13474 Deutscher – 19 Wahlperiode – 108 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 Juni 2019

Tino Chrupalla (A) Zum Schluss. Ich bin dafür, dass wir an nachfolgen- wirtschaftlichen und sozialen Logik, sondern ist auch (C) de Generationen echte Werte weitergeben und nicht nur rechtlich nicht in Ordnung. Grenzwerte. Wir von der CDU/CSU-Fraktion hingegen fordern Vielen Dank. getreu dem Rechtsstaatsprinzip einen klaren Bestands- schutz für Gründer, die die letzten Jahre in Gewerken der (Beifall bei der AfD) Anlage B1 ihren Beruf ausüben, auch nach Einführung der Meisterpflicht. Ich denke, es wird Sie daher insge- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: samt nicht verwundern, wenn wir Ihren Gesetzentwurf Astrid Grotelüschen, CDU/CSU, ist die nächste Red- ablehnen werden. nerin. Nun zum Eigentlichen, liebe Kollegen. Seit unserem (Beifall bei der CDU/CSU) Parteibeschluss 2016 – auch da möchte ich, dass Sie die Ohren spitzen; auch schon davor haben wir über dieses Thema diskutiert und haben Beschlüsse gefasst – for- (CDU/CSU): Astrid Grotelüschen dern wir als CDU eine Wiedereinführung des Meisters – Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen grundgesetz- und europarechtskonform. In dem Span- und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir nungsfeld, in dem wir uns befinden – das Thema „freie debattieren heute einen Gesetzentwurf, der in seiner, ich Berufswahl und Berufsausübung in Deutschland“ zum nenne es mal, nett formuliert, Ahnungslosigkeit dem zu- Beispiel –, haben wir im April in dieser Koalition ein um- gehörigen Thema in keinster Weise gerecht wird; denn fassendes Verfahren in Gang gesetzt, nicht weil Sie das bei der Wiedereinführung der Meisterpflicht gilt es, wie beantragt haben, sondern weil wir wussten, dass wir eine bei guter handwerklicher Arbeit üblich, sich an den Kun- intensive Diskussion brauchen, und vor allen Dingen, denwünschen zu orientieren, vom Ende her zu denken, weil wir einen transparenten Austausch ermöglichen wol- das richtige Werkzeug auszuwählen und in der Umset- len. Seit Mai war es den betroffenen Gewerken deshalb zung große Sorgfalt und alles verfügbare Fachwissen möglich, schriftlich Stellung zu nehmen; im Juni war es anzuwenden. auch mündlich möglich. Als Abgeordnete – ich denke, da Die Kollegen von der AfD machen es sich mit ihrem geht es Ihnen allen nicht anders, liebe Kolleginnen und Gesetzentwurf da etwas einfach, und sie machen es vor Kollegen – erreichen mich fast täglich Zuschriften von allen Dingen etwas grobmotorischer: Sie stülpen allen Kammern, Verbänden, von einzelnen Unternehmern, die ihre Vorstellungen auf, blenden Machbarkeit komplett sich in der einen oder auch anderen Form gegen die Wie- aus, nehmen den Vorschlaghammer und hauen ohne gro- dereinführung oder für die Wiedereinführung des Meis- terbriefes aussprechen. Allen Interessierten gilt daher der (B) ßes Nachdenken drauf. Das jedoch wird der Vielfalt im (D) Handwerk nicht gerecht. Wären Sie bei der Anhörung im Hinweis: Die Frist für schriftliche Stellungnahmen läuft Wirtschaftsministerium Anfang Juni aufmerksam oder noch. Beteiligen Sie sich bei Interesse. Dazu braucht man überhaupt dabei gewesen – ich habe niemanden von nur auf die Seiten des Ministeriums zu schauen. Ihnen dort getroffen –, wüssten Sie, dass es unter den Nun, als vorerst letzten Zwischenschritt, haben wir 53 eingeladenen Gewerken einige gibt, die der Wieder- am Mittwoch dieser Woche Wissenschaftler und Vertre- einführung skeptisch gegenüberstehen ter der Sozialpartner im Wirtschaftsausschuss angehört. ( [AfD]: Drei!) Im Mittelpunkt standen dabei die Rahmenbedingungen, die erfüllt werden sollen, um den Meister für einige Ge- und die sich auch nicht, wie Sie es schreiben, im Kern werke rechtskonform – ich sagte es bereits – wieder ein- destabilisiert und in ihrem Fortbestand gefährdet sehen. zuführen. Ich denke, das fällt unter das Stichwort „Kun- Das gilt es anzuerkennen und in die Überlegungen in die- denwünsche“. In den kommenden Wochen und Monaten ser Debatte mit einzubeziehen. wird das Wirtschaftsministerium dann die eingegange- Darüber hinaus – ich sagte es schon – sehen Sie vie- nen Stellungnahmen und die Strukturdaten auswerten les wirklich viel zu einfach. Das zeigt zum Beispiel Ihre und konkrete Vorschläge vorlegen. Forderung, dass sich Altgesellen, die sich nach 2004 in „Warum tun wir das alles?“, wird sich mancher fra- ihrem Beruf selbstständig gemacht haben, innerhalb von gen. Meister, Handwerk, ist das nicht alles von gestern? zwei Jahren einen Meistertitel erarbeiten sollen. Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Es gibt zwei Wege, eine Karriere zu starten. Der eine ist der akade- (Dr. [AfD]: Irre!) mische Weg, der andere ist der berufliche Weg mit einer Nur zum Verständnis: Eine Meisterausbildung dauert erstklassigen dualen Ausbildung. in Vollzeit ein bis zwei Jahre. Für Menschen, die einen (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Betrieb führen, Mitarbeiter beschäftigen, ihre Familie [FDP]) ernähren sollen, wäre eine berufsbegleitende Aufstiegs- fortbildung mit drei bis vier Jahren zum Beispiel realisti- Dessen Aushängeschild ist der Meister, die Meisterin. scher. Sie wollen also diejenigen, die sich in den letzten Mit der Wiedereinführung wollen wir insbesondere – 15 Jahren nach geltendem Recht selbstständig gemacht das ist auch gesellschaftspolitisch ganz wichtig – jungen haben, bestrafen. Sie meinen ganz lapidar, dass die finan- Menschen ein Signal geben: Du machst, wenn du dich für ziellen Aufwendungen für Ihre Zwangsmaßnahme durch diese Berufsausbildung entschieden hast, am Ende nicht die selbstständigen Handwerksgesellen finanziert wer- etwa eine Tätigkeit, die jeder machen kann, sondern du den sollen. Das widerspricht nicht nur jeglicher markt- hast einen Mehrwert. Mach deinen Meister, dann kannst Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2019 13475

Astrid Grotelüschen (A) du dich selber entfalten. Du kannst ein Unternehmen füh- ben, mal einen herausragenden Gesetzentwurf zu schrei- (C) ren, du kannst Mitarbeiter anstellen, und du kannst wie- ben. derum ausbilden. ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir wollen dazu beitragen, dass das Handwerk wieder NEN]: Das ist dem Praktikanten gegenüber stärker aus sich selber heraus wächst. Wir wollen den sin- unfair! Der arme Praktikant!) kenden Zahlen an Meisterprüfungen in den liberalisierten Gewerken entgegentreten; denn wenn weniger Menschen – Ich komme gleich dazu. – Der hat drei Tage darüber eine Meisterprüfung ablegen, können auch weniger Men- geschwitzt und hat dann einfach Ihren alten Antrag mit schen ausgebildet werden. Weniger Meister und Gesellen „kopieren und einfügen“ in diesen Gesetzentwurf ge- bedeutet aber auch, dass weniger Menschen die traditi- packt. Dabei wurden wieder dieselben Fehler gemacht onsreiche Handwerkskultur weitertragen. Damit ginge wie beim letzten Mal. Lassen Sie sich doch endlich mal uns allen auch ein Stück weit Identität verloren. Auch den Unterschied zwischen Handwerkskammer und IHK dieser Aspekt kann für junge, aufstrebende Nachwuchs- erklären! In Ihrer Begründung bringen Sie schon wieder kräfte ein Ansporn sein, nämlich Teil dieser exzellenten alles durcheinander. Das kann man auch an Ihren inhalt- Gruppe zu werden. lichen Forderungen erkennen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit unserem In der letzten Sitzungswoche – wir haben das schon transparenten und, wie ich finde, sehr offenen Prozess gehört – gab es im Wirtschaftsministerium eine zwei- werden die Stärken des Handwerks in den Fokus gerückt. tägige Anhörung zur Meisterpflicht. Alle Gewerke, die Wir treten Fehlentwicklungen entgegen. Wir erhöhen die die Meisterpflicht zurückhaben wollten oder auch nicht, Widerstandskraft der Betriebe am Markt und schaffen so konnten ihre Argumente vorbringen. Jeder Abgeordne- Arbeitsplatzsicherheit und erhöhen damit den Verbrau- te, den das Thema interessierte, konnte dort teilnehmen. cherschutz. Ein letzter, aber für uns trotzdem nicht weni- Woher ich das weiß? Das kann ich Ihnen genau sagen: ger wichtiger Punkt ist, dass wir mit einem fachlich und Ich habe wirklich zwei Tage bei der Anhörung verbracht. in der wirtschaftlichen Breite gut aufgestellten Handwerk Ich habe mir Argumente pro und kontra angehört, habe in der Lage sind, die reichen Kulturschätze – hören Sie viele Gespräche geführt. Außer mir waren gerade mal genauer zu! –, die wir unserer jahrhundertealten Hand- die Kollegin Poschmann und die Kollegin Grotelüschen werkstradition verdanken, adäquat zu erhalten – mal ganz wenigstens zeitweise da. Sie haben sich einen Eindruck abgesehen davon, dass das Handwerk an sich schon ein verschafft. Aber wer war nicht da? Die Abgeordneten der erhaltenswertes Kulturgut ist, das früher und auch heute AfD. noch Tradition mit Innovation verband bzw. verbindet (B) und damit eine tragende Säule unseres Mittelstandes ist, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (D) der unsere Unterstützung mehr als verdient hat. der CDU/CSU – Dr. [FDP]: Herzlichen Dank. Hört! Hört!)

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Jetzt spiegeln Sie wieder Ihr Interesse vor, etwas für ordneten der SPD und der FDP) das Handwerk tun zu müssen. Wenn Sie bei der Anhö- rung gewesen wären, wüssten Sie, dass nicht alle Gewer- ke – Sie sprechen von drei Gewerken – wieder zur Meis- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: terpflicht zurückwollen. Sie wollen hier dem Handwerk Manfred Todtenhausen, FDP, ist der nächste Redner. etwas aufzwingen, was am Ende zur Zerschlagung von gut funktionierenden Unternehmen führt – zulasten der (Beifall bei der FDP – Dr. Stefan Ruppert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn Sie bei der An- [FDP]: Jetzt kommt der Höhepunkt der De- hörung gewesen wären, wüssten Sie auch, dass nicht für batte!) alle Gewerke, die gerne zur Meisterpflicht zurückwollen, eine ausreichende rechtliche Begründung vorhanden ist. Sie wollen hier also bewusst falsche Hoffnungen we- Manfred Todtenhausen (FDP): cken, von denen Sie ganz genau wissen müssten, dass Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kol- Sie sie enttäuschen müssen. legen von der AfD, was haben Sie sich denn da geleis- tet? Ich bin erstaunt über diesen Gesetzentwurf. Er ist an Das sollte spätestens auch am Mittwoch bei der An- Ahnungslosigkeit, an Unwissenheit kaum zu überbieten. hörung im Wirtschaftsausschuss verstanden worden sein. Die Gleichgültigkeit, mit der Sie dieses Papier gemacht Ich war auch dort und hatte einen völlig anderen Ein- haben, zeigt deutlich, wie wenig wahres Interesse die druck als Sie. AfD am Handwerk hat. (Zustimmung der Abg. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten [SPD] – Claudia Müller [BÜNDNIS 90/DIE der CDU/CSU und der SPD) GRÜNEN]: Wir alle!)

Einfach mal was raushauen, irgendwas wird schon hän- Da sah das eigentlich ganz anders aus. Da gab es nur gen bleiben: So kennen wir Sie. Ich habe das Gefühl: Da begrenzten Zuspruch. Wie wir seit Dezember wissen, haben Sie einem jungen Praktikanten die Chance gege- würden Ihre Anträge dem Meisterwesen eher schaden als