verstanden. Unzu- länglichkeiten und Parado- xien der demokratischen Verfasstheit führen die Po- pulisten auf den Unwillen der politischen Eliten zurück, den Volkswillen zu berück- sichtigen (Mair 2002: 91 f.) Politische Entscheidungen werden daher aus komple- xen Zusammenhängen ge- löst und der Verantwor- tung einzelner oder dem „Establishment“ als Ganzes zugeschrieben. Um den „Volkswillen“ unmittelbar zum Ausdruck zu bringen, setzen die Populisten zum Feindbild Islam. Hier: Kopftuchmodelle auf dem Jerusalemer Markt einen auf charismatische

8 SCHWERPUNKT

Um den „Volks- Führungspersönlichkeiten, schafft sich ab“ illustrierte, sind islamfeindliche willen“ unmittelbar die als „Sprachrohre des Ressentiments in den politischen Mainstream weit zum Ausdruck zu Volkes“ inszeniert werden. vorgedrungen (Geis/Ulrich 2010: 201). Oft wird der bringen, setzen die Andererseits propagieren Islam mit Islamismus als dessen politischer Ausprä- Populisten auf charis- sie direktdemokratische gung gleichgesetzt und künstlich eine Brücke zum matische Führungs- Beteiligungsformen, vor- Terrorismus geschlagen. persönlichkeiten zugsweise zu Themen, die aus verfassungsstaatlicher Antiislamischer Populismus profitiert von vorhan- Perspektive dem Dezisionismus der tagespoliti- denen Ängsten, die nach den Terroranschlägen des schen Mehrheit entzogen sein sollten, etwa in Fra- 11. September 2001 gewachsen sind. Muslimische gen der Integrations-, Kultur- oder Kriminalitäts- Gemeinden werden häufig als „Parallelgesellschaf- politik. ten“ wahrgenommen, die sich der Integration ver- weigerten. Parteien wie die FPÖ in Österreich, die Auf der kulturellen Achse grenzt der Populismus Dansk Folkeparti oder auch PRO NRW machen sich all jene Gruppen aus, die er nach seinem Volks- diese Sorgen zunutze, indem sie Misstrauen vor begriff als „Fremde“ identifiziert, also vornehmlich den „Fremden“ schüren und Muslime unter Gene- ethnische, kulturelle und religiöse Minderheiten. ralverdacht stellen. Selbst wenn Populisten auf of- Zum Feindbild gehören auch Staatengruppen und fen fremdenfeindliche Aussagen verzichten: Mit einzelne Länder wie die Europäische Union oder dem Hinweis, dass man nicht wisse, was in den Mo- die USA, die als Gefahr für die nationale Kultur scheen gepredigt werde, werden verfassungsfeind- dargestellt werden. Wer zu den „Feinden“ gehört, liche Umtriebe automatisch assoziiert. ist je nach politischer Situation unterschiedlich. Waren es in den achtziger und frühen neunziger Das Perfide des anti- Das Perfide des antiislami- Jahren häufig Asylbewerber, die sich verbaler At- islamischen Popu- schen Populismus besteht tacken von Seiten der Rechtsparteien ausgesetzt lismus besteht darin, darin, dass er auf durch- sahen, verdanken sich die Wahlerfolge und media- dass er auf durchaus aus real existierende Pro- le Resonanz des zeitgenössischen Populismus vor real existierende Pro- bleme hinweist, etwa in allem der Agitation gegen die Muslime (etwa im bleme hinweist Form mangelnder Integra- Falle der PVV, der Dansk Folkeparti, der schweizeri- tion, sprachlicher Barrie- schen SVP oder der österreichischen FPÖ). Das The- ren und sozialer Ausgrenzung (Kiefer 2008: 171). ma „Islam“ ist dabei nicht nur für die populisti- Dabei agiert er in der Regel eben nicht auf Grund- schen Parteien auf der rechten Seite des Spektrums lage eines rassistischen, sondern eines eurozentri- ein erfolgversprechendes Thema. Wie die deutsche stischen Weltbildes. Er warnt vor einer Übernahme Debatte um Thilo Sarrazins Buch „Deutschland des „christlichen Abendlandes“ durch einen ag- gressiven Islam. Die politischen Schlussfolgerungen der Populisten bestehen aber nicht in Verständi- cc: Richard Hebstreit/Quelle: Wikipedia gung und Integration, sondern in der Ablehnung muslimischer Gotteshäuser und Ausgrenzung der muslimischen Kultur bis hin zur offenen Forderung nach Massenabschiebung.

Populismus und Modernisierung

Mit dem durch die Globalisierung noch beschleu- nigten gesellschaftlichen Modernisierungsprozess gehen massive strukturelle Veränderungen einher: Arbeitsverhältnisse verändern sich, ganze Wirt- schaftszweige lösen sich auf, traditionelle Bindun- gen (etwa an die Familie oder an Institutionen wie Gewerkschaften, Parteien, Kirchen etc.) werden gelockert. Die Modernisierung produziert nicht nur objektive Verlierer, die dauerhaft in Erwerbslo- sigkeit und/oder Armut leben. Auch Personen, die Thilo Sarrazin stellt im August 2010 sein Buch „Deutsch- nicht unmittelbar betroffen sind, sondern ihren ei- land schafft sich ab“ vor. genen sozialen Abstieg befürchten, können durch

9 SCHWERPUNKT

den Prozess verunsichert werden (Schönfelder achten, geraten sie fast zwangsläufig in den Status 2008: 51 ff.). einer Fundamentalopposition. Entsprechend schwer tun sie sich, wenn sie selbst Verantwortung über- Populisten zielen in der Regel genau auf diese nehmen. Die Anti-Haltungen des Populismus in ein Gruppen ab. Sie artikulieren und kanalisieren de- konstruktives Programm umzumünzen, kommt der ren Ängste, indem sie die komplexen sozialen und sprichwörtlichen Quadratur des Zirkels gleich. ökonomischen Prozesse auf vermeintlich Verant- wortliche herunterbrechen – wie die „untätigen“ oder „korrupten“ Politiker. Als Schuldige der Krise Verschwörungstheorien und Denken in Feind- werden aber auch „die Ausländer“ oder „die Ma- bildern nager“ hingestellt, die „deutsche Arbeitsplätze“ Das populistische Bild der Gesellschaft entspricht gefährdeten bzw. nur „in die eigene Tasche“ wirt- einer klaren Frontstellung: hier das Volk und seine schafteten. Die Populisten benutzen dabei gängi- Fürsprecher, dort der innere und äußere Feind. Die ge Klischees und Rollenbilder, die sie mit einer dra- Konstruktion des Feindbildes erfolgt zum einen matisierten Krisenbeschreibung verknüpfen. Völlig durch Personifizierung – gesellschaftliche Proble- unterschiedliche Sachver- me werden auf bestimmte Personengruppen proji- Die Populisten benut- halte werden scheinbar ziert, um diese als Schuldige zu entlarven –, zum zen gängige Klischees plausibel miteinander in anderen durch verschwörungstheoretische Be- und Rollenbilder, die Zusammenhang gebracht: gründungen. Dabei wird auch die eigene Partei sie mit einer dramati- Der „deutsche Steuerzah- oder Bewegung gerne als „Opfer“ hingestellt. sierten Krisenbeschrei- ler“ muss für „die Asylan- bung verknüpfen ten“ bezahlen, die „wie die Maden im Speck“ leb- Provokation und Tabubruch ten und damit den Staatshaushalt schröpften. Die Parteinahme für den „kleinen Mann“ bedeutet Durch die Reduktion von Modernisierungsprozes- nicht, dass der Populismus dessen Stimmungen sen auf „Sündenböcke“ bieten Populisten einfache hinterherläuft und immer nur solche Meinungen Erklärungsmodelle an, die den Unmut der von den vertritt, die besonders populär sind. Der Zwang, Modernisierungsprozessen betroffenen gesell- sich von der herrschenden Elite abzugrenzen, ver- schaftlichen Gruppen schüren (Decker 2004: 35). langt im Gegenteil nach kalkulierten Entgleisun- Populismus und Modernisierung stellen von daher gen, die an Tabus rühren und damit provozierend „zwei Seiten einer Medaille“ dar (Spier 2006). wirken. Gerade dadurch, dass die Populisten auf die Zustimmung relevanter Bevölkerungsteile ver- zichten und sich selbst als Außenseiter hinstellen, Stilmittel des Populismus gewinnen sie Glaubwürdigkeit unter ihren Anhän- gern. In aufsteigender Reihenfolge ihrer Radikalität las- sen sich folgende „Stilmittel“ des Populismus unterscheiden (Decker 2004: 35 ff.): Verwendung von biologistischen und Gewalt- metaphern Rückgriff auf common sense-Argumente Um die Feindlage glaubwürdig zu vermitteln, Eine typische Argumentationsfigur besteht in der greift der Agitator zu drastischen Formulierungen, Gleichsetzung von individueller und kollektiver bedient er sich einer Sprache, die an Gewalt und Moral nach dem Motto: was sich im privaten Be- Krieg erinnert. Die Ablehnung des Fremdartigen reich bewährt und als richtig erwiesen hat, kann im und „Widernatürlichen“ wird durch sexuelle, me- öffentlichen Bereich nicht falsch sein! Dieser Logik dizinische oder Tiermetaphern zum Ausdruck ge- folgt z. B. ein Großteil der populistischen Aussagen bracht, die das Bild einer kranken, von Zerfall und zur Wirtschaftspolitik (Forderungen nach Sparsam- Zersetzung bedrohten Gesellschaft zeichnen sollen keit, stärkerer Eigenvorsorge, individueller Haf- (Volkskörper, Geißel, Schmarotzer, Raubtierkapita- tung bei Unternehmenspleiten und ähnliche). lismus und ähnliche).

Vorliebe für radikale Lösungen Emotionalisierung und Angstmache Populisten halten nichts von einer Politik kleiner Wortwahl und Diktion tragen dazu bei, Stimmun- Schritte, sondern verlangen stets das beherzte gen in der Bevölkerung emotional anzuheizen. Der Durchgreifen, den großen Wurf. Weil sie die Tu- populistische Akteur spielt mit Ressentiments und gend der Kompromissfähigkeit als Untugend er- Vorurteilen, die sich in aggressiver Form gegen den

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angeblichen Feind entladen. Vorhandene Unsi- teienfamilie die Ausnahme. Der Mainstream des cherheiten und Statusängste werden nicht argu- Rechtspopulismus – von den skandinavischen Fort- mentativ entkräftet, sondern im Gegenteil als schrittsparteien über Berlusconis Forza Italia bis hin „Malaise“ bewusst geschürt, um das Publikum für zur österreichischen FPÖ – ist nicht oder nur in ein- die populistische Botschaft empfänglich zu ma- geschränktem Sinne (FPÖ) extremistisch. Umge- chen. Die Gegenüberstellung von Freund und kehrt kann es auch rechtsextreme Parteien geben, Feind gibt dem Agitator die Möglichkeit, sich denen die typischen Elemente des Populismus feh- selbst als Auserwählten und Retter hinzustellen. len. Dies gilt z. B. für die bundesdeutsche NPD.

Im europäischen Vergleich ziehen die nicht-populis- Populismus und Extremismus tischen extremen Rechtsparteien gegenüber den nicht-extremistischen populistischen Vertretern klar Populistische Parteien können zugleich extremis- den Kürzeren. Der Populismus stellt also den eigent- tisch sein, wenn sie die Schwelle zur offenen System- lichen Erfolgsgaranten der Rechtsparteien dar. Der feindlichkeit überschreiten. Extremismus steht solchen Erfolgen eher im Wege, Populistische Partei- Unter den europäischen weil er ideologisch gemäßigte Wähler abschreckt en können zugleich Vertretern gilt dies z. B. und die Entwicklung einer extremistisch sein, für den französischen Front Sind die Populisten populistischen Strategie wenn sie die Schwel- National oder den – vor ei- im Wählerwett- der Wähleransprache be- le zur offenen Sys- nigen Jahren in Vlaams bewerb erfolgreich, hindert. Der Zusammen- temfeindlichkeit Belang umbenannten – könnten extremisti- hang hat allerdings zu- überschreiten belgischen Vlaams Blok. In sche Kräfte versu- gleich eine aus Sicht der historischer Perspektive ist chen, auf deren Tritt- gemäßigteren Vertreter der Nationalsozialismus zu nennen, dessen Führer- brett aufzuspringen unschöne Kehrseite: Sind kult und völkische Ideologie starke populistische die Populisten im Wähler- Elemente enthielt. Allerdings bilden die extremisti- wettbewerb erfolgreich, könnten extremistische schen Vertreter innerhalb der populistischen Par- Kräfte versuchen, auf deren Trittbrett aufzusprin- gen. In der Bundesrepublik © European Union, 2011 wurde auf diese Weise eine Reihe von Rechtsaußenpar- teien unterwandert (Repu- blikaner, Bund Freier Bürger, Schill-Partei), die daraufhin prompt an Wählerzuspruch verloren bzw. an innerpar- teilichen Richtungskonflik- ten zugrunde gingen. Mit Blick auf den Erfolg der Niederländer Pim Fortuyn und Geert Wilders könnte man die Vermutung äu- ßern, dass der Populismus umso erfolgreicher ist, je weiter er sich selbst in der vermeintlichen „Mitte“ ver- ortet und je bürgerlicher er sich in seinem Auftreten gibt.

Rechtspopulist Berlusconi auf Besuch beim Europäischen Rat im Februar 2011 Eine Gefahr für die De- Von links nach rechts, 1. Reihe: Andrius Kubilius, Ministerpräsident von Litauen, mokratie? Silvio Berlusconi, italienischer Ministerpräsident, Catherine Ashton, Hohe Vertreterin der EU-Kommission für Außen- und Sicherheitspolitik. Reihe zwei: Lawrence Gonzi, Obwohl einige rechtspopu- maltesischer Regierungschef, Iveta Radi_ová, Ministerpräsidentin der Slowakei, listische Parteien extremis- Jean-Claude Juncker, Premierminister von Luxemburg tische Züge tragen, birgt

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Die Verbindung von gerade das Thema Islam gar auf gewaltsamem Wege Bahn brechen wür- sozialer Unsicherheit ein erhebliches Wähler- den. Tatsächlich gibt es für einen solchen Zusam- mit kulturellen, eth- potenzial. Die Parteien der menhang manche Hinweise. In Ländern mit star- nischen und religiö- extremen wie der populis- ken populistischen Parteien (z. B. Österreich) ist das sen Ressentiments tischen Rechten profitieren Ausmaß rechtsextrem oder fremdenfeindlich moti- und die Abwehrhal- dabei von einer Auflösung vierter Gewalt geringer als in Ländern, in denen tung gegenüber den traditioneller Wählerstruk- solche Parteien fehlen oder vollständig stigmati- politischen Eliten bil- turen und der programma- siert sind (wie z. B. in der Bundesrepublik). Selbst- den ein elektorales tischen und strategischen bewusste Demokratien bräuchten den Populismus Erfolgsrezept Unsicherheit der etablier- von daher eigentlich nicht zu fürchten. ten Parteien. Die Verbin- dung von sozialer Unsicherheit mit kulturellen, Man darf jedoch die Wirkung des Populismus als ethnischen und religiösen Ressentiments und die „schleichendes Gift“ nicht unterschätzen. Indem er Abwehrhaltung gegenüber den politischen Eliten zu einer Banalisierung des politischen Diskurses bilden ein elektorales Erfolgsrezept, das die Rechts- führt, höhlt er die institutionellen und kulturellen populisten bis weit in die politische Mitte hat vor- Prinzipien aus, auf denen die heutige Demokratie dringen lassen. beruht. Die populistische Demokratiekonzeption stellt den deliberativen Ele- Die Wirkungen der neuen rechtspopulistischen Par- Populismus ist in menten der modernen De- teien unter Demokratiegesichtspunkten sind zwei- letzter Konsequenz mokratie, dem geduldigen schneidig. Einerseits artikulieren diese Parteien ein immer antipluralis- Aushandeln, Abwägen und Unbehagen am politischen Ist-Zustand, das auf be- tisch Argumentieren, die „Dezi- rechtigten Gründen (etwa der sozialen Benachteili- sion“ gegenüber. Die Viel- gung) beruhen kann. Die etablierten Kräfte wer- falt der Lebensentwürfe und politischen Interessen den so gezwungen, sich der zuvor offenbar wird im Volksbegriff verneint und soll in einer vernachlässigten Probleme anzunehmen – und sei mehrheitsdemokratischen, tendenziell autoritären es nur symbolisch. Insofern handelt es sich beim Po- Organisation von Entscheidungen ausgehebelt pulismus um ein Protestphänomen, von dem auch werden. Populismus ist damit in letzter Konsequenz positive Wirkungen ausgehen können. Dies gilt zu- immer anti-pluralistisch. mal, wenn die populistischen Parteien Unzufrie- denheitsgefühle bündeln, die sich ansonsten viel- Solange die Herausforderer in der Opposition ver- leicht bei noch extremeren Kräften sammeln oder harren und als reine Protestparteien auftreten, dürfte von ihnen für die verfassungsmäßige Ordnung keine unmittelbare Bedrohung aus- Foto: Rainer Sturm/pixelio.de gehen. Bedenklich wird es erst, wenn sie über Re- gierungsmacht verfügen und ihre fragwürdigen Demokratievorstellungen aktiv betreiben können. Die Erfahrungen nach der Machtbeteiligung bzw. -übernahme rechtspopulistischer Parteien in Öster- reich, Italien und neuerdings auch Ungarn haben gezeigt, dass diese Befürchtungen keineswegs aus der Luft gegriffen sind und auch durch das wahr- scheinliche Scheitern der Populisten an der Regie- rung nicht zerstreut werden können.

Dies wirft natürlich die Frage nach Gegengewich- ten auf. Wenn es stimmt, dass die populistischen Parteien ein auf Dauer gestelltes Protestphänomen darstellen, lassen sie sich am besten dadurch be- kämpfen, dass man ihnen bzw. ihren Wählern die Protestgründe entzieht. Dies erfordert eine Kombi- nation aus tatsächlicher (materieller) Problemlö- sung durch „gutes“ Regieren, symbolischer Reprä- In Ländern mit starken populistischen Parteien wie sentation der potenziellen Protestwählerschaft Österreich gibt es weniger rechtsextrem oder fremden- und politischer Auseinandersetzung mit den rech- feindlich motivierte Gewalt ten Herausforderern.

12 SCHWERPUNKT

Der letzte Teil der Strategie versteht sich von tung liegt die conditio sine qua non jeder gelunge- selbst. Er bedeutet, dass man sich im Wettbewerb nen (und gleichwohl nicht-assimilatorischen) Inte- nicht wegducken und den Gegnern das Feld über- gration. Damit ließe sich vielleicht auch ein Teil lassen darf. Auch wo diese die vorhandenen Pro- jener wohlfahrtschauvinistischen Ressentiments ab- bleme ansprechen und deren Vernachlässigung bauen, die bei der eingesessenen Bevölkerung aus durch die etablierten Kräfte zu Recht kritisieren, der Diskrepanz von nationaler Nicht-Zugehörigkeit haben sie doch fast niemals Lösungen anzubieten, und sozialstaatlichen Teilhabeansprüchen der Mi- die den Namen verdienen. Legen die etablierten granten entstehen. Parteien den Finger in diese Wunde, so lässt sich die Inkompetenz der Herausforderer leicht entlar- ven. Nüchtern-geduldiges Argumentieren und eine Förderung der Zivilgesellschaft gesunde Dosis eigener Populismus dürfte sich dazu Von Daniel Bell stammt das Wort, dass der Natio- besser eignen als ein moralisierender Unterton, nalstaat für die großen Probleme zu klein und für wie er die Auseinandersetzung mit den populisti- die kleinen Probleme zu groß geworden ist. Je mehr schen Parteien hierzulande oft begleitet. Diese sich das Regieren anonymisiert und in den supra- wird damit zugleich zu einem Thema für die politi- staatlichen Bereich verlagert, umso wichtiger wird sche Bildung (Lewandowsky 2011, Fühner 2011). es folglich, die Demokratie auf der lokalen und zi- vilgesellschaftlichen Ebene erfahrbar zu machen Ungleich schwieriger sind die beiden ersten Teile der und das bürgerschaftliche Engagement vor Ort zu Strategie einzulösen. Hier ergeben sich für ein poli- stärken. Zivilgesellschaftliche Institutionen dienen tisches Projekt, das die Bedürfnisse der Menschen einerseits dazu, den Staat von Aufgaben zu entla- nach Zugehörigkeit aufnimmt und den zentrifuga- sten; andererseits sollen sie den Gemeinsinn för- len Tendenzen einer ökonomisch und kulturell aus- dern und so Ersatz schaffen für verlorengegange- einanderdriftenden Gesellschaft entgegenwirkt, ne gesellschaftliche Bindungen. auf der nationalen und europäischen Ebene z. B. folgende Ansatzpunkte: Direktdemokratische Beteiligungsformen Auch hier könnte man den Populismus gleichsam Erneuerung des Wohlfahrtsstaates mit den eigenen Waffen schlagen, gehört doch die Das Bewusstsein der Bedeutung, die der Wohl- Forderung nach mehr direkter Demokratie zu sei- fahrtsstaat für den gesellschaftlichen Zusammen- nem Standardrepertoire. Gewiss stellen die Plebis- halt gewinnt, ist in der Vergangenheit mehr und zite kein Allheilmittel gegen die Schwächen der mehr abhanden gekommen. Diese Bedeutung zeigt Parteiendemokratie dar. Indem sie den Wettbe- sich gerade mit Blick auf den internationalen Wett- werb von der allgemeinen Sphäre der auf Wahlen bewerb: Je weiter sich die Volkswirtschaften nach bezogenen Parteipolitik in die Sphäre konkreter außen öffnen, um so wichtiger werden Bildung Sachfragen und Gesetzesentscheidungen verla- und Ausbildung (um sich für den Wettbewerb zu gern, könnten sie jedoch dazu beitragen, die Bür- wappnen), aber auch die Absicherung gegen die ger wieder näher an die repräsentativen Institutio- durch den Wettbewerb entstehenden Risiken im nen heranzuführen. Um gegen die populistischen Inneren. Gelingt es der Politik nicht, eine Gesell- Gefährdungen zu bestehen, müsste die demokrati- schaft auf der Basis von Chancengleichheit und sche Politik also zur Selbstkorrektur bereit sein und Fairness zu errichten, kann das Populismuspotenzi- sich ein Stück weit neu erfinden. al nicht reduziert werden.

Anerkennung kultureller Differenz Die europäischen Länder müssen in Zukunft eine Literatur wachsende Zahl von Zuwanderern integrieren. Der Hauptkonflikt wird sich dabei um die Frage dre- Canovan, Margaret: Taking Politics to People. Po- hen, wie mit vorhandenen kulturellen Unterschie- pulism as the Ideology of Democracy, in: Yves Mé- den umzugehen sei. Nur wenn die Mehrheits- ny/Yves Surel (Hrsg.): Democracies and the Populist gesellschaft bereit ist, den Einwanderern auf der Challenge, Basingstoke/New York 2002, S. 25-44 Basis der Gleichheit ein bestimmtes Maß an kultu- reller Autonomie zuzugestehen, können diese im Canovan, Margaret: Populism for Political Theo- Gegenzug auf die Grundwerte der demokratischen rists?, in: Journal of Political Ideologies 9 3/2004, S. Ordnung verpflichtet werden. In dieser Verpflich- 241-252

13 SCHWERPUNKT

Decker, Frank: Der neue Rechtspopulismus, 2. Aufl., Mudde, Cas: The War of Words Defining the Extre- Opladen 2004 me Right, in: West European Politics, 19 2/1996, S. 225-248 Decker, Frank: Die populistische Herausforderung. Theoretische und ländervergleichende Perspekti- Mudde, Cas: Populist Radical Right Parties in Euro- ven, in: ders. (Hrsg.): Populismus, Bonn 2006, S. 9- pe, Cambridge 2007 32 Schönfelder, Sven: Rechtspopulismus. Teil Grup- Decker, Frank/Marcel Lewandowsky: Rechtspopuli- penbezogener Menschenfeindlichkeit, Schwal- stische Parteien als Parteienfamilie, in: Uwe Jun bach/Ts. 2008 (Hrsg.): Parteienfamilien, Opladen 2011 (i. E.) Spier, Tim: Populismus und Modernisierung, in: Fühner, Harald: Die populistische Herausforderung Frank Decker (Hrsg.): Populismus in Europa, Bonn im schulischen Unterricht, in: Friso Wielenga/Flori- 2006, S. 33-58 an Hartleb (Hrsg.): Populismus in der modernen Demokratie, Münster u. a. 2011, S. 205-217

Geis, Matthias/Bernd Ulrich: Alles, was rechts ist, in: Patrik Schwarz (Hrsg.): Die Sarrazin-Debatte, Ham- burg 2010, S. 199-204 Prof. Dr. Frank Decker lehrt Politische Wissen- schaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Ignazi, Piero: Extreme Right Parties in Western Eu- Universität Bonn. Seine derzeitigen Forschungs- rope, Oxford 2003 schwerpunkte sind westliche Regierungs- systeme, Parteien, Populismus im internatio- Kiefer, Michael: Muslime und Zuwanderungsgesell- nalen Vergleich, Föderalismus und Demokra- schaft – Beidseitige Versäumnisse und Fehlentwick- tiereform. lungen, in: Alexander Häusler (Hrsg.): Rechtspopu- E-Mail: [email protected] lismus als „Bürgerbewegung“, Wiesbaden 2008, S. 170–182 Marcel Lewandowsky ist seit April 2008 Lewandowsky, Marcel: Politische Bildung und Po- Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für pulismus, in: Friso Wielenga/Florian Hartleb (Hrsg.): Politische Wissenschaft und Soziologie der Populismus in der modernen Demokratie, Münster Universität Bonn und Betreuer der ERASMUS- u. a. 2011, S. 219-234 Incomings. Derzeit promoviert er zum Thema Landtags- Mair, Peter: Populist Democracy vs Party Democra- wahlkämpfe. cy, in: Yves Mény/Yves Surel (Hrsg.): Democracies E-Mail: [email protected] and the Populist Challenge, Basingstoke/New York 2002, S. 81-98

Möllers, Christoph: Demokratie – Zumutungen und Beide sind erreichbar über das Institut unter der Adresse Lenné- Versprechen, Berlin 2008 straße 27, 53113 Bonn

14 SCHWERPUNKT

Rechtspopulismus in der Europäischen Gemeinschaft Lutz Heinke

„Demokratie ist die einzige politisch verfasste rechtsradikaler Gruppierungen illustrieren Bildbe- Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss – richte in den Printmedien. Unsere Vorstellungen immer wieder, tagtäglich und von „den Rechten“ leben von solchen Bildern. bis ins hohe Alter hinein.“ Oskar Negt1 In den Gesellschaften der meisten europäischen Staaten finden solche aggressiven und gewalttäti- gen Vertreter des rechts- Die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien in Rechtspopulistische extremen Spektrums al- Ländern der Europäischen Union sind Anlass für Positionen werden lerdings wenig Rückhalt. Überlegungen, die Lutz Heinke zu den Ursachen zunehmend gesell- Das ist anders bei rechts- und und möglichen Auswirkungen dieser Entwick- schafts-, ja sogar mehr- populistischen Positio- lungen anstellt. Er beschreibt die Strategien rechts- heitsfähig nen: sie werden zuneh- populistischer Gruppierungen, die sich als „Volkes mend gesellschafts-, ja Stimme“ gerieren, um sich über massenhafte Zu- sogar mehrheitsfähig. Beispiele hierfür sind unter stimmung als politische Kraft gegenüber den anderem die Erfolge rechtspopulistischer Parteien „klassischen“ Parteien zu etablieren. Besondere in Ungarn, Italien, den Niederlanden. Anfälligkeit für populistische Parolen zeigen jene Bevölkerungsgruppen, die von wirtschaftlicher Un- ■ Was unterscheidet rechtspopulistische von rechts- sicherheit betroffen sind. Heinke sieht daher neben extremen Gruppierungen? der Aufklärung über die Mechanismen populisti- ■ Warum werden sie zunehmend salonfähig? scher Politik durch politische Bildung und politische ■ Wie ernst müssen diese Entwicklungen genom- Öffentlichkeit in der Verbesserung sozialer und öko- men werden? nomischer Rahmenbedingungen die entscheiden- ■ Wie müssen Politik und Politische Bildung dar- den Voraussetzungen für eine effektive Abwehr auf reagieren? rechtspopulistischer Politik. Diesen Fragen will ich in meinem Beitrag nachge- hen. Ausgangslage

Aufmärsche marschierender, Fahnen schwingender Unterschiede und Gemeinsamkeiten – Jugendlicher sind aus dem Fernsehen bekannt, Überlegungen zu Begriffen grölende und pöbelnde Rechte bilden den akusti- schen Hintergrund für Radioreportagen, aggressi- Ohne hier eine ausführliche Begriffsbestimmung ve und fremdenfeindliche Parolen auf den Bannern geben zu wollen, sollen folgende Hinweise zur Klä- rung beitragen: Die klassischen rechtsradikalen Posi- 1 Oskar Negt: Der politische Mensch. Demokratie als Lebens- tionen beziehen sich mehr oder weniger erkennbar form, Göttingen 2010, S. 13 positiv auf den Nationalsozialismus. Rechtspopu- listen achten dagegen pe- © Stefan Wagner/Quelle: Wikipedia nibel auf eine klare Ab- grenzung zum klassischen rechtsradikalen Lager.

Ob dies eine taktische Ab- grenzung oder ernst ge- meint ist, muss im Einzel- fall analysiert werden. Nach außen jedenfalls wird sorg- fältig darauf geachtet, die harte Grenze zum National- sozialismus nicht zu über- schreiten. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat die rechten Gruppierungen und Die Grenze zum Nationalsozialismus darf von den rechtspopulistischen Gruppie- Parteien gelehrt, dass auch rungen, die in die Mitte der Gesellschaft streben, (noch) nicht überschritten werden. mehr als sechzig Jahre nach Hier: Tribüne auf dem Gelände der Nürnberger Reichsparteitage (2004) Kriegsende diese Grenze

15 SCHWERPUNKT

nicht überschritten werden darf, wenn man danach strebt, in die Mitte der Ge- sellschaft vorzudringen.

Ob rechtsradikal oder rechts- populistisch: Gemeinsamer Mittelpunkt aller rechtsge- richteten Ideologien ist die Vorstellung einer prinzipiel- len Ungleichheit von Men- schen. Diese Einstellung ver- bindet sich leicht mit einer Volkstumsideologie, der Idee von einem „Volkscharakter“, einer scharfen Unterschei- dung von „wir“ und „die“, und führt letztlich zu For- men von Kulturrassismus. Urheber: Gay Romeo/Quelle: Wikipedia Die Bewegung pro Köln demonstrierte gegen den geplanten Bau einer Moschee Rechtspopulistische Grup- pierungen verstehen sich als „Bewegung“, oft mit Das bloße Ansprechen dieser Themen ist natürlich einer zentralen Person als Leitfigur.2 Diese „Bewe- noch lange keine Lösung für vermeintliche oder gungen“ präsentieren sich dann als Sprachrohr ei- wirkliche Probleme. Aber das ist auch gar nicht die ner angeblich schweigenden Mehrheit, die be- Absicht. Diese Ansagen bleiben nämlich stets - und stimmte Themen nicht artikulieren kann oder will. das ist die andere Seite – allgemein und unbe- Wie gehen rechtspopulistische Gruppen dabei stimmt. Auf diese Weise erheischen sie eine Zustim- vor? mung der Bürger, ohne ihnen eine Auseinanderset- zung über die Mittel und Wege der Problemlösung abzuverlangen. „Man muss doch mal sagen dürfen“ … Tabubruch mit System Als sehr wirksam für die Als sehr wirksam für die Publizität der Rechtspo- Publizität der Rechtspo- Rechtspopulisten suchen die Themen in der politi- pulisten haben sich ver- pulisten haben sich ver- schen Mitte, dort liegen die „echten“, die wir- meintliche oder echte meintliche oder echte Ta- kungsmächtigen Themen. Worüber sprechen die Tabubrüche erwiesen bubrüche erwiesen: Die Menschen in der Kaffeepause, worüber beim Bier Schweizerische Volkspar- am Abend? Was finden sie ungerecht? Was stört tei (SVP) unterstützte ihre Initiative gegen Mina- sie? rette durch Plakate, auf denen durchgestrichene Minarette in Form von Raketen zu sehen waren; Aus Sicht der Rechtsradikalen sollen die Themen der scheinbar ernst gemeinte Versuch der Däni- einerseits konkret sein: Einzelne werden in den Fo- schen Volkspartei, Parabolantennen zu verbieten, kus genommen, Gruppen, Ethnien hervorgehoben, um damit den Empfang des Fernsehsenders Al- Eigenschaften verallgemeinert, Parolen geprägt: Dschasira zu verhindern, der laut Aussage von Pia „Stopp Kinderschänder“, „Volksrente statt Alters- Kjaersgaard3 im Wesentlichen die Funktion hat, armut“, „Stopp Leih- und Zeitarbeit“, „Massenar- den Terrorismus von Osama Bin Laden zu verbrei- beitslosigkeit und Massenzuwanderung“, „Kampf ten; die vorgeblich Gleichberechtigung einklagen- der Kriminalität und Korruption“… Solche Slogans de Drohung der NPD gegen ein Konzert des Lieder- zielen auf die allgemeine Unzufriedenheit in brei- machers Konstantin Wecker in einem Gymnasium ten Schichten der Bevölkerung. in Halberstadt: „Wenn Wecker in einem öffent- lichen Gebäude spielen darf, werden wir im Klage- wege dafür sorgen, dass auch der Liedermacher

2 Dies ist besonders deutlich in den Niederlanden zu sehen: Geert Wilders ist alles in einer Person, außer ihm gibt es keine 3 Pia Kjaersgaard ist Mitbegründerin und Vorsitzende der weiteren Mitglieder in seiner „Partei“. rechtspopulistischen Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei).

16 SCHWERPUNKT

Frank Rennicke dort spielen darf“…4 Auch wenn alle anderen „kneifen“. Rechtspopulisten stellen diese Aktivitäten meist ergebnislos bleiben, finden sich dar als diejenigen, die die Sorgen der Bürger sie oft genug ein großes Medienecho. Diese Tabu- ernst nehmen, der schweigenden Mehrheit eine brüche haben Methode, die Floskel „man muss doch Stimme geben, sich also an „das Volk“ richten, im mal sagen dürfen“ ist ein zuverlässiger Indikator Gegensatz zu den Eliten, den Interessenvertretun- für die eigentlich damit beabsichtigte Wirkung. gen, den Intellektuellen oder den Politikern.

Die „Argumentationen“ der Rechtspopulisten ver- suchen Verschwörungstheorien aufzudecken, in- Von den Demokraten lernen – dem Feindbilder konstruiert werden, sie arbeiten Rechtspopulisten in den Parlamenten mit Emotionalisierungen und Angstmache und bie- ten schließlich mit Vorliebe radikale Lösungen an. Gleichzeitig lernen rechtspopulistische Gruppie- Diese Strategie macht sie potenziell überaus inter- rungen, sich auf die Rituale der Demokratie einzu- essant für die Medien, die ihnen immer wieder er- stellen: Parlamente werden zunehmend nicht mehr höhte Aufmerksamkeit sichern. nur als Bühne begriffen. Die Zeiten plumper rechts- radikaler Provokationen mit direkten Bezügen zur Rechtspopulisten stel- Auch wenn wir finden, Zeit des Nationalsozialismus sind vielfach vorbei. In len sich dar als diejeni- dieses Vorgehen sei platt Sachsen zum Beispiel unternimmt die NPD den Ver- gen, die die Sorgen der und durchschaubar: wir such der positiven Besetzung von Politikfeldern. Es Bürger ernst nehmen sind nicht die Zielgrup- geht ihr um die Frage: welche (bürgerlichen) Frust- und der schweigenden pe für diese Ansprache. wähler können wir für uns gewinnen? Die NPD hat Mehrheit eine Stimme Dieses Vorgehen der allerdings ein Problem mit der Akzeptanz: viele geben Rechten soll der breiten Bürger identifizieren die NPD immer noch mit ihrer Mehrheit der Bevölke- rechtsradikalen Vergangenheit5. rung suggerieren, die Rechtspopulisten seien dieje- nigen – womöglich sogar die einzigen – die die Leichter als die ehemals (?) rechtsradikale NPD ha- echten Probleme ansprechen, die sich äußern, wo ben es rechtspopulistische Gruppierungen, parla- mentarisch aufzutreten: Sie hatten und haben nicht 4 Der Liedermacher Rennicke ist mehrfach wegen Volksverhet- das Image des Antidemokratischen. Welche enor- zung vorbestraft. Beispiel entnommen aus Reinhard Koch me Bedeutung diese Distanzierung vom „rechtsra- (Hrsg.): „Festung Harz“ – die extreme Rechte im Landkreis Gos- dikalen Schmuddelimage“ hat, zeigt sich an den so- lar und der niedersächsischen Harz-Region, Bildungsvereini- genannten Pro-Bewegungen6. gung Arbeit und Leben Niedersachsen, S. 62. Diese Bewegungen haben – anders als z. B. die NPD – keine (rechtsradikale) Ver- gangenheit. Die Pro-Bewe- gungen sind deshalb auch wählbar für Bürger, die die NPD für nicht wählbar halten, obwohl sie ihr in einigen Punkten zustim- men. Für diese Menschen sind die Pro-Bewegungen

5 Auch die NPD selbst ist sich überhaupt nicht einig darüber, ob sie eher den moderateren, populi- stischen Weg einschlagen oder bei der harten, rechtsradikalen Linie bleiben soll. 6 Pro Köln ist die bekannteste dieser Bewegungen und fast alle Urheber: Jasper Koslicki/Quelle: Wikipedia der beschriebenen Elemente kann Protestveranstaltung gegen die Kundgebung eines „Anti-Islamisierungskongresses“ man nahezu exemplarisch an der „Bürgerbewegung pro Köln“ im September 2008 dieser Bewegung nachverfolgen.

17 SCHWERPUNKT

eine wählbare Alternative zu den üblichen Par- tei“ (SVP), das italienische „Movimento Sociale Ita- teien. liano“ (MSI) und die niederländische „Partei für die Freiheit“, um nur einige der wichtigsten zu nen- Für alle rechtspopulisti- Für alle rechtspopulisti- nen.8 schen Parteien und schen Parteien und Grup- Gruppierungen geht pierungen geht es da- Ihre Erfolge spiegeln sich zum Teil in den Stimmen- es darum, in die Mitte rum, in die Mitte der gewinnen der rechtsradikalen und rechtspopulisti- der Gesellschaft zu Gesellschaft zu gelan- schen Gruppierungen und Parteien bei den Wah- gelangen gen. Wie erfolgreich sol- len zum Europäischen Parlament wider: ches Vorgehen sein kann, „Bei den Europawahlen 2009 konnten rechtsextre- zeigt sich an den Bewegungen „pro Köln“ und me und rechtspopulistische Parteien in mehreren „pro NRW“, und es ist nicht überraschend, dass de- Staaten deutlich zulegen. 37 extrem rechte Abge- ren Strategie auch auf Deutschland insgesamt ordnete aus 14 europäischen Ländern sind im Euro- übertragen werden soll („pro Deutschland“). Die paparlament vertreten. Einer der größten rechts- Initiatoren haben dabei allerdings ein Problem: das populistischen Gewinner dieser Wahl ist die ‚Partei Image einer „Bewegung“ auf lokaler Ebene lässt für die Freiheit‘ von Geert Wilders, die aus dem sich nicht so leicht auf ganz Deutschland übertra- Stand 17 Prozent der niederländischen Stimmen gen. erreichte.

Darum werden auch die „großen Themen“ in den Der ungarischen rechtsextremen Partei Jobbik ge- Blick genommen: der internationale Kapitalismus lang ebenfalls aus dem Stand ein Ergebnis von und die Globalisierung werden als Feinde identifi- 14 Prozent, womit sie zusammen mit dem natio- ziert, die die Identität der Völker zerstören. nalkonservativen Fidesz (56,4 Prozent) auf rund 70 Prozent der ungarischen Stimmen kommt. Als Gegenentwurf präsentiert die extreme Rechte eine re-nationalisierte, völkische Ordnung und das Der BNP gelang zum ersten Mal mit zwei Manda- Angebot einer völkisch definierten kollektiven ten (6,5 Prozent) der Einzug ins Europaparlament, Identität. Eine nationale Volkswirtschaft, die ge- unter ihnen auch Nick Griffin, der schon mehrfach ring Qualifizierten, Arbeitslosen oder vom sozia- auf Einladung der NPD in Deutschland gesprochen len Abstieg bedrohten Menschen eine „Solidarität hat. des Volkes mit seinen Angehörigen“ suggeriert, wird der globalisierten Ökonomie entgegegenge- Aber auch die FPÖ (13,1 Prozent), die ‚Dänische stellt. Volkspartei‘ (14,8 Prozent), die italienische ‚Lega Nord‘ (10,2 Prozent), die griechische Partei ‚Volks- tümlich-Orthodoxe Sammlung‘ (LAOS; 7,2 Prozent), Die Mitte in der Krise – Blick in die EU der FN (6,3 Prozent), die VB (9,9 Prozent) und die finnischen ‚Wahre Finnen‘ (7,2 Prozent) entsenden Die Situation in den einzelnen Ländern der Euro- Abgeordnete ins Europaparlament. päischen Union kann hier nicht detailliert unter- sucht werden. Dieser grobe Überblick kann lediglich Aus Ost-Europa waren neben der ungarischen Job- dazu dienen, die Verbreitung von rechtspopulisti- bik die ‚Slowakische Nationalpartei‘ (5,3 Prozent), schen Parteien oder Bewegungen aufzuzeigen. Ei- die lettische ‚Für Vaterland und Freiheit‘ (7,4 Pro- ne sehr viel genauere Übersicht findet sich in der zent), die bulgarische ‚Nationale Union Ataka‘ verdienstvollen Zusammenstellung „Strategies for (11,9 Prozent) und die ‚Großrumänische Partei‘ Combating Right-Wing Extremism in Europe“7. (8,7 Prozent) erfolgreich. Damit kommen zehn der 37 Abgeordneten der extremen Rechten aus osteu- Erfolgreich auf lokaler, regionaler und nationaler ropäischen Staaten. Ebene sind unter anderem die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ), die belgische „Vlaams Belang“ Nachdem die rechtsextremen Parteien 2007 nach (VB), der französische „Front National“ (FN), die un- nur ein paar Monaten mit ihrem Versuch einer eige- garische Jobbik und „Partei für ungarisches Recht nen Fraktion im Europaparlament ‚Identität, Tradi- und Leben“ (MIÉP), die italienische „Lega Nord“, das „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ), die däni- 8 Zusammenstellung: Tobias Peter: Rechtsextreme Strukturen sche „Volkspartei“, die „Schweizerische Volkspar- in Europa, aus: Was ist die Demokratie dem Staat wert? Zu- kunft der Bundesförderung gegen Rechtsextremismus. Heraus- 7 Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), 1. Auflage 2009, 568 Seiten geberin: Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsfraktion 2010, S. 34

18 SCHWERPUNKT

tion, Souveränität‘ scheiterten, bildete sich im De- von alleine verschwinden werden, wenn z. B. die zember 2009, sechs Monate nach den Wahlen, eine wirtschaftliche Krise abflaut? extrem rechte Gruppe. Die BNP, der französische FN, Jobbik, die italienische ‚Fiamma Tricolore‘, die Bereits jetzt sind erhebliche Verschiebungen in den SD und der belgische FN bildeten eine parlamenta- Staaten der EU zu verzeichnen. Vieles, was vor eini- rische Allianz mit dem Ziel, finanzielle Zuwendun- gen Jahren noch nicht geäußert werden konnte, gen zu erhalten und in Zukunft mit einer vereinten ohne zumindest erhebliche Diskussionen im eige- Stimme im Parlament aufzutreten. Etwa elf Millio- nen Land oder in anderen Ländern der EU auszulö- nen Euro werden sie für ihren Kampf gegen die sen, ist heute „salonfähig“ geworden, wenn auch weitere europäische Integration, Immigration und vielleicht noch nicht mehrheitsfähig. Das ist das ei- sog. ‚terroristischen, religiösen, politischen, ökono- gentlich Bedrohliche an Thilo Sarrazin, seinen The- mischen oder finanziellen Imperialismus‘ erhalten“9. sen und den Diskussionen um sein Buch: Dadurch, dass er als Mitglied der Elite und damit auch als © Kovács Lásló/Quelle: Wikipedia Vorbild Gedanken äußert, die ganz am rechten Rand des Meinungsspektrums liegen, weitet er – gewollt oder nicht – das Spektrum gesellschaftlich noch als tolerierbar angesehener Positionen nach rechts aus.

Zwar ist zu konstatieren, dass sich viele rechtspo- pulistische Parteien sehr schnell selbst demontie- ren, wenn sie an der politischen Macht beteiligt werden, „doch was bleibt, ist das vergiftete gesell- schaftliche Klima, sind die Tabubrüche, die von im- mer neuen Akteuren immer noch weiter ausgedehnt werden können. Der einmal angerichtete Schaden, eine Rechtsverschiebung des politischen Spektrums, ist nicht so einfach reparabel.“11 Vertritt die ungarische Rechtspartei Jobbik im Europäi- schen Parlament: Krisztina Morvai mit dem Vorsitzenden Wenn sich die politische Oder anders formuliert: der Partei, Gábor Vona Mitte nach rechts öff- „Wenn sich die politische net, wird es gefährlich Mitte nach rechts öffnet, Im Dezember 2011 wird der Autor dieses Artikels für die Demokratie wird es gefährlich für die im Internationalen Haus Sonnenberg im Oberharz Demokratie“12. Es ist nicht eine Veranstaltung durchführen unter dem Titel erkennbar, wie mit dem gegenwärtigen Verhalten „Am breiten rechten Rand der Mitte – Rechtspopu- der demokratischen Parteien der wachsende Ein- lismus in der Europäischen Union“. Im Laufe dieser fluss von Rechts eingedämmt werden kann. Dies Veranstaltung werden Experten aus einigen Natio- gilt umso mehr, als der Verfasser dieses Artikels den nen der EU aktuelle Entwicklungen des Rechtspo- Eindruck hat, dass die rechten Parteien in der EU pulismus in den jeweiligen Ländern analysieren und sehr viel schneller voneinander lernen als die de- auch die Entwicklungen in der Europäischen Union mokratischen Parteien, die in ihrer Mehrheit offen- insgesamt und im Europäischen Parlament unter- sichtlich noch nicht einmal begriffen haben, dass es suchen.10 sich bei den beschriebenen Veränderungen nicht um national isolierte Phänomene handelt, sondern um ein EU-weites Problem13, und dass die Rechten Versuch einer Gefahreneinschätzung voneinander lernen und übernational zusammen- arbeiten. Sind diese Entwicklungen bedenklich, sogar ge- fährlich, oder handelt es sich um Phänomene, die 11 Werner T. Bauer: Rechtspopulismus in Europa, Friedrich Ebert Stiftung, S. 15 12 Zitat von Prof. Dr. Mattiliani, Universität Luzern, auf der 9 ebd. S. 36 Tagung „Rechtsradikalismus in Europa“ der Bundeszentrale für 10 Termin: 7.12. bis 11.12.2011. Weitere Informationen über politische Bildung im April 2010. die Tagungsstätte unter www.sonnenberg-international.de und 13 So ist es nicht verwunderlich, dass es dem Autor über die direkt zu dem Seminar unter www.sonnenberg-international. offiziellen Referentenpools der EU nicht gelungen ist, einen de/BRR. Die Tagungssprachen sind deutsch und englisch (Simul- Referenten zu dem Thema Rechtspopulismus in der EU aus- tandolmetschung). findig zu machen.

19 SCHWERPUNKT

Die demokratischen Für die Einschätzung der gibt. Deshalb überrascht nicht, dass in der gegen- Parteien lassen sich oft Lage ist weiterhin wich- wärtigen Wirtschaftskrise der Zulauf zu den Rech- genug die Themen und tig zu erkennen, dass ten anhält. Noch halten die demokratischen Struk- die Diktion der rechten die rechte und rechtspo- turen stand, auch wenn – wie zum Beispiel in Populisten aufdrängen pulistische Szene die Italien – ihre Erosion schon weit fortgeschritten ist. oder übernehmen sie treibende Kraft ist. Die Aber was passiert eigentlich mit der Demokratie, freiwillig demokratischen Parteien wenn wir wirklich einmal zehn Jahre Krise haben, sind die getriebenen, die wenn es nichts mehr zu verteilen, sondern nur sich oft genug die Themen und die Diktion der noch den Mangel zu verwalten gibt? rechten Populisten aufdrängen lassen oder sie frei- willig übernehmen. Sie haben Angst, dass die Rechten ihnen Wählerstimmen abjagen könnten, Überlegungen zu Gegenstrategien und lassen sich auf Diskussionen in einem Feld ein, auf dem sie nur verlieren können. Gerne wird bei der Frage nach geeigneten Formen der Abwehr solcher politischen Tendenzen nach Thomas Greven schätzt in seinem Buch die Zu- Verboten gerufen. Auch die etablierten Parteien kunftsfähigkeit der rechtsextremen Gesellschafts- präferieren gelegentlich eine Auseinandersetzung angebote so ein: „In dem Maße, in dem auch vom mit juristischen Mitteln. Allerdings haben die mei- politischen Mainstream akzeptiert oder gar betrie- sten Staaten der EU vor das Verbot von Parteien ben wird, dass nationale Identitäten gegen die oder Organisationen hohe Hürden gestellt, und Zukunftsangst der Menschen im globalisierungsbe- das ist auch gut so. Die Gründung von Vereinen dingten Strukturwandel helfen und der Natio- und Parteien ist ein verbrieftes Recht und darf nalismus ‚nationaler Wettbewerbsstaaten‘ soziale nicht einfach ausgehebelt werden. Brüche übertünchen soll, gewinnt diese Perspekti- ve [einer völkischen Re-Nationalisierung] gegen- Verfassungsschutz und Staatsschutz sind auch nicht über einer beispielsweise sozialdemokratischen Ge- als Schutz vor Konkurrenz zu etablierten Parteien rechtigkeitsvision an Gewicht.“14 gedacht. (Rechts-)Populismus ist eine gesellschaftli- che Frage, die nicht auf dem Verwaltungswege ge- Noch halten die demo- Darüber hinaus stellt regelt werden kann. kratischen Strukturen sich noch folgende Fra- stand, auch wenn ihre ge: Es ist unbestritten, Wie also können Gegenstrategien aussehen? Erosion schon weit fort- dass es einen Zusammen- geschritten ist hang zwischen der wirt- Eine exzellente Zusammenstellung von Überlegun- schaftlichen Situation ei- gen zu dieser Frage findet sich in: „Strategien ge- nes Staates und der Anfälligkeit seiner Bürger/ gen die radikale Rechte in Europa“, die Zusammen- -innen für rechte und populistische Vorstellungen fassung einer größeren Studie der Bertelsmann Stiftung, in der die unterschiedlichsten Strategie- ansätze für die Grundlagen der Bekämpfung und für weiterführende Maßnahmen gegen radikale Rechte nach Aktionsfeldern aufgelistet sind. Als besonders besorgniserregend wird dort übrigens die Gefahr durch Rechtspopulisten genannt15, um die es hier ja vor allem geht.

Von der Politik können Von der Politik können vermutlich kurzfristig vermutlich kurzfristig keine durchschlagen- keine durchschlagenden den Impulse erwartet Impulse erwartet wer- werden den. Die Bertelsmann © Gérard Garitan/Quelle: Wikipedia Stiftung analysiert: „Lei- Europäischer Streik in Brüssel der haben die politische Elite und die Öffentlich- keit die bedauerliche Angewohnheit, erst nach Lö- 14 Thomas Greven/Thomas Grumke (Hrsg.): Globalisierter sungen bei der aktiven Bekämpfung der radikalen Rechtsextremismus? Die extremistische Rechte in der Ära der Globalisierung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 15 „Strategien gegen die radikale Rechte in Europa“, Bertels- 2006, S. 17. mann Stiftung, Gütersloh 2009.

20 SCHWERPUNKT

Rechten zu suchen, wenn das Problem schon zu zentrale Herausforderung für alle Medien, auch, groß ist, um es zu ignorieren: also zu einem Zeit- weil die Entwicklung des Rechtsextremismus der- punkt, an dem die radikale Rechte bereits Rathäu- zeit unübersehbar ist. Auch die Massenmedien sind ser erobert, Parlamentssitze gewonnen, in der Zivil- dabei Akteure, denn durch ihre Darstellungen kön- gesellschaft Wurzeln geschlagen und ihre radikalen nen sie auf die Gefahren deutlich machen, die vom Ansichten als Teil der öffentlichen Debatte platziert Rechtsextremismus ausgehen.“18 hat. Schnelles Reagieren kann nur in den selten- sten Fällen die Folgen einer langjährigen Entwick- Wichtigstes Element Es ist deutlich geworden, lung umkehren. Zumindest kann es aber als Warn- der Auseinanderset- dass insbesondere rechts- signal für die Bevölkerung von Nutzen sein. Effek- zung mit den rechts- populistische Strategien tive Maßnahmen für den Schutz der Demokratie radikalen und rechts- darauf abzielen, Gren- verlangen die gleiche Hartnäckigkeit und Langfris- populistischen Thesen zen zwischen Erlaubtem tigkeit, wie sie die radikale Rechte für die Abschaf- ist die Information über und Unerlaubtem, Lega- fung und Verzerrung der pluralistischen Demokra- diese Gruppierungen, lem und Illegalem zu tie an den Tag legt!16 ihre Strategien und verwischen. Wichtigstes Menschenbilder Element der Auseinan- Dennoch dürfen die Bürger nicht aufhören, von der dersetzung mit den Politik Klarheit und Langfristigkeit einzufordern, rechtsradikalen und rechtspopulistischen Thesen ist sie in die Verantwortung zu nehmen. Um dies zu deshalb die Information über diese Gruppierungen, erreichen, müssen Bürger/-innen sehr deutlich ma- ihre Strategien und Menschenbilder. chen, dass sie eine – und sei es auch nur zeitlich be- fristete – Zusammenarbeit der bürgerlichen Parteien Hier hat auch politische Bildung eine wichtige Funk- mit den rechten Gruppierungen nicht akzeptieren, tion: Es ist notwendig, in Seminaren und Veranstal- weder als nützliche Partner zur Beschaffung von tungen für Klarheit der Begriffe und der Positio- Mehrheiten und schon gar nicht zur Bildung von Re- nen zu sorgen, um sich auch argumentativ mit den gierungskoalitionen. Denn diese Situationen spie- Rechtspopulisten (sei es in politischen Parteien len den Strategien der Rechtspopulisten direkt in oder in alltäglichen Diskussionen) auseinanderzu- die Hände und verleihen ihnen die politische Legi- setzen, ihre Strategien offenzulegen und ihre Ziele timität, die sie suchen. Auch die Idee der Bundesfa- erkennbar zu machen. Es gilt, sich die Begriffe und milienministerin Kristina Schröder, den Kampf ge- deren Definition nicht vorschreiben zu lassen. Es gen den Rechtsextremismus mit dem gegen den muss möglich sein, in der politischen Diskussion und Linksextremismus und den Islamismus zu verbinden, auch in der politischen Bildung eine rassistische Po- verwischt die Argumentationslinien gegen rechts. sition als solche zu bezeichnen. „Die Aussagen der Rechtspopulisten müssen aus ihrer Verpackung (an- Ähnliche Forderungen gelten für die Presse: „…es geblicher ‚Bürgerwille‘ oder ‚gesunder Menschen- ist möglich, Propaganda und Verschleierungsstra- verstand‘) ausgelöscht und als das benannt werden, tegie der NPD zu entlarven. Berichterstattung über was sie wirklich sind: Sie sind im Kern intolerant, Rechtsextremismus darf sich nicht in spektakulären diskriminierend, autoritär und schädlich für den Tagesbeiträgen erschöpfen, sondern muss langfri- Pluralismus in einer Demokratie.“19 stig nachhalten und Entwicklungen nachfragen. Aufgabe kritischer Medienarbeit ist es auch im Sin- Die Bürger sind nicht so hilflos, wie es gelegentlich ne von langfristiger Beobachtung, nicht nur publi- dargestellt wird: das Rechtssystem der Bundesre- zistische Eintagsfliegen zu produzieren“, schreibt publik und auch das der EU enthalten klare Richtli- Wolfgang Kapust, seit Jahren engagierter Beob- nien, und auch die Allgemeine Erklärung der Men- achter und Rundfunkberichterstatter der rechten schenrechte ist in den Auseinandersetzungen mit Szene17, und analysiert weiter: „Leider gibt es auch rechten und rechtspopulistischen Positionen eine in öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäusern Entwick- gute Argumentationshilfe. Die Würde des Men- lungen hin zu kürzeren Sendungen, kürzeren Bei- schen ist unantastbar, das gilt für alle Menschen, trägen oder zu immer mehr ‚Infotainment‘, eine unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Glau- Mischung aus Information und Unterhaltung. … ben. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem Gerich- Das Themenfeld Rechtsextremismus bleibt eine te urteilen, nicht Politiker, nicht so genannte Volks- bewegungen oder Bürgerinitiativen. Auch hier hat 16 ebd., S. 5. politische Bildung ihre Aufgaben: die Gesetze und 17 Rechtsextremismus – Herausforderung an die Massenmedien http://www.hvhs-landesverband.de/index.php?menuid=44&re- 18 ebd. poreid=78 von Wolfgang Kapust. 19 Strategien gegen die radikale Rechte in Europa, S.17.

21 SCHWERPUNKT

© Alfredovic/Quelle: Wikipedia können hoffen, sich eines Tages als Weltbürger zu betätigen. Die Ausgestoßenen dagegen und jene in ihren Lebensverhältnissen Fragmentierten bilden je- ne wachsende Masse von Menschen, die in ihrer leidvollen Orientierungssuche Sinnangebote ganz anderer Art bevorzugen.

Das ist die Stunde der großen Vereinfacher; sie sind spezialisiert auf die Herstellung neuer Bindungen, in ihrem Werbegepäck haben sie Landkarten, in welche ganz neue Grenzen eingetragen sind und die machtpolitisch gestützte Aufteilung der Welt in Gut und Böse, aber auch rechtsradikal gefütter- Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in te Angebote der Gemeinschaftsbildung, in denen Straßburg die alten Muster vorurteilsbesetzter Agitation wie- derholt werden. Was aufgeklärte Bürger längst als Verordnungen bekannt zu machen und die Teilneh- überholt betrachtet hatten, jene archaischen Ord- merinnen und Teilnehmer der Seminare zu ermuti- nungen, nach Gesichtspunkten des Ethnozentris- gen, ihre Anwendung auch einzufordern. mus und seiner Säuberungspraxis, des Rassenwahns und der „Blutbindung“, auch des nationalistischen Die politische Bildung hat aber auch deutliche Rückzugs in politischen Separatismus – all das tritt Grenzen. Die ökonomische Situation hat starken plötzlich wieder in der Mitte der Gesellschaft auf, Einfluss auf die Würde des Menschen und sie ist bei Parlamentswahlen, bei öffentlichen Demonstra- auch ein wesentlicher Faktor bei der Auseinander- tionen, ja in liberal sich gebenden Gedankenzusam- setzung mit den rechten politischen Kräften, denn: menhängen der Medienöffentlichkeit. Der Ruf nach „Es ist absehbar, dass durch die willentliche Zerstö- Ordnung wird wieder laut.“20 rung von Bindungskräften, Verankerungen und Loyalitäten, welche die Kapitalklasse und ihre Ma- nagerkaste aktiv betreiben, die Masse der Herum- Lutz Heinke ist als Pädgogischer Mitarbeiter gestoßenen und Vertriebenen, der gewaltsam von beim Internationalen Arbeitskreis Sonnen- ihren Arbeitsplätzen Getrennten und aus ihren ge- berg zuständig für den Bereich Erwachsenen- wohnten Lebensverhältnissen Herausgedrängten in bildung. Er ist dort erreichbar unter der einem Maße vergrößert wird, die für jedes demo- Adresse Clausthaler Straße 11, kratische Gemeinwesen ruinös werden kann. Wer D-37444 St. Andreasberg. heute noch glaubt, dass Flexibilität im Sinne der gleitenden Integration ins Marktgeschehen unsere E-Mail: [email protected] Probleme der Arbeitsgesellschaft am besten zu lö- sen vermag, der begeht Betrug an den Menschen 20 Oskar Negt: Der politische Mensch. Demokratie als Lebens- und ist ein Betrüger. Nur identitätsfähige Menschen form, Göttingen 2010, S. 56 f.

22 SCHWERPUNKT

Noch mehr Demokratie wagen Die „Mitte“-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung und ihre Konsequenzen für Politik und politische Bildung Franziska Göpner/Oliver Decker

Franziska Göpner und Oliver Decker stellen die Ge- rechtsextreme Einstellungen sind in weiten Teilen nese der Studien zum Rechtsextremismus dar, die der Bevölkerung verbreitet. Die Ergebnisse der von der Friedrich-Ebert-Stiftung seit 2005 in Auf- „Mitte“-Studien erfuhren ein breites Medienecho trag gegeben und in regelmäßigen Abständen ver- und fanden Eingang in gesellschaftspolitische De- öffentlicht werden. Dabei geht es nicht nur um die batten um den Rechtsextremismus. Ermittlung des Verbreitungsgrades rechtsextremer Einstellungen in der deutschen Bevölkerung, son- Die „Mitte“-Studien stellten nicht nur die Verbrei- dern auch um Einflussfaktoren beim Entstehen die- tung rechtsextremer Einstellungen dar, sondern ser Einstellungen. Deutlich wird dabei, dass es sich fragten weiterführend nach deren Einflussfakto- nicht um Phänomene am Rand der Gesellschaft ren und Entstehungsbedingungen. Der Fokus liegt handelt, sondern antidemokratische und menschen- dabei auf den sozialpsychologischen Bedingungen verachtende Einstellungen inzwischen bis in ihr in Verbindung mit sozio-ökonomischen Erklä- Zentrum vorgedrungen sind. Da Bildung ein wich- rungsansätzen zur Entstehung politischer Einstel- tiger „Schutzfaktor“ gegen solche Einstellungen lungen. Angestrebt wird eine multiperspektivische ist, kommt ihr für die Prävention große Bedeutung Erfassung verschiedener Einflussfaktoren, insbe- zu. Der Beitrag verdeutlicht, welche Aufgaben sich sondere des Zusammenwirkens von Persönlichkeit, dabei den verschiedenen Akteuren stellen. Sozialisation und sozialer Situation.

Im vorliegenden Artikel beschreiben wir zunächst Einleitung die Herangehensweise der „Mitte“-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung und ihre zentralen Ergeb- Das Projekt „Auseinandersetzung mit dem Rechts- nisse. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der aktuel- extremismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung beglei- len Studie „Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme tet seit 2005 gesellschaftspolitische Entwicklungen Einstellungen in Deutschland 2010“. An die aus- und Debatten im weiten Themenfeld Rechtsextre- schnitthafte Darstellung zentraler Ergebnisse der mismus.1 In diesem Rahmen sind die sogenannten „Mitte“-Studien schließen sich Fragen nach den „Mitte“-Studien zur Verbreitung rechtsextremer Konsequenzen für Politik und speziell den Bereich Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland der politischen Bildungsarbeit an. und deren Einflussfaktoren entstanden.2 Bereits die erste dieser „Mitte“-Studien, die Studie „Vom Rand zur Mitte. Rechts- Rechtsextremismus in der „Mitte“ der Gesell- Rechtsextremismus ist extreme Einstellungen schaft kein Randphänomen, und ihre Einflussfak- sondern rechtsextreme toren in Deutschland“ Anschließend an die Studie „Vom Rand zur Mitte“ Einstellungen sind in aus dem Jahr 2006 hat aus dem Jahr 2006 und die darauffolgenden Stu- weiten Teilen der eine Fokusverschiebung dien von 2008 und 2010 können als zentrale Ergeb- Bevölkerung verbreitet in der gesellschaftspoli- nisse benannt werden: tischen Auseinanderset- zung mit Rechtsextremismus herbeigeführt: Rechts- Rechtsextreme Einstellungen sind kein gesell- extremismus ist kein Randphänomen, sondern schaftliches Randphänomen, sondern sind in allen gesellschaftlichen Gruppen, in allen Altersgruppen sowie im Osten und im Westen verbreitet. Sie sind 1 vgl. http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/, damit offen erkennbar als ein Problem in der soge- Stand: 05.04.2011. nannten Mitte der Ge- 2 Decker, O./Brähler, E. et al.: Vom Rand zur Mitte. Rechtsextre- Mit ausschließlichem sellschaft. In der öffent- me Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland, Blick auf rechtsextreme lichen Diskussion um Berlin 2006, Friedrich-Ebert-Stiftung. Straftaten tritt die wei- Rechtsextremismus wer- Decker, O./Rothe, K./Weissmann, M./Geissler, N./Brähler, E. et al.: te Verbreitung rechts- den häufig die rechts- Ein Blick in die Mitte. Zur Entstehung rechtsextremer und demo- extremer Einstellungen extremen Straftaten in kratischer Einstellungen in Deutschland, Berlin 2008, Friedrich- in der gesamten Bevöl- Deutschland in den Ebert-Stiftung. kerung in den Hinter- Mittelpunkt der Diskus- Decker, O./Brähler, E.: Bewegung in der Mitte. Rechtsextreme grund sion gestellt. Wenn- Einstellung in Deutschland 2008. Berlin 2008, Friedrich-Ebert- gleich deren Anzahl mit Stiftung. leichten Schwankungen weiter steigt und besorg- Decker, O./Weissmann, M./Kiess, J./Brähler, E.: Die Mitte in der Kri- niserregend hoch ist, gerät mit ausschließlichem se. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010, Berlin 2010 Blick auf diese Delinquenz die weite Verbreitung

23 SCHWERPUNKT

rechtsextremer Einstellungen in der gesamten Be- Innerhalb der „Mitte“-Studien wird dieses Modell völkerung in den Hintergrund. Diese Einstellungen aufgebrochen, angelehnt an Martin Lipsets Befund führen nicht automatisch auch zu Straftaten, stel- vom „Extremismus der Mitte“ (Lipset 1959). Die von len jedoch für eine demokratisch verfasste Gesell- Lipset gewählte, eigentlich paradox anmutende schaft ein grundlegendes Problem dar. Verbindung von „Mitte“ und „Extremismus“ zielte ins Zentrum der bestehenden Gesellschaft. Denn der Die Ergebnisse der statistischen Erhebung von „Vom Begriff der Mitte bzw. des Mittelstandes ist nicht Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und allein eine analytische Kategorie der Soziologie als ihre Einflussfaktoren in Deutschland“ ließen wei- sozialer Ort zwischen Unter- und Oberschicht, son- terführende Fragen nach dem Zusammenhang von dern ist darüber hinaus verbunden mit – zumeist gesellschaftlichen Faktoren, Sozialisation und indi- mehr implizit denn explizit formulierten – normati- vidueller Persönlichkeitsstruktur unbeantwortet.3 ven und ordnungspolitischen Vorstellungen der Die qualitative Studie „Ein Blick in die Mitte. Zur Gesellschaft von sich selbst (exemplarisch Backes Entstehung rechtsextremer und demokratischer Ein- 2006). „Die Mittelklasse ist Maß und Mäßigung stellungen in Deutschland“ von 2008 mit dem gleichermaßen, sie besänftigt die Extreme und ga- methodischen Ansatz der Gruppendiskussionen4 rantiert sozialen Ausgleich.“ (Vogel 2009, S. 38). ermöglichte eine Rekonstruktion und ein weiter- führendes Verständnis politischer Einstellungsbil- Trotz der Problematik des Begriffs Rechtsextre- dung. mismus halten die Autoren/Autorinnen der „Mit- te“-Studien an demselben fest und stellen sich da- mit in eine wissenschaftliche Tradition des Begriffs Rechts-„Extremismus“ und „Mitte“ innerhalb der politischen Einstellungsforschung. In den Ergebnissen der Studien selber offenbart Rechtsextremismus bezeichnet hierbei keine ab- sich die Problematik des Begriffs Rechtsextre- strakte Ablehnung der Demokratie bzw. keine „ex- mismus. Als Begriff des Verfassungsschutzes, mit treme“ Ausprägung einer politischen Einstellung, dem verfassungsfeindliche Bestrebungen von sondern fasst konkrete Einstellungsmuster zusam- „rechts“ benannt werden, fand das Konzept men. Innerhalb der „Mitte“-Studien wird der Be- Rechtsextremismus eine weite Verbreitung inner- griff wie folgt definiert: Rechtsextremismus ist ein halb wissenschaftlicher und gesellschaftspolitischer Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kenn- Diskurse. Extremismus fungiert darin als ein Ober- zeichen Ungleichwertig- begriff für Demokratiefeindlichkeit und als Gegen- Rechtsextremismus ist keitsvorstellungen dar- pol zu einer „Normalität“ in Gestalt der demokra- ein Einstellungsmuster, stellen. Diese äußern tischen „Mitte“.5 dessen verbindendes sich im politischen Be- Kennzeichen Ungleich- reich in der Affinität zu wertigkeitsvorstellun- diktatorischen Regie- 3 Die Studie „Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellun- gen darstellen rungsformen, chauvini- gen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland“ und folgende stischen Einstellungen quantitative Studien dokumentieren die Verbreitung rechts- und der Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des extremer Einstellungen in Deutschland mit einem Fragebogen, Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie der jeweils drei Aussagen zu den oben benannten sechs Dimen- gekennzeichnet durch antisemitische, fremden- sionen einer rechtsextremen Einstellung enthält. feindliche und sozialdarwinistische Einstellungen. 4 In einem mehrperspektivischen Ansatz in der Methode der Es wird zudem zwischen rechtsextremen Einstel- Gruppendiskussion konnten sowohl das Zustandekommen von lungen und Verhalten differenziert, wobei der Meinungen im Gruppenprozess als auch sozialisatorische Bedin- Schwerpunkt auf den Einstellungsmustern liegt. gungen der Einstellungsbildung berücksichtigt werden. Zur Methode der Gruppendiskussion siehe auch (Leithäuser & Vol- merg 1988, Bohnsack 2003). „Die Mitte in der Krise“ 5 Die Extremismustheorie, beispielsweise vertreten durch Die aktuellste der „Mitte“-Studien „Die Mitte in Eckhard Jesse und Uwe Backes, beruht auf der Annahme links- der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutsch- extremer und rechtsextremer Gruppierungen an den Rändern land 2010“ dokumentiert die Zustimmungswerte einer demokratischen gesellschaftlichen Mitte. Der Ansatz ist zu rechtsextremen Einstellungen im Zeitverlauf aus unterschiedlichen Gründen problematisch: Linke und rechte von 2002 bis 2010. Dem Titel der Studie liegt eine Positionen werden gleichermaßen als extremistisch und damit semantische Doppeldeutigkeit zugrunde, die in zwei undemokratisch bezeichnet. Durch die Gleichsetzung linker Richtungen einer Auseinandersetzung verweist: und rechter Positionen wird zudem die NPD als Partei und Zum einen werden die Entwicklung und Verbrei- deren menschenverachtende Ideologie verharmlost. tung rechtsextremer Einstellungen im Zusammen-

24 SCHWERPUNKT

hang mit der weltweiten Finanz- und Wirtschafts- tischer Regierungsformen manifest.8 Zudem geben krise benannt. Zum anderen zielt der Titel auf die über 90 % der Befragten an, weder einen Sinn dar- „Mitte“ der Gesellschaft ab, die sich – bedingt in zu erkennen, sich politisch zu engagieren, noch durch aktuelle gesellschaftspolitische und ökono- das Gefühl zu haben, Einfluss auf politische Prozes- mische Entwicklungen und Umbrüche – in einer se nehmen zu können. Darin werden ein Mangel Krise befindet, was sich auf politischer Ebene bei- an demokratischem Bewusstsein, aber auch die spielsweise in den hohen Zustimmungswerten zu fehlenden Möglichkeiten politischer Beteiligung rechtsextremen Einstellungsmustern äußert. eklatant.

Die Ergebnisse der repräsentativen Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im Jahr 2010 zeigt sich Konsequenzen der „Mitte“-Studien für Politik bei den meisten Dimensionen ein Anstieg der Zu- und politische Bildung stimmungswerte, insbesondere bei antisemitischen und rassistischen, aber auch sozialdarwinistischen Im Anschluss an die Ergebnisse der „Mitte“-Studien Einstellungen. Beispielsweise stimmte 2010 ein Vier- wird offensichtlich, dass dem Problem Rechtsextre- tel der Befragten den Aussagen mit ausländerfeind- mismus nicht ausschließlich mit ordnungspolitischen lichem Inhalt zu; mehr „Mut zu einem starken bzw. ordnungsrechtlichen Maßnahmen begegnet Nationalgefühl“ wünschen sich fast 40 % der Be- werden kann. Es ist unzureichend, den Fokus aus- völkerung. Die Dimensionen Chauvinismus und Aus- schließlich auf neonazistische Strukturen wie bei- länderfeindlichkeit können als Mechanismen der spielsweise Parteien oder Kameradschaften zu Selbstaufwertung und Fremdgruppenabwertung richten. Die Auseinandersetzung mit dem Rechts- bezeichnet werden. Es lassen sich die Elemente extremismus ist Aufgabe aller gesellschaftspoliti- eines modernen Rassismus aufzeigen, bei dem kul- schen Akteure; insbesondere dem Bereich der poli- turalistische Argumente tischen Bildung kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Eine Zunahme anti- und eine daran gebun- demokratischer Einstel- dene Verwertungslogik Im Hinblick auf politische Debatten und die Inhalte lungen wird deutlich, mit biologistischen Argu- politischer Bildungsarbeit erscheint eine Ausein- beispielsweise im mentationen zusammen- andersetzung mit einzelnen Einstellungsmustern Wunsch nach einer fallen.6 Gleichzeitig wird des Rechtsextremismus erforderlich. Aus diesen Grün- „starken Partei, die die eine Zunahme antidemo- den ist es insbesondere im Rahmen der politischen Volksgemeinschaft ver- kratischer Einstellungen Bildung ratsam, den Begriff des Rechts-„Extre- körpert“ deutlich, beispielsweise mismus“ aufgrund seiner politischen Implikationen im Wunsch nach einer und der formulierten Kritik an extremismustheore- „starken Partei, die die Volksgemeinschaft verkör- tischen Ansätzen zu vermeiden und stattdessen pert“. Ein Viertel der Befragten stimmt dieser Aus- konkreter von menschenverachtenden und antide- sage zu. mokratischen Einstellungen zu sprechen.

Bei der Frage nach den Einflussfaktoren einer sol- chen rechtsextremen Einstellung werden innerhalb Bildung als Schutzfaktor der „Mitte“-Studien eine soziale, politische und wirt- Die Ergebnisse der „Mitte“-Studien machen deut- schaftliche Deprivation als von zentraler Bedeutung lich: Menschen mit einem niedrigeren Bildungs- für das Entstehen einer rechtsextremen Einstellung grad zeigen höhere Zustimmungswerte zu den benannt.7 Bei einer Verschärfung ökonomischer verschiedenen Dimensio- Krisen und einem (drohenden) Verlust wirtschaft- Bildung wirkt als ein nen einer rechtsextre- licher Stärke wird die Befürwortung antidemokra- wichtiger Schutzfaktor men Einstellung. Bil- gegen antidemokrati- dung wirkt als ein sche und menschenver- wichtiger Schutzfaktor achtende Einstellungen gegen antidemokrati- 6 Innerhalb der Gruppendiskussionen zur Studie „Ein Blick in die Mitte. Zur Entstehung rechtsextremer und demokratischer Einstellungen“ von 2008 ist bereits ein solcher kulturalistisch 8 In der Studie „Ein Blick in die Mitte. Zur Entstehung rechts- geprägter Rassismus deutlich geworden, der sich beispielsweise extremer und demokratischer Einstellungen“ wird dem wirt- auch in aktuellen Debatten um „Integrationsverweigerer“ schaftlichen Wohlstand die Funktion einer „narzistischen Plom- widerspiegelt. be“ zugesprochen. Wohlstand ist damit kein Schutzfaktor vor 7 Das Konzept der Deprivation wird ganz allgemein als Ver- menschenverachtenden und antidemokratischen Einstellungen, lusterfahrung von etwas Vertrautem bestimmt. sondern überdeckt diese nur.

25 SCHWERPUNKT

sche und menschenverachtende Einstellungen. Der rung zwischen 2002 und 2007 benannt.10 Demokra- Zugang zu höherer Bildung ist in der Bundesrepu- tie kann nicht ausschließlich Thema des Politik- blik Deutschland noch immer sehr stark abhängig unterrichts sein, sondern Ansätze des Demokratie- vom familiären und sozialen Hintergrund. Die Er- lernens müssen in allen Bereichen von Schule und gebnisse der „Mitte“-Studien machen deutlich, Unterricht kontinuierlich ausgebaut und befördert dass ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung und werden, um jungen Menschen Möglichkeiten der ein Abbau der Mechanismen sozialer Selektion Mitbestimmung und die Erfahrungen eines politi- innerhalb des Bildungssystems erklärte Ziele sein schen Gestaltungsraumes zu eröffnen. müssen. Über den Bereich Schule hinausgehend bedarf es eines Ausbaus von Bildungsangeboten Die Ergebnisse der „Mitte“-Studien und insbeson- für verschiedene Zielgruppen. dere der zentrale Stellenwert der Sozialisation als Einflussfaktor politischer Einstellungen verdeutli- chen zudem die Notwendigkeit frühkindlicher An- Demokratielernen und Demokratisierung ge- sätze von Demokratieerziehung in Grundschule und sellschaftlicher Institutionen Kindertagesstätten. An dieser Stelle sei ausdrück- Die hohen Zustimmungswerte zu antidemokrati- lich auf die einschlägigen und immer noch hoch schen Einstellungen offenbaren Demokratiedefizi- aktuellen Ausführungen von Theodor W. Adorno te auf individueller, aber auch gesamtgesellschaft- zu einer Erziehung nach Auschwitz verwiesen licher Ebene. Das verbreitete Verständnis von (Adorno 1966). Die Gültigkeit dieser Forderung an Demokratie beschränkt sich häufig auf die Mög- eine demokratische Erziehung wird durch unsere lichkeiten des aktiven Wahlrechts und die daran Studie eindrücklich belegt. Die Studie „Ein Blick in gebundenen Chancen auf wirtschaftlichen Wohl- die Mitte. Zur Entstehung rechtsextremer und demo- stand. Demokratie wird rein formal als Staatsform, kratischer Einstellungen in Deutschland“ hat den nicht als Möglichkeit der Beteiligung und Aufgabe Einfluss des elterlichen Erziehungsverhaltens auf des/der Einzelnen erfasst. Das Ziel muss demnach die Herausbildung demokratischer respektive men- eine weite Demokratisierung gesellschaftlicher Ins- schenverachtender und titutionen sein. Demokratie muss für den/die Ein- Eine gewaltvolle elter- antidemokratischer Ein- zelne/n im eigenen Le- liche Erziehung geht stellungen hervorgeho- Eine an grundlegen- bensalltag erfahrbar mit der – für eine demo- ben. Eine gewaltvolle den Menschenrechten sein, denn Demokratie kratische Gesellschaft elterliche Erziehung geht orientierte Bildung und lernen ist primär Erfah- gefährlichen – Ausbil- mit der – für eine demo- Erziehung muss das rungslernen. Die Mög- dung einer autoritären kratische Gesellschaft ge- Ziel sein lichkeiten der Beteili- Persönlichkeitsstruktur fährlichen – Ausbildung gung des/der Einzelnen einher einer autoritären Per- am gesellschaftspolitischen Geschehen sollten aus- sönlichkeitsstruktur ein- gebaut und die Menschen zudem dazu befähigt her. Vor diesem Hintergrund ist ein Ausbau der An- werden, diese aktiv zu nutzen. Beispiele dafür sind gebote frühkindlicher Betreuung zentral, die die die Formen aktiver Mitbestimmung und Einbezie- Möglichkeit bieten, Schwierigkeiten und Defizite hung in Entscheidungsprozesse, in der Schule in in der familiären Sozialisation aufzufangen. Form der Schüler/-innenvertretung oder in Betrie- ben in der Institution des Betriebsrates. Neben Die Vermittlung eines demokratischen Wertekanons dem Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten muss generiert zu einer wichtigen Aufgabe der Elemen- eine an den grundlegenden Menschenrechten tarpädagogik. Darunter fallen Ansätze des früh- orientierte Bildung und Erziehung das Ziel sein, die kindlichen Demokratielernens wie auch der Anti- von einem gleichberechtigten und nicht-diskrimi- diskriminierungspädagogik, in denen bereits für nierenden Miteinander geprägt ist. Kinder Demokratie als Lebensform, als Möglichkeit der Mitbestimmung und Anerkennung der kind- Im Bereich der schulischen und außerschulischen lichen Lebenswelt erfahrbar gemacht wird. Als Bei- Bildung existieren verschiedene Ansätze des De- spiel dafür sei das Berliner Modellprojekt „Starke mokratielernens.9 Als Beispiel dafür sei das Schul- entwicklungsprogramm „Demokratie lernen und leben“ als Modellprojekt der Bund-Länder-Kom- 10 vgl. http://blk-demokratie.de/index.php?id=83, Stand mission für Bildungsplanung und Forschungsförde- 04.04.2011. Es war Ziel des Programms, an dem ca. 200 all- gemeinbildende und berufliche Schulen beteiligt waren, durch eine Demokratisierung von Schule und Unterricht das zivil- 9 s. Himmelmann gesellschaftliche Engagement junger Menschen zu fördern.

26 SCHWERPUNKT

Kinder machen Schule“11 im Rahmen des Bundes- Land mit der NPD als politischer Kraft in den Parla- programms „Vielfalt tut gut“ des BMFSFJ oder menten konfrontiert sehen.13 auch die Fortbildungsreihe „Fair in der Kita“12 des Antidiskriminierungsbüros Leipzig für Pädagogen/ Pädagoginnen im Elementarbereich benannt. Auch (Weiter-)Finanzierung zivilgesellschaftlicher solche Projekte brauchen eine kontinuierliche Er- Projekte weiterung. In der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Rechtsextremismus hat sich eine Bandbreite zivil- Die „Mitte“-Studien haben deutlich gemacht: Rechts- gesellschaftlicher Vereine und Projekte etabliert, extreme Einstellungen sind kein Jugendphänomen, die häufig von staatlicher Finanzierung abhängig sondern sind auch bei Menschen im höheren Alter und damit auch (drohenden) finanziellen Kürzun- weit verbreitet. Die benannten Projekte der politi- gen ausgesetzt sind. Um deren qualitative Arbeit schen Jugendbildungsarbeit müssen von daher auf zu sichern, sind eine kontinuierliche Förderung den Bereich der Erwachsenenbildung ausgeweitet und der Ausbau dieser Strukturen, die in den ver- werden, um menschenverachtenden und antidemo- gangenen Jahren und Jahrzehnten erfolgreiche kratischen Einstellungen in der breiten Bevölkerung Arbeit gegen Rechtsextremismus geleistet haben, begegnen zu können. Grundlegend dafür sind die erforderlich. Eine Neuausrichtung der Förderpro- Angebote betrieblicher Weiterbildungen und auch gramme und die Forderungen nach Unterzeich- Bildungsurlaub als strukturelle Rahmenbedingun- nung der sogenannten „Demokratieerklärung“ gen. wirken dem entgegen.14 Die „Demokratieerklä- rung“ stellt all jene unter Generalverdacht, die sich täglich für praktizierte Demokratie und gegen Politik und Medien Rechtsextremismus engagieren. Ein Gutachten des Eine klare inhaltliche Abgrenzung von menschen- Verwaltungsrechtlers Prof. Dr. Ulrich Battis kam zu verachtenden und antidemokratischen Einstellun- dem Ergebnis, dass die „Demokratieerklärung“ gen, Diskursen und Politiken stellt – über die Bil- selbst „verfassungsrechtlich bedenklich“ sei.15 Die- dungsinstitutionen hinausgehend – insbesondere ser Versuch, eine Deutungshoheit in der Ausein- für Politik und Medien eine zentrale Herausforde- andersetzung mit dem Rechtsextremismus durch- rung dar. Es bedarf eines veränderten gesellschaft- zusetzen und zivilgesellschaftliche Träger einer lichen Klimas – eines Klimas der Anerkennung und staatlichen Kontrolle zu unterziehen, steht dem Nicht-Diskriminierung. Medien, die über Ungleich- Ziel einer gesellschaftlichen Demokratisierung dia- wertigkeitsdiskurse häufig zu einer Verbreitung metral entgegen. und Normalisierung menschenverachtender Einstel- lungen beitragen, kommt dabei eine zentrale Ver- antwortung zu. Sie müssen ihren Bildungsauftrag ernst nehmen und sich weiterführend auf eine nicht- diskriminierende Berichterstattung verpflichten. 13 Beispielhaft sei an dieser Stelle das Kulturbüro Sachsen e. V. als zivilgesellschaftlicher Träger erwähnt, der im Bereich Mobile Der Umgang und die inhaltliche Auseinanderset- Beratung Kommunen, Verwaltung, Schule oder auch Vereine zung mit menschenverachtenden und antidemo- mit dem Ziel berät, eine demokratische Kultur zu stärken und kratischen Einstellungen, rechtsextremen Parteien damit Rechtsextremismus, Alltagsrassismus und Antisemitismus und Organisationen zählen zu den zentralen Auf- zu bekämpfen. vgl. http://www.kulturbuero-sachsen.de/, Stand gabenfeldern politischer Verantwortungsträger/- 08.04.2011. innen. Besonders offensichtlich wird dies in den 14 Die „Demokratieerklärung“ ist den Förderprogrammen des neuen Bundesländern, wo sich Kommune aber auch BMFSFJ beigelegt und verlangt von den Initiativen ein Bekennt- nis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundes- republik. Bundesweit hat die sogenannte Demokratieerklärung Proteste unter zivilgesellschaftlichen Vereinen, aber auch inner- halb politischer Oppositionsparteien ausgelöst. Beispielhaft sei 11 Das Modellprojekt des FiPP e. V. (Fortbildungsinstitut für die hier auf den bundesweiten Aktionstag am 1. Februar 2011 ver- pädagogische Praxis) wurde 2007 und 2010 an verschiedenen wiesen. Vgl. http://extremismusstreik.blogsport.de/, Stand Berliner Grundschulen umgesetzt und verfolgte das Ziel, das 08.04.2011. demokratische Bewusstsein von Kindern in der Grundschule zu 15 Battis, Ulrich: Zur Zulässigkeit der „Extremismusklausel“ im stärken und über Beteiligungsmöglichkeiten Demokratie er- Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“. fahrbar zu machen. Vgl. http://aktionstaggegenbekenntniszwang.blogsport.de/ 12 vgl. http://www.fair-in-der-kita.de/, Stand 09.04.2011. images/Gutachten1_Extremismusklausel.pdf, Stand 09.04.2011.

27 SCHWERPUNKT

Fazit Falter, Jürgen W.: Radicalization of the Middle Classes or Mobilization of the Unpolitical? The The- Die „Mitte“-Studien selbst enthalten Konsequen- ories of Seymour Martin Lipset and Reinhard Ben- zen und erste Ansätze für den Umgang mit dem dix on the Electoral Support of the NSDAP in the Rechtsextremismus für Politik und politische Bil- Light of Recent Research, Social Science Informa- dung, die im vorliegenden Artikel aufgegriffen tion, 2/1981, S. 389-430 und ausgebaut worden sind. Trotz existierender zi- vilgesellschaftlicher Strukturen und Projekte im Be- Heitmeyer, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Zustände – reich von Demokratieentwicklung, Antirassismus- Band 7. /M. 2009, Suhrkamp arbeit und Antidiskriminierungspädagogik zeigen menschenverachtende und antidemokratische Ein- Heitmeyer, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Zustände – stellungen eine breite gesellschaftliche Anschluss- Folge 9, Frankfurt/M. 2010, Suhrkamp fähigkeit. Es ist deutlich geworden, dass solche be- stehenden Angebote ausgebaut und erweitert Kraushaar, Wolfgang: Extremismus in der Mitte. werden müssen, insbesondere für die Elementar- Zur Geschichte einer soziologischen und sozialhis- und Erwachsenenpädagogik. Für eine Stärkung zi- torischen Interpretationsfigur, in: Lohmann, H. M. vilgesellschaftlicher Strukturen ist deren kontinu- (Hrsg.): Extremismus in der Mitte. Vom rechten ierliche Absicherung und gesicherte staatliche Fi- Verständnis deutscher Nation, Frankfurt/M. 1994, nanzierung unerlässlich. Das Ziel einer breiten Fischer, S. 23-50 Demokratisierung gesellschaftlicher Institutionen kann jedoch nicht auf einzelne und kurzfristige pä- Leithäuser, Thomas/Volmerg, Birgit: Psychoanalyse dagogische Maßnahmen beschränkt bleiben. Wir in der Sozialforschung. Eine Einführung am Bei- brauchen eine gelebte Demokratie in Öffentlich- spiel einer Sozialpsychologie der Arbeit, Opladen keit und im Privaten und ein gesellschaftliches Kli- 1988, Westdeutscher Verlag ma der Anerkennung, in dem Differenzen ausge- halten, Konflikte ausgetragen und nicht durch Lipset, Seymor Martin: Der ,Faschismus‘, die Linke, Stigmatisierung auf die „Anderen“ übertragen die Rechte und die Mitte, in: Nolte, E. (Hrsg.): Theo- werden. rien über den Faschismus, Köln 1984, S. 449-491

Lohmann, Hans-Martin: Extremismus der Mitte: vom rechten Verständnis deutscher Nation, Frank- Literatur furt/M. 1994, Fischer

Abram, Ido: Erziehung und humane Orientierung. Vogel, Berthold: Wohlstandskonflikte. Soziale Fra- In: Abram, I./Heyl, M. (Hrsg.): Thema Holocaust. Ein gen, die aus der Mitte kommen, Hamburg 2009, Buch für die Schule, S. 11-60, Reinbek 2001: Ro- Hamburger Edition. wohlt

Adorno, Theodor W.: Erziehung nach Auschwitz, Franziska Göpner, M.A. Kulturwissenschaften in: Tiedemann, R. (Hrsg.): Theodor W. Adorno – Ge- und Germanistik, ist Mitautorin der Studie sammelte Schriften Bd. 10.2, S. 674-690. Frank- „Ein Blick in die Mitte. Zur Entstehung rechts- furt/M. 1997, Suhrkamp extremer und demokratischer Einstellungen in Deutschland.“ Sie arbeitet als Trainerin in Backes, Ulrich: Politische Extreme. Eine Wort- und der politischen Jugendbildung im Bereich Begriffsgeschichte von der Antike bis in die Gegen- Demokratiebildung und Antirassismus und wart, Göttingen 2006, Vandenhoeck & Ruprecht ist derzeit als Referentin beim Kulturbüro Sachsen e. V. tätig.

Bohnsack, Ralf: Gruppendiskussion, in: Flick, U./Kar- doff, E. V./Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. PD Dr. Oliver Decker ist seit 2010 Vertretungs- Ein Handbuch, S. 369-384, Reinbek 2003, Rowohlt professor für Sozialpsychologie an der Uni- versität Siegen im Fachbereich Erziehungs- Butterwegge, Christoph (Hrsg.): Themen der Rech- wissenschaften und Psychologie. Er hat ten – Themen der Mitte: Zuwanderung, demogra- (zusammen mit Elmar Brähler) die Projekt- fischer Wandel und Nationalbewusstsein, Opladen leitung der „Mitte“-Studien zum Rechts- 2002, Leske und Budrich extremismus inne.

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Rechtsextreme Jugendkulturen als Erlebniswelten Herausforderungen für die Bildungsarbeit Arne Schäfer/Sabrina Broszeit

Arne Schäfer und Sabrina Broszeit verdeutlichen in Dass sich Neonazis im modernen Outfit einer Ju- ihrem Beitrag, welche Bedeutung kulturelle Aus- gendszene3 präsentieren, scheint nicht zu einer drucksformen bei der Herausbildung rechtsextremer Weltanschauung zu passen, die häufig für ein un- Einstellungen bei Jugendlichen haben können. Ins- modernes Relikt aus fernen Zeiten gehalten oder besondere über Musik, die sich weniger im Stil als mit Braunhemden und Hitlerjungen assoziiert im Inhalt von aktuellen Musikformen Jugendlicher wird. Doch die Verbindung von (subjektiv oft diffu- unterscheidet, ergeben sich Anknüpfungspunkte sen) Ideologiemomenten des Nationalsozialismus – für den Kontakt zu rechten Szenen. Autor und Au- völkischer Nationalismus, Antisemitismus, Ableh- torin betonen deren Erlebnischarakter, dem in der nung von Demokratie, Gewaltverherrlichung – mit politischen Bildung mit Angeboten zu begegnen aktuellen jugendkulturellen Stilelementen ist kein ist, die eine „Erlebniswelt Demokratie“ ermögli- neues Phänomen. So war die Hitlerjugend beein- chen. flusst von der zur damaligen Zeit vorherrschenden, durch die Wandervogel- Die Hitlerjugend über- bewegung und die bün- Sie sind jung, meist männlich und tragen schwarze nahm bewusst Aktivi- dische Jugend gepräg- Kapuzenpullis, Baseballcaps und Sonnenbrillen. Ihr täten und Erscheinungs- ten Jugendkultur, deren Auftreten auf Demonstrationen und Aufmärschen formen von der durch Aktivitäten und Erschei- rechter Gruppierungen erinnert an die martialisch die Wandervogelbewe- nungsformen sie bewusst wirkenden schwarzen Blöcke der linken Autono- gung und die bün- übernahm.4 Auch die Ent- men, deren äußeres Erscheinungsbild sie beinahe dische Jugend gepräg- stehung der neonazisti- vollständig kopiert haben. Die Transparente sind ten Jugendkultur schen Skinhead-Szene nicht mit den altbekannten Nazisymbolen ge- Ende der 1970er Jahre schmückt, sondern mit ästhetisch zeitgemäßen Co- funktionierte nach diesem Prinzip.5 Die Adaption micfiguren und anglizistischen Slogans wie „Fight von jugendkulturellen Symbolen, Codes und einem the System“ oder „Capitalism kills“ verziert, die entsprechenden Lifestyle hat somit eine gewisse man bisher aufseiten der historische Kontinuität. Damit soll nicht geleugnet Hinter jugendlich- Linken verortet hat. Doch werden, dass es – wie bei Teilen der Wandervögel modern anmutendem hinter dem jugendlich- bzw. der bündischen Jugend – auch ideologische „Autonomen-Chic“ ver- modern anmutenden Anknüpfungspunkte geben kann. Festzuhalten ist birgt sich ein äußerst „Autonomen-Chic“ ver- jedoch, dass es sich bei der jugendkulturellen Neu- reaktionäres Weltbild birgt sich ein äußerst re- ausrichtung von Teilen der neofaschistischen Be- aktionäres Weltbild. Die wegung weniger um eine Modernisierung des Rede ist von den „Autonomen Nationalisten“, ei- Rechtsextremismus als um „eine Aktualisierung ner Gruppierung aus dem militanten neofaschisti- von – im Kern unveränderten – ideologischen Deu- schen Spektrum, die sich weniger durch ihre Ideo- tungsangeboten“6 und deren Anpassung an zeit- logie als durch ihr Erscheinungsbild und ihre gemäße Ausdrucksformen handelt. Agitationsformen von anderen Rechtsradikalen unterscheiden.1 Mit ihrem jugendlichen Habitus, Dieses Moment wird in der Aussage eines ehemali- ihren stilistisch-ästhetischen Praxen und ihren „pop- gen Aktivisten der Autonomen Nationalisten deut- kulturellen Attitüden“2 stehen sie paradigmatisch lich: „Man konnte sich anziehen, wie man wollte, für eine spezifisch juvenile Ausdrucksform des man konnte essen, was man will, man konnte Mu- Rechtsextremismus. Sie bedienen sich der Symbole, sik hören, was man möchte und musste nur diese Codes, Musikstile und Sprachformen anderer Ju- gendkulturen, vor allem der antifaschistischen, und stellen sie in einen anderen, rechtsextremen Kontext. 3 Die Begriffe Jugendszene und Jugendkultur werden im Rah- men dieses Aufsatzes weitgehend synonym verwendet, auch wenn sie in wissenschaftlichen Diskursen theoretisch unter- schiedlich konzeptualisiert werden. 4 Hermann Giesecke: Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend: 1 Bundesamt für Verfassungsschutz, „Autonome Nationalis- Jugendarbeit zwischen Politik und Pädagogik, München 1981. ten“ – Rechtsextremistische Militanz, Köln 2009, abrufbar 5 Klaus Farin (Hrsg.): Die Skins. Mythos und Realität, Berlin 1998. unter: www.verfassungsschutz.de (Stand 02/2011). 6 Jan Schedler: Autonome Nationalisten. In: Aus Politik und 2 Jürgen Peters/Christoph Schulze (Hrsg.): Autonome Nationa- Zeitgeschichte 44/2010. Abrufbar unter: www.bpb.de/publika- listen. Die Modernisierung neofaschistischer Jugendkultur, tionen/04JA41,0,Autonome_Nationalisten.html (Stand 02/2011), Münster 2009, S. 58 S. 4.

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geboten einer erlebnis- ©Bilderspender/Quelle: Wikipedia orientierten Jugendszene verführen wollen, sondern eine „Eigenleistung“ der Jugendlichen selbst. Das hier angeführte Beispiel der Autonomen Nationa- listen soll verdeutlichen, dass zum Verständnis juve- niler Gesellungsformen im rechtsextremen Spektrum die herkömmlichen sozial- psychologischen und sozio- logischen Deutungsange- bote9 nicht ausreichen, sondern die Strukturele- mente jugendkultureller Szenen und Strömungen sowie deren Bedeutung für das Aufwachsen junger Stehen paradigmatisch für eine spezifisch juvenile Ausdrucksform des Rechtsextre- Menschen in modernen mismus: Autonome Nationalisten auf NPD-Demo am 7. Oktober 2006 in Nordhausen Gesellschaften fokussiert werden müssen. Mit dieser Ideologie propagieren. (...) Also man konnte leben analytischen Perspektive erschließt sich die Bedeu- wie man will, man konnte alternativ, cool, locker tung rechtsextremistischer Symbole, Codes und irgendwie leben und gleichzeitig Nazi sein“.7 Die Musikformen für die Sozialisation und Identitäts- Aussage legt die Interpretation nahe, dass der be- entwicklung Jugendlicher. Die Kontextualisierung sagte Jugendliche im Rahmen der Partizipation bei in einen jugendtheoretischen Referenzrahmen den autonomen Nationalisten sein Bedürfnis nach und das Ausloten seiner Erklärungsgrenzen sind Individualität mit seiner politischen Identität als Voraussetzung für eine reflexive Bildungspraxis, (Neo-)Nazi verbinden konnte. Ungeachtet der Fra- die sich ihrer Chancen und Beschränkungen bei der ge, wie gefestigt diese politische Identität im Ein- Thematisierung rechtsextremer Phänomene im Ju- zelfall ist, scheinen offenbar die von Erwachsenen gendalter bewusst ist. dominierten Organisationen und Parteien am rech- ten Rand wie die NPD dieses Bedürfnis nicht adäquat erfüllen zu können. „Es sind vor allem jüngere Neo- Jugendkulturelle Szenen: Gesellungsformen nazis, die den eingefahrenen Mustern der eigenen junger Menschen Szene entsagen und sich in individueller Selbstdar- stellung wie kollektiver Außendarstellung im Kon- Für Jugendforscher ist das Leben in jugendkultu- text politischer Veran- rellen Szenen typisch für heutige Jugendliche.10 Bei der Anpassung an staltungen radikal am Dieser Befund wird sowohl entwicklungspsycholo- den Zeitgeist geht es Zeitgeist ausrichten“.8 gisch als auch sozialstrukturell begründet: Cliquen, um die attraktive Insze- Allerdings geht es bei der Szenen und Jugendkulturen leisten einen wichti- nierung von Gesinnung, Anpassung an den Zeit- gen Beitrag für die Identitätsentwicklung und die nicht um eine Verän- geist offenbar nur um soziale Verortung junger Menschen. Mit der Puber- derung ideologischer die attraktive Inszenie- tät kommt es zur emotionalen Ablösung von den Grundlagen rung ihrer Gesinnung, Eltern, auch wenn die Heranwachsenden in der Re- nicht um eine wesentli- gel noch weiterhin zuhause wohnen. Das bedeutet che Veränderung der ideologischen Grundlagen rechtsextremistischen Gedankenguts. Dies ist je- doch keine von langer Hand geplante Strategie er- 9 Wulf Hopf: Sozialwissenschaftliche Erklärungsansätze des wachsener Kader, die junge Menschen mit den An- Rechtsextremismus – eine Zwischenbilanz. In: Recht der Jugend und des Bildungswesens, 1/2002, S. 6-20. 10 Roland Hitzler/Thomas Bucher/Arne Niedernbacher: Leben 7 Zitiert nach Ebd. in Szenen. Formen jugendlicher Vergemeinschaftung heute, 8 Ebd., S. 3. Opladen 2001.

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nicht, dass die Eltern grundsätzlich keine Bedeu- tung mehr hätten. Aber die Gleichaltrigen werden zu einer immer wichtigeren Bezugsgruppe. In vielen Entwicklungsfeldern, zum Beispiel beim Aufbau ei- ner sexuellen Beziehung oder beim Schließen von Freundschaften, leistet Die Peer Group hat sie einen unentbehrli- einen prägenden Ein- chen Beitrag für die Per- fluss auf den Kleidungs- sönlichkeitsentwicklung. und Konsumstil, den Viele Cliquen schließen Musikgeschmack, die sich wiederum zu Ju- Freizeitgestaltung und gendszenen zusammen die politischen Meinun- bzw. partizipieren an gen ihrer Mitglieder ihren Lebensstil- und Freizeitangeboten. Zwar unterliegen Jugendszenen dem Einfluss der globa- lisierten Medien- und Kulturindustrie, stellen aber ©Derek Redmond u. Paul Campbell/Quelle: Wikipedia gleichzeitig Freiräume dar, in denen sich Jugend- Klassische Gesellungsformen wie Kirche und Dorf haben liche erproben und von der Erwachsenenwelt schon seit längerem an Bedeutung für die Jugend ein- distinguieren können. Insofern können sie als Labo- gebüßt. Hier: Jugendliche auf dem Woodstock-Festival ratorien jugendlicher Selbstfindungs- und Abgren- 1969 zungsprozesse angesehen werden, die bewusst provokative, gesellschaftliche Normen verweigern- tisch sein muss. Im Gegenteil sind heutige Jugend- de Artikulationsformen annehmen können. szenen meist unpolitisch wie die Skateboard-, die Gothic- oder die Graffitiszene. Allerdings wird die Die Attraktivität von Szenen für Jugendliche liegt Beschreibung von Szenen dadurch erschwert, dass nicht nur in ihren Lebensstil- und Freizeit-, sondern sie sich häufig in Sub- und Teilszenen bzw. in unter- auch in ihren Gemeinschaftsangeboten. Vor dem schiedlichen Strömungen ausdifferenzieren, die sich Hintergrund gesellschaftlicher Individualisierungs-, dann häufig auch an unterschiedlichen Orten tref- Pluralisierungs- und Ausdifferenzierungsprozesse11 fen. So ist – um das an einem Beispiel zu illustrieren avancieren sie zu „Brutstätten posttraditionaler – die Hardcore-Szene, eine aus dem US-Punk ent- Vergemeinschaftung“.12 Die Erosion klassischer Ge- wickelte Musikrichtung, in vielen Szenetreffpunk- sellungsformen – Kirche, Dorf, Nachbarschaft oder ten eng verwoben mit der linken Antifa-Szene und Arbeitermilieu – führt zur Herausbildung neuer so- hat eine entsprechend politisierte Ausrichtung, zialer Assoziationen, die Vergemeinschaftungsbe- während an anderen Orten die gleiche Musikrich- dürfnisse befriedigen können. tung von Jugendlichen gehört wird, die kein dar- über hinausreichendes politisches Interesse oder Vor diesem Hintergrund suchen sich junge Men- Engagement aufweisen. schen für ihre Interessen, Neigungen, Projekte und Leidenschaften gleichgesinnte Verbündete, die sie Diese Unübersichtlichkeit der Szenelandschaft wird nicht mehr in traditionalen Milieus und erst recht durch den Umstand erhöht, dass die Symbole und nicht bei ihren Eltern, sondern vorzugsweise in ih- Codes einiger Szenen – wie das oben dargestellte ren Szenen finden.13 Szenen gruppieren sich meist Beispiel der Autonomen Nationalisten zeigt – von um ein bestimmtes Thema, das keineswegs poli- rechtsextremistisch gesonnenen Jugendlichen adaptiert und neu kontextualisiert, andere hinge- gen regelrecht unterwandert werden. Das beste 11 Ulrich Beck: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Beispiel für Szeneunterwanderungen ist die Ju- Moderne, Frankfurt 1986. gendkultur der „Skinheads“.14 Ursprünglich lassen 12 Roland Hitzler: Brutstätten posttraditionaler Vergemein- sich darunter Jugendliche aus dem Arbeitermilieu schaftung. Über Jugendszenen. In: Roland Hitzler/Anne Honer/ im East End Londons gegen Ende der 1960er Jahre Michaela Pfadenhauer: Posttraditionale Gemeinschaften, Theo- zusammenfassen. Sie waren zunächst nicht rechts, retische und ethnografische Erkundungen, Wiesbaden 2009, S. 55-72. 13 Roland Hitzler/Thomas Bucher/Arne Niedernbacher: Leben 14 Aber nicht nur Jugendszenen, sondern auch der Breiten- in Szenen. Formen jugendlicher Vergemeinschaftung heute, sport oder die Feuerwehr können Ziele von Unterwanderungen Opladen 2001, S. 20. werden.

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sondern eher antibürgerlich, meist unpolitisch Maskulinität, Gewaltbereitschaft und körperlicher orientiert. Mit zunehmendem Einfluss faschisti- Dominanz ein wichtiges Motiv sein kann, sich einer scher Organisationen wie der National Front oder rechten Gruppe anzuschließen.16 dem British Movement veränderten sich die politi- schen Einstellungen. Auch heute noch lässt sich die Nach dieser kurzen Skizze über die Bedeutung ju- Gruppe der Skins in unterschiedlichste Subkulturen gendkultureller Szenen in den Lebenswelten Ju- unterteilen, einschließlich diverser links- oder gendlicher soll nun konkret die Frage erörtert wer- rechtsgerichteter politischer Einstellungen. Daher den: Was genau macht rechtsextreme Szenen und ist es auch schwierig, Cliquen für Jugendliche eigentlich so attraktiv? Es ist schwierig, von von der rechtsextremen der rechtsextremen Szene zu sprechen, da Szene zu sprechen, sie sich intern ausdiffe- Rechtsextremismus als Erlebniswelt da sie sich intern aus- renziert und diversifi- differenziert und ziert. So finden sich ne- Um diese Frage beantworten zu können, erscheint diversifiziert ben den Autonomen es sinnvoll, den heutigen Rechtsextremismus nicht Nationalisten nicht nur lediglich als eine politische Ideologie zu begreifen, rechtsextreme Skinheads, sondern auch Sympathi- sondern ihn vielmehr als eine Erlebniswelt17 aufzu- santen, die sich an anderen Stilen, z. B. Techno, fassen. „Die Kombination von Freizeit- und Unter- Gabber oder Gothic, ausrichten. Darüber hinaus haltungsangeboten mit politischen Inhalten, die gibt es Jugendliche, die sich rechtsextremen Cliquen um einen fremdenfeindlichen Kern und die Ver- oder Kameradschaften anschließen, ohne einen herrlichung, zumindest die Verharmlosung des Na- spezifischen jugendkulturellen Stil zu praktizieren. tionalsozialismus kreisen, ist zum Kern des zeitge- Und nach wie vor existiert die Jugendorganisation nössischen Rechtsextremismus geworden“.18 Um der NPD, die ihrerseits versucht, über attraktive die Erlebniswelt Rechtsextremismus zu beschrei- Angebote Jugendliche zu rekrutieren. Häufig fin- den sich personelle Überschneidungen zwischen 16 Michael Kohlstruck/Anna Verena Münch: Hypermaskuline diesen Organisationsformen. Außerdem lassen sich Szenen und fremdenfeindliche Gewalt. Der Fall Schöberl. In: verschiedene Cliquentypen erkennen, die sich nach Andreas Klärner/Michael Kohlstruck (Hrsg.): Moderner Rechts- Festigkeit des rechtsextremen Weltbildes, Abgren- extremismus in Deutschland, Hamburg 2006, S. 303-363. zungsstärke, Organisationsgrad und pädagogischer 17 Stefan Glaser/Thomas Pfeiffer (Hrsg.): Erlebniswelt Rechts- Erreichbarkeit deutlich unterscheiden können.15 extremismus. Menschenverachtung mit Unterhaltungswert, Schwalbach/Ts. 2007. Cliquen und Szenen sind insofern niemals statisch, 18 Thomas Pfeiffer: Menschenverachtung mit Unterhaltungs- sondern immer in Bewegung, so dass es schwer wert. In: IDA NRW (Hrsg.): Wider das Vogel-Strauß-Prinzip. Zum vorherzusehen ist, wohin der Trend geht. Die Auto- Umgang mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen, Düssel- nomen Nationalisten haben auch deshalb eine so dorf 2007. hohe Verblüffung und Irri- tierung evoziert, weil kaum Foto: Rufus 46/Quelle: Wikipedia jemand damit gerechnet hat, dass sie die Symbolik ei- ner Jugendkultur kopieren, die ihr spinnefeind gegen- übersteht. Auf der anderen Seite ist es rückblickend nicht erstaunlich, dass das mili- tant-martialische Auftreten der linken Autonomen (nicht aber deren Ablehnung aller Herrschaftsverhältnisse) eine hohe Faszination auf junge Männer ausübt, für die die expressive Inszenierung von

15 Benno Hafeneger/Reiner Becker: Rechte Jugendcliquen, Schwal- Was macht rechtsextreme Szenen für Jugendliche so attraktiv? Neonazi-Aufmarsch bach/Ts., 2007. in München, April 2005

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ben, werden drei wichtige Strukturelemente oder gen sind allerdings unter dem Begriff „Rechtsrock“ Charakteristika jugendkultureller Szenen genauer zusammengefasst. Der Rechtsrock ist zum „‚Motor’ in den Blick genommen und auf rechtsextreme einer jugendkulturell fundierten Bewegung von Cliquen bezogen: Musik, Symbole/Codes und die rechts geworden“.21 Folgende Themen tauchen in Aktivitäten. Musik und Symbole haben für Jugend- den Liedern immer wieder auf: kulturen eine hohe Bedeutung, auch für die rechts- extremen. Sie sind wichtige Medien zur Herstellung ■ Feindbilder des sozialen Zusammenhalts und zur Abgrenzung ■ Beschreibungen des „geliebten Vaterlandes“ nach außen. Wir wollen an dieser Stelle auf eine de- ■ das Bild der Frau aus nationalsozialistischer taillierte Aufzählung von Bands, Symbolen und in Denkweise der Szene gängigen Zahlencodes verzichten. Mitt- ■ Kameradschaft lerweile existiert eine breite Informationsplattform ■ neue alte Werte (des Nationalsozialismus). hierzu (z. B. www.dasversteckspiel.de). Stattdessen konzentrieren wir uns auf die wichtigsten Bedeu- Die Inhalte des Rechtsrocks bewegen sich sowohl tungszusammenhänge und arbeiten anschließend im legalen als auch im illegalen Bereich. Grundsätze für die politische Bildungsarbeit heraus, die es unserer Ansicht nach zu beachten gilt. In dem Song „Landser“ der gleichnamigen populä- ren rechtsextremen Band wird deutlich, wie unter- schiedliche Aspekte der Erlebniswelt Rechtsextre- Musik mismus miteinander verbunden werden. Nordische Musik hören gehört zu den beliebtesten Freizeit- Mythen, Rassismus und die Verherrlichung natio- beschäftigungen von Jugendlichen.19 Musik ist ein nalsozialistisch besetzter Figuren werden als ju- hervorstechendes Identitätsmerkmal vieler Jugend- gendkulturelle Rebellion inszeniert und kommen szenen und wird durch einem Appell zur Aktivität gleich. Musik ist ein wichtiges entsprechende Bands Einstiegsmedium, das und Stile klassifiziert. „Wir wecken die Kräfte, die in euch wohnen. die Lebenswelten der Die Musik spielt auch Wir schüren den Hass und die Emotionen. Jugendlichen bestim- deshalb eine so große In unsern Adern kocht Wikinger-Blut. men und sie an die Rolle, weil sie ein wichti- In unsern Texten steckt nordische Wut. Szene binden kann ges Einstiegsmedium ist, das dann immer stärker Kehrreim: die Lebenswelten der Jugendlichen bestimmen Landser, Landser sind bereit! und sie an die Szene binden kann.20 Es werden ver- neue Deutsche Fröhlichkeit. schiedene Musikinstrumente, Techniken und Stile Landser, Landser sind bereit! verwendet. Der Oi-Punk beispielsweise zeichnet neue Deutsche Fröhlichkeit. sich durch einfach spielbare Gitarrenakkorde aus. Der Black Metal verwendet brachiale Elemente mit Ihr wollt weißen Rock 'n Roll und ihr werdet ihn häufigem „Growling“ im schnelleren Takt. Der kriegen. Dark Wave hingegen ist eher als sonore, melancho- Landser heizt ein, dass die Fetzen fliegen. lische Musik zu beschreiben. Diese Liste könnte Rache für Hess ist unsere Mission. noch weiter fortgeführt werden. Wichtig ist, dass Und euer ‚Oi, Oi‘ unser schönster Lohn. die Musikrichtungen „an sich“ nicht als rechte Mu- sik bezeichnet werden können. Eher sind es die der Kehrreim Szene zugehörigen Bands und die von ihnen ver- Brave Bürger sind blind, aber ihr könnt es sehn. breiteten ideologielastigen Texte, die das rechte Das DEUTSCHE REICH wird wiederauferstehn. Gedankengut prägen. Die Vielfalt der Darstellung Das Maul zu halten ist keine Tugend. in den Songtexten – von plumpen Appellen bis zur Wir sind die Stimme der arischen Jugend.“ symbolischen Umschreibung des „guten alten Rei- ches“ machen es für Außenstehende häufig Kehrreim 3x22 schwierig, Lieder als faschistisch besetzt zu erken- nen und darauf zu reagieren. Viele Musikrichtun- 21 Martin Langebach/Jan Raabe: Zwischen Freizeit, Politik und Partei: RechtsRock. In: Stephan Braun/Alexander Geisler/Martin 19 Shell Deutschland Holding (Hrsg.): Jugend 2010. Eine prag- Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten, Hintergründe – matische Generation behauptet sich, Frankfurt a. M. 2010, S. 96. Analysen – Antworten, Wiesbaden 2009, S. 165-188, hier S. 186. 20 Benno Hafeneger/Reiner Becker: Rechte Jugendcliquen, 22 Zitiert nach: http://www.justsomelyrics.com/24807/Landser- Schwalbach/Ts. 2007, S. 22. Landser-Lyrics (Stand 02/2011).

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sche Botschaften gebun- den, die über Codes und Symbole vermittelt werden. Um strafrechtlicher Verfol- gung zu entgehen, sind sie nicht immer als spezifisch rechtsextreme Symbole er- kennbar. So wird der Gruß „Heil Hitler“ durch den Zahlencode 88 chiffriert (die 8 steht jeweils für den achten Buchstaben des Al- phabets, das H). Ein anderes beliebtes Zahlenspiel ist die „18“, die für „Adolf Hitler“ steht und die Identifikation mit dem nationalsozialisti- Cover der indizierten Aufnahme der als „kriminelle Vereinigung“ verbotenen Band schen Führer zum Ausdruck Landser bringen soll. Aber die Sym- bole haben auch noch eine Vertrieben wird die Musik häufig von kleinen La- andere Funktion als Geheimhaltung nach außen. Es bels mit hoher Szeneanbindung, die oft weniger fi- ist ein typisches Merkmal vieler, auch unpolitischer nanzielle Interessen verfolgen als vielmehr einen Jugendszenen, dass die Mitglieder ihre Szenenzuge- ideellen Beitrag für ihre Szene leisten wollen. 2006 hörigkeit über für Außenstehende nicht unmittel- existierten ca. 40 solcher Produktions- und Ver- bar erschließbare Codes zum Ausdruck bringen. Der triebsunternehmen. Die Labelbetreiber haben da- Jugendforscher Waldemar Vogelgesang spricht in durch die Möglichkeit, ihr Leben in der Szene zum diesem Zusammenhang von „asymmetrischen Wahr- Beruf zu machen.23 Damit gehören sie zur „Organi- nehmungsstilen“, durch die Jugendliche „ihr Wissen sationselite“ (Hitzler) der Szene, die für deren Fort- und ihre Stilhoheit auch sehr prononciert als Kon- bestand eine hohe Bedeutung hat. Neben der kon- frontations- und Abgrenzungsstrategien gegenüber kreten Musik haben die oft musikbezogenen Erwachsenen einsetzen.“25 Dies gilt aber nicht nur Fanzines eine hohe konstitutive Bedeutung, insbe- für Abgrenzungen gegenüber Erwachsenen, son- sondere für die szeneninterne Kommunikation. dern auch gegenüber Mitgliedern andersdenkender Jugendcliquen. Beliebte Symbole stammen aus der germanischen und neuheidnischen Mythologie oder Symbole und Codes sind an sie angelehnt, etwa Thors Hammer, Runen Die rechtsextreme Erlebniswelt ist geprägt durch oder die so genannte schwarze Sonne. Sie sollen spezifische jugendkulturelle Stile, Dresscodes und Stärke, Heldentod, Kampfbereitschaft und die Ver- Symbole, die sich zu einem rechtsorientierten bundenheit mit der nordischen „Rasse“ zum Aus- Lifestyle zusammenfü- druck bringen.26 Wie beschrieben, ist die Übernah- Vor allem die Konsum- gen. Neben der Erlebnis- me von Symbolen der antifaschistischen Szene und und Lifestyleorientie- orientierung ist es vor deren Uminterpretation ein weiteres Vorgehen. rung macht rechts- allem diese Konsum- Darüber hinaus gibt es innerhalb der rechtsextremi- extreme Szeneangebo- und Lifestyleorientie- stischen Erlebniswelt einen typischen Kleidungsstil, te für viele Jugendliche rung, die rechtsextreme der zum Teil von anderen Jugendkulturen adaptiert attraktiv Szeneangebote für viele wird, zum anderen aus beliebten Marken wie Thor Jugendliche attraktiv Steinar oder Consdaple besteht. macht und sich zu einem juvenilen Lebensgefühl verdichten kann.24 Die Alltagsästhetik ist an politi- 25 Waldemar Vogelgesang: Jugendkultur und Medien, abruf- 23 Henning Flad: Zur Ökonomie der rechtsextremen Szene – bar unter: www.waldemar-vogelgesang.de (Stand 02/2002). Die Bedeutung des Handels mit Musik. In: Andreas Klärner/ 26 Georg Schuppener: Strategische Rückgriffe der extremen Michael Kohlstruck (Hrsg.): Moderner Rechtsextremismus in Rechten auf Mythen und Symbole. In: Stephan Braun/Alexander Deutschland, Hamburg 2006, S. 102-115. Geisler/ (Hrsg.): Strategien der extremen Rech- 24 Benno Hafeneger/Reiner Becker: Rechte Jugendcliquen, ten, Hintergründe – Analysen – Antworten, Wiesbaden 2009, Schwalbach/Ts. 2007, S. 17. S. 310-331.

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Aktivitäten „Gerade dieser Erlebnischarakter ist nicht zu ver- In der heutigen Gesellschaft sind offenere und infor- nachlässigen, denn besonders auf männliche Ju- melle Zusammenschlüsse für viele junge Menschen gendliche übt das zumindest gewaltbereite Agie- weitaus attraktiver als von Erwachsenen gesteuer- ren in größeren, über eine gemeinsame Identität te Mitgliedsorganisationen. 71 % aller Jugendlichen zusammengehaltenen Gruppen gegenwärtig eine geben an, Mitglied einer Jugendclique zu sein.27 große Anziehungskraft aus (...).“29 Zur Erlebniswelt Die Clique hat auch innerhalb der Erlebniswelt Rechtsextremismus gehören aber auch alltägliche, Rechtsextremismus eine hohe Bedeutung. In ihr wer- vergleichsweise unspektakuläre Angebote: Das ge- den die Jugendlichen nicht zu Funktionären rech- meinsame Abhängen, Unterhaltungen, Sport, Bil- ter Parteien erzogen oder zum Saalschutz, Stimm- lard, DVDs gucken, Kneipenbesuche oder Zeltla- vieh oder Fußvolk degradiert, sondern gehen gerfahrten. Gerade in dieser Hinsicht füllen die selbstorganisiert mit Gleichaltrigen zu Nazirock- rechten Cliquen ein Va- konzerten und Demonstrationen oder fahren Die rechten Cliquen kuum aus, das der Ab- gemeinsam ins Zeltlager – alles, was das Freizeitan- füllen ein Vakuum aus, bau staatlicher Förde- gebot der Szene so her- das der Abbau staat- rungen der offenen und Insbesondere für männ- gibt. Insbesondere für licher Förderungen der verbandlichen Jugend- liche Jugendliche, die männliche Jugendliche, offenen und verband- arbeit hinterlassen hat. ihre Lebenssituation die ihre Lebenssituation lichen Jugendarbeit Dies gilt insbesondere als perspektivlos emp- als perspektivlos emp- hinterlassen hat für ländliche Regionen finden, ist die Clique finden, ist die Clique ein mit einer geringen In- ein (labiler) Ort der (labiler) Ort der Sicher- frastruktur, vor allem in Ostdeutschland, aber auch Sicherheit heit, zum Teil auch, um in einigen westdeutschen Gegenden wie z. B. in selbst erlebte Gewalt- Hessen oder am Rande des Ruhrgebiets: „Sozial und Ohnmachtserfahrungen oder Anerkennungs- und kulturell ausgedünnte Regionen bieten Frei- defizite kompensieren zu können. Da Musik ein zeit- und Jugendarbeitsangeboten der extremen konstitutives Element der Erlebniswelt Rechtsex- Rechten einen günstigen – und oftmals konkur- tremismus ist, stellen Konzerte von Szenebands renzlosen – Nährboden.“30 und Musikern wichtige Events und Highlights dar. Durch die Konzerte wird ein intensives und ekstati- sches Gemeinschaftsgefühl stimuliert. Da die Bands Anknüpfungspunkte für die Bildungsarbeit häufig verboten und die Konzerte ständig von der Gefahr bedroht sind, durch die Polizei aufgelöst zu Die Perspektive, Rechtsextremismus als jugendkul- werden, finden sie oft an geheimen Orten statt. turelle Szene und Erlebniswelt zu begreifen, bietet Das Publikum wird über informelle Kommunika- wichtige Erkenntnisse für eine Bildungsarbeit, die tionsnetzwerke oft erst kurzfristig über den Veran- sich mit Rechtsextremismus im Jugendalter be- staltungsort informiert. „Das Erlebnis des Konzerts schäftigt.31 Diese Prämissen wollen wir abschlie- wird gesteigert durch einen Anreisemodus, der ei- ßend kurz skizzieren: ner Schnitzeljagd gleicht“.28 Gerade darin – im Reiz des Verbotenen – finden viele Jugendliche ein be- 1. Rechtsextremistische Cliquen und Jugendkultu- sonderes Abenteuer, das der oft triste Alltag nicht ren weisen in ihren stilistischen Strukturmerk- bieten kann. Neben Konzerten sind vor allem De- malen und Entwicklungstrends Gemeinsamkei- monstrationen – insbesondere für die action- und ten mit vielen anderen Jugendszenen auf. gewaltorientierten Jugendgruppen – ein wichtiger Dieser Vergleich darf aber nicht zur Relativie- Erlebnisraum, in dessen Rahmen sie ihre politi- rung ihrer politischen Botschaften, der ausge- schen Botschaften kundtun, durch ihr geschlosse- nes Auftreten ein Gruppengefühl erzeugen und 29 Jan Schedler: Übernahme der Ästhetik und Aktionsformen sich nicht selten gewalttätige Auseinandersetzun- der radikalen Linken – Zur Verortung der „Autonomen Natio- gen mit der Polizei oder dem politischen Gegner – nalisten“ im extrem rechten Strategiespektrum. In: Stephan meist in der Gestalt von Antifagruppen – liefern. Braun/Alexander Geisler/Martin Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten, Hintergründe – Analysen – Antworten, 27 Shell Deutschland Holding (Hrsg.): Jugend 2010. Eine prag- Wiesbaden 2009, S. 331-357, hier: S. 352. matische Generation behauptet sich, Frankfurt a. M. 2010, S. 82. 30 Benno Hafeneger/Reiner Becker: Rechte Jugendcliquen, 28 Martin Langebach/Jan Raabe: Zwischen Freizeit, Politik und Schwalbach/Ts. 2007, S. 14 f. Partei: RechtsRock. In: Stephan Braun/Alexander Geisler/Martin 31 Praktische Beispiele finden sich in Stefan Glaser/Thomas Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten, Hintergründe – Pfeiffer (Hrsg.): Erlebniswelt Rechtsextremismus, Menschen- Analysen – Antworten, Wiesbaden 2009, S. 165-188, hier: S. 185. verachtung mit Unterhaltungswert, Schwalbach/Ts. 2007.

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prägten Maskulinität und ihrer häufig sehr ho- dig erscheint es uns, Jugendlichen, die sich in hen Gewaltbereitschaft führen. Viele Opfer rechtsextremistischen Szenezusammenhängen rechtsextremer Gewalt gehen auf das Konto befinden, a priori zu unterstellen, sie hätten ein jugendlicher Straftäter. Die Karriere innerhalb geschlossenes faschistisches Weltbild und seien einer solchen Jugendkultur endet nicht selten überzeugte Gesinnungstäter. im Gefängnis. Während für die meisten jugend- kulturellen Szenen gilt, dass Ein- und Ausstieg 3. Einfache Etikettierungen gilt es daher zu ver- problemlos möglich meiden, auch wenn faschistische Äußerungen, Der Vergleich mit sind, gilt für die zum Beispiel im Rahmen eines Seminars mit Ju- anderen Szenen darf rechtsextreme, dass gendlichen oder in der Jugendarbeit, Ableh- nicht zu einer Verharm- Aussteiger oft harte nung hervorrufen. Solche Zuschreibungen kön- losung führen Sanktionen fürchten nen kontraproduktiv wirken und zu einer müssen. Der Vergleich verstärkten Identifikation führen, wenn der Ju- ihres strukturellen Aufbaus mit anderen Ju- gendliche von seinem Umfeld als (Neo-)Nazi gendszenen darf daher nicht zu einer Verharm- stigmatisiert wird. Wichtiger wäre es, die Moti- losung ihrer Inhalte und Betätigungen führen. vation zu hinterfragen und abzuklären, wie viel Ideologie hinter dem Musikkonsum steckt bzw. 2. Die jugendtheoretische Perspektive ist wichtig, warum im konkreten Fall rechtsextreme Symbo- um die Bedeutung von rechtsextremistischen le benutzt werden. Cliquen- und Szenezugehörigkeiten in einen breiteren gesellschaftlichen Kontext einordnen 4. Allerdings kommen rechtsorientierte Cliquen und die entwicklungsspezifischen Dimensionen und Gleichaltrigengruppen als (kollektive) Adres- erkennen zu können. Aber sie hat auch Gren- saten politischer Bildungsarbeit eher nicht in zen, die deutlich benannt werden müssen. Sie Betracht: „Die Chancen einer gezielten Beein- kann keine allgemeingültigen Antworten auf flussung solcher Gleichaltrigengruppen durch die Frage geben, warum sich Jugendliche aus- pädagogische Interventionen müssen als be- gerechnet einer rechtsextrem orientierten grenzt gelten, denn für das Selbstverständnis Clique anschließen. In der Bildungspraxis sollte jugendkultureller Gruppen ist die Abgrenzung bedacht werden, dass ganz unterschiedliche gegen die Erwachsenengesellschaft und ihre biografische Motivlagen eine ausschlaggeben- pädagogischen Repräsentanten konstitutiv“.33 de Rolle spielen kön- Sofern Jugendliche bereits über verfestigte Es erscheint uns frag- nen. Sie können in Überzeugungen und Szenemitgliedschaften würdig, Jugendlichen, der Faszination für verfügen, sind sie nur schwer erreichbar. die sich in rechtsextre- das nationalsozialis- mistischen Szenezusam- tische Weltbild be- 5. Außerschulische Bildung kann aber – zum Bei- menhängen befinden, gründet sein, in der spiel in Kooperation mit Schulen – durchaus zu a priori ein geschlosse- Legitimation einer präventiven Zwecken eingesetzt werden. Vor- nes faschistisches Welt- schon vorher vor- aussetzung dafür ist, dass sie „sich nicht als Be- bild zu unterstellen handenen Gewalt- lehrung Unwissender oder als Widerlegung von neigung, in der In- Vorurteilen versteht, sondern als eine offene szenierung von Männlichkeit, der Suche nach Auseinandersetzung über angemessene Selbst- Gemeinschaft, einer hohen Erlebnisorientie- und Weltinterpretationen (...). Erreichbar sind rung, aber auch schlicht darin, dass es keine al- mit solcher Bildungsarbeit insbesondere solche ternativen Angebots- und Gelegenheitsstruktu- Jugendliche, die sich noch in einem Suchprozess ren einer attraktiven Freizeitgestaltung gibt. befinden, also noch keine verfestigten politi- Die Ungleichheits- und Desintegrationsforschung, schen Überzeugungen entwickelt haben.“34 In aber auch die Autoritarismus- und Geschlechter- diesem Zusammenhang gilt es auch, die hohe forschung liefern wichtige empirische Erkennt- Erlebnisorientierung vieler Jugendlicher zu ak- nisse über den Zusammenhang von Rechts- zeptieren, die, wie der Wunsch nach Beziehun- extremismus und Sozialisation. Es ist zweifellos problematisch, den juvenilen Rechtsextremis- 33 Albert Scherr: Pädagogische Konzepte gegen Rechts – was mus zu entpolitisieren.32 Aber genauso fragwür- hat sich bewährt, was ist umstritten, was sollte vermieden wer- den? In: Heinz Lynen von Berg/Roland Roth (Hrsg.): Maßnah- 32 Stefan Dierbach: Jung – Rechts – Unpolitisch? Die Ausblen- men und Programme gegen Rechtsextremismus wissenschaft- dung des Politischen im Diskurs über Rechte Gewalt, Bielefeld lich begleitet, Opladen 2003, S. 249-265, hier: S. 251. 2010. 34 Ebd., S. 260.

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gen und Kontakten zu Gleichaltrigen, entwick- Es muss mit aller Deut- verbandsarbeit oder lungspsychologisch betrachtet zur Jugendphase lichkeit in die Öffent- in informellen Grup- gehören.35 Verbote lichkeit getragen pen. In diesem Sinne Verbote von Erlebnis- von Erlebnisangebo- werden, dass die außer- kann die außerschu- angeboten bei Ver- ten bei Verdacht auf schulische Bildungs- lische Bildung einen dacht auf rechtsextre- rechtsextreme Inhal- arbeit ein unentbehr- Erfahrungsraum bie- me Inhalte greifen zu te greifen daher zu licher Bestandteil der ten, in dem Jugend- kurz kurz. Vielmehr be- demokratischen Zivil- liche die Sinnhaftig- darf es geeigneter gesellschaft ist keit von Demokratie, Gegenkonzepte und des Aufzeigens attraktiver zivilgesellschaftlichem Freizeit- und Erlebnisalternativen, die bei Ju- Engagement und Par- gendlichen Akzeptanz finden können. tizipation erleben können. Der Erlebniswelt Rechtsextremismus muss die Erlebniswelt Demo- 6. Es wäre vermessen zu behaupten, dass pädago- kratie entgegensetzt werden. Damit ist unsere, gische Fachkräfte umfassende Kenntnisse über dem vorherrschenden Zeitgeist widersprechen- alle Musikrichtungen, Bands und Symbole mit de Überzeugung verbunden: Gerade Jugend- rechtsextremem Bezug aufweisen müssen. Rele- liche spielen eine wichtige Rolle für den Zusam- vant ist deren Thematisierung in der außer- menhalt der Gesellschaft und müssen „als schulischen Bildungsarbeit dennoch. Sie stellt soziale(r) Träger von Prozessen gesellschaft- ein Anregungsmilieu dar, in dessen Rahmen Ju- licher Emanzipation und Demokratisierung“37 gendliche lernen können, den Konsum von Mu- angesehen und wertgeschätzt werden. sik und die Verwendung von Symbolen kritisch zu hinterfragen. Hier kommt die Aufklärungs- funktion von Jugendbildung zum Tragen: So 37 Albert Scherr: Jugendbildungsarbeit gegen Fremdenfeind- kann es in der praktischen Bildungsarbeit da- lichkeit und Gewalt, in: Konrad Schacht/Thomas Leif/Hannelore rum gehen, Wissen über die Bedeutung rechts- Janssen: Hilflos gegen Rechtsextremismus? Köln 1995, S. 230-256, extremer Symbole, Musik und Kodes für den hier S. 232. Szenezusammenhalt zu vermitteln und mit Ju- gendlichen die Rolle zu diskutieren, „die das Wiederaufgreifen der germanischen Mythologie im Rahmen der Erlebniswelt Rechtsextremismus Sabrina Broszeit arbeitet als Bildungsreferen- spielt, indem sie in rechtsextremen Publikatio- tin im Salvador Allende Haus zu den Schwer- nen und rechtsextremer Musik prominent verar- punkten Interkulturelles Lernen, Kommuni- beitet wird.“36 kation, Partizipation. Sie ist stellvertretende Vorsitzende von IDA - Informations- und 7. Vor allem aber muss mit aller Deutlichkeit in die Dokumentationszentrum für Antirassismusar- Öffentlichkeit getragen werden, dass die außer- beit e. V. und erreichbar über das Salvador schulische Bildungsarbeit ein unentbehrlicher Allende Haus, Haardgrenzweg 77, 45739 Oer-Erkenschwick. Bestandteil der demokratischen Zivilgesellschaft ist. Adressaten einer zivilgesellschaftlich orien- E-Mail: [email protected] tierten Jugendbildung sind in erster Linie Ju- gendliche, die sich aktiv für die demokratische Kultur und das solidarische Miteinander in ihren Dr. Arne Schäfer ist Bildungsreferent im Sal- lebensweltlichen, lokalen und kommunalen Be- vador-Allende-Haus und Lehrbeauftragter an zügen einsetzen – z. B. im Rahmen von Jugend- der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld. Er ist erreichbar über das Salvador-Allende-Haus, 35 Vgl. hierzu die entwicklungspsychologischen Studien zum Adresse s. Sabine Broszeit. Persönlichkeitsmerkmal Sensation Seeking in: Marcus Roth/ Phillip Hammelstein (Hrsg.): Sensation Seeking – Konzeption, E-Mail: [email protected] Diagnostik und Anwendung, Göttingen 2003. 36 Georg Schuppener: Strategische Rückgriffe der extremen Rechten auf Mythen und Symbole. In: Stephan Braun/Alexander Für die Unterstützung bei der Bebilderung dieses Geisler/Martin Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rech- Beitrages danken wir apabiz - antifaschistisches ten, Hintergründe – Analysen – Antworten, Wiesbaden 2009, pressearchiv u. bildungszentrum berlin e. V. - Redak- S. 310-331, hier: S. 329. tion AB

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„…wir sind trotzdem aktiv und wir stehen trotzdem unsere Frau, und stehen mit bei der Demo oder beim Infostand und sind des- wegen noch lange kein Heimchen am Herd…“1 Mädchen und Frauen im Rechtsextremismus Juliane Lang/Esther Lehnert

Entgegen dem nach wie vor verbreiteten Bild der © knipser5 / pixelio.de friedfertigen und unpolitischen Frau finden sich Frauen und Mädchen heute in allen Bereichen des Rechtsextremismus. Egal ob am Herd, Schreibtisch oder auf der Straße: Sie stehen ‚ihren Mann’ und füllen wichtige Rollen und Funktionen aus. Das für den Rechtsextremismus zentrale Konstrukt der Volksgemeinschaft ist nach innen klar geschlecht- lich strukturiert und weist Männern wie Frauen spezifische Sphären und Aufgaben in seinem In- nern zu. Zugleich versprechen sich Frauen in der vermeintlichen Geborgenheit der Gemeinschaft ei- nen Schutz gegenüber Bedrohungen von außen.

Wurde das Engagement von Frauen und Mädchen in rechtsextremen Szenen jahrelang entweder gar nicht wahrgenommen oder als zu vernachlässigende Ausnahme angesehen, zeichnet sich hier mittler- Traditionelle Geschlechterverhältnisse dominieren auch weile eine neue Entwicklung ab. Die häufige Redu- heute noch die Szene zierung von Rechtsextremismus auf physische Gewalt und damit auf ein ordnungspolitisches Problem – der Szene ebenso wie in deren Umfeld. Allerdings ausgeübt durch in der Regel männlich gezeichnete traten sie dabei weniger offensiv an die Öffentlich- (Unterschichts-) Jugendliche – ließ das entlang ge- keit und prägten weniger die Außenwahrneh- sellschaftlicher Stereotype mung der Szene. Eine quantitative Steigerung in Frauen und Mädchen ‚friedliche Geschlecht’ der Gründung homogen-weiblicher Organisatio- spielen in rechten Sze- häufig aus dem Blick der nen ist seit 2000 zu beobachten. Dabei ist nach wie nen eine wichtige Rolle Auseinandersetzung mit vor festzustellen, dass traditionelle Vorstellungen Rechtsextremismus gera- von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen die ten. Heute zeigen dagegen Einstellungsuntersu- Szene dominieren. Anders ist das Konstrukt „Volks- chungen wie auch Beobachtungen der rechten gemeinschaft“ – zentrales Bezugselement des hi- Szene: Frauen und Mädchen spielen dort eine storischen wie modernen Rechtsextremismus – wichtige Rolle. Bei rechtsextremen Einstellungen, auch nicht aufrechtzuerhalten. in der Beobachtung der Funktionärsebene bis hin zu den amtlichen Gewaltstatistiken: Überall sind wir auch mit Mädchen und Frauen konfrontiert.2 Rollen und Funktionen von Frauen und Mäd- chen im modernen Rechtsextremismus Als wichtige Indikatoren für die steigende Bedeu- tung von Mädchen und Frauen in Selbstinszenierung Rechte Szenen bieten Mädchen und Frauen heut- und Wahrnehmung des Rechtsextremismus gelten zutage eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen die zahlreichen Gründungen rechter Frauenorgani- und Rollen. So vielfältig die Angebote sind, so viel- sationen in den letzten fältig sind die Mädchen Traditionelle Vorstel- Jahren. Das alleinige Vor- So vielfältig die Ange- und Frauen, die diese lungen von Geschlecht handensein von Frauen- bote sind, so vielfältig Angebote annehmen: So und Geschlechter- gruppen im Rechtsextre- sind die Mädchen und gibt es – wie auch unter verhältnissen dominie- mismus stellt keine Frauen, die diese Ange- männlichen Jugendli- ren die Szene Besonderheit dar: Frau- bote annehmen chen und Männern – die engruppen und enga- Rolle der „Mitläuferin“ gierte Frauen hat es dort schon immer gegeben. ebenso wie die Rolle der rechtsextremen Funktio- Sie engagierten und engagieren sich sowohl an der närin oder Mandatsträgerin. Verstärkt engagieren Seite der Männer als auch eigenständig, im Kern sich ‚moderne‘ rechtsextreme Frauen in der Kommu- nalpolitik; sie leiten rechtsextreme Organisationen 1 Stella Hähnel, u.a. RNF Funktionärin, auf einer Veranstaltung wie die 1934 geborene Ursula Müller, Gründerin des RNFs in Berlin-Neukölln am 28.05.2008. und Vorsitzende der rechtsextremen Hilfsorganisa- 2 Zur Beteiligung von Frauen an den verschiedenen Dimensio- tion für politische Gefangene „HNG“, betreiben nen des Rechtsextremismus: Juliane Lang 2010. einschlägige rechtsextreme Treffpunkte wie Chris-

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tiane Dolscheid, Betreiberin des rechtsextremen beim näheren Hinschauen: Deutlich wird neben Clubs 88 in Neumünster, oder sind als Anti-Antifa- dem expliziten Abgrenzungsbedürfnis gegenüber Aktivistinnen und Fotografinnen an der körper- „Emanzen“ oder „linken Feministinnen“ der Bezug lichen wie psychischen Bedrohung (vermeintlicher) auf eine „natürliche“ Weiblichkeit und der explizi- politischer Gegner/-innen beteiligt. Rechtsextreme ten Betonung der Andersartigkeit der Geschlech- Frauen machen Musik, so z. B. eine der bekannte- ter. So ist es in der Regel einer der ersten Schritte sten Szene-Liedermacherinnen Annett, gründen ei- nach Gründung einer Frauengruppe, sich zur ‚Ver- gene Frauenorganisationen und Selbsthilfegrup- schiedenartigkeit’ der Geschlechter zu bekennen pen. Autorinnen der sog. Neuen Rechten schreiben und zu beteuern, unter gar keinen Umständen ei- in einschlägigen Zeitschriften wie der „Jungen ne Konkurrenz zum männlichen Teil der Szene dar- Freiheit“, propagieren ihre Form von Familienpoli- stellen zu wollen, sondern im eigenen Engage- tik und machen strömungsübergreifend mobil ge- ment die ‚natürliche Ergänzung’ zur Arbeit der gen Gender Mainstreaming. Kurzum: Frauen und Männer zu sehen. Mädchen sind im modernen Rechtsextremismus überall vorhanden und wissen wo nötig auch nur zu gut, sich gesellschaftliche Geschlechterklischees Rechtsextreme Frauengruppen zu Nutze zu machen. So gelingt es Frauen und Mädchen einfacher, Räume für rechtsextreme Ver- Rechtsextreme Frauengruppen unterscheiden sich anstaltungen anzumelden oder mit dem Ziel, In- erheblich in Größe, Relevanz und Performance. So formationen über politische Gegner/-innen jedwe- konnten sich bei weitem nicht alle der etwa 40 Neu- der Couleur zu sammeln, an Veranstaltungen gründungen seit 2000 (Beobachtung des Frauen- gegen Rechts teilzunehmen. Dies liegt schlicht und forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremis- einfach darin begründet, dass bei jenen ‚sympathi- mus) etablieren. Exemplarisch möchten wir im schen jungen Frauen’ deutlich seltener auf einen Folgenden zwei der aktuell einflussreichsten rechtsextremen Hintergrund ihrer Handlungen ge- rechtsextremen Frauengruppen vorstellen. Allen schlossen wird. gemein ist der Anspruch, Frauen einen ‚sanften Einstieg’ in die nach wie vor männlich dominierte Neben dem Engagement in der Szene engagieren Szene zu bieten. „[...] diese Gemeinschaft von sich rechtsextreme Frauen darüber hinaus auch in Frauen, unter Frauen, gemeinsam mit Frauen sit- verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit und zen und sich besprechen und so weiter, tut Frauen üben kommunale Ehrenämter aus. Auf diese Weise einfach gut.“,3 so Stella Hähnel, eine der seit Jah- kann im Kleinen der Ver- ren führenden Aktivistinnen. Sie sollen auf diese Im Kleinen kann der such unternommen wer- Weise unabhängig von einer etwaigen Liaison mit Versuch unternommen den, Politik vor Ort zu einem rechtsextremen Mann an die Szene gebun- werden, Politik vor Ort beeinflussen, ohne den den werden, um damit längerfristig der Szene er- zu beeinflussen, ohne eigenen rechtsextremen halten zu bleiben. den eigenen rechts- Hintergrund offen zu le- extremen Hintergrund gen. Eine rechtsextreme Als eine dieser Organisationen ist die 2001 gegrün- offen zu legen Aktivistin aus Mainz, Mut- dete Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) zu nen- ter von sieben Kindern nen. Bundesweit tätig, gliedert sich die GDF in und des nächtens aktiv als Moderatorin eines einzelne Regionalgruppen. Die Altersstruktur in- rechtsextremen Internetforums, schreibt in eben je- nerhalb der Organisation ist sehr gemischt – jünge- nem: „Ich glaube, niemand würde mich mehr in re Frauen stehen hier in engem Austausch mit Akti- den Elternbeirat unserer Schule wählen, wenn ich vistinnen, welche in Teilen auf jahrzehntelange in der NPD wäre. Dann täte man mich als ,bösen Szeneerfahrung zurück blicken können. In ihrem Nazi‘ abstempeln und niemand würde mir mehr zu- Selbstverständnis als „Eliteorganisation“ innerhalb hören. So gesehen ist mein Einfluss auf die Men- des organisierten Rechtsextremismus tritt die GDF schen wesentlich größer, wenn ich nirgends offiziell kaum öffentlich in Erscheinung. Das Aufnahme- organisiert bin.“ Solche Beispiele gibt es viele: So verfahren ist so wenig transparent wie die Orte, an waren es in der Vergangenheit Führungskaderin- denen sich die regionalen Gruppen regelmäßig nen der NPD, die sich ehrenamtlich des örtlichen treffen und sich völkischer „Brauchtumspflege“ Kinderschwimmens oder des Kaffeeausschanks im Familienzentrum angenommen haben. 3 Stella Hähnel: Frauen in der NPD. Vortrag auf der Veranstal- tung des Ring Nationaler Frauen (RNF) Berlin am 03.09.2008 in Das „Besondere“ an Engagement und Selbstdar- Berlin. Transkribiert durch das Antifaschistische Pressearchiv stellung rechtsextremer Frauen findet sich häufig und Bildungszentrum (APABIZ). Eingesehen im: APABIZ.

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annehmen oder zu Themen der Kindererziehung Es ist Teil der RNF-Stra- binden: „Gerade für die und Bildung austauschen. In Abgrenzung zum tegie, möglichst viele Frauen, die sich bislang Christentum wird eine „germanische“ Geschichte Frauen aus dem rechts- noch nicht zu einer Mit- konstruiert. Gleichzeitig bezieht sich die GDF posi- extremen Lager für Par- gliedschaft in der Mutter- tiv auf die Biographien starker Frauen in der deut- teipolitik zu gewinnen partei NPD entschließen schen Geschichte, einschließlich in der bürgerlichen und schließlich an die konnten, bietet der RNF Frauenbewegung – das besondere Engagement jü- NPD zu binden die Möglichkeit, Kontak- discher Frauen hierin wird dabei stillschweigend te zu knüpfen und poli- unter den Tisch fallengelassen. Die Rahmung der tisch aktiv zu werden. (...) Unser Ziel ist es, nationa- unterschiedlichen The- le Interessen mit den Interessen der Frauen und Die Rahmung der unter- men von der gesunden ihrer Familien zu verbinden und dies laut und schiedlichen Themen Ernährung bis zum na- deutlich zu artikulieren.“4. von der gesunden Er- tionalsozialistischen Hel- nährung bis zum natio- dengedenken stellt die Ein wichtiges Ziel des RNF bestand zunächst im Em- nalsozialistischen Hel- rechtsextreme „Volks- powerment von Frauen für die Übernahme inner- dengedanken stellt die gemeinschaft“ dar. Das parteilicher Ämter wie auch von Mandaten in par- rechtsextreme „Volks- bedeutet, dass es den lamentarischen Gremien: Im Fokus des Interesses gemeinschaft“ dar rechtsextremen Frauen stand die aktive, berufstätige, politisch denkende von GDF und Co. nicht und engagierte Frau. Forderungen nach einem generell darum geht, die Bildungssituation zu ver- „Müttergehalt statt Elterngeld“, wie es auf einem bessern oder gesunde Ernährung allen Kindern zu- Werbeflyer heißt, bilden keinen Widerspruch dazu, gänglich zu machen: Es geht ausschließlich um den sondern stehen paradigmatisch für eine Frauenpo- eigenen, „deutschen“ Nachwuchs, die eigene „deut- litik der NPD, die sowohl die berufstätige Frau wie sche“ Familie – alles im Dienste der „Volksgemein- auch die Mütter und Hausfrauen ansprechen schaft“. möchte.

Personelle Überschneidungen der GDF gibt es u. a. Gleichwohl gab es in der Politik des RNF eine Ent- mit der derzeit aktivsten und am öffentlichkeits- wicklung weg von jenem Image der modernen, wirksamsten agierenden Frauenorganisation: Dem ‚national-denkenden’ Frau: „Der RNF hat sich mit Ring Nationaler Frauen (RNF). Die 2006 gegründe- dem Rücktritt der Landtagsabgeordneten Gitta te Organisation ist heute Unterorganisation der Schüssler vermehrt in Richtung einer Haus-Hof- NPD, hält sich allerdings offen für Frauen ohne Par- Herd-Ideologie bewegt.“,5 so ein/-e User/-in in einer teibuch. Dies ist Teil der Strategie, möglichst viele rechtsextremen Forendiskussion. Die damalige RNF- Frauen aus dem rechtsextremen Lager für Partei- Bundesvorsitzende Gitta Schüßler – als Abgeordnete politik zu gewinnen und schließlich an die NPD zu der NPD im Sächsischen Landtag die derzeit einzige rechtsextreme Parlamenta- © Antifaschistisches Infoblatt rierin auf Länderebene – äußerte sich kritisch zur of- fen frauenfeindlichen poli- tischen Praxis der NPD in Mecklenburg-Vorpommern: In einer öffentlichen Presse- mitteilung prangerte sie an, dass im Nachgang der dortigen Kommunalwah- len zwei Kandidatinnen auf ihre mit deutlich höhe-

4 Katrin Köhler nach ihrer Wie- derwahl zur Vorsitzenden des RNF Sachsen im Jahre 2009, zitiert nach: Deutsche Stimme 05/2010, Riesa, S. 18. 5 Forenteilnehmer/-in des rechts- extremen Internetportals Alter- Demonstration des Rings Nationaler Frauen am 13.02.2010 in Dresden media, 19.10.2009

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rer Zustimmung gewonnenen Mandate zu Gun- © Bundesarchiv, Quelle: Wikipedia sten weniger erfolgreicher Männer verzichteten. Dies, so Schüßler, wäre nicht nur „Betrug am Wäh- ler“, sondern mache auch die Empowerment-Ar- beit des RNF „irrelevant, wenn es sich bei den Ka- meraden im Norden noch nicht herumgesprochen hat, daß ein Volk nicht nur aus Männern besteht.“6

Der darauf einsetzende Wandel in der Politik des RNF unter der neuen Vorsitzenden Edda Schmidt – einer völkischen Traditionalistin Jahrgang 1948 – steht paradigmatisch dafür, dass das öffentliche Engagement von Frauen und Mädchen in rechtsex- tremen Szenen nach wie vor nicht selbstverständ- lich ist und qualitativ wie quantitativ konjunkturel- len Schüben unterliegt. Frauen und Mädchen müssen sich innerhalb der Szene stets doppelt be- weisen: Als taffe Kameradin unter gleichzeitiger Wahrung ihrer ‚natürlichen Weiblichkeit’. Und zu den hier aufgemachten weiblichen Tugenden ge- hört auch die Zurückhaltung. Die GDF formulierte einst: „Frauen sind prinzipiell in der Lage jede Auf- gabe zu übernehmen, allerdings wissen sie sich zu- rückzuhalten, solange es fähige Männer zur Erfül- lung dieser gibt.“ Gertrud Scholtz-Klink, Reichsfrauenführerin, 1934 Frauen- und Mädchen- Frauen- und Mädchen- organisationen aus dem organisationen aus dem Klink, dazu auserkoren sehen, „anderen Frauen aktionsorientierten aktionsorientierten Um- aufzuzeigen was ihre Pflichten für Volk und Vater- Umfeld der eher jugend- feld der eher jugendlich land sind“.8 lich geprägten Freien geprägten Freien Kame- Kameradschaften haben radschaften haben aktu- Die zunehmende Präsenz von Frauen in der öffent- aktuell an Präsenz und ell an Präsenz und Deu- lichen Wahrnehmung des Rechtsextremismus zeigt Deutungsmacht verloren tungsmacht verloren. mithin unterschiedliche Weiblichkeitskonstruktio- Einige der Gruppen ha- nen der jeweiligen Akteurinnen. Längst gibt es ben sich aufgelöst, andere Neugründungen wie nicht mehr nur die blond-bezopfte, aufopfernde, kürzlich die Berliner Mädelgruppe der Freien Na- kinderreiche, rechtsextreme Mutter. Auch wenn tionalisten Wedding treten bisher kaum eigenstän- sich das Gros der Mädchen- und Frauengruppen an dig in Erscheinung. Den zumeist sehr jungen Frau- traditionellen Weiblichkeitskonstruktionen orien- en ist gemein, dass sie für sich die Teilnahme am so tiert, lässt sich eine Pluralisierung von Weiblich- genannten Straßenkampf einfordern. Dieser wird keitskonstruktionen und -inszenierungen beob- in der Tradition der historischen SA als Politikum achten. Von einer gestiegenen Sichtbarkeit von begriffen. Der Männerbund – wie die SA ihn ver- Frauen im organisierten körperte – bedürfe „[i]n so harten Zeiten, wie sie Die vermehrte Präsenz Rechtsextremismus auf uns Deutschen auferlegt sind“7 der Unterstützung von Frauen sowie die eine Feminisierung zu der weiblichen Kämpferinnen. Im Gegensatz dazu Möglichkeit, verschie- schließen, hält einer nä- stehen die inhaltlichen, geschichtsrevisionistischen dene Lebensentwürfe heren Betrachtung je- Bezüge und anti-egalitären Geschlechterpolitiken unter diesem Dach zu doch nicht stand. Für der jungen Frauen, die sich, Bezug nehmend auf ein vereinbaren, ist der den Rechtsextremismus Zitat der NS-Frauenschaft-Führerin Gertrude Scholtz- Attraktivität der Szene lässt sich konstatieren, nur dienlich dass die vermehrte Prä- 6 Gitta Schüßler. Zitiert nach: Rechtsextremes Internetportal senz von Frauen sowie Gesamtrechts: Der Ärger des Tages: NPD im Nordosten eine die Möglichkeit, verschiedene Lebensentwürfe un- Männersekte, 03.07.2009. ter diesem Dach zu vereinbaren, der Attraktivität 7 Mädelgruppe der Kameradschaft Tor: Was wir wollen? Berlin 2004. 8 Ebd.

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der Szene nur dienlich ist. Frauen entfalten eine Hierin ist einer der Gründe für die strömungsüber- andere Wirkung auf Außenstehende und femini- greifend massive Kampagne gegen die Verhand- sieren dadurch gegebenenfalls die Außenwirkung. lung von Geschlecht im Zuge von Gender Studies Sie ändern jedoch wenig am ideologischen Gebilde und Gender Mainstreaming zu sehen. – im Gegenteil: Indem sie so genannte weibliche Sphären ausfüllen, stabilisieren und (re-)produzie- ren sie dieses. Möglichkeiten und Herausforderungen für die Pädagogik: Das Prinzip der „doppelten Unsichtbarkeit“ Das Konzept der Volksgemeinschaft – Sexismus als Bestandteil Ungeachtet der indessen vorliegenden wissenschaft- lichen Erkenntnisse und einem durchaus auch in Die steigende Präsenz von Frauen in der Wahrneh- Medien und Öffentlichkeit zu registrierenden gro- mung des Rechtsextremismus kann nicht darüber ßen Interesse am Themenfeld Mädchen und Frau- hinwegtäuschen, dass Sexismus und eine klar binä- en im Rechtsextremismus ist zu konstatieren, dass re, hierarchische Ordnung der Geschlechter nach Rechtsextremismus nach wie vor als ein männliches wie vor integraler Be- Phänomen wahrgenommen wird. Rechtsextreme Sexismus und eine klar standteil der rechtsextre- Orientierungen bei Mädchen und jungen Frauen binäre, hierarchische men Ideologie sind. Be- fallen unter das Phänomen der „doppelten Un- Ordnung der Geschlech- reits zwischen 1933 und sichtbarkeit“: gilt es immer noch als Ausnahme, ter sind nach wie vor 1945 stellte die sexisti- Mädchen überhaupt po- integraler Bestandteil sche Konstruktion der Gilt es immer noch als litische Meinungen zu- der rechtsextremen „Volksgemeinschaft“ eine Ausnahme, Mädchen zutrauen, so werden ih- Ideologie der Grundlagen der na- überhaupt politische nen noch weniger tionalsozialistischen Ge- Meinungen zuzutrauen, rechtsextreme Orientie- sellschaft dar. Die darin vollzogene klare Auftei- so werden ihnen noch rungen zugetraut. Die- lung in weibliche und männliche Sphären weniger rechtsextreme ser Annahme sitzen lei- strukturiert die Volksgemeinschaft in ihren Grund- Orientierungen zuge- der auch noch sehr viele zügen. Auch im modernen Rechtsextremismus findet traut Beratungs- und Recher- eine Aufwertung der traditionellen, bürgerlichen cheprojekte auf und Mutterrolle einerseits bei gleichzeitiger Zurschau- führen damit ungewollt die Weiterschreibung von stellung eines aggressiven Antifeminismus statt. Rechtsextremismus als männliche Angelegenheit fort. Im scheinbaren Widerspruch dazu werden identifi- katorische Rollenangebote für Frauen zunehmend Dabei ist gerade in der Präventionsarbeit eine Sen- pluraler und ausdifferenzierter. Ob mit Kindern sibilität für die Wirkmächtigkeit von Geschlecht oder ohne, als „Straßenkämpferin“ oder „Schreib- auch in Bezug auf die Ausbildung und Manifestie- tischtäterin“,9 ob verheiratet oder alleinerziehend: rung rechtsextremer Orientierungen unabdingbar. Frauen und Mädchen können im modernen Rechts- Auch Jugendarbeit und Pädagogik sind gefordert, extremismus eine Vielfalt unterschiedlicher Frauen- die zunehmende Bedeutung von Mädchen und rollen leben. Während Männer weiterhin in der Frauen im Rechtsextremismus wahrzunehmen und Pflicht stehen, sich für das hehre Ideal der Volks- die ‚pädagogische Herausforderung’ der ‚doppel- gemeinschaft an der politischen Front zu verdin- ten Unsichtbarkeit’ anzunehmen. Rassistische oder gen, stellt dies für Frauen eine Option dar: eine Art antisemitische Äußerungen von Mädchen und jun- Kür, nachdem sie die ihr auferlegten Pflichten der gen Frauen müssen als politische wahrgenommen Mutterschaft und Versorgung von Heim und Herd werden. Anderenfalls bestärkt Jugendarbeit nicht erledigt hat. nur die Mädchen und jungen Frauen in ihren Welt- anschauungen, sondern lässt auch zu, dass Mäd- Geschlecht bleibt eine der zentralen Kategorien, chen und junge Frauen ungestört für die „nationa- anhand welcher sich die Gemeinschaft gliedert le“ Sache werben können. und das Individuum seinen Platz erhält. Die nicht mehr eindeutige Verortung des Individuums wür- Für eine zielgerichtete pädagogische Arbeit mit de die Gemeinschaft als Ganzes bedrohen – und so- rechtsextrem orientierten jungen Frauen ist es not- mit den Grundpfeiler rechtsextremer Ideologie. wendig danach zu fragen, was die Szene spannend und wichtig für die Mädchen macht. Hier gibt es 9 Vgl. Rundbrief des RNF, Juni 2008. nicht den einen Grund und Forschungsergebnisse

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Quelle: Wikipedia

Die Konstruktion von Männlichkeit bei der Meisterschaft im Bodybuilding; (hier: 2006) zum Thema sind rar.10 Die Möglichkeit, auch selbst dernen Rechtsextremismus nach wie vor eine ent- an der „deutschen Volksgemeinschaft“ zu partizi- scheidende Bedeutung zu. Die Möglichkeit, noch pieren und sich damit bewusst über andere zu eine ‚richtige’ Frau und ein ‚echter Mann’ entlang stellen, kann ein Grund für die Hinwendung von traditioneller Vorstellungen sein zu dürfen, ist an- Frauen und Mädchen in rechtsextreme Szenen gesichts einer zunehmenden Pluralisierung und sein. Ein weiteres Motiv kann in der Ethnisierung Prekarisierung sowie einer damit einhergehenden sexueller Gewalt liegen: Erfahrungen sexueller Diffusion tradierter gesellschaftlicher Strukturen Gewalt werden nach außen auf die „Fremden“ und Milieus nicht nur für Jugendliche attraktiv.12 projiziert. Die „Volksgemeinschaft“ wird als Schutz Nicht umsonst wird in Diskussionen über die Kon- fantasiert.11 struktionen von Weiblichkeit und Männlichkeit im- mer wieder an einen scheinbaren alltagstauglichen Ein bislang vernachlässigter Aspekt in der Präven- Konsens angeknüpft. tionsarbeit betrifft die Anschlussfähigkeit rechts- extremer Geschlechterrollenmodelle an gesamtge- In dem Sinne muss die geschlechtersensible und sellschaftliche Vorstellungen von Geschlecht und -kritische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen be- Geschlechterverhältnissen. Trotz der in Teilen ‚mo- reits als Teil von Demokratieerziehung betrachtet dernen’ Performance rechtsextremer Frauengrup- werden: Die Vermittlung einer Pluralität z. B. ge- pen und einer wahrnehmbaren Pluralisierung von schlechtlicher Lebensweisen steht der Orientierung Weiblichkeitsbildern kommt der Konstruktion hin zu starren Geschlechterkonstruktionen diame- ‚richtiger’ Frauen und ‚richtiger’ Männer im mo- tral entgegen und leistet so bereits frühzeitig ei- nen Beitrag zur Rechtsextremismusprävention. 10 Ausnahmen hier: Michaela Köttig, 2004; Johanna Sigl, im Erscheinen. 12 Das Bedürfnis nach Orientierungen an traditionellen 11 Rassismus bietet Frauen und Mädchen eine (weithin akzep- Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zeigte sich tierte) Möglichkeit, Erfahrungen sexualisierter Gewalt über die öffentlichkeitswirksam u. a. an der Debatte um die Veröffent- Ethnisierung von Sexismus umzudeuten: Sexualisierte Gewalt lichungen Eva Hermans sowie den breit diskutierten Artikeln findet in sehr vielen Bereichen statt, am häufigsten jedoch im- mehrerer großer deutscher Zeitungen zum Thema Gender mer noch im persönlichen Nahbereich. Der Umgang mit sexuali- Mainstreaming. So bezeichnete der FAZ-Redakteur Volker sierter Gewalt ist nach wie vor von gesellschaftlichen Mythen Zastrow (FAZ, 20.06.2006) Gender Mainstreaming als ‚Politische und Tabus bestimmt, der eine Aufarbeitung für die Betroffenen Geschlechtsumwandlung’ und fühlte sich ebenso wie kurze Zeit erschwert. Eine Externalisierung auf „Fremde“ ermöglicht es, darauf René Pfister im Spiegel (Spiegel, 1/2007) berufen darzu- den sozialen Frieden in der Wir-Gruppe zu erhalten, vgl. Hand- legen, wie hier ‚traditionelle Geschlechterrollen zerstört’ und reichung Forschungsnetzwerk, Motive der Hinwendung. ‚der neue Mensch’ geschaffen werden sollten.

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Literatur Johanna Sigl: Lebensgeschichten von Aussteigerin- nen aus der extremen Rechten. Genderspezifische Frauenforschungsnetzwerk: Handreichung Frauen Aspekte und mögliche Ansatzpunkte für eine aus- und Rechtsextremismus, 2009 (als PDF zu beziehen stiegsorientierte Soziale Arbeit (im Erscheinen) über das Netzwerk)

Michaela Köttig: Lebensgeschichten rechtsextrem orientierter Mädchen und junger Frauen, Gießen 2004 Juliane Lang, Geschlechterstudien und Erziehungswissenschaf- ten an Humboldt-Universität und Freier Universität Berlin. Juliane Lang: „…Diese Gemeinschaft von Frauen, unter Frauen, gemeinsam mit Frauen sitzen und Dr. Esther Lehnert ist als Erziehungswissenschaftlerin in Fort- sich besprechen und so weiter, tut Frauen einfach bildung und Wissenschaft tätig zu den Schwerpunkten Rechts- gut.“ Frauen im Rechtsextremismus, in: Robert extremismus, Gender und Fußball; sie ist geschäftsführende Claus/Esther Lehnert/Yves Müller (Hrsg.): „Was ein Mitarbeiterin bei Lara (Frauenkrisen und -beratungszentrum rechter Mann ist.“ Männlichkeiten im Rechtsextre- für vergewaltigte Frauen). mismus, Berlin 2010, S. 127 – 142 Beide Autorinnen beschäftigen sich seit Jahren mit dem Phäno- Esther Lehnert: „Angriff auf Gender Mainstrea- men Frauen im Rechtsextremismus, sind Mitglied im Frauen- ming und Homo-Lobby“ – der moderne Rechtsex- forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus und tremismus und seine nationalsozialistischen Bezü- Freie Referentinnen des Vereins für demokratische Kultur in ge am Beispiel der Geschlechterordnung, in: Berlin e. V. (vdk). Robert Claus/Esther Lehnert/Yves Müller (Hrsg.): „Was ein rechter Mann ist.“ Männlichkeiten im Um sich vor angedrohten Angriffen aus der rechten Szene zu Rechtsextremismus, Berlin 2010, S. 89 – 99 schützen, wollen sie nicht, dass ihre Portraits hier erscheinen.

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Ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen! Projekte zur Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen Ideologien Andrea Müller

Das LidiceHaus in Bremen hat sich in der Bildungs- möglichen neben der „normalen“ Bildungsarbeit arbeit gegen rechtsextremistische Tendenzen bei mit Jugendlichen und Erwachsenen die Mitwirkung Jugendlichen profiliert. Andrea Müller beschreibt in regionalen und lokalen Netzwerken und Foren Strategien der rechtsextremen Szene, die Bedarfs- zur Entwicklung neuer Aktivitäten. Das LidiceHaus lagen von Jugendlichen für eigene Zwecke instru- gilt in Bremen auch als Fachstelle zur Auseinander- mentalisiert. Er plädiert dafür, bei Bildungsange- setzung mit dem modernen Rechtsextremismus und boten gegen die Anfälligkeit für rechtsextreme seinen Aktivitäten. Ideologien nicht allein auf Aufklärung und Infor- mation zu setzen, und stellt dar, welche Schwer- Der Name der Einrichtung ist zugleich „Programm“. punkte das LidiceHaus in der Auseinandersetzung Das LidiceHaus gehört zur vielfältigen Landschaft mit dem Rechtsextremismus entwickelt hat. von Bremer Institutionen, die sich in der historischen Bildungs- und Erinnerungsarbeit engagieren.

Der Name des Hauses ist Programm In der langjährigen Arbeit mit Jugendlichen musste jedoch festgestellt werden, dass bei allen Bemü- Im Jahr 2008 zog das LidiceHaus in neue Räumlich- hungen um politische Aufklärung über die Ursa- keiten in direkter Stadtnähe auf dem Stadtwerder chen und die Verbrechen des Faschismus Teile der in Bremen. Im nächsten Jahr feiert es sein 25jähri- Jugendlichen – auch im großstädtischen Milieu – ges Bestehen als freier Bildungsträger. auf moderne rechtsextreme Cliquen und Szenen nicht mit Ablehnung, sondern mit Interesse rea- Es ging hervor aus einer Jugendbildungsstätte und gierten. ist inzwischen seit vielen Jahren bekannt als ein Zentrum, in dem Jugendliche und ihre Multiplika- Mit der Wende und dem Mauerfall 1989 erfuhr ei- toren/Multiplikatorinnen kompetent und engagiert ne modernisierte Form des Rechtsextremismus Auf- gestaltete Seminarangebote wahrnehmen können. wind. Nicht nur in den öffentliches Aufsehen erre- genden Überfällen und Pogromen in Rostock- Sowohl in der Diskussion über Jugendpolitik als Lichtenhagen, Solingen, Mölln zeigte sich eine neue auch als Anbieter von Fortbildungen, Qualifizie- Aggressivität der rechtsextremen Aktivisten. Bedroh- rungen und in der Beratung ist das LidiceHaus an- lich an diesen Verbrechen war zudem nicht nur die erkannter und lokal und überregional geschätzter kriminelle Energie junger Rechtsextremer, sondern Partner. Die besondere Nähe und gegenseitige Er- auch die oft unverhohlene Zustimmung der er- reichbarkeit in einem Zwei-Städte-Bundesland er- wachsenen „Nachbarschaft“.

Aufklärung allein ist nicht ausreichend, um gegen Rechtsextre- mismus politisch zu „immunisieren“

In Bremen wurde im Jahr 1991 durch eine Gruppe auch heute noch aktiver Rechtsextremer eine der ersten Brandstiftungen an einer Asylbewerberunter- kunft verübt. Enge Zusam- menhänge mit rechtsextre- men Cliquen – und offen- sichtlich im Hintergrund agierenden rechtsextremen Organisationen – legten die Frage nahe, wie Jugend- arbeit, Sozialpädagogik und auch Jugendbildung auf die © LidiceHaus modernisierten Strategien Jugendgruppe auf dem Gelände des LidiceHauses des Rechtsextremismus rea-

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gieren können. Es wurde immer deutlicher: Aufklä- mokratisch verfassten und gefestigten Gesellschaft rung allein scheint nicht ausreichend, um gegen kann aber nur gelingen, wenn die Existenznöte und Rechtsextremismus politisch zu „immunisieren“. Anliegen Jugendlicher ernsthaft analysiert und An- gebote im Rahmen der demokratischen Gesellschaft Seit dieser Zeit arbeitet das LidiceHaus auf vielfälti- entwickelt werden, die Jugendlichen eine erlebba- gen Ebenen zur Thematik „Rechtsextremismus“ so- re Perspektive für eigenes Engagement und die wohl im lokalen und regionalen Zusammenhang Gestaltung der Zukunft vermitteln können. als auch bundesweit durch Beteiligung an der Fachdiskussion. Waren es zunächst vor allem Semi- Zentral sind dabei Fragen wie: Was suchen junge narangebote für Jugendliche, so wuchs mit zuneh- Leute in rechtsextremen Milieus, Szenen, Organisa- mender Erfahrung und Anerkennung der Anteil tionen, Cliquen? Was ist daran attraktiv für sie? an Fortbildung und Beratung zum Umgang mit Welche Motive sind dabei tatsächlich politisch be- Rechtsextremismus und rechtsaffinen Jugendlichen. gründet, welche entsprechen eher „normalen“ ju- gendlichen Suchprozessen nach Zugehörigkeit und Das LidiceHaus wurde somit auch für die Stadt Bre- Anerkennung, die im Alltag zu wenig spürbar sind? men zu einem wichtigen Partner in der Entwick- Offenkundig bieten Politik, Pädagogik oder Ju- lung von Strategien in der Auseinandersetzung mit gendarbeit zu wenig Möglichkeiten, Zugehörig- rechtsextremen Organisationen und bei Auftritten keit und Anerkennung in gewünschtem Maß zu er- von Cliquen und Gruppierungen aus dem rechtsex- fahren. tremen Umfeld. Rechtsextreme scheinen diese Suchprozesse be- sonders gut für ihre Zwecke nutzen zu können. Sie Herausforderungen durch Strategien des wissen, dass junge Menschen umso leichter zu ge- Rechtsextremismus winnen sind, je schlechter ihre Anerkennungs- oder Integrationsbilanz ist, je ohnmächtiger sie sich der Modernisierte rechtsextreme Organisationen ha- ben vielfältige Strategien, um insbesondere Jugend- © Eike, LidiceHaus & axent liche anzusprechen, sie für ihre Ziele zu gewinnen und zu instrumentalisieren. Schulhof-CD’s, Inter- netauftritte, Kameradschaftsabende, Aufmärsche, Flugblätter, Schulungsabende mit Partycharakter in abgelegenen Gasthöfen, Lifestyle-Accessoires, Konzerte an geheimen Rechtsextreme richten Orten, Mitteilungen über ihre Angebote gezielt Handy konspirativ ver- und psychologisch ge- breitet, schaffen eine Er- schickt an den Sehn- lebnis- und Abenteuer- süchten Jugendlicher atmosphäre, die auf eine aus Vielzahl vor allem männ- licher Jugendlicher at- traktiv und anziehend wirkt. Inzwischen werden diese Angebote gezielt ergänzt um Werbeversuche gegenüber Mädchen und jungen Frauen.

Der Versuch, jugendliche Sympathisanten/Sympa- thisantinnen ausschließlich mithilfe von politischer Bildung und Aufklärung gegen diese Erlebnisange- bote zu „immunisieren“, ist zum Scheitern verur- teilt. Rechtsextreme richten ihre Angebote gezielt und psychologisch geschickt an den Sehnsüchten und Suchprozessen Jugendlicher, nach jugendkul- tureller Verortung und Stilen aus, an der Suche nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Politische Bildung ist – und bleibt – ein wichtiges Element der Ausein- andersetzung mit sich verbreitendem Rechtsextre- mismus. Rechtsextremismusprävention in einer de- Teil einer Plakatserie des Bündnisses Rote-Bunte-Karte

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Erwachsenenwelt ausgeliefert (und zugleich benach- ■ Der „Kampf um die Parlamente“ zielt auf die teiligt) fühlen, je problematischer die Abgrenzung Erlangung von Mandaten. Die Teilnahme an in Pubertät und Adoleszenz verläuft, je begrenzter Bundes- und Landtagswahlen wird als wichtig das erlernte Repertoire an Konfliktbearbeitungs- eingeschätzt, auch angesichts der Perspektive, formen ist. zumeist an der Fünfprozentklausel zu scheitern. Wird mehr als ein Prozent der Wählerstimmen Die Bildungsarbeit in unserem eigenen Seminarbe- erzielt, spült das der NPD zumindest im Zuge trieb und in der lokalen und überregionalen Bera- der Wahlkampfkostenerstattung erhebliche Eu- tung setzt deshalb auch bei diesen Fragen an, er- robeträge in die klammen Partei- und Organisa- gänzt durch weitere inhaltliche Schwerpunkte wie tionskassen. Ebenso wichtig ist die Teilnahme an Gemeinde- und Kreistagswahlen. Hierbei fin- ■ Strategien der Neonazi-Szene(n) in Bremen und den die Aktivisten der NPD eher die Akzeptanz im Bremer Umland der Wähler/-innen. In Niedersachsen beispiels- ■ Gründe für die Attraktivität der rechten Szene – weise haben die Rechtsextremen ihren Mandats- Erklärungsmodelle anteil bei den letzten Kommunalwahlen fast ■ Definitionen von Rechtsextremismus und Ideo- vervierfacht. logien der Ungleichwertigkeit ■ Die Symptomatik der „Gruppenbezogenen Men- Inzwischen wurde die Dreisäulenstrategie ergänzt schenfeindlichkeit“. durch eine vierte Säule, den „Kampf um den orga- nisierten Willen“. Mit diesem Strategieelement wird Obwohl die Zahl der innerhalb der bekannten rechts- versucht, möglichst alle „nationalen Kräfte“ zu bün- extremen Organisationen und Parteien regional deln. Die NPD versteht sich als „Speerspitze der na- aktiven Nazis in den letzten Jahren eher stagnierte tionalen Erneuerung“ und öffnet sich den „aktiven oder sogar zurückging, ist festzustellen, dass sich Kräften des nationalen Widerstandes“. Das Ziel der ihre Strukturen und subkulturellen Zugänge inzwi- angestrebten Sammlungsbewegung ist für die NPD schen oftmals verfestigt haben. Rechtsextreme eine „Volksfront von rechts“. Bands, Neonaziläden, Kneipentreffpunkte in der Grauzone zwischen Hooligans, Rockern und rech- Die modernisierte rechtsextreme Bewegung setzt ten Cliquen bilden oft die Anlaufstellen für diejeni- dabei an zwei – nur auf den ersten Blick nicht zu gen, die sich mehr oder weniger der rechtsextremen vereinbarenden – Rollen- und Auftrittsmustern an: Szene zuordnen wollen. Trotz einiger Differenzen sie wirbt um soziale Akzeptanz, tritt auf als die zwischen diesen Gruppen und Grüppchen begrei- netten Kümmerer von nebenan oder als Helfer/-in- fen sie sich insgesamt als „nationale Bewegung“ nen im Verein oder in der Gemeinde. Rechtsextre- und unterstützen sich gegenseitig. me zielen auf soziale Die modernisierte Kontakte, sie sind prä- Die NPD als Teil dieser Bewegung orientiert sich in rechtsextreme Bewe- sent, bieten ihre Dienste ihrer Strategie an dem von ihr propagierten „Drei- gung wirbt um soziale an. Sie gehen zu den Or- Säulen-Modell“: Akzeptanz ten, wo Jugendliche sich aufhalten, mischen sich ■ Der „Kampf um die Straße“: Die rechtsextreme dazu und fallen nicht mit ihrer Ideologie ins Haus, Bewegung tritt in der Öffentlichkeit durch eine sondern laden zur gemeinsamen Freizeitgestal- Vielzahl von Demonstrationen und Aufmärschen tung ein, zu Konzerten, Abenden bei einem „Frei- in Erscheinung und trifft sich zu sogenannten bier“. Sie bieten Hilfe und Unterstützung an, oft Heldengedenkfeiern. In „national befreiten Zo- und gerne gegen die Eltern der Jugendlichen oder nen“ versuchen sie eine nationale Hegemonie angeblich „linke Pauker“. Der NPD-Vorsitzende und Dominanz gegenüber von ihnen uner- Udo Voigt beschreibt es erstaunlich ehrlich: „Ich wünschten Bevölkerungsgruppen und Anders- muss also immer erst durch meine Person und mei- denkenden durchzusetzen. ne Argumentation überzeugen und dann als ‚Aha- ■ Im „Kampf um die Köpfe“ wollen die Neonazis Erlebnis' die Katze aus dem Sack lassen und mich Themen besetzen und dominieren. Mittels der zur NPD bekennen.“1 „Wortergreifungsstrategie“ versuchen sie, Ver- anstaltungen anderer Organisationen durch ge- zielte Einflussnahme auf Diskussionen für eige- 1 Quelle: Deutsche Stimme 28/2003, Nr. 8, S. 10, zitiert nach Mi- ne Zwecke zu instrumentalisieren und sich als chael Kohlstruck: Alte Ziele und neue Strategien der NPD, Vor- die Wahrer der Interessen der „kleinen Leute“ trag vom 28.03.2007, unter www.inforiot.de/artikel/alte-ziele- und Bürger zu gerieren. neue-strategien-npd abrufbar.

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Lizenz: GNU-FDL/Quelle: Wikipedia Bildungsarbeit, die und Aufklärung ausblen- Alltagserfahrungen det, zielt sie an ihren und kritische Fragen Anliegen vorbei – und Jugendlicher zugunsten verliert bei den Adres- historischer Information saten/Adressatinnen an und Aufklärung aus- Bedeutung und Glaub- blendet, zielt an ihren würdigkeit. Zu reflektie- Anliegen vorbei ren sind die Lebensver- hältnisse und Motive derer, die sich für die rechtsextreme Subkultur ent- schieden haben – und von denen, die sich den Rechtsextremen zwar nicht zugehörig fühlen, aber für Fragmente und Vorurteile autoritärer und Ungleichwertigkeit propagierender Ideologien empfänglich sind. Die Auseinandersetzung mit der Modernisierung rechtsextremer Organisationen und Gruppierungen ist die eine Seite, die Themati- sierung von Vorurteils- und Diskriminierungs- bereitschaft in der „Mitte der Gesellschaft“ und mit gruppenbezogenen menschenfeindlichen Ein- stellungen die andere. Skinheads auf einem Oi!-Konzert. Zusätzlich benötigen diejenigen Unterstützung, Erst gemeinsame Erlebnisse und positive Erfahrun- die diese Einstellungen ablehnen und bereit sind, gen wecken ein Interesse für die politischen Inhalte, sich für ein demokratisches und solidarisches Mit- kostenlos verteilte Musik-CD’s und Konzerte trans- einander in einer vielfältigen und freien Gesell- portieren rechtsextreme Ideologie mehr oder we- schaft zu engagieren. Sie müssen bei der Entwick- niger verklausuliert. lung und Stabilisierung ihres Engagements geför- dert und beraten werden. Sie sind mit ihrer klaren Zugleich zielt ein militanter Flügel – autonome Na- Positionierung und ihrer Engagementbereitschaft tionalisten, freie Kräfte, Kameradschaften, rechts- ein wichtiger Schutz der demokratischen Gesell- extreme Bands – vor allem auf jene Jugendlichen schaft und verhindern die „Normalisierung“ rechts- und jungen Erwachsenen, die für Rebellion und extremer und rechtspopulistischer Positionen. Sie Wut besonders empfänglich sind, die sich von Radika(h)- len angezogen fühlen („die tun wenigstens was“). Ihnen wird vermittelt, die eigene Perspektivlosigkeit sei ein Er- gebnis der Dominanz von Linken und Ausländern – Be- völkerungsgruppen, denen zu viel Aufmerksamkeit und Förderung zulasten der Situation der „einfachen guten Deutschen“ zuteil würden.

Eine Bildungsarbeit, die die- ser Strategie etwas entge- gensetzen will, muss an den Lebenswelten Jugendlicher ansetzen. Wenn sie Alltags- erfahrungen und kritische Fragen Jugendlicher zuguns- © LidiceHaus Bremen ten historischer Information Unterstützung für alle, die sich gegen menschenfeindliche Einstellungen engagieren

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skandalisieren die Diskriminierungen im Schul- Von 2007 bis 2010 erhielt Bremen pro Jahr alltag, in öffentlichen Nahverkehrssystemen am 100.000 Euro Bundesmittel, die Projekten zur Ver- Tag und in der Nacht, die rechtsextremen Dress- fügung gestellt wurden, die rechtsextremen oder codes und rechtsextreme Musik und die Erfah- menschenfeindlichen Einstellungen begegnen, sich rungen mit Alltagsrassismus in der Erwachsenen- um die Integration von Gruppen mit Desintegrations- gesellschaft. erfahrungen oder die Stärkung des Engagements für Vielfalt, Toleranz und Demokratie bemühen. Das LidiceHaus hat für eine systematische Betrach- tung und Bearbeitung der Thematik über einzelne Vielfalt Bremen bot freien Trägern und Projekten Bildungsangebote hinaus Handlungsansätze ent- finanzielle Zuschüsse. Gefördert wurde eine Viel- wickelt, die das Einmischen in Strukturen und Ent- zahl von Projekten in Schule und Jugendarbeit, im wicklungen in einer Stadtgemeinde und einer Re- Stadtteil, im (Sport-) Verein, in der Weiterbildung, gion ermöglichen sollen. Im Folgenden werden in der Öffentlichkeitsarbeit, in der Zivilgesellschaft diese Handlungsansätze vorgestellt. und in der Zusammenarbeit von staatlichen Stellen und freien Trägern und Initiativen. Das Programm unterstützte zugleich die Vernetzung von Trägern, Der Lokale Aktionsplan „ Vielfalt Bremen die mit ihrem Engagement dokumentieren, dass 2007 – 2010“ sie ein Klima schaffen wollen, in dem sich Breme- rinnen und Bremer gegen Rechtsextremismus Im Jahr 2007 initiierte das LidiceHaus den „Lokalen wenden und sich für eine vielfältige und lebendi- Aktionsplan Vielfalt Bremen“ und übernahm die ge Kultur des Miteinander und der Vielfalt stark Koordinierung des BMFSFJ-Programms „vielfalt-tut- machen. gut“ in Bremen. Über die Koordination des Lokalen Aktionsplans im LidiceHaus fanden Interessenten Beratung bei der Antragstellung und in der Projektarbeit. Zu- gleich war die Koordinationsstelle zuständig für die „Verwaltung“ und das „Controlling“ der Pro- jektförderungen. Über Newsletter und eine eigene Homepage www.vielfalt-bremen.de wurden Be- richte aus der Projektarbeit und wichtige weitere Informationen veröffentlicht.

Die Entscheidung über die Vergabe der Mittel traf ein Begleitausschuss, dem u. a. Vertreter der Frak- tionen in der Bürgerschaft, Jugend- und Wohl- fahrtsverbände, der Zentralelternbeirat und die Landeszentrale für Politische Bildung Bremen an- gehörten.

Auf verschiedenen Ebenen wurde die Fortführung des Programms „Vielfalt Bremen“ vorangetrieben. Neben der Möglichkeit zur finanziellen Förderung von Projektvorhaben sollte die Weiterarbeit in ei- nem Netzwerk aus freien Trägern und behördlichen Ressorts befördert werden. Miteinander abgestimm- te Situationsanalysen sollten als Grundlage für die systematische Entwicklung von Reaktions- und Handlungsstrategien dienen. Das Bundesjugendmi- nisterium war bereit, eine Weiterführung des Lo- kalen Aktionsplans mithilfe jährlicher Zuschüsse von 40.000 € im Jahr 2011, 30.000 € in 2012 und 20.000 € in 2013 zu unterstützen. Die Koordina- © LidiceHaus tionsstelle war gern zur Weiterarbeit bereit. Leider Plakat zu „Vielfalt Bremen“. Die bunte Vielfalt kommt konnte sich die Stadt aufgrund ihrer finanziellen in der Schwarz-weiß-Version leider nicht zur Geltung und personellen Notlage nicht dazu entschließen,

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dem Förderantrag zuzustimmen. Der Lokale Ak- Regionalstudie zu GMF in Bremen, in deren Mittel- tionsplan lief damit entgegen aller vorherigen Pla- punkt Fragen zur nungen zur Verstetigung mit Ende des Jahres 2010 aus. Zurzeit wird darüber beraten, wie die Aktivitä- ■ Verbreitung gruppenbezogener menschen- ten auch nach Auslaufen der Programmmittel in feindlicher Vorurteilsmentalitäten und Bremen auf anderer Ebene, zum Beispiel über die ■ zur Bereitschaft in der Bevölkerung, sich gegen Aktivitäten des LidiceHauses, weitergeführt wer- Rechtsextremismus und für ein demokratisches den können. Zusammenleben zu engagieren,

standen. Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus Das LidiceHaus ist dabei lokaler Kooperationspart- ner für die Untersuchung. Am LidiceHaus angesie- Als das Bundesministerium für Familie, Senioren, delt ist ein Gremium von Fachleuten, das die Unter- Frauen und Jugend den Bundesländern die Möglich- suchung begleitet – und gemeinsam mit dem IKG keit bot, Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextre- Handlungsstrategien zur Bearbeitung und Publika- mismus aufzubauen, übernahm das LidiceHaus auch tion der Ergebnisse und lokalen Befunde entwickelt. hier die Aufgabe, Konzepte für ein strategisches Be- ratungsmodell im Land Bremen zu entwickeln. Beim Die Ergebnisse werden im Juni 2011 öffentlich vor- bremischen Beratungsnetzwerk „pro-aktiv gegen gestellt, zentrale Fragen neben den Befunden sind Rechtsextremismus“ übernahm es Beratungsaufga- vor allem die nach der Wirksamkeit der lokalen Netz- ben mit Schwerpunkt in der Stadt Bremen. werke und neuen oder zusätzlichen Handlungsbe- darfen und -strategien. Welche Haltungen und Seit 2006 vertritt Andrea Müller das Land Bremen Handlungskonzepte befördern die Herausbildung im wissenschaftlichen Beirat der Clearingstelle demokratischer Einstellungen? Und was befördert Rechtsextremismusprävention im Justizministerium autoritäre und menschenfeindliche Orientierungen? des Landes Niedersachsen und im niedersächsischen Beratungsnetzwerk. In der praktischen Arbeit ist Die Befunde der bundesweiten Studien sind ein- das LidiceHaus gefragter Partner bei der Beratung deutig: Wo Politik, Behörden und Zivilgesellschaft von Jugendämtern, Kommunen, freien Trägern, In- sich nicht, wenig oder indifferent verhalten, kön- itiativen und in der Fortbildung und Beratung ihrer nen sich Rechtsextremismus und gruppenbezogene Mitarbeiter/-innen und Teams. Menschenfeindlichkeit nahezu ungehindert ausbrei- ten – und im Umkehrschluss gilt: Wo es eindeuti- Das LidiceHaus gilt auch Trägern und Kollegen/Kol- ge Haltungen und ein gut abgestimmtes Handeln leginnen in anderen Arbeitsfeldern und Regionen von Politik, Bildungsinstitutionen, Behörden und Zi- als wichtiger Partner für die Entwicklung und Qua- vilgesellschaft gibt, findet der Rechtsextremismus lifizierung eigener Handlungskonzepte. Die Hoch- signifikant weniger Nährboden – die Neigung zu schule für Öffentliche Verwaltung Bremen nutzt demokratischen Einstellungen wächst. Die Süddeut- die Kompetenz der Einrichtung im Rahmen der sche vom 4. Dezember 2010 berichtet über die neu- Ausbildung von Jugendbeauftragten und Kontakt- en Ergebnisse der Studien zur gruppenbezogenen bereichsbeamten der bremischen Polizei. Menschenfeindlichkeit und stellt fest, dass es nicht (nur) die Welt der Modernisierungsverlierer ist, die ihre Not in Bereitschaft zur Diskriminierung der Regionalstudie: Gruppenbezogene (noch) Schwächeren wenden. Die Zustimmung ge- Menschenfeindlichkeit in Bremen rade der reichen und wohlhabenden, gutsituierten Deutschen zu Islamfeindlichkeit und zu Privilegien Durch fachliche Kontakte zum Institut für Interdis- für die Alteingesessenen nehme „besonders deut- ziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni- lich“ zu. versität Bielefeld ist es uns in den vergangenen Jahren gelungen, die Wahrnehmung von Vorur- teilsmentalitäten und Diskriminierungsbereitschaf- Bundesweites Praktiker/-innentreffen ten in der Mitte der Gesellschaft stärker in den Fo- „Jugendarbeit in rechten Szenen“ cus zu rücken. Seit 1992 finden regelmäßig Tagungen und Veran- Im Winter 2010 realisierte das IKG Bielefeld (Prof. staltungen statt, die Kollegen/Kolleginnen aus dem Dr. Wilhelm Heitmeyer, Andreas Grau u. a.) eine gesamten Bundesgebiet, die sich mit rechten Ju-

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gendszenen befassen, zusammenbringen. Der inten- zubieten. Weiterer Bestandteil ist die Einübung von sive Austausch über Praxiserfahrungen, Ergebnisse Beratungsgesprächen unter Anleitung ausgebilde- aus der Forschung und Modellprojekten sowie die ter Trainer/-innen und Berater/-innen. Weiterentwicklung konzeptioneller Grundlagen dieses Arbeitsbereiches stehen dabei im Vorder- Das LidiceHaus hat mit dieser Beratung einen Stein grund. Das LidiceHaus kann hier auf die langjähri- ins Rollen gebracht. Inzwischen fragen Eltern bun- ge Kooperation mit den Professoren Kurt Möller, desweit um Rat bei der Suche nach einem Bera- Hochschule Esslingen, Franz Josef Krafeld, Hoch- tungsangebot in ihrer Region, für die Region Bre- schule Bremen, und weitere Partner aus dem ge- men und Umland hat das LidiceHaus selbst ein – in samten Bundesgebiet zurückgreifen. Im Mittelpunkt den Ressourcen umgrenztes – Beratungsangebot dieser Veranstaltungen steht der Dialog zwischen geschaffen. Wissenschaft und Praxis, also denjenigen, die in ih- rem Arbeitsalltag mit rechtsextremen oder rechts- Im Rahmen des neuen Bundesprogramms „Toleranz orientierten Jugendlichen konfrontiert sind. Beob- fördern – Kompetenz stärken“ stellte das LidiceHaus achtungen aus der Praxis werden gespiegelt mit einen Antrag auf Förderung eines Modellprojek- Erkenntnissen der Wissenschaft. Die Veranstaltung tes. In dessen Mittelpunkt steht eine deutliche Ver- gilt als Ort der Fortbildung und des Erfahrungsaus- stärkung dieses bundesweit anerkannten Arbeits- tausches. bereiches. Projektziele hier sind u. a.:

■ Qualifizierung von Beratern/Beraterinnen für El- Rechte Jungs, rechte Mädchen – ratlose Eltern tern und Angehörige rechtsextremer Jugend- licher Seit dem Jahr 2003 bietet das LidiceHaus Familien- ■ Weiterbildungsangebote für Berater/-innen angehörigen von rechtsextremen Jugendlichen ein ■ Erstellung von Infomaterialien für die Beratungs- je nach Bedarf punktuelles oder kontinuierliches arbeit Beratungsangebot. ■ Erstellung von Eltern- und Angehörigeninforma- tion Im Rahmen des Bundesprogramms „entimon“ er- ■ Beratung für Berater/-innen – Fallcoaching arbeitete das LidiceHaus ein Modellprojekt zur ■ Unterstützung beim Aufbau regionaler Bera- Qualifizierung von Ansprechpartnern/-partnerinnen tungsangebote und Beratern/Beraterinnen. ■ Aufbau eines informellen Beratungsnetzwerkes Beratung von Eltern und Angehörigen Rechts- Die Inhalte und Ziele der dreiteiligen Zusatzqualifi- extremer (Jugendlicher?). kation umfassen folgende Qualifizierungsebenen:

■ Rechtsextremismus, menschenfeindliche Ideolo- Zur Auseinandersetzung mit rechtsextremen gien und Jugendkultur: das Spannungsfeld von Geschäftswelten jugendlichen Subkulturen, Lifestyles und „rechts- extremer, autoritärer“ Identitätsentwicklung; In Zusammenarbeit mit dem „Bündnis Laden- ■ Beziehungsgeflecht Familie: Eltern-Kind-Bezie- schluss“, dem Ortsteilbündnis „Stephaniebünd- hungen und ihr Zusammenhang für den Einstieg nis“, der Hauseigentümergemeinschaft Haus und und Ausstieg in extreme Denk- und Verhaltens- Grund Bremen, der City-Initiative Bremen ist es muster; gelungen, eine gemeinsame Bremer Erklärung ■ Grundlagen von Beratung und Gesprächsfüh- zu formulieren, in deren Mittelpunkt Verträge rung: Erlernen, Einüben und Weiterentwickeln und Immobiliennutzungen durch Rechtsextreme von Beratungs- und Gesprächsführungskompe- stehen. Diese – in der Zusammensetzung ihrer tenz. Urheber – beispielhafte Initiative und Erklärung reagiert auf die steigende Anzahl von Gewer- Die Zusatzqualifikation kann und soll eine umfang- be- bzw. Geschäftseröffnungen aus dem rechts- reiche Berater/-innenausbildung nicht ersetzen. Im extremen Spektrum und ruft dazu auf, keine Im- Zentrum steht das Ziel, individuelle Beratungskom- mobilien- und Geschäftsverträge mit Personen petenzen zu fördern und Handlungssicherheit in und Organisationen aus dem rechtsextremen der täglichen Arbeit zu entwickeln. Die Teilnehmen- Spektrum abzuschließen und ggfs. bestehende den lernen, auf die steigende Beratungsnachfrage Verträge zu kündigen. Inzwischen haben viele durch Eltern und Angehörige bedarfsgerechter zu weitere Organisationen sich als Unterzeichner reagieren und praktikable Beratungskonzepte an- angeschlossen.

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In einem Brief an bremische Makler wirbt die NPD © LidiceHaus Bremen um Unterstützung bei der Gründung einer Landes- geschäftsstelle in Bremen und für den 1. Mai 2011 hat sie ihre zentrale Wahlkundgebung und einen Sozialpolitischen Kongress in Bremen angemeldet.

Das LidiceHaus gehört als Mitaufrufer zum Kreis der Initiativen und Organisationen, die ein klares Signal „Keinen Meter breit für Nazis in Bremen“ senden werden.

Das Bündnis www.Rote-Bunte-Karte.de

Das Bündnis Rote-Bunte-Karte ist ein Zusammen- schluss von derzeit elf Einrichtungen, Organisatio- nen und Betrieben in Bremen und Niedersachsen. Angesichts der zunehmenden Aktivitäten rechter Szenen, Cliquen und Organisationen halten sie es Präsentationen von roten Karten gegen Rechts für notwendig, deutlich und öffentlich Anti-Posi- tion zu beziehen. Genauso wichtig ist es uns, posi- ve in einer Auflage von ca. 250.000 Gratispostkar- tive Leitbilder wie Vielfalt, Individualität, Respekt, ten veröffentlicht und verteilt und dazu eine Pla- Solidarität, Integration und Verantwortung mit In- katserie öffentlich vorgestellt werden. Aufgrund halten und Leben zu füllen. Über die Verbreitung der großen Resonanz wurden im Herbst 2010 zwei der Roten-Bunten-Karten mit öffentlichen Aktionen Workshopwochenenden – mit Fördermitteln des und in Workshops mit Jugendlichen wollen wir ei- Lokalen Aktionsplan Vielfalt Bremen – unter dem nen Beitrag für ein starkes, gemeinsames anti- Stichwort „gewitzt gegen Rechts“ durchgeführt. faschistisches Engagement und für den notwendi- gen gesellschaftlichen Diskurs „Demokratie versus In einer Postkartengruppe wurden satirische Moti- Rechtsextremismus“ leisten. Inzwischen konnten ve zum Druck vorbereitet. Erstmalig wurde in den weit über 20 von Jugendlichen entwickelte Moti- Workshops auch mit dem Medium Video gearbei- tet. Auf einer DVD sind vier © LidiceHaus Bremen Beiträge nach Ideen der Jugendlichen zusammen- gestellt, ergänzt um Post- kartenmotive und Materia- lien zur Zusammenarbeit im Bündnis Rote-Bunte- Karte. Die Workshops wur- den tatkräftig unterstützt von Pago Balke, Filme- macher und Regisseur, und Til Mette, Karikaturist und Zeichner. Für die Film- produktion wurden ein professionelles Filmema- cher/-innenteam und als Ergänzung zu den Jugend- lichen Schauspieler/-innen des Theaterlabors Bremen eingeladen. Die bei dem Workshop entstandenen Videoclips sind bei youtube unter dem Stichwort „ge- witzt gegen Rechts“ zu se- hen, Clips und Postkarten Teilnehmer/-innen an einem Workshop des Bündnisses Rote-Bunte-Karte stehen auf der Homepage

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des Bündnisses als download zur Verfügung. lichen unbehelligt zu bleiben. Werden Straftaten (www.rote-bunte-karte.de). nicht verfolgt, steigert dies die Anziehungskraft ge- waltorientierter Lebenswelten und Einstellungen für einen Teil von Jugendlichen, die dafür anfällig sind. Die Arbeit gegen Rechtsextremismus ist schwieriger geworden und manchmal Zur Bundestagswahl 2009 plakatierte die NPD gefährlich pünktlich zu Beginn des 18. bundesweiten Prakti- kertreffens „Jugendarbeit in rechten Szenen“ ziel- Aber auch über Besorgniserregendes ist zu berich- gerichtet die Straße, jeden Laternenpfahl von der ten: Das LidiceHaus war und ist Ziel neonazistischer einen Grundstücksgrenze bis zur anderen. Überfälle. Im Februar 2008 gab es gleich drei rechtsextreme Überfälle auf unser Haus. Innerhalb Die gesellschaftlichen Konflikte verschärfen sich: Es einer Woche stürmten junge, mit Steinen bewaff- sind nicht nur rechtsextreme Parteien, die gegen nete Angehörige der rechtsextremen Szene zwei Zuwanderer Stimmung machen. Die peinliche und Mal auf das Gelände, zertrümmerten das Lidice- zynische Debatte über die Bildungs-, Arbeits- und Haus-Fahrzeug, schlugen Scheiben ein und schleu- Integrationsfähigkeit von Zuwanderern findet in derten – im ersten Fall – dem Zivildienstleistenden, der Mitte der Gesellschaft statt, und ihr wird aus der durch den Lärm zersplitternder Scheiben auf- dieser Mitte keine machtvolle Ablehnung zuteil. Es gewacht war, einen schweren Stein entgegen. gibt vielmehr große Zustimmung zu diskriminie- renden und vorurteilsgeprägten Aussagen in wei- Einige Tage später wurden Scheiben am alten Ge- ten Bevölkerungskreisen. Dies verweist auf einen bäudeteil des LidiceHauses eingeschlagen, das Ge- Wertewandel, von dem inzwischen auch große bäude wurde mit aufgesprühten Sprüchen und Teile der bürgerlichen Gesellschaft erfasst zu sein Tags wie „Terrormaschine C18“, „Rote Karte Nein scheinen. Grundgesetz und Verfassungsrechte, Danke“ und anderen Parolen beschmiert. Gleichheitsgrundsätze, Menschenrechte, Solidarität verkommen mehr und mehr zu hohlen Begriffen, Auch andere Einrichtungen waren Opfer solcher die im Alltag offenkundig ihre Bedeutung als Grund- Angriffe: der St. Pauli-Info-Laden, das Technologie- lage politischen und gesellschaftlichen Diskurses und Zentrum und das Haus einer Wohngemeinschaft in Handelns eingebüßt haben. der Uthoffstraße in Bremen-Nord. Polizei und Staats- schutz waren überrascht von der Brutalität und der Unsere Arbeit findet also in einem sich verschlechtern- Häufung solcher Überfälle. Fachleute vermuten die den gesellschaftlichen Klima statt, in dem die Ausgren- Täter/-innen in unterschiedlichen rechtsextremen zung großer Bevölkerungsteile zunimmt. Davon be- Gruppierungen und Hooligan-Gruppen aus Bremen troffen sind ja nicht nur die (vor allem muslimischen) und dem Umland. Zuwanderer; auch Obdachlose, HARTZ-IV-Empfän- ger/-innen, Langzeitarbeitslose stoßen auf Ressenti- Durch diese Überfälle wurde auch für Bremen ments und werden unter den Generalverdacht ge- „schlagartig“ klar: rechtsextreme Gewalt richtet stellt, sich auf Kosten der „Leistungsträger“ ein sich nicht allein gegen Minderheiten, sondern zielt schönes Leben zu machen. Ein Engagement, das den auch gegen den politischen Gegner und alle, die Anspruch auf Gleichwertigkeit und Gleichberechti- sich gegen Rechtsextremismus engagieren. gung aller Menschen gegen rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen und politische Strate- Die Art des Vorgehens legt die Vermutung nahe, gien verteidigt, erfordert unter diesen Voraussetzun- dass es sich bei den Überfällen um wohlvorbereite- gen größere Anstrengung und stößt auf mancherlei te Taten handelt, die miteinander in Verbindung Widerstand. Aber: Wir lassen uns nicht entmutigen. stehen. Polizei und Staatsanwaltschaft konnten ei- nige der Tatverdächtigen ermitteln; nach Auskunft Andrea Müller ist Pädagogischer Mitarbeiter des Innensenators wird neben den Einzeldelikten bei der Jugendbildungsstätte Bremen/Lidice- auch eine Anklage wegen Bildung einer kriminel- Haus und vertritt dort u. a. die Themenschwer- len Vereinigung geprüft. punkte cliquenorientierte und aufsuchende Jugendarbeit, Gewalt und Rechtsextremismus Die klare und konsequente strafrechtliche Verfol- als Themen in Jugendarbeit und Gesellschaft, gung erscheint uns besonders wichtig: rechtsextre- Teamberatung und Entwicklung von Model- me Hooligans und Rechtsextreme wiegen sich allzu len der Jugendarbeit. Er ist erreichbar über die Adresse des Lidice- häufig in der Sicherheit, bei von ihnen verübten Hauses: Weg zum Krähenberg 33, 28201 Bremen. Straftaten, Überfällen und Verbrechen im Wesent- E-Mail: [email protected]

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Der Deutsche Qualifikationsrahmen - Eine Chance für non-formale Politische Bildung Eine Replik auf Boris Brokmeier und Paul Ciupke Benedikt Widmaier

In einer früheren Ausgabe dieser Zeitschrift nah- Ciupke angestoßene, sehr notwendige Debatte ge- men Boris Brokmeier und Paul Ciupke gegen Be- ben. strebungen Stellung, die außerschulische politische Bildung den Kompetenzstufen eines Deutschen Zunächst muss konstatiert werden, dass der DQR Qualifikationsrahmens anzupassen, der auf natio- nur ein (Zwischen-)Schritt in einer langen und an- naler Ebene eine Entsprechung zum Regelwerk des dauernden internationalen bildungspolitischen Ent- Europäischen Qualifikationsrahmens herzustellen wicklung ist. Er steht, wenn auch herausragend, so versucht. Dass sie damit eventuell eine Chance ver- doch nur exemplarisch für eine ganze Palette eu- passen, der außerschulischen politischen Bildung ropäischer (aber keines- als Teil non-formaler Bildung neue Geltung zu ver- Der DQR steht exem- wegs nur europäischer) schaffen, ist die Argumentation von Benedikt Wid- plarisch für keineswegs Entwicklungen, die der- maier, der in seiner hier dokumentierten Replik be- nur europäische Ent- zeit sukzessive in natio- gründet, weshalb er es für angesagt hält, die sich wicklungen, die sukzes- nale Bildungspolitik durch internationale bildungspolitische Entwick- sive in nationale Bil- überführt werden. Dass lungen bietenden Möglichkeiten zu nutzen. dungspolitik überführt dabei die „non-formale werden Bildung“ wie auch die „politische Bildung“ ei- Wenn sich zwei so erfahrene und reflektierte Kol- nen höheren Stellenwert und höhere Aufmerk- legen wie Boris Brokmeier und Paul Ciupke ge- samkeit erhalten haben als in den nationalen Bil- meinsam zu einem Thema positionieren, dann lässt dungsdiskursen der 90er-Jahre, ist eigentlich eine das aufhorchen. In einem Beitrag in Heft 2/2010 Chance für unsere Profession, die sie bisher noch der „Außerschulischen Bildung“ greifen die beiden nicht wirklich ergriffen hat. dankenswerterweise das Für die zukünftige (auch) für die weitere Exemplarisch lässt sich das an dem inzwischen mehr Entwicklung unserer Entwicklung der non-for- als zehn Jahre alten „Memorandum über Lebens- Profession ist es von malen Politischen Bil- langes Lernen“ der EU (2000) gleich für beide Fel- herausragender Bedeu- dung wichtige Thema der zeigen – also für die politische Bildung wie das tung, dass neue bil- „Deutscher Qualifika- non-formale Lernen. In diesem Memorandum wer- dungspolitische Ent- tionsrahmen“ (DQR) auf. den „Active Citizenship“ und „Employability“ als wicklungen offensiv Selbstverständlich ist es die beiden gleichrangigen Bildungsziele des Le- aufgenommen und für die zukünftige Ent- benslangen Lernens in der EU benannt. Dass seit- angemessen integriert wicklung unserer Profes- her vor allem die Beschäftigungsfähigkeit einen werden sion von herausragender Bedeutungszuwachs verzeichnen kann, hat vielfäl- Bedeutung, dass neue tige, auch in Diskussionsbeiträgen zum DQR dar- bildungspolitische Entwicklungen offensiv aufge- gestellte und kritisierte Gründe („neoliberaler Zeit- nommen und angemessen integriert werden. Im geist“), auf die hier nicht weiter eingegangen Blick auf den DQR kommen Brokmeier und Ciupke werden soll. Dass infolgedessen „Active Citizen- (dagegen?) zu der Schlussfolgerung, die außer- ship“ in der gesamten Debatte zum EQR und DQR schulische politische Jugend- und Erwachsenenbil- weniger Bedeutung hatte/hat, ist deshalb zunächst dung sollte „offensiv das Selbstverständnis einer nicht erstaunlich. wichtigen Nische pflegen, die anders strukturiert ist“ (S. 139), als es der DQR anstrebt. Es wäre aber Aufgabe der Lobbyisten der Politi- schen Bildung (Citizenship Education!) gewesen, Unter Berücksichtigung allgemeiner bildungspoli- den „Steilpass“ des Memorandums offensiver an- tischer, vor allem auch internationaler und europä- zunehmen und entsprechend für sich zu nutzen. ischer Entwicklungen erscheint mir dieser ausschließ- Diese Chance ist nach meinem Dafürhalten aber lich kritische und distanzierte Blick auf den DQR innerhalb der Profession der non-formalen Politi- jedoch zu kurz gegriffen. Die von Brokmeier/Ciup- schen Bildung in Deutschland kaum oder nur ver- ke in kritischer Absicht vorgetragene Position, sich einzelt gesehen worden. Erst Anfang 2011 ist, der Diskussion zu verschließen, könnte am Ende angestoßen durch den so genannten Forscher- sogar die Existenz einer eigenständigen Domäne Praktiker-Dialog für Internationale Jugendarbeit, „Non-formale Politische Bildung“ gefährden. Ich eine Expertise erschienen, in der die europäischen will dies in der gebotenen Kürze einer Replik – und Dokumente zur „Active Citizenship“ zusammenge- zunächst ohne tiefer in die Debatte einzusteigen – tragen und kommentiert werden (http://www2. kommentieren und einige persönliche und profes- transfer-ev.de/uploads/expertise_active_citizenship_ sionsorientierte Anregungen für die von Brokmeier/ 2010.pdf). Spät, aber hoffentlich nicht zu spät, wird

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„Active Citizenship“ damit im Kontext unserer Trä- eingeschätzt werden. Was dort inhaltlich in drei Ab- gerstrukturen der non-formalen Politischen Bildung sätzen und 25 Zeilen über diese soziale, politische (und darüber hinaus!) ins Bewusstsein gerufen. Schlüsselkompetenz ausgeführt wird, liest sich wie eine gute Zusammenfas- Noch heute tun sich In dem über zehn Jahre Politische Bildung auf sung von Zielen und Auf- Kolleginnen und Kolle- alten Memorandum der ihren Kern, also auf das gaben der non-formalen gen schwer, wenn von EU werden bereits die Politische hin zu orien- Politischen Bildung. non-formaler Politischer Felder des formalen, tieren, erscheint mir Bildung gesprochen non-formalen und infor- eine zentrale Überle- Damit komme ich zu ei- wird mellen Lernens beschrie- bensstrategie in der nem Punkt, der mir als ben und gegeneinander aktuellen bildungspoli- politikwissenschaftlich abgegrenzt und ihr Wert als eigenständige, sich er- tischen Gemengelage denkender Pädagoge gänzende Bildungsbereiche betont. Trotzdem tun besonders wichtig er- sich noch heute Kolleginnen und Kollegen schwer, scheint. Mit ihrer Anmerkung, dass „mit der Favori- wenn von non-formaler Politischer Bildung ge- sierung sozialer Kompetenzen als Bonum politischer sprochen wird. Auch daran lässt sich ablesen, wie Bildung (...) diese in der Tat immer unpolitischer“ langsam und oft mühsam die an internationalen wird (S. 138), rennen die beiden Kollegen bei mir Entwicklungen orientierte strategische Neuausrich- offene Türen ein. Politische Bildung auf ihren Kern tung unserer Profession sich gestaltet. zu konzentrieren (zurückzuführen), also auf das Politische hin zu orientieren, erscheint mir eine Seither gab es immer wieder wichtige europäische zentrale Überlebensstrategie in der aktuellen bil- Beschlüsse, die zum Teil noch deutlicher bildungs- dungspolitischen Gemengelage. Für Außenstehen- politische Begründungen für ein eigenständiges de muss gewissermaßen deutlich werden, was das/ Arbeitsfeld „non-formale Politische Bildung“ lie- die Alleinstellungsmerkmal/e der non-formalen Po- fern. Diese könnten in der aktuellen Debatte viel litischen Bildung sind. Dazu gehört auch eine Be- schlagkräftiger für die Absicherung unserer Profes- schreibung ihrer Inhalte – die in demokratischen po- sion ins Feld geführt werden, als die von Brokmeier litischen Kulturen und einer infolgedessen pluralen und Ciupke zusammengetragenen – nicht falschen, Trägerlandschaft natürlich unterschiedlich gewich- aber auch nicht unbedingt zeitgemäßen – Argu- tet sein sollten. mente. Hier sehe ich eine wichtige Verbindung zu den ak- So erwähnt beispielsweise die auch von Brokmeier/ tuellen spannenden Diskussionen der schulischen Ciupke zitierte Stellungnahme wichtiger Träger der Politikdidaktik. Auch dort wird im Sog internatio- Weiterbildung zum DQR vom 21.12.2009 zu Recht, naler Entwicklungen heftig über Kompetenzen und dass „die konsequente Einbeziehung der auf euro- Basiskonzepte (etwa zu definieren als das Konzen- päischer Ebene im EQR angelegten Schlüsselkom- trat und die Inhalte der Politischen Bildung) disku- petenzen“ wichtig erscheint. Damit wird einerseits tiert. Ich kann nicht nachvollziehen, warum es dem deutlich, dass der alleinige verkürzte Blick auf die traditionellen Selbstverständnis der non-formalen technische Umsetzung des DQR – also auf Niveau- Politischen Bildung widersprechen soll, der (Fach)- stufen und Kompetenzbeschreibungen – nicht dem Öffentlichkeit deutlich zu machen, wofür sie inhalt- Entwicklungsprozess des Europäischen Qualifika- lich steht und was sie infolgedessen auch inhaltlich tionsrahmens gerecht wird. Völlig richtig verweist legitimiert. Die vereinzelten Versuche, auch für non- hier die Stellungnahme der Weiterbildung auf die formale Bildung einen solchen Kanon zu beschrei- in der europäischen Debatte hervorgehobene Be- ben (etwa Klaus Körbers „Checkliste Politische Bil- deutung von Schlüsselkompetenzen für das Lebens- dung“ von 2003, http://www.die-bonn.de/esprid/ lange Lernen. dokumente/doc-2003/koerber03_01.pdf), sind nach meiner Beobachtung nie ernsthaft debattiert bzw. Hier kommt dem gemeinsamen Vorschlag des Eu- eher ablehnend zu Kenntnis genommen worden. ropäischen Rates und des Europäischen Parlaments zu „Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen“ Citizenship Education Wir sollten nicht ver- vom 18.12.2006 eine herausragende Bedeutung zu liegt seit einigen Jahren gessen, dass die in der (http://ec.europa.eu/education/policies/2010/doc/ im Trend (west-)deutschen Nach- keyrec_de.pdf). Dass dort unter acht Schlüsselkom- kriegsgeschichte unum- petenzen auch „Soziale Kompetenz und Bürger- strittene non-formale Politische Bildung an (bil- kompetenz“ genannt werden, kann in seiner Be- dungs-)politischer Bedeutung verloren hat. Ge- deutung für unsere Profession gar nicht hoch genug samteuropäisch betrachtet liegt Citizenship Educa-

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tion dagegen seit einigen Jahren eher im Trend. Es Benedikt Widmaier ist Direktor der Akademie erscheint deshalb sinnvoll, die oben beschriebenen für politische und soziale Bildung der Diözese neuen europäischen Legitimationsangebote (Acti- Mainz „Haus am Maiberg“ und Lehrbeauf- ve Citicenship, Eigenwert der non-formalen Bil- tragter an den Universitäten Darmstadt und dung, soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz Heidelberg (Politikwissenschaften) sowie der als Schlüsselkompetenz im Rahmen Lebenslangen Universität Gießen (Didaktik der Sozialwissen- Lernens) als Chance zu betrachten und für die stra- schaften). tegische Absicherung unserer Profession zu nut- zen. Deshalb sollte die non-formale Politische Bil- Er ist erreichbar über das Haus am Maiberg unter der Adresse dung das Eine tun und das Andere nicht lassen: Sie Ernst-Ludwig-Straße 19, 64646 Heppenheim. sollte sich aktiv in die Entwicklung des DQR einmi- schen und offensiv eine besonders profilierte Ni- E-Mail: [email protected] sche pflegen.

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Politik erleben und Möglichkeiten politischer Arbeit kennenlernen Jugendfreiwilligendienst im politischen Leben Sachsen-Anhalts Ann-Kathrin Preuschoft

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten bestimmt die Konsequenzen aus bestimmten politischen Ent- nach einer ausführlichen Diskussion in den Gremien scheidungen an der Basis kennen und erleben die des Verbandes jährlich ein Thema, das auf aktuelle Möglichkeiten der Mitwirkung der „Betroffenen“. politische Herausforderungen Bezug nimmt. Es soll Die Freiwilligen setzen sich mit den durch ihre Ein- die Mitglieder des Verbandes dazu anregen, das je- satzstelle gegebenen politikrelevanten Aufgaben weilige Thema in ihren Veranstaltungen aufzugrei- auseinander und lernen diese spezifische Perspek- fen. tive durch das Gespräch mit anderen Freiwilligen aus anderen Einsatzstellen zu reflektieren und zu Im Jahr 2011 lautet es: „Neue Beteiligungsformen relativieren. in der repräsentativen Demokratie – demokrati- sche Beteiligungsformen nutzen“. Im Rahmen des FSJ Politik wird den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, sich mit Themen zu befas- Der AdB hat diesem Thema seine Jahrestagung 2010 sen, zu denen sie selbst eine Beziehung haben bzw. gewidmet und in einer Stellungnahme begründet, aufbauen können, und diese in politische Zusam- welche Aspekte ihm dabei besonders wichtig sind menhänge einzuordnen. Dies müssen nicht typi- und welche Aufgaben sich der politischen Jugend- sche „Jugend-Belange“ sein, vielmehr können es und Erwachsenenbildung im Zusammenhang da- auch Fragen der Kultur, des Sports, der Bildungs- mit stellen (s. dazu „Außerschulische Bildung“ 4-10, politik oder des zukünftigen Berufsfeldes sein – je S. 350). nach Interesse.

In den Heften dieses Jahrgangs präsentieren wir Als „Politisch“ gelten im FSJ Politik alle Bereiche, in nun Beispiele aus den Mitgliedseinrichtungen des denen Berufspolitiker/-innen agieren oder politische AdB, um die Vielfalt der Konzepte zur Bearbeitung Interessengruppen wirksam werden, Verwaltun- des Themas deutlich zu machen. gen Beschlüsse vorbereiten oder schon umsetzen, aber auch Medien, mit denen Inhalte transportiert, kommentiert und auch variiert werden. Politisch Die Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste sind auch gesellschaftliche Gruppierungen, die an (ijgd) e. V. Landesverein Sachsen-Anhalt realisieren politischen Entscheidungen mitwirken und spezifi- seit Januar 2008 mit dem „Freiwilligen Sozialen sche Interessen dabei vertreten. Dieses gesamte Jahr im politischen Leben“ die besondere Form ei- Feld wird als „politischer Bereich“ verstanden. Dabei nes Jugendfreiwilligendienstes in Sachsen-Anhalt. reicht das Einsatzstellenspektrum von Landtags- fraktionen und Stadt- und Gemeindeverwaltungen Das Freiwillige Soziale Jahr im politischen Leben über Initiativen und Vereine des Bürger- und (FSJ Politik) zielt auf Partizipation, Engagement- Jugendengagements, Offene Kanäle, Gedenk- bereitschaft und die Stärkung des politischen Inte- stätten und Institute der Sozial- und Wirtschafts- resses junger Menschen. Es gibt Jugendlichen die politik bis hin zu Einsatzstellen im Bereich der Gelegenheit, über einen Zeitraum von einem Jahr Interessenvertretung/zivilgesellschaftlichen Akteu- Politik aus der Nähe zu beobachten, um sie besser re wie Kinder- und Jugendringen, etc. zu verstehen und dann selbst aktiver werden zu können. Das FSJ Politik soll jungen Menschen im Das FSJ Politik ergänzt die Inhalte des Gemein- Alter zwischen 16 bis 27 Jahren ermöglichen, schaftskunde-/Sozialkundeunterrichts, bietet den Strukturen, Aufgaben und Arbeitsabläufe politisch Teilnehmer/-innen (in der Regel nach der Schule) relevanter Institutionen kennenzulernen. Sie sollen die Möglichkeit, praktisch tätig zu werden, und politische und gesellschaftliche Ereignisse aus der lässt Raum zur mitgestalteten Seminararbeit. Nähe betrachten und miterleben können. Parallel dazu sollen sie Kenntnisse über das politische Sys- Im FJS Politik werden Im FSJ Politik werden tem, die Verfahren, Partizipations- und Interven- Möglichkeiten non- Möglichkeiten non-for- tionsmöglichkeiten er- formalen Lernens mit malen Lernens mit Ange- Die Teilnehmer/-innen werben bzw. erneuern. Angeboten politischer boten politischer Bildung erhalten Einblicke in Bildung kombiniert kombiniert. Die politi- Bereiche institutionel- Die Teilnehmer/-innen sche Bildung spielt im ler bzw. professioneller erhalten einerseits Ein- FSJ Politik eine zentrale Rolle. Einerseits findet Politik, lernen aber blicke in Bereiche insti- politische Bildung tagtäglich in den Einsatzstellen auch die Konsequen- tutioneller bzw. profes- statt. Hier haben die Teilnehmer/-innen die Mög- zen aus politischen Ent- sioneller Politik, ande- lichkeit, auf unterschiedliche Art und Weise direkt scheidungen kennen rerseits lernen sie auch Einblicke in politische Prozesse und Strukturen zu

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erhalten und an diesen mitzuwirken. Über die gend die berufliche Orientierung, politisches Inter- Reflexion der Arbeit mit ihren Anleitern/Anleite- esse, politisches Engagement in geregelten Bah- rinnen in den Einsatzstellen werden daraus Lern- nen und das Kennenlernen des Arbeitsalltags so- prozesse. Sie lernen politisches Geschehen einzu- wie die Überbrückung zwischen Schule und ordnen und entwickeln Politikverständnis. Ausbildung/Studium genannt.

Darüber hinaus wird die politische Bildung der Teil- nehmer/-innen insbesondere in den vier von den Eine erste Bilanz aus der Sicht von Teilneh- ijgd organisierten und durchgeführten fünftägi- menden und Einsatzstellen gen Seminaren und weiteren fünf von den Freiwil- ligen unter Anleitung der Referentin der ijgd „Bei dem Aufbau eines Jugendparlamentes lerne selbstorganisierten Bildungstagen gefördert. Jeder ich den politischen Alltag kennen und merke Tag Freiwillige entwickelt und organisiert ferner inner- für Tag, dass politisches Arbeiten genau mein Ding halb seines einjährigen FSJ´s ein eigenverantwortli- ist. Hier kann ich meine Ideen einbringen, kon- ches Projekt seiner Wahl. struktiv diskutieren, habe das Gefühl, etwas Gutes zu tun und habe Spaß dabei.“ Paul Herbert, Gemeinde Barleben Die Teilnehmer/-innen „Ich beschäftige mich mit Redaktions- und Recher- Seit Januar 2008 absolvierten 94 Jugendliche ihr chearbeiten zu tagesaktuellen politischen Themen. Freiwilliges Soziales Jahr im politischen Leben in So habe ich die Möglichkeit, bei der politischen Bil- Sachsen-Anhalt. Teilnehmen an dem Projekt kön- dung der Hörer mitzuwirken und auch mich selbst nen generell alle Jugendlichen im Alter zwischen weiterzubilden. Ich würde sagen, dass sich ein FSJ 16 und 26 Jahren, die die Vollzeitschulpflicht er- Politik lohnt, weil man tolle, neue Erfahrungen füllt haben. Als Haupt- machen kann, viel lernt und sein Politikwissen Das Verhältnis von zielgruppe hat sich in erweitern kann. … Ich habe Einblicke erhalten in weiblichen und männ- den vergangenen drei politische Strukturen innerhalb des Landes, aber lichen Teilnehmenden Jahren die Altersgruppe auch innerhalb eines Vereins. Ich habe erlebt, was ist sehr ausgewogen zwischen 17 und 23 Jah- ich alles leisten kann, wenn ich gefordert werde. ren herauskristallisiert. Das FSJ Politik hat meine Einstellung im Hinblick Während im regulären Freiwilligen Sozialen Jahr darauf geändert, was wichtig im Leben ist und was nach wie vor die Zahl der weiblichen Teilnehmen- nicht.“ Solvejg Beyer, radio Corax, Halle den überwiegt, stößt das FSJ Politik auch auf großes Interesse bei jungen Männern, so dass das Verhält- „Durch die Arbeit des Freiwilligen soll das Interesse nis von weiblichen und männlichen Teilnehmen- von Jugendlichen und Heranwachsenden an basis- den sehr ausgewogen ist. demokratischen Vorgängen und am politischen Leben in der Gemeinde Barleben gefördert wer- Die jugendlichen Teilnehmer/-innen bewerben sich den. Mithin soll ebenfalls das Interesse geweckt in der Regel direkt nach der Schule für das FSJ Poli- werden, selbst Verantwortung in politischen und/ tik und nutzen das Jahr überwiegend zur Selbstfin- oder ehrenamtlichen Positionen zu übernehmen. dung und beruflichen Orientierung. In der Regel Der in der Gemeinde Barleben eingesetzte Freiwil- verfügen die interessierten Jugendlichen über einen lige soll durch den Aufbau eines ,Kinder- und höheren Schulabschluss, d. h. sie haben die Real- Jugendparlamentes‘ einen entscheidenden Beitrag schule oder das Gymnasium erfolgreich abgeschlos- leisten. (…) sen. In den drei Jahren seit Beginn des Projektes Der Nutzen für die Einsatzstelle ist vor allem darin bewarben sich bisher lediglich vier Jugendliche mit zu sehen, dass Kinder- und Jugendliche als Ziel- einem Hauptschulabschluss, einer dieser Jugend- gruppe im politischen Entscheidungsprozess durch lichen hat sein FSJ Politik mit Erfolg absolviert. die aktive Mitarbeit an solchen besser adressiert werden können. Zumeist wird die Entscheidungs- Die Anforderungen an die Jugendlichen von Seiten findung im Sinne der Kinder und Jugendlichen der Einsatzstellen sind in der Regel, dass die Frei- getroffen, ohne ihnen selbst ein entsprechendes willigen offen für die Arbeit im politischen Bereich Gehör zu verschaffen oder verschaffen zu können. sein sollen, das sie engagiert und motiviert und be- Im Idealfall kann die Verfahrensweise ,Politik und reit sind, sich mit eigenen Ideen einzubringen. Als Mitgestaltung an Entscheidungsprozessen für Kin- Motivation der Jugendlichen, sich für ein FSJ im der/Jugendliche (durch Erwachsene)‘ durch ,Poli- politischen Bereich zu bewerben, werden überwie- tik und Mitgestaltung an Entscheidungsprozessen

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für Kinder/Jugendliche von Kindern/Jugendlichen‘ Bewerbungsverfahren. Es reicht ein kurzes Telefo- ersetzt werden. (…) nat oder eine E-Mail, denn bürokratische Umstands- Die Einsatzstelle stellt sich selbst die Anforderung, krämerei ist dort ebenso ein Fremdwort wie bei den Freiwilligen ein möglichst breites Betätigungs- uns. Das ist gerade für uns als personell schlanke feld im Rahmen ihrer Aufgaben zu bieten. Ebenso Fraktion ein wesentlicher Pluspunkt. die Betreuung bei der Durchführung der Projekte Es macht einfach Spaß, mit Organisatoren und so optimal wie möglich zu gestalten und so viel Machern zusammenzuarbeiten, für die ein gutes Unterstützung wie nötig mit in die Projekte des FSJ Ergebnis zählt, nämlich möglichst vielen jungen einzubringen. Leuten die Möglichkeit zu geben, ein unmittel- Die positive Resonanz in der Politik, der Presse und bares, ‚ungeschminktes‘ Bild von Arbeits- und Ent- bei den Freiwilligen selbst impliziert die Fortset- scheidungsabläufen auf den unterschiedlichen poli- zung des Projektes ,FSJ-Politik‘ in der Gemeinde tischen Ebenen zu erhalten. Barleben. Das derzeit in der Umsetzung befindli- Zunächst haben wir uns also zusammengesetzt che Projekt ,Kinder- und Jugendgemeinderat‘ und ein langfristiges Projekt identifiziert. Das war bedarf der Steuerung und der Betreuung durch bei uns das Projekt ‚Schule und Wirtschaft‘ und junge engagierte Mitmenschen, auch über die Bil- bestand zunächst in der grundhaften Überarbei- dung der genannten Gremien hinaus. Der Kinder- tung der Homepage und deren inhaltlicher Neu- und Jugendgemeinderat soll nach Möglichkeit ausrichtung bzw. Ergänzung. Mittlerweile sind selbstständig und eigenverantwortlich seine Ziele weitere, langfristige Projekte dazu gekommen. und Bestrebungen verfolgen. Dennoch kann nicht Aber natürlich begleitet unser FSJler regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Organisation die Sitzungen der Fraktion und der Landtagsaus- und die internen Abläufe vollständig durch die schüsse. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit par- Gremien selbst wahrgenommen werden können. lamentarischen Dokumenten wie Gesetzesinitiati- Daher muss immer eine entsprechende Anlaufstel- ven, Anfragen und parlamentarischen Anträgen, le für die Kinder und Jugendlichen vorhanden sein. bei deren Erarbeitung er teilweise in der Recher- Mithin wird es auch in der Zukunft unter dem chephase selber eingebunden ist. Dazu kommt Aspekt der Förderung der Kinder- und Jugend- noch eine Vielzahl an formellen wie informellen arbeit im politischen Leben in der Gemeinde Barle- Gesprächen und Begegnungen mit den unter- ben ein FSJ geben müssen. schiedlichsten Akteuren aus Sachsen-Anhalt und Sofern sich andere Geschäftsfelder für die Freiwilli- die Teilnahme an zahlreichen Landesbereisungen. gen des FSJ-Politik ergeben, werden diese auch an Ich bin erstaunt und erfreut über die Kreativität, entsprechende neue Aufgaben herangeführt wer- Aufgeschlossenheit und die Wissbegierde unserer den. (…)“ Vertreter der Einsatzstelle Barleben FSJler, die immer wieder zu neuen Sichtweisen auch bei uns führen. Fraktionen sollten sich eben als „(…) Als wir Anfang 2008 vom ijgd gefragt wur- lernfähige Organisationen begreifen und vorge- den, ob für unsere Fraktion eine Beteiligung an schlagene Veränderungen aufnehmen und wo im- diesem Projekt überhaupt infrage käme, stand mer möglich realisieren. Eine Chance, die zur Nach- sehr schnell fest, dass wir die Chance auf jeden Fall ahmung einlädt – auch in anderen Bundesländern.“ wahrnehmen wollen, einen gewissen Kontrapunkt Lutz Franke, MdL, gegen ‚Politikmüdigkeit‘ und die bisweilen unter- stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im stellte ‚Politikferne‘ junger Leute zu setzen. Landtag von Sachsen-Anhalt (…) Und natürlich haben wir es auch als sportliche Herausforderung empfunden, die bundesweit ers- te Landtagsfraktion zu sein, die überhaupt eine FSJ Ann-Kathrin Preuschoft ist Geschäftsführerin Politik-Stelle einrichtet. Um es gleich vorweg zu sa- der ijgd-Landesvereine Sachsen-Anhalt e. V. gen: Wir würden es sofort und immer wieder und Thüringen e. V. und über die Geschäfts- machen! (…) Geprägt durch eine sehr gute Zusam- stelle der ijgd in Halberstadt zu erreichen menarbeit, ja einem freundschaftlichen Verhältnis unter der Adresse Westendorf 26, zu dem Träger ijgd, klappten und klappen alle ad- 38820 Halberstadt. ministrativen Abläufe genauso wie das gesamte E-Mail: [email protected]

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Karikaturen-Einsatz als Methode in der politischen Bildung Wolfgang Schütze

Karikatur führt, wenn sie überhaupt zur Kenntnis Geschichte und aktuelle politische Konflikte als Re- genommen wird, eine Randexistenz im schulischen sultate menschlicher Interessen und Handlungen Unterricht und in der politischen Bildung. Jedoch erfahrbar machen. Die Rezeption politischer Kari- wird dies ihrer Bedeutung und ihren Möglichkei- katuren schärft den Blick für die Existenz und Rele- ten keineswegs gerecht. Denn kaum ein anderes vanz politischer Prozesse und Konflikte und für die Aussagemittel bietet die Möglichkeit, Lernabläufe oftmals auftretende Diskrepanz zwischen normati- derart anschaulich und interessant zu gestalten, ven Ansprüchen und der gesellschaftlichen Wirk- die Diskussion und weiterführende Auseinander- lichkeit. setzungen mit dem jeweiligen Thema zu fördern und komplizierte und abstrakte Sachverhalte auf Karikatur beinhaltet immer auch eine Position ge- die konkrete Ebene der Anschauung zu bringen. genüber dem angesprochenen und dargestellten Problem. Sie setzt frei für selbstbestimmte Mei- nungs- und Urteilsbildung; sie mindert Fremdbe- Kurzcharakterisierung der Methode stimmung und erhöht somit Selbstbestimmung. Karikaturen sind ein Mittel, um den Freiheitsraum Als Einführung, als Stellungnahme, als partielle In- der Meinungsbildung offen zu halten, und ein fei- formation und Provokation ist die Karikatur prinzi- nes Regulativ, an dem sich der Grad der Freiheit piell in vielen Lern- und Arbeitsphasen einsetzbar – oder Beengung in einer Gesellschaft ablesen lässt. besonders allerdings im Rahmen von Politik- und – Eine demokratisch verfasste Gesellschaft lebt von Geschichtsunterricht und vor allem in der außer- der Transparenz und Sichtbarmachung politischer schulischen politischen Zusammenhänge. Karikaturen halten der Gesell- Die Rezeption politi- Bildung. Die Reaktion, schaft einen Spiegel vor, sind so etwas wie „sank- scher Karikaturen die sie beim Betrachten tionierte Kritik“ und dürfen ihre Sicht der Dinge schärft den Blick für die hervorruft, fördert Mo- offen und ungestraft darstellen. Existenz und Relevanz tivation, Lern- und Dis- politischer Prozesse und kussionsbereitschaft. Mit Konflikte Hilfe des Mediums kann Praktisches Vorgehen es gelingen, Lernende zu kritischen Fragestellungen im Hinblick auf histori- Bei der Analyse einzelner Karikaturen empfiehlt sche Prozesse und Gegenwartsprobleme – wie et- sich die Anwendung eines Fragenkatalogs, der ent- wa den Rechtsextremismus – zu ermuntern und an- weder vorgelegt oder aber mit den Lernenden ge- zuleiten. Die Beschäftigung mit Karikaturen kann meinsam an einem Beispiel erarbeitet wird:

Quelle: Politik & Unterricht, 3/4-2005

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Damit sind wichtige Stationen eines abgestuften und Strukturierung einer Lernzielkontrolle einge- Vorgehens beschrieben, die im weiteren Seminar- setzt werden. verlauf in verschiedenen Arbeitsformen verfolgt werden können: Stärken und Grenzen der Methode 1. Genaue Beobachtung und Beschreibung der Darstellung. – Mögliches Vorgehen: Umsetzung Wenn das Medium „Karikatur“ in der politischen der Darstellung in Worte (Einzelarbeit, Part- Bildung erfahrungsgemäß relativ wenig genutzt nerarbeit, Gruppenarbeit, Unterrichtsgespräch) wird, liegt das sicherlich auch daran, dass die Be- 2. Erkennen des dargestellten Themenbereichs und schaffung von geeignetem Material nicht immer der inhaltlichen Aussage (Plenumsgespräch) ganz einfach ist. Zudem ist eine traditionelle Unsi- 3. Vermutungen über den Wahrheitsgehalt und cherheit, betreffend den Umgang mit dem Medium, die Realitätsnähe zu beobachten: Die in aller Regel der Karikatur ei- 4. Formulierung von Fragen und Thesen, die den gene zugespitzte und oft auch provozierend ein- dargestellten Problembereich aufschließen und seitige Aussage muss differenzierend aufgearbei- damit den weiteren Verlauf strukturieren hel- tet werden, will man nicht Gefahr laufen, dass die fen Reaktion des Betrachters unreflektiert zustimmend 5. Erkennen und Bewerten der Aussageabsicht des bleibt und möglicherweise Vorurteile geweckt, be- Karikaturisten. stätigt oder gar gefördert werden. Karikaturen dürfen sicher in ihrer Damit Karikaturen nicht Funktion und Bedeutung Anwendungsmöglichkeiten lediglich bestehende für das Lerngeschehen Meinungen oder Vorur- nicht überschätzt wer- Grundsätzlich ist der Einsatz von Karikaturen in teile bestärken, bedarf den. Sie sind kein me- allen Phasen der Seminararbeit gewinnbringend es bei ihrer Verwen- thodisches Zauber- und möglich, sei es als Einstieg, zur Auflockerung und dung immer der diffe- Allheilmittel. Sie betonen Aktualisierung des Lernprozesses, als Impuls zu wei- renzierenden pädago- meistens einen Aspekt terreichenden Fragestellungen oder aber im Rah- gischen Begleitung eines Zusammenhangs, men der Lernzielkontrolle. lassen andere dafür aus und verkürzen einseitig. Häufig sind sie sogar Man unterscheidet zwischen drei Formen des Kari- „Kampfmittel“ im politischen Alltag, weil der katuren-orientierten Vorgehens: Zeichner Partei nimmt und nicht abstinenter Beob- achter sein will. Damit Karikaturen nicht lediglich Karikatur-motiviertes Lernen: bestehende Meinungen oder Vorurteile bestärken, Die Karikatur wird als motivationelles Strukturele- bedarf es bei ihrer Verwendung in der politischen ment zu Beginn einer Seminareinheit eingesetzt Bildung immer der differenzierenden pädagogi- und übernimmt die Rolle eines stummen Impulses. schen Begleitung. Dann kann ihr Einsatz eine Im Falle von Spannungsabfällen kann sie die Funk- ähnlich positive Rolle wie andere Einstiege in ver- tion eines positiven Verstärkers übernehmen. schiedene Problemstellungen – wie auch dem The- menkomplex „Rechtsextremismus“ – spielen: „Ein Karikatur-gesteuertes Lernen: guter Einstieg in eine neue Problemstellung sollte Alle wichtigen Lern- oder Seminarphasen werden immer vom Gehalt und von der sprachlichen und durch den Einsatz von Karikaturen begleitet und ästhetischen Form her so gut sein, dass es sich von damit intensiviert. Allerdings muss darauf geachtet der Sache her lohnt, sich mit ihm zu beschäftigen werden, dass es nicht zu einem inflationären Ein- … Der Einstieg muss spontan interessieren, sonst satz von Karikaturen kommt. Schriftliche oder ver- wird auch meistens für seine Ausdeutung kein bale Informationen sollten begleitend und unter- Interesse zu gewinnen sein. Er muss überschaubar stützend ergänzt werden. sein; er muss unvollständig, ‚imperfekt‘ sein … Der Einstieg muss verfremden; wenn er im Vergleich zu Karikatur-zentriertes Lernen: dem, was man sowieso schon denkt, meint und Eine Vielzahl von Karikaturen wird zu Beginn der fühlt, nichts Ungewöhnliches und Neues enthält, Lerneinheit vorgelegt, um wichtige Teilaspekte ei- kann er nur schwerlich auch zu neuen Erfahrungen nes Themas zu verdeutlichen. Entsprechend der führen und kaum zum Lernen motivieren. Der Ein- Vereinbarung mit der Lerngruppe wird das weitere stieg, der verfremdet, ruft immer auch vorgefaßte Vorgehen strukturiert. Schließlich können Karika- Meinungen und Urteile, vielleicht sogar regelrech- turen am Ende einer Lerneinheit zur Begleitung te Vorurteile hervor. Einstieg ist also niemals nur

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die Sache, sondern auch das Bündel an Vorurteilen Krüger, Herbert/Krüger, Werner: Geschichte in Ka- und Affekten, das er hervorlockt, das selbstver- rikaturen. Von 1948 bis zur Gegenwart, Stuttgart ständlich aufzuarbeiten ist.“ (Hermann Giesecke: 1981 „Didaktik der politischen Bildung“, München, 1977, S. 199 ff.) Langemeyer, Gerhard u. a. (Hrsg.): Mittel und Mo- tive der Karikatur in fünf Jahrhunderten, München 1984 Literatur Mickel, Wolfgang W. (Hrsg.): Handbuch zur politi- Ackermann, Paul/Gassmann, Reinhard: Arbeitstech- schen Bildung, Bonn 1999 niken politisches Lernen kurzgefasst, Stuttgart 1991 Neumann, Horst/Schütze, Wolfgang: Gegen den Däuble, Helmut: Schattenseiten-Didaktik. Sensibili- Strich – Karikaturen zu zehn Themen, in: Politik sierung für Politik- und Parteienverdruss in der po- und Unterricht, Heft 3/4, 2005, hrsg. von der Lan- litischen Bildung am Beispiel einer Karikaturen- deszentrale für politische Bildung Baden-Württem- Staffel, in: Politische Bildung, 36. Jg. 2003, Heft 3, berg S. 121-131 Oesterle, Manfred: Zwischen Scherz und Schock, Frech, Siegfried/Kuhn, Hans-Werner/Massing, Peter Hannover 1971 (Hrsg.): Methodentraining für den Politikunterricht, Schwalbach/Ts. 2004 Pandel, Hans-Jürgen/Schneider, Gerhard: Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 1999 George, Siegfried: Karikatur, in: Kuhn, Hans-Wer- ner/Massing, Peter (Hrsg.): Methoden und Arbeits- Pötzsch, Horst: Deutsche Geschichte nach 1945 im techniken, Schwalbach/Ts. 2000 Spiegel der Karikatur, Landsberg/L. 1997

Gugel, Günther: Praxis politischer Bildungsarbeit. Uppendahl, Herbert u. a.: Die Karikatur im histo- Methoden und Arbeitshilfen. Verein für Friedens- risch-politischen Unterricht. Eine Einführung mit pädagogik Tübingen e. V., 5. Aufl., Tübingen 1999 Unterrichtsbeispielen, Freiburg 1978

Karikaturen, in: Politik und Unterricht, Heft 2, 1978, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Wolfgang Schütze, Diplompolitologe, war Kuhn, Hans-Werner/Merz, Hans Georg: Karikatu- von 1972 bis 2006 zunächst Studienleiter und ren im Politikunterricht. Ein unterschätzter Lernweg, später Leiter des Internationalen Forums in: Massing, Peter/Roy, Klaus-Bernhard (Hrsg.): Poli- Burg Liebenzell/Akademie für politische Bil- tik – Politische Bildung – Demokratie. Festschrift dung und Internationale Begegnung und ver- für Gotthard Breit, Schwalbach/Ts. 2005, S. 228-249 trat dort u. a. die Arbeitsschwerpunkte Politi- sche Willensbildung, Europäische Integration, Institut für Friedenspädagogik Tübingen e. V. Ost-West-Beziehungen und Systemvergleich Bundesrepublik (Hrsg.): Karikaturen in der Bildungsarbeit, Inter- Deutschland – DDR. Er lebt jetzt in Hameln. netbeitrag unter www.friedenspädagogik.de/ser- vice/cartoon/kari_01.htm. E-Mail: [email protected]

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Nationaler Bildungsbericht beschäftigt

Im vergangenen Sommer hat ten Möglichkeiten der kooperati- kommen des Bildungspakets eine unabhängige Gruppe von ven Zusammenarbeit mit den nicht weiter zu blockieren. Sie Wissenschaftlern im Auftrag von Ländern gegeben werden. kündigte an, dass in Kooperation Kultusministerkonferenz und Zudem müsse sich das deutsche mit vielen anderen Partnern vor Bundesregierung den „Nationa- Bildungssystem dem Wandel der Ort demnächst „Allianzen für Bil- len Bildungsbericht 2010“ vorge- Familien- und Lebensformen stel- dung“ geschaffen werden soll- legt, der Ende letzten Jahres an len und die notwendige Mobili- ten. Bildung sei nicht nur eine den Bundestag zur Unterrichtung tät von Familien und Lehrkräften Frage des Staates, sondern auch weitergeleitet wurde. Thema des durch bundesweit einheitliche eine Anfrage an die Gesellschaft, dritten Nationalen Bildungs- Bildungsstandards erleichtern. die eine bildungsbegeisterte und berichts waren die „Perspektiven Es sei auch gendersensibel zu bildungshungrige Gesellschaft des Bildungswesens im demogra- machen durch die Stärkung einer werden müsse. phischen Wandel“ (siehe dazu gendersensiblen Didaktik und auch AB 2-2010, S. 149 – 151). Praxis und ein ausgewogenes Der thüringische Kultusminister Zahlenverhältnis von männlichen machte gel- Die Fraktion Bündnis 90/Die und weiblichen Fachkräften in tend, dass die Hauptlast der Bil- Grünen hatte in einem Antrag allen Bildungsbereichen. dung von den Ländern und (BT-Drucksache 17/4436) gefor- Kommunen zu tragen sei, die dert, das Bildungssystem gerech- Die Bundesministerin für Bildung 90 Prozent der Bildungsausgaben ter und besser zu machen und und Forschung, Dr. Annette Scha- schultern müssten. Sonderpro- dafür die Bildungsberichte als van, vertrat am 27. Januar 2011 gramme des Bundes, die die Bil- Grundlage zu nutzen. Auch der vor dem Deutschen Bundestag dungspolitik in Randbereichen dritte Nationale Bildungsbericht die Position der Bundesregierung der Bildung vorantreiben sollten, offenbare den erschreckend zum Nationalen Bildungsbericht seien deshalb nicht immer hilf- hohen Zusammenhang zwischen 2010. Sie betonte, dass die reich. Der Bund müsse die Länder sozialer Herkunft und Bildungs- Reformbemühungen der Bundes- stärker bei der Bildungsfinanzie- erfolg. Die Kluft zwischen bil- regierung zu positiven Ergebnis- rung unterstützen. Notwendig dungsnahen und bildungsfernen sen geführt hätten, man zugleich seien mehr gemeinsame Rah- Menschen aller Altersstufen neh- aber auch um noch bestehende menbedingungen für die Bil- me zu. Deshalb komme es darauf Problemlagen wisse. Zu den zen- dung, um Durchlässigkeit und an, in allen Lebensphasen opti- tralen Botschaften des Bildungs- Vergleichbarkeit garantieren zu male Bedingungen zum Weiter- berichts gehörten mehr Krippen- können. Ein neuer Bildungsgipfel lernen zu schaffen. Insbesondere und Kindergartenplätze, mehr solle ehrliche Antworten geben Menschen mit Migrationshinter- Ganztagsschulen, bessere Schul- auf die offenen Finanzierungs- grund brauchten eine gezielte leistungen in Mathematik, Natur- fragen und auf die Kompetenz- Förderung in allen Bildungspha- wissenschaften und bei der Lese- verteilung zwischen Bund und sen, die von der frühkindlichen kompetenz, eine deutliche Ländern. Patrick Meinhardt (FDP) Bildung über die Schule bis hin Erhöhung von Studien- und Aus- verteidigte hingegen den Kurs zu Studium und Ausbildung rei- bildungsplätzen und der Rück- der Bundesregierung und warf che. Im Bereich der Weiterbildung gang des Anteils an Schulabbre- wie seine Vorgängerin den sozi- seien vor allem die gering Quali- chern. Bei der Verfolgung dieser aldemokratisch regierten Län- fizierten, die Teilzeitkräfte und Ziele komme es darauf an, dass dern die Blockade bildungspoliti- die Migrantinnen und Migranten Bund und Länder jenseits von scher Aktivitäten des Bundes vor. gezielt zu fördern. Die Grünen Parteigrenzen und ideologischen Es gehe nicht an, Forderungen an fordern in ihrem Antrag, das Auseinandersetzungen gemein- den Bund zu stellen und durch Grundgesetz im Sinne eines same Strategien entwickelten. die eigene Bildungspolitik neue modernen Föderalismus so zu Das alles überragende Thema sei Kosten wie bei der Abschaffung ändern, dass eine Zusammen- die Überwindung von Bildungs- von Studiengebühren entstehen arbeit von Bund, Ländern und armut, die Entkoppelung von zu lassen. Meinhardt hob in sei- Gemeinden möglich wird, die sozialer Herkunft und schulischer nem Beitrag vor allem die Eigen- den künftigen Herausforderun- Leistung. Die Ministerin appel- verantwortung von Bildungs- gen in der Bildungspolitik lierte an die Opposition, die einrichtungen hervor, die eine gerecht werde. Dem Bund müss- Bemühungen um das Zustande- notwendige Voraussetzung für

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den Bildungserfolg sei. Es müsse gruppenspezifische Angebote rung bedeute. Er mahnte einen sich nun auch im Nationalen Bil- gemacht werden, um die jewei- Konsens auch bei der Festschrei- dungsbericht widerspiegeln, dass ligen Vor- und Nachteile in Bil- bung einer Weiterbildungspflicht mehr Bildungsfreiheit vor Ort zu dungsverläufen und Berufs- für Lehrer und Lehrerinnen an. schaffen sei. biografien ausgleichen zu Für die nächsten Jahre sei es die können. wichtigste Aufgabe, jungen Men- Dr. , DIE LINKE, sah in schen zwischen 20 und 30 Jahren, der sozialen Ungleichheit die (CDU/CSU) die ohne Ausbildung sind, eine entscheidende Ursache für unter- stellte eine deutlich positive Chance in ökonomischer, persön- schiedliche Bildungschancen. Er Entwicklung hin zu einer licher und pädagogischer Hin- beklagte zudem die Unterschied- Bildungsrepublik fest. Chancen- sicht zu geben. lichkeit in den Lebensverhältnis- gerechtigkeit müsse mit Leistung sen der einzelnen Bundesländer, kombiniert werden, das sei etwas Unterstützung vor allem bei die auch in der Bildungspolitik anderes als die von den Linken den Kindern und Jugendlichen, ihren Niederschlag fänden. Der verfochtene Gleichmacherei. Die denen Bildungsvorbilder im SPD warf er vor, mit ihrer Zustim- Heterogenität der Gesellschaft Elternhaus und im nahen Umfeld mung zur Föderalismusreform müsse sich auch in den Schul- fehlen, mahnte auch Dr. Rein- für diese Rahmenbedingungen formen widerspiegeln. hard Brandl (CDU/CSU) an. Eltern mitverantwortlich zu sein. von Kindern in Risikolagen müss- Dr. (SPD) ten sensibilisiert und auf die Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grü- begrüßte die gemeinsamen Bil- Chancen hingewiesen werden, nen) konstatierte Nachholbedarf dungsstandards und die Entwick- die eine möglichst frühe indivi- im Ausbau der Ganztagsschulen lung hin zu gemeinsamen Prü- duelle Förderung biete. und forderte eine Lockerung des fungspools. Er sprach sich für Kooperationsverbots. Das Land einen Konsens auch in Bezug Der Bundestag überwies Bericht verschenke Bildungspotenzial auf die Schulstrukturen aus und und Antrag an verschiedene Aus- nicht nur bei Menschen mit aus- verwies in diesem Zusammen- schüsse zur weiteren Beratung. ländischen Bildungsabschlüssen, hang auf das Zweiwegemodell sondern auch von Menschen, die mit zwei Schularten, die alle qualifiziert sind und hier in ihrem Abschlüsse anbieten. Dieses Quellen: Heute im Bundestag Beruf arbeiten wollten. Für Jun- Modell stehe dafür, dass Umzug Nrn. 406 und 423, BT-Drucksache gen und Mädchen müssten ziel- keinen Verlust von Schulerfah- 17/4436, BT-Protokoll 17/87

Ringen um den richtigen Weg in der Bildungspolitik

Die Verbesserung der Zusammen- Die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- statt, an dem Bildungsforscher/- arbeit zwischen Bund und Län- nen forderte in ihrem Antrag die innen aus verschiedenen Ländern dern in der Bildungspolitik ist Bundesregierung dazu auf, die teilnahmen, um über neue Wege Gegenstand von Anträgen, die „überschüssigen Mittel aus dem zur Bildungsgerechtigkeit zu dis- von den Bundestagsfraktionen Solidarpakt“ in einen Bildungssoli kutieren. Man wolle neue Impul- SPD und Bündnis 90/Die Grünen umzuwidmen, um die notwendi- se aus der Wissenschaft aufneh- vorgelegt wurden. Die SPD for- gen Vorhaben in der Bildungspoli- men und sie für eine gerechte derte Bundesregierung und Län- tik damit finanzieren zu können. Gestaltung des Bildungssystems der auf, in einem nationalen Bil- Für das kooperative Zusammen- nutzen, sagte Bundesbildungs- dungspakt den nachhaltigen wirken zwischen Bund und Län- ministerin Dr. Ausbau der Bildungsinfrastruktu- dern in allen Bildungsbereichen zu Beginn der Konferenz, die ren zu vereinbaren. Die prekäre solle die Regierung mit den Län- zusammen mit der Vodafone Finanzsituation von Ländern und dern Verhandlungen zu einer Ver- Stiftung Deutschland veranstal- Kommunen müsse berücksichtigt fassungsreform aufnehmen. tet wurde. werden. Der Bund solle ab 2015 mindestens 10 Mrd. Euro jährlich Anfang Februar fand ein inter- Der Stiftungsvertreter Dr. Mark zusätzlich für Bildung zur Verfü- nationaler Erfahrungsaustausch Speich bezeichnete es als zentra- gung stellen. im Bundesbildungsministerium les Anliegen, wie die Zugänge im

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Bildungswesen für benachteiligte und fachliche Expertise vermit- Deutschland liegt im Vergleich mit Kinder und Jugendliche durch- teln. Sie steht allen interessier- 31 OECD-Staaten mit Platz 15 etwa lässig gestaltet werden könnten, ten, überregional tätigen Stiftun- im Mittelfeld in den Politikfeldern um die Bedingungen für sozialen gen und Institutionen offen, die Armutsvermeidung, Bildungs- Aufstieg zu verbessern. In drei sich für die Bildung insbesondere zugang, Arbeitsmarkt, sozialer Diskussionsrunden der Konferenz von benachteiligten Kindern und Zusammenhalt und Gleichheit wurden die Themen „Bildungs- Jugendlichen einsetzen wollen. sowie Generationengerechtig- entscheidungen und Chancen- Im Rahmen der lokalen Bildungs- keit. Eine aktuelle Studie der ungleichheit“, „Soziale Selektion bündnisse, die unter dem Dach Bertelsmann Stiftung, die Anfang und die Rolle der Bildungsinstitu- der Allianz entstehen, entwickeln des Jahres vorgestellt wurde, tionen“ sowie „Was wirkt? – Vereine, Verbände und engagier- moniert, dass rund jedes neunte Interventionen zum Abbau sozia- te Bürgerinnen und Bürger in Kind in armen Verhältnissen auf- ler Effekte“ erörtert. Empfohlen enger Abstimmung mit Schulen wächst und Bildungschancen wurde, das Bildungssystem ins- und Kommunen Maßnahmen, stark von sozialer Herkunft gesamt möglichst lange offen zu die Kindern und Jugendlichen abhängen. Soziale Gerechtigkeit halten, um Bildungssackgassen elementare Kulturtechniken und marktwirtschaftliche Leis- zu vermeiden. Gefordert wurden sowie Lern- und Lebenshaltun- tungsfähigkeit müssten sich kei- insgesamt nicht nur mehr Früh- gen wie Teamgeist und Anstren- neswegs gegenseitig ausschlie- förderung und Ganztagsschulen, gungsbereitschaft vermitteln sol- ßen, wie die nordeuropäischen sondern ein umfassender Ansatz len. Die Allianz will sich auf die Länder belegten, die den Gerech- der Familienbildung, der insbe- zentralen Aktionsfelder Sport tigkeitsindex im OECD-Vergleich sondere die Familien der benach- und Bewegung, kulturelle Bil- anführen. teiligten Gruppen stärker in die dung, Forschen und Experimen- Bildungsförderung einbezieht. tieren sowie Begleiten, Fördern Um herauszufinden, wie sich Leh- und Beraten konzentrieren. Die rer, Schüler, Eltern, Studenten, Staatliche, private und zivilgesell- Ministerin äußerte die Hoffnung, Erzieher und andere Bildungs- schaftliche Kräfte gründeten im dass die Allianz für Bildung in interessierte ein gutes Bildungs- Rahmen der Bildungsmesse Deutschland ein Klima der Bil- system vorstellen, hat die Bertels- didacta am 22. Februar 2011 in dungsbegeisterung schaffen mann Stiftung gemeinsam mit Stuttgart eine „Allianz für Bil- könne. der Strategieberatung Roland dung“, die von Bundesbildungs- Berger, der BILD-Zeitung und der ministerin Dr. Annette Schavan Die Bekämpfung der Bildungs- türkischsprachigen Zeitung Hür- ins Leben gerufen wurde. Diese armut ist nach den Worten von riyet eine große online-Bürger- Allianz soll Kinder und Jugend- Bildungsministerin Schavan das befragung initiiert, die am liche in allen Phasen ihrer Bil- zentrale Ziel dieser Allianz. 14. Februar startete und bis dungsbiografie unterstützen. zum 6. März laufen sollte. Die Beteiligt sind u. a. der Deutsche Der bildungspolitische Sprecher Befragung soll alle Bildungs- Olympische Sportbund, der bei- der SPD-Bundestagsfraktion, bereiche vom Kindergarten bis spielsweise Schnupperangebote Dr. Ernst Dieter Rossmann, kriti- zur beruflichen Weiterbildung für benachteiligte Kinder und sierte die Allianz als „Charity- abdecken und öffentlich zur Dis- Jugendliche einbringen wird, Plattform“, die eine konkrete kussion stellen, was für mehr Bil- der Deutsche Bibliotheksverband, Politik gegen Bildungsarmut dungsgerechtigkeit in Deutsch- der den Ausbau von Kooperatio- nicht ersetzen könne. Patrick land geschehen müsse. Alle nen mit Kindertages- und For- Meinhardt, bildungspolitischer Ergebnisse sollen online auf schungseinrichtungen sowie mit Sprecher der FDP-Fraktion, sieht www.bildung2011.de abrufbar Schulen und Trägern der außer- in ihr hingegen ein „Premium- sein. schulischen Kinderarbeit voran- projekt“, das den Bogen zwi- bringen will, der didacta-Verband, schen schulischer und außer- der zusammen mit weiteren schulischer Bildung schlage. Kooperationspartnern Symposien Zuständigkeitsdebatten brächten Quellen: Heute im Bundestag zu zentralen Bildungsfragen ver- das Bildungssystem nicht voran, Nrn. 416/10 und 34/11, BMBW anstalten wird. Die Allianz für vielmehr sei eine gelebte Bil- Newsletter 14/2011 und 18/2011, Bildung will den Aufbau lokaler dungspartnerschaft zwischen ZWD-Zweiwochendienst vom Bildungsbündnisse unterstützen, Bund, Ländern und Kommunen 22.02.11, bildungsklick Nrn. vorhandene Initiativen vernetzen notwendig. 77107 und 76579

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FDP will Bildungsaufstieg fördern

Die FDP-Bundestagsfraktion hat same Unterricht weiter aus- an Sport- und Freizeitaktivitäten, noch im letzten Jahr ein Posi- gebaut werden. Haupt-, Gesamt- die gemeinsam mit Vereinen, tionspapier beschlossen, das oder Sekundarschulen müssten Musikschulen und weiteren unter dem Titel „Chancen- sich neu ausrichten und ihre Lei- Kooperationspartnern angebo- gerechtes Aufwachsen ermög- stungen auf den Förderbedarf ten werden sollten. Davon profi- lichen – Bildungsaufstieg för- jedes einzelnen Kindes und tierten auch außerschulische Trä- dern!“ Vorschläge zur Gestaltung Jugendlichen einstellen. Zur För- ger, da sie ihren Einzugskreis eines Bildungssystems macht, das derung von Kindern in bildungs- erweitern und die schulische sozialer Benachteiligung von Kin- armen Milieus empfiehlt die FDP Infrastruktur nutzen könnten. dern und Jugendlichen ent- den Ausbau der frühkindlichen gegenwirken soll. Das Papier Förderinfrastruktur durch Bund Die FDP fordert einen bundes- erinnert an bildungspolitische und Länder und eine bessere weit gültigen Standard für den Traditionen der FDP in den sech- Qualifizierung des in diesem Hauptschulabschluss und eine ziger Jahren, in denen Bildungs- Bereich tätigen pädagogischen Konzentration der allgemein- benachteiligung als Problem des Personals sowie die Intensivie- schulischen Bildung auf die „katholischen Arbeitermädchens rung der Zusammenarbeit von Anschlussfähigkeit im System der auf dem Lande“ definiert wurde. Schule, Elternhaus und Jugend- beruflichen Ausbildung einerseits Die FDP will mit Bezug auf die hilfe. oder die Anforderungen des aktuellen Probleme heutiger bil- Hochschulwesens andererseits. dungsbenachteiligter Bevölke- Die deutsche Schullandschaft Bildungswege sollten nicht fest- rungsgruppen durch bessere Bil- stehe vor einem Paradigmen- zementiert werden, sondern dungschancen Brücken in ein wechsel, wenn sie eine inklusive Übergänge von einem auf einen selbstverantwortliches, eigen- Pädagogik verfolgen wolle. anderen Bildungspfad ermög- ständiges Leben bauen und eine Dies habe auch Konsequenzen lichen. Für die berufliche Bildung Leiter für den sozialen Aufstieg für die Organisationsstrukturen gelte das Leitbild einer kompe- bereitstellen. Dabei gelte es und erfordere eine Abkehr von tenz-, werte- und zielorientier- zunächst, bildungsbezogene einem System der zentral aus- ten Ausbildung, die eine umfas- Mindeststandards für die Partizi- gerichteten Schulsteuerung. sende und flexible berufliche pation am ökonomischen und Das Gelingen der inklusiven Handlungsfähigkeit ermögliche. gesellschaftlichen Leben zu Schule setze die schulische Die Berufsausbildung müsse die ermitteln. Eigenverantwortung und Selbst- Basis für ein erfolgreiches Berufs- steuerung voraus. Zudem müsse leben bilden und zugleich Start- Die FDP weist darauf hin, dass sich die Schule gegenüber der schuss für das lebenslange Ler- die Quote von 7,5 % eines Jahr- Arbeitswelt öffnen, müssten nen in der Arbeitswelt sein. Die gangs, der die Schule ohne die Betriebserkundungen, Praktika FDP spricht sich dafür aus, formale Mindestbefähigung ver- und Bewerbertraining ebenso Jugendlichen mit geringer lässt, die ein Hauptschulabschluss eine Rolle spielen wie die Aus- Perspektive mittels der Durch- attestiert, sich zu einem großen richtung der Lehrinhalte und brechung geschlechtsspezifischer Teil gar nicht aus Hauptschülern Themen, die die Bedeutung der Stereotype zusätzliche Chancen zusammensetzt, sondern mehr Wirtschaft und Technik in den zu eröffnen. als drei Viertel der Schülerinnen Mittelpunkt rücken. Dazu gehöre und Schüler ohne Abschluss auch die Möglichkeit, die Ableis- Weil Hochschulausbildung eine zuvor Förderschulen besucht tung der Schulpflicht strecken- zumeist erfolgreiche Absiche- haben. Da Deutschland sich mit weise aus der Schule heraus zu rung vor Armut und Arbeitslosig- seinem Beitritt zur UN-Konven- verlagern. keit sei, dürfe sie nicht an der tion über die Rechte der Men- finanziellen Situation des oder schen mit Behinderungen ver- Im Rahmen schulischer Ganztags- der Einzelnen scheitern. Hierzu pflichtet habe, Schülerinnen und angebote sei das Leistungsspek- verweist die FDP auf die Verbes- Schüler mit pädagogischem För- trum der Schulen sukzessive aus- serung der Förderung durch das derbedarf in das Regelsystem zuweiten. Dazu gehöre eine BAföG und den Aufbau eines aufzunehmen, soll nach den Vor- breite Palette an kulturellen neuen Stipendiensystems stellungen der FDP der gemein- Betätigungsfeldern, aber auch „Deutschlandstipendium“.

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Nicht nur im Bereich der Weiter- innerhalb des Verwendungs- Quelle: FDP-Fraktion im Deutschen bildung setzt die FDP auf Bil- spektrums jedoch Wahl- und Bundestag, Positionspapier, be- dungsgutscheine, deren Erfolg Entscheidungsmöglichkeiten schlossen am 14. Dezember 2010 darauf beruhe, dass sie eine eröffneten. Sie verhinderten Zweckbindung der zur Verfü- Missbrauch, ohne zu bevor- gung gestellten Mittel vorsehen, munden.

Kinder- und Generationengerechtigkeit im politischen Handeln der Bundesregierung

Am 9. Dezember 2010 fand der Deutschen Jugendinstituts, Pro- tet. An dem Abschlusskongress Abschlusskongress zum Natio- fessor Dr. Thomas Rauschenbach, waren auch Kinder und Jugend- nalen Aktionsplan „für ein konstatierte im Rückblick zwar liche aktiv beteiligt, die wichtige kindergerechtes Deutschland durchaus Fortschritte zum Bei- Aspekte zu den angesprochenen 2005-2010“in Berlin statt, der auf spiel in der Bildungsbeteiligung, Fragen aus ihrem Blickwinkel den Beschlüssen des Weltkinder- der Studienanfängerquote, im präsentierten. gipfels der Vereinten Nationen Rückgang der Säuglingssterblich- 2002 basiert. Sein Ziel ist es, die keit, sah aber im Vergleich der Obwohl Deutschland nach Anga- Lebensbedingungen von Kindern aktuellen Situation von Kindern ben des Statistischen Bundesamtes und Jugendlichen zu verbessern und Jugendlichen in Deutschland im Jahr 2009 insgesamt 26,9 Mrd. und ihre Rechte in der Gesell- gegenüber anderen Ländern Euro für Kinder- und Jugendhilfe schaft zu stärken. An der Veran- durchaus noch Defizite. Dazu ausgegeben hat, waren bundes- staltung nahmen rund 300 Ver- zählte er vor allem Chancen- weit einer aktuellen Studie der treterinnen und Vertreter aus gleichheit und Gleichwertigkeit Bertelsmann Stiftung zufolge Politik, Wissenschaft und Praxis von Lebensverhältnissen, die in Ende 2008 rund 15,6 Prozent der teil, um Erfahrungen, Ergebnisse Deutschland trotz der beacht- Kinder und Jugendlichen von und Perspektiven aus dem lichen Höhe staatlicher Geldleis- Armut betroffen. Kinderarmut Umsetzungsprozess zu disku- tungen nicht gegeben seien. ist vor allem in Städten und tieren. Mit diesem Nationalen Gemeinden im Osten Deutsch- Aktionsplan sei ein Prozess Dr. Jörg Maywald, Geschäfts- lands stark verbreitet. Die Kom- angestoßen worden, um opti- führer der Deutschen Liga für munen geben bereits 23,3 Pro- male Bedingungen für das Auf- das Kind, und die Vorsitzende der zent für Soziales aus. Bei den wachsen junger Menschen zu Kinderkommission des Deutschen Ausgaben für Kinder- und schaffen, sagte Bundesfamilien- Bundestags, Marlene Rupprecht, Jugendhilfe von Bund, Ländern ministerin Dr. Kristina Schröder resümierten ihre Erfahrungen bei und Gemeinden entfielen deut- bei der Eröffnung des Kongres- der Umsetzung des Nationalen lich mehr als die Hälfte (60 %) ses. Dennoch sei man noch nicht Aktionsplans in der Periode 2005- auf die Kindertagesbetreuung. am Ziel und es komme künftig 2010. Marta Santos Pais, die Ein Viertel der Bruttoausgaben darauf an, Kinder und Jugend- Sonderbeauftragte des UN-Gene- wendeten die öffentlichen Trä- liche stärker in den Bereichen ralsekretärs zum Thema Gewalt ger der Kinder- und Jugendhilfe zu beteiligen, in denen ihre eige- gegen Kinder, beglückwünschte 2009 für Hilfen zur Erziehung nen Belange berührt seien. Die Deutschland zu seinem Nationa- auf, wozu auch die Unterbrin- Ministerin betonte vor allem die len Aktionsplan und betonte die gung junger Menschen außer- Notwendigkeit der frühen Kin- Notwendigkeit einer nationalen halb des Elternhauses in Vollzeit- derförderung und die Stärkung Strategie, einer starken Gesetz- pflege zählt. Für Maßnahmen von Eltern, die bei der Wahrneh- gebung und verlässlicher Daten, und Einrichtungen der Jugend- mung von Erziehungsaufgaben um den verschiedenen Formen arbeit gaben Bund, Länder und Unterstützung benötigen. Der von Gewalt, von der die Mehr- Gemeinden rund 1,6 Mrd. Euro Abschlusskongress konzentrierte heit der Kinder betroffen sei, aus, was 5,8 Prozent der Gesamt- sich auf die Frage, wie eine nach- begegnen zu können. In fünf ausgaben entspricht. haltige Implementierung von moderierten Foren wurden kon- Kinder- und Jugendgerechtigkeit krete Perspektiven für die prak- Noch im vergangenen Herbst in der Praxis sichergestellt wer- tische Umsetzung von Kinder- hatte die Bundesregierung in den könne. Der Direktor des und Jugendgerechtigkeit erarbei- einer Antwort auf eine Kleine

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Anfrage der Fraktion Bündnis Im Jahr 2011 will die Bundesre- einen jährlichen Zuschuss von 90/Die Grünen zur Generationen- gierung einen Bericht zur demo- 40.000 Euro, von denen der Bund gerechtigkeit in ihrem politi- graphischen Lage und künftigen 30.000 Euro übernimmt. Die rest- schen Handeln Stellung genom- Entwicklung des Landes mit dem lichen 10.000 Euro werden vom men. Die Fragesteller hatten Ziel veröffentlichen, darauf auf- Land oder den Kommunen getra- darin geltend gemacht, dass die bauend bis zum Jahr 2012 eine gen. Bundesfamilienministerin Jugend im Zuge des demographi- ressortübergreifende Demogra- Dr. Kristina Schröder möchte eine schen Wandels immer mehr zu phiestrategie vorzulegen. nachhaltige Sicherung der Mehr- einer strukturellen gesellschaft- generationenhäuser. Sie sollten lichen Minderheit werde. Gleich- Die Bundesregierung will das Mit- dauerhaft in lokale Infrastruktu- zeitig werde nicht nur die Zahl einander der Generationen unter- ren eingegliedert werden. In dem der Älteren stark ansteigen, stützen und fördern und sieht im Folgeprogramm werden inhaltlich sondern auch der Anteil der Engagement aller Generationen folgende neue Schwerpunkte Menschen ohne Kinder und die Grundlage für das Gelingen gesetzt: Enkelkinder vergrößere sich. gesellschaftlichen Zusammen- Eine solche Entwicklung könne lebens. Die neuen „Freiwilligen- ■ Alter und Pflege (hier geht es sich negativ auf die Solidarität dienste aller Generationen“ sind um die Etablierung von Bera- zwischen den Generationen ein Element, in dem bürgerschaft- tungsangeboten für ältere auswirken, weshalb es immer liches Engagement generationen- Menschen, Pflegebedürftige wichtiger werde, politische Ent- übergreifend realisiert werden und Demenzkranke und ihre scheidungen auf ihre Generatio- soll. Auch in den inzwischen rund Angehörigen) nengerechtigkeit zu überprüfen. 500 Mehrgenerationenhäusern Die Bundesregierung weist dar- sieht die Bundesregierung zentra- ■ Integration und Bildung (inte- auf hin, dass sie in der Wahrung le Orte, an denen das Miteinander grationsfördernde und bil- der Generationengerechtigkeit der Generationen aktiv gelebt dungsunterstützende Ange- eine Querschnittsaufgabe sehe, werden soll. Für diese Mehrgene- bote sollen in möglichst vielen die viele Politikbereiche betreffe. rationenhäuser, noch initiiert von Häusern etabliert werden) Ressourcenschonung, Klima- der früheren Bundesministerin für schutz, erneuerbare Energien, Familie, Senioren, Frauen und ■ Haushaltsnahe Dienstleis- Staatsverschuldung, Innovation Jugend, Dr. , tungen (hier geht es um die und Bildung seien wesentliche war ein fünfjähriger Förderungs- Festigung der Mehrgeneratio- Bereiche, in denen Generatio- zeitraum vorgesehen. Danach nenhäuser als Dienstleistungs- nengerechtigkeit eine Rolle würde die Förderung für die Hälf- drehscheiben in der jeweili- spiele. Auch sei ihre Politik te der insgesamt 500 Mehrgene- gen Standortkommune) darauf ausgerichtet, Rahmen- rationenhäuser Ende 2012 auslau- bedingungen zu schaffen, die fen. Bereits Ende 2011 muss der ■ Freiwilliges Engagement allen Kindern und Jugendlichen Bund seine Förderung für die (angestrebt wird die stärkere sicheres Aufwachsen, Teilhabe ersten Mehrgenerationenhäuser Vernetzung mit Einrichtungen und Entfaltung ihrer Fähigkeiten einstellen. Die Bundesregierung und Initiativen wie Freiwilli- ermöglichen. Auch Kinder- und hat aber 2011 ein Programm zur genagentur, Seniorenbüros, Jugendpolitik sei eine Quer- Weiterentwicklung der Mehr- Jugendmigrationsdiensten). schnittsaufgabe, die mehrere generationenhäuser ausgeschrie- Ressorts sowie alle politischen ben, die zu Knotenpunkten bür- Quellen: BMFSFJ-Pressemitteilun- Ebenen betreffe. In der Alten- gerschaftlichen Engagements gen Nrn. 103/2010, 104/2010 und politik komme es darauf an, werden sollen. Insgesamt 450 6/2011, www.kindergerechtes- dazu beizutragen, die Chancen Mehrgenerationenhäuser kön- deutschland.de/abschlusskon- des längeren Lebens für den älte- nen am neuen Programm teil- gress, Pressemitteilung des Sta- ren Menschen selbst, aber auch nehmen, die Bewerbungsphase tistischen Bundesamtes Nr. 477 für die Gesellschaft besser zu nut- startet im Sommer 2011. Der vom 20.12.2010, zen. Die Gestaltung des demo- Bund stellt für die Jahre 2012- www.spiegel.de/politik/deutsch- graphischen Wandels sei eine der 2014 rund 50 Mio. Euro zur Verfü- land/0,1518,755968,00.html, zentralen Zukunftsaufgaben. gung. Davon erhält jedes Haus BT-Drucksache 17/3606

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Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ nahm Arbeit auf

Daniela Kolbe, stellvertretende und kulturelle Kriterien ergänzt Die Kommissionsvorsitzende Vorsitzende des Kuratoriums werden. stellte fest, dass der Bundeszentrale für politische die Zeit für die Arbeit der Kom- Bildung, ist Vorsitzende der am Die SPD-Abgeordnete Daniela mission mit zweieinhalb Jahren 1. Dezember 2010 vom Parla- Kolbe wird im Kommissionsvorsitz knapp bemessen sei, gehe es ment beschlossenen Enquete- von dem Unions-Abgeordneten doch darum, auf große Fragen Kommission „Wachstum, Wohl- vertreten. Der große Antworten zu finden. stand, Lebensqualität“, die am Kommission gehören sechs Mit- Sie äußerte jedoch die Hoff- 17. Januar 2011 zu ihrer konstitu- glieder der Unionsfraktion, vier nung, dass am Ende der Legisla- ierenden Sitzung zusammenkam. von der SPD-Fraktion, drei von der turperiode konkrete Resultate Die Kommission hat den Auftrag, FDP-Fraktion sowie jeweils zwei vorgelegt werden können. Das einen neuen Fortschrittsindikator von den Fraktionen DIE LINKE und Gremium will einmal im Monat zu entwickeln, der sich zwar auch Bündnis 90/Die Grünen an. tagen und wird in seiner Arbeit auf das Bruttoinlandsprodukt als von 17 Sachverständigen unter- Messgröße stützt, diese Katego- Bundestagspräsident Norbert stützt. rien jedoch modifiziert und Lammert appellierte an das neue durch neue Kriterien ergänzt. Gremium, eine klare Bestands- Das ausschließlich ökonomisch aufnahme zu liefern und Per- und quantitativ ausgerichtete spektiven im Kontext einer sozia- Quelle: Heute im Bundestag Nr. BIP soll um ökologische, soziale len Marktwirtschaft aufzuzeigen. 12/2011

Bundesregierung beschloss Migrationsbericht 2009

Am 19. Januar beschloss die Anteil von 24,8 %. Die Zahl der Deutschland sei angesichts des Bundesregierung den vom Einbürgerungen hat sich gegen- drohenden Fachkräftemangels in Bundesamt für Migration und über dem Vorjahr auf 96.000 um vielen Branchen und Regionen Flüchtlinge erarbeiteten Migra- 1.000 erhöht. Bei 53,7 % aller nicht nur auf die Zuwanderung tionsbericht 2009. Er wird auf Einbürgerungen wurden die bis- qualifizierter Personen angewie- Wunsch des Bundestages jährlich herigen Staatsangehörigkeiten sen, sondern müsse auch die vor- erstellt und gibt auf der Grund- beibehalten, auch wenn Einbür- handenen Potenziale in unserem lage vorhandener Daten einen gerungen grundsätzlich eine Land besser nutzen. Dazu gehör- Überblick über das Migrations- Aufgabe der bisherigen Staats- ten die Fähigkeiten von Frauen, geschehen in Deutschland. Nach bürgerschaft voraussetzen. Der von Älteren und von Migranten. dem neuen Bericht ist die Zahl Migrationsbericht verzeichnet Nach dem neuen Migrations- ausländischer Staatsangehöriger einen negativen Gesamtwande- bericht ist die Zahl der Arbeits- weiter leicht zurückgegangen. rungssaldo von 12.800 Personen, migranten gesunken. Ihr Anteil hat sich seit Mitte der der gegenüber dem Vorjahr mit 1990er Jahre kaum geändert und rund 56.000 jedoch deutlich Dass die Migranten oft besser liegt jetzt bei 8,7 %. 35 % der in geringer ausgefallen ist. integriert sind, als allgemein Deutschland lebenden ausländi- angenommen wird, zeigte eine schen Staatsbürger kommen aus Die Integrationsbeauftragte der repräsentative Bevölkerungs- Ländern der Europäischen Union, Bundesregierung, Staatsministe- umfrage im Auftrag der Bertels- 24,2 % aus den alten und 11,2 % rin Professor Dr. Maria Böhmer, mann Stiftung. Gefragt wurde aus den neuen EU-Mitgliedsstaa- forderte anlässlich der Vorlage nach der beruflichen Karriere, ten. Die Zahl türkischer Staats- des Migrationsberichts, bei der dem Rollenverständnis von Mann angehöriger ist zwar zurück- notwendigen Zuwanderung von und Frau, der Vereinbarkeit von gegangen, dennoch bilden die qualifizierten Fachkräften und Familie und Beruf, der Praxis der Türken immer noch die größte Akademikern auch deren Inte- Kinderbetreuung sowie dem Ausländergruppe mit einem gration in den Blick zu nehmen. Zusammenleben mit mehreren

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Generationen. Die Umfrage der Wunsch nach sozialem heim und Hamburg erarbeite- wurde Ende 2010 durchgeführt Aufstieg die Hoffnungen in ten, untersuchte das Wissen und umfasste 896 Personen ohne das deutsche Bildungssystem deutscher Schüler/-innen und und 1001 Personen mit Migra- übergroß und damit unrealis- Einwanderer über demokrati- tionshintergrund. Die Ergebnisse tisch werden lässt. Ausgewertet sche Prozesse. Untersucht wur- zeigen, dass Berufstätige mit wurden für die Studie der Uni- den 1500 Sechstklässler aller Migrationshintergrund mehr versität Bamberg etwa 2000 qua- Schulformen aus Bayern und karriereorientiert sind als die litative und quantitative Inter- Hamburg. Einwandererkinder deutschstämmigen Befragten. views. Sie ergaben, dass für die erreichten einen Durchschnitts- Beruflich weiterkommen wollen Migranten vor allem das soziale wert von 6,2 Punkten (der vor allem Frauen ausländischer Aufstiegsmotiv bei der Bildungs- Höchstwert lag bei 10 Punkten) Herkunft, aber auch die Männer wahl im Vordergrund steht. Im und waren damit 0,1 Punkte mit ausländischen Wurzeln sind Vergleich zu einheimischen und schlechter als ihre deutschen stärker an ihrem beruflichen Auf- anderen Einwanderergruppen Altersgenossen – ein Unterschied, stieg interessiert als die Deut- haben insbesondere die Türken der im statistischen Sinn unbe- schen. Entgegen einem gängigen zumeist niedrige Bildungs- deutend sei, so Heinz Reinders Klischee lehnten 70 Prozent der abschlüsse und befinden sich von der Universität Würzburg, Befragten aus muslimisch gepräg- daher sehr häufig in den unteren der die Studie leitete. Neun von ten Ländern das Bild einer dauer- Rängen der Berufshierarchie. zehn deutschen Jugendlichen haft nicht berufstätigen Mutter, Ihre Kinder sollen nun schulisch erkannten auf die ihre Kinder zuhause erzieht, und beruflich schaffen, was sie einem Bild, bei den Migranten- ab. Allerdings stimmt die Hälfte selbst nicht erreichen konnten. kindern waren es über 80 %. aller Befragten unabhängig von Dabei spielt nicht nur der indi- Weniger bekannt war der dama- ihrer ethnischen Herkunft der viduelle Bildungshintergrund lige Bundespräsident Horst Köh- Frage zu, ob Mütter ihre beruf- oder die eigene berufliche Situa- ler, den nur die wenigsten lichen Ziele zurückstecken sollen, tion eine Rolle, sondern es sind benennen konnten. Lücken- um mehr Zeit für Familie und auch die Möglichkeiten auf haftes Wissen zeigte sich auch, Kinder zu haben. Unabhängig höhere Bildung im Herkunfts- wenn es darum ging, deutsche von der Herkunft ist auch die land, an denen sich die Eltern Parteien zu benennen oder Poli- Antwort auf die Frage nach der orientieren. Der Bildungsopti- tiker auf Landesebene auf Bil- Zuständigkeit für den Haushalt. mismus ist besonders groß bei dern zu erkennen. Die Jugend- Dass Haushalt, Kindererziehung Eltern, die aus Ländern stammen, lichen benutzen unterschiedliche und Pflege von Angehörigen in denen der Zugang zu höherer Informationsquellen. 76 % der überwiegend oder fast aus- Bildung erschwert ist. Vor allem Schüler mit ausländischen Wur- schließlich in den Händen der türkische Migranten neigten zeln nutzen das deutschsprachige Frau liegen, gibt zwar fast die dazu, die Schulleistungen ihrer Fernsehen zur Nachrichtenbe- Hälfte der Befragten an, ein Kinder stark zu überschätzen; sie schaffung und bevorzugen auch Drittel sagt jedoch, dass die hätten nur geringen Einblick in das Internet als Informations- häuslichen Arbeiten zu gleichen den Schulalltag und könnten das quelle, während ihre deutschen Teilen von beiden Partnern ver- Kind in schulischen Belangen Altersgenossen häufiger zur richtet werden. Männer mit nur wenig unterstützen. Infor- Tageszeitung greifen, um sich Migrationshintergrund sehen zu mationsdefizite werden durch einen Überblick über das politi- 41 % die Hausarbeit als gemein- einen geringeren Integrations- sche Geschehen zu verschaffen. same Aufgabe an, bei Nicht- grad verstärkt. Gehen Migranten migranten sind es 35 %. mit deutschen Partnern Bezie- hungen ein und sind sie mit der Der Ehrgeiz von Migranten zeigt deutschen Sprache, Kultur und Quellen: BMI-Pressemitteilung sich auch in ihren Erwartungen in Lebensweise besser vertraut, so vom 19.01.11, BPA-Pressemittei- das deutsche Bildungssystem. Sie schwächen sich ihre teilweise lung vom 19.01.11, bildungs- haben bei gleicher Schulleistung unrealistischen Bildungsziele klick.de Nrn. 76526 und 76533, wesentlich höhere Bildungsziele deutlich ab. www.focus.de/schule/schule/bil- als Einheimische. In Bamberg dungspolitik/politische-bildung- wurde eine Bildungsstudie erar- Eine Studie, die Forscher der Uni- einwanderer-sind-gleichauf_aid_ beitet, die zutage förderte, dass versitäten in Würzburg, Mann- 583419.html, Zugriff 07.01.11

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Forderungen nach mehr politischer Beteiligung

Die Bundestagsfraktion Bündnis zept. Erziehung für die Demo- den Jugendlichen als Bürger- 90/die Grünen beschloss noch im kratie sei eine zentrale Aufgabe und Wählergruppe mehr Auf- letzten Jahr ein Papier, in dem von Elementarpädagogik, Schule merksamkeit und damit mehr eine bessere Beteiligung von Kin- und Jugendbildung. Deshalb politisches Gewicht verleihen. dern und Jugendlichen gefordert müsse die Beteiligung von Kin- Wo Wahlaltersabsenkungen mit wird. Die Fraktion konstatiert dern und Jugendlichen zum tra- politischer Bildung verknüpft einen Trend zu stärkerem politi- genden Prinzip in Bildungs- würden, sei dies ein Beitrag zur schem Engagement von Jugend- einrichtungen werden. Die Stärkung der Demokratie. Der lichen, will sich damit jedoch Unterrichtspraxis müsse politi- Beschluss von Bündnis 90/Die nicht zufrieden geben, sondern sche Bildung viel stärker berück- Grünen wendet sich ausdrücklich Beteiligungsmöglichkeiten aus- sichtigen. Die Schule habe als gegen Kürzungen im Bereich der bauen und auch jene Jugend- einzige Institution die Chance, politischen Bildung und im Pro- lichen und Kinder an gesell- alle Kinder und Jugendlichen zu gramm „Soziale Stadt“, die ein schaftliches und politisches erreichen und für die Demokratie völlig falsches Signal seien. Da Engagement heranführen, die zu gewinnen. Deshalb müsse sie den Medien bei der Aneignung sich bisher noch nicht engagie- wie die Jugend- und Sozialarbeit eigener politischer Kompetenzen ren. Zu diesem Zweck plant sie den Schülerinnen und Schülern eine Schlüsselrolle zukomme, eine Beteiligungsoffensive für echte Freiräume zum Mitgestal- seien eine Stärkung der Medien- Kinder und Jugendliche. Demo- ten und Mitbestimmen geben. kompetenz und die Gewährleis- kratische Werte und Rechte soll- Den freien Trägern der Jugend- tung eines gleichberechtigten ten schon von klein an vermittelt hilfe und den Jugendverbänden Zugangs zum Internet entschei- und erlebt werden: in Elternhaus, attestieren Bündnis 90/Die Grü- dende Voraussetzungen. Das Kita, Schule und Jugendeinrich- nen einen wichtigen Beitrag zur Potenzial der Medien solle viel tung, im Ausbildungsbetrieb und Förderung von Demokratie und stärker genutzt werden, um über an der Hochschule. Zu Grunde politischem und zivilgesellschaft- Demokratie und Politik zu infor- liegt dieser Initiative die Vision lichem Engagement von Kindern mieren und das Interesse der Kin- einer generationengerechten und Jugendlichen. Die Strukturen der und Jugendlichen daran zu Gesellschaft, in der Kinder und und Arbeitsfelder der vielen wecken. Jugendliche ihre Interessen freien Träger sollten gesichert selbstständig vertreten können. und weiterentwickelt werden, Ausdrücklich wird angemahnt, Die Fraktion fordert die Auflage etwa durch eine stärkere Einbin- auf jede Engführung auf Partei- eines neuen „Nationalen Aktions- dung junger Migrantinnen und enpolitik zu verzichten, da man plans für Kinder- und Jugend- Migranten. Zudem brauchten damit riskiere, für die Mehrheit beteiligung“. Die gegenwärtigen Jugendliche ein eigenes Antrags- der Jugendlichen unattraktiv zu Beteiligungsmöglichkeiten jun- befugnisrecht bei den Leistungen sein. Der Politik-Abstinenz wol- ger Menschen in Deutschland der Jugendhilfe. Auch die Frei- len Bündnis 90/Die Grünen mit seien ein Flickenteppich und willigendienste sollten stärker einer jugendgerechten Öffnung erfüllten nicht die Standards der ausgebaut werden und starke politischer Organisationen und UN-Kinderrechtskonvention. Bei Impulse für zivilgesellschaftliches Institutionen und einem Angebot künftigen Beteiligungsprojekten und politisches Engagement set- zu aktiver Mitgestaltung ent- komme es darauf an, dass sie jun- zen. Unterstützt und qualifiziert gegenwirken. gen Menschen tatsächliche Ent- werden sollen auch der interna- scheidungsbefugnisse garantie- tionale Jugendaustausch und Auf einer Konferenz freier Träger ren, transparent und nachhaltig regelmäßige Begegnungspro- politischer Bildung in Potsdam, sind. Folgenlose Partizipations- gramme, um interkulturelle die im Februar 2011 stattfand, prozesse seien frustrierend und Kompetenzen und globales wurde Kritik an den großen Hür- nicht nachhaltig. Bereits in der Lernen zu fördern. den gegen Bürgerbeteiligung Kindertagesbetreuung könnten geübt. Die Brandenburgische Kinder erste Partizipationserfah- Eine weitere Forderung des Landeszentrale für politische Bil- rungen außerhalb des Eltern- Beschlusses zielt auf die Absen- dung hatte zu dieser Veranstal- hauses sammeln. Deshalb brauch- kung des aktiven Wahlalters auf tung eingeladen, bei der es um ten schon Kindertagesstätten ein 16 Jahre. Eine Senkung des Wahl- die Einflussnahme von Bürgern Demokratie- und Teilhabekon- alters auf allen Ebenen werde auf staatliche Planungen in Bran-

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denburg ging. Die Mentalität in rungserwünschter und -konfor- bilden einen Bürgerausschuss, vielen Ämtern verhindere eine mer Engagementformen statt- dem mindestens sieben Bürger/- breite Beteiligung der Öffentlich- findet. Auch der in diesem innen aus mindestens sieben ver- keit, die Behörden blockierten Zusammenhang genannten schiedenen Mitgliedstaaten an- das vor knapp fünf Jahren in hohen Bedeutung von Bildungs- gehören. Sie haben eine Frist von Kraft getretene Informations- angeboten für das bürgerschaft- einem Jahr zum Sammeln von freiheitsgesetz und vielerorts liche Engagement müsse in der Unterschriften, während die herrsche noch der Obrigkeits- Praxis Rechnung getragen wer- Kommission ihrerseits in drei staat, so Michael Bürsch, ehe- den. Qualifizierungs- und Unter- Monaten eine Initiative zu prü- maliger SPD-Bundestagsabge- stützungsangebote für dieses fen und über das weitere Vor- ordneter, der die frühere Engagement seien sehr wichtig. gehen zu beschließen hat. In der Enquete-Kommission des Deut- In krassem Widerspruch zu der Zwischenzeit wird die Initiative schen Bundestags zur Zukunft von der Bundesregierung von der Kommission empfangen des bürgerschaftlichen Engage- genannten Bedeutung der poli- und erhält zudem Gelegenheit, ments leitete. Auch andere Teil- tischen Bildung stünden die von ihr Anliegen im Rahmen einer nehmer/-innen berichteten über ihr beschlossenen Kürzungen bei öffentlichen Anhörung vor dem negative Erfahrungen mit Versu- der Bundeszentrale für politische Europäischen Parlament vorzu- chen, Bürger/-innen an politi- Bildung. Zudem fehlten Konzep- bringen. Ob die Europäische Bür- schen Entwicklungen auf den te zur Entbürokratisierung, zur gerinitiative die in sie gesetzten verschiedenen Ebenen zu beteili- Angleichung der unterschied- Erwartungen erfüllt, wird jedoch gen. Hier stehe man in Branden- lichen Aufwandspauschalen für unterschiedlich beurteilt. Wäh- burg erst am Anfang. Mittler- ehrenamtliche Tätigkeiten und rend einige Vertreter/-innen ver- weile gibt es in Brandenburg die Klärung steuerrechtlicher schiedener Fraktionen des Euro- aber doch 120 aktive Vereinigun- Fragestellungen. päischen Parlaments in der gen, die politische Bildungsarbeit Europäischen Bürgerinitiative leisten, wozu neben etablierten Bürgerschaftliches Engagement ein geeignetes Instrument sehen, Organisationen auch kleine wird auch auf europäischer Ebe- supranational direkte Demokra- Wohnzimmer-Runden in Dörfern ne gefordert. Ende letzten Jahres tie anwenden zu können, wurde gehören. Die Landeszentrale wurde die Europäische Bürger- von anderen auch weiterhin ein stellt für solche Projekte jährlich initiative beschlossen, die den eklatantes Demokratiedefizit in rund 430.000 Euro zur Verfü- EU-Bürgern/-Bürgerinnen von der EU festgestellt, dem nur gung. 2012 an die Möglichkeit gibt, begegnet werden könne, wenn die politische Agenda der EU die Mitgliedsstaaten Bürgerinitia- Die Katholische Bundesarbeits- mitzubestimmen. Nach einer tiven nun rasch ohne Schikanen gemeinschaft für Erwachse- neuen Bestimmung im Vertrag und übertriebene Bürokratie nenbildung (KBE) hat in einer von Lissabon können sie, wenn umsetzen würden. Erklärung die Nationale Engage- ihre Zahl mindestens eine Million mentstrategie der Bundesregie- beträgt und sie mindestens ein Quellen: Bündnis 90/Die Grünen rung begrüßt, jedoch gefordert, Viertel der EU-Mitgliedsstaaten Bundestagsfraktion/Beschluss dass in der Umsetzung dieser vertreten, die Kommission zu Kinder- und Jugendpartizipation Strategie wirklich das vielfältige Rechtssetzungsvorschlägen in vom 14.12.10, Märkische Oder- Engagement der Bürger/-innen den unter ihre Zuständigkeit fal- zeitung vom 11.02.11, Pressemit- gefördert wird und keine Aus- lenden Bereichen auffordern. Die teilung der KBE vom 06.12.10, wahl bestimmter, aktuell regie- Initiatoren einer Bürgerinitiative www.euractiv.de vom 15.12.10

Politische Bildung erfährt Unterstützung

Die vom Bundesausschuss politi- erfahren. Die Kampagne wurde bildung KAW verabschiedete im sche Bildung (bap) im letzten im Sommer 2010 gestartet, um Dezember 2010 eine Resolution, Jahr initiierte Kampagne „Demo- die planten Kürzungen bei der in der die bap-Kampagne aus- kratie braucht politische Bil- Bundeszentrale für politische Bil- drücklich unterstützt und die dung“ hat Unterstützung auch dung im Bundeshaushalt 2011 zu negativen Folgen der geplanten außerhalb der eigenen Reihen verhindern. Der Rat der Weiter- Kürzungen für Bildung und

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Weiterbildung in Deutschland Grundlage zu stellen. Dennoch Bereich der politischen Bildung betont werden. Die Resolution sei mit gutem Recht der Bereich zu verzichten. Stärkung nicht weist auf die Bedeutung der poli- der Bildung von allen Sparmaß- Schwächung der politischen Bil- tischen Bildung hin, die Grund- nahmen ausgenommen, der dung liege im ureigensten Inter- lagenarbeit in Form der Befähi- dafür vorgesehene Etat sogar esse der Politik. gung zu einer konstruktiven erhöht worden, jedoch wurde Auseinandersetzung mit der Poli- beim Haushalt der Bundeszentra- In Schleswig-Holstein gibt es Hin- tik leiste und neue Formen des le für politische Bildung anders weise darauf, dass die vom Kura- demokratischen Streites und verfahren. Das Kuratorium torium der Bundeszentrale für Diskurses anrege und entwickle. betont, dass die Demokratie als politische Bildung geäußerte Die Angebote der politischen Bil- offenste und menschenfreund- Befürchtung einer Schwächung dung freier Träger mit unter- lichste aller Staatsformen tag- der politischen Bildung in den schiedlichen Traditionen und täglich neu gelehrt und gelernt, Bundesländern nicht ganz unbe- Wertorientierungen ordneten gestaltet und bewahrt werden gründet ist. Die Landeszentrale sich ein in das Gesamtsystem der müsse. Der europäische Vergleich für Politische Bildung in Schles- Weiterbildung. Sie stellten eine mache deutlich, dass es in wig-Holstein wurde nach einem wichtige Komponente von Deutschland ein weit gespanntes Parlamentsbeschluss, der am Demokratie-Bildung dar und Netz politischer Bildung gebe 1. Januar 2011 in Kraft trat, als seien existenziell für das gesell- und die Pluralität der Institutio- Einrichtung zwar erhalten, wird schaftliche Leben. Politische Bil- nen dabei eine besondere Attrak- aber personell verkleinert, erhält dung sei ein unverzichtbarer tivität entfalte. Diesem Netzwerk eine neue Leitung und soll ihr Bestandteil von Bildung und der politischen Bildung, das die Aufgabenprofil bearbeiten. Insti- Weiterbildung. Wenn die Bun- europäischen Partner zu ähn- tutionell wird sie nun dem Land- desregierung anstrebe, in lichen Gründungsaktivitäten tag zugeordnet. Die bisherige Zukunft 10 % des Bruttosozial- angeregt habe, stehe angesichts Leitungsstelle, die seit langer Zeit produktes für Bildung und For- der auch für die Folgejahre unbesetzt war, wird eingespart schung aufzuwenden, dürften geplanten Kürzungen vor einer und wird nun von der Leiterin bei der politischen Bildung die Zerreißprobe. Bedroht seien des Referats Öffentlichkeitsarbeit Mittel nicht gekürzt werden, nicht nur Träger in ihrer Exis- des Landtags, Annette Wiese- sondern müssten steigen. Die tenz, sondern der Sparkurs der Krukowska, in Personalunion Mitglieder der Bundesregierung Bundesregierung könne auch wahrgenommen. Die Landes- wurden aufgefordert, dafür Sor- von klammen Landesregierungen zentrale soll aber unabhängig ge zu tragen, dass in den kom- zum Anlass genommen werden, bleiben und eigene Mittel und menden Jahren dieser Weiter- ihre Mittel für die politische Bil- Stellen - wenn auch in reduzier- bildungsbereich durch eine dung ebenfalls auszudünnen. tem Umfang - behalten. Mit ausreichende Finanzausstattung Politische Bildung sei unabding- diesem Beschluss ist ein lange gestärkt und gefestigt wird. bar, um das ausgeprägte Desinte- andauerndes Ringen um die resse vieler Teile der Bevölkerung Zukunft der Landeszentrale Im Februar 2011 verabschiedete an der Demokratie und ihren beendet worden, deren Existenz das Kuratorium der Bundeszen- Institutionen ins Gegenteil zu zeitweilig sogar infrage gestellt trale für politische Bildung eine verkehren. In einer Situation, in war. Entschließung, die sich ebenfalls der politische Bildung mehr denn gegen die Kürzungen der Mittel je gebraucht werde, sei es daher Quellen: Mitteilung des Rats der für politische Bildung im Haus- fatal, ihre Institutionen und Weiterbildung – KAW vom halt der Bundeszentrale für poli- deren Spielräume zu beschnei- 20.12.10, www.bap-politischebil- tische Bildung wandte, auch den. Das bpb-Kuratorium fordert dung.de/modbfile.php?g=daten- wenn es als „Gebot der Stunde“ die Bundesregierung auf, im Ent- objekt~12586~~downloadindb~ bezeichnet wurde, die öffent- wurf des Bundeshaushalts 2012 ff. downloadindbdateiname, polis lichen Haushalte auf eine solide auf die geplanten Kürzungen im 1/2011, S. 26

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Bundestag setzt Auseinandersetzung über Extremismusprogramme fort

Der Deutsche Bundestag hat in tung, rechtsextremistische, links- tiven aus der Zivilgesellschaft zwei Debatten die Auseinander- extremistische und islamistische für ihre Aktionen und Projekte setzung über die neuen Program- Bestrebungen gleichermaßen zu gegen Rechtsextremismus. Die me des Bundesministeriums für bekämpfen. Die Bundesregie- Programme hätten sich über die Familie, Senioren, Frauen und rung wird zudem dazu aufgefor- Jahre jedoch verändert und soll- Jugend gegen verschiedene dert, Sorge dafür zu tragen, dass ten gemeinsam mit der Zivil- Formen des Extremismus in sich die Träger von Projekten in gesellschaft Jahr für Jahr neu diesem Frühjahr fortgesetzt. Programmen zur Extremismus- gestaltet werden. Gleichzeitig Am 27. Januar 2011 beriet er prävention und deren Partner sei Kontinuität in der Förderung über Anträge der Regierungs- zur freiheitlich-demokratischen notwendig, was auch für Projek- koalition und der SPD-Fraktion, Grundordnung der Bundesrepu- te gegen Rechtsextremismus gel- in denen es um die Fortsetzung blik Deutschland bekennen. te. Den Trägern dieser Projekte beziehungsweise Neuorientie- sollte nicht unterstellt werden, rung der Programme geht. Der Die CSU-Bundestagsabgeordnete dass sie nicht auf dem Boden des Antrag der SPD, der noch im ver- Dorothee Bär begründete für ihre Grundgesetzes stehen, wie es die gangenen Herbst vorgelegt wur- Fraktion den Antrag mit den Ver- Forderung nach Unterzeichnung de, fordert die Schaffung dauer- einbarungen im Koalitionsvertrag der Extremismusklausel nahe- hafter Strukturen, die sich nicht von CDU/CSU und FDP. Die Aus- lege. nur auf die Bekämpfung von einandersetzung mit Links- und Rechtsextremismus beschränken, Rechtsextremismus nehme zu, Florian Bernschneider (FDP) sondern vielmehr die Werte der das gelte auch für die Zahl poli- betonte die „Ganzheitlichkeit“ Demokratie vermitteln sollen. Ein tisch motivierter Gewalttaten im Kampf gegen den Extremis- Stiftungsmodell zur Bekämpfung unterschiedlicher Couleur. Erfor- mus, die im Antrag der CDU/CSU von Rechtsextremismus soll auf derlich sei ein Zusammenspiel zum Ausdruck komme. Dies gelte Bundesebene errichtet werden, verschiedener Maßnahmen, zu nicht nur für die ressortübergrei- die von der Regierungskoalition denen Jugend- und Präventions- fende Zusammenführung beste- geplante Vermischung der beste- arbeit, Förderung des gesell- hender Programme, sondern henden Programme gegen schaftlichen Zusammenhalts auch für die Auseinandersetzung Rechtsextremismus mit anderen und die konsequente Verfolgung mit allen Gefahren für die Demo- Programmen zur Extremismus- politisch motivierter Straftaten kratie. Es sei genau der richtige abwehr und die Zusammen- gehörten. Die Entwicklung und Weg, auch gegen die Gefahren legung der Haushaltstitel gegen Stärkung von Toleranz und Demo- des Linksextremismus und des Rechtsextremismus mit dem kratieverständnis sei ein zentra- religiösen Extremismus im Rah- Haushaltstitel gegen Linksextre- les Ziel der Kinder- und Jugend- men der Präventionsarbeit anzu- mismus und Islamismus sollten politik dieser Koalition. Der gehen. Die Aufrufe von Islamis- umgehend rückgängig gemacht Demokratie drohe Gefahr von ten bei YouTube seien genauso werden. Der SPD-Antrag zielt vielen Seiten. Die Koalition sei ernst zu nehmen wie rechte auch auf die Rücknahme der nicht auf einem Auge politisch Schulhof-CDs. Ein weiteres gutes Kürzungen im Haushalt der blind, während sich der Antrag Mittel gegen Extremismus sei die Bundeszentrale für politische der SPD allein der Bekämpfung Aussicht auf Arbeits- und Ausbil- Bildung und fordert eine Erhö- des Rechtsextremismus widme. dungsplätze und auf ein Wachs- hung dieser Mittel. Bär verteidigte ausdrücklich die tum, das am Ende auch sozialen Forderung nach einer Demokra- Aufstieg ermögliche. Der von der CDU im Januar 2011 tieerklärung als Voraussetzung vorgelegte Antrag spricht sich für die Förderung von Projekten. Für die Fraktion DIE LINKE führte gleichfalls für die Fortsetzung aus, dass die Vermi- des Engagements gegen Rechts- Sönke Rix (SPD) begrüßte den schung verschiedenster Program- extremismus und Fremdenfeind- Konsens, der im Bundestag über me und Ansätze sowie die von lichkeit aus, begründet aber auch die Notwendigkeit bestehe, Mit- der Koalition geschaffene „Miss- die Notwendigkeit der Program- tel für Demokratie und Toleranz trauenskultur“ falsch und auch me gegen Linksextremismus und im Bundeshaushalt des BMFSFJ wissenschaftlich nicht haltbar Islamismus und unterstützt die zur Verfügung zu stellen. Er seien. Rassismus, Antisemitismus Bundesregierung in ihrer Hal- dankte den zahlreichen Initia- und andere menschenfeindliche

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Strömungen seien keine Phäno- sondern auch von innen. Deshalb ren des Linksextremismus hinweg- mene am Rand der Gesellschaft, sei die Erweiterung der Program- zusehen. Doch ein prinzipielles sondern auch in der Mitte der me erfolgt, ohne dass der Rechts- Misstrauensvotum gegenüber Gesellschaft zu finden. Es sei extremismus verharmlost werde. potentiell allen Bürgern könnten nicht akzeptabel, dass die Aus- Es sei bedauerlich, dass die SPD in sich selbstbewusste Demokraten einandersetzung mit der Links- ihrem Antrag Linksextremismus nicht gefallen lassen. Demokratie partei im Parlament auf dem und Islamismus nicht aufgegrif- müsse sich verteidigen, beruhe Rücken von Projekten und Initia- fen habe. aber zunächst einmal auf Ver- tiven ausgetragen werde. Die trauen. Linke unterstütze den Antrag Daniela Kolbe (SPD) bezog sich in der SPD-Fraktion und wolle, ihrem Beitrag auf die Studie der Dr. Hermann Kues, Parlamentari- dass nicht immer wieder am Friedrich-Ebert-Stiftung „Die Mit- scher Staatssekretär bei der Bun- Beginn eines neuen Jahres die te in der Krise“, die eine eklatan- desministerin für Familie, Senio- Finanzierung von Projekten te Zustimmung zu rassistischen ren, Frauen und Jugend, betonte, infrage gestellt werde. und ausländerfeindlichen Aussa- dass es um Förderung, nicht um gen feststellen konnte. Diesen Ächtung gehe. Die Entwicklung (Bündnis 90/Die manifesten Einstellungen in der zur Demokratieerklärung sei auf Grünen) verwies auf gemein- Mitte der Gesellschaft könne eine Initiative des früheren Innen- same Ansätze aller Fraktionen man durch die Förderung von ministers zurück- zur Demokratiestärkung. Die Beteiligung und mehr Demokra- gegangen, nach der niemand Diskussion zeige jedoch auch die tie begegnen, aber auch durch materielle und immaterielle Leis- gravierenden Unterschiede. Die gute politische Bildung und tungen erhalten könne, der sich NPD und ihre Verbündeten seien durch Programme, die die Zivil- nicht zur freiheitlich-demokrati- nicht nur in Landtagen und Kom- gesellschaft stärken. Daniela Kol- schen Grundordnung bekenne. munalparlamenten vertreten, be forderte das Parlament dazu Er verwies auf eine Regelung des sondern inzwischen gebe es auch auf, sich gemeinsam gegen die sozialdemokratisch geführten Orte, in denen der Rechtsextre- angekündigten Kürzungen im Ministeriums für Soziales und mismus das öffentliche Bild maß- Haushalt der Bundeszentrale zur Gesundheit in Mecklenburg-Vor- geblich präge. Orte, in denen Wehr zu setzen und die Versteti- pommern, nach der Kindertages- vermeintliche linksextreme oder gung der Arbeit von Projektträ- stätten nur dann eine Betriebs- Islamisten das gesamte öffentli- gern gegen Rechtsextremismus erlaubnis erhalten, deren Träger che Leben dominierten, seien abzusichern. ausdrücklich versichern, dass sie hingegen nicht bekannt. Deshalb in keiner Weise Bestrebungen sei auch nicht nachvollziehbar, Dr. (FDP) beklag- unterstützen, deren Ziele gegen dass die Koalition in ihrem Antrag te, dass sich die Debatte in einem die freiheitlich-demokratische Rechts- und Linksextremismus in Links-rechts-Schema bewege und Grundordnung oder gegen eines einem Atemzug nenne. Auch man nicht genau hinschaue, wo ihrer grundlegenden Prinzipien Monika Lazar wandte sich gegen Straftaten der freiheitlich-demo- gerichtet seien. Dieser Erlass die sogenannte Extremismuserklä- kratischen Grundordnung beruhe auf dem Hintergrund, rung, die ein Misstrauensvotum zuwiderlaufen. Er selbst sei dass NPD-Kreise versuchten, sich gegen die Zivilgesellschaft und mehrfach Opfer linksextremer in die Trägerschaft von Kinder- völlig unnötig sei. Gewalt geworden und plädiere tageseinrichtungen einzuschlei- dafür, dieses Phänomen ernst zu chen. Auch viele Träger hätten (CDU/CSU) versi- nehmen. darüber geklagt, dass extremisti- cherte, dass die Koalition an der sche Gruppen versuchten, ihre Extremismusklausel für die Pro- Die Extremismusklausel stand Organisationen zu unterwan- jektträger festhalten wolle. Es sei im Mittelpunkt einer weiteren dern. Wer sich für die Demokra- zu verhindern, dass sich extreme Debatte, die am 10. Februar 2011 tie einsetze, müsse sich gegen Kräfte unter dem Deckmantel stattfand. Rechtsextreme genauso wie des Antifaschismus Steuergelder (SPD) sah in der Forderung nach gegen Linksextreme und gegen erschleichen und damit ihren der Erklärung als Voraussetzung Islamisten wehren. Die Bundes- Kampf gegen den Staat finan- für die Projektförderung ein regierung wolle verhindern, dass zieren. Die Linksextremismus sei demokratiepolitisch fatales Vor- sich Extremisten einschleichen, keinesfalls ein Randphänomen gehen, das dem Geist der Verfas- und das gelte für Kindertages- und auch der Islamismus sei eine sung widerspreche. Dies bedeute einrichtungen ebenso wie für Bedrohung nicht nur von außen, nicht, blauäugig über die Gefah- die politische Bildungsarbeit.

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Ulla Jelpke von der Fraktion (CDU/CSU) betonte, Bekämpfung von politischem DIE LINKE führte an, dass die dass es darum gehe, den Staat und religiösem Extremismus in Extremismusklausel alles kaputt- vor Extremisten zu schützen. Deutschland auseinander. Auch zumachen drohe, was in jahre- Der wehrhafte Staat sei eines der dabei war die schriftliche Erklä- langer Arbeit aufgebaut worden Grundprinzipien der Verfassung, rung, mit der sich die Träger von sei. Projekte gegen Rechts das man nach den Erfahrungen Projekten gegen Extremismus brauchten keinen Nachhilfeunter- mit der Weimarer Republik in das zur freiheitlich-demokratischen richt der Bundesregierung. Die Grundgesetz eingeführt habe. Grundordnung bekennen sollen, Regierung verlange ihnen einen Das Ministerium komme mit sei- wenn sie staatliche Mittel erhal- Wust von Schnüffeldiensten ab. nen Programmen der Verpflich- ten wollen, besonders umstrit- Mit der Extremismusklausel sollten tung zur wehrhaften Demokratie ten. missliebige linke Organisationen nach. Es könne nicht falsch sein, an den Pranger gestellt werden. von den geförderten Institutionen SPD, Linke und Grüne kritisierten und ihren Partnern ein Bekennt- heftig diese Erklärung, da man Florian Bernschneider von der nis zur Demokratie zu verlangen. von den Trägern nicht verlangen FDP wies ebenfalls darauf hin, könne, dass sie auch für alle dass die Extremismusklausel Dr. Stefan Ruppert (FDP) beklag- Kooperationspartner erklärten, keine Erfindung der Regierungs- te die immer gleiche Dramatur- nicht verfassungsfeindlich zu koalition sei, sondern die miss- gie in den Debatten zu Fragen sein. Über die Verfassungsfeind- bräuchliche Inanspruchnahme des Extremismus und seiner lichkeit von Organisationen oder von Förderprogrammen auch Bekämpfung. In diesen Debat- Vereinen habe in Deutschland schon von den Vorgängerregie- ten komme man niemals dazu ausschließlich das Bundesverfas- rungen zu verhindern versucht zu klären, welchen Extremismus- sungsgericht zu urteilen. CDU/ wurde. Er bezog sich dabei auf begriff man in Deutschland CSU und FDP wiederholten ihre einen Brief des SPD-Staatssekre- eigentlich zu Grunde lege. Die Auffassung, dass das Bekenntnis tärs Diwell im Innenministerium linke Seite konzediere einen ver- zur Verfassung durch einen Pro- aus dem Jahr 2004. meintlichen moralischen Rabatt jektträger eine Selbstverständ- für den Linksextremismus, wäh- lichkeit sei, wenn er Steuergelder Monika Lazar (Bündnis 90/Die rend sie engagiert und mit gro- beantrage. Die Oppositionsfrak- Grünen) ging auf das Gutachten ßem Einsatz gegen den Rechts- tionen forderten erneut, dass die von Professor Battis ein, nach extremismus vorgehe. Es sei an finanzielle Ausstattung der Pro- dem die Extremismusklausel der Zeit, diese Unausgewogen- jekte gegen Rechtsextremismus weder dem Grundsatz der Ver- heit abzulegen. dauerhaft gewährleistet werden hältnismäßigkeit noch dem solle, anstatt sie Jahr für Jahr neu Bestimmtheitsgebot Rechnung Der in dieser Debatte behandelte bewilligen zu müssen. Dies sei, so trage. Das eigene Bekenntnis zur Antrag von SPD und Bündnis die Regierungskoalition, aus freiheitlich-demokratischen 90/Die Grünen wurde von der haushaltsrechtlichen Gründen Grundordnung sei nicht das Pro- Mehrheit der Koalitionsfraktio- jedoch nicht machbar. blem, sondern das Problem sei nen abgelehnt. die Gesinnungsschnüffelei bei potentiellen Partnern. Auch in Im März setzten sich Koalitions- Quellen: BT-Drucksachen 17/3867 den Ländern sei inzwischen eini- und Oppositionsfraktionen im und 17/4432, Plenarprotokolle ges in Bewegung geraten, von Ausschuss für Familie, Senioren, des Deutschen Bundestages Nrn. denen einige Protest eingelegt Frauen und Jugend weiter über 10/87 und 17/90, heute im hatten. die richtigen Strategien zur bundestag Nr. 111

Neues aus der Weiterbildung

Das Deutsche Institut für Erwach- und Unterrichtsstunden der Statistik verzeichnet diesen posi- senenbildung (DIE) teilte im letz- Volkshochschulen verzeichnet tiven Trend in fast allen Pro- ten Dezember mit, dass im Jahr werden konnten. Die Zahl der grammbereichen. Der Bereich 2009 weitere Zuwächse bei den Anmeldungen stieg um 2,3 % „Gesundheit“ verzeichnet den Teilnahmen, Veranstaltungen auf 9,2 Millionen. Die neue VHS- größten Zuwachs. Hier wurden

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fast drei Mio. Unterrichtsstunden und Zulassungen wird eine effektivere Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Das umfangreichste Bedingung wichtiger Finanziers ermöglichen soll. Es soll die Angebot findet sich bei den und Kundengruppen gesehen, zumeist ehrenamtlichen Bildungs- Sprachkursen. Die Bedeutung so die den Weiterbildungsanbietern beauftragten in Kirchengemein- genannter Auftrags- und Ver- Zugang zu geschlossenen Markt- den, Vereinen und anderen Bil- tragsmaßnahmen ist gewachsen. segmenten eröffnet und gleich- dungseinrichtungen bei der Die Anzahl der Kurse in diesem zeitig der Qualitätssicherung Organisation und Realisierung Segment nahm um 9 % zu. dient. 43 % der Weiterbildungs- ihres Bildungsangebotes unter- anbieter verfügen über die stützen. Als „Content- Manage- Auch die Weiterbildungsstatistik Anerkennungs- und Zulassungs- ment-System“ soll es den Ein- des Verbunds aus fünf großen verordnung Weiterbildung der richtungen ermöglichen, ihre Organisationen allgemeiner und Bundesagentur für Arbeit für Veranstaltungsangebote besser politischer Weiterbildung, zu Maßnahmen nach SGB III. Weite- zu verwalten und auch im Inter- denen auch der Arbeitskreis re Anerkennungen erfolgen net auf den einschlägigen Wei- deutscher Bildungsstätten durch die Erwachsenen- oder terbildungsportalen zu veröf- gehört, verzeichnet für das Weiterbildungsgesetze der fentlichen. Zudem werden mit Jahr 2008 einen Anstieg der Bundesländer und der Berufs- der Erfassung der Veranstal- Teilnehmerzahlen an den von beziehungsweise Wirtschafts- tungsdaten automatisch Hono- ihnen angebotenen Weiterbil- verbände. Voraussetzung für rarformulare für Referentinnen dungsveranstaltungen um eine eine Anerkennung ist häufig der und Referenten, Vorlagen für halbe Million gegenüber den Nachweis eines Qualitätsmana- Werbe-Flyer und für Kleinplakate beiden Vorjahren. Rund 1,1 Mio. gements. Hier überwiegt die sowie Veranstaltungsnachweise Weiterbildungsveranstaltungen DIN EN ISO 900; nach ihr sind und Teilnehmerlisten erzeugt. mit 22 Mio. Unterrichtsstunden mehr als ein Drittel der Anbieter wurden durchgeführt. Neben zertifiziert. Das Deutsche Institut für Erwach- 13.500 hauptberuflich Mitarbei- senenbildung (DIE) überreichte tenden waren 2008 in den Ein- Die vollständigen Ergebnisse der nordrhein-westfälischen richtungen 269.000 Menschen des wbmonitor 2010 finden sich Ministerin für Schule und Weiter- ehrenamtlich, neben- oder frei- unter www.wbmonitor.de. bildung, Sylvia Löhrmann, am beruflich tätig. 21. Februar 2001 den Schluss- Das Ministerium für Bildung, bericht der Evaluation zur Wirk- Beide Statistiken stehen vollstän- Jugend und Kultur des Landes samkeit der Mittel des Weiter- dig zum Download auf der Web- Rheinland-Pfalz fördert ein bildungsgesetzes. Zwei Jahre site des Instituts zur Verfügung: neues Serviceprogramm, mit lang untersuchte ein Team des www.die-bonn.de dem insbesondere kleine Anbie- DIE, welche Wirkungen das ter von Weiterbildungsmaßnah- Weiterbildungsgesetz dabei Von den Weiterbildungsanbie- men – wie beispielsweise Kir- hatte, Weiterbildung als lebens- tern in Deutschland besitzen chengemeinden oder Vereine – begleitenden Prozess zu organi- 85 % mindestens eine formale unterstützt werden sollen. sieren und mehr Menschen zum Anerkennung. Der wbmonitor Träger des Projekts, für das die Lernen zu motivieren, um auf 2010, die größte jährliche Umfra- Landesregierung 32.000 Euro diesem Weg den Zusammenhalt ge bei Weiterbildungsanbietern bereitstellte, ist die Evangelische in der Gesellschaft zu stärken. in Deutschland, stellte im letzten Landesarbeitsgemeinschaft für Der Auftrag zu dieser Evaluation Jahr die Verbreitung und die Erwachsenenbildung in Rhein- war noch von der Vorgänger- Auswirkungen von formalen land-Pfalz. Kooperationspartner regierung erteilt worden. Bei Anerkennungen bei den Weiter- sind die Evangelische Arbeits- der Untersuchung ging es unter bildungsanbietern in den Mittel- stelle Bildung und Gesellschaft in anderem um Fragen, inwiefern punkt. Außerdem fragte er nach Kaiserslautern, die Katholische das Weiterbildungsangebot der dem Geschäftsklima in der Wei- Erwachsenenbildung Rheinland- durch das Gesetz geförderten terbildungsbranche. Bei dem Pfalz sowie die Landesvereini- kommunalen Volkshochschulen wbmonitor handelt es sich um gung Ländliche Erwachsenenbil- und Einrichtungen in anderer ein Gemeinschaftsprojekt des dung. Sie entwickeln gemeinsam Trägerschaft am Gemeinwohl Bundesinstitutes für berufliche ein elektronisches „Qualitäts- ausgerichtet, bedarfsgerecht Bildung (BIBB) und des Deut- und Service-Paket“, das kleinen und zukunftsorientiert ist, wel- schen Instituts für Erwachsenen- Anbietern ein besseres Veran- che Möglichkeiten es zur Opti- bildung (DIE). In Anerkennungen staltungsmanagement und eine mierung des Zweiten Bildungs-

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wegs gibt und wie das Angebot tungsstrukturen im Rahmen unter www.schulministerium. an Weiterbildungsberatung in regionaler Kooperationen und nrw.de/BP/Weiterbildung/ NRW einzuschätzen ist. Das DIE Netzwerke weiter auszubauen, Aktuelles/Gutachten_Weiter- empfahl, die Förderung durch um vor allem mehr bildungsferne bildung/index.html das Weiterbildungsgesetz noch Zielgruppen zu erreichen. Minis- abzurufen. stärker auf Angebote für bil- terin Löhrmann kündigte an, dungsferne Zielgruppen und die dass die Landesregierung das Unterstützung des pädagogi- Gutachten gründlich auswerten Quellen: Pressemitteilungen des schen Personals für seine umfas- und in enger Abstimmung mit Deutschen Instituts für Erwachse- senden Aufgaben zu konzentrie- dem Landtag und den Trägern nenbildung vom 09.12.2010, ren, die derzeit komplizierte der Weiterbildungslandschaft 20.12.2010 und 02.02.2011, Presse- Fördersystematik durch einen diskutieren werde. mitteilung des Ministeriums für neuen Verteilungsschlüssel für Bildung, Wissenschaft, Jugend die WbG-Mittel transparenter zu Mitte März wurde das Gutachten und Kultur des Landes Rhein- gestalten und vorhandene Bera- veröffentlicht. Es ist als PDF-Datei land-Pfalz vom 21.01.2011

Bundesregierung zur Umsetzung des ILO-Übereinkommens zum bezahlten Bildungsurlaub

Die Bundesregierung veröffent- werden und sind Vergleiche nicht ratifiziert und sieht deshalb lichte Mitte Februar ihre Antwort zwischen den einzelnen Bundes- auch keinen formalen Handlungs- auf eine Kleine Anfrage der ländern kaum möglich. bedarf. Die Landesregierung Bundestagsfraktion Bündnis begrüßt Übereinkommen zwi- 90/Die Grünen, die Auskunft Das von der Bundesregierung im schen Gewerkschaften und über die Inanspruchnahme von Jahr 1976 unterzeichnete ILO- Arbeitgebern im Hinblick auf die bezahltem Bildungsurlaub seit Übereinkommen 140 verpflichtet (Weiter-) Qualifizierung der Mit- 2005 erbat. Die Antwort ergab, jedes Mitglied dazu, „eine Politik arbeiterinnen und Mitarbeiter. dass die von den Grünen festzulegen und durchzuführen, Die Weiterbildungsteilnahme lie- erwünschten Daten von ver- die dazu bestimmt ist, mit Metho- ge nach einer Auswertung des schiedenen Bundesländern nicht den, die den innerstaatlichen Ver- Berichtssystems Weiterbildung unbedingt erhoben werden und hältnissen angepasst sind und aus dem Jahr 2007 in Baden- der Bundesregierung deshalb die nötigenfalls schrittweise, die Württemberg im allgemeinen zur Beantwortung der Frage Gewährung von bezahltem Bil- Weiterbildungsbereich über erforderlichen Informationen dungsurlaub zu fördern.“ Dabei dem Bundesdurchschnitt, im nicht vollständig vorlagen. Die sei den Vertragsstaaten die Form, beruflichen Bereich liegt sie im Übersicht über die einzelnen in der sie ihren Verpflichtungen Bundesschnitt. Auch Bayern sieht Bundesländer könne daher nur nachkommen wollen, bewusst die Aushandlung von Freistel- wiedergeben, was auf deren - überlassen worden. Die Bundes- lungsmöglichkeiten während der Ebene jeweils ermittelt wurde. regierung verweist darauf, dass Arbeitszeit für Bildungszwecke Die Grünen hatten die Anteile der Anspruch auf bezahlten Bil- als Aufgabe der Tarifvertrags- der Geschlechter an den Bildungs- dungsurlaub beziehungsweise parteien an. Sachsen sieht im urlaubsveranstaltungen, die bei die Freistellung von der Arbeit Bildungsurlaub kein geeignetes der Inanspruchnahme von Bil- für Bildungszwecke heute in der Instrument zur Erhöhung der dungsurlaub herausragenden Mehrzahl der Länder der Bundes- Beteiligung an Weiterbildung. Branchen und Kenntnisse über republik Deutschland durch Arbeitnehmer/-innen in Sachsen den volkswirtschaftlichen und Landesgesetze geregelt sei. beteiligten sich im innerdeut- betriebswirtschaftlichen Kosten Zusätzlich seien Regelungen in schen Vergleich auch ohne Bil- und Nutzen von bezahlten Bil- Tarifverträgen vereinbart wor- dungsurlaub überdurchschnittlich dungsurlauben in Erfahrung den. Die Bundesländer Baden- an Weiterbildung. Die sächsische bringen wollen. Angesichts der Württemberg, Bayern, Sachsen Staatsregierung betrachtet eine vorliegenden nach sehr unter- und Thüringen haben bislang gesetzliche Regelung zum Bil- schiedlichen Kriterien geführten noch keine gesetzliche Regelung dungsurlaub als unnötigen Ein- Statistiken konnten diese Anga- zum Bildungsurlaub. Baden-Würt- griff in die unternehmerische ben nur in Einzelfällen gemacht temberg hat das Übereinkommen Freiheit. Thüringen hat keine

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Begründung dafür gegeben, kommens 140 in den einzelnen sung dazu sieht, auf die Länder weshalb es noch kein eigenes Bil- Bundesländern, in denen Bil- einzuwirken. Sie ist der Auffas- dungsurlaubsgesetz erlassen hat. dungsurlaubgesetze existieren. sung, dass Deutschland seine Ver- Die Regierung macht aber auch pflichtungen aus dem Überein- Die Antwort der Bundesregie- deutlich, dass sie diese Umset- kommen erfüllt habe. rung gibt Auskunft über die zung als Sache der Bundesländer Umsetzung des ILO-Überein- betrachtet und keine Veranlas- Quelle: BT-Drucksache 17/4786

Bundesfreiwilligendienst soll gesellschaftlichem Engagement in Deutschland Impulse geben

Durch die beschlossene Ausset- Aussetzung des Zivildienstes vor dem Ausschuss für Familie, zung der Wehrpflicht entfällt kompensieren soll, solle in Senioren, Frauen und Jugend auch der Zivildienst, was viele Zukunft für Männer und Frauen hingegen optimistisch, dass die- Träger insbesondere im sozialen jeder Altersgruppe gleicher- ses Ziel erreicht werden könne. Bereich vor die Frage stellt, wel- maßen geöffnet sein. Seine Diesen Optimismus begründete che Möglichkeit der Kompensa- Regeldauer solle 12 Monate die Ministerin mit dem Umstand, tion es durch den Wegfall von betragen, wobei auch 6-18 Mona- dass mehr als 50 % der derzeiti- Zivildienststellen in den Berei- te und 24 Monate in Ausnahme- gen Zivildienstleistenden ihre chen gibt, in denen die Zivil- fällen möglich sein sollen. Der verpflichtende Dienstzeit von dienstleistenden bislang tätig Bundesfreiwilligendienst solle sechs Monaten freiwillig verlän- waren. Noch im letzten Dezem- von unter 27-Jährigen in Vollzeit gern wollen. Man sei ursprüng- ber beschloss der Koalitions- und von über 27-Jährigen mit lich davon ausgegangen, dass die ausschuss das von der Bundes- mindestens 20 Stunden in der Möglichkeit einer freiwilligen ministerin für Familie, Senioren, Woche geleistet werden. Der Verlängerung von allenfalls bis Frauen und Jugend vorgelegte Bundesfreiwilligendienst solle zu 30 % der Zivildienstleistenden Konzept für einen Bundesfreiwil- wie der Zivildienst arbeitsmarkt- in Anspruch genommen würde. ligendienst, der zumindest einen neutral gestaltet werden und teilweisen Ersatz für die später dürfe keine regulären Arbeits- Am 24. Februar 2011 fand im nicht mehr vorhandenen Zivil- plätze ersetzen. Es gehe dabei Deutschen Bundestag die erste dienstleistenden ermöglichen allein um unterstützende Tätig- Beratung des von der Bundesre- soll. Bundesfreiwilligendienst keiten. Vorgesehen für den Ein- gierung eingebrachten Entwurfs und Freiwilliges Soziales Jahr satz sind die Bereiche des bisheri- eines Gesetzes zur Einführung und Freiwilliges Ökologisches gen Zivildienstes. Hinzu kommen eines Bundesfreiwilligendienstes Jahr sollen dabei weitgehend Einsatzbereiche wie Sport, Inte- statt. Zeitgleich beraten wurden gleich ausgestattet werden. gration, Kultur, Bildung sowie Anträge der CDU/CSU und FDP Kurz darauf beschloss auch das Zivil- und Katastrophenschutz. und der Fraktion DIE LINKE, in Bundeskabinett den Entwurf Die Freiwilligen werden gesetz- denen es um diesen Themenkom- eines Gesetzes zur Einführung lich sozialversichert und handeln plex ging. Dr. Kristina Schröder eines Bundesfreiwilligendienstes, ihr Taschengeld wie beim FSJ und würdigte in ihrer Ansprache die den die zuständige Ministerin FSÖ mit Trägern aus. Es gebe Leistungen des Zivildienstes Kristina Schröder am 15. Dezem- aber eine einheitliche Ober- beziehungsweise der in seinem ber 2010 im Deutschen Bundes- grenze für Ost und West. Rahmen tätigen jungen Männer, tag vorstellte. Die Wehrpflicht die ein dicht geknüpftes Netz der könne nicht über den Zivildienst Die Ministerin wies darauf hin, Fürsorge gespannt und zu einem begründet werden, weshalb mit dass die eigentliche Arbeit erst tragenden Pfeiler für den Zusam- ihrem Ende auch der Zivildienst beginne, nämlich die Werbung menhalt der Gesellschaft gemacht enden müsse. Dies sei schade, für ein Engagement möglichst hätten. Der nun geplante Bun- weil der Zivildienst bislang für vieler Frauen und Männer im desfreiwilligendienst solle der viele junge Männer die einzige Rahmen des neuen Bundes- Nährboden für eine neue Kultur Möglichkeit gewesen sei, Interes- freiwilligendienstes. der Freiwilligkeit in Deutschland se an einem sozialen Beruf zu fin- sein. Man hoffe auf 35.000 Frei- den. Der neue bundesweite Bun- Anfang 2011 äußerte Bundes- willige pro Jahr. Für den neuen desfreiwilligendienst, der die jugendministerin Schröder sich Dienst und für den Ausbau der

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bereits bestehenden Freiwilligen- Lob und Kritik erfuhr die Bundes- einem Spannungs- oder im Ver- dienste werde der Bund künftig regierung für ihren Gesetzent- teidigungsfall zum Dienst an der mehr als 350 Mio. Euro im Jahr wurf auch bei einer öffentlichen Waffe verpflichten. Ein freiwil- bereitstellen. Anhörung des Ausschusses für liger Wehrdienst von sechs bis Familie, Senioren, Frauen und 23 Monaten soll künftig Män- (SPD) wies darauf Jugend, die am 14. März 2011 nern und Frauen offen stehen. hin, dass es erheblich mehr Inter- stattfand. Eine Mehrheit der Aus ihren Reihen will die Regie- essierte an einem Freiwilligen- Experten lehnte das Vorhaben rung den Nachwuchs an Zeit- dienst in Deutschland gebe, als der Regierung ab, die Organisa- und Berufssoldaten für die Plätze zur Verfügung stehen. tion des Dienstes künftig dem rekrutieren. Diese Freiwilligendienste sollten Bundesamt für Zivildienst zuzu- konsequent gestärkt werden. ordnen. Problematisch wurde Bei der Abstimmung über den Die SPD sei gegen eine Doppel- auch das Miteinander mit bisher Gesetzentwurf der Bundesregie- struktur, wie sie durch den neuen bestehenden Freiwilligendiens- rung zum neuen Bundesfreiwil- Bundesfreiwilligendienst ten gesehen. Zustimmung fand ligendienst bemängelten die geschaffen werde. Die Bundes- jedoch, dass der künftige Dienst Oppositionsvertreter Sönke Rix regierung habe zur Verunsiche- für alle Altersgruppen offen sein (SPD), Harald Koch (Linke) und rung junger Menschen und vieler soll. Auch die Festlegung, dass (Grüne) erneut die Träger über die Organisation der Freiwillige, die älter als 27 Jahre Schaffung einer überflüssigen künftigen Freiwilligendienste sind, sich durchschnittlich für Doppelstruktur zu den bereits beigetragen. Nach wie vor wissen mindestens 20 Stunden verpflich- bestehenden Freiwilligendien- die Einrichtungen nicht, was sie ten müssen, wurde befürwortet. sten der Bundesländer. Der CDU- ab dem 1. Juli erwarte. Griese Es wurde aber auch darauf hin- Abgeordnete Markus Grübel forderte die Bundesregierung gewiesen, dass Freiwilligendiens- wies dies als „kleinkariert und mit Blick auf das „Europäische te den langjährigen Zivildienst wenig konstruktiv" zurück. Der Jahr der Freiwilligentätigkeit zur nicht ersetzen könnten. Diese neue Dienst ermögliche das „frei- Förderung der aktiven Bürger- Dienste müssten auch „Bildungs- willige Engagement in einer schaft“ dazu auf, die Ziele dieses und Lernorte“ sein. Die Arbeit ganz großen Breite in Deutsch- Europäischen Jahres zu unter- müsse an den Bedürfnissen der land". Zugleich sprach er sich stützen. Auch weitere Politiker/ Freiwilligen ausgerichtet werden aber dafür aus, die unterschied- -innen der Oppositionsfraktionen und sei zudem nicht arbeits- lichen Dienste „langfristig" begrüßten in der ersten Lesung marktneutral, wie eigentlich im zusammenzuführen. Aktuell den Ausbau von Freiwilligen- Gesetzentwurf vorgesehen sei. scheitere dies noch an verfas- diensten, beklagten aber die sungsrechtlichen Gründen. Die Entstehung überflüssiger Paral- Der Bundestag verabschiedete in Opposition kritisierte auch, dass lelstrukturen zu den bereits zweiter und dritter Lesung am ein Kindergeldbezug während bestehenden Diensten der Län- 24. März 2011 das Gesetz zur Ein- des Bundesfreiwilligendienstes der durch den neuen Bundes- führung eines Bundesfreiwilli- nicht möglich sei. Dieses Problem freiwilligendienst. In ihm sah die gendienstes. Letztlich soll dieser soll jedoch durch die Steuer- Fraktion DIE LINKE zudem die Dienst vergleichbar mit einer gesetzgebung gelöst werden. Gefahr, dass sein Aufbau für alle Vollzeitbeschäftigung zu leisten Altersgruppen zulasten von regu- sein. Das Gesetz soll am 1. Juli lären Arbeitsplätzen gehe. 2011 nach der Zustimmung durch den Bundesrat in Kraft treten. Quellen: BMFSFJ-Pressemittei- Die Ministerin erfuhr Unter- lung Nr. 106/2010, BPA-Bulletin stützung hingegen aus den Zeitgleich wurde die allgemeine vom 16. Dezember 2010, heute Koalitionsfraktionen, die sich in Wehrpflicht 55 Jahre nach ihrer im bundestag Nr. 103, BT-Proto- einem gemeinsamen Antrag zum Einführung zum 1. Juli dieses Jah- kolle Nrn. 17/93 und 17/99, Das Aufbau des Bundesfreiwilligen- res ausgesetzt. Deutschland will Parlament Nr. 13-14 vom dienstes bekannten. seine jungen Männer lediglich in 28.03.2011

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Archiv der Jugendkulturen wurde mit Kulturpreis der Kulturpolitischen Gesellschaft ausge- zeichnet

Vor knapp 100 Gästen wurde am ten schließlich zum Erfolg. Inner- siere vielfältige eigene Forschun- 24. Februar 2011 in Berlin-Kreuz- halb von nicht einmal drei Mona- gen oder rege sie andernorts an berg der Kulturpreis der Kultur- ten, bis zum 31. Oktober 2010, und pflege einschlägige Kommu- politischen Gesellschaft an das konnte das Archiv mehr als nikationsnetzwerke. Archiv der Jugendkulturen ver- 94.000 Euro von 1300 Spendern geben. Vizepräsidentin Dr. Iris einwerben. Klaus Farin schließlich verstand Magdowski überreichte die Auszeichnung als Auftrag, Geschäftsführer Klaus Farin die Der Laudator Prof. Dr. Ronald den vielfältigen Jugendkulturen Auszeichnung für die beispiel- Hitzler, TU Dortmund, verwies auch in Zukunft eine Heimstätte hafte Kulturarbeit des Archivs. auf die soziologische Pionier- zu bieten. Die Vorsitzende des Kulturaus- arbeit des Preisträgers, von der schusses im Deutschen Bundes- die modernde Jugendkultur- Die neue Stiftung, für das durch tag, Prof. Monika Grütters, hielt forschung entscheidende die beispiellose Unterstützung die Grußrede, in der sie die wert- Impulse erhalten habe. Das durch Spenden das Startkapital volle Erinnerungsarbeit des „Kerngeschäft“ in der Arbeit des zusammenkam, habe sich mehr Archivs lobte und beklagte, dass Archivs bestehe darin, nicht über vorgenommen als die Erhaltung Versuche, Fördermöglichkeiten die Köpfe derer hinweg zu for- des Berliner Archivs der Jugend- von Bundesseite für das Archiv zu schen, für die es sich interessiere, kulturen. Ihre Ziele seien die För- eröffnen, leider erfolglos geblie- sondern möglichst „durch deren derung von Toleranz und Welt- ben seien. Augen hindurch“ ihre Welten zu offenheit, der Abbau und die rekonstruieren. Ohne das auf die Ächtung von Gewalt, Rassismus, Im Sommer 2010 verfasste Klaus private Initiative von Klaus Farin Sexismus und anderen totalitären Farin, Gründer und Geschäfts- hin vor 13 Jahren gegründete und menschenfeindlichen Ein- führer des Archivs, einen öffent- Archiv der Jugendkulturen seien stellungen und Verhaltensweisen lichen Hilferuf, in dem er auf die weder außerwissenschaftliche von Einzelpersonen wie auch schwierige finanzielle Situation noch wissenschaftliche Erfor- Institutionen und der Ausbau hinwies, in der sich das Archiv schungen „jugendlich“ konno- und die Förderung demokrati- befand: 1500 Euro im Monat tierter Kulturen heutzutage noch scher Partizipation nicht nur von mussten die Mitarbeiterinnen denkbar. Das Archiv stelle eine Jugendlichen mit dem Ziel einer und Mitarbeiter jeden Monat Vielzahl einmaliger Sammlungen lebendigen Demokratie. selbst zuschießen, um den von Artefakten nachgerade aller Betrieb aufrechterhalten zu Jugendkulturen seit den 1950er Quelle: Nachrichten der Kultur- können. Die unermüdlichen Jahren für jede Art interner und politischen Gesellschaft Nr. 119 Bemühungen um Spenden führ- externer Recherchen bereit, reali- vom 04.03.2011

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Aus dem AdB

Bildungspraxis, Forschung und Politik im Dialog

Demokratie braucht politische schung nutzen – Politische Bil- Rolle spielen, wie von der Politik Bildung – so lautet die Kampag- dung weiterentwickeln“ initiiert. abgeschreckte Bevölkerungskrei- ne, die der Bundesausschuss Poli- Ziel dieses Projekts, das von der se aus der Reserve zu locken sind tische Bildung (bap) im Sommer Erziehungswissenschaftlerin und welche Wirkungen sich in 2010 angesichts bedenklicher Dr. Helle Becker (Essen) geleitet dem breiten Veranstaltungsspek- Weichenstellungen der Sparpoli- wurde, waren Gewinnung und trum der experimentierfreudigen tik startete, und die mittlerweile Nutzbarmachung empirischer außerschulischen Bildung erzie- vielfältige Unterstützung findet Erkenntnisse für die außerschuli- len lassen, war zentraler Gegen- und auch Wirkung gezeigt hat. sche politische Bildung. stand des Forschungsprojekts wie Der Konsens über die Notwen- des Fachgesprächs in Berlin. digkeit dieser Bildungsaufgabe Die gut besuchte Fachtagung ist breit verankert, die fachliche brachte Wissenschaftler, Prakti- Helle Becker machte dabei deut- Debatte zu ihrer Umsetzung ker und Bildungsverantwortliche lich, dass die Vorstellung von ziel- wird, gerade in der außerschuli- ins Gespräch, an dem sich auch strebig herstellbaren Bildungs- schen Szene der Jugend- und Vertreter/-innen aus Politik und resultaten an der Realität der Erwachsenenbildung, intensiv Verwaltung, so aus dem Bundes- Bildungspraxis vorbeigeht – und geführt. Mangelware ist dage- ministerium für Familie, Senio- dass sie auch im Widerspruch gen die systematische Nutzung ren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), zum Leitbild des mündigen empirischer Bildungsforschung dem Kuratorium der Bundes- Aktivbürgers steht. Die politi- für die Qualitätssicherung und zentrale für politische Bildung sche Bildungsaufgabe ist nicht Fortentwicklung der pädagogi- (bpb) und dem Deutschen an einem Output zu messen, schen Praxis, wie eine Fachtagung Bundestag, beteiligten. Der Präsi- aber sie ist zweifellos wirkmäch- belegte, die am 14./15. Dezember dent der Bundeszentrale, Thomas tig, wie sich oft in der lebens- 2010 im Dietrich Bonhoeffer Krüger, betonte dabei die Not- geschichtlichen Reflexion zeigt: Haus in Berlin stattfand. Um wendigkeit, dass Bildungsarbeit Politische Bildung kann in bio- hier Abhilfe zu schaffen, hatte als Anwältin eines zivilgesell- graphisch passenden Situationen der Arbeitskreis deutscher Bil- schaftlichen Bedarfs an Diskus- entscheidende Anstöße geben, dungsstätten vor zwei Jahren in sions-, Konsultations- und Mobili- sie kann Lust auf Veränderung Trägerschaft für den bap und sierungsforen offensiv agieren machen – nicht nur im Blick auf gefördert vom Bundesministe- müsse. Worin dieser Bedarf im konkrete Vorgänge und Vorha- rium für Bildung und Forschung Einzelnen besteht, welche Moti- ben, sondern auch beim Selbst- (BMBF) das Projekt „Praxisfor- ve bei der (Nicht-)Teilnahme eine konzept der Teilnehmer, die sich

©Arbeitskreis deutscher Bildungs- ©Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten/Foto: Vilma Mikutaviciute stätten/Foto: Vilma Mikutaviciute

Dr. Helle Becker bei der Eröffnung BpB-Präsident Thomas Krüger im von AdB-Geschäftsführerin Ina Bielenberg der Tagung moderierten Gespräch

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©Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten/Foto: Vilma Mikutaviciute Prof. Achim Schröder (Darm- stadt) und Prof. Helmut Bremer (Duisburg-Essen), vorgestellt. Für einen Forscher-Praktiker- Dialog ist, wie das Projekt ergab, in der Bildungspraxis durchaus Anschlussfähigkeit gegeben, denn hier existiert ein breites Bemühen um Dokumentation und Reflexion der eigenen Tätig- keit. Lothar Harles, Vorsitzender des Bundesausschusses, hielt daher fest, dass das Projekt einen wichtigen Beitrag dazu leisten könne, die „verborgenen Schät- ze“ der Praxisforschung zu he- ben. Peter Ogrzall, Vorsitzender Blick ins interessierte Plenum des AdB, wies auf die dringend notwendige Zusammenarbeit auf einmal als kompetente oder ßen Theorie-Praxis-Verhältnis von Praxis, Forschung und Politik gefragte Akteure erleben. Das verbunden. Wichtig sei, so der hin, die sich zueinander verhal- „Interesse am Neuen“ ist dem- Konsens, ein hierarchisierendes ten müssten wie „kommunizie- nach ein wichtiges Teilnahme- Verhältnis von Anweisung oder rende Röhren“. Motiv, das gerade die innova- Zulieferung, aber auch die Vor- tionsbereite Jugend- und stellung, administrativ angeord- Die Ergebnisse des Projektes sol- Erwachsenenbildung wecken nete Kontrolle zu überwinden, len im Frühjahr 2011 veröffent- oder aufgreifen kann. um zu einer wirklichen Zusam- licht werden. Geplant ist die Her- menarbeit zu gelangen. Auf der ausgabe einer CD-ROM mit allen Die Diskussion der Ergebnisse Tagung wurden dazu viele Anre- Texten und Dokumenten. wurde in Berlin mit der generel- gungen gegeben und auch wei- len Frage nach einem zeitgemä- tere Forschungsvorhaben, so von Ina Bielenberg

Einkaufsmanagement in Bildungsstätten optimieren!

Das Einkaufsmanagement von ©Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten/Foto: Boris Brokmeier Lebensmitteln, Verbrauchsmate- rialien und Reinigungsgeräten stand im Mittelpunkt der dies- jährigen Fachtagung des AdB für Hauswirtschaftsleitungen Anfang März in Bad Zwischenahn.

Das komplexe Themenfeld des Beschaffungswesens von der Bedarfsermittlung über die Aus- wahl geeigneter Produkte und deren Lieferanten bis hin zu Fra- gen des damit zusammenhän- genden Qualitätsmanagements diskutierten die Teilnehmenden mit den eingeladenen Fachleuten in der Bildungsstätte der Arbeit- nehmerkammer Bremen. Informierten sich über Einkaufsstrategien

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Das von den Kirchen entwickelte ©Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten/Foto: Boris Brokmeier Projekt „Zukunft einkaufen“ stellte Thomas Kamp-Deister von der Land-Heimvolkshochschule Freckenhorst vor. Eine Vielzahl von konfessionellen Bildungsein- richtungen, Gemeinden und Ver- bänden organisiert inzwischen ihren Einkauf anhand der Projekt- ziele. Diese beinhalten eine nach- haltige Ausrichtung der Beschaf- fung an ökologischen und sozia- len/fairen Standards. Gleichzeitig sollen mit dem Projekt Impulse für den privaten Konsum gege- ben und das Beschaffungsmana- gement in kirchlichen Einrichtun- gen verbessert werden.

In einem weiteren Schritt befass- Sabine Mück und Alfred Radtke von HyCo Mück Hygiene Consult bereiten ih- te sich die Fachtagung speziell ren Vortrag vor mit der Bedarfsermittlung und Auswahl geeigneter Reinigungs- Zur Auswahl und Bewertung nicht als wirklich hilfreich, da es materialen und -geräte. Dazu geeigneter Lieferanten für die bürokratisch schwerfällig in der referierten Sabine Mück und ausgewählten Produkte ent- Praxis sei und die Beteiligung Alfred Radtke von HyCo Mück wickelten die Teilnehmenden Dritter (z. B. Erzeuger und Her- Hygiene Consult aus Cuxhaven Kriterien, die geeignet sind, um steller) sich als langwierig heraus- und stellten ein integriertes Sys- sie in entsprechende Qualitäts- stellte. Insbesondere Verbände, tem des Beschaffungsmanage- managementsysteme zu über- Medien und Privatpersonen nutz- ments in diesem Bereich vor. nehmen. Insbesondere die ten bislang überwiegend die Unter der Fragestellung „wie ISO 9001-2008 sieht eine zu Möglichkeit der Informations- können wir mit unserem Budget dokumentierende Lieferanten- beschaffung im Rahmen des mehr erreichen?“ vermittelten bewertung vor. Kriterien sind Gesetzes. Aufgrund der jüngsten sie Auswahlkriterien für geeig- z. B. Erfüllung von HACCP-Anfor- Dioxin-Skandale soll eine Geset- nete Reinigungsprodukte. Ein derungen, Preis-Leistungsverhält- zesnovelle erfolgen, die momen- EU-Umweltzeichen, Reinigungs- nis, Lieferzuverlässigkeit und tan mit den Ländern abgestimmt mittel als Konzentrat oder soziale Verantwortung. wird. lösungsmittelfreie Produkte sind einige Beispiele dafür. Als hilf- Die Ziele des seit drei Jahren Den nahenden Wegfall des Zivil- reich für die Produktauswahl gültigen Verbraucherinforma- dienstes diskutierten die Teilneh- erwies sich auch eine eingehen- tionsgesetzes des Bundes und die menden ebenfalls als aktuelle de Kostenanalyse, um z. B. im bisher damit gemachten Erfah- Herausforderung für ihre Einrich- Bereich der Reinigung mit einem rungen waren Gegenstand eines tungen. Deutlich wurde dabei vertretbaren ökonomischen und Vortrages von Franz-Christian eine große Unsicherheit, was personellen Aufwand und Falck vom Niedersächsischen Lan- den möglichen Ersatz durch den geringstmöglicher Umweltbelas- desamt für Verbraucherschutz Bundesfreiwilligendienst angeht, tung zu arbeiten. Das setzt die und Lebensmittelsicherheit. Das der nach Meinung der Tagungs- Erhebung entsprechender Daten Gesetz sichert Bürgerinnen und teilnehmenden nicht Eins zu Eins voraus, um diese analysieren zu Bürgern weitreichende Rechte den Zivildienst ersetzen kann. können. In Arbeitsgruppen ent- zu, um Informationen über Pro- Unterschiedliche Strategien in wickelten die Teilnehmenden dukte, Zusatzstoffe in Lebens- den Einrichtungen wurden disku- entsprechende Musterberech- mitteln oder Untersuchungs- tiert, und für die anwesenden nungen, die auch in ihren jewei- ergebnisse zu erhalten. In der Hauswirtschaftsleitungen war ligen Bildungsstättenalltag über- Praxis erwies sich das Gesetz aus am Ende klar, dass sie wohl um tragbar sind. der Sicht des Referenten bisher zusätzliches festangestelltes oder

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Honorarpersonal nicht herum- Die Bildungsstätte der Angestell- Aussagen nachhaltig motivierte kommen werden, um den bishe- tenkammer in Bad Zwischenahn und zur besseren Vernetzung der rigen Standard und die Service- bot optimale Möglichkeiten für Fachkräfte beitrug. qualität in den Einrichtungen zu eine gelungene Fachtagung, die halten. die Teilnehmenden nach eigenen Boris Brokmeier

Social Media und Bildungsstätten-Marketing – wie passt das zusammen?

Die Nutzung von Web 2.0- dass Web 2.0 nicht nur aus Face- werden müssen, um Web 2.0- Anwendungen und Social book besteht, sondern Blogs, Angebote im Online-Marketing Media für das Online-Marke- Twitter, Youtube oder Bilddaten- erfolgreich einsetzen zu können. ting von Bildungseinrichtungen banken ebenso dieser Kategorie Leitungskräfte von Bildungsstät- war Thema der Fachtagung angehören. Facebook spielt in ten müssen sich überlegen, ob es „Dos and Don'ts im Online-Mar- Deutschland und Europa eine Mitarbeiter/-innen mit einer keting“ am 10. März 2011. zentrale Rolle bei der Nutzung besonderen Affinität zu solchen Etwa 25 Teilnehmende aus ver- von Web 2.0-Anwendungen und Internetangeboten gibt. Gleich- schiedenen Bildungseinrichtun- hat die größten Nutzerzuwächse. zeitig sollten Leiter/-innen von gen folgten der Einladung der Somit zieht dieser Anbieter durch Bildungseinrichtungen jedoch AdB-Kommission Verwaltung seine Omnipräsenz zunehmend spezielle Richtlinien für den und Finanzen in die Europäische Nutzer von vergleichbaren sozia- Umgang mit diesen Angeboten Jugendbildungs- und Jugend- len Netzwerken ab. entwickeln, da die Grenzen zwi- begegnungsstätte Weimar. schen privater und dienstlicher Der Referent machte den Tagungs- Nutzung leicht verwischen kön- Referent Peter Kuhn (Bildungs- gästen deutlich, dass sich Bildungs- nen. betrieb.de, The Blue 1 Commu- einrichtungen der Nutzung des nication Company GmbH) gab Social Web kaum entziehen kön- Nicht zuletzt diskutierten die zunächst mit einem Vortrag über nen. Selbst wenn die Einrichtun- Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Zukunftstechnologie Web 2.0 gen nicht selbst aktiv werden, der Fachtagung auch die Mög- eine Einführung in das Thema. Er sind es die Seminarteilnehmen- lichkeiten der Nutzung von Social erläuterte den Teilnehmenden, den, die mit Kommentaren, Media in der Praxis ihrer eigenen Empfehlungen oder Filmen auf Bildungseinrichtung. Hierbei ©Arbeitskreis deutscher Bildungs- Youtube im Internet auf eine Bil- wurde schnell klar: Aktuell gibt stätten dungsstätte verweisen – positiv es keine allgemeingültigen Emp- wie negativ. Um ungerechtfertig- fehlungen für den Umgang ter Kritik etwas entgegensetzen damit. Die Entwicklung dieser zu können, sollten die Einrich- Angebote ist noch zu jung und tungen darauf reagieren. Das zu dynamisch. Für die Mitarbei- setzt jedoch eine aktive Beobach- tenden, die sich dieser Herausfor- tung von Netzwerken wie Face- derung stellen, und ihre Einrich- book voraus, um im richtigen tungen bedeutet es aber auch Moment gegensteuern zu kön- eine Chance, hier Pionierarbeit nen. Peter Kuhn betonte, dass zu leisten und neue Möglichkei- herkömmliche Werbung in der- ten der Nutzung zu konzipieren. artigen Netzwerken nicht ange- bracht sei. Die Fachtagung hat die teilneh- menden Fachkräfte zum Nach- Solche Aufgaben binden Res- denken angeregt. Es besteht das sourcen und erfordern besonde- Interesse, die während der Ver- re Kompetenzen. Deshalb ging anstaltung besprochenen Fakten es bei der Tagung auch darum, und Prognosen nach gewisser Peter Kuhn referierte über die Mög- welche Voraussetzungen in Bil- Zeit zu überprüfen, um insbeson- lichkeiten der Nutzung von Web 2.0 dungseinrichtungen geschaffen dere herauszufinden, wie sich

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das Nutzungsverhalten in Sachen Zur Vor- und Nachbereitung der gerichtet, auf dem auch eine Lis- Web 2.0 in Bildungseinrichtun- Fachtagung wurde ein Internet- te von Begleitmaterialien zu fin- gen gestaltet. Blog unter www.adb-blog.de ein- den ist. Frank Wittemeier

Programm Politische Jugendbildung startet mit Arbeitstagung in Werftpfuhl

Als offizieller Start der neuen melt in einem Reader – für die Schnittmengen für die Arbeit Phase des Programms „Politische Arbeit in den Projektgruppen auszuloten. Dabei wurden die Jugendbildung im AdB“ fand zur Verfügung. Themen für die Arbeit der nächs- vom 21. bis 25. März 2011 die ten Monate ausgewählt. erste Zentrale Arbeitstagung der Im neuen Programm Jugend- Jugendbildungsreferentinnen bildung wurden vier Themen- Im Verlauf der Tagung stellte und -referenten (JBR) statt. Im schwerpunkte festgelegt, die Dr. Ivo Züchner vom Deutschen Mittelpunkt der Tagung in der von den Referentinnen und Institut für Internationale Päda- Jugendbildungsstätte Kurt Referenten in Projektgruppen gogische Forschung (DIPF) die Löwenstein in Werftpfuhl stand bearbeitet werden: Ergebnisse der aktuellen StEG- das gegenseitige Kennenlernen, Studie (Studie zur Entwicklung denn rund ein Drittel der betei- ■ Globalisierung und Medien- von Ganztagschulen) vor. Die ligten Jugendbildner/-innen sind kommunikation Kooperation mit Ganztagsschu- neu im Programm. Zudem wur- ■ Partizipation und Demokratie len stellt für die politische den die vier neuen Projektgrup- in und mit der Schule Jugendbildung eine bedeutsame pen konstituiert, die zukünftig ■ Aufwachsen in der Einwande- Herausforderung dar. Laut StEG- den fachlichen Rahmen für die rungsgesellschaft Studie haben sich die untersuch- pädagogisch-konzeptionelle ■ Arbeitsweltbezogene politi- ten Schulen durch die Koopera- Arbeit der Jugendbildungsrefe- sche Bildung. tion mit außerschulischen renten/-referentinnen bilden. Trägern verändert. Inzwischen Die Projektgruppen arbeiten seien 46 Prozent aller Schulen Peter Ogrzall, Vorsitzender des kontinuierlich zusammen und Ganztagsschulen, jedoch besu- AdB, begrüßte die Versammel- entwickeln ihre Themen weiter. chen nur 26 Prozent aller Schü- ten zu Beginn der Tagung und Sie nutzten die Tagung, um ihre ler/-innen eine Ganztagsschule. wünschte ihnen für ihre Arbeit konzeptionellen Schwerpunkte Die Studie belegt u. a., dass Schü- in der politischen Bildung viel vorzustellen und thematische lerinnen und Schüler von Ganz- Erfolg.

Den inhaltlichen Einstieg liefer- ten die Teilnehmenden selbst in Form von „Textinspirationen“: Im Vorfeld der Tagung waren die Jugendbildungsreferenten/-refe- rentinnen aufgefordert worden, einen Text auszuwählen, der sie für die Bildungsarbeit in ihrem eigenen Programmschwerpunkt inspirierte. Sie waren nun gefor- dert, die jeweils eigene Text- inspiration in 20 Minuten einem interessierten Zuhörerkreis vor- zustellen. Drei Präsentationen fanden dabei parallel statt, so dass die Teilnehmer/-innen zwi- schen den Themen wählen muss- ©Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten/Foto: Boris Brokmeier ten. Alle Texte stehen – gesam- Planung der Arbeit im neuen Programm Jugendbildung des AdB

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tagsschulen im Vergleich zu ihren ©Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten/Foto: Boris Brokmeier Altersgenossinnen/-genossen in Halbtagsschulen auf bessere Noten in Kernfächern verweisen können und ein positiv veränder- tes Sozialverhalten an den Tag legen. Die Studie hat darüber hinaus auch die Frage der Partizi- pationschancen von Schülerinnen und Schülern in Ganztagschulen untersucht – ein interessanter Punkt aus Sicht der politischen Jugendbildung. Dabei stellte sich heraus, dass den Befragten die Schule und das Angebot umso besser gefielen, je höher der Grad ihrer Beteiligung war. Auch Kooperationsbeziehungen zwi- schen Ganztagsschulen und freien Trägern, wie beispiels- Erlebnispädagogische Übungen im Niedrigseilgarten der Jugendbildungsstät- weise Bildungsstätten, wirkten te Kurt Löwenstein sich positiv aus, da sich die Schule mehr ihrem sozialen Umfeld öff- legungen des BMFSFJ für eine Abschluss der fünftägigen net und stärker im Stadtteil bzw. „eigenständige Jugendpolitik“, Tagung das breite Spektrum der Gemeinde vernetzt ist. Als die sich an den Entwicklungs- unterschiedlicher konzeptionel- wichtigen Hinweis gab Ivo Züch- phasen junger Menschen orien- ler Ansätze und Ausrichtungen ner den Jugendbildungsreferen- tieren und Hilfestellung geben der am Programm beteiligten ten/-referentinnen mit auf den soll. Einrichtungen wider. Weg, möglichst kontinuierliche Kooperationsbeziehungen auf- Aufgelockert wurde das Tagungs- Die aktuelle Programmphase zubauen, da diese am tragfähig- programm mit Übungen im haus- hat eine Laufzeit von sechs Jah- sten seien. Vor dem Hintergrund eigenen Niedrigseilgarten der ren und läuft von 2011 bis 2016. der Studienergebnisse diskutier- Bildungsstätte. Im Anschluss an Im Programm „Politische Jugend- ten die anwesenden Fachkräfte das praktische Erfahren diskutier- bildung im AdB“ werden ihre eigenen, durchaus unter- ten die Teilnehmenden über den 18 Jugendbildungsreferenten/- schiedlichen Erfahrungen. Einsatz von erlebnispädagogi- referentinnenstellen sowie schen Elementen in Seminaren Bildungsmaßnahmen in sechs Zu einer abendlichen Gesprächs- der politischen Bildung. Zwar weiteren Einrichtungen aus runde stand Julia Hiller, Referen- werden erlebnispädagogische Mitteln des Kinder- und Jugend- tin aus dem BMFSFJ, zur Verfü- Methoden des sozialen Lernens plan des Bundes (KJP) gefördert. gung. Auch sie betonte die bereits vielfach in Veranstaltun- Der AdB als Zentralstelle stellt in zentrale Rolle der Kooperation gen der politischen Bildung an- diesem Programm die bundes- außerschulischer Träger mit gewendet, jedoch waren sich die zentrale Vernetzung und Fortbil- Ganztagsschulen und verwies Jugendbildungsreferenten/-refe- dung der beteiligten Einrichtun- auf die Herausforderungen, rentinnen einig, dass Erlebnispä- gen sicher und gestaltet durch die bereits im 12. Kinder- und dagogik nie Selbstzweck oder themenbezogene Projektarbeits- Jugendbericht der Bundesregie- Inhalt politischer Bildung sein gruppen zu vier Themenschwer- rung benannt wurden, der den kann. punkten den überregionalen Kommunalen Bildungslandschaf- Erfahrungsaustausch und die ten eine zentrale Bedeutung Die Präsentation eigener Pro- Evaluation. zugewiesen hatte. Julia Hiller jekte und Seminare aus den Bil- skizzierte außerdem die Über- dungsstätten spiegelte zum Boris Brokmeier

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Kommission Erwachsenenbildung tauschte sich über Arbeitnehmer/-innen-Bildung aus und besuchte das DIE

Die Kommission Erwachsenen- Weimarer Republik, die nicht nur unbefriedigende Beteiligungs- bildung eröffnete den Reigen die Organisationen der Arbeiter- quote an Bildungsurlaubsveran- der Kommissionssitzungen in bewegung rechtlich absicherte, staltungen erörtert. Die Gründe diesem Frühjahr. Bei ihrer Zusam- sondern auch die Verbreitung dafür wurden nicht nur im man- menkunft im Arbeitnehmer- von Volkshochschulen und gelnden Interesse der Zielgruppe, Zentrum Königswinter (AZK) gewerkschaftlichen Bildungs- sondern vor allem in den Ein- vom 21. bis 23. Februar 2011 einrichtungen förderte und die schränkungen gesehen, die die standen die Schwerpunkte konzeptionelle Arbeit unterstütz- heutige Arbeitssituation in den „Arbeitnehmer/-innen-Bildung“ te. Diese produktive Phase fand Betrieben bestimmen. Freistel- und ein Besuch des Deutschen ein jähes Ende, als die National- lung für Bildungsurlaub wird Instituts für Erwachsenenbildung sozialisten die freie Erwachsenen- heute weniger denn je gewährt (DIE) im Zentrum. bildung verboten. Nach dem und wenn, dann vor allem für Ende von Krieg und Diktatur arbeitsplatzbezogene Weiter- Karsten Matthis, Geschäftsführer knüpfte man an Traditionen der bildung. Auch die Veränderung des AZK und Kommissionsmit- Arbeiterbildung in der Weimarer von Arbeitsverhältnissen (Zunah- glied, hielt ein Referat zur Arbeit- Republik wieder an, alte Einrich- me von Zeit- und Leiharbeit, nehmer/-innen-Bildung, in dem er tungen nahmen ihre Arbeit auf, befristete Arbeitsverträge) den Blick vor allem auf Anknüp- neue Institutionen wurden schränkt die Motivation zur Teil- fungspunkte zu christlichen Tradi- gegründet. Die Jahre zwischen nahme an Arbeitnehmerbildung tionen in der Arbeiterbewegung 1960 und 1989 sind eine Zeit des ein. Zudem verheißt Bildung heu- und -bildung richtete. Er erinner- Ausbaus und der Neuorientie- te nicht mehr Aufstieg, sondern te an die Wurzeln der Bildung rung gewerkschaftlicher und auch gut ausgebildete Menschen von Arbeitnehmern und Arbeit- durch andere Träger realisierter befinden sich oft in prekären nehmerinnen, die in der Indus- Arbeitnehmer/-innen-Bildung. Lebenssituationen und ungesi- triellen Revolution im 19. Jahr- Stichworte hierzu sind die von cherten Arbeitsverhältnissen. In hundert Organisationsformen zur Hans Matthöfer initiierte den neuen Bundesländern gibt Vertretung ihrer spezifischen betriebsnahe Bildungsarbeit der es die klassische Arbeitnehmer/- Interessen entwickelten. Eine IG Metall, konzeptionelle Grund- innen-Bildung nicht mehr. Die breit angelegte Volksbildung soll- legungen durch Oskar Negt alten Traditionen, wie sie sich bei- te mit Bestrebungen zur Emanzi- („Soziologische Phantasie und spielsweise in Sachsen entwickel- pation der Arbeiterklasse einher- exemplarisches Lernen“), die ten, seien durch die SED-Diktatur gehen. Auch wenn das Monopol Verabschiedung von Bildungs- verschüttet worden. Eine dem der Gewerkschaften bei der Inte- urlaubsgesetzen in vielen Bun- Westen vergleichbare Förderung ressenvertretung und bei der Ent- desländern, die Gründung neuer von Bildungseinrichtungen finde wicklung von Strategien zur Ver- Institutionen zur Arbeitnehmer- gegenwärtig nicht statt. besserung der sozialen Lage von bildung, darunter auch des Arbeitern anerkannt werde, seien Arbeitnehmer-Zentrums Beim Besuch des Deutschen Insti- eine plurale Struktur und ein Königswinter durch die Stiftung tuts für Erwachsenenbildung breites Spektrum von Themen Christlich-Soziale Politik e. V., die informierte Dr. Peter Brandt, dort auch in diesem Bildungsbereich 1986 erfolgte. Karsten Matthis Leiter des Daten- und Informa- notwendig, weshalb auf die stellte deren Leitbild und die tionszentrums und zuständig Impulse hingewiesen werden sol- Schwerpunkte der Arbeit vor und für die Publikationen, über die le, die die Arbeitnehmer/-innen- ging dann auf aktuelle Entwick- Arbeit des DIE und seine Struktu- Bildung in ihren Anfängen auch lungen und damit verbundene ren. In seinen Ausführungen durch die christlichen Kirchen Probleme der Arbeitnehmer/ wurde deutlich, welche Dienst- erfuhr. Damit verbinden sich -innen-Bildung ein, die auch die leistungen das Institut für Wei- Namen wie Kolping, Wichern, dann folgende Diskussion der terbildungspolitik, Wissenschaft Stoecker, v. Ketteler usw., deren Kommission bestimmten. und Praxis der Erwachsenenbil- Einfluss zum Teil bis heute nach- dung in Deutschland bietet, wel- wirkt. Ihre Blüte erfuhr die Ent- Dabei wurden vor allem der nach- che Themen und Fragestellungen wicklung der Arbeitnehmer/ lassende Organisationsgrad von zurzeit die Projekte in den ein- -innen-Bildung vor allem in der Arbeitnehmer/-innen und die zelnen Programmbereichen

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bestimmen und wie das Institut Bildung wurde angesprochen, Sexualentwicklung in Deutsch- organisatorisch aufgestellt ist. Die deren Haushaltsmittel in diesem land und sexualpädagogische Kommission hatte Gelegenheit Jahr nicht unerheblich gekürzt Ansätze in einer Weiterbildung dazu, der Bibliothek des Instituts wurden. Nach welchen Kriterien zu behandeln und eine Hand- einen Besuch abzustatten, die mit diese Kürzungen an die Träger reichung für Einrichtungen zu der online zugänglichen Literatur- weitergegeben wurden – offen- erarbeiten, die sie beim Umgang dokumentation eine in Europa kundig sind sie unterschiedlich mit dieser Problematik unterstüt- einmalige Sammlung von Veröf- ausgefallen – sei unklar. zen soll. fentlichungen zur Erwachsenen- bildung bietet. Die Mitarbeiterin Auch die Handhabung der Förde- Zur Zukunft der Gender Steue- der Bibliothek, Maria Heldt, prä- rung von Projekten gegen Extre- rungsgruppe, die der AdB vor sentierte stolz die Bibliothek und mismus durch das BMFSFJ und ei- einigen Jahren eingerichtet hat- informierte über deren Nutzungs- nige Bundesländer (vor allem te, empfahl die Kommission, möglichkeiten durch externe Sachsen) wurde erörtert, wobei deren Arbeit in eine neue Form Interessierte. es Kritik an der Forderung gab, zu überführen. Künftig solle ein/-e eine Extremismus-/Demokratie- Ansprechpartner/-in vom Vorstand Susanne Lattke, wissenschaftliche klausel zu unterzeichnen, mit der benannt werden und für Gender- Mitarbeiterin im Programm- ein geförderter Träger garan- angelegenheiten bei Bedarf zur bereich „Professionalität“, infor- tiert, dass er und seine Koopera- Verfügung stehen. Er/sie solle ein- mierte über den aktuellen Stand tionspartner im Sinne der frei- mal jährlich dem Vorstand berich- von Untersuchungen über neue heitlich-demokratischen ten. Außerdem soll in den Kom- Anforderungen an das Personal Grundordnung arbeiten. missionen das Thema weiter der Erwachsenenbildung und beachtet und bei Bedarf auf die daraus resultierende Kompetenz- Die Kommission befasste sich mit Tagesordnung gesetzt werden. profile, die sowohl in der Aus- als der Frage, ob in der Erwachsenen- Die für die Steuerungsgruppe auch der Weiterbildung ihren bildung sexuelle Gewalt oder benannten Kommissionsmitglie- Niederschlag finden sollen. sexuelle Prävention wie in der der könnten diese Aufgabe wei- Jugendarbeit Themen sind. In ter wahrnehmen. Die für die Sit- Beim Austausch über die bildungs- Seminaren mit Erwachsenen spie- zungen der Steuerungsgruppe politischen Entwicklungen in den len sexuelle Themen keine ver- freiwerdenden Mittel könnten einzelnen Bundesländern stan- gleichbare Rolle, sexuelle Gewalt für die Genderfortbildung inner- den Berichte über veränderte wird hier vor allem in Veranstal- halb der Kommissionen einge- Bedingungen für die Realisierung tungen mit Pflegekräften ange- setzt werden. von Veranstaltungen der Bildungs- sprochen. Die Kommission kon- träger durch neue Verordnun- zentrierte ihre Diskussion zu Die Kommission Erwachsenen- gen, Mittelkürzungen oder – wie dieser Frage vor allem auf das bildung schlug vor, das AdB-Jah- in Nordrhein-Westfalen – eine Verhalten des Personals gegen- resthema 2012 den politischen ungesicherte Haushaltslage im über Teilnehmenden und ent- Entwicklungen im arabischen Vordergrund. In NRW wird sprechende Vorgaben oder ver- Raum zu widmen und in diesem zudem mit Konsequenzen bindliche Regelungen durch die Zusammenhang nicht nur nach gerechnet, die sich aus dem Gut- Leitung der Einrichtung. Dabei dem Verhältnis zwischen euro- achten des DIE zur Weiterbildung wurde deutlich, dass rigorose päischer und arabischer Welt und im Land ergeben könnten. Dieses Konsequenzen gezogen werden, christlicher und islamischer Kul- Gutachten wurde der Landes- sobald Übergriffe bekannt wer- tur, sondern auch nach den Krite- regierung am 21. Februar 2011 den. Aber es geht auch darum, rien einer glaubwürdigen Außen- übergeben. das Personal vor Übergriffen oder politik gegenüber diktatorischen Beschuldigungen durch Teilneh- Regimen zu fragen. Auch die Förderung durch die mer/-innen zu schützen. Die Kom- Bundeszentrale für politische mission empfahl, Fragen der Ingeborg Pistohl

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Kommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit erörterte internationale Koopera- tionen

Die Kommission Europäische und Zur Demokratieerklärung, die die entsprechende Kenntnis und Internationale Bildungsarbeit vom Bundesministerium für Expertise besitzt, um im Verband tagte vom 1.-2. März 2011 im Familie, Senioren, Frauen und als Genderbeauftragte/-r zu fun- Bildungszentrum Blossin am Jugend als Voraussetzung für gieren. Wolziger See bei Berlin. In der die Vergabe von Mitteln für Pro- entspannten Atmosphäre des jekte zur Extremismusprävention Zum Umgang mit sexueller mitten in der Natur gelegenen gefordert wird: Nicht alle in der Gewalt und Missbrauch in Bil- Hauses wurden verschiedene Kommission vertretenen Bildungs- dungseinrichtungen: Aus Sicht Themen ausführlich besprochen. stätten haben Erfahrung mit der der Internationalen Jugendarbeit Demokratieerklärung. Die Kom- ist die Problematik leider nicht Die internationalen Koopera- mission ist in ihrer Sicht auf die neu. Die Kommissionsmitglieder tionen im AdB und erste Erfah- Demokratieerklärung kritisch müssen sich eingestehen, dass sie rungen aus der Arbeit der und fordert ein Positionspapier sie schon erheblich früher hätten Geschäftsstelle als Zentralstelle des AdB, der gerade als über- aufgreifen können. Seit Bekannt- für Austausch mit der Tschechi- geordneter Träger eine grund- werden der Missbrauchsfälle in schen Republik, der Russischen legende Aussage dazu treffen Großbritannien und Irland muss Föderation, China sowie der könne. Aus der Perspektive inter- jede irische und britische Jugend- Mongolei wurden von der Kom- nationaler Bildungsarbeit sei die gruppe unabhängig von ihrer mission positiv bewertet. Es ist Forderung nach einer Demokra- Größe zwei Begleitpersonen den Kommissionsmitgliedern tieerklärung schon deshalb frag- (F/M) dabei haben (was bei Grup- wichtig, sich über die Erfahrun- würdig, da das BMFSFJ den Aus- pen, die kleiner als zehn Perso- gen aus den einzelnen Program- tausch mit der VR China forciert nen sind, unvereinbar mit dem men auszutauschen, bietet dies und der zentrale Partner dabei KJP ist). Eine Familienunterbrin- doch eine gute Basis für den Ver- der Kommunistische Allchinesi- gung ist nur möglich, falls die gleich der verschiedenen Maß- sche Jugendverband ist. Wenn Gastfamilie ein polizeiliches Füh- nahmen der Bildungsstätten einer solchen Kooperation die rungszeugnis vorhalten kann. Die und ist den einzelnen Mitglie- Extremismusdefinition des Ver- Aktion 1 im Programm Youth in dern Ansporn für die Gestal- fassungsschutzes zugrunde lie- Action verlangt seitdem Sicher- tung der eigenen Bildungsarbeit. gen würde, dürfe sie gar nicht heitsstandards für Begegnungs- Vor allem angesichts der Mittel- stattfinden. maßnahmen unter dem Gesichts- knappheit, die z. T. in einigen punkt der Absicherung, was KJP-Programmen vorherrscht, In der Frage nach der Zukunft beispielhaft ist. war dieser Erfahrungsaustausch der Gender-Steuerungsgruppe hilfreich und wichtig. sind die Mitglieder der Kommis- Die Kommissionsmitglieder sion der Meinung, dass in den erachten das Thema als wichtig Gerhard Schöll (AKE Bildungs- Einrichtungen des AdB und im und begrüßen es, dass der Ver- werk) und Martin Kaiser (Pfalz- AdB – dank der Arbeit der Gender band sich dessen annimmt. Selbst akademie) stellten die aktuelle Steuerungsgruppe – der Bedarf wenn man für die eigenen Ver- Entwicklung in der EUROMED erst einmal befriedigt sei. Gender anstaltungen die Hand ins Feuer Region vor dem Hintergrund sollte aber als Thema und in der legen kann, stellt sich u. a. spä- ihrer eigenen Bildungsarbeit vor. Struktur des Verbands sensibel testens bei Gastbelegungen diese Die Mitglieder der EIA formulier- weiterbeobachtet und gegebe- Frage. Der Kommission geht es ten daraus resultierende Fragen nenfalls weiter verfolgt werden. beim Thema Missbrauch in der an das BMFSFJ bezüglich der Die Kommission EIA sollte einmal Bildungsarbeit um Fragen der Weiterentwicklung der Inter- jährlich eine Rückmeldung zu Sensibilisierung, die von Seiten nationalen Jugendarbeit und Gender bewerkstelligen (bspw. des Vorstands intensiv vorange- erarbeiteten ein Kooperations- über Fragen nach Gesprächsan- trieben werden sollten: Wie kön- angebot zum Themenfeld Zivil- teilen, Themen, in der Diskussion nen Fachkräfte, Teilnehmende , gesellschaft – Demokratie – der Gruppe etc). Die EIA Kommis- Gäste für die Wahrnehmung all- Menschenrechte, das vom Vor- sion regt eine Umfrage im Ver- tagssexistischen Verhaltens sensi- stand weiter verfolgt werden band an, ob es in einer Mitglieds- bilisiert werden? Dabei sei zu soll. einrichtung eine Person gibt, die unterscheiden zwischen a) Vor-

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fällen zwischen Jugendlichen, außerschulischen Bildungsarbeit noch blieb bei der Führung über b) Vorfällen zwischen Betreuern auch vermittelt werden, dass das beeindruckende Gelände von und Jugendlichen und c) Vorfäl- Sexualität positiv ist. Blossin genug Zeit, im Niedrig- len zwischen Fachkräften. Die seilgarten die kommissionsinter- Problematik von Führungszeug- Das Programm der zweitägigen ne Teambildung zu vertiefen. nissen gelte es abzuwägen. Aber Sitzung war dem Zeitbudget ent- jungen Menschen sollte in der sprechend recht kompakt, den- Georg Pirker

Rechtsextremismus in der Jugendarbeit war Schwerpunkt in der Frühjahrssitzung der Kommis- sion Jugendbildung

Die Kommission Jugendbildung, schen und politischen Eingrup- eigener Aktivitäten zusammen- die am 9./10.03.2011 im Lidice- pierungen. tragen. Haus Bremen tagte, bearbeitete während ihrer Frühjahrssitzung Andrea Müller stellte weitere Die Leistungen der Koopera- eine ganze Reihe aktueller modellhafte Übungen zur Ein- tionen erstrecken sich über Prak- jugendpolitischer Themen, wie schätzung rechtsextremer Ein- tika, Bachelor- oder Master- z. B. sexueller Missbrauch oder stellungen und Zugehörigkeit arbeiten (zu Themen aus der die Extremismuserklärung in den zu rechten Gruppen vor. Nicht Bildungsarbeit), Öffentlichkeits- neuen Bundesprogrammen zur nur der Wunsch nach Gemein- konzepte (Projektgruppe der Uni Bekämpfung des Rechts- und schaft ist demnach ausschlag- entwickelt Konzept zum Bildungs- Linksextremismus und des Isla- gebend dafür, dass Jugendliche stätten-Jubiläum) als Studien- mismus, befasste sich aber inten- in rechte Gruppen gehen, son- projekt der Uni, Expertisen, siv mit Rechtsextremismus und dern auch individuelle Präposi- Beteiligung an Forschungs- gruppenbezogener Menschen- tionen sind von Bedeutung für vorhaben (Bildung für nach- feindlichkeit sowie der Koopera- Jugendliche, die sich für Rechte haltige Entwicklung), Stellen für tion von Bildungsstätten mit und damit gegen andere Grup- Anerkennungsjahre, Angebote Hochschulen. pen entschieden haben. Die für Absolventen im Übergang Identifikationsangebote der vom Bachelor zum Master. Die Tagungsstätte, das Lidice- extremen Rechten (Abenteuer, Haus, ist beteiligt an der Regio- Aufladung) sind ähnlich wie in Die Kommission stellte fest, dass nalstudie „Gruppenbezogene Sekten o.ä. Gruppen. die vielfältigen Kooperations- Menschenfeindlichkeit in Bre- beziehungen vorrangig auf per- men“ des Bielefelder IKG-Insti- Der Kooperation der politischen sönlichen Bekanntschaften und tuts (unter der Leitung von Bildung mit Hochschulen misst Bezügen zu den einzelnen Hoch- W. Heitmeyer). Der sozialräum- die Kommission hohe Relevanz schulen beruhen, und plädierte liche Ansatz der Regionalunter- zu, da die Gewinnung von dafür, diese durch systematisierte suchung liegt u. a. in der Frage, Teamerinnen und Teamern, und kompatible Angebote für welche Einstellungsmuster exis- aber auch darüber hinausgehen- Praktika auszubauen und zu ins- tieren in der Bevölkerung vor de Kooperationsbeziehungen im titutionalisieren. Ort, an die Rechtsextreme Lichte der Umstellung des Stu- anknüpfen können? dienangebots auf Bachelor- und Die aktuellen Entwicklungen des Master-Studiengänge zu betrach- Runden Tischs zum sexuellen Mit einem Brainstorming zu der ten sind. Missbrauch und den ersten Ent- Frage „Was suchen junge Men- wurf eines Kinderschutzgesetzes schen in rechten Szenen, Milieus Zu den Fragen, welche Koopera- nahm die Kommission zur Kennt- und Organisationen?“ erschloss tionen bereits existieren, welche nis und diskutierte über Erfah- sich die Kommission exemplarisch Fachbereiche bzw. Studiengänge rungen aus den Bildungsstätten. das Themenfeld. Diese Methode sich für Kooperationen eignen Herausgearbeitet wurden zwei bietet auch für Jugendliche einen und welche Leistungen die Leitfragen: „Wie verhalten sich guten Einstieg und mündet in Kooperationen mit Hochschulen Mitarbeitende im Haus im der Kategorisierung der gesam- befördern, konnte die Kommis- Umgang mit Gästen? Können melten Begriffe nach psychologi- sion ein vielfältiges Angebot Standards für Mitarbeitende

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gesetzt werden?“, die Grundlage erklärung bzw. Demokratieerklä- dere die geforderte Gewährleis- für einrichtungsinterne Hand- rung, die das BMFSFJ neuerdings tung der Verfassungstreue von lungsleitlinien sein können. Da von Trägern verlangt, die Mittel Kooperationspartnern und Refe- im Gesetzentwurf eine ähnliche der Bundesprogramme gegen renten mit einer Unterschrift als Bedingung enthalten ist, sollte verschiedene Formen des Extre- Eingriff in die Selbstbestimmung der AdB Empfehlungen zur mismus in Anspruch nehmen. In des Trägers und als unverhältnis- Gestaltung von Leitlinien in Bil- der Frage, ob der AdB eine Stel- mäßig. Darüber hinaus trage die dungsstätten geben, die allen lungnahme oder ein „Problemati- Forderung nach einer solchen Mitarbeitenden als Hilfestellung sierungspapier“ verfassen und Erklärung nicht zum partner- dienen können. herausgeben sollte, spricht sich schaftlichen Verhältnis zwischen eine deutliche Mehrheit für eine BMFSFJ und Trägern bei. Weiterhin befasste sich die Kom- Stellungnahme des AdB aus. Die mission mit der sog. Extremismus- Kommission bewertete insbeson- Boris Brokmeier

Stellungnahme des AdB-Vorstands zur Demokratieerklärung des BMFSFJ

Der Vorstand des Arbeitskreises Förderung von Projekten im Rah- tionen geführt. Auch die Kom- deutscher Bildungsstätten hat men der vom BMFSFJ aufgeleg- missionen des AdB (s. o.) haben sich mit der vom Bundesminis- ten Programme gegen Rechts- sich in ihren Frühjahrssitzungen terium für Familie, Senioren, extremismus, Linksextremismus mit der Demokratieerklärung Frauen und Jugend geforderten und Islamismus. Diese Demokra- befasst. Wir dokumentieren hier Demokratieerklärung befasst. tieerklärung hat in der Fach- die Stellungnahme im Wortlaut: Sie ist eine Voraussetzung für die öffentlichkeit zu heftigen Reak-

Rund 150 Einrichtungen und Trä- und Jugendplan des Bundes und Unverständnis und weitreichende ger der politischen Jugend- und Bundeszentrale für politische Bil- Ablehnung, da sie – vor dem Erwachsenenbildung sind im dung); sie schließt dabei eine För- Hintergrund der bisherigen Praxis Arbeitskreis deutscher Bildungs- derung jener Vorhaben, Initiativen und Erfahrung – weder sachange- stätten (AdB) zusammengeschlos- und Personen aus, die diesen Zielen messen noch praktikabel erscheint. sen. Auf der Basis ihrer Hetero- und den Zielen der jeweiligen Pro- genität und weltanschaulichen gramme zuwider arbeiten. Die im Die Demokratieerklärung birgt Pluralität leisten sie einen wichti- AdB zusammengeschlossenen Träger die Gefahr, das notwendig gute gen Beitrag zum Erhalt und zur teilen diese Fördervoraussetzung Klima zwischen allen am Projekt Weiterentwicklung der Demo- und die damit in der Vergangenheit beteiligten Partnern zu stören, kratie. verknüpften Förderverfahren unein- schafft keine Rechtssicherheit geschränkt. und ist entbehrlich, solange die Bei der Realisierung dieses Auf- mit staatlichen Mitteln geförder- trages werden der AdB und seine Im Rahmen der aktuellen Program- ten Projekte die Zielsetzung der Mitgliedseinrichtungen vom me gegen verschiedene Formen des Programme, nämlich Stärkung Bundesministerium für Familie, Extremismus verlangen die fördern- von politischer Kompetenz, Tole- Senioren, Frauen und Jugend den Ministerien bei der Vergabe von ranz und Demokratie, verfolgen. und dem Bundesministerium des Mitteln über das bisher bewährte Sie bietet zudem keine Gewähr Innern bzw. der Bundeszentrale Verfahren hinaus nun allerdings gegen die missbräuchliche Ver- für politische Bildung unterstützt. von den Trägern die Unterzeichnung wendung von Fördermitteln. Die Förderung von Maßnahmen einer gesonderten „Demokratie- der politischen Jugend- und erklärung“, die auch die Koopera- Die im AdB zusammengeschlosse- Erwachsenenbildung dient dem tionspartner und jeweiligen Refe- nen Träger politischer Bildung sind Anliegen, eine „den Zielen des rent/-innen mit einschließt. Diese sich ihrer Verantwortung bewusst, Grundgesetzes förderliche Arbeit“ Erklärung stößt im Arbeitskreis mit ihren Angeboten demokratie- anzubieten (Richtlinien Kinder- deutscher Bildungsstätten auf feindlichen Tendenzen kein Forum

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zu geben oder auch nur den zung mit extremistischen Strömun- te zuwendungsrechtliche Auflagen Anschein zu erwecken, dies gen und Gruppierungen oder die beschnitten wird. zuzulassen. Sie wenden sich Ansprache von Zielgruppen aus dem auch gegen Versuche, die politi- extremistischen Milieu. Das BMFSFJ Der Arbeitskreis deutscher Bil- sche Auseinandersetzung mit der selbst stellt dies in den von ihm her- dungsstätten appelliert an die einen extremistischen Position zur ausgegebenen Hinweisen klar. Die Bundesregierung, die gesonderte Durchsetzung einer anderen extre- Präventionsprogramme gegen ver- Bekenntnisklausel zur Demokratie mistischen Position zu instrumen- schiedene Formen des politischen nicht weiter zur Voraussetzung für talisieren. Insoweit besteht Über- und religiösen Extremismus können die Vergabe von Fördermitteln zu einstimmung in den auch nur wirksam sein, wenn sie es machen. Für die Träger politischer Zielvorstellungen. den Projektträgern ermöglichen, ihre Bildung im AdB ist das demokrati- Arbeit den jeweiligen Bedarfslagen sche Engagement selbstverständ- Das Bekenntnis der Träger zur und Gegebenheiten vor Ort anzu- lich und Antrieb für ihre Arbeit. freiheitlich-demokratischen passen, und sie außerdem sicher sein Grundordnung verbietet ihnen können, dass ihre fachlich-pädagogi- Arbeitskreis deutscher Bildungs- jedoch nicht die Auseinanderset- sche Freiheit nicht durch unbestimm- stätten, März 2011

Jugendbildungsstätte „Mühle“ wird zur „JugendAkademie Segeberg“

Gastgeber Dieter Fiesinger Arbeit der Einrichtung, die nun Mertin auf der Einweihungsfeier konnte rund 300 Gäste bei der unter neuem Logo und neuem vertreten. Einweihungsfeier der neuen Namen als JugendAkademie Räumlichkeiten begrüßen, die Segeberg firmiert, gilt weiterhin Der Verein für Jugend- und Kul- die von ihm geleitete Jugend- der Kinder- und Jugendarbeit, turarbeit im Kreis Segeberg ist bildungsstätte in diesem Früh- der politischen Jugendbildung, Mieter und Hauptnutzer der jahr bezog. Der Kreis Segeberg, Veranstaltungen mit Schulklas- neuen Räumlichkeiten in der in dem die „Mühle“ ihren Sitz sen, gewaltpräventiven Angebo- ehemaligen Evangelischen Akade- hat, kaufte ein Gelände am See ten sowie der Theater- und Tanz- mie, in der die JugendAkademie und richtete es für die Jugend- pädagogik. Bei der offiziellen nun ihr Domizil hat. Dessen Vor- bildung her, da die Kapazitäten Einweihung waren neben zahl- sitzender, der Bad Bramstädter am bisherigen Ort nicht mehr reichen Vertretern aus Politik Bürgermeister Hans-Jürgen Küt- ausreichten. Bereits seit Anfang und anderen Institutionen auch bach, interpretierte das neue Februar finden Veranstaltungen Gäste aus der Mongolei anwe- Logo, das noch an die alte Mühle und Seminare in den neuen send, die gratulierten und eine erinnere und die beiden Sege- Räumlichkeiten statt, die nun Urkunde des Bürgermeisters ihrer berger Seen versinnbildliche. Seminarräume für bis zu 120 Per- Hauptstadt Ulan Bator überreich- sonen, sechs Kleingruppenräu- ten. Dieter Fiesinger und seine Nach Ansprachen und Gruß- me, einen Medienraum und ver- Mitarbeiter/-innen engagieren worten hatten die Gäste Gele- schiedene Aufenthaltsräume sich seit Jahren im Fachkräfte- genheit zur Besichtigung der bieten. Die Übernachtungskapa- austausch mit der Mongolei und neuen Räume. zitäten wurden von 47 Betten haben hier auch viele Aufgaben auf 85 Betten in Ein-, Zwei- und im Auftrag des AdB wahrgenom- Quelle: Segeberger Zeitung Vierbettzimmern erweitert. Die men. Der AdB war durch Sabine vom 13.03.11

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Neue Publikationen aus dem Bereich des AdB

ABC Bildungs- und Tagungs- „Jugendliche schützen!“ ist zentrum und Jugendbildungs- der Titel einer Arbeitshilfe, die stätte Hütten – beteiligten. Sie der Internationale Bund in erprobten gemeinsam die Kom- Zusammenarbeit mit der West- bination von Seminaren in Bil- fälischen Wilhelms-Universität dungsstätten mit Online-Lernen in Münster entwickelte. Sie ist am PC. Inhaltlich ging es dabei das Ergebnis eines Projekts, in um die Geschichte der DDR, der dessen Rahmen Schutzkonzepte sich die Jugendlichen nicht nur und Handlungsstrategien im im Seminar, sondern auch auf Umgang mit Gefährdungslagen einer verbandseigenen Arbeits- von Jugendlichen für die päda- und Kommunikationsplattform gogische Praxis entwickelt wer- im Internet annäherten. Geför- den sollten. In der Broschüre dert wurde dieses Projekt mit sind die konzeptionellen Über- Mitteln der Bundesstiftung zur legungen dokumentiert, die in Aufarbeitung der SED-Diktatur den Konzeptions- und Planungs- und aus dem Kinder- und Jugend- werkstätten des Projekts erörtert plan des Bundes. Die Ergebnisse wurden. Der Broschüre beige- der gemeinsamen Arbeit wurden fügt ist eine CD-ROM, die Mate- in einer rund 40 Seiten starken, rialien, Empfehlungen, Literatur- Der Arbeitskreis deutscher reich bebilderten Broschüre hinweise und weitergehende Bildungsstätten realisierte dokumentiert, die unter dem Ti- Informationen enthält. von 2009 bis 2010 ein Projekt, tel „blended learning DDR“ an dem sich sechs Mitglieds- beim Arbeitskreis deutscher Bezug: Internationaler Bund (IB) einrichtungen – wannseeFORUM, Bildungsstätten kostenlos Ressort Bildung und Soziale Jugendbildungsstätte Kurt erhältlich bzw. auf der AdB- Arbeit, Valentin-Senger-Str. 5, Löwenstein, aktuelles forum Homepage als PDF-Datei 60389 Frankfurt/Main, NRW, Haus Steinstraße, abrufbar ist. marion.reinhardt@ internationaler-bund.de

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Personalien

fenen „Konzertierten Aktion Konrad-Adenauer-Stiftung. Neu Weiterbildung“, wirkte im Beirat gewählt in den bap-Vorstand zur Evaluation der politischen wurde Barbara Menke, Nachfol- Jugendbildung des Bundesminis- gerin von Theo W. Länge in der teriums für Familie, Senioren, Geschäftsführung von Arbeit und Frauen und Jugend und in der Leben. programmübergreifenden Arbeitsgruppe Kinder- und Ina Bielenberg, Geschäftsführe- Jugendplan des Bundes mit, rin des Arbeitskreises deutscher war Mitglied im Verwaltungs- Bildungsstätten, wurde erneut rat des Deutschen Instituts für von der Mitgliederversammlung Erwachsenenbildung und im mit der bap-Geschäftsführung Kuratorium des Deutsch-Fran- betraut. zösischen Jugendwerks.

Der Bundesausschuss politische Reimund Berger, der den Inter- Bildung erfuhr durch Theo W. nationalen Arbeitskreis Sonnen- Länge wichtige Impulse. Er enga- berg im Arbeitskreis deutscher gierte sich für die vom bap her- Bildungsstätten vertrat, starb Theo W. Länge, der 1994 von ausgegebene Fachzeitschrift unerwartet am 28. Dezember Johannes Tessmer das Amt als „Praxis Politische Bildung“, an 2010 im Alter von 68 Jahren. Vorsitzender des damaligen deren Gründung er maßgeblich Sein Nachfolger als Geschäfts- Arbeitsausschuss‘ für politische beteiligt war, und initiierte den führer des Internationalen Hau- Bildung übernahm, wurde im „Preis Politische Bildung“, der in ses Sonnenberg ist seit 1. März Beisein zahlreicher Gäste Anfang diesem Jahr zum zweiten Mal 2011 Andreas Zieske aus Berlin. März 2011 in Wuppertal aus dem verliehen wird. Auf dem letzten Berufsleben in den Ruhestand Deutschen Weiterbildungstag verabschiedet. Von den Vertre- wurde Theo W. Länge vom Präsi- Prof. Dr. Dietrich Grille, Histori- tern und Vertreterinnen aus Poli- denten der Bundeszentrale für ker und Politologe, in seinen letz- tik, Weiterbildung, Gewerkschaf- politische Bildung, Thomas Krü- ten Berufsjahren Pro-Rektor der ten und Kooperationspartnern ger, für sein langjähriges ent- Georg-Simon-Ohm-Fachschule in wurde nicht nur sein unermüd- schiedenes Engagement für die Nürnberg, verstarb im März 2011 liches Engagement für dieses politische Bildung geehrt. Beru- im Alter von 75 Jahren. Er war Gremium gewürdigt, das unter fung ende nicht mit dem Beruf, dem Arbeitskreis deutscher Bil- seinem Vorsitz zum Bundesaus- so Thomas Krüger in seiner Rede. dungsstätten in dessen Anfangs- schuss politische Bildung (bap) „Ich bin mir daher sicher, dass jahren durch die Fördergemein- umbenannt wurde, sondern vor sich Theo Länge weiterhin ein- schaft der Collegia Politica an allem seine 20-jährige Tätigkeit mischen wird, in Politik und poli- Deutschen Hochschulen e. V. ver- als Geschäftsführer des Bundes- tische Bildung.“ bunden. arbeitskreises Arbeit und Leben. Im damaligen Arbeitsausschuss für politische Bildung vertrat er Lothar Harles, Bundesgeschäfts- Sonja Schweizer ist neue Leite- zunächst – seit 1984 – die Evan- führer der Arbeitsgemeinschaft rin des Bildungswerks Stenden. gelischen Akademien in Deutsch- katholisch-sozialer Bildungs- In dieser Funktion hat sie auch land, deren Bundesgeschäfts- werke (aksb), wurde von der die Mitgliedschaft im Arbeits- führer er bis zum Wechsel in die bap-Mitgliederversammlung im kreis deutscher Bildungsstätten Leitung von Arbeit und Leben November bei der turnusmäßi- übernommen. war. gen Vorstandswahl in seinem Amt als Vorsitzender bestätigt. Neben seinen hauptberuflichen Er hatte nach dem Ausscheiden Die Mitgliederversammlung der Aufgaben nahm Theo W. Länge von Theo W. Länge den Vorsitz Friedrich-Ebert-Stiftung wählte zahlreiche Ämter wahr, die der bereits inne. Bestätigt in ihren am 13. Dezember 2010 in Berlin politischen Bildung verpflichtet Vorstandsämtern wurden auch den ehemaligen Bundesverteidi- sind. Er war u. a. stellvertreten- Dr. Wolfgang Beer, Evangeli- gungsminister und Vorsitzenden der Vorsitzender der vom Bun- sche Akademien in Deutschland, der SPD-Bundestagsfraktion, desforschungsministerium beru- und Dr. Werner Blumenthal, Dr. Peter Struck, zum neuen

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Vorsitzenden. Er übernahm das Dr. Alois Becker, langjähriger Das Pressenetzwerk für Jugend- Amt von Anke Fuchs, die nun Geschäftsführer der Akademie themen hat einen neuen Vor- Ehrenvorsitzende der Stiftung ist. Klausenhof, ist nun im Ruhe- stand gewählt. Als Vorsitzender Strucks Stellvertreter wurden stand. Sein Nachfolger in der bestätigt wurde Marco Heuer, Dieter Schulte und Kurt Beck, Akademieleitung wurde der bis- Berlin, stellvertretende Vorsitzen- Ministerpräsident von Rheinland- herige stellvertretende Direktor de wurden Carola Dorner, Ber- Pfalz. Dr. Hans Amendt. lin, Kerstin Fritzsche, Darm- stadt, Barbara Oertel, Berlin, und Ceyhun Yakup Özkardes, Der frühere bayerische Kultus- Prof. Dr. Josef Olbrich, Emeri- Trier. Neu im Vorstand ist minister und jetzige Vorsitzende tus der Freien Universität Berlin Geschäftsführer Jörg Wild. der Hanns-Seidel-Stiftung, und dort Vertreter des Bereichs Dr. h.c.mult. Hans Zehetmair, Erwachsenenpädagogik, starb wurde vom Rat für deutsche am 6. März 2011 in Berlin. Er Jörg Biallas ist neuer Chefredak- Rechtschreibung erneut zum wurde 75 Jahre alt. teur der Zeitschrift „Das Parla- Vorsitzenden gewählt. ment“ und des Informationsdiens- tes „Heute im Bundestag“. Prof. Dr. Max Fuchs, Direktor Daniela Kolbe, Mitglied der der Akademie Remscheid, wurde SPD-Fraktion im Deutschen in seinem Amt als Präsident des Beim Bundesarchiv gibt es einen Bundestag und stellvertretende Deutschen Kulturrats bestätigt. Personalwechsel. Der bisherige Vorsitzende des Kuratoriums der Christian Höppner, General- Abteilungspräsident Dr. Michael Bundeszentrale für politische Bil- sekretär des Deutschen Musik- Hollmann wird neuer Präsident dung, wurde Vorsitzende der rats, wurde erneut zum Vize- und tritt die Nachfolge des neuen Enquete-Kommission präsidenten gewählt. Neue altersbedingt aus dem Amt „Wachstum, Wohlstand, Lebens- Vizepräsidentin wurde scheidenden Prof. Dr. Hartmut qualität“. Regine Möbius. Weber an.

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Bücher

Benjamin Ortmeyer: MYTHOS und PATHOS statt LOGOS und ETHOS. Zu den Publikationen führen- der Erziehungswissenschaftler in der NS-Zeit: Eduard Spranger, Herman Nohl, Erich Weniger und Peter Petersen – Weinheim und Basel 2009, Verlagsgruppe Beltz, 606 Seiten

Ganz neu ist die Frage nach und Lebensreform verarbeitete. kompromittierender Positionen dem Grad ihrer Verwicklung in Echte Demokraten waren sie bei Spranger und Co. identifizie- die Geisteswelt des National- wohl eher nicht, aber davon gab ren, die er als „nazistische Propa- sozialismus nicht; schon seit es in der Weimarer Republik ganda“ einstuft. In den Jahren den 80er Jahren gibt es immer ohnehin nur wenige. Für die 1933-35 ordnete sich Spranger in wieder aufbrechende Kontro- reale Lebensführung der vier die von vielen Zeitgenossen als versen über die Einschätzung Pädagogen interessiert sich der nationaler Aufbruch apostro- ihrer Haltungen und Äußerun- Autor allerdings wenig, sein phierte Machtentfaltung der gen in den 30er Jahren: Es geht Gegenstand sind deren schriftli- Nationalsozialisten zustimmend um die führenden Köpfe der che Aussagen insbesondere in ein und übernimmt in seinen geisteswissenschaftlichen Päda- der NS-Zeit. Begrifflichkeiten und Themen gogik Eduard Spranger, Hermann die neuen Diskursgewohnheiten Nohl, Erich Weniger und den Ortmeyer spricht in der Einlei- offenbar umstandslos. In späte- bekannten Reform- und Schul- tung von „weitgehend system- ren Einlassungen zeigt sich u. a. pädagogen Peter Petersen, auf konformen Publikationen der ein Bejahen von Führer, Krieg den der Jena-Plan zurückgeht. vier Erziehungswissenschaft- und Ideologie. Sein Oeuvre ist Die ersten drei haben sich in den ler“ und attestiert ihnen eine das umfangreichste. Herman 1920er und 1950er Jahren auch „öffentliche Unterstützung des Nohl wiederum offenbart sich immer wieder programmatisch NS-Staats“ (S. 14). Was hat er im vornehmlich in seiner 1934 zu Fragen der Erwachsenen- Einzelnen vorzubringen und wie gehaltenen Vorlesung „Die bildung und der politischen geht er vor? Grundlagen der nationalen Bildung geäußert, ihre Ausfüh- Erziehung“ als Befürworter von rungen gehören zu den Grund- Im Teil A rekapituliert er zunächst Rassenhygiene und Eugenik. Vor schriften der sich damals gerade den Stand der Rezeptionsfor- allem mit den Krieg heroisieren- entwickelnden politischen Bil- schung, dann skizziert er die den militärpädagogischen Schrif- dung. theoretischen Grundpositionen ten ist Erich Weniger in der Zeit und Hauptwerke seiner Protago- hervorgetreten. Ansonsten gibt Was nun hat Ortmeyer zu dem nisten, um abschließend kurz es von ihm vor allem kleinere Projekt einer umfassenden Ana- zeitgenössische Alternativdiskur- Rezensionen und historische Bil- lyse ihrer Publikationen in den se und theoretische wie politi- dungsstudien. Auch Peter Peter- Jahren 1933-1945 bewegt? sche Kontexte zu diskutieren. sen übernimmt den NS-Jargon Denn – das muss auch erwähnt Der mittlere Abschnitt dient der bereitwillig und vertritt einen werden – Mitglieder der NSDAP eigentlichen Darstellung, Analyse völkisch grundierten Rassismus. waren diese Wissenschaftler und Interpretation von Äußerun- nicht. Vielmehr haben Spranger, gen der Untersuchten in den Jah- Der Autor spricht an einer Stelle Nohl und Weniger in der NS-Zeit ren 1933-1945. (S. 169) davon, dass die unter- ihre Professuren verloren oder suchten Autoren Verbrechen aufgegeben, Spranger ist zeit- Im dritten Teil C stehen die rück- legitimieren, ohne dieses Legiti- weise nach Japan ausgewichen blickenden Äußerungen und mieren weiter zu erläutern. Er und wurde 1944 kurzzeitig inhaf- Selbstrechtfertigungen nach macht aber keinen Unterschied, tiert, nur Petersen hat wohl 1945 zur Untersuchung an. ob von ihnen kulturkritisch, ununterbrochen an der Jenaer Ergänzend können die unter- nationalpädagogisch, konserva- Universität weitergelehrt. suchten Schriften der vier Päda- tiv, völkisch oder biologisch- Spranger gehörte vor 1933 dem gogen in je eigenen Dokumenta- rassistisch argumentiert wird. Es deutschnationalen Umfeld an, tionen erworben werden. Im ist auch nicht zu erkennen, ob Petersen hatte völkisch-nationale Anhang des Bandes finden sich durch die vier Pädagogen ande- Sympathien und Weniger und die entsprechenden Inhaltsver- ren Menschen geschadet wurde – Nohl können als konservative zeichnisse. alle werden zu ideologischen Vertreter einer kulturkritischen Vorbereitern und Geistestätern. Pädagogik gelten, die viele Ortmeyer kann in der Tat jede Diese allzu selbstsicher daher- Impulse der Jugendbewegung Menge beschämender und kommende Gewissheit kann den

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Leser auch irritieren und im Stil gen. Sie haben sich – wie viele unglaublichem Variantenreich- an manche rein ideologiekriti- andere Wissenschaftler und Intel- tum war. Dazu kommen die zu sche Analyse der 70er und 80er lektuelle jener Zeit auch – einer einer hochgradigen NS-Über- Jahre erinnern. Die kontrastieren- vermeintlichen Doppelsprache zeugungstäterschaft auch nicht de Herbeiziehung von zeitgenös- bedient und bei partieller Zustim- immer ganz passenden Lebens- sischen Kritiken aus dem Exil mung subjektiv gemeint, einge- umstände: jüdische Familien- oder dem Lager der Linken soll streute Dissense zu formulieren, mitglieder bei Nohl, die Verhaf- zeigen, dass es auch anders ging. die als solche von einigen ande- tung bei Spranger. Nicht nur ex post, auch in den ren Teilnehmern der Öffentlich- 30er Jahren waren natürlich keit auch erkannt würden. So Einer Relativierung der Positio- Stimmen zu vernehmen, welche ist vor kurzem Adolf Reichwein nen und Äußerungen soll damit die Lage und die künftigen Ent- ebenfalls in die Kritik geraten, nicht Vorschub geleistet werden, wicklungen angemessen kritisch seine öffentlichen Auftritte in aber es fehlt eine komplexere einschätzten. Aber ein offen- den 30er Jahren z. B. vor Reichs- Betrachtungsweise, die geeignet sichtliches Problem liegt ja darin, arbeitsdienstführerinnen wurden wäre, im Einzelnen Zustimmung, dass es zwischen Zustimmung als „dienstbares Begleiten“ der Anpassung, Opportunismus, und Ablehnung noch ungeheuer Diktatur und der Verbrechen cha- Indifferenz oder vielleicht partiel- viele weitere Positionen gab. rakterisiert und seine Position als le Gegnerschaft zu identifizieren rechter Sozialdemokrat zu der und zu erklären. Bei Ortmeyer Sicher ist die Aussage Ortmeyers eines nationalen Sozialisten stili- wird alles durch den Fleischwolf richtig, dass niemand Spranger, siert. Aber es geht nicht nur der NS-Propagandaschaft gedreht, Weniger, Nohl oder Petersen inhaltlich um hier vernachlässigte eine nicht völlig unberechtigte gezwungen hat, sich öffentlich Zwischenpositionen und päda- Perspektive, die aber schon mehr- zu äußern und die dabei erwar- gogische Ideenwelten, deren fach eingenommen wurde und teten Begriffs- und Diskursregeln Begriffsvorrat (man denke an die somit für die Diskussion nur zu bedienen, militärpädagogi- Begriffe Volk, Gemeinschaft und wenig weiterführend ist. sche Konzepte zu entwerfen Volksgemeinschaft) in der ersten oder die Eugenik zu rechtferti- Hälfte des 20. Jahrhunderts von Paul Ciupke

Reinhold Boschki/Albert Gerhards (Hrsg.): Erinnerungskultur in der pluralen Gesellschaft. Neue Perspektiven für den christlich-jüdischen Dialog – Paderborn 2010, Verlag Ferdinand Schöningh, 349 Seiten

Erinnerungskultur ist en vogue. Die beiden Herausgeber Rein- und Verstehens stellen. Heraus- Oft erinnerungslose Gesellschaf- hold Boschki (Religionspäda- geber und Autoren des Aufsatz- ten denken über ihre Geschichte goge) und Albert Gerhards bandes sehen Christentum und und historischen Orte nach und (Liturgiewissenschaftler) gehö- Judentum in einer unauflöslichen versuchen, diese in einen Bezug ren der Katholisch-Theologischen Erinnerungsgemeinschaft. zur Gegenwart zu setzen. Für Fakultät der Universität Bonn an. die Autoren des Aufsatzbandes Die Bonner Katholisch-Theolo- Für Boschki und Gerhards ist die „Erinnerungskultur in der plu- gische Fakultät fühlt sich dem Auseinandersetzung der christ- ralen Gesellschaft“ bedeutet christlich-jüdischen Dialog beson- lichen Theologie mit dem Juden- Erinnerungskultur in einer ders verpflichtet und traditionell tum kein Thema unter vielen, jüdisch-christlichen Perspektive verbunden. Der Aufsatzband sondern vielmehr ist es die Mitte eine offene Auseinandersetzung „Erinnerungskultur“, der auf der Theologie schlechthin. In der mit der Vergangenheit sowohl einer Veranstaltungsreihe der Exegese des Alten oder Neuen mit den Verbrechen in Konzen- Bonner Katholisch-Theologischen Testaments, in der Reflexion über trationslagern als auch mit der Fakultät im November 2007 die Dogmengeschichte oder in reichen Religions-, Geistes- und beruht, soll den theologischen Fragen der Praktischen Theologie Kulturgeschichte des Judentums Diskurs mit dem Judentum bele- ist das Verhältnis von Judentum in Vergangenheit und Gegen- ben und auf eine vertiefte Grund- und Christentum in einem hohen wart. lage des gegenseitigen Respekts Maße bedeutsam. Das Christen-

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tum fußt auf der jüdischen Reli- sen Traditionen weiter. Der jüdi- (siehe S. 202 ff.). Diese Probleme gion und wäre ohne die hebrä- sche Gottesdienst ist ein lobprei- werden in den Aufsätzen offen ische Bibel ohne Fundament. sendes Gottesgedenken und er- angesprochen und diskutiert. innert die Gläubigen an die Nähe Der Aufsatzband „Erinnerungs- Gottes und die Aktualität seiner Das Buch leitet den Leser dazu kultur in der pluralen Gesellschaft“ Heilszusage. an, nach neuen Formen des ist in fünf Teile gegliedert: Grund- christlich-jüdischen Gespräches sätze, Konturen einer Erinnerungs- Der Aufsatzband geht vor allem zu suchen, bspw. in Wort-Gottes- kultur, christlich-jüdisches Verhält- auf den Dialog zwischen Katholi- Feiern (siehe Aufsatz von Peter nis, Gegenwart des Judentums scher Kirche und dem Judentum Ebenbauer: Thora-Liturgie und und Forschungsfelder im christ- ein. Mit dem Zweiten Vatikani- Wort-Gottes-Feier, S. 225-240). lich-jüdischen Kontext. An dem schen Konzil (1960/65) setzte Eine besondere Bedeutung, wie Werk haben katholische, evange- eine Zeit der Neuorientierung Juden und Christen sich künftig lische und jüdische Autoren mit- ein, und es wurden andere Reli- begegnen werden, hat der Reli- gewirkt wie der Vorsitzende der gionen wie das Judentum als gionsunterricht. Deshalb wird Allgemeinen Rabbinerkonferenz Ausdruck authentischer Gott- dieser Punkt ebenfalls durch Henry G. Brandt. Aus der Feder suche und möglicher Gottesbe- einen Aufsatz „Das Judentum Brandts stammt auch der zentra- gegnung klassifiziert. Nostra im Religionsunterricht. Rückblick le Beitrag „Sachor – Erinnerungs- Aetate Nr. 4 ist die Antwort der und Ausblick“ von Werner Trut- kultur und Dialog aus jüdischer Katholischen Kirche auf Ausch- win (S. 241-253) aufgegriffen. Perspektive“ (S. 27 – 34). Das witz; sie betont die wesenhafte hebräische Wort „sachor“ meint Verbundenheit zwischen beiden Die kurzen und prägnanten Auf- erinnern und gedenken. In sei- Religionen (Boschki, S. 201). sätze machen das Buch leicht les- nem Aufsatz stellt Brandt heraus, bar und auch für Nichttheologen dass das Judentum aus Erinne- Dass das Verhältnis und der Dia- verständlich, allerdings setzt es rungen schöpft wie dem Auszug log zwischen Katholizismus und theologische Grundkenntnisse aus Ägypten, der Zerstörung des Judentum weder spannungsfrei zum christlich-jüdischen Verhält- Jerusalemer Tempels und dem ist noch ohne Eintrübungen nis voraus. Viele Quellenangaben neuzeitlichen Gedenken an den verläuft, zeigen die Auseinander- und Literaturhinweise helfen Holocaust bzw. der Shoa. Sich zu setzung um die Karfreitagslitur- über die Lektüre des Aufsatz- erinnern, ist im Judentum ein gie (siehe u. a. S. 213 ff.), die bandes hinaus, neue Perspekti- kollektives Unterfangen. Es Debatte über die Judenmission ven für den christlich-jüdischen geschieht nicht nur im Gottes- und nicht zuletzt die Aussagen Dialog zu entdecken. dienst, sondern auch in der Fami- von Repräsentanten der Pius- lie. Die Familie trägt die religiö- bruderschaft über den Holocaust Karsten Matthis

Renate van Kampen: …fast vergessen. Spuren eines jüdischen Lebens – Berlin 2010, Schlehdorn Verlag, 94 Seiten

„Fragmente eines deutsch-jüdi- lichen Interesses sicher sein konn- mengetragen und in dieser schen Lebensweges“ wurden um te – sie gehörte schließlich auch Ausstellung der Öffentlichkeit die Jahreswende 2010/2011 in zu den ersten Medizinstudentin- zugänglich gemacht werden einer Ausstellung im Kurt Tuchols- nen in Preußen und praktizierte konnten. ky Literaturmuseum Rheinsberg bis 1933 als Ärztin in Berlin – ist präsentiert. Erinnert wurde an vergleichsweise wenig von ihr Ähnlichen Umständen verdankt Else Weil, Tucholskys erste Ehe- bekannt. Ein Eintrag im Gäste- auch das hier zu besprechende frau, das Vorbild für die Claire in buch des Museums führte Büchlein sein Zustandekommen. Tucholskys Büchlein „Rheinsberg. schließlich zu einem Kontakt zu Die Politikwissenschaftlerin und Ein Bilderbuch für Verliebte.“ einer noch lebenden Nichte in Historikerin Renate van Kampen Obwohl Else Weil nicht allein London, mit deren Hilfe Doku- stieß bei Recherchen zur eigenen durch ihre Verbindung mit Kurt mente und Informationen über Familiengeschichte auf den in Tucholsky eines gewissen öffent- das Leben von Else Weil zusam- unterschiedlichen Versionen

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geschriebenen Namen einer jüdi- Grenze zum damaligen Russischen zu diesem Zeitpunkt schon lange schen Schriftstellerin, die sie Reich, folgte. Dort wurde 1888 tot. Er fiel als deutscher Soldat im schließlich als Thekla Skorra iden- der gemeinsame Sohn Bruno Ersten Weltkrieg 1916 in Frank- tifizieren konnte. Ihr Interesse geboren. Das Leben in Leibitsch reich. war geweckt, die Suche nach war für Thekla Skorra – ihr zuge- weiteren Informationen stellte schriebenen Aussagen zufolge – Renate van Kampen hat in ihrer sich jedoch als mühselig heraus. schwierig und wenig anregend, Untersuchung auch nach Hinwei- Dennoch gelang es, dem spär- so dass angenommen wird, dass sen auf die schriftstellerischen lichen Material „Spuren eines sie auf eine Rückkehr der Familie Arbeiten Thekla Skorras gesucht jüdischen Lebens“ abzuringen, nach Berlin drängte, die nach und sie vor allem in Berichten die im Nebel der Geschichte Quellenlage zwischen 1893 und über die Aktivitäten des Deut- gänzlich verwischt zu werden 1903 stattgefunden haben muss. schen Schriftstellerinnen-Bundes drohten. In Berlin trat Thekla Skorra dem gefunden, dem Skorra ebenfalls Allgemeinen Deutschen Schrift- angehörte, und an dessen Veran- Thekla Skorra war eine mehr als stellerverein bei und veröffent- staltungen sie sich offenkundig zwanzig Jahre ältere Zeitgenos- lichte literarische Arbeiten, rege beteiligte. sin Else Weils, stammte wie diese zumeist in jüdischen Zeitungen. aus einer jüdischen Familie und Es ist ein großes Verdienst lebte wie sie in Berlin. Beide Renate van Kampen folgt den Renate van Kampens, dass sie Frauen wurden von den Natio- Spuren Thekla Skorras und ihrer dem Bericht über das Leben nalsozialisten verfolgt und Familienmitglieder nicht nur in Thekla Skorras auch eine Aus- deportiert. Else Weil starb – ver- den Akten des Allgemeinen wahl ihrer literarischen Arbeiten mutlich 1942 – entweder auf dem Deutschen Schriftstellervereins, und ein Werkverzeichnis anfüg- Transport ins Lager Auschwitz sondern auch in den Berliner te. Die Skorra am meisten bewe- oder wurde dort ermordet, Adressbüchern. Dort kann sie genden und von ihr literarisch Thekla Skorra fand ein Jahr spä- nicht nur wechselnde Wohnorte bearbeiteten Themen waren das ter, im Juni 1943, im Lager There- der Familie ausmachen, sondern Frau- und Muttersein und das sienstadt den Tod. an den Eintragungen auch Rück- Judentum. Sie bevorzugte die schlüsse auf die innerfamiliären literarischen Gattungen Lyrik und Damit erschöpfen sich aber auch Entwicklungen ziehen. Der Essay. Renate van Kampen zitiert schon die feststellbaren Gemein- Umzug Lesser Skorras in die auch zeitgenössische Bespre- samkeiten beider Frauen. Wäh- Wohnung seiner Schwester gibt chungen und weist nach, in wel- rend Else Weil ein sehr fortschritt- Anlass zu der Vermutung, dass chen Werken anderer Autoren liches Frauenbild verkörperte sich die Eheleute Skorra getrennt Bezüge zu den Arbeiten Thekla und wie ihr ehemaliger Mann haben. Thekla Skorra zieht etwa Skorras hergestellt wurden. Kurt Kurt Tucholsky aus dem Juden- 1915 mit ihrem nunmehr erwach- Tucholsky, der zahlreiche Buch- tum austrat, verläuft das Leben senen Sohn Bruno in eine Woh- besprechungen in der „Weltbüh- von Thekla Skorra in zunächst nung in der heutigen Lietzenbur- ne“ veröffentlichte, hat aller- eher konventionellem Rahmen; ger Straße, in der sie fast 25 Jahre dings offenkundig von ihrem von Zeitgenossen wird sie als lebt, bis sie wieder die Wohnung literarischen Werk keine Notiz „leidenschaftliche Jüdin“ wechselt. Ab 1939 wurden die genommen. Ich fürchte, dass es bezeichnet. Juden in sogenannte Judenhäu- ihm auch nicht gefallen hätte. ser eingewiesen, um dort besser Er war kein Freund von „wäicher Renate van Kampen rekonstru- kontrolliert werden zu können. Lyrik“. iert aus den von ihr zutage geför- Ob dies auch der Grund für den derten Bruchstücken dieses Umzug von Thekla Skorra war, Aber es geht Renate van Kampen Lebens eine Biographie, deren bleibt offen. Die letzte akten- auch gar nicht um die literarische wesentliche Stationen schnell kundige Berliner Adresse Thekla Reputation ihrer Titelheldin, son- aufgezählt sind: 1868 in Berlin als Skorras vor ihrer Deportation dern um das Ziel, eine durch bru- Thekla Gottliebson geboren und nach Theresienstadt ist das vor- tale Gewalt zerstörte Existenz dortselbst und in Eberswalde auf- malige Jüdische Krankenhaus wieder zu vergegenwärtigen, ihr gewachsen, im Alter von 19 Jah- und spätere Siechenheim in der gänzliches Verschwinden zu ver- ren Heirat mit dem Kaufmann Auguststraße, das den National- hindern. Mit ihrem Büchlein hat Lesser Skorra, dem sie nach Lei- sozialisten als Sammellager der sie dazu einen wesentlichen Bei- bitsch (heute polnisch), einem- zur Deportation bestimmten trag geleistet. Thekla Skorra, an kleinen Ort bei Thorn nahe der Juden diente. Sohn Bruno war die in Theresienstadt, wo sie ihr

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Leben verlor, kein Grabstein Kampen sind zwei unterschied- noch auf einen kleinen Fehler bei erinnert, ist nun zudem an ihrem liche Versuche, der unvorstell- einer Wohnungsangabe hinzu- langjährigen Berliner Wohnort in baren Zahl namenloser Opfer weisen: die Neue Schönhauser der Lietzenburger Straße ein der nationalsozialistischen Ver- Straße, in der die kleine Thekla Stolperstein gewidmet worden. folgung Einzelschicksale ent- Gottliebson einst wohnte, liegt Sie hatte dort im Gemeindehaus gegenzusetzen. Wir begegnen nicht im heutigen Bezirk Pankow, der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis- konkreten Menschen, in deren sondern im Bezirk Mitte. Auch kirche ihre Wohnung. Im Ver- Leben und Leiden sich beispiel- vor der Bildung von Groß-Berlin sammlungssaal der Gemeinde haft die Geschichte der Berliner 1920 war dieses Wohngebiet als fand auch die Präsentation des Juden von der zweiten Hälfte damalige Spandauer Vorstadt Buches mit einer Lesung aus des 19. Jahrhunderts bis zu ihrer Teil von Berlin, wo sehr viele Skorras Werk, vorgetragen von Vernichtung in der Zeit der Nazi- Juden lebten, bis sie von den Schülerinnen, statt. herrschaft spiegelt. Nationalsozialisten ins Exil ver- trieben oder in die Lager depor- Die Ausstellung in Rheinsberg Es schmälert nicht die Bedeutung tiert wurden. und die Studie von Renate van dieses Büchleins, zum Schluss Ingeborg Pistohl

Dennis Shirley: Reformpädagogik im Nationalsozialismus – Die Odenwaldschule 1910 bis 1945 – Weinheim 2010, Juventa Verlag, 272 Seiten

Die Odenwaldschule in Heppen- geführt wurde – wie ja über- punkt lebte Geheeb schon seit heim an der Bergstraße, „eines haupt die Schule mit allen mög- Jahren in der Schweiz, der Gedan- der Vorzeigeobjekte der inter- lichen Regimen, beginnend mit ke einer Rückkehr nach Deutsch- nationalen Reformschul-Bewe- dem monarchistischen Deutsch- land war aber nie ganz vom Tisch. gung“ (S. 9), wurde jüngst, im land unter Wilhelm II., klarkam, Zuge der Debatten über sexuellen ja sich trotz gewisser Anfeindun- Dabei war drittens der Streit über Missbrauch, vor einer größeren gen, z. B. von klerikal-konservati- die pädagogische Ausrichtung Öffentlichkeit als abschrecken- ver Seite, durchaus breiter Wert- der Schule gar nicht so unver- des Beispiel von Eliteerziehung schätzung unter Fachleuten und söhnlich, wie es die landläufigen geoutet. Die bei Juventa erschie- begüterten Eltern erfreute. Es Thesen von Gleichschaltung und nene Fallstudie des amerikani- gab zwar im ersten Jahr nach totalitärer Indienstnahme glau- schen Pädagogik-Professors der Machtergreifung einige Stör- ben machen wollen. Bemerkens- Dennis Shirley, die sich speziell manöver von SA und Partei; diese wert, dass zu den wichtigsten mit der Situation der Schule im waren aber eher persönlich moti- Streitpunkten die Koedukation Jahr der nationalsozialistischen viert und entsprachen nicht der gehörte – und nicht eine inhaltli- Machtergreifung beschäftigt, Linie der NS-Schulbehörden. che, etwa humanistische oder erschien zuerst 1992, konnte also Zweitens wird bei Shirley klar, sonst wie antifaschistische Orien- von den aktuellen Enthüllungen dass die Nazis die Schule in den tierung der Heppenheimer Päda- nichts aufnehmen. Sie ist zudem Anfangsjahren gerne mit Geheeb gogik. Doch selbst beim zentra- aus dem Blickwinkel dezidierter als Leiter fortgeführt hätten. len Punkt der Koedukation, mit Bewunderung für das reform- Anders als die jüdischen Lehrer, deren Praktizierung sich die pädagogische Schulexperiment die gehen mussten, kam er als Odenwaldschule als Ausnahme- und seinen Gründer Paul Geheeb pädagogische Fachkraft für die pädagogik positionierte, machte geschrieben. Dabei erstaunt vor neuen Machthaber in Frage. das NS-Regime Konzessionen; allem, dass sie eine Affinität von Geheeb versuchte auch in viel- unter seiner Verantwortung wur- Nationalsozialismus und Reform- facher Weise sein Schulinternat de „die koedukative Seite der pädagogik bestreiten will, obwohl und dessen national-idealisti- Schule nie völlig abgeschafft“ das ausgebreitete Material gera- schen Geist den NS-Behörden (S. 226), resümiert Shirley. So de die Kompatibilität belegt. schmackhaft zu machen – „und blieb die Odenwaldschule auch als der endgültige Bruch mit in der Zeit von 1933 bis 1945 Der erste Beleg ist natürlich die Deutschland erfolgte, ging dieser ihrer Tradition treu und wurde in banale Tatsache, dass der Schul- vom Dritten Reich und nicht von dieser Ausnahmestellung von betrieb von 1933 bis 1945 fort- ihm aus“ (S. 250). Zu diesem Zeit- den Nazis geschätzt. Selbst als

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Geheeb in die Schweiz emigrierte und zu enden habe. Als Geheeb Konflikte als durch zentralisierte und sein ehemaliger Freund davon erfuhr, schrieb er an Vorschriften des Staates ange- Sachs als NSDAP-Mitglied die Blank (den zuständigen NS-Beam- trieben wird.“ (S. 251) Shirleys Schule leitete, zeigte sich laut ten, J. S.), diese Verordnung wür- Argumentation ist hier wie öfters Shirley, der Sachs nicht einfach de in der Odenwaldschule nicht in seiner Schrift gewunden, doch als NS-Kollaborateur verdammen praktiziert werden, ‚weil sie auf bestätigt seine Analyse eher den will, dass dieser „auch weiterhin unser Heimleben nicht anwend- „polykratischen“ Charakter des viel vom Geist der alten Schule bar ist, ja in unseren Lebensstil NS-Staates (vgl. S. 253), also eine bewahrte“ (S. 253). nicht hineinpassen würde.’ Theorie, wie sie erstmals Franz Seiner Interpretation nach sei Neumann aus dem Umkreis des Aufschlussreich ist Geheebs Agie- die Odenwaldschule ‚als eine Instituts für Sozialforschung in ren gegenüber dem Regime Ende wahrhaft religiöse Gemeinschaft seinem „Behemoth“ (Erstausga- 1933, als klar war, dass man die anzusehen’, die keinen Vorteil be 1942) entwickelte. Auf jeden Schule erhalten wollte und dafür davon hätte, wenn sie Befehle Fall bekräftigt die Fallstudie die vier Reformen verlangte, nämlich vom Staat entgegennähme, der Zweifel an der Totalitarismustheo- erstens, dass eine militärische ihr den Charakter diktiere.“ rie, die sich seit dem Kalten Krieg Ausbildung an einem Nachmittag (S. 166) in den „westlichen“ Demokratien der Woche stattfand, zweitens, besonderer Beliebtheit erfreut. dass die Schüler und Schülerinnen Gerade der letzte Punkt zeigt, Hier wurden ja durch die Kon- „einen Nachmittag in der Woche dass das Buch nicht nur in päda- struktion einer formalen Gemein- Kurse in politischer Bildung gogischer Hinsicht Aufschluss samkeit, der monopolisierten, besuchten“ (S. 164), drittens die geben kann, sondern auch im zentralisierten und umfassenden Einrichtung einer HJ-Gruppe und Blick auf die Faschismustheorie, Herrschaftsausübung, faschisti- viertens die Einführung des etwa auf die Frage, „inwieweit sche und sozialistische Herrschaft Schulgebets. „Statt sich zu fügen, der Nazistaat totalitär war – was gleichgesetzt, um die eigene wie er bei den ersten drei Refor- eine vollständige, alles erfassen- Position im Wettstreit der Syste- men getan hatte, widersetzte de Kontrolle aller Sektoren der me und Regime aufzuwerten. Da sich Geheeb unnachgiebig allen Zivilgesellschaft bedeutet – oder passte es nicht ins Bild, dass sich Veränderungen in den religiösen ‚polykratisch’ – das heißt, in riva- die NS-Herrschaft bewährter Aspekten der Odenwaldschule. lisierende Orte der Macht und Konzepte der Eliteerziehung Im vorangegangenen Frühjahr Kontrolle unterteilt, die mitein- oder der religiösen Betreuung hatte die hessische Regierung ander im Wettstreit liegen und der Volksmoral bediente. angeordnet, dass jeder Schultag eine gesellschaftliche Gesamtheit mit einem Gebet anzufangen schaffen, die mehr durch interne Johannes Schillo

Projektgruppe Nationalismuskritik (Hrg.): Irrsinn der Normalität – Aspekte der Reartikulation des deutschen Nationalismus – Münster 2009, Westfälisches Dampfboot, 259 Seiten

Die Austragung der Fußballwelt- Sammelband „Irrsinn der Norma- dungsarbeit, dieser nationalen meisterschaft in Deutschland lität“ vorlegte, fasst den Stand „Reartikulation“ aus der Perspek- 2006 hat zu einem bemerkens- der Dinge folgendermaßen zu- tive kritischer Gesellschaftstheo- werten Einschnitt in der politi- sammen: „Das öffentliche, im rie nach. schen Kultur der Republik wörtlichen Sinne unverschämte geführt – eine Entwicklung, Bekenntnis zur Nation ist mit Die Projektgruppe Nationalis- die auch in der Fachöffentlich- dem Sommer 2006 Normalität muskritik entstand im Kontext keit der politischen Bildung geworden – und damit auch ein der Tagung „Deutsche Normali- registriert und diskutiert wurde mehr oder weniger neuer deut- tätseuphorie – Zur Kritik des (vgl. etwa die Schwerpunkthefte scher Nationalismus.“ In dem Nationalismus in Sport und Pop- von Praxis Politische Bildung oder Band geht ein Dutzend Autoren kultur“, die im Mai 2008 im Vor- Polis zum „neuen Nationalis- und Autorinnen, vor allem aus feld der Fußball-Europameister- mus“). Die Projektgruppe Natio- Sozial- und Kulturwissenschaf- schaft stattfand. Einige Beiträge, nalismuskritik, die 2009 ihren ten, teils auch mit Bezug zur Bil- die der Sammelband vorstellt,

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basieren auf Vorträgen und sifiziert‘), denn die eine richtige etwa Gerd Dembowski, der seit Workshops der Tagung. Die Mit- gibt es nicht.“ Der Band bietet langem in Fanprojekten, z. B. als glieder der Projektgruppe sind in also eine Pluralität der Positionen Bundessprecher des Bündnisses verschiedenen politischen und nicht nur als Symptom eines Aktiver Fußballfans (BAFF), tätig kulturellen Initiativen tätig, auch unterentwickelten Zustandes und auch mit Fragen der politi- in Fußball-Fanprojekten oder in der Erforschung nationaler Iden- schen Bildung vertraut ist. Unter der kritischen Begleitung sport- tität, sondern mit der dezidierten Popkultur werden neuere Ent- licher Bildungsarbeit (Kontakt: Absicht, gegen „eine Monokultur wicklungen im Film (nationale [email protected]). der Theorie“ vorzugehen: „Eine Themen) und in der Musik Sie eint bei aller Verschiedenheit umfassende Beschreibung des (Deutschpop) verhandelt. Ein- die Bezugnahme auf die Kritische Gegenstandes Nation bedarf geleitet wird der Band mit zwei Theorie; die Beiträge des Bandes verschiedener perspektivischer Kapiteln, die sich grundsätzli- gehen, wie die Herausgeber fest- Konstellationen von Betrachtun- chen Fragen widmen: Einmal halten, von der sozialphilosophi- gen und Gegenstand.“ Hier stellt geht es um „Nation, Hegemonie, schen Prämisse aus, dass der sich allerdings das Problem, dass Geschlecht“, also um die Stand- gegenwärtige gesellschaftliche der patriotische Aufschwung von ortbestimmung kritischer Gesell- Zustand durch die „Herrschaft 2006 ff. gerade von einer solchen schaftstheorie anhand der Klä- des Identitätsprinzips“ (Adorno) pluralistischen Deutung begleitet rung von Grundbegriffen; zum bestimmt ist, kritisieren also und gutgeheißen wurde: Man andern werden „Geschichts- Nation als eine Form, den Einzel- dürfe nicht alles über den einen, diskurse“ analysiert. Hier findet nen mit der Allgemeinheit zu kritischen Leisten schlagen, son- vor allem eine Auseinanderset- identifizieren, neben anderen. dern müsse sich der (kulturellen, zung mit dem Normalisierungs- sportlichen, kommerziellen…) Topos statt, der sowohl in der Zugleich knüpfen sie an Schüler Vielfalt des Phänomens stellen. konkreten Fußballfrage als auch der Frankfurter Schule wie Heinz allgemein, in der politischen Dar- Steinert an, der als allein gültige Entsprechend dem Tagungs- stellung nach Außen und Innen, Perspektive nur die Einsicht zu- konzept von 2008 stehen in dem die Funktion einer Beschwichti- lässt, man könne keine „‚richtige‘ Band die beiden Praxisfelder gungsformel erfüllt. Perspektive herausfinden, indem Sport und Popkultur im Vorder- man die ‚falschen‘ eliminiert (‚fal- grund. Zum Fußballsport schreibt Johannes Schillo

Michael Marker: Die Schule als Staat. Demokratiekompetenz durch lernendes Handeln – Schwal- bach/Ts. 2009, Wochenschau Verlag, 319 Seiten

Die im Herbst 2010 online viele Einträge, außerhalb sind die Umsetzung von „Schule als gegangene Internetseite nur sehr vereinzelt Projekte auf- Staat“ in der Praxis umfassend www.svtipps.de beschreibt es geführt. ausgewertet und evaluiert. Bei- als „eines der genialsten, wenn des kann und sollte Anregung für nicht sogar DAS genialste Schul- Das könnte sich mit dem vorlie- viele weitere Schulen sein, sich ei- projekt aller Zeiten. ‚Schule als genden Buch von Michael Mar- nes solchen Konzepts als Mög- Staat‘ ist die Simulation eines ker nun ändern, denn es führt lichkeit umfassenden Demokra- kompletten Staatsapparats. Für zwei grundlegende Aspekte, die tielernens im Lebensraum Schule einige Tage verwandelt sich dazu für die Durchführung solcher anzunehmen und es (regelmä- eure Schule in einen eigenständi- Großprojekte bedeutsam sind, ßig) im Schulalltag zu etablieren. gen Staat – mit allem was dazu zusammen: Zum einen stellt der gehört.“ Bisher scheint das Plan- Autor sehr detailliert die Planung Eingebettet werden die Darstel- spiel bundesweit jedoch eher und Durchführung des Planspiels lung sowie die Evaluation des weniger bekannt, wie eine Pro- aus der eigenen Erfahrung am Projektes in die seit Beginn der jektlandkarte dieses Internetauf- Eduard-Mörike-Gymnasium in 2000er Jahre laufende und zum tritts einer Gruppe junger Studie- Neuenstadt am Kocher vor, zum Teil leidenschaftlich geführte Dis- render zeigt. Lediglich für anderen hat er in einem neben- kussion um Politische Bildung Baden-Württemberg finden sich beruflichen Promotionsprojekt und Demokratiepädagogik. Da-

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mit liefert das Buch einen aus der Letztlich geht es doch um die des Demokratielernens (und Praxis kommenden wertvollen Lernmöglichkeiten, die jungen damit des Politiklernens) an Beitrag zu dieser Debatte, die ja Menschen geboten werden, um unseren Schulen gelegen ist, die in erster Linie aus der Theorie und einem immer wieder diagnosti- Augen öffnen, welche Defizite der Fachdidaktik heraus geführt zierten Desinteresse an Politik zu verzeichnen sind, aber auch wird. Nach meiner Ansicht hat zu begegnen. Dass Schule diese welche Chancen bestehen, die Debatte genau an dieser Herausforderung aufnehmen Jugendliche für die Mitgestaltung Stelle ihren Schwachpunkt: An muss, belegt Marker mit einer unserer Gesellschaft zu gewinnen. der Nahtstelle zwischen Theorie Untersuchung zum Thema Dass das Planspiel „Schule als und Praxis enden viele der Argu- „Jugend und Politik“ unter der Staat“ ein hilfreiches und wir- mentationen und werden die Schülerschaft am Mörike-Gymna- kungsvolles Projekt ist, wird in Herausforderungen, die sich sium, an der sich 98 Prozent frei- breiter und tiefgehender Gründ- unter demokratiepädagogischen willig beteiligt haben. Der Autor lichkeit dargestellt. Dieses für die Gesichtspunkten im Lernalltag stellt im Ergebnis fest: 1. es weitere Diskussion um die Demo- für Jugendliche stellen, nur besteht auch in der eigenen kratiepädagogik m. E. wichtige ungenügend aufgenommen. Schülerschaft ein geringes Inte- Buch bietet unzählige Argumen- Michael Marker setzt genau an resse an Politik und 2. die demo- te für die Durchführung von dieser Stelle an und versucht auf kratiepädagogische Sozialisation erfahrungsorientierten und diese Herausforderungen einzu- reicht durch den politischen handlungsanregenden Demokra- gehen, indem er den theoreti- Fachunterricht aus zeitlichen tieprojekten in und im Umfeld schen Ansatz aufnimmt und mit und inhaltlichen Gründen nicht der Schule. Auch die außerschuli- den eigenen Praxiserfahrungen aus, um der Politikdistanz zu sche Bildung sollte sich angespro- aus der mehrfachen Durchfüh- begegnen. Während die erste chen fühlen durch die Studie und rung des ambitionierten Plan- Erkenntnis nicht verwunderlich sich als Kooperationspartner für spiels verknüpft. Es bedarf viel ist, frage ich mich, ob die Bedeu- Schulen anbieten, um solche Pro- mehr solcher Beiträge, damit die tung des zweiten Punktes wirk- jekte auf den Weg zu bringen. angesprochene Debatte einen lich schon in der Fachdidaktik der Die Argumente, die sowohl aus noch deutlicheren Bezug zur schulischen politischen Bildung theoretischer wie aus praktischer Praxis bekommt. Unterrichtliche wahrgenommen worden ist. Sicht dafür sprechen, sind im Wirkungsforschung im demokra- Zugegeben, ich stelle diese Frage Buch nachzulesen und können tiepädagogischen Bereich ist ein aus dem außerschulischen Bereich sofort für notwendige „Über- insgesamt noch wenig bearbeite- heraus ohne fundierte Kennt- zeugungsarbeit“ genutzt wer- tes Feld, und der Autor geht mit nisse des aktuellen Diskurses der den. Dass es dieser Überzeugung seiner Untersuchung neue Wege, politischen Fachdidaktik. Begrün- und der Kooperation bedarf, bin die auf beiden Seiten – in der dender Hintergrund ist aber eine ich sicher, denn nicht alle Lehr- fachdidaktischen Wissenschaft Wahrnehmung an ganz unter- personen an Schulen sind so wie auch der schulpraktischen schiedlichen Stellen, wenn ich mit offen und aufgeschlossen dem Pädagogik – Niederschlag finden jungen Menschen ins Gespräch demokratiepädagogisch orien- sollten. Zugleich versucht das komme über Inhalte und Wirkun- tierten Handlungslernen gegen- Buch eine Brücke herzustellen zu gen des schulischen Politikunter- über eingestellt wie Dr. Michael Kooperationen, die im Sinne der richtes. Und genau an dieser Stel- Marker. Danke für dieses groß- Schülerinnen und Schüler nicht le finde ich das Buch wichtig und artige Buch! nur angeraten, sondern dringend bedeutsam: Es sollte allen, denen erforderlich sind. an einer wirklichen Veränderung Stephan Schack

Martin Allespach/Hilbert Meyer/Lothar Wenzel: Politische Erwachsenenbildung. Ein subjekt- wissenschaftlicher Zugang am Beispiel der Gewerkschaften. Mit einem Vorwort von Peter Faul- stich – Marburg 2010, Schüren-Verlag, 223 Seiten

„Die Demokratie ist die einzige hohe Alter hinein immer wieder als Ministerpräsident wie auch Staatsform, die in ständiger neu- neu gelernt werden muss.“ Die- der SPD-Politiker Wolfgang er Kraftanstrengung, in tagtäg- sen Satz von Oskar Negt haben Thierse als Bundestagsvizepräsi- licher Anstrengung und bis ins der CDU-Politiker Christian Wulff dent gerne in Sonntagsreden ver-

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wendet. Aber beide haben ihn Hinsichtlich der möglichen Grundwiderspruchs von Kapital aus dem Zusammenhang geris- Ausstrahlung machen sie darauf und Arbeit versus Lebenserfah- sen, den Horizont, den Negt aufmerksam, dass die Gewerk- rungsansatz. damit aufzeigt, verengt. Denn schaften mit immerhin etwa ihm geht es nicht so sehr (nur) 200.000 Teilnehmenden pro Jahr So halten die Autoren fest, es sei um demokratisches Bewusstsein – allein die IG Metall erreiche gut eine Illusion, man könne politi- für Engagement in der Partei- 100.000 – wohl der größte nicht- sches Urteilsvermögen und Hand- endemokratie, sondern auch in staatliche Träger politischer Bil- lungskompetenz per Unterricht der Wirtschaft. Um Partizipation, dung seien. Hinsichtlich des als Ziel-Mittel-Wirkungskette Mitbestimmung „in allen Berei- „Gebrauchswerts“ wollen sie erzeugen. Wer das glaube, gera- chen konkreten Lebens, welche aufzeigen, dass und wie politi- te in das Fahrwasser einer rein die alltäglichen Erfahrungen der sche Bildungsarbeit auch mit so technisch operierenden „Herstel- Menschen bestimmen: in den genannten bildungsfernen Teil- lungsdidaktik“, die nicht funktio- Betrieben, Büros, Schulen, Uni- nehmenden möglich ist, wenn nieren könne. An anderer Stelle versitäten.“ Ein solcher Lernpro- man an deren Interessen an- wenden sie sich gegen eine Hal- zess ist für Negt ohne praktische knüpft. tung, bei der nicht die Interessen Übung in solidarischer und der Lernenden, sondern allein kooperativer Mitbestimmung Politisch interessant ist dieses die der Organisation im Fokus nicht möglich. Werk, mit dem zum ersten Mal stehen: Die Lernenden würden eine Gesamtdarstellung der „zu Objekten degradiert“, die Was Negt so sagt, gilt in gewis- verschiedenen Aspekte gewerk- sozusagen von Agenten der ser Weise auch für Gewerkschaf- schaftlicher Bildungsarbeit vor- Organisation instruiert werden, ten, wie Martin Allespach (Leiter liegt, weil es Einblicke in gewerk- wie sie zu denken und was sie zu des Bereichs Grundsatzfragen, schaftliche Dilemmata von heute tun haben. Gesellschaftspolitik und Strategi- und wohl immer noch nicht aus- sche Planung bei der IG Metall), gestandene bittere Auseinander- Mit Klafki beziehen sich Alles- Lothar Wenzel (ebenfalls dort setzungen von gestern bietet. pach, Wentzel und Meyer in tätig) und Hilbert Meyer (Schul- Peter Faulstich kommentiert: ihrer Theorie-Skizze auf einen pädagoge an der Uni Oldenburg) „Ein zentrales und immer noch Pädagogen, der mit seiner Kri- in ihrem Reflexions- und Lehr- ungelöstes Problem gewerk- tisch-Konstruktiven Didaktik buch bekunden. „Gewerkschaf- schaftlicher Bildung, das schon „in ganz herausragender Weise ten sind gezwungen, die Grund- in den Debatten um die betriebs- bundesrepublikanische Pädago- lagen ihrer Macht immer wieder nahe Bildungsarbeit eine Rolle gik- und Lehrerbildungsgeschich- neu zu schaffen. Die Wertmaß- spielte (also in den 60er-Jahren, te geschrieben hat“ und den die stäbe für gewerkschaftliches der Rezensent), ist die Verbin- Deutsche Gesellschaft für Erzie- Handeln müssen ständig über- dung zwischen konkreten Erfah- hungswissenschaft (DGFE) des- dacht und für veränderte Situa- rungen und gesellschaftlichen halb auch zum Ehrenvorsitzen- tionen neu erarbeitet werden. Strukturen. Die theoretische den auf Lebenszeit gekürt hat, Dazu kann und soll Bildungs- Debatte ist hier nur wenig wie Peter Euler, der geschäfts- arbeit einen Beitrag leisten.“ vorangekommen.“ Deshalb führende Direktor des Instituts sei es umso erfreulicher, einen für Allgemeine Pädagogik und Ihre subjektwissenschaftliche „neuen Diskussionsimpuls“ zu Berufspädagogik der TU Darm- Theorie entwickeln sie durch erhalten. stadt in seiner Laudatio betonte, eine Verknüpfung der Ansätze als Klafki vor kurzem gemeinsam von Negt (geb. 1934), Wolfgang Nicht nur im Eingangskapitel mit Hans-Jochen Gamm den Klafki (geb. 1927) und Klaus über die historischen Etappen, renommierten Preis der Johann Holzkamp (1927-1995). Im auch bei den weiteren Reflek- Amos Comenius-Stiftung verlie- zweiten Teil bieten sie ein anre- tionen wird immer wieder hen bekam. gendes Lehrbuch aus der Praxis erkennbar, wie die alten Wunden für Bildungsarbeiter/-innen, mit schwären: Breitenbildung versus „Erst wenn die Menschen … die- praktischen Tipps und Hinweisen Funktionärsbildung, Kader- se Welt … ein wenig humaner für Seminardidaktik, Methodik, schulung versus betriebsnahe machen, als sie es derzeit ist, Lernsettings, Planung von Bil- Bildungsarbeit auch für Mit- sind sie wahrhaft Menschen.“ dungsmaßnahmen und Quali- bestimmung am Arbeitsplatz, So zitierte Euler eine Kernaussa- tätssicherung. normatives Eintrichtern des ge Klafkis, aus der er seine drei

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Grundbestimmungen hergeleitet logischen Erkenntnisse: Selbst- beteiligungsorientierte Arbeit habe, was Bildung bewirken ständiges Denken und Selbst- von Betriebsräten, die Beschäf- möge: Selbstbestimmungsfähig- vertrauen wachsen nur, wenn die tigte als „Experten in eigener keit, Mitbestimmungsfähigkeit, Lernenden im Bildungsprozess Sache“ einbezieht. Solidaritätsfähigkeit. selbst Kompetenzerfahrungen, Autonomieerfahrungen (durch Aber auch dies ist (noch) Alltag: Klaus Holzkamps Kritische Übernahme von Eigenverantwor- Gewerkschaften nutzen die Psychologie versteht den einzel- tung) und Gemeinschaftserfah- Angebote der Bildungsarbeit nen Menschen als vielfach unter- rungen (als Erlebnisse und „Pro- noch zu wenig als Mittel zur worfenes und widerständiges dukte“ solidarischen Lernens und direkten Unterstützung ihrer Subjekt, das sich mit seinen Handelns) machen können. Tagesarbeit vor Ort, stellen die Unterwerfungen nicht abfinde. Autoren fest. Die Gründe mögen In seiner Lerntheorie werden Und wie steht es in diesem Sinne vielschichtig sein. Die Autoren Menschen als gesellschaftliche mit der gewerkschaftlichen Bil- haben selbst mit einer ganzen Akteure gesehen, die sich die dungsarbeit heute? Die Autoren Reihe skeptisch fragender Gesellschaft und ihre Verortung berichten von zunehmenden Betrachtungen in ihrem bereits darin kooperativ lernend Wünschen, stärker auf den sub- zitierten Beitrag („Außerschuli- erschließen. Partizipatives, jektiven Beweggründen und sche Bildung“ 3/2010) mehr als kooperatives Lernen mache Erfahrungen aufzubauen, um Bil- nur angedeutet, welche und wie zwischen Lehrenden und Lernen- dungsarbeit so gestalten zu kön- viele Widerstände, Uneinsichtig- den ein Arbeitsbündnis als Pro- nen, dass sie in die Umsetzung keiten, blockierende Interessen- duktionsprozess für Erkenntnis, des Gelernten in Betrieb und - lagen es für ihre „neuen Ansät- Erfahrung und Haltung erforder- Gesellschaft (und hoffentlich ze“ gibt. lich. Bildungsziel ist, sich gemein- auch in den Gewerkschaftsorga- sam zu politisch, taktisch und nisationen selbst!) mündet. Ich wittere durchaus die Gefahr, strategisch reflektiertem solidari- „Beraten statt verkünden“ sei dass dieses Buch von vielen, die schen Handeln zu befähigen und das Leitbild des subjektwissen- in Gewerkschaften was zu sagen zu ermutigen. In diesen Bildungs- schaftlichen Ansatzes. Diese haben, als Restausläufer einer prozess hinein gehört, wie Alles- Betonung liest sich noch ein Mal „anderen Zeit“, als unbedeuten- pach und Wentzel bereits in wie ein kritischer Reflex auf blo- des 70er-Jahre-Revival, als Hob- „Außerschulische Bildung“ ße Schulung. Deshalb sei es nur byarbeit und Wunschdenken 3/2010 ausführten, auch die konsequent, wenn Gewerkschaf- weniger Einzelner abgetan wird. gemeinsame Erörterung von ten seit einiger Zeit Bildung auch Gleichwohl oder gerade deshalb Motiven für das Lernenwollen stärker unter dem Gesichtspunkt halte ich es für wünschenswert, wie auch von Gründen für die von Personalentwicklung und dass die Botschaft und die Kon- Verweigerung von Lernen. Beratung betrachten. „Bildung zepte dieses Buches weitere und Beratung gehen einen neu- Kreise ziehen. Möge die Übung Was Negt, Klafki und Holzkamp en Verbund ein“, was sich hier gelingen! in ihrer je eigenen Terminologie und da auch in Abteilungen „Bil- zum Ausdruck bringen, bündeln dung & Beratung“ abbilde. Bera- Wolf Gunter die Autoren in diese lernpsycho- tung wofür? Zum Beispiel für Brügmann-Friedeborn

Mona Pielorz: Personalentwicklung und Mitarbeiterführung in Weiterbildungseinsrichtungen. Studientexte für Erwachsenenbildung – Bielefeld 2009, W. Bertelsmann Verlag, 110 Seiten

Diese in der Reihe Studientexte intensiv diskutierte Problematik situation. Umso mehr, weil die für Erwachsenenbildung vom DIE der Ökonomisierung von Bildung öffentlichen Zuschüsse von Bund, herausgegebene Publikation und Weiterbildung und das Span- Ländern und Kommunen sowie macht neugierig, weil der Titel nungsverhältnis von Markt, Ware die öffentliche Legitimation für signalisiert, dass in besonderem und öffentlichem Bildungsauf- die Weiterbildung in den letzten Maße auf Weiterbildungseinrich- trag befinden sich zahlreiche Ein- Jahren stetig abgenommen tungen eingegangen werden richtungen und Institutionen der haben und sogar in Frage gestellt soll. Gerade im Hinblick auf die Weiterbildung in einer Umbruch- wurden. Diese schwierige Situa-

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tion für die Infrastruktur und richtung, die Herausforderung, aufgrund finanzieller Einsparun- das Humankapital in den Einrich- auf sich verändernde Rahmen- gen reagiert werden muss. tungen der Weiterbildung, die bedingungen zu reagieren und immer stärker unter Sparzwänge mit knapper werdenden Förder- Zutreffend wird festgestellt, dass und Legitimationsdruck geraten, mitteln die Leistungen der Ein- zahlreiche MA in WBE keine ein- lässt Personalentwicklung und richtungen qualitativ hochwertig deutige, langfristige oder hinrei- Mitarbeiterführung unter fach- zu erhalten. (S. 23) Mit Hilfe der chend auskömmliche, arbeits- lichen und betriebswirtschaft- Abbildung und Diskussion des vertragliche Anbindung an die lichen Aspekten zu Schlüssel- Funktionszyklus systemischer PE Einrichtung haben. Insofern ist kategorien werden, die intensiv wird verdeutlicht, dass zahlreiche klar, dass PE in WBE auch freie diskutiert und umsichtig ent- WBE nur einzelne Instrumente MA umfassen sollte, sofern man wickelt werden müssen. der PE nutzen. Strategische Ziele sie mittelfristig an die Einrich- im Rahmen der PE seien die tung binden will. Allerdings Insofern ist zu begrüßen, dass Sicherung und Entwicklung der bleibe auch dabei zu berücksich- sich die Autorin dieser komple- Kernkompetenzen der eigenen tigen, dass es bei jeder Personal- xen Problematik widmet. Mitarbeitenden (MA), die entwicklungs- und Qualifizie- Bedarfsdeckung an Fachkräften rungsmaßnahme in erster Linie Das Buch gliedert sich in sechs und erfahrenen MA sowie die um die Entwicklung der Organi- übergreifende Kapitel, die die wirtschaftliche Stärkung des sation – und dann erst um die Grundlagen der Personalentwick- Unternehmens. Dabei sollten Entwicklung der einzelnen MA lung (PE), die Bedarfsermittlung diese Ziele mittelfristig (vier Jah- gehe. (S. 50) für PE, die Umsetzung von PE, re) oder langfristig (acht Jahre) Kompetenzerfassung und Mit- geplant werden. Eine erfolgrei- Nur unzureichend wird in diesem arbeiterführung (MF), MF sowie che Entwicklung der Ziele der PE Kontext deutlich gemacht, dass die Erfolgskontrolle von PE zum hat zur Voraussetzung, dass die es in den letzten zwanzig Jahren Thema haben. Ziele der Gesellschaft, des Unter- in der deutschen Weiterbildungs- nehmens und der MA mitein- landschaft zu dramatischen Ver- Die von Pielorz entwickelten Aus- ander vereinbar sind und sich dichtungen beim Personal führungen verfolgen das Ziel, ergänzen. (S. 31) gekommen ist, dass eine ganze Modelle, Ansätze und Instrumen- Reihe von Häusern aufgegeben te von PE zu erläutern und für Im zweiten Kapitel werden wurde und dass der Stamm an die perspektivische Umsetzung in Methoden der Bedarfsentwick- hauptamtlichen MA zwangsläu- Weiterbildungseinrichtungen lung diskutiert; abgehoben fig zugunsten freier MA und handhabbar zu machen. (S. 8) wird auf die Klassifizierung von Teamer/-innen abgebaut wurde. Personalentwicklungsmaßnah- Dies gilt sowohl für große Ver- Die Autorin konstatiert zunächst, men (along-the-job, on-the-job, bände als auch mittlere und klei- dass die wenigsten Weiterbil- into-the-job, out-of-the-job, nere Einrichtungen. Oft konnten dungseinrichtungen (WBE) bisher near-the-job und off-the-job) hier nur noch notdürftig Lücken PE betreiben, weder als Einzel- sowie die inhaltliche Personal- geschlossen werden. In zahlrei- maßnahmen noch systemisch. entwicklungsplanung (Zielgrup- chen Einrichtungen wurden Tari- Auf Grundlage der Rekonstruk- pen, Tätigkeiten, Lernziele, fe geopfert oder wurde auf tion historischer und theoreti- Lerninhalte, Lernmethoden, Gehaltsanteile verzichtet, um scher Grundlagen der PE kommt Anbieten der Qualifizierung, die Institute überhaupt am Leben Pielorz zum Zwischenergebnis, Qualität der Maßnahme). erhalten zu können und den dass es eine Vielzahl von prakti- Standort zu sichern. Unbezahlte schen Umsetzungs- und Akzentu- Der Umsetzung der PE ist das Mehrarbeit sprich Selbstausbeu- ierungsmöglichkeiten gibt. (S. 21) dritte Kapitel gewidmet. Hier tung standen/stehen bei geringe- geht es in erster Linie um Ziel- rem Einkommen also auf der Mit Hilfe der Ergebnisse empiri- formulierungen und PE in Unter- Tagesordnung. Insofern stellt scher Erhebungen verdeutlicht nehmen und WBE. Für die WBE eine systemische PE und MF in die Autorin dann, dass Leitungs- wird besonders hervorgehoben, zahlreichen WBE nicht mehr als aufgaben eine Vielzahl von Fähig- dass die Kundinnen und Kunden eine abstrakte Utopie dar. keiten erfordern und eine hohe immer anspruchsvoller werden fachliche Kompetenz alleine und dass auf die Anforderungen Den Kompetenzbegriff in der PE nicht ausreicht. Im Mittelpunkt des demographischen Wandels behandelt die Autorin im vierten stehe die Marktposition der Ein- und auf Strukturveränderungen Kapitel. Dabei wird zwischen

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Fach-, Methoden-, Persönlich- Im Mittelpunkt des fünften Kapi- volle Informationen und Anre- keits- und sozialer Kompetenz tels steht das Thema Mitarbeiter- gungen, hält aber nicht ganz das, unterschieden und auf die all- fortbildung. Die Autorin geht den was im Titel suggeriert wird. Die fälligen Schlüsselqualifikationen Aufgaben von Führungskräften Besonderheiten von PE und MF in verwiesen. Letzteren kommt nach, charakterisiert den Umgang der Praxis der WBE werden nur bekanntlich eine ständig wach- mit anschluss-, leistungs- und selten explizit benannt. Insofern sende Bedeutung zu, da ein machtmotivierten MA und lässt sich das Buch auch als ein immer schneller alterndes Wissen benennt mögliche motivationale Studientext lesen, in dem es um die Fähigkeit erfordert, lebens- Einflussfaktoren. Der Förderung PE und MF in marktgängigen lang zu lernen, bestehendes von Führungskräften und Nach- Betrieben geht. Dies korrespon- Wissen zu transferieren und wuchs sowie dem Wissensmana- diert aber nicht mit der Tatsache, sich an immer neue Situationen gement und diversen Personal- dass die Masse der deutschen anzupassen. (S. 55) MF und PE in entwicklungsinstrumenten – bis Weiterbildungseinrichtungen ihrer unterschiedlichen Ausfor- hin zu Coaching und Zielverein- noch immer einem öffentlichen mung (situative, delegierte, ziel- barungsgesprächen – sind weite- Auftrag verpflichtet und zumin- und wertorientierte Führung) re Abschnitte gewidmet. dest in Teilen auf öffentliche För- werden nachfolgend vorgestellt derung angewiesen ist. Insofern und diskutiert, die Ziele der MF Das sechste Kapitel befasst sich handelt es sich um Betriebe – wie Bewegung, Richtung und dann explizit mit Fragen des Bil- besonderer Art, die sich nur teil- Zusammenhalt – präzisiert. dungscontrollings, wobei zwi- weise marktkonform entwickeln Ferner erläutert Pielorz Füh- schen Qualitäts- und Erfolgscon- können, und die als gemeinnützi- rungsinstrumente und -tech- trolling (Kennzahlensysteme bis ge Organisationen in der Regel niken, wie zum Beispiel die hin zu Prozessorientiertem nur sehr eingeschränkt über die „s-m-a-r-t-e“ (spezifisch, mess- Benchmarking) unterschieden Voraussetzungen verfügen, um bar, attraktiv, realistisch, termi- wird. Ziel ist es, Verbesserungen langfristige, zeit- und kostenin- niert) Zielvereinbarung. Weitere künftiger Instrumente herbei- tensive PE und MF zu betreiben Schlüsselbegriffe sind in diesem zuführen und auf künftige Ent- und zu gewährleisten. Dass dies Zusammenhang Kontrolle, För- wicklungsprozesse Einfluss zu trotzdem notwendig ist, bewei- derung von MA, Feedback, Infor- nehmen. Es werde ein Beitrag zu sen die Ergebnisse etlicher müh- mation, Motivieren und Team- zahlreichen Veränderungs- und selig aufgebauter Qualitäts- geist. Zutreffend resümiert die Weiterentwicklungsprozessen managementsysteme sowie – Autorin am Ende dieses Kapitels geleistet; diese können für alle trotz aller Widrigkeiten – erfolg- allerdings, dass die Umsetzung Beteiligten transparenter und reich abgeschlossener Zertifizie- der hier diskutierten Techniken nachvollziehbarer werden. (S. 99) rungsverfahren, an denen der bei den Führungskräften die Kar- Autor dieser Rezension maßgeb- dinaltugend der Geduld zur Vor- Zweifellos liefert dieses Desiderat lich beteiligt war. aussetzung habe. von Mona Pielorz zahlreiche wert- Zbigniew Wilkiewicz

Günter Pleiner/Britta Heblich: Lehrbuch Pressearbeit. Grundlagen und Praxismethoden für die Soziale Arbeit – Weinheim und München 2009, Juventa Verlag, 248 Seiten

Für Günter Pleiner, Professor für die modularisierte Hochschulaus- Medien“ weitgehend ausgeklam- Pädagogik an der Fachhochschu- bildung aufbereitet“ (S. 11). Für mert werden. Das wird u. a. le Erfurt, und die Jugendamts- sie ist Öffentlichkeitsarbeit auch damit begründet, dass Soziale mitarbeiterin Britta Heblich ist im sozialen Sektor unverzichtbar. Arbeit im sozialen Nahraum ihr gemeinsames Werk das erste stattfände und somit Kommuni- Lehr- und Studienbuch zur „Pres- Bei ihrem Buch beschränken kationsmanagement im Sozialen sepraxis“, das auf die neuen sich Günter Pleiner und Britta „weitgehend lokal gebundenes Bachelor- und Masterstudiengän- Heblich auf den Teilbereich der Geschehen“ sei, bei dem auf die ge „Soziale Arbeit“ zugeschnit- „Pressepraxis“. Diese wird recht örtlichen und regionalen Presse- ten ist und „die vorhandenen „klassisch“ verstanden, da und Medienvertreter/-innen Quellen wissenschaftlich rezipiert, „Großgebiete“ wie „Internet- „gekonnt“ zugegangen werden systematisiert und didaktisch für Journalismus“ und „Neue müsse.

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Das Buch ist in sechs Abschnitte erläutert. Zum Schluss geht es um wird. Die Inhalte können in 13 aufgeteilt: Zunächst werden Rechtsfragen (Pressefreiheit und Seminareinheiten innerhalb eines Begriffe wie „Öffentlichkeits- deren Grenzen, Urheberrecht, Semesters vermittelt werden (ein arbeit“ und „Massenmedien“ Haftung, Recht auf Gegendar- Seminarplan befindet sich im geklärt und die Geschichte der stellung usw.) und die journalis- Anhang). In dem Kurs sollten Pressepraxis im Sozialen Sektor tische Berufsethik. auch Originaltexte aus Zeitungen skizziert. Im zweiten Abschnitt eingesetzt werden, die aber aus wird das Arbeitsfeld von Journa- Jedes Kapitel beginnt mit einem Aktualitätsgründen von den listen/Journalistinnen beleuchtet kurzen Abstract und endet mit jeweiligen Dozenten/Dozentin- und werden Tipps zum Umgang Fragen und Übungen sowie mit nen selbst ausgewählt werden mit ihnen gegeben. Anschlie- weiterführenden Literaturhin- müssten. Der Lernerfolg könnte ßend geht es darum, wie Presse- weisen. Oft sind Presseartikel durch eine schriftliche Abschluss- mitteilungen und andere Nach- bzw. Auszüge derselben als Bei- arbeit und insbesondere anhand richtentexte verfasst werden spiele in den Text eingebettet. von Pressetextformaten evaluiert sollten. Danach werden andere Hilfreich dürften auch die vielen werden, welche die Studenten Darstellungsformen wie Inter- Hinweise zum Schreibstil und selbst erstellt haben. Aber auch views, Features, Kommentare zum Layout von Artikeln sein. für Mitarbeiter/-innen im Sozial- und Satiren abgehandelt. Im Auf diese Weise wird die Ent- bereich, die erst wenige Erfah- vorletzten Abschnitt werden wicklung fachlich-handwerk- rungen mit der Presse gesammelt Textformate wie Leserbriefe, licher Kompetenzen erleichtert. haben oder demnächst Funktio- Fachartikel, Anzeigen, Websites, nen im Bereich der Öffentlich- Newsletters und Pressekonferen- Günter Pleiner und Britta Heblich keitsarbeit übernehmen sollen, zen beschrieben sowie Aufgaben haben ein Lehrbuch vorgelegt, ist das Studienbuch geeignet. und Struktur von Presseabteilun- das sicherlich eine weite Verbrei- gen in sozialen Organisationen tung an Fachhochschulen finden Martin R. Textor

Neue Fachzeitschrift für die politische Bildung

Neben „Außerschulische Bil- Trägern außerschulischer politi- wie bap oder Runder Tisch. Mit dung“ (AB), der ältesten Fach- scher Bildung. Das Kooperations- geringerem Umfang als AB, wo zeitschrift für die politische gremium setzt sich für die Belange auf ausführliche Hintergrund- Jugend- und Erwachsenen- der außerschulischen Bildungs- informationen und Materialien bildung, die vom Arbeitskreis szene ein und unterstützt den besonderer Wert gelegt wird, deutscher Bildungsstätten Prozess der Professionalisierung, verstand sich PPB als Teil einer (AdB) herausgegeben wird, fachlichen Weiterentwicklung Öffentlichkeitsarbeit für die existiert eine Reihe weiterer und Interessenvertretung. außerschulische politische Bil- Printmedien, die sich mit dung. Dazu wurde die Viertel- (außer-)schulischen Bildungs- Das übergreifende Diskussions- jahreszeitschrift, die im Juventa aktivitäten in Politik, Gesell- forum „Praxis Politische Bildung“ Verlag erschien, auch aus Mit- schaft und Geschichte befassen. wurde vom bap für die Fachkräf- teln des Kinder- und Jugend- Hier ist besonders die Viertel- te und Bildungsverantwortlichen, plan des Bundes (KJP) finan- jahreszeitschrift „Praxis Politi- aber auch für den breiten Kreis ziert. sche Bildung“ (PPB) zu nennen, der Multiplikatoren und Interes- die seit 1997 vom Bundesaus- senten ins Leben gerufen. Hier Nach 14 Jahrgängen fusioniert schuss Politische Bildung (bap) wurden regelmäßig die didakti- PPB nun mit der Fachzeitschrift herausgegeben wird. Der Bun- schen, organisatorischen und „Kursiv“, die vom Wochenschau desausschuss, in dem der AdB (berufs-) politischen Fragen der Verlag ebenfalls 1997 gestartet geschäftsführend mitarbeitet, Profession aufgegriffen, meist in wurde und die ursprünglich auf ist eine Arbeitsgemeinschaft Verbindung mit Schwerpunkt- den Gesamtbereich von Schule, von rund 30 selbstständigen setzungen und Arbeitsvorhaben Hochschule und Weiterbildung und eigenverantwortlichen der Gremien auf Bundesebene ausgerichtet war. Somit erhält

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als Forum für den fachlichen Dis- in den Beltz-Verlag integriert kurs der außerschulischen wird. Die redaktionelle Leitung Bildungsszene. Die Profession soll des neuen Journals liegt bei hier Praxis reflektieren, didakti- Johannes Schillo, dem bisheri- sche Fragen klären, Projekte ent- gen PPB-Redakteur. Weitere werfen; vom fachlichen Stand- Redaktionsmitglieder sind punkt aus in bildungs- und Prof. Benno Hafeneger (Uni- förderungspolitische Entwicklun- versität Marburg), Akademie- gen intervenieren; Schnittstellen direktor Benedikt Widmaier zu anderen Praxisfeldern thema- (Haus am Maiberg, Heppen- tisieren, Debatten aus Wissen- heim/AKSB) und Prof. Christine schaft oder Medien aufgreifen. Zeuner (Bundeswehrhoch- schule Hamburg). Schwerpunk- Den Neustart der Zeitschrift für te der ersten Ausgaben werden die außerschulische politische Zukunftsfähigkeit und Zivilge- Bildung hat bap-Vorsitzender sellschaft, Praxisforschung, Par- Lothar Harles, Arbeitsgemein- tizipation und Teilhabe sein. schaft katholisch-sozialer Bil- Alle Interessenten aus der dungswerke (AKSB), 2010 in außerschulischen politischen die politische Jugend- und die Wege geleitet. Die Entschei- Bildung sind zur Mitwirkung Erwachsenenbildung in dung verdankt sich vor allem der eingeladen. Deutschland ab 2011 mit Überlegung, in der Fachöffent- dem „Journal für politische lichkeit Kräfte zu konzentrieren Kontakt: Bildung“ ein neues, übergrei- und Synergien zu nutzen. Sie fendes Fachmedium, das die stand aber auch im Zusammen- [email protected] alte Zielsetzung von PPB hang mit der Tatsache, dass der (Redaktion), weiterverfolgt. Das Journal Juventa Verlag, der ein besonde- [email protected] wird vom Bundesausschuss res Renommee in der außerschu- (Bundesausschuss), und dem Wochenschau Verlag lischen Jugendbildung und [email protected] (Schwalbach/Ts.) gemeinsam Jugendarbeit besitzt, 2011 nicht (Verlag). herausgegeben. Die neue Vier- mehr als eigenständiger Verlag teljahreszeitschrift versteht sich fortgeführt, sondern Johannes Schillo

Ausgewählte Literatur zum Thema Rechtsextremismus/Rechtspopulismus Zusammenstellung: Bibliothek des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE)

Extremismus in den rien / Dänemark / Deutschland / EU-Staaten Annotation: Estland / Finnland / Frankreich / Eckhard Jesse/Tom Thieme (Hrsg.) Dieses Handbuch behandelt Griechenland / Großbritannien / 1. Aufl. – Wiesbaden: VS Verl. für systematisch, vergleichbar Irland / Italien / Lettland / Litauen Sozialwiss., 2011. – 505 S.: graph. und nach Ländern geordnet / Niederlanden / Österreich / Darst. den politischen Extremismus Polen / Portugal / Rumänien / in Europa und untersucht extre- Schweden / Slowakei / Slowe- Stichworte: mistische Politik, Parteien, Orga- nien / Spanien / Tschechien / Europäische Union; Mitglieds- nisationen und Programme. Ungarn – Extremismus in den staaten; Radikalismus; Ideologie; EU-Staaten im Vergleich – Strategie; Organisation; Rechts- Aus dem Inhalt: Auswahlbibliographie – Abkür- radikalismus; Linksradikalismus; Einleitung – Extremismus in den zungsverzeichnis der Parteien Islam; Fundamentalismus; EU-Staaten. Theoretische und und Vereinigungen. Region; Separatismus; Hand- konzeptionelle Grundlagen – buch; Aufsatzsammlung Länderporträts: Belgien / Bulga-

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Das Buch gegen Nazis zeichen der Nazis von heute. Mit Rechtsextremismus in Deutsch- Rechtsextremismus – was man Vorworten von Thomas Krüger land und Europa … und der wissen muss und wie man sich und Giovanni di Lorenzo und Bei- Widerstand der Bürgergesell- wehren kann trägen von zahlreichen Fachauto- schaft – Wolfgang Gessenharter: Holger Kulick/Toralf Staud (Hrsg.). ren. Ein Projekt der ZEIT und der Was ist Rechtsextremismus? Zen- 2. aktualisierte Aufl. – Köln: Kie- Bundeszentrale für politische Bil- trale Aspekte eines vielschichti- penheuer & Witsch, 2010. – 303 S: dung. (Verlag) gen Problems – Armin Pfahl- zahlr. Illustrationen Traughber: „Kulturrevolution von rechts“ – Der intellektuelle Stichworte: Rechtsextremismus in Rechtsextremismus – Hajo Funke: Deutschland; Rechtsradikalis- Deutschland und Europa Rechtsextremismus in Deutsch- mus; Rechtspopulismus; Ras- Aktuelle Entwicklungstendenzen land – Britta Schellenberg: sismus; Bekämpfung im Vergleich Rechtsextremismus in Europa: Holger Spöhr/Sarah Kolls (Hrsg.) Trends, Themen und Gegen- Annotation: Frankfurt am Main [u.a.]: Lang, strategien – Angelika Beer: Erste Hilfe gegen Nazis – das 2010. – 205 S. Rechtsextremismus im Europäi- Handbuch zum Rechtsextre- schen Parlament: Die Fraktion mismus. Eine neue Studie zeigt: Stichworte: „Identität, Tradition, Souverä- Neonazis haben unter Schülern Europa; Rechtsradikalismus; nität“ – Roger Eatwell: Rechts- immer mehr Zulauf. Rassismus Europäisches Parlament; extremismus in Großbritannien: und Fremdenhass nehmen zu in Deutschland; Vereinigtes König- Bricht für die extreme Rechte ein wirtschaftlich schwierigen Zeiten. reich; Irland; Polen; Frankreich; neuer Tag an? – Julia Verse: Was tun gegen Nazis? Erste Hilfe Spanien; Mitteleuropa; Osteuro- Konstruktion und Bedeutung des bietet dieses Buch. Rechtsextre- pa; Tendenz; Bewältigung; Inter- irischen Nationalismus: Geistige mismus breitet sich aus, nicht nationaler Vergleich; Aufsatz- Tradition rechten Denkens in der nur unter Jugendlichen. Neonazis sammlung Republik Irland – Rafal Pankows- erkennt man längst nicht mehr ki: Die Liga Polnischer Familien an Springerstiefeln und Glatze. Dieser Sammelband leistet auf dem Weg zur Macht – eine Ihre Anführer geben sich cool – einen Beitrag zur kritischen Fallstudie zum Rechtsextre- sie locken mit Musik, Abenteuern Auseinandersetzung mit den mismus in Polen – Jean-Yves und modischem Chic. Immer Themen Rechtsextremismus, Camus: Der Niedergang des Front mehr Menschen fragen: Was Rechtspopulismus und Rechts- National und die Zukunft der tun? Welche Rezepte gibt es, intellektualismus in Europa. extremen Rechten in Frankreich – um friedlich und kreativ gegen Zwölf international renommierte Frauke Büttner: Handeln für Rechtsextreme und Rassisten vor- ExpertInnen aus Wissenschaft, Toleranz und gegen Rechtsextre- zugehen – sei es als Nachbar, im Politik, Medien und NGOs mismus in Spanien – Ansätze des Sportverein, in der Schule oder beschreiben aktuelle Entwick- „Movimiento contra la Intoleran- am Arbeitsplatz? Und was ist lungen und bieten spannende cia“ (MCI) – Michael Minkenberg: Rechtsextremismus überhaupt? Einblicke in die Situation aus- Das neue Europa? Rechtsradikale Soll man mit Nazis eigentlich dis- gewählter Länder. Auf einzigar- Profile im Regimewandel Mittel- kutieren? Woran erkenne ich tige Weise werden unterschied- und Osteuropas. (Verlag) die? Wie soll man auf Drohungen liche europäische Perspektiven von Rechtsextremisten reagie- zusammengeführt und Hand- ren? Was tue ich, wenn meine lungsstrategien aufgezeigt. Die Die Mitte in der Krise beste Freundin plötzlich NPD Parteienlandschaft wird ebenso Rechtsextreme Einstellungen in wählt? Hilft ein Verbot der berücksichtigt wie außerparla- Deutschland 2010 Partei? Und sind Sitzblockaden mentarische Strömungen. Auf- Oliver Decker/Marliese Weiß- bei Neonazi-Demonstrationen grund der interdisziplinären mann/Johannes Kiess/Elmar eigentlich strafbar? Das Buch Herangehensweise ist dieser Brähler gegen Nazis vermittelt kom- Sammelband sowohl für Wissen- Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, paktes Wissen und gibt prakti- schaftlerInnen, JournalistInnen 2010. – 176 S. : graph. Darst. sche Tipps. Es stellt beispielhafte und PolitikerInnen als auch für Initiativen vor und empfiehlt zivilgesellschaftliche AkteurIn- Stichworte: Ansprechpartner für Ratsuchen- nen relevant. Aus dem Inhalt: Deutschland; Rechtsradikalis- de. Ein Anhang mit zahlreichen Holger Spöhr: Vorwort des mus; Gesellschaft; Politische Fotos erklärt die Erkennungs- Herausgebers – Heribert Prantl: Mitte; Krise; Lebenssituation;

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Politische Einstellung; Geschichte lungsreich und inspirierend – „interkulturellen Mainstream“ 2010 eine Praxishilfe aus der Praxis richten und zu mehr Selbst- heraus – und geben vielfältige reflexion ermutigen. Grundlage Einblicke in die Arbeit der Aus- der Reflexion ist ein Verständnis Schwierige Jugendliche gibt einandersetzung mit der von Rassismus als gesellschaftli- es nicht ...! Historisch-politi- Geschichte des Nationalsozia- chem Strukturprinzip. (Verlag) sche Bildung für Alle lismus in Schulen und an Gedenk- Projekte zur Auseinandersetzung orten in verschiedenen deut- mit dem Nationalsozialismus für schen Bundesländern und Strategies for combating besondere Zielgruppen Österreich mit unterschiedlichen right-wing extremism in Andreas Mischok (Hrsg.) aber auch speziellen Gruppen. Europe Braunschweig: Arbeitsstelle Ein verbindendes Element inner- Bertelsmann-Stiftung (ed.). [Res- Rechtsextremismus und Gewalt, halb vieler Beiträge ist die detail- ponsible: Orkan Kösemen/Britta 2010. – 285 S.: Illustrationen lierte Schilderung des mensch- Schellenberg]. lichen und pädagogischen Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, Stichworte: Umgangs mit der jeweiligen Ziel- 2009. – 568 S.: graph. Darst. Gedenkstätte; Opfer ; Nationalsozialismus; nes Einlassen auf Wünsche und Zielgruppe; Jugendlicher; Rechts- Bedürfnisse einerseits sowie auf Stichworte: radikalismus; Gewalttätigkeit; mögliche Blockaden und Wider- Europa; Politik; Zeitgeschichte; Hauptschüler; Politische Bildung; stände der Jugendlichen anderer- Rechtsradikalismus; Bekämpfung; Niedersachsen; Deutschland; seits, beschreiben lässt. In den Regierung; Partei; Zivilgesell- Österreich; Aufsatzsammlung Beiträgen werden Beispiele und schaft; Gesetz; Strafverfolgung; Anregungen gegeben, wie Bil- Aufsatzsammlung In Gedenkstätten für die Opfer dung am Ort von NS-Gedenk- der NS-Verbrechen als außer- stätten und in Projekten zur Aus- Wie gehen europäische Länder schulischem Lernort können sich einandersetzung mit der NS-Zeit, mit dem Phänomen des Rechts- Jugendliche abseits vom Leis- unabhängig von sozialer, kultu- extremismus um? Was können sie tungsprinzip handlungsorientiert reller, nationaler Herkunft, voneinander lernen? Strategies Erfolgserlebnisse verschaffen. ermöglicht werden kann. Zur for Combating Right-Wing Extre- Besondere Projekte vermitteln Inspiration und Nachahmung mism in Europe informiert über intensive Denk- und Handlungs- empfohlen! (Verlag) die radikale Rechte in Belgien, anstöße, um z. B. gegen Vorurtei- Dänemark, Deutschland, Frank- le im Alltag oder extrem rechte reich, Großbritannien, Italien, Propaganda wehrhaft werden zu Spurensicherung den Niederlanden, Österreich, können. Hier, abseits von Stan- Reflexion von Bildungsarbeit in Schweden, in der Schweiz und in dardprogrammen, werden die der Einwanderungsgesellschaft Ungarn. Die Publikation richtet Teilnehmenden ernst genom- Gabi Elverich/Annita Kalpaka/ dabei das Augenmerk auf Regie- men, ihren Fragen Zeit gegeben, Karin Reindlmeier (Hrsg.) rungsaktivitäten und Lösungs- ihre Zugänge und Möglichkeiten 2. Aufl. – Münster: Unrast, vorschläge von Parteien und gesehen und gewürdigt. Die 2009. – 297 S. Akteuren der Zivilgesellschaft. Autorinnen und Autoren sind Rechtliche Maßnahmen werden sowohl Lehrer/-innen als auch Stichworte: ebenso beleuchtet wie die Pädagog/-inn/-en sowie päda- Außerschulische Jugendbildung; Umsetzung von Gesetzen und gogisch Tätige am Ort von Politische Bildung; Antirassismus; Sonderprogrammen oder die Gedenkstätten. So sollen den Interkulturelle Bildung; Interkul- Effektivität der Strafverfolgung Leser/-inne/-n unterschiedliche turelles Lernen; Einwanderung; von rechtsextremistischen Perspektiven auf die Praxis mit Gesellschaft; Aufsatzsammlung Gewalttaten. Im Fokus stehen besonderen Gruppen im Kontext zudem die Zusammenarbeit von der Gedenkstättenpädagogik Das Buch gibt MultiplikatorInnen Parteien, Behörden und nicht eröffnet werden. Die Zusam- im Bereich der interkulturellen staatlichen Organisationen, menstellung zeigt eine große und antirassistischen Bildungs- institutionelle Zuständigkeiten Bandbreite von Zielgruppen und arbeit Anregungen für das päda- sowie verschiedene Formen des Projektformaten in unterschied- gogische Handeln und bietet bürgerschaftlichen Engagements lichem Textumfang. Die Inhalte Reflexionskategorien und -fra- gegen Rechtsextremismus. dieser Broschüre sind abwechs- gen an, die sich gegen den (Verlag)

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Erinnerungskultur und semitischer und fremdenfeind- Gewalt hinzugezogen wurden, Erwachsenenbildung licher Vorurteilsstrukturen und ist konnte die Studie deren Wir- Elke E. Theile gegenwärtig und zukünftig ein kung analysieren. Die Ergebnis- Schwalbach/Ts.: Wochenschau- gesellschaftspolitischer Bildungs- se zeigen auf, dass sich eine Ver- Verl., 2009. – 417 S.: graph. Darst. auftrag. (Verlag) netzung unterschiedlicher Stra- tegien, welche sowohl das Stichworte: Umfeld rechtsextrem orientier- Politische Bildung; Erwachsenen- Gemeinden antworten auf ter Täter als auch die Bevöl- bildung; Judenvernichtung; Kol- Rechtsextremismus: Perspek- kerung insgesamt mit einbe- lektives Gedächtnis; Gedenken tiven für eine Kooperation zieht, als besonders wirkungs- zwischen Verwaltung und voll herausstellt. Der sozialen Im Spannungsfeld individueller Zivilgesellschaft Kontrolle kommt eine wichtige und kollektiver Erinnerung an Miryam Eser Davolio/Matthias Funktion zu, wenn durch eine das, was mit dem Symbol Drilling politisch breit abgestützte Mobi- „Auschwitz“ für das Ungeheuer- 1. Aufl. – Bern; Stuttgart; Wien: lisierung vorherrschende Passi- lichste steht, was Menschen Haupt, 2008. – 289 S. vität durchbrochen und Sensibi- anderen Menschen antun kön- lität erzeugt werden kann. Die nen, entwickelte sich nach 1945 Stichworte: Ergebnisse sind so aufbereitet, eine Erinnerungskultur, die den Schweiz; Rechtsradikalismus; dass Verantwortliche in Gemein- Umgang mit der Erfahrung des Bekämpfung; Gemeinwesen- den konkrete Empfehlungen für deutschen Völkermords an den arbeit; Soziale Kontrolle die Formulierung und Umset- europäischen Juden, dem von zung einer Strategie erhalten. Deutschen verursachten und Forschung über Rechtsextremis- (Verlag) begangenen Kulturbruch, spie- mus hat sich bisher kaum mit der gelt. Mit einem erinnerungs- Frage beschäftigt, welche Mög- kulturanalytischen Bildungs- lichkeiten einer Gemeinde offen Ein normales Familienleben ansatz der historisch-politischen stehen, Strategien zu formulie- Interaktion und Kommunikation Erwachsenenbildung werden ver- ren, die über das Handeln einzel- zwischen „rechten“ Jugendlichen schiedene Formen des Antisemi- ner Akteure hinausgehen. Selten und ihren Eltern tismus für eine historisch-kriti- werden Maßnahmen themati- Reiner Becker sche Bewusstseinsbildung in den siert, die sich nicht nur auf die Schwalbach/Ts.: Wochenschau- Blick genommen, ideengeschicht- Schule und die Jugendarbeit kon- Verl., 2008. – 387 S.: graph. Darst. lich den Wurzeln des Judenhasses zentrieren, sondern auch Akteu- und der Judenfeindschaft in der re wie Polizei, Gemeindeverwal- Stichworte: vorurteilsbeladenen Beziehungs- tung, politische Parteien und Jugend; Rechtsradikalismus; geschichte Juden und Christen/ Vereine umfassen. Dabei ist – Interaktion; Kommunikation; Deutsche und Juden nachgegan- so die These des vorliegenden Eltern gen und die Instrumentalisierung Buches – gerade eine solch der Judenfeindschaft für religiö- umfassende Vorgehensweise am se, ökonomische und politische ehesten dazu geeignet, Antwor- Bewegung in der Mitte: Interessen, die im 20. Jahrhun- ten auf Rechtsextremismus und rechtsextreme Einstellungen dert zum Holocaust führte, auf- Gewalt zu finden. Die vorliegen- in Deutschland 2008 gezeigt. Unterstrichen wird, dass de Studie sammelt Erfahrungen Mit einem Vergleich von 2002 bis Erinnern und Gedenken Lern- von 16 Gemeinden, die mit mani- 2008 und der Bundesländer kategorien sind und die Erinne- festen Formen von Rechtsextre- Oliver Decker/Elmar Brähler rung an den Völkermord mit mismus konfrontiert wurden. Im Auftr. der Friedrich-Ebert- einer Verantwortungsethik ver- Sie zeigt auf, wie versucht Stiftung, Forum Berlin. – Berlin: knüpft ist, die Erinnerungskultur- wurde, zivilgesellschaftliche Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum arbeit als Bildungsmaßnahme an Kräfte zu vernetzen und sie für Berlin, 2008. – 62 S.: graph. Darst. verschiedenen Lernorten voraus- ein gemeinsames Ziel einzubin- setzt. Die „Nie wieder Ausch- den. Weil in vielen Fällen externe Stichworte: witz!“-Maxime fordert in einer Fachpersonen der sozialen Arbeit Deutschland; Rechtsradikalismus; multikulturellen Gesellschaft das mit speziellen Interventionen Politische Mitte; Einstellung Aufdecken und den Abbau anti- gegen Rechtsextremismus und

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Interventionsfeld Gemein- tigt, Partizipation ermöglicht und Eberswalde: Portrait einer wesen eine demokratische Kultur zur Stadt Evaluation zivilgesellschaftlicher Entfaltung gebracht werden. Die Anomietendenzen, Ordnungs- Strategien gegen Rechtsextre- Studie begleitet zahlreiche Pro- bewegungen und die Entwick- mismus jekte, bereitet Einschätzungen lung einer Zivilgesellschaft Heinz Lynen von Berg/Kerstin von Experten aus Wissenschaft Susanne Masuch Palloks/Armin Steil und Praxis auf und holt Resonan- Frankfurt am Main [u.a.]: Lang, Weinheim [u.a.]: Juventa-Verl., zen von Adressaten der Projekt- 2006. – 155 S. 2007. – 379 S.: Illustrationen arbeit ein. Das Kernstück bilden die kommunalen Kontextanaly- Stichworte: Stichworte: sen, die nicht nur die Wirkungs- Eberswalde; Ausländerfeind- Neue Bundesländer; Rechtsradi- möglichkeiten und Grenzen der lichkeit; Rechtsradikalismus; kalismus; Bekämpfung; Gemein- Projektarbeit in spezifischen Bekämpfung; Soziales Handeln; wesenarbeit; Projekt; Evaluation Arbeitsfeldern beschreiben, son- Zivilgesellschaft dern auch das Handlungsfeld Wie die Auseinandersetzung mit Kleinstadt und die strukturellen Rechtsextremismus und fremden- Bedingungen des ländlichen Rau- feindlicher Gewalt erfolgreich zu mes einbeziehen. Vor dem führen ist, wird in der Öffentlich- Hintergrund lokaler Bedarfs- Interessierte können sich über keit immer wieder diskutiert. Die lagen werden Schlussfolgerun- die Bedingungen für eine Fern- Interventionsstrategien in Päda- gen für eine problemadäquate leihe informieren bei der Biblio- gogik, Sozialarbeit und Politik Förderpolitik formuliert. (Verlag) thek des Deutschen Instituts für sind in der Wissenschaft bisher Erwachsenenbildung. aber nur unzureichend erforscht. Die vorliegende Evaluations- Die Macht der Bilder studie leistet einen Beitrag dazu, Zur Bedeutung der historischen Kontakt: diese Forschungslücke zu schlie- Fotografien des Holocaust in der ßen. Sie analysiert den „zivil- politischen Bildungsarbeit Gisela Ticheloven (Leitung gesellschaftlichen“ Ansatz, der Annette Krings Bibliothek), zwischen 2001 und 2006 mit dem Münster [u.a.]: LIT, 2006. – IV, 177 Tel.: 0228/3294-3294-240 oder Programm CIVITAS in Ostdeutsch- S.: Illustrationen [email protected] land erprobt wurde. Das Pro- gramm setzte auf die Stärkung Stichworte: demokratischer Strukturen. Eh- Nationalsozialismus; Antisemi- renamtliches Engagement sollte tismus; Judenvernichtung; Foto- gefördert, Eigeninitiative ermu- grafie; Politische Bildung

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Markt

Wettbewerbe

Die Bundeszentrale für politische dung und Forschung. Koopera- Der von der Stiftung Aufarbei- Bildung stiftet einen neuen Film- tionspartner ist die Vodafone Stif- tung geförderte Schülerwett- preis für den politischen Kinder- tung Deutschland. Die besten 52 bewerb „Werde Mauerkünst- und Jugenddokumentarfilm. Der Bildungsideen werden nach Ende ler“ soll anlässlich der Jahres- Filmpreis „Große Klappe“ ist mit der Bewerbungsfrist von einer tage zum Mauerbau sowie zum 3500 Euro dotiert und würdigt Jury aus Bildungsexperten aus- Fall der Mauer in diesem Jahr Filme, die in besonderem Maße gewählt. Beginnend im August zur Durchführung von Projekt- die ästhetische und politische 2011 wird jede Woche ein Gewin- tagen oder -wochen anregen. Auseinandersetzung mit Doku- ner/eine Gewinnerin im Rahmen Bis zum 13. August 2011 sind mentarfilm fördern und sich an einer Preisverleihung ausgezeich- Schüler der Sekundarstufe I ein junges Publikum im Alter von net. aufgerufen, ihre Ideen, Kennt- 10 bis 18 Jahren richten. Einrei- nisse und Vorstellungen zur chungen für den Wettbewerb Infos: Bettina Wacker, Leitung deutschen Teilungs- und Ein- sind seit März 2011 möglich. Die Presseteam „Ideen für die Bil- heitsgeschichte kreativ umzu- Preisverleihung findet während dungsrepublik – Gemeinsam setzen. Als Grundlage zur des Kinder- und Jugenddokumen- für mehr Bildungschancen“, Umsetzung ihrer Projekte dient tarfilmfestivals doxs!kino statt, Tel. 030-206 459-141, E-Mail: Pädagogen und Schülern die das im Rahmen der Duisburger [email protected], Inter- interaktive Lehr- und Lernplatt- Filmwoche vom 7. bis 13. Novem- net: www.land-der-ideen.de. form www.mauerkuenst- ber 2011 veranstaltet wird. ler.de. Am 9. November 2011 werden die Sieger des Wett- Infos: Gudrun Sommer, doxs! Der Preis für Innovation in der bewerbs bekanntgegeben. dokumentarfilme für Kinder und Erwachsenenbildung des Deut- Jugendliche, Duisburger Film- schen Instituts für Erwachsenen- woche, c/o VHS der Stadt Duis- bildung – Leibnitz-Zentrum für Anlässlich des 100. Internatio- burg, Tel. 0203-283-4164, E-Mail: Lebenslanges Lernen (DIE) wird in nalen Frauentags hat das Bun- [email protected], diesem Jahr für Projekte, Ange- desministerium für Familie, Internet: www.do-xs.de. bote oder Modelle zum Thema Senioren, Frauen und Jugend „Grenzenlos lernen – Mit Grenzen (BMFSFJ) zum zweiten Mal den und Entgrenzung didaktisch Helene-Weber-Preis ausgelobt, Bis zum 16. Mai 2011 konnten sich umgehen!“ vergeben. Bewerben der Frauen mit besonderen Bildungsinstitutionen und -initia- können sich Weiterbildungsanbie- Verdiensten in der Kommunal- tiven mit „Ideen für die Bildungs- ter, die dem gesellschaftlichen politik auszeichnet. Bewerben republik“ für die Auszeichnung Phänomen der Entgrenzung mit können sich kommunalpoliti- „Bildungsidee 2011/2012“ innovativen didaktischen Lösun- sche „Einsteigerinnen“, deren bewerben. Der Wettbewerb unter gen begegnen. Der Preis wurde in Mandat in der Kommune noch der Schirmherrschaft von Bundes- drei Kategorien ausgelobt: „Raum nicht länger als zwei Legislatur- bildungsministerin Annette Scha- und Zeit“, „Arbeit und Leben“ so- perioden währt. Der Hauptpreis van soll beispielhafte Projekte wie „Nation und Generation“. Die ist mit 10.000 Euro dotiert. Die würdigen, die sich in herausragen- Preisverleihung findet im Rahmen Verleihung des Preises findet der Weise für Bildungsgerechtig- des DIE-Forums Weiterbildung am am 7. Dezember 2011 in Berlin keit bei Kindern und Jugendlichen 5. und 6. Dezember 2011 in Bonn statt. stark machen. Ausgelobt wird der statt. Gefördert wird der Preis Wettbewerb von der Initiative vom W. Bertelsmann Verlag Biele- Infos: www.helene-weber- „Deutschland – Land der Ideen“, feld. preis.de unterstützt durch eine Förderung des Bundesministeriums für Bil- Infos: www.die-bonn.de

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Termine

Im Umweltforum Berlin findet Infos: Moritz Kralemann, Bildung disziplinarität, Transnationali- am 19. und 20. Mai 2011 der & Begabung, Tel. 0228-95915-60, sierung, Öffnung“. Die Tagung Kongress „Chancen eröffnen E-Mail: presse@bildung-und-bega- findet in diesem Jahr an der Uni- – Begabungen fördern. Bil- bung.de. Anmeldungen unter: versität Bielefeld statt. Zur Jah- dung gerecht gestalten“ statt. www.bpb/bildungsgerechtigkeit. restagung werden drei Reise- Auf der Veranstaltung der Bun- stipendien von je 250 Euro an deszentrale für politische Bil- Nachwuchswissenschaftler/-innen dung/bpb und der Initiative Bil- Die Deutsche Gesellschaft für vergeben. dung & Begabung geht es wissenschaftliche Weiterbildung darum, wie das Bildungssystem und Fernstudium (DGWF) veran- Infos: http://www.dgwf.net/ta- gestaltet werden kann, damit staltet vom 14. bis 16. Septem- gung.htm, Infos zum Reisestipen- Jugendliche unabhängig von ber 2011 ihre Jahrestagung dium: http://www.dgwf.net/tagun- ihrem gesellschaftlichen Milieu zum Thema „Grenzüberschrei- gen/2011/reisestipendium.pdf. eine erfolgreiche Bildungskarrie- tungen in der wissenschaft- re absolvieren können. lichen Weiterbildung: Inter-

Zeitschriften zur politischen Bildung

„Bildung von Werten“ ist das Themenschwerpunkt „Gesund- Phänomen der „Globalisie- Thema der letzten Ausgabe heitspolitik“. Darin geht es um rung“ in den Blick genommen. 4/2010 der Zeitschrift „kursiv“, die Ursachen und Folgen der ste- Die erste Ausgabe 2011 bereitet die vierzehn Jahre lang im tig und überdurchschnittlich stei- für den Unterricht in der Sekun- Wochenschau Verlag erschien. genden Kosten im Gesundheits- darstufe I das Thema „Umwelt“ Die Beiträge in diesem Heft system. Die nachfolgende auf. Um die Verteilung von Ein- handeln von der Bedeutung Ausgabe 1-2011 hat das Thema kommen und Vermögen geht von Werten, Normen und Moral „Krise und Zukunft der EU“. es in Heft 1/2011 für die Sekun- für die politische Bildung. Darin geht es in sechs Beiträgen darstufe II. „kursiv“ wurde mit Beginn des um die umfassende Problematik Jahres 2011 mit der bap-Zeit- der europäischen Integration. Bezug: Wochenschau Verlag, schrift „Praxis Politische Bildung“ Adolf-Damasche-Str. 10, fusioniert zu der neuen Viertel- Bezug: Wochenschau Verlag, 65824 Schwalbach/Ts., www.wo- jahreszeitschrift „Journal für Poli- Adolf-Damasche-Str. 10, chenschau-verlag.de, oder den tische Bildung“, die vom Bundes- 65824 Schwalbach/Ts., www.wo- Buchhandel. ausschuss Politische Bildung chenschau-verlag.de, oder den gemeinsam mit dem Wochen- Buchhandel. schau Verlag herausgegeben Zwei neue Ausgaben des Jugend- wird. magazins „fluter“ von der Bun- Zudem erscheint im Wochen- deszentrale für politische Bil- Bezug: Wochenschau Verlag, schau Verlag die Zeitschrift dung/bpb sind erschienen: Im Adolf-Damasche-Str. 10, „Wochenschau. Politik und Winterheft Nr. 37 geht es um das 65824 Schwalbach/Ts., www.wo- Wirtschaft unterrichten“, die Thema „Drogen“. Das Folgeheft chenschau-verlag.de, oder den für den Gebrauch im Schulunter- Nr. 38 vom Frühjahr 2011 behan- Buchhandel richt konzipiert ist und pro Aus- delt das Thema „Recht“. gabe zwei verschiedene Themen- hefte präsentiert. Heft Nr. 6/2010 Bezug: Frankfurter Societäts- Ausgabe 4-2010 der ebenfalls im für die Sekundarstufe I themati- Medien GmbH, Zeitschriften- Wochenschau Verlag erscheinen- siert das „Recht in Gesellschaft vertrieb „fluter“, 60268 Frankfurt den Zeitschrift „Politische Bil- und Staat“. In Heft Nr. 6/2010 am Main. Kostenlose Abos unter dung“ versammelt Beiträge zum für die Sekundarstufe II wird das www.fluter.de/abo.

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Bücher zur politischen Bildung

Im Wochenschau-Verlag ist der 65824 Schwalbach/Ts., www.wo- ist der Titel „Bürger auf „Trendbericht Politische Bil- chenschau-verlag.de, oder den Abwegen? Politikdistanz dung 2011“ erschienen. Die Buchhandel. und politische Bildung“ Dokumentation des Preises Politi- erschienen. Der Sammelband sche Bildung 2009 wurde vom geht auf Vorträge zurück, die Bundesausschuss Politische Bildung Klaus Ahlheim und Horst Mathes auf der fachdidaktischen Tagung herausgegeben und liefert einen haben das Buch „Utopie den- „Beutelsbacher Gespräche“ vom Überblick über außergewöhnliche ken – Realität verändern. Bil- 22. bis 24. Februar 2010 in Bad Aktivitäten und Entwicklungen in dungsarbeit in den Gewerk- Urach gehalten wurden. Das der politischen Bildung. Neben schaften“ herausgegeben, das Buch umfasst 15 Aufsätze, die der Vorstellung der Preisträger- im März 2011 als Band 4 in der das vielschichtige Phänomen Projekte werden auch für den Reihe „Kritische Beiträge zur Bil- der Politikdistanz behandeln Preis nominierte, aber letztend- dungswissenschaft“ des Offizin und auf die Herausforderungen lich nicht ausgewählte Projekte Verlages erschienen ist. Die Auf- eingehen, die sich daraus für die präsentiert. Eine Dokumentation satzsammlung soll die gewerk- politische Bildung ergeben. Es der Festrede von Bundestagspräsi- schaftliche Bildungsarbeit als geht um die Frage, wie politische dent zur Preis- „natürlichen Ort politischer Bildung gestaltet werden muss, verleihung und Interviews u. a. Erwachsenenbildung“ wieder um auch politik- und bildungs- mit Ernst Reinhardt Beck, Vorsit- in das Blickfeld des wissenschaft- distanzierte Gruppen zu errei- zender des Kuratoriums der bpb lichen und bildungspolitischen chen. im Deutschen Bundestag, Dr. Her- Diskurses rücken. mann Kues, Parlamentarischer Bezug: Das Buch kann gegen Staatssekretär im BMFSFJ, sowie Bezug: Offizin-Verlag, Bödeker- eine Schutzgebühr von fünf Euro , Vorsitzende des str. 75, 30161 Hannover, zzgl. Versand bestellt werden bei Bundestagsausschusses für Fami- www.offizin-verlag.de, oder der Landeszentrale für politische lie, Senioren, Frauen und Jugend, den Buchhandel. Bildung Baden-Württemberg, ergänzen die Projektvorstellun- Stafflenbergstr. 38, 70184 Stutt- gen. gart, www.lpb-bw.de/shop. In der Didaktischen Reihe der Bezug: Wochenschau Verlag, Landeszentrale für politische Adolf-Damaschke-Str. 10, Bildung Baden-Württemberg

Materialien zur politischen Bildung

Die Bundeszentrale für politi- Lage in der jeweiligen Region heraus – eine Publikation, die sche Bildung stellt zahlreiche ermöglichen. Im „Hintergrund andere Länder und ihre Kulturen Hintergrundinformationen aktuell“, werden zweimal vorstellt. Als jüngste Ausgabe ist zu Ländern und Regionen wöchentlich politische Ereig- Ende 2010 die Neuauflage des zur Verfügung, in denen nisse und Debatten aufgegrif- Ländermagazins „Griechenland derzeit gegen autoritäre fen, Themen und Konflikte hin- verstehen“ erschienen. Das Heft Regime gekämpft wird. ter den Schlagzeilen aufgezeigt portraitiert die aktuelle Situation Neben verschiedenen Büchern und in die Zusammenhänge ein- in Griechenland nach der Krise. über Länder wie Libyen, Jemen, geordnet. Die Autoren lenken den Blick auf Bahrein, Ägypten, Tunesien den Alltag der Menschen, berich- oder Iran bietet die bpb auch Infos: www.bpb.de. ten von einer Gesellschaft im Informationen im Rahmen ihres Umbruch, von Bürgerinitiativen, Internetangebots: In umfang- gestressten Studenten und Taxi- reichen Web-Dossiers werden Der Studienkreis für Tourismus fahrern, von selbstbewussten Materialien zusammengestellt, und Entwicklung e. V. gibt die Frauen, von Männern, die am die ein besseres Verständnis der Reihe „SympathieMagazin“ „Tag der Storchentante“ gefähr-

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lich leben – und vom Unglück, Weltreligionen erschienen. Eine sand- und Verpackungspauschale ein Grieche zu sein. Die Sympa- größere Stückzahl kann von angefordert werden. thieMagazine sind über zahlrei- nicht-kommerziellen Organisa- che Länder sowie über die fünf tionen gegen eine geringe Ver- Infos: www.sympathimagazin.de.

Anregungen zur historisch-politischen Bildung

Das Jüdische Museum Westfalen Lizenz und können auf der Ver- menfeld „20 Jahre Friedliche hat die Broschüre „Angekom- eins-Website kostenlos herunter- Revolution 1989“ vor. Die Bro- men?! Jüdische Zuwanderung geladen und weiterverwendet schüre präsentiert die einzelnen nach Deutschland 1990-2010“ werden. Bildungskonzepte und die ein- herausgegeben. Die Veröffentli- gesetzten Methoden kurz und chung ist aus dem Forschungs- Infos: Download des Clips unter übersichtlich, so dass andere Bil- und Ausstellungsprojekt „Ange- www.e-politik.de/lesen/arti- dungseinrichtungen diese Ideen kommen?! Lebenswege jüdischer kel/2011/wissenswerte-die-ddr- leicht übernehmen können. Dar- Einwanderer“ entstanden und und-die-friedliche-revolution/. über hinaus hat der DVV ein enthält Materialien und Vorschlä- Modellprojekt der Volkshoch- ge für die pädagogische Arbeit. schule Bremerhaven dokumen- Einzelexemplare können kosten- Die Ausgabe 71 des vom Bürger- tiert und auf der DVD „Baustelle los im Jüdischen Museum West- komitee „15. Januar" e. V. zur Demokratie 2009“ veröffentlicht. falen angefordert werden. Aufarbeitung der Stasi-Vergan- In dem Projekt setzten sich junge Gefördert wurde diese Veröf- genheit herausgegebenen Maga- Menschen mit den Grundrechten fentlichung vom Leo Baeck- zins „Horch und Guck“ steht und ihrem aktuellen Bezug zu Programm. unter dem Titel „Sperrgebiet. jedem Einzelnen und der Gesell- Grenzfälle nach dem Mauerbau“. schaft auseinander. Infos: Bestellung von Einzelexem- Das Schwerpunktthema widmet plaren bei E-Mail: info@jmw-dors- sich den bisher weniger beachte- Infos: www.politischejugend- ten.de. Kostenloser Download der ten Geschichten und Aspekten bildung.de. Broschüre unter: http://www.jmw- rund um das Leben mit und an dorsten.de/files/jmw-handrei- der Mauer, die Berlin von 1961 chung-angekommen.pdf. bis 1989 teilte. Die Zeitschrift Im Verlag an der Ruhr ist das wird mit Mitteln der Bundes- Projektbuch „Terrorismus – stiftung Aufarbeitung und des zwischen Bedrohung und Das Thema „DDR und die fried- Landesbeauftragten für die Panikmache. Materialien für liche Revolution“ wird in der Unterlagen des Staatssicherheits- Jugendliche“ erschienen. Die jüngsten Ausgabe der Wissens- dienstes der ehemaligen DDR Autoren Michael Bechtel und Werte-Animationsclips behan- gefördert. Volker Thomas haben darin das delt. Darin geht es um die Grün- Thema Terrorismus für Jugendli- de für die deutsche Teilung, die Infos und Bezug: Bürgerkomitee che aufbereitet. Das Buch bietet DDR als Staat sowie die Entwick- „15. Januar“ e. V., Winsstr. 60, ausführliche Informationen, weist lungen, die letztendlich zur 10405 Berlin, Tel. 030-24725604, aber auch auf konkurrierende Wiedervereinigung Deutschlands E-Mail: [email protected], Meinungen hin und bietet nicht führten. Die Animationsclips wer- Internet: www.horch-und-guck.info. immer fertige Antworten. Die den vom Verein e-politik.de im Texte und Aufgabenstellungen in Rahmen des Projekts Wissens- dem Buch sollen zum einen mehr Werte produziert und geben in Der Deutsche Volkshochschul- Wissen über Terrorismus und die etwa fünf bis sieben Minuten Verband (DVV) stellt in einer damit im Zusammenhang stehen- einen Überblick über jeweils ein neuen Broschüre mit dem Titel den Probleme vermitteln, zum politisches Thema. Die bislang „Was hat das mit mir zu tun?“ anderen aber auch zu Diskussio- publizierten Clips zu den Themen 16 beispielhafte Bildungsveran- nen anregen. UNO, Islamismus, Welthandel staltungen und Projekte histo- sowie Globalisierung stehen risch-politischer Jugendbildung Bezug: www.verlagruhr.de oder unter der Creative Commons der Volkshochschulen zum The- den Buchhandel.

119 INFORMATIONEN

Zeitschriften zur Erwachsenenbildung

Um „Bildung und Gerechtig- recht auf Lebenslanges Lernen Neben einer Bestandsaufnahme keit“ geht es in der neuen Aus- sowie das Thema Lohngerechtig- der aktuellen Entwicklungen in gabe II/2011 der DIE Zeitschrift keit in den Blick genommen. diesem Bereich werden einige für Erwachsenenbildung, die derzeit diskutierte Fragen zur vom Deutschen Institut für Bezug: W. Bertelsmann Verlag, beruflichen Weiterbildung auf- Erwachsenenbildung (DIE) Auf dem Esch 4, 33619 Bielefeld, gegriffen, wie die Durchlässigkeit herausgegeben wird. Die Internet: www.wbv.de, oder über zum akademischen Bereich, die Autorinnen/Autoren gehen den Buchhandel. Weiterbildungsförderung der der grundsätzlichen Frage nach, Bundesagentur für Arbeit sowie was Bildungsgerechtigkeit über- die Folgen des demographischen haupt bedeutet, wie Weiterbil- Die von der Katholischen Bundes- Wandels oder die Probleme der dung in Deutschland gerechter arbeitsgemeinschaft für Erwach- Kompetenzerfassung. werden kann und wann Bildung senenbildung herausgegebene und Bildungspolitik „gerecht“ Zeitschrift „Erwachsenenbil- Bezug: W. Bertelsmann Verlag, sind. Neben sozialen Disparitäten dung“ behandelt in ihrer ersten Auf dem Esch 4, 33619 Bielefeld, werden dabei auch regionale Ausgabe 2011 das Themenfeld Internet: www.wbv.de, oder über Ungleichheiten, das Menschen- „Berufliche Weiterbildung“. den Buchhandel.

Medienkompetenz entwickeln

Das Institut für Medienpädago- liche Gruppen erreichen und hat Infos: Institut für Medienpädago- gik und Kommunikation – Lan- Veranstaltungen zur Förderung gik und Kommunikation/Landes- desfilmdienst Hessen e. V. (MuK) der Medienkompetenz für alle filmdienst Hessen e. V., Frankfur- stellt seine Bildungsangebote für Altersstufen im Programm. Dar- ter Str. 160-166, 63303 Dreieich, das Jahr 2011 in einem Katalog unter finden sich auch Veranstal- E-Mail: [email protected], „Medienkompetenz 2011“ vor. tungen im Kontext der politi- Internet: www.muk-hessen.de. Das Institut will mit seinen Ange- schen, interkulturellen oder boten möglichst viele gesellschaft- beruflichen Bildung.

Neues im Netz

Eine Verbindung zwischen und Erfahrungen zu Menschen- Eine neue Website des Bundes- den Artikeln der Allgemeinen rechtsthemen auszutauschen. familienministeriums erleichtert Erklärung der Menschenrechte User können Texte, Videos oder den sicheren Einstieg ins Inter- (AEMR) und aktuellen Jugend- Fotos auf die Plattform hoch- net. Auf www.surfen-ohne- themen schafft das neue laden, Beiträge anderer kom- risiko.net können Eltern Jugend- und Lernportal mentieren und bewerten. gemeinsam mit ihren Kindern „Redefreiheit“ von Amnesty Ergänzt wird das Portal mit eine eigene Startseite erstellen, International. Dort werden All- Hinweisen zu Möglichkeiten mit kindgerechten Nachrichten, tagsprobleme von Jugendlichen für das eigene Engagement in Onlinespielen, Surf-Tipps, Kinder- wie z. B. Gewalt an Schulen oder Sachen Menschenrechte, Spielen, Mail- und Kinder-Chat-Funktio- das Thema Berufswahl mit den Hintergrundinformationen sowie nen. Weiterhin bietet die Seite passenden Artikeln aus der weiterführenden Links. Informationen darüber, wie sich AEMR verlinkt. Außerdem lädt Kinder ohne Risiko im Internet die interaktive und multimediale Infos: Das Portal findet sich unter bewegen können. Die länder- Diskussionsplattform junge Men- www.redefreiheit.amnesty.de. übergreifende Stelle für Jugend- schen dazu ein, ihre Meinungen schutz im Internet hat die Seite

120 INFORMATIONEN

im Auftrag des Bundesministeri- landkarte ermöglicht den Über- Seit Anfang Februar 2011 gibt ums für Familie, Senioren, Frauen blick über laufende und abge- es mit dem ProfilPASS-Forum und Jugend entworfen. schlossene Forschungsprojekte ein soziales Netzwerk für Profil- an deutschen Hochschulen und PASS-Beratende, Multiplikatoren Infos: BMFSFJ, Glinkastr. 24, am DIE. Ein Studienführer listet und Dialogzentren. Das Internet- 10117 Berlin, E-Mail: presse@ alle deutschen Bachelor- und Forum informiert zudem Interes- bmfsfj.bund.de. Masterstudiengänge mit Bezug senten über das ProfilPASS-Sys- zur Weiterbildung auf. Speziell tem. Das Forum entstand auf an Personal in der Weiterbildung Wunsch von ProfilPASS-Bera- Zum Jahreswechsel hat das richtet sich die Weiterbildungs- tenden, die sich effizienter und Deutsche Institut für Erwachse- datenbank „Qualidat“. Die stärker vernetzen wollten. Hinter nenbildung (DIE) den Relaunch Bestände der DIE-Bibliothek dem Forum steht der W. Bertels- seiner Website abgeschlossen. für Weiterbildung können per mann Verlag unter Mitwirkung Die neue, komplett überarbei- Web-OPAC online durchsucht des Deutschen Instituts für tete und modernisierte Web- werden. Über RSS-Feeds können Erwachsenenbildung (DIE) site unter der Adresse www.die- aktuelle Informationen abon- sowie des Instituts für Entwick- bonn.de präsentiert die umfang- niert werden. lungsplanung und Struktur- reichen Inhalte zu Themen der forschung (ies). Erwachsenen- und Weiterbil- Infos: Dr. Marion Steinbach, Deut- dung nun übersichtlicher und sches Institut für Erwachsenen- Im Internet unter: anschaulicher als früher. Die bildung – Leibnitz-Zentrum für www.profilpass-forum.de. Recherche nach Daten, Fakten Lebenslanges Lernen e. V. (DIE), und Literatur wurde komfor- Heinemannstr. 12-14, 53175 Bonn, tabler gestaltet. Eine Forschungs- E-Mail: [email protected].

Publikationen zum Jugendschutz

Die von der Freiwilligen Selbst- Bezug: UVK Verlagsgesellschaft Ausgabe 2-2011 der Zeitschrift kontrolle Fernsehen (FSF) heraus- mbH, Schützenstr. 24, 78462 Kons- knüpft an das Thema des voran- gegebene Zeitschrift tv diskurs tanz, Internet: www.uvk.de, oder gegangenen Heftes an. Im stellt das Thema „Streitpunkt den Buchhandel. Mittelpunkt steht die „Präven- Jugendschutz. Verschärfen tion sexualisierter Gewalt“. oder abschaffen?“ in den Darin geht es vor allem um Mittelpunkt ihrer Ausgabe Auch in Heft 1-2011 der Zeit- praxisrelevante Forschung zu 1/2011. Aus Anlass der geschei- schrift Kinder- und Jugend- Ursachen und Wirkungen sexua- terten Reform des Jugend- schutz in Wissenschaft und lisierter Gewalt im Kinder- und medienschutz-Staatsvertrags Praxis (KJug) – herausgegeben Jugendalter sowie zu Prävention im vergangenen Jahr, bei der von der Bundesarbeitsgemein- und Intervention. keine Einigung über die Jugend- schaft Kinder und Jugendschutz schutzbestimmungen im Inter- e. V. – wird der Jugendschutz im Bezug: Bundesarbeitsgemein- net erreicht werden konnte, Internet aufgegriffen. Schwer- schaft Kinder- und Jugendschutz, trägt die Zeitschrift Hintergrund- punkt der Ausgabe ist das Thema Mühlendamm 3, 10178 Berlin, informationen zur Situation des „Sexualisierte Medieninhal- E-Mail: [email protected], Jugendschutzes im Zeitalter te“, das von Medien- und Sexual- Internet; www.bag-jugend- zunehmender Medienkonver- wissenschaftlern und -wissen- schutz.de. genz zusammen. schaftlerinnen diskutiert wird.

121 INFORMATIONEN

Themen „deutsche jugend“

Themenschwerpunkt von Aus- die über die Gewaltaffinität von debatte werden in den Beiträgen gabe 3-2011 der Zeitschrift Jugendlichen in Deutschland und der öffentliche Diskurs über „deutsche jugend“ ist „Rechts- Russland. Jugendsexualität sowie For- extremismus und Gewalt“. In schungen zur Jugendsexualität den darin versammelten Beiträ- „Jugendsexualität“ heißt der im Migrantenmilieu in den Blick gen geht es um die Auseinander- Schwerpunkt der Folgeausgabe genommen. setzung der Deutschen Jugend- 4-2011 der Zeitschrift, die im feuerwehr (DJF) mit Juventa Verlag erscheint. Neben Bezug: Beltz Medien-Service bei rechtsextremen Tendenzen im ei- einer kritischen Auseinander- Rhenus, 86895 Landsberg, E-Mail: genen Organisationsbereich, die setzung über Sexualpädagogik [email protected], oder den Funktion von Musik für die in der katholischen Jugend(-ver- Buchhandel. rechtsextreme Jugendszene so- bands)arbeit vor dem Hinter- wie um eine vergleichende Stu- grund der aktuellen Missbrauchs-

Freiwilligenarbeit

Vor dem Hintergrund der Einfüh- Bezug: Landschaftsverband Rhein- Freiwilligensurveys, die Nationale rung des Bundesfreiwilligen- land (LVR), LVR-Landesjugendamt Engagementstrategie oder Sub- dienstes hat das Landesjugend- Rheinland, Kennedy-Ufer 2, 50679 stitutionseffekte durch Engage- amt des Landschaftsverbands Köln, Internet: www.jugend.lvr.de. mentförderung ein. Rheinland (LVR) das Thema „Frei- willigendienste“ zum Schwer- Bezug: Deutscher Bundesjugend- punkt von Ausgabe 1-2011 seiner Um „Engagementpolitik“ geht ring (DBJR), Mühlendamm 3, Zeitschrift Jugendhilfereport es in Ausgabe 4-2010 der Fach- 10178 Berlin, E-Mail: [email protected], gemacht. Das Heft gibt einen zeitschrift „Jugendpolitik“ des Internet: www.bestellung.dbjr.de. Überblick über die bestehenden Deutschen Bundesjugendrings. Freiwilligendienste und berichtet Die Beiträge gehen u. a. auf das über die Entwicklungen in die- Verhältnis zwischen Staat und sem Bereich. Gesellschaft, die Ergebnisse des

Institutionen stellen sich vor

Ausgabe Nr. 35 des Infobriefes Ende 2010 hat die Arbeits- Arbeitsgrundlage der Mitglieds- des Deutsch-Französischen gemeinschaft katholisch- einrichtungen der AKSB. Anlass Jugendwerks stellt „Das DFJW sozialer Bildungswerke in der für die Veröffentlichung ist eine und seine Netzwerke“ vor. Das Bundesrepublik Deutschland Überprüfung der Grundlage und Heft gibt einen Einblick in die (AKSB) die Publikation „Am des Leitbildes der Arbeitsgemein- Strukturen und Aktivitäten der Puls der Zeit. Konvention über schaft, die zu einer Fortschreibung Organisation. katholisch-sozial orientierte der Konvention geführt hatte. politische Jugend- und Erwachse- Bezug: Deutsch-Französisches nenbildung in der AKSB und Bezug: Die Publikation steht zum Jugendwerk (DFJW), Molken- aktualisierende Ergänzungen“ Download bereit unter http://www. markt 1, 10179 Berlin, herausgegeben. Es handelt sich aksb.de/upload/dateien/aksb_Kon- www.dfjw.org. um eine aktualisierte Fassung der vention_20_09_10_NEU_1.pdf.

122 INFORMATIONEN

Die Kulturpolitische Gesell- der kulturellen Infrastruktur vor Bezug: Kulturpolitische Gesell- schaft greift in ihrem Jahrbuch dem Hintergrund von Kosten- schaft e. V., Weberstr. 59a, für Kulturpolitik 2010 das Thema und Legitimationsdruck. Es stellt 53113 Bonn, Internet: www.kupo- „Kulturelle Infrastruktur“ auf. aber auch neue Ansätze zur ge.de/buecher.html, oder den Auf 414 Seiten gibt das Buch Weiterentwicklung der kultu- Buchhandel. Einblicke in die Situation in rellen Infrastruktur vor. unterschiedlichen Teilbereichen

Kinofilme für den Unterricht

Die im März angelaufenen und zum Einsatz im Schulunterricht Infos bei Entertainment Kombi- inzwischen schon von zahlrei- empfohlen. Zu beiden Filmen nat GmbH, Boxhagener Str. 106, chen Zuschauern gesehenen Fil- gibt es umfangreiche Materialien 10245 Berlin, www.entertain- me „Almanya“ und „Wer wie weiterführende Informatio- mentkombinat.de. wenn nicht wir“ werden auch nen und Arbeitsanleitungen.

Zusammenstellung: Ivonne Meißner

123 STICHWORTREGISTER

Außerschulische Bildung 41. Jahrgang 2010

Arbeitskreis deutscher Bildungs- austausches mit der Mongolei, – Ein Tisch ist ein Tisch ist ein stätten/Mitgliedseinrichtungen S. 286-287 Tisch. AdB-Fachtagung für Haustechniker, S. 387-388 – Ciupke, 40 Jahre „Außerschu- – Arbeitskreis deutscher Bil- lische Bildung“, S. 7-9 dungsstätten kritisiert Mittel- – Was hat die DDR mit Online- kürzungen bei der Bundes- Lernen zu tun?, S. 388-389 – Vorstand des AdB, Wirt- zentrale für politische schaft(en) in gesellschaftlicher Bildung, S. 287 – Kommission Jugendbildung Verantwortung. Demokratie – erörterte die neuen Program- Ökonomie – Politische Bil- – Kommission Erwachsenenbil- me des BMFSFJ, S. 389-391 dung, Stellungnahme des AdB dung tagte in Kloster Banz, zu seinem Jahresthema 2010, S. 288-290 – Kommission Mädchen- und S. 42 Frauenbildung will ihr Ar- – Der Verein Bildung – Begeg- beitsfeld wieder politischer – In Haus Neuland wurden nung – Zeitgeschehen Bernau denken, S. 391 Möglichkeiten zur Evaluation feierte sein zwanzigjähriges von Lernergebnissen erörtert, Bestehen, S. 290 – Kommission Verwaltung und S. 57-58 Finanzen plante ihre Arbeit – Brokmeier, Öfter mal was für das nächste Jahr, S. 392 – Berichte aus den Kommissio- Neues. Zum Programm Politi- nen, S. 58-62 sche Jugendbildung im Ar- – Kommission Europäische und beitskreis deutscher Bildungs- Internationale Bildungsarbeit – Nachhaltige Entwicklung und stätten, S. 339-343 diskutierte über mögliche Konfliktprävention waren Perspektiven deutsch-israeli- Schwerpunkte des deutsch- – Schütze, „Wir müssen vor scher Kooperation, S. 392-394 mongolischen Fachkräfteaus- Hoffnung verrückt sein“. tauschs, S. 163-164 Ein Rückblick auf interkultu- – Akademie Biggesee: Deutsch- relles und interreligiöses Ler- Chinesischer Jugendaustausch – Projekt zum Interkulturellen nen im Communis-Projekt, weiter ausgebaut, S. 394 Lernen in der politischen Bil- S. 344-349 dung erfolgreich abgeschlos- sen, S. 164-165 – Neue Beteiligungsformen in Berufliche Bildung der repräsentativen Demokra- – AdB protestiert gegen Kür- tie – Chancen demokratischer – Berufsbildungsbericht im zungen der Mittel für politi- Beteiligung nutzen! Stellung- Zeichen des demografischen sche Bildung, S. 165-166 nahme des Arbeitskreises Wandels, S. 152 deutscher Bildungsstätten zu – Kommission Jugendbildung seinem Jahresthema 2011, – Mehr berufliche Weiterbil- diskutierte über Perspekti- S. 350 dung durch Bildungsprämie, ven der Jugendpolitik, S. 368 S. 166-167 – Böhm, Über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion – Ein Tisch ist ein Tisch ist ein – Kommission Verwaltung und zur Einheit?, S. 357-360 Tisch. AdB-Fachtagung für Finanzen befasste sich mit Haustechniker, S. 387-388 Online-Marketing, S. 167 – Die Nutzung neuer Beteili- gungsformen stärkt die De- – Matthis, „Standort Deutsch- mokratie. AdB diskutierte sein Bezugswissenschaften/ land – Wohlstand für alle?“ Jahresthema 2011, S. 379-382 Theoriebildung Ein Seminar des Arbeitneh- merzentrums Königswinter – AdB-Mitgliederversammlung – Ciupke, Zwischen Theorie und (AZK), S. 264-266 beschloss Stellungnahme zum Praxis. Beobachtungen und Jahresthema 2011, S. 383 Anmerkungen zu Orientie- – Theaterpädagogik, Gewalt- rungssystemen, Autonomie prävention und ökologische – Fachgespräch zum Linksextre- und Bewegungsbezug in der Bildung waren Schwerpunkte mismus als Thema politischer außerschulischen politischen des diesjährigen Fachkräfte- Bildung, S. 384-387 Bildung, S. 198-205

124 STICHWORTREGISTER

– Hufer, Politische Erwachse- Niveaustufen. Zur aktuellen Bildungsurlaub nenbildung – zur Geschichte Debatte um den Deutschen ihrer Ideen und Konjunktu- Qualifikationsrahmen, – Bildungsurlaubsentwicklun- ren, S. 206-217 S. 135-139 gen in Niedersachsen und NRW, S. 368-370 – Klose, „Vom Wissen der Bil- – Sparbeschlüsse der Bundesre- dung“, S. 218-225 gierung treffen auch den Be- reich der Bildung, S. 144-146 Bundeshaushalt – Bremer/Kleemann-Göhring, Demokratiepädagogik oder – Umstrittene Ergebnisse des – Bundeshaushalt mit höchster politische Bildung: Gegensatz Bildungsgipfels, S. 146-147 Nettokreditaufnahme seit oder falsche Alternative?, Bestehen der Bundesrepublik, S. 226-233 – Bund will mehr Mitsprache bei S. 45-46 Bildung, S. 148-149 – Messerschmidt, Differenzver- – Sparbeschlüsse der Bundesre- hältnisse. Ansätze zur Kritik – Bildung in Deutschland 2010, gierung treffen auch den Be- von Geschlechterordnungen S. 149-151 reich der Bildung, S. 144-146 und Impulse für die politische Bildung, S. 234-241 – Bundesregierung will Zahl – Erste Beratung Haushaltsent- der Schulabbrecher verringern wurf 2011, S. 273-274 – Allespach/Wentzel, Subjekto- und Zahl der Studierenden rientierung und kritische erhöhen, S. 151 – Arbeitskreis deutscher Bil- Psychologie – neue Ansätze in dungsstätten kritisiert Mittel- der gewerkschaftlichen Bil- – Berufsbildungsbericht im kürzungen bei der Bundes- dungsarbeit, S. 249-255 Zeichen des demografischen zentrale für politische Wandels, S. 152 Bildung, S. 287

Bildungspolitik – Anhörung des Bildungsaus- – Bundeshaushalt 2011 vom schusses zum Deutschen Qua- Parlament verabschiedet, – Bildung soll gesamtstaatliche lifikationsrahmen, S. 153 S. 363-364 Aufgabe sein, S. 47-48 – Neues aus der Weiterbildung, – Beginnt nun „Dekade der S. 154-155 Bundesländer Bildung und Forschung“?, S. 48-49 – Neue OECD-Studien kritisieren – Neues aus der Weiterbildung, Mangel an Hochqualifizierten S. 154-155 – Aktionsrat Bildung fordert und bestätigen gute Qualität mehr Eigenverantwortung der beruflichen Bildung, – Weiterbildungstrends, für Bildungsinstitutionen, S. 274-276 S. 276-278 S. 49-51 – Weiterbildungstrends, – Perspektiven für die Kinder- – BMBF: Bildungsprämie hat S. 276-278 und Jugendarbeit in Baden- sich bewährt, S. 51 Württemberg, S. 281-282 – Streit ums Bildungspaket, – Weiterbildungsträger fordern S. 364-365 – Bildungsurlaubsentwicklun- Verbesserung der Anrechnung gen in Niedersachsen und von Weiterbildungsleistun- – Was braucht die Bildung?, NRW, S. 368-370 gen, S. 51-52 S. 366-367 – Festveranstaltung zum 40. Ge- – Neue EU-Kommissarin stellte – Kein Mindestlohn in der burtstag des @ba, S. 372-373 ihre bildungspolitischen Weiterbildungsbranche, Schwerpunkte vor, S. 52-53 S. 368

– Brokmeier/Ciupke, Außerschu- – Nachrichten über Herausfor- lische politische Bildung derungen der politischen Bil- zwischen Deskriptoren und dung, S. 370-372

125 STICHWORTREGISTER

Demokratie – Gill, Zur Aktualität Kurt Lö- Europa wensteins für die politische – Bruns, Kritische Reflexionen Jugendbildung, S. 242-248 – Neue EU-Kommissarin zur Zeit: Krise der Demokra- stellte ihre bildungspoliti- tie?, S. 10-18 – Allespach/Wentzel, Subjekt- schen Schwerpunkte vor, orientierung und kritische S. 52-53 – Auhagen, Chancen und Gren- Psychologie – neue Ansätze zen der globalisierungskriti- in der gewerkschaftlichen – Roth, Energiesicherheit in schen (Bildungs-) Bewegung Bildungsarbeit, S. 249-255 Europa. Ein Planspiel über Attac, S. 28-36 Ressourcenkonflikte, – Matthis, „Standort Deutsch- S. 267-272 – Heise, Elektronische Beteili- land – Wohlstand für alle?“ gung – Demokratie im Wan- Ein Seminar des Arbeitneh- – Stalfort, Kollegen im europäi- del?, S. 37-41 merzentrums Königswinter schen Ausland über die Schul- (AZK), S. 264-266 ter schauen – Besuche und – Bremer/Kleemann-Göhring, Austausche für Erwachsenen- Demokratiepädagogik oder – Roth, Energiesicherheit in bildner/-innen im EU-Grundt- politische Bildung: Gegensatz Europa. Ein Planspiel über vig-Förderprogramm, oder falsche Alternative?, Ressourcenkonflikte, S. 361-362 S. 226-233 S. 267-272

– Neue Beteiligungsformen in – Kommission Erwachsenenbil- Evaluation der repräsentativen Demokra- dung tagte in Kloster Banz, tie – Chancen demokratischer S. 288-290 – In Haus Neuland wurden Beteiligung nutzen! Stellung- Möglichkeiten zur Evaluation nahme des Arbeitskreises – Brokmeier, Öfter mal was von Lernergebnissen erörtert, deutscher Bildungsstätten zu Neues. Zum Programm Politi- S. 57-58 seinem Jahresthema 2011, sche Jugendbildung im Ar- S. 350 beitskreis deutscher Bildungs- – Brokmeier/Ciupke, Außer- stätten, S. 339-343 schulische politische Bildung – Die Nutzung neuer Beteili- zwischen Deskriptoren und gungsformen stärkt die De- – Schütze, „Wir müssen vor Niveaustufen. Zur aktuellen mokratie. AdB diskutierte Hoffnung verrückt sein“. Debatte um den Deutschen sein Jahresthema 2011, Ein Rückblick auf interkultu- Qualifikationsrahmen, S. 379-382 relles und interreligiöses Ler- S. 135-139 nen im Communis-Projekt, – AdB-Mitgliederversammlung S. 344-349 – Becker, Forschung für die Pra- beschloss Stellungnahme zum xis? Empirische Ergebnisse zu Jahresthema 2011, S. 383 – Schneider/Ernst, Einsatz von Teilnehmenden und Wirkun- Zeitzeugen zur DDR-Geschich- gen politischer Jugendbil- te: Probleme und Potenziale, dung, S. 256-263 Didaktik/Methodik S. 351-356 – Neue OECD-Studien kritisieren – Krieg, „Weltspiel“, S. 43-44 – Böhm, Über die Wirtschafts-, Mangel an Hochqualifizierten Währungs- und Sozialunion und bestätigen gute Qualität – Gandenberger, Konflikt und zur Einheit?, S. 357-360 der beruflichen Bildung, Frieden in der politischen Bil- S. 274-276 dungsarbeit am Beispiel des – Was hat die DDR mit Online- Krieges in Afghanistan, Lernen zu tun?, S. 129-134 S. 388-389 Extremismus

– Kurth, Die Finanz- und Wirt- – Kommission Mädchen- und – Regierung will Kampf schaftskrise als Herausforde- Frauenbildung will ihr Ar- gegen Rechtsextremismus rung für die politische Bil- beitsfeld wieder politischer nicht vernachlässigen, dung, S. 140-143 denken, S. 391 S. 53-54

126 STICHWORTREGISTER

– Bundesjugendministerium – Weiterbildungsträger fordern – Streit ums Bildungspaket, startet Projekte zur Präven- Verbesserung der Anrechnung S. 364-365 tion von Linksextremismus von Weiterbildungsleistun- und Islamismus, S. 156-157 gen, S. 51-52 – Mehr berufliche Weiterbil- dung durch Bildungsprämie, – GEMINI zur Initiative des – Regierung will Kampf gegen S. 368 BMFSFJ „Demokratie stärken“ Rechtsextremismus nicht ver- – JUGEND FÜR DEMOKRATIE nachlässigen, S. 53-54 – Präventionsprogramme UND GEGEN EXTREMISMUS. des BMFSFJ sind umstritten, Stellungnahme anlässlich – Bundesregierung und Bun- S. 373-375 des Hearings „Linksextre- destag wollen freiwilliges mismus und Islamismus“, Engagement unterstützen, S. 157-161 S. 54-55 Forschung

– Diskussionen im Bundestag – Sparbeschlüsse der Bundesre- – Neue Shell-Studie attestiert zu den Programmen gegen gierung treffen auch den Be- Jugendlichen optimistische Links- und Rechtsextremismus, reich der Bildung, S. 144-146 Grundhaltung, S. 278-280 S. 283-284 – Umstrittene Ergebnisse des – Perspektiven für die Kinder- – Präventionsprogramme Bildungsgipfels, S. 146-147 und Jugendarbeit in Baden- des BMFSFJ sind umstritten, Württemberg, S. 281-282 S. 373-375 – AdB protestiert gegen Kür- zungen der Mittel für politi- – Gensicke, Jugend 2010, – Fachgespräch zum Linksextre- sche Bildung, S. 165-166 S. 322-330 mismus als Thema politischer Bildung, S. 384-387 – Erste Beratung Haushaltsent- wurf 2011, S. 273-274 Freiwilliges Engagement

Föderalismus – Auseinandersetzung über – Bundesregierung und Bun- geeignete Formen zur Förde- destag wollen freiwilliges – Bildung soll gesamtstaatliche rung kultureller Teilhabe, Engagement unterstützen, Aufgabe sein, S. 47-48 S. 280 S. 54-55

– Umstrittene Ergebnisse des – Diskussionen im Bundestag – Bund will freiwilliges Engage- Bildungsgipfels, S. 146-147 zu den Programmen gegen ment stärken und Freiwilli- Links- und Rechtsextremismus, gendienste neu organisieren, – Bund will mehr Mitsprache bei S. 283-284 S. 375-378 Bildung, S. 148-149 – Arbeitskreis deutscher Bil- – Was braucht die Bildung?, dungsstätten kritisiert Mittel- Friedens-/Sicherheitspolitik S. 366-367 kürzungen bei der Bundes- zentrale für politische Bildung, – Schoch, Friedenspolitik im S. 287 Umbruch, S. 106-113 Förderungspolitik – Stalfort, Kollegen im europäi- – Jäger, Th., Die veränderten – Bundeshaushalt mit höchster schen Ausland über die Schul- Rahmenbedingungen deut- Nettokreditaufnahme seit ter schauen – Besuche und scher Sicherheitspolitik, Bestehen der Bundesrepublik, Austausche für Erwachsenen- S. 114-121 S. 45-46 bildner/-innen im EU-Grundt- vig-Förderprogramm, – Jäger, U., Zivile Konfliktbear- – Perspektiven der Jugendpoli- S. 361-362 beitung im Schatten des tik, S. 46-47 Krieges, S. 122-128 – Bundeshaushalt 2011 vom – BMBF: Bildungsprämie hat Parlament verabschiedet, – Gandenberger, Konflikt und sich bewährt, S. 51 S. 363-364 Frieden in der politischen Bil-

127 dungsarbeit am Beispiel des Rückblick auf interkulturelles – Perspektiven für die Kinder- Krieges in Afghanistan, und interreligiöses Lernen im und Jugendarbeit in Baden- S. 129-134 Communis-Projekt, S. 344-349 Württemberg, S. 281-282

– Gensicke, Jugend 2010, Gender Internationale Bildung S. 322-330

– Messerschmidt, Differenzver- – Nachhaltige Entwicklung und hältnisse. Ansätze zur Kritik Konfliktprävention waren Jugendbildung von Geschlechterordnungen Schwerpunkte des deutsch- und Impulse für die politische mongolischen Fachkräfteaus- – Nachhaltige Entwicklung und Bildung, S. 234-241 tauschs, S. 163-164 Konfliktprävention waren Schwerpunkte des deutsch- – Theaterpädagogik, Gewalt- mongolischen Fachkräfteaus- Geschichte prävention und ökologische tauschs, S. 163-164 Bildung waren Schwerpunkte – Hufer, Politische Erwachse- des diesjährigen Fachkräfte- – Gill, Zur Aktualität Kurt Lö- nenbildung – zur Geschichte austausches mit der Mongolei, wensteins für die politische ihrer Ideen und Konjunktu- S. 286-287 Jugendbildung, S. 242-248 ren, S. 206-217 – Kommission Europäische – Becker, Forschung für die Pra- – Gill, Zur Aktualität Kurt Lö- und Internationale Bildungs- xis? Empirische Ergebnisse zu wensteins für die politische arbeit diskutierte über mögli- Teilnehmenden und Wirkun- Jugendbildung, S. 242-248 che Perspektiven deutsch- gen politischer Jugendbil- israelischer Kooperation, dung, S. 256-263 – Schneider/Ernst, Einsatz von S. 392-394 Zeitzeugen zur DDR-Geschich- – Theaterpädagogik, Gewalt- te: Probleme und Potenziale, – Akademie Biggesee: Deutsch- prävention und ökologische S. 351-356 Chinesischer Jugendaustausch Bildung waren Schwerpunkte weiter ausgebaut, S. 394 des diesjährigen Fachkräfte- austausches mit der Mongolei, Institutionen/Organisationen S. 286-287 Internationales/Internationale – Der Verein Bildung – Begeg- Politik – Schröder, Faire Chancen für nung – Zeitgeschehen Bernau Kinder und Jugendliche. Was feierte sein zwanzigjähriges – Janz, Die globale Verteidi- kann die außerschulische Ju- Bestehen, S. 290 gung von Menschenrechten gendbildung beitragen?, und neue Akteure, S. 331-332 – Festveranstaltung zum S. 19-27 40. Geburtstag des @ba, – Fischer, Rückenwind aus Euro- S. 372-373 – Krieg, „Weltspiel“, S. 43-44 pa für Jugendbeteiligung in Deutschland. Wie die EU-Ju- – Akademie Biggesee: Deutsch- – Schoch, Friedenspolitik im gendstrategie Teil deutscher Chinesischer Jugendaustausch Umbruch, S. 106-113 Jugendpolitik wird, S. 333-338 weiter ausgebaut, S. 394 – Jäger, Th., Die veränderten – Brokmeier, Öfter mal was Rahmenbedingungen deut- Neues. Zum Programm Politi- Interkulturelles Lernen scher Sicherheitspolitik, sche Jugendbildung im Ar- S. 114-121 beitskreis deutscher Bildungs- – Projekt zum Interkulturellen stätten, S. 339-343 Lernen in der politischen Bil- dung erfolgreich abgeschlos- Jugend – Schütze, „Wir müssen vor sen, S. 164-165 Hoffnung verrückt sein“. Ein – Neue Shell-Studie attestiert Rückblick auf interkulturelles – Schütze, „Wir müssen vor Jugendlichen optimistische und interreligiöses Lernen im Hoffnung verrückt sein“. Ein Grundhaltung, S. 278-280 Communis-Projekt, S. 344-349

128 STICHWORTREGISTER

– Was hat die DDR mit Online- – Fischer, Rückenwind aus Euro- Migration/Integration Lernen zu tun?, S. 388-389 pa für Jugendbeteiligung in Deutschland. Wie die EU-Ju- – Bundeskabinett verabschiede- gendstrategie Teil deutscher te Migrationsbericht 2008, Jugendpolitik/Jugendarbeit/ Jugendpolitik wird, S. 333-338 S. 55-56 Jugendhilfe – Brokmeier, Öfter mal was – Integration schreitet voran, – Perspektiven der Jugendpoli- Neues. Zum Programm Politi- muss aber intensiviert wer- tik, S. 46-47 sche Jugendbildung im Ar- den, S. 285 beitskreis deutscher Bildungs- – Regierung will Kampf gegen stätten, S. 339-343 Rechtsextremismus nicht ver- Neue Medien nachlässigen, S. 53-54 – Präventionsprogramme des BMFSFJ sind umstritten, – Heise, Elektronische Beteili- – Bundesregierung und Bun- S. 373-375 gung – Demokratie im Wan- destag wollen freiwilliges del?, S. 37-41 Engagement unterstützen, – Kommission Jugendbildung S. 54-55 erörterte die neuen Program- – Kommission Verwaltung und me des BMFSFJ, S. 389-391 Finanzen befasste sich mit – Neue Bundesjugendministerin Online-Marketing, S. 167 will Jugendliche unterstützen, S. 155-156 Marketing – Was hat die DDR mit Online- Lernen zu tun?, S. 388-389 – Bundesjugendministerium – Kommission Verwaltung und startet Projekte zur Präven- Finanzen befasste sich mit tion von Linksextremismus Online-Marketing, S. 167 Ökonomie und Islamismus, S. 156-157 – Vorstand des AdB, Wirt- – GEMINI zur Initiative des Markt (Aktionen, Tagungen, schaft(en) in gesellschaftlicher BMFSFJ „Demokratie stärken“ Fortbildungsangebote, Verantwortung. Demokratie – – JUGEND FÜR DEMOKRATIE Materialien und Medien) Ökonomie – Politische Bildung, UND GEGEN EXTREMISMUS. Stellungnahme des AdB zu Stellungnahme anlässlich – S. 63, 80-85, S. 182-188, seinem Jahresthema 2010, des Hearings „Linksextre- S. 308-312, S. 411-415 S. 42 mismus und Islamismus“, S. 157-161 – Kurth, Die Finanz- und Wirt- Materialien und Publikationen schaftskrise als Herausforde- – Kommission Jugendbildung rung für die politische Bildung, diskutierte über Perspekti- – Ciupke, 40 Jahre „Außerschu- S. 140-143 ven der Jugendpolitik, lische Bildung“, S. 7-9 S. 166-167 – Böhm, Über die Wirtschafts-, – Bücher, S. 65-79, S. 170-181, Währungs- und Sozialunion – Perspektiven für die Kinder- S. 294-308, S. 397-410 zur Einheit?, S. 357-360 und Jugendarbeit in Baden- Württemberg, S. 281-282 – Neue Publikationen und an- dere Medien aus dem AdB Partizipation – Diskussionen im Bundestag und seinen Mitgliedseinrich- zu den Programmen gegen tungen, S. 62-63, S. 167-168, – Fischer, Rückenwind aus Euro- Links- und Rechtsextremismus, S. 291-292, S. 395 pa für Jugendbeteiligung in S. 283-284 Deutschland. Wie die EU-Ju- gendstrategie Teil deutscher – Schröder, Faire Chancen für Menschenrechte Jugendpolitik wird, S. 333-338 Kinder und Jugendliche. Was kann die außerschulische – Janz, Die globale Verteidi- – Neue Beteiligungsformen in Jugendbildung beitragen?, gung von Menschenrechten der repräsentativen Demokra- S. 331-332 und neue Akteure, S. 19-27 tie – Chancen demokratischer

129 Beteiligung nutzen! Stellung- – Hagmans, S. 169 – Seidenstücker, S. 169 nahme des Arbeitskreises – Halberstadt, S. 396 – Sensburg, S. 292 deutscher Bildungsstätten – Harles, S. 292 – Settele, S. 64 zu seinem Jahresthema 2011, – Harnisch, S. 169 – Spermann SJ, S. 64 S. 350 – Hein, S. 292 – Spieß, S. 169 – Heister-Neumann, S. 170 – Stroppe, S. 63 – Die Nutzung neuer Beteili- – Hendricks, S. 292 – Templin, S. 169 gungsformen stärkt die De- – Hiller, S. 169 – Theunert, S. 169, S. 396 mokratie. AdB diskutierte – Hoffmeier, S. 64 – Tipke, S. 396 sein Jahresthema 2011, – Humme, S. 64 – Tippelt, S. 64 S. 379-382 – Jahn, S. 396 – Tolksdorf, S. 293 – Kammann, S. 64 – Toprak, S. 169, S. 396 – AdB-Mitgliederversammlung – Karcher SJ, S. 64 – Trede, S. 169 beschloss Stellungnahme – Kessler, S. 64 – von der Leyen, S. 63 zum Jahresthema 2011, – Kirsch, S. 293 – von Obernitz, S. 169 S. 383 – Kley, S. 396 – von Uslar, S. 292 – Köppen, S. 64 – von Weiler, S. 169 – Kösters, S. 396 – Wabnitz, S. 169 Personalien – Kolbe, S. 292 – Wachs, S. 396 – Krüger-Leißner, S. 64 – Wagner, S. 396 – Ackermeier, S. 396 – Kunert, S. 396 – Wanka, S. 170 – Alpers, S. 292 – Kutscher, S. 169 – Wehner, S. 293 – Althusmann, S. 170 – Länge, S. 292, S. 293 – Weinberg, S. 292 – Andresen, S. 169 – Landgraf, S. 292 – Wellenreuther, S. 292 – Augter, S. 63 – Laurischk, S. 64 – Werthmanns-Reppekus, S. 169 – Balnis, S. 64 – Lazar, S. 292 – Westphal, S. 396 – Barthel, S. 292 – Lehwald, S. 396 – Widmaier, S. 64 – Beck, S. 292 – Lösekrug-Möller, S. 292 – Winkelmeier-Becker, S. 292 – Becker, S. 64 – Lübking, S. 169 – Wolff, S. 170 – Becker-Stoll, S. 169 – Lüders, S. 64 – Ziegenhain, S. 169 – Beneke, S. 169 – Maaß, S. 293 – Bickmann, S. 64 – Meinhardt, S. 292 – Birthler, S. 396 – Melcher, S. 396 Politische Bildung – Bracciali, S. 293 – Mendel, S. 396 – Brand, S. 292 – Merchel, S. 169 – Vorstand des AdB, Wirt- – Brandl, S. 292 – Meuser, S. 396 schaft(en) in gesellschaftli- – Brandner, S. 292 – Meyer, S. 396 cher Verantwortung. Demo- – Braßler, S. 396 – Mörchen, S. 169 kratie – Ökonomie – Politische – Brauser, S. 64 – Neumann, S. 292 Bildung, Stellungnahme des – Calmbach, S. 396 – Niederfranke, S. 63 AdB zu seinem Jahresthema – Corsa, S. 169, S. 293 – Niemann, S. 292 2010, S. 42 – Demmler, S. 396 – Nock, S. 64 – Ehrmann, S. 169 – Ogrzall, S. 64 – Jäger, U., Zivile Konfliktbear- – Eich, S. 169 – Olbertz, S. 170 beitung im Schatten des – Engler, S. 396 – Olk, S. 169 Krieges, S. 122-128 – Flosdorff, S. 63 – Piltz, S. 292 – Frieling, S. 169 – Rabanus, S. 169 – Gandenberger, Konflikt und – Frieser, S. 292 – Rauschenbach, S. 169 Frieden in der politischen Bil- – Füssel, S. 169 – Reinhardt, S. 169 dungsarbeit am Beispiel des – Gehring, S. 292 – Rommerskirchen, S. 63 Krieges in Afghanistan, – Gentner, S. 64 – Schäfer, S. 169 S. 129-134 – Gohlke, S. 292 – Schier, S. 64 – Gries, S. 169 – Schnieders, S. 293 – Kurth, Die Finanz- und Wirt- – Griese, S. 64, S. 293 – Schtumm, S. 396 schaftskrise als Herausforde- – Grütters, S. 64 – Schultheis, S. 396 rung für die politische Bil- – Gwosdz, S. 396 – Sehrbrock, S. 169 dung, S. 140-143

130 STICHWORTREGISTER

– Projekt zum Interkulturellen – Nachrichten über Herausfor- Soziale Bewegungen Lernen in der politischen Bil- derungen der politischen Bil- dung erfolgreich abgeschlos- dung, S. 370-372 – Auhagen, Chancen und Gren- sen, S. 164-165 zen der globalisierungskriti- – AdB-Mitgliederversammlung schen (Bildungs-) Bewegung – Ciupke, Zwischen Theorie und beschloss Stellungnahme Attac, S. 28-36 Praxis. Beobachtungen und zum Jahresthema 2011, Anmerkungen zu Orientie- S. 383 – Die Nutzung neuer Beteili- rungssystemen, Autonomie gungsformen stärkt die De- und Bewegungsbezug in der – Fachgespräch zum Linksextre- mokratie. AdB diskutierte sein Außerschulischen politischen mismus als Thema politischer Jahresthema 2011, S. 379-382 Bildung, S. 198-205 Bildung, S. 384-387

– Hufer, Politische Erwachse- Weiterbildung nenbildung – zur Geschichte Politische Kultur ihrer Ideen und Konjunktu- – BMBF: Bildungsprämie hat ren, S. 206-217 – Bruns, Kritische Reflexionen sich bewährt, S. 51 zur Zeit: Krise der Demokra- – Klose, „Vom Wissen der Bil- tie?, S. 10-18 – Weiterbildungsträger fordern dung“, S. 218-225 Verbesserung der Anrechnung – Auhagen, Chancen und Gren- von Weiterbildungsleistun- – Bremer/Kleemann-Göhring, zen der globalisierungskriti- gen, S. 51-52 Demokratiepädagogik oder schen (Bildungs-) Bewegung politische Bildung: Gegensatz Attac, S. 28-36 – Neues aus der Weiterbildung, oder falsche Alternative?, S. 154-155 S. 226-233 – Heise, Elektronische Beteili- gung – Demokratie im Wan- – Weiterbildungstrends, – Messerschmidt, Differenzver- del?, S. 37-41 S. 276-278 hältnisse. Ansätze zur Kritik von Geschlechterordnungen – Vorstand des AdB, Wirt- – Stalfort, Kollegen im europäi- und Impulse für die politische schaft(en) in gesellschaftlicher schen Ausland über die Schul- Bildung, S. 234-241 Verantwortung. Demokratie – ter schauen – Besuche und Ökonomie – Politische Bil- Austausche für Erwachsenen- – Allespach/Wentzel, Subjekt- dung, Stellungnahme des AdB bildner/-innen im EU-Grundt- orientierung und kritische zu seinem Jahresthema 2010, vig-Förderprogramm, Psychologie – neue Ansätze S. 42 S. 361-362 in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, – Studie und Tagung zu Bedin- – Mehr berufliche Weiterbil- S. 249-255 gungsfaktoren gesellschaft- dung durch Bildungsprämie, lichen Zusammenhalts, S. 368 – Becker, Forschung für die Pra- S. 161-162 xis? Empirische Ergebnisse zu – Kein Mindestlohn in der Teilnehmenden und Wirkun- – Neue Beteiligungsformen in Weiterbildungsbranche, gen politischer Jugendbil- der repräsentativen Demokra- S. 368 dung, S. 256-263 tie – Chancen demokratischer Beteiligung nutzen! Stellung- – Bildungsurlaubsentwicklun- – Matthis, „Standort Deutsch- nahme des Arbeitskreises gen in Niedersachsen und land – Wohlstand für alle?“ deutscher Bildungsstätten NRW, S. 368-370 Ein Seminar des Arbeitneh- zu seinem Jahresthema 2011, merzentrums Königswinter S. 350 (AZK), S. 264-266 Zivilgesellschaft – Die Nutzung neuer Beteili- – Roth, Energiesicherheit in gungsformen stärkt die – Studie und Tagung zu Bedin- Europa. Ein Planspiel über Demokratie. AdB diskutierte gungsfaktoren gesellschaft- Ressourcenkonflikte, sein Jahresthema 2011, lichen Zusammenhalts, S. 267-272 S. 379-382 S. 161-162

131 IMPRESSUM

Außerschulische Bildung 1-2011 Die Außerschulische Bildung wird als Fachzeitschrift für politische Jugend- 42. Jahrgang und Erwachsenenbildung vom Ar- beitskreis deutscher Bildungsstätten Materialien zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung – (AdB) herausgegeben. Verband, Her- Mitteilungen des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e. V. ausgeberin und Herausgeber, Redak- tionsbeirat und die Redakteurin Herausgeber: möchten dadurch Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V., vertreten durch Dr. Paul Ciupke und Ulrike Steimann ■ zur fachlichen und wissenschaft- lichen Reflexion der Praxis politi- Redaktion: scher Jugend- und Erwachsenen- Ingeborg Pistohl bildung beitragen und damit die Professionalität pädagogischen Redaktionsbeirat: Handelns stärken, Ina Bielenberg, Gertrud Gandenberger, Dr. , Wolfgang Pauls, Dr. Melanie Piepenschneider, Imke Scheurich ■ aktuelle und relevante Themen aus Politik und Gesellschaft auf- Redaktions- und Bezugsanschrift: greifen und im Hinblick auf ihre AdB, Mühlendamm 3, 10178 Berlin, Behandlung in der politischen Bil- Tel. (0 30) 400 401-11 u. 12 dung aufbereiten, www.adb.de E-Mail: [email protected], ■ Beispiele der Bildungsarbeit öf- [email protected] fentlich machen und ein Schau- fenster des Arbeitsfeldes bieten, Herstellung: Druckcenter Meckenheim/Brandenburgische ■ theoretische und fachliche Diskus- Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft sionen in Beziehung setzen und Potsdam mbH die Diskurse in der Profession und den wissenschaftlichen Bezugs- ISSN 0176-8212 disziplinen jeweils miteinander bekannt machen, Bildnachweis: Copyrighthinweise s. Fotos. Die Abbildungen in Wikipedia ste- ■ Methoden der politischen Bildung hen unter der GNU Free Documentation License: vorstellen, http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:GNU_Free_Docu- mentation_License_1.2 ■ neue fachbezogene Publikationen und/oder der Lizenz Creative Commons (cc): www.creativecom- und Medienproduktionen präsen- mons.org/licenses/by-sa/3.o/deed.de tieren und in ihrer Relevanz für die Bildungsarbeit einschätzen, Bezugsbedingungen (gültig ab Ausgabe 1-2003) Einzelheft € 6,00 ■ über bildungs- und jugendpoliti- 1-3 Abonnements (jährlich) € 16,00 sche Entwicklungen in Bund und ab 4 Abonnements (jährlich) € 12,00 Ländern berichten, Abonnements für Studenten, Prakti- kanten, Referendare, Arbeitslose (jährlich) € 12,00 ■ Nachrichten aus dem AdB und an- (bitte jährlich Bescheinigung übersenden) (zuzüglich Porto) deren Fachverbänden verbreiten.

Die Mitglieder des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten er- halten je ein Exemplar kostenlos.

Diese Zeitschrift wird maßgeblich durch Mittel des Bundesminis- teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und von der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-West- falen unterstützt.

132 133 134 Außerschulische Bildung 1-2011 ISSN 0176-8212 ueshlsh idn 1-2011 Außerschulische Bildung Materialien zurpolitischenJugend-undErwachsenenbildung Rechtsextremismus Rechtspopulismus/ menschenfeindliche Ideologien Politische Bildunggegen als Erlebniswelten Rechtsextreme Jugendkulturen Europäischen Union Rechtspopulismus inder Gegenmacht Erscheinungsformen, Ursachen,