DDoorrffzzeeiittuunngg Leben zwischen Lieps und Havelquelle

Aus dem Vereinsleben zwischen Lieps und Havelquelle  „Rinderof- fenstall “  Kuckucksberg war ursprünglich ein slawischer Name  Naturdenkmale in der Gemeinde Hohenzieritz  Henry See- dorfs neue alte Obstsorten  Siedlungshäuser – Haus- und Hoftypen in der Gemeinde Klein Vielen Teil I  75 Jahre Hartwigsdorf  Als die Siedler nach Peckatel und Hartwigshof kamen  15 Jahre NSG Klein Vielener See – eine Zwischenbilanz

Nr. 3 (2011) 2 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) Neues aus dem Verein Klein Vielen e. V.

„Dorfputz“ 2011 Zusammen mit der Bürgermeisterin lud der Verein am 16. April diesen Jahres zum traditionellen Dorfputz ein. Mehr als 30 Bürger und Bürgerinnen unserer Ge- meinde, insbesondere des Vereins Klein Vielen e. V und der Freiwilligen Feuer- wehr, nahmen teil und säuberten die So sieht ein Wolf aus – Quelle Foto: Straßen und Wege in den Gemeindetei- http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons /2/2e/Canis_lupus_2_%28Martin_Mecnarowski len und dazwischen. Wieder kam eine %29.jpg ganze Wagenladung an Müll und Unrat zusammen. Man wundert sich, wie viele meinde und der Nachbargemeinde Ho- Zeitgenossen immer noch unsere Land- henzieritz, wie ein Wolf aussieht, wie er schaft als Müllkippe gebrauchen oder lebt, wo er lebt, dass in Mecklenburg- besser missbrauchen. Vorpommern drei einzelne Wölfe leben, und vieles mehr. „Der Wolf streift durch unsere Wäl- der…“ Unter diesem Motto luden das National- Der KREATIVCLUB der Son- parkamt Müritz und unser Verein alle nenkinder im Klein Vielen e. V. Kinder ab 6 Jahren zum 7. Mai 2011 zu einer Veranstaltung im Gemeindezent- Der Kreativklub erfreut sich bei allen rum ein, um den Wolf mit seinen Eigen- Bastelfreunden immer größerer Beliebt- schaften und Gewohnheiten näher ken- heit. Einmal monatlich treffen wir uns nen zu lernen. samstags um 10.00 Uhr im Gemeinde- Volker Spicher vom Nationalparkamt Mü- zentrum in Peckatel. Jedes Treffen steht ritz erzählte Kindern aus unserer Ge- unter einem anderen Thema, welches

Dorfputz 2011 – Foto: Ulrich Krieger – mit freundlicher Genehmigung des Bildautors Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 3

durch Aushänge in den Schaukästen be- „Mazurka der Liebe“ (1957), Regie: Hans kannt gegeben wird, z. B. „Filzen“, „Ker- Müller) nach der Operette „Der Bettel- zen ziehen“ oder das „Basteln mit Na- student“. turmaterial“ (siehe Fotos). Ein „Highlight“ in unserer kleinen Film- Es entstehen immer tolle Sachen, die reihe die ungeschnittenen Film- sich jeder mitnehmen kann. szenen, die Pitt Venherm aus Klein Vie- Der Kreativclub ist für alle kostenlos und len am 25.2.2011 vorführte. An unserem finanziert sich von Geldern des „Klein zweiten Filmabend zeigten wir eine bun- Vielen e.V.“, Zuwendungen der Gemein- te Auswahl bisher nicht veröffentlichter de und natürlich Spenden, über die wir „Filmschnipsel“ als einfühlsames Stück uns jederzeit freuen. In diesem Zusam- Lokalgeschichte: Fahrten übers Land, menhang bedankt sich der Verein herz- Bilder aus und Peckatel aus lich für die Spende von Familie Blohm. der „Wendezeit“, Konsum, Schule, LPG,

Filmabende Auch im Winter 2010/2011 veran- stalteten wir eine kleine Filmreihe mit Filmen, die einen Bezug zur meck- lenburgischen Landschaft, ihrer Geschichte und zur Geschichte unserer Gemeinde haben. Auf mehrfach ge- äußerten Wunsch vor allem älterer Bürger der Ge- meinde zeigten wir am 28.1.2011 den Der Bär – äh, der Wolf war los im Gemeindezentrum DEFA-Spielfilm – aber: nur gucken, nicht streicheln 4 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Kreativclub beim Kerzenziehen – Foto: Hartmut Nieswandt – mit freundlicher Genehmigung des Bildautors

Gespräche und Interviews mit Christian nehmerinnen wie im letzten Jahr eine Ullrich, Käthe Schwab, Gisela Krull, Gün- sehr positive Resonanz gehabt. ther Schramma, der ehemaligen Ge- Danken möchten wir an dieser Stelle meindeschwester Sabine Schulz, den wiederum allen Vereinsmitgliedern, die Traktoristen der LPG und, und, und…. an der Vorbereitung und Durchführung Den Abschluss der Winter-Filmreihe und der Veranstaltungen beteiligt waren, eine Einstimmung auf die warme Jahres- sowie den Gästen, die durch ihre Spen- zeit bildete der Film „Ein irrer Duft von den dafür gesorgt haben, dass die Li- frischem Heu“ (DDR 1977), ebenfalls zenzgebühren für die Filme und die nicht nur ein Stück Zeit-, sondern auch ein Stück Regionalgeschichte, u. a. weil er Mundart und Land- schaft mecklenburgischer Dörfer aufnimmt. Gleichzeitig ist er ein Stück politischer Zeitgeschichte, da er in fast schon anarchistischer Form die ideologischen Auseinan- dersetzungen auf die Schippe nahm. Insgesamt haben die Veranstaltun- gen mit jeweils 40 und – bei Pitt Venherms Filmszenen – sogar mehr als 90 Teilnehmern und Teil- Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 5 sonstigen Unkosten nahezu gedeckt wurde verlesen und die Wahl des neuen werden konnten sowie Pitt Venherm, der Vorstandes stand auf der Tagesordnung. seine Filmausschnitte kostenfrei zeigte. Unter der Leitung von Bärbel Pretzsch- Uta Matecki & Elke Schramma Zachow wurden eine Reihe von Veran- staltungen, wie Bowling, Kinderfest, Sportfest, Radwanderung, Nordic Wal- Adamsdorfer Sportverein king, Kartenspiele, Herbstfest und zahl- startet durch reiche Fußball- und Volleyballturniere absolviert. Nun übergibt sie den Staffel- Adamsdorf (EB/ct). Der Sportverein SV stab an Anne Freimann, die sich mit Adamsdorf hat sich mit einer neuen neuen Projekten, frischen Ideen und der Strukturierung und Gewinnung von neu- zahlreichen Unterstützung der Vor- en und zahlreichen Mitgliedern in der standsmitglieder, zu denen auch als jährlichen Mitgliederversammlung ge- Neumitglied Anette Schröder als Schrift- stärkt und startet mit einer Vielzahl von führerin zählt, neuen Schwung in den Veranstaltungen durch. Verein bringen wird. Auf der einberufenen Veranstaltung 2010 hat der SV Adamsdorf 1000,00 € konnten 23 Mitglieder den neuen Veran- bei einem privaten Radiosender gewon- staltungsplan einsehen, der Rechen- nen, für den notwendigen Anruf beim schaftsbericht des vergangenen Jahres Sender wurde dafür Sportfreund Ralf

Foto: Carsten Tiedt

Startaufstellung zum Boßeln am Ortsausgang von Adamsdorf mit Einweisung in die Spielregeln 6 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Brockmann gedankt. wurde aufgeholt. Neben vielen Veranstaltungen in diesem Am Zielpunkt angekommen, brachte das Jahr 2011 ist neben dem Besuch der überraschende Ergebnis großes Erstau- Therme in Templin und des Kletterwal- nen. Der sportliche Trainingswettkampf des in das Boßelturnier gegen und das Näherbringen der neuen Sport- Klein Vielen am 21.05.2011 hervorzuhe- art führten zu einem Unentschieden bei- ben. Der Sportverein „SV Adamsdorf der Mannschaften. e. V.“ hat damit eine neue Ballsportart Die Adamsdorfer Sportler sind sich einig, aus Norddeutschland nach Mecklenburg weitere Veranstaltungen dieser Art gebracht. durchzuführen, und nun auch gegen Die Adamsdorfer boßeln seit 2009, nach Mannschaften aus der Gemeinde anzu- einer kurzen Einweisung durch Bärbel treten. Pretzsch-Zachow wurden zwei Mann- Carsten Tiedt schaften eingeteilt. Dann ging es in herr- licher Natur auf die 3,5 Stunden lange Strecke nach Liepen. Hierbei wurden In Sachen Fremdenverkehr abwechselnd von den Mannschaften die aktiv – Der Tourismusverein Boßelkugeln so weit wie möglich gerollt. Der nächste Werfer setzt an dem Punkt Havelquellseen e. V. des vorherigen Werfers an. Ziel ist es, Der Tourismusverein Havelquellseen die jeweilige Wegstrecke mit möglichst e. V. besteht seit 1995 und hat derzeit wenigen Würfen zu überwinden. 25 Mitglieder. Hiervon sind die meisten Zwischenzeitlich führte Mannschaft B vor Vermieter und touristischen Betriebe in Mannschaft A, aber auf der Rücktour der Gemeinde ansässig, es nach Adamsdorf hatten sich die Sportler gibt aber auch Mitglieder in den Ge- der Mannschaft A eingeboßelt und es meinden , Klein Vielen und Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 7

Roggentin. vor Weihnachten. Zu diesen Terminen Partner des Vereins ist der Müritz- werden auch fachkundige Gäste einge- Nationalpark. laden. Schwerpunkt der Vereinsarbeit ist die Da die meisten Mitglieder in der Ge- Vermittlung von Ferienquartieren im Ha- meinde Kratzeburg beheimatet sind, be- velquellgebiet. Dies erfolgt über eine teiligt sich der Tourismusverein an den Anrufweiterleitung mit Führung einer Dorffesten wie dem Havelfest und dem Liste der freien Quartiere. Ein Gastge- Erntedankfest. Im zeitigen Frühjahr fin- berverzeichnis und vieles andere mehr det außerdem eine Müllsammelaktion finden sich auch auf der Internetseite statt, die jedes Mal in einem anderen www.havelquellseen.de, die gerade neu Ortsteil durchgeführt wird. gestaltet worden ist. Natürlich sind neue Mitglieder im Tou- Des Weiteren erhalten Vermieter, die rismusverein Havelquellseen gerne ge- Vereinsmitglieder sind, Gästemappen sehen, auch wenn der Fremdenverkehr mit aktuellen Broschüren und Informa- in der Gemeinde Klein Vielen (noch) tionen über Veranstaltungen während nicht ganz so bedeutend wie in Kratze- der Saison. burg ist. Aber vielleicht ist ja gerade das Der Mitgliederinformation und -weiter- ein Grund sich zu engagieren. bildung dienen die Versammlung im Martin Kaiser, Vereinsvorsitzender Frühjahr und das Adventstreffen kurz

Mitglieder des Tourismusvereins Havelquellseen e. V. in Aktion 8 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) Neues aus der Arbeit der Im letzten Jahr wurde der Schulungs- raum des Feuerwehrhaues in Klein Vie- Freiwilligen Feuerwehr Klein len renoviert. Hier zeichnete sich der Vielen Kamerad Jens Zimmermann besonders aus. Auf der Jahreshauptversammlung unse- Zur Feuerwehr Klein Vielen gehören ge- rer Feuerwehr am 26. Februar 2011 war genwärtig 27 aktive Mitglieder, 16 in der von der Gemeindewehrführerin Roswitha Reserve und fünf in der Ehrenabteilung. Hesse zu erfahren, dass die Kameradin- Ein Mitglied wurde aus der Jugendfeu- nen und Kameraden der Klein Vielener erwehr übernommen. Wehr insgesamt zu 17 Einsätzen alar- miert wurden. Unter den vier Brandein- Jugendfeuerwehr sätzen waren zwei Schornsteinbrände!! Zu den 12 Hilfeleistungen zählten u. a. Für die Mitglieder unserer Jugendwehr Ölspurbeseitigung, durch Vereisung um- war das Jahr 2010 ein sehr turbulentes. gestürzte Bäume von der Fahrbahn Leider verringerte sich nach der Wahl räumen, ja sogar Suchen einer vermiss- des Jugendwarts im Februar die Mitglie- ten Person. derzahl von 21 auf 8. Ursachen waren Bedauerlich ist, dass während der Ein- Missgunst und einige Missverständnisse sätze der LO (Feuerwehrfahrzeug) fast innerhalb der Feuerwehr. Deshalb zogen regelmäßig stehen blieb. Das längst fäl- einige Eltern ihre Konsequenzen und lige neue Feuerwehrfahrzeug soll noch kündigten die Mitgliedschaft ihrer Kin- in diesem Jahr zum Einsatz kommen. der. Dennoch trafen sich unsere Jüngs- Die Kameraden sind zuversichtlich, da ten 14-tägig sonnabends zu Ausbildung. die Fördermittel zugesagt sind und die Ziel war es trotzdem beim Amtsaus- vorzeitige Ausschreibung demnächst er- scheid wieder einen guten Platz zu bele- folgen soll. gen – es wurde leider nur der sechste. Auch bei Aktivitäten in der Gemeinde Ein besonderes Erlebnis war der Spaß- wie Ostereiersuchen, Drachenfest, Fa- wettkampf der Feuerwehr Wanzka. An ckelumzug, Nikolausfeier und Vorberei- diesem vergnüglichen Tag erkämpfte tung des Parkfestes wirkten unsere Feu- unsere Jugendwehr einen Pokal. erwehrleute stets mit. In den Sommerferien fuhren vier Jungen Alle 14 Tage treffen sich alle aktiven und Mädchen und zwei Erwachsene ins Kameraden am Feuerwehrhaus zur Aus- Ferienlager nach Neuendorf. bildung, um erfolgreich bei der Brandbe- Sehr interessant und lehrreich gestaltete kämpfung zu wirken, aber auch zur Ver- sich für unsere Jugendlichen der „24- besserung der eigenen Sicherheit. Stundendienst“ der Feuerwehr Salow. Auch in diesem Jahr möchten sie einen Hier bekamen sie einen Einblick in die vorderen Platz beim diesjährigen Amts- Arbeit der Rettungskräfte und spürten ausscheid am 28. Mai in er- am eigenen Leibe, wie schwer es ist, ringen. Zwei Kameraden schlossen die nach dem Motto „Löschen, Bergen, Ret- Truppmann- und Sprechfunkausbildung ten, Schützen“ zu handeln. erfolgreich ab. Unsere Gemeindewehr- Mit einem zweiten Platz kehrten unsere führerin war zwei Wochen lang zur Qua- Jugendwehrmitglieder vom Sternmarsch lifizierung an der Feuerwehrschule in am 18. September aus Blankensee zu- . rück. Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 9

Fotos: Horst Seedorf 10 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Die diesjährige Lehrfahrt führte am 27. November ins Feuerwehrmuseum in Schwerin. Hier konnten alle Beteiligten sich über die Entwicklung der Feuer- wehrtechnik informieren. Anschließend stand ein erlebnisreicher Besuch des Rostocker Weihnachtsmarktes auf dem Programm. Während der Jahreshauptversammlung bedankte sich der Jugendwart Sven Obitz bei den Sponsoren Herrn Unger, Herrn Vonhoff, der Babybörse und dem Amt Neustrelitz/Land. Besonders be- dankte er sich bei Herrn Olaf Schulz für die großzügige Spende von 1 100 Euro. http://www.feuerwehr- Dadurch ist es möglich, dass alle Mit- willmenrod.de/images/cartoonA.jpg glieder unserer Jugendwehr in diesem Jahr am Jugendcamp in Bremen teil- nehmen können. Horst Seedorf

Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 11 Neues aus dem Nationalpark Adamsdorf fertiggestellt ist. Die Stre- ckenlänge des Rundweges von 26 km Müritz ändert sich durch diese Maßnahme nur Beobachtungsstand barrierefrei unwesentlich. Seit Sommer letzten Jahres ist der Be- obachtungstand am Vaucksee bei Liepen Aktionsplan für nachhaltigen Tourismus auch für Rollstuhlfahrer geeignet. Hier- Um die weitere Entwicklung der Natio- für wurde am Objekt eine Rampe errich- nalparkregion zu befördern, hat das Na- tet und die etwa 300 m lange Zuwegung tionalparkamt Müritz einen Aktionsplan mit Brechsand befestigt. Des Weiteren für nachhaltigen Tourismus aufgestellt.

ist an der Betonspurbahn ein kleiner Dieser wurde gemeinsam mit den regio- Kraftfahrzeugstellplatz eingerichtet wor- nalen touristischen Akteuren entwickelt den. und abgestimmt. Im Plan werden die Schwerpunkte der touristischen Infra- Radwanderweg wird umverlegt struktur und Öffentlichkeitsarbeit für die nächsten fünf Jahre für das Schutzgebiet Der mit einem rosa Radfahrer markierte festgelegt: Verbesserung der Wander- Radwanderweg über Adamsdorf, Kratze- wege, Stärkung des Nationalpark- burg, Langhagen, Prälank und Neustre- Partnernetzwerkes sowie des National- litz muss wegen dem bevorstehenden park-Tickets und qualitativ hochwertige- Abriss der Eisenbahnbrücke südlich von re Führungen der touristischen Anbieter Adamsdorf umverlegt werden. Dies er- sowie der Nationalparkverwaltung sind folgt durch das Nationalparkamt, sobald die wesentlichen Ziele, die umgesetzt der straßenbegleitende Radweg an der werden sollen. Bundesstraße B 193 zwischen der neuen Martin Kaiser Eisenbahnbrücke und dem Abzweig nach 12 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) Die Vaterunser-Glocke in der Geläut mit mehreren Glocken konnte die kleine Glocke auch die Ewigkeitsglocke Peckateler Kirche sein. Im Jahre 1504 erwarb Bernd Maltzan auf Aus den Berichten zur Geschichte unse- und Peckatel und Peutsch rer Kirche konnte ich nichts finden, was und auch Adamsdorf, Liepen und Lang- sie definitiv zur Vaterunser-Glocke er- hagen. Später sind diese Güter durch die klärt. Aber in anderen Läuteordnungen Maltzans an verschiedene Familien, be- der Kirchengemeinden in Mecklenburg sonders aber an die von Hake in Klein- wird die kleine Glocke oft als Vaterun- Vielen, verpfändet worden. Als Patron serglocke geläutet. So wollen wir sie der Kirche hat dieser dann der Kirche zu mutig Vaterunser-Glocke nennen. Peckatel 1767 diese kleine Glocke ge- Sie ist 29 cm groß, also wirklich die Klei- schenkt. ne unter den Großen. Wir möchten sie in Auf der dem Wappen derer von Hake das Geläut einbinden, so dass sie wieder gegenüber liegenden Seite findet sich ihre Funktion übernehmen kann. Wenn sogar noch der Name des damaligen sie läutet, kann jeder hören, der nicht Pastors Barkow. Aus dieser Familie zum Gottesdienst kommen kann, dass scheinen mehrere Pastoren hervorge- nun das „Vaterunser“ gebetet wird. Das gangen zu sein, die hier in Peckatel Vaterunser ist das Gebet Jesu und ist nacheinander das Amt eines Pastoren auf der ganzen Welt bekannt. Jesus hat bekleideten. es verstanden, in ganz knappen und Aus einigen Läuteordnungen von Kir- einprägsamen Sätzen Bitten zu formulie- chen kann man erfahren, dass die Va- ren, die die Botschaft der Bibel in einzig- terunser-Glocke durchaus auch eine artiger Weise aufnehmen. Wenn die große Glocke sein kann und nicht nur Glocke zu hören ist, wird der eine oder die Kleinste im Turmgeläut war. In ei- andere in der Lage sein, sich an dieses nem Gebet zu erinnern. Pastor Horst Schröter

Inschrift links: Wilhelm Otto von Hake Erbherr von Klein Vielen und Peccatel Patron der Kirche zu Peccatel. Auf dem Rand: Ficit C. D. Heintze 1767. – Auf der anderen Seite: Barckow Pastor. Bild rechts: Die Vaterunser-Glocke in ihrer ganzen Pracht. Fotos: Horst Schröter. Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 13

Kürzlich restaurierte Steinmetz Matthias Beese die Grabsteine auf dem Familiengrab derer von Maltzan auf dem Friedhof in Peckatel. Die Wiederherstellung der Inschriften glückte, weil es der Kirchgemeinde gelang Spenden einzuwerben. Foto: Pitt Venherm

14 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) Rinderoffenstall LPG Klein Der Fund weckte mein Interesse und ich machte mich auf die Suche nach der Vielen Entstehungsgeschichte der „Rinderof- - Gedanken zu einem Foto aus fenställe“. dem Bundesarchiv – In der DDR wurde die Offenstallhaltung Neulich fand ich in den Beständen des 1958 auf dem 33. Plenum des ZK der Bundesarchivs ein interessantes Foto SED und dann dem V. Parteitag der SED aus dem Jahre 1959, das einen „Rinder- beschlossen. Bereits zuvor war für den offenstall“ in Peckatel zeigt. Das Foto ist Bau solcher Anlagen geworben worden. auch beschrieben und zwar wie folgt: „Nicht länger zögern – anpacken“ hieß

„Gute Erfahrungen haben die Genossen- es etwa in der Wochenzeitung „Der Freie schaftsbauern der LPG Klein Vielen mit Bauer“ und es wurde darauf hingewie- der Jungviehaufzucht im Rinderoffenstall sen, dass allein im Jahre 1958 DDR-weit gemacht. Das Vieh hat den Winter gut 2 500 solcher Ställe gebaut werden soll- überstanden und ist gesund. Die LPG ten.2 baut mit Hilfe der Dorfbewohner und ihrer Patenbetriebe darum einen zweiten Offenstall mit Fischgrätenmelkstand, um Vielen, Kreis Neustrelitz – http://www.v-like- die Rinderhaltung zu verbessern und die vintage.net/de/foto_details /9344_foto_Klein+ 1 tierische Produktion zu erhöhen.“ Vielen+Rinder+vor+Offenstall/ heruntergela- den am 23.4.2011. 2 Schmidt, H.-E. 1958: Nicht länger zögern – 1 Quelle Foto: Zentralbild Martin Vgt-Qu anpacken. Der Freie Bauer, 13. Jahrgang, Nr. 30.6.1959 Rinderoffenstall in der LPG Klein 10, 9.3.1958, Seite 3. Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 15

Die Offenställe („mit Fischgräten- zwar in Jahrhunderten gewachsene Er- melkstand“) waren gewissermaßen ein fahrungen mit geschlossenen Ställen, Landbau-Instrument zur Umsetzung der nicht aber mit offenen. Das führte zu- Vergenossenschaftlichung der landwirt- nächst vielerorts dazu, dass „unvollstän- schaftlichen Tierhaltung, da sie die von dige Anlagen“ errichtet, technologische den Einzelbauern in die LPG einzubrin- und arbeitswirtschaftliche Notwendigkei- genden Rinder und somit die größeren ten nicht berücksichtigt und notwendige Herden aufnehmen sollten. Folgeeinrichtungen vernachlässigt wur- In der Praxis gestaltete sich die Offen- den. Anfangs stand an erster Stelle die stallhaltung in den Jahren 1958 bis etwa Absicht, die Bauten so billig wie möglich 1962 zu einem großen Tierhaltungs- zu erstellen, vereinfacht gesagt nach Experiment, das von großer Propaganda, dem Prinzip „Dach auf vier Ständern“. von wissenschaftlichen Konferenzen und Das konnte nicht gut gehen: vielfachen Erfahrungsberichten in der So schrieb Herbert Reissmann, Agrar- landwirtschaftlichen Presse begleitet wissenschaftler an der Friedrich-Schiller- wurde. Universität Jena, zu den ersten Erfah- Die Landwirtschaft hatte hierzulande rungen mit dem Experiment: „Während es in einem geschlos- senen Stall (der bis vor kurzem bei uns ausschließlich bekannten Art der Milchvieh-Unterkünfte) als selbstverständlich galt, die Berge- räume deckenlastig oder erdlas- tig für Streustroh, Heu, Rüben, Kraftfutter usw. zeitgleich mit zu errichten, eine Futterdiele mit zu planen, wurden solche Räumlich- keiten beim Offenstall zum Teil oder völlig weggelassen […]. Ebensowenig gab es einen Raum, in dem das Stallpersonal das Fut- ter, soweit erforderlich, zuberei- ten konnte, oder Rüben- und Kraftfutterlager, geschweige denn Räume, die der Sorge um den Menschen dienten – etwa einen angewärmten Au- fenthaltsraum, Waschgelegen- heit, Aborte: alles Dinge, die überall, wo eine neue Rindvieh- anlage zu errichten war – und gerade dort wurden ja die Offen- stalltypen angewandt – genauso Dieses Sonderheft der Zeitschrift „Die deutsche Land- erforderlich sind, wie sie bisher in wirtschaft“ enthält viele Beiträge mit einer kritischen jedem Rindviehhof mit geschlos- Bilanz des Experiments „Rinderoffenstall“ senen Ställen als selbstverständ- 16 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Der Freie Bauer, 15. Jahrgang, Nr. 21, 22.5.1960, S. 7. Diese Abbildung findet sich in einem Beitrag unter der Überschrift „Offenställe mit Hand und Fuß“. Sie zeigt eine in wesentlichen Be- reichen bereits stark verbesserte Bauweise der „Offenställe“, die mit der ursprünglichen schon nicht mehr viel zu tun hatte. lich gegolten hatten. Es ist kein Wunder, ten: „Die Frage des Fachmannes musste dass die zur Pflege unseres Rindviehs stets sein: ‚Was wird denn für diese ge- ausersehenen Bauern nur mit Zurückhal- ringen Preise geboten? Was muß nach tung, wohl auch unter Protest solche der Errichtung dieser Offenställe zusätz- mangelhaften Anlagen entstehen sa- lich noch beschafft werden, um aus hen.“ ihnen einen voll verwendungsfähigen Er kritisierte auch sensationell aufge- Betrieb zu machen?’ Denn der Offenstall 3 machte Erfolgsmeldungen, die über die ist kein Primitivstall!“ mit Offenställen erzielbaren Baukosten- senkungen pro Rindvieheinheit berichte- 3 Reissmann, H. 1959/60: Über Fehler und Fort- Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 17

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Da technologische, arbeitswirtschaftliche 1. Dezember kam das Vieh in die Tief- und tierhygienische Anforderungen oder ställe. Die Tiere standen bis zum Bauch auch Kriterien für die Wahl des richtigen in der Jauche, […]. 1959 wurde der Stall Standortes anfangs in zahlreichen Fällen umgebaut […].“4 vernachlässigt wurden, kam es bei die- In vielen Beiträgen wurden insbesondere sen Anlagen zu kostenintensiven nach- Maßnahmen angemahnt, durch die die träglichen An- und Umbauten. Offenställe „winterfest“ gemacht werden Ein Typ von Rinderoffenställen, der sol- sollten: „Die Beseitigung der Jauche und che nachträglichen Baumaßnahmen er- die Wärmedämmung nach unten allein forderte, war offenbar „Projekt Neu- bewirken jedoch noch kein Wohlbefin- brandenburg“, ein Tieflaufstall. Diesen den der Kühe, wenn nicht gleichzeitig kritisierte auf einer Tagung der Deut- auch Niederschläge und Stürme am Ein- schen Akademie der Landwirtschaftswis- tritt in die Offenfront gehindert wer- senschaften, die am 26. und 27. Januar den.“5 „Vor die offene Front (gehört) ein 1961 in Leipzig zum Thema „Offenstall- Schutz“.6 haltung bei Rindern“ stattfand, der Mel- kermeister Richard Jüdes von der LPG 4 Jüdes, R. 1961: Diskussionsbeitrag. Die deut- Rensow im damaligen Kreis Teterow: sche Landwirtschaft 12. Jahrgang. Sonderheft „Im Jahre 1958 wurden zwei Offenställe „Offenstallhaltung von Kühen“: Seite 41. 5 Stolzenburg, D. 1959: Milchviehoffenställe im ‚Projekt ’ errichtet. Am Winter. Der Freie Bauer, 14. Jahrgang, Nr. 46, 15.11.1959, Seite 11. schritte beim Bau von Rinderoffenställen. FSU 6 Paul, J. 1959: Im Rinderoffenstall bei Schnee Jena. Math.-natwiss. R. H 3: Seite 319. und Kälte. Der Freie Bauer, 14. Jahrgang, Nr. 18 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Das waren nur einige von zahlreichen sind der Barenberg in Brustorf und der kritischen Einwänden, die seinerzeit Peckateler Mühlenberg. Solche Höhenrü- nicht nur unter der Hand, sondern öf- cken sind charakteristisch für die reizvol- fentlich nachlesbar geäußert wurden. Sie le Endmoränenlandschaft unseres Land- richteten sich insbesondere gegen die kreises. Offenstallhaltung des Milchviehs, aber Der Barenberg, 107 Meter hoch, soll generell auch gegen die mangelhafte schon in vorgeschichtlicher Zeit ein Berücksichtigung der Bedürfnisse der wichtiger Treffpunkt zum Thing und zur Arbeitskräfte: „Es wird zu „prüfen sein, Gerichtsbarkeit gewesen sein. Von 1814 ob man bei Verbesserung der Haltungs- bis 1822 wurde in Brustorf das Erntefest bedingungen unserer Kühe nicht die Ar- immer am 18. Oktober, dem Jahrestag beitsplatzgestaltung unserer Tierpfleger der Völkerschlacht bei Leipzig, gefeiert. 7 vernachlässigt hat.“ Nach Sonnenuntergang zogen alle, auch Das „Rinderoffenstall“-Experiment schei- der Gutsherr Friedrich von Maltzan und terte letztendlich insbesondere bei der seine Familie, mit Musik zum Barenberg. Milchviehhaltung und wurde bereits we- Dort wurde ein großer Holzstoß ange- nige Jahre später klammheimlich aufge- zündet, auf dem Teertonnen lagen. Das geben, indem die Stalltypen solche Ver- Feuer leuchtete weit über das Land. änderungen erfuhren, dass letztlich von Auf dem Mühlenberg stand von 1805 bis „Offenställen“ im ursprünglichen Sinn 1895 die Peckateler Windmühle. Das 8 nicht mehr die Rede sein konnte. war eine einfache Bockwindmühle, die Hermann Behrens zum Gut gehörte und in den ersten Jahrzehnten von einem Pachtmüller be- trieben wurde. Später mahlte hier wohl nur bei Bedarf ein fähiger Gutstagelöh- Kuckucksberg war ursprüng- ner das Korn. Der Kuckucksberg ist auch lich ein slawischer Name 107 Meter hoch und liegt mitten in der Feldflur. Nach dem Zweiten Weltkrieg Wer auf der B 193 von Brustorf nach brachte der schwer zu bearbeitende Hü- Peckatel fährt, sieht links eine Hügelket- gel dem Bauern, zu dessen Äckern er te. Am meisten fällt der Kuckucksberg gehörte, erhebliche Nachteile. Ihm wur- auf, denn dort steht nur ein einzelner de dafür das volle Abgabesoll angerech- Baum, eine Wildbirne. Diese Anhöhe ge- net. Heute wird er landwirtschaftlich hört zur Feldmark Peckatel. Nachbarn nicht mehr genutzt.

Seit dem 18. Jahrhundert heißt dieser 51, 20.12.1959, Seite 7. Berg auf Landkarten, wie der 7 Hein, H.-O. 1960: Offenställe mit Hand und Schmettauschen Karte, Kuckucksberg. Fuß. Der Freie Bauer, 15. Jahrgang, Nr. 21, In anderen Dokumenten werden die 22.5.1960, S. 7. Senke am Barenberg Kuckasbruch und 8 So hieß es in der Zeitschrift „Die deutsche Landwirtschaft“, Heft 4 (1963): „Kaltställe für der Hügel Kuckusberg genannt. Das sol- Milchvieh sind nur bei entsprechenden Vo- len slawische Flurnamen sein. Sogar der raussetzungen (Futter, Stroh, Kader, vorhan- Schweriner Archivrat G. C. F. Lisch hat dene Erfahrung) zu errichten.“ – Kleiber & sich mit ihrer Bedeutung beschäftigt, Lenschow (Federführung) 1963: Vorschläge führt aber leider keine Übersetzung an. und Forderungen der Viehwirtschaft an Tech- Die deutschen Einwanderer im 13. Jahr- nologie und Stallbau (Fortsetzung). Die deut- sche Landwirtschaft, Heft 4: S. 196. hundert kamen aus dem Herzogtum Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 19

Sachsen in das wendische Land. Sie Beispiel in der Gemeinde Klein Vielen sprachen unterschiedliche niederdeut- sind die Veränderungen des Namens für sche Dialekte. Die slawischen Stammes- Kuhstall. Der slawische Ort Kostel (Tem- sprachen verstanden sie nicht. Die alt- pel) wurde über das niederdeutsche eingesessenen Bauern mussten bald Kohstall zum hochdeutschen Kuhstall. Gewohnheiten und Sprache der Deut- 1815 nannte der Besitzer Graf Blument- schen übernehmen, denn bei Dorfgrün- hal das Dorf nach seinem Sohn, der in dungen, Regelung der Abgaben und in Rußland gefallen war, Adamsdorf. der Gerichtsbarkeit galt deutsches Die slawischen Dialekte haben außer in Recht. Orts-, Flur- und Familiennamen kaum Die sächsischen Siedler übernahmen je- Spuren hinterlassen. Nur Namen für Fi- doch zur Orientierung slawische Orts- sche, die den Einwanderern unbekannt und Flurnamen, ohne ihre Bedeutung zu waren, werden noch gebraucht, z.B. U- kennen: Liepen – Ort der Linden, Vielen kelei, Plötz, Karausche. - Ort der Wyla (slawische Göttin der Un- Nicht allein der Zwang zum Gebrauch terwelt), Pilitzer Berg, heute Strelitzer der deutschen Sprache führte zum Erlö- Berg. Deutlich zu erkennen ist das Be- schen des Wendischen, sondern haupt- mühen der Einwanderer, die unverstan- sächlich das Zusammenwachsen der denen Namen so umzuformen, dass sie Menschen. zwar noch ähnlich klangen, doch für sie Gisela Krull Sinn erhielten. So wurde z. B. Kuckus- berg zu Kuckucksberg. Das bekannteste

Foto: Horst Seedorf, 2006 20 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) „Gartensport“ ren, als Eigene, da findet das brausende Leben draußen seine Schranke, da sind Schon vor über 80 Jahren machten sich wir mit uns allein, es fällt ab, was drau- aufmerksame Zeitgenossen Gedanken ßen quälte, da beruhigen sich die Ner- über die negativen Auswirkungen der ven, und wir lernen alles abgeklärter, Lebensweise eines „Industrievolks“, das objektiver ansehen. […] sich immer mehr der Natur entfremdet Die Berufsarbeit mag noch so beglü- und dadurch Lebenskräfte einbüßt. In ckend sein, sie wird doch zum Zwange, einem - immer noch sehr aktuell wirken- stimmt den Lebensmut oft herab und den - Aufsatz aus den Kneipp-Blättern wird gar zur schrecklichen Tretmühle des Jahres 1931 erklärt der Autor daraus und Fron, wenn Neigung und Begabung die zunehmende Bedeutung und Ver- zur täglichen Arbeit fehlen. Aus dieser breitung des Sports und auch die Gar- Kette der Not, aus der oft so mechani- tenarbeit erscheint ihm in diesem Zu- sierten Arbeit heraus lockt der Sport, sammenhang als probates Mittel gegen lockt in gleichem Maße auch der Garten. physische und psychische „Verkümme- Da tritt der Mensch in eine zweite, schö- rung“. Hier einige“ Kostproben“: nere Welt ein. Da schafft er durchaus Auch sie [die Gartenarbeit] ist Sport, nicht weniger als im Beruf, da spannen ist`s im besten Sinn des Wortes. Stellt sich vielmehr oft seine Kräfte zu wahren sie uns nicht hinein in unser eigentliches Herkulestaten. Aber eins unterscheidet Lebenselixier, in Licht und Luft? Im Gar- dieses Tun von den Mühen des Berufs: ten trinkt die Lunge den erfrischenden die eigene Entschlussherrlichkeit, die Äther, atmet sie das Ozon der Pflanzen, Luft zum Gestalten, die Hingabe und da badet sich der Leib wohlig in den ge- Freudigkeit. […] sundenden Sonnenstrahlen. Da sorgt die Der Gartensport indessen kommt dem vielseitigste Bewegung für die Durchar- Alter recht entgegen. Hierbei kann sich beitung des ganzen Körpers, so dass der einzelne von der Welt abschließen; jedes Glied aus seiner faulen Ruhe ge- er kann hier in Ruhe und Beschaulichkeit rissen wird. Jede Sportart ist in gewis- schaffen, wie es ihm beliebt, hier kann sem Sinne einseitig, wendet sich oft an er individuell schöpferisch sein und da- bestimmte Glieder. Die Gartenarbeit bei doch in seinem freien Spieltrieb noch aber ist unendlich vielseitig, abwechs- produktive Arbeit leisten, worauf das lungsreich. Laufen, Tragen, Graben, Alter mehr Wert legt als die noch unbe- Knien, Liegen, Bücken, Stehen und wer kümmerte Jugend. weiß noch was lösen sich in bunter Heute lohnt, so wird eingewendet, der Mannigfaltigkeit ab. […] Wer viel im Gar- Garten kaum noch die Kosten. Ach wie ten lebt, verspürt auch bald eine freudi- kurzsichtig! Gewiss schenkt der Garten ge Gesundheit, erhöhte Leistungsfähig- nichts ohne Arbeit; aber liegt nicht gera- keit. Abhärtung schützt vor tausend de darin der Segen, den keine Börse kleinen Leiden; Schnupfen, Kopfschmer- aufwiegen kann? Bleibt Rückerts Wort zen, Heiserkeit und andere Quälgeister nicht wahr: “Der Kohl, den du dir selber des verzärtelten Stubenmenschen sind gebaut, den musst du nicht nach dem seltene Gäste geworden. […] Marktpreis schätzen; du hast ihn mit Aber profitiert nicht auch die Seele vom deinem Fleiß betaut, die Würze lässt sich Garten? In der Tat kaum minder als der durch nichts ersetzen.“ Leib. […] Da stehen wir da als die Her- Nach B. Hoche (Kneipp-Blätter 1931) Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 21

Wieder freie Fahrt nach sprechende Befürchtungen nicht be- wahrheitet haben. Neustrelitz Schön wäre es gewesen, wenn die Die Straßenmeisterei Neustrelitz hielt Wiedereröffnung der neuen Brücke Wort. Ein Jahr nach der Brückensper- nicht stillschweigend, sondern mit ei- rung war die neue Brücke über die nem kleinen Fest über die Bühne ge- Bahn zwischen Brustorf/Adamsdorf gangen wäre. Es wäre schön gewe- und Neustrelitz fertig, nebst beglei- sen, wenn die Straßenbauverwaltung tendem Radweg. Dafür von Seiten der und die betroffenen Bürger und Bür- Redaktion herzlichen Dank! gerinnen auf der neuen Brücke mitei- nander „angestoßen“ hätten. Ein Jahr lang mussten die Einwohner und Einwohnerinnen insbesondere aus Derzeit sind an der Strecke zwischen den Gemeinden Klein Vielen und Krat- Brustorf und Brücke weitere Baumaß- zeburg, aber auch anderen Orten wie nahmen im Gange. Auch hier wurde Penzlin, Groß Vielen usw., die nach Wort gehalten, denn es wird ein Rad- Neustrelitz wollten, die Umleitung über weg zwischen dem Abzweig Adams- Hohenzieritz und in Kauf dorf und der neuen Brücke entstehen. nehmen. Vielleicht findet ein kleines Fest ja Es ist der großen Umsicht der Kraft- dann statt, wenn der Radweg fertig fahrer und Kraftfahrerinnen zu dan- ist. ken, dass in dieser Zeit schlimme Un- Pitt Venherm fälle ausblieben und sich damit ent-

Foto: Pitt Venherm 22 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) Studienobjekt Gutspark dierenden zeigten sich beeindruckt davon, dass bei näherem Hinsehen Klein Vielen

Zum Beginn des Sommersemesters 2011 führte eine Studiengruppe des Studiengangs Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der Hochschule Neubrandenburg eine Exkursion zum Park in Klein Vielen durch. Die etwa 15 Teilnehmer und Teilnehmerinnen wur- den von Prof. Dr. Marcus Köhler gelei- tet, der in dem genannten Studien- gang den Lehrstuhl für Gartendenk- malpflege innehat. Ziel der Exkursion war es, anhand al- ter Karten und intensiver Besichtigung die Voraussetzungen für eine Park- Inventur zusammenzutragen, bei der insbesondere die noch sichtbaren his- torischen Strukturen des Parks ent- schlüsselt werden sollen. Sowohl Prof. Köhler als auch die Stu-

Es gab viel zu sehen und zu zeigen – Prof. Köhler (mit Anorak) und Studierende im Gutspark Klein Vielen Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 23 nicht nur viele Parkelemente wie alte Parkbäume, die Allee zum Kapellen- berg oder Parkbegrenzungen aus der Entstehungszeit des Parkes noch vor- handen oder begründet zu vermuten sind. Auch einige Gestaltungsgrund- sätze konnten entschlüsselt werden, die die damalige Gutsfamilie Jahn sei- nerzeit bei der Planung und Fortent- wicklung des Parks und der Kapelle zugrunde gelegt hatte. Prof. Köhler meinte, dass die Kapelle aufgrund des verwendeten Materials wohl tatsäch- lich vom Baumeister Buttel geplant wurde. Vier Studierende wollen nun im Ver- lauf des Sommersemesters die Inven- tur durchführen. Hermann Behrens Ausblick am Rande des Kapellenberges

24 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) Die Naturdenkmale in der Neustrelitz, in den 1950er-Jahren auf ein Alter von über 500 Jahren ge- Gemeinde Hohenzieritz schätzt worden. Der Schutz von Naturdenkmalen stand Wie bei anderen Baumnaturdenkmalen am Anfang des staatlichen Natur- auch wurde ihr Umfang in 1,30 m Hö- schutzes in Deutschland. Zu einem he vermessen und 1974 betrug er „Naturdenkmal“ sollte erklärt werden 6,50 m, 1991 7,30 m und im Jahre können, was besonders alt, besonders 1995 7,50 m. Die letzte Sichtkontrolle ehrwürdig, besonders eigenartig, fand im August 2000 statt. Damals schön oder selten ist. So wurden in wurde der Zustand als mäßig be- Deutschland vom Beginn des 20. schrieben, jedoch noch „eine relativ Jahrhunderts bis in die 1980er-Jahre kräftige Belaubung“ festgestellt. hinein zehntausende Einzelobjekte zu Am 30. April 2011 besuchten wir den solchen Naturdenkmälern erklärt. Standort und stellten fest, dass sich Die interessante DDR-Briefmarke zeigt der Zustand der Eiche nicht wesentlich die Naturdenkmäler „Ivenacker Ei- verschlechtert hatte. Den Umfang ha- chen“, die noch heute als eindrucks- ben wir nicht mehr vermessen. Die volle Methusalems zu bewundern sind Eiche wird über kurz oder lang abgän- und wohl vielen Bürgern und Bürge- gig sein, es könnte aber noch das eine rinnen unserer Gemeinde von Ausflü- oder andere Jahrzehnt dauern. Viel- gen her bekannt sind. Im letzten Heft widmeten wir uns den fünf Naturdenkmalen in der Gemeinde Klein Vielen – vier Bäume und ein Findling – und in der vorliegenden Dorfzeitung möchten wir nun die der Gemeinde Hohenzieritz vorstellen. Dort sind vier Objekte unter Natur- denkmalschutz gestellt worden, 1. die Louisen-Eiche an der Sandmüh- le, 2. ein Findling am Feldweg von Ho- henzieritz zum ehemaligen Chris- tenhof, 3. ein Riesenlebensbaum im Rosenholz und 4. der „Rosenholzstein“ im Rosenholz am Weg nach der Wüstung „Chris- tenhof“. Die Louiseneiche an der Sand- mühle wurde vom Rat des Kreises Neustrelitz im Jahre 1972 als Natur- denkmal gesichert. Die Eiche war von Quelle Foto Briefmarke „Ivenacker Eichen“: Walter Gotsmann, einst auch Kreisna- http://de.wikipedia.org/wiki/Naturdenkmal. turschutzbeauftragter des Kreises Heruntergeladen am 27.4.2011 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 25

Die Louisen-Eiche an der Sandmühle, immer noch bemerkenswert belaubt. leicht wird es möglich sein, sie auch, ge traten und beiseite geräumt wur- wenn sie abgestorben ist, unter Be- den. rücksichtigung notwendiger Siche- Leider ähnelt der ehemalige Feldweg, rungsmaßnahmen noch längere Zeit der einst eine bemerkenswerte Land- stehen zu lassen, denn auch in diesem partie geboten haben muss und an Zustand wird sie ihre „Merkwürdigkeit“ einigen Stellen einem klassischen und „Ehrwürdigkeit“ noch lange behal- Hohlweg entspricht, in einigen Ab- ten. In Hohenzieritz selbst steht am schnitten einer Müllkippe, so viele Ortsende, an der Kurve Richtung Prill- Plastikabfälle wurden dort hinterlas- witz, ein ähnliches Exemplar, das noch sen, allesamt nach Augenschein Hin- viel weniger belaubt ist als die Loui- terlassenschaften landwirtschaftlicher sen-Eiche und immer noch steht. Tätigkeit. Unsere Suche nach dem zweiten Na- Auf halbem Wege zum Rosenholz fiel turdenkmal, dem Findling am aufge- uns ein beeindruckendes Exemplar lassenen und mittlerweile zugewach- einer Eiche auf. Wir haben sie vermes- senen Weg zwischen Hohenzieritz und sen und ihr Umfang beträgt in 1,30 der Wüstung „Christenhof“ blieb trotz Höhe ganze 6,15 m, mehr als die die intensiver Suche leider erfolglos. Er in der letzten „Dorfzeitung“ vorgestell- gilt bereits auch der unteren Natur- ten Eichen in der Gemeinde Klein Vie- schutzbehörde seit einigen Jahren als len maßen ! „verschollen“. Allerdings liegen dort Wenn wir sie mit der Louisen-Eiche etliche bemerkenswerte Findlinge, die zum Zeitpunkt ihrer Unterschutzstel- im Laufe der Zeit bei der Bewirtschaf- lung vergleichen und uns Walter tung des benachbarten Ackers zu Ta- Gotsmanns Altersschätzung in Erinne- 26 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

für die Pflege niemand zuständig fühlt. Ein trau- riges Bild, das sich dem Wanderer bietet und das kurz vor der Tourismus- Saison. Unser nächstes Natur- denkmal, die Riesen- Lebensbäume, fanden wir rasch. Ein Bestand von 14 Exemplaren steht gleich am Anfang des Rosenholzes links und rechts des Waldweges. Zwei Exemplare hat ein letzter Sturm geworfen. Sie leben noch, werden jedoch demnächst ab- gängig sein. Der Riesenlebensbaum (botanischer Name: Thuja plicata, auch: Thuja gigantea) oder Riesen-Thuja gehört zur Gattung der Lebens- Ein bemerkenswertes Exemplar bäume (Thuja) aus der einer Eiche am Weg zum Rosenholz Familie der Zypressen- gewächse. Er ist ein im- rung rufen, so kommen wir auch hier auf ein si- cherlich sehr hohes Al- ter. Am Rosenholz ange- kommen, bot sich uns zunächst ein wenig er- bauliches Bild. Die Sitz- gruppe am „Tor“ zum Naturschutzgebiet Ro- senholz ist herunterge- kommen und verwahr- lost, die Informationsta- fel heruntergefallen und teilweise zerstört. Beides auch ein Indiz dafür, dass sich hier offenbar Ein Bild der Verwahrlosung – Eingang zum NSG „Rosenholz“ Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 27

Fotos vom Bestand der Riesen-Lebensbäume im NSG Rosenholz. Links die beiden vom Sturm nie- dergedrückten Exemplare, rechts einige Exemplare aus dem Bestand kurz hinter dem Eingang zum Rosenholz, unten ein Panorama-Foto vom zweiten Bestand. mergrüner Baum, der hierzulande ei- Bau von Gitarren verwendet. Aus dem gentlich nicht heimisch ist, sondern Holz lassen sich unter anderem vor- aus Nordamerika stammt. Dort er- zügliche Schindeln gewinnen. Wegen reicht er Wuchshöhen von bis zu 67 m der langen Lebensdauer und dem ge- bei einem Stammdurchmesser von bis ringen Gewicht wird es auch beim Bau zu 6 m. von Gewächshäusern und Schuppen Der Riesenlebensbaum ist im Nord- verarbeitet. Der Holzstaub kann Aller- westen Amerikas eine forstlich wichti- gien hervorrufen und durch die Säure ge Baumart. Er besitzt ein leichtes, des Holzes korrodieren Eisennägel und dauerhaftes Holz mit weißem Splint erzeugen schwarze Flecken. Bei der und rotbraunem Kern. Das wertvolle Verarbeitung werden daher kupferne Holz wird unter dem Namen Red Ce- oder verzinkte Nägel verwendet. Die dar gehandelt. Es ist nicht sehr stabil, Indianer der Nordwestküste hatten dafür aber ausgesprochen haltbar. Als vielseitige Verwendungen für den Rie- Klangholz für Decken wird es für den sen-Lebensbaum: Aus dem Holz wur- 28 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) den Kanus, Häuser und Totempfähle mann, der hier wiedergegeben wird, hergestellt und die Rinde wurde zu um die Bedeutung des Steins zu un- Seilen und Netzen verarbeitet. (vgl. terstreichen: http://de.wikipedia.org/wiki/ Riesen- „Mein Interesse für das Rosenholz Lebensbaum, 30.4.2011). wurde durch eine Wanderbeschrei- Im NSG Rosenholz gibt es neben dem bung von Walter Karbe geweckt … eingangs genannten Bestand des Rie- [dem bekannten Strelitzer Heimatfor- senlebensbaums einen weiteren, grö- scher]. Am Sonnabend, den ßeren, der nur wenige hundert Meter 13.03.1999, machten wir uns in die weiter in den Wald hinein Richtung Spur. … Ein Bachlauf wird überquert Prillwitz steht. und ca. 50 m danach sehen wir auf 1972 wurde im NSG Rosenholz mit der linken Seite einen Hügel, mit Na- Kreistagsbeschluss lediglich das mit delbäumen und Birken bestanden. einem Umfang von 3,50 m stärkste Dort stoßen wir auf einen schmalen Exemplar im Bestand als Naturdenk- Weg, jeweils durch einen Pfahl an je- mal bestätigt. 1992 wurde dieser der Seite gekennzeichnet. Diesem fol- Baum wieder vermessen und hatte gen wir und treffen auf zwei … Hügel, nunmehr einen Stammumfang von die vermutlich … als Hügelgräber an- 3,75 m. zusehen sind. Am Rande des einen, in Das vierte Naturdenkmal ist der „Ro- einer Entfernung von etwa 50 m bis senholzstein“, ein ansehnlicher Find- zur Waldkante, befindet sich ein älte- ling. Auf der Karte wurde der Standort rer noch offener Suchschnitt. zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung Als wir diesen Hügel erklommen hat- 1970 verzeichnet. Der Stein wurde ten staunten wir nicht schlecht. Vor seinerzeit vermessen und hatte ein uns lag ein ansehnlicher Findling, der Volumen von 10 m3 bei einer Länge ‚Rosenholzstein‘. Er wurde schon frü- von (ca.) 3,6 m, einer Breite von 3 m her teilweise freigelegt und zur Spren- und einer Höhe von 2 m. Obwohl wir gung mit Holzkeilen vorbereitet. Dazu zwei Mal intensiv die Stelle suchten, wurden zwei senkrecht auf einander konnten wir ihn zunächst nicht wieder- stehende Reihen mit Löchern ange- finden. legt. In der einen Reihe haben wir auf Das Foto rechts hatte vor Jahren der heimatgeschichtlich interessierte Arno Wichmann aus Neubrandenburg ge- macht und in das „Kulturlandschafts- ElementeKataster“ (KLEKs) hineinge- stellt, eine Datenbank, in der man mittlerweile über 300 000 geschicht- lich bedeutsame Kulturlandschafts- elemente findet, meistens mit Fotos und Texten beschrieben. Jedermann kann in dieser Datenbank herumsu- chen. Sie ist zu finden unter http://www.kleks-online.de/. Dort fin- det sich zum „Rosenholzstein“ auch Der „Rosenholzstein“ etwa 1999. ein Exkursionsbericht von Arno Wich- Foto: Arno Wichmann Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 29 einer Länge von 2,70 m 20 Keillöcher doch nicht verschwunden sein! gezählt und in der anderen auf ca. Im „Kleks-online“ wurde seinerzeit 1 m sieben. Im Vergleich mehrerer auch der Standort des „Rosenholz- Steine ist festzustellen, dass die Maße steins“ exakt mit Angabe der Koordi- der Keillöcher und ihr Abstand zuei- naten eingetragen. Wir machten uns nander immer identisch sind. Aus wel- daher noch einmal auf den Weg und chem Grund die Sprengung (zum liehen uns dafür von der Hochschule Glück) nicht beendet wurde, ist für Neubrandenburg einen „Tablet-PC“ uns unklar. Die Sprengtechnik sah so mit GPS-Empfänger aus, luden die Da- aus, dass die Steinschläger Keile aus tensätze und Karten aus dem „kleks- überwiegend trockenem Weidenholz in online“ und marschierten los. Per GPS die Löcher trieben und diese anfeuch- wurde uns unser aktueller Standort teten. Sie dehnten sich aus und mit einer Abweichung von 10-20 m sprengten so den Stein. Eine andere angezeigt, gleichzeitig der Standort Methode bestand darin, dass die Lö- des Rosenholzsteins und tatsächlich – cher erst mit angefeuchtetem Moos nach intensiver Suche fanden wir den ausgefüllt und dann der Keil eingetrie- mächtigen Stein, ziemlich versteckt ben wurde. Dieser Findling hat einen liegend in einer Senke am mittlerweile Umfang von gut 10 m, ist ca. 3,50 m stark bewachsenen Hügel (Foto siehe breit und 1,30 m hoch. Mit rund 10 m³ nächste Seite). Wenn er nicht wieder zählt er zwar nicht zu den größten un- zugänglich gemacht wird und der ter den Findlingen; in unserer Region Standort nicht angemessen beräumt ist aber doch eine Seltenheit und viel- wird, ist in wenigen Jahren nichts leicht sogar einzigartig.“ mehr von ihm zu sehen. Walter Karbe urteilte hierzu: ‚... er ist Arno Wichmann und Begleiter wander- noch bedeutsamer als der in der Zeit- ten vor erst 12 Jahren durch das Ro- schrift Mecklenburg Jahrg. 33, 1938. senholz und fanden damals nicht nur S. 28 abgebildete >Monatsstein< von den „Rosenholzstein“, sondern auch Hinzenhagen b. Krakow, ‚das schönste andere geschichtlich bedeutende Kul- Schaustück mittelalterlicher Spreng- turlandschaftselemente noch in gutem technik‘, wie es im erklärenden Text Zustand vor. von Professor Robert Beltz heißt‘. Dazu gehörte z. B auch das Grab des Da in der Nähe die Grenze des ehema- Großherzoglichen Hegemeisters ligen Landes Stargard verlief, wurden Hermann Klöckner, zu dem sicher die Findlinge vermutlich zur Herstel- Generationen von Kindern und Ju- lung von Grenzsteinen gesprengt. Da- gendlichen aus Hohenzieritz und Um- bei machte man auch vor Hügelgrä- gebung mit ihren Kindergärtnerinnen bern keinen Halt. […] Besonders sol- oder Lehrern und Lehrerinnen gewan- che Heimatforscher wie Robert Beltz, dert sind. Klöckner hatte jahrzehnte- Franz Eugen Geinitz und Walter Karbe lang im Rosenholz gewirkt und seine setzten sich für den Schutz der großen Spuren finden sich noch heute. Findlinge ein. Nur durch ihr engagier- Wie das Grab noch 1999 ausgesehen tes Handeln können wir noch einige hat, ist durch einige Fotos überliefert, dieser Zeitzeugen bewundern.“ die Arno Wichmann ebenfalls ins In- (www.kleks-online.de) ternet auf die Seite www.kleks- Ein so bedeutender Findling konnte online.de eingestellt hat. Eines davon 30 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Endlich dank Satellitentechnik gefunden – der Rosenholzstein, fotografiert am 18.5.2011 ist hier abgebildet. Es zeigt eine or- nen durchaus gepflegten Eindruck. dentliche Holzeinfassung und sogar Und wie sieht es heute dort aus? zwei Sitzbänke. Wir begaben uns am 15. Mai 2011 auf Arno Wichmann notierte 1999 dazu: die Suche, die nicht einfach war. Wir „Ohne Sockel ist der Grabstein 142 cm fanden das Grab aber schließlich doch hoch, 74 cm breit und 30 cm tief. Der und es machte einen traurigen Ein- Sockel misst 20 x 80 x 42 cm. Die Ein- druck. fassung aus Kunststein ist im Außen- Einst war ein Weg dorthin angelegt maß 430 x 277 cm. Das Eisengitter worden, mit einem den Wanderer wurde zwischenzeitlich durch Holz er- stützenden Handgeländer und Trittstu- setzt. Nur die Stellen, wo die Reste fen aus Holz, das heute verwahrlost über der Einfassung abgetrennt wur- und verrottet ist. den, geben davon noch Zeugnis ab. Auf dem Hügel, auf dem das Grab vor Die Inschrift befindet sich in einem mehr als 100 Jahren mit gutem Grund Oval und lautet: angelegt worden war – schließlich soll- "Großherzogl. Hegemeister te der Hegemeister auf „seinen“ Wald Hermann Klöckner und auf „seinen“ nahen Eichsee her- geb. d. 29. Juli 1827 abschauen können – war die Grabstel- gest. d. 23. Juni 1907" le zunächst nicht auszumachen. In Das Grab machte 1999 also noch ei- unmittelbarer Nähe war vor einiger Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 31

Das Grab von Hermann Klöckner 1999 – Foto: Arno Wichmann

Zeit eine Buche vom Sturm gefällt Bank lud den müden Wanderer zum worden. An ihr war bereits sichtlich Verweilen ein. herumgesägt worden, niemand jedoch fühlte sich bislang offenbar zuständig, die Grabstelle zu beräumen, denn die Reste des Baumriesen versperren wei- terhin den Zugang zum Grab. Der Holzzaun um die Grabstelle herum – ebenfalls verrottet und verkommen. Die steinerne Einfassung des Grabes, von der Arno Wichmann schrieb, war kaum noch auszumachen. Den heuti- gen erbärmlichen Zustand zeigt das aktuelle Foto. Ein weiteres bemerkenswertes Ele- ment ist die „Stelzenbuche“. Auch sie fanden wir wieder und auch sie scheint aus dem kollektiven Gedächt- nis zu verschwinden. Maik Stöckmann hatte den Baum im Jahre 2000 foto- grafiert und auf dem Bild sieht man, dass er damals noch sichtbar gemacht Der Pfad zum Hegemeister-Grab, einst von wurde durch einen Holzzaun. Eine einem Handlauf begleitet – bald vergessen? 32 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Heute präsentiert sich auch dieser Ort als ein „verges- sener“. Die Bank ist nicht mehr nutzbar, der Holzzaun verschwunden. Wenige Me- ter entfernt wurde eine Schneise für den Harvester geschlagen – eine mittler- weile verbreitete Methode in der Forstwirtschaft, die auch in das PEFC- bewirtschaftete Rosenholz sichtbar Einzug gehalten hat. Sie wird von den ei- nen, etwa PEFC, als „scho- nende“ Technik gepriesen, von anderen wie dem Forstexperten und ehemali- gen saarländischen Landes- forstchef Wilhelm Bode, heute ein bekannter Buch- autor („Waldwende“ und „Jagdwende“) allerdings scharf kritisiert.9

Eine kleine Bilanz Die Bilanz unserer Besichti- Das Grab des Hegemeisters Hermann Klöckner im Mai 2011 gungstour war doch recht ernüchternd und machte auch traurig. „Laien“-Forscher, aber auch Wissen- Vielleicht war das Ergebnis ein Beispiel schaftler, erwanderten oder erfuhren für die „Zeichen der Zeit“: Es scheint in ungezählten Stunden und Tagen so, als ob Naturdenkmale ihre einst- per Fahrrad die Natur- und Kulturge- malige Bedeutung für Wissenschaft schichte Mecklenburgs, erforschten und Bildung verlieren oder zu verlieren lokale und regionale Besonderheiten drohen. Und nicht nur sie, sondern und machten ihre Forschungsergeb- auch andere kulturgeschichtlich be- nisse öffentlich. Sie bemühten sich um deutende Elemente, insbesondere in Schutz und Pflege dieser Besonderhei- der freien Landschaft. ten und dies unter ungleich ärmeren Sie zu finden, kostete einst Mühe. materiellen und technischen Verhält- Heimatkundlich und regionalgeschicht- nissen als heute. lich interessierte Menschen, häufig Die natur- und kulturgeschichtlichen Volks- und Mittelschullehrer, viele Besonderheiten in der Landschaft soll- ten gesehen und erklärt werden, um

die Leute zum Nachdenken anzuregen 9 Bode, W. 2009: Harte Technik – sanfte Sprüche. Waldzerstörung durch Großma- oder um sie ein Stück weit über die schinen. Nationalpark, Heft 2: Seiten 14-18. Kulturlandschaftsgeschichte zu beleh- Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 33

Gestern Ziel von Wanderungen, heute kein öffentlicher Ort mehr – die „Stelzenbuche“ am Weg zur Wüstung „Christenhof“, 18.5.2011. Foto links: Maik Stöckmann 2000 ren. Daher wurden sie beschildert, zu nen und Lehrern, weil Dorfschulen ihnen führten Wege, sie wurden ge- nicht mehr existieren, an Orts- hegt und gepflegt, sie wurden Ziel so chronisten, die häufig auch Lehrer wa- mancher Lehrwanderung oder Ex- ren, an sonstigen Ehrenamtlichen, weil kursion. heimat- oder naturkundlichen Verei- Und heute? nen und Interessengruppen fehlen Stück für Stück verschwinden sie aus oder zu wenige Mitglieder haben. dem öffentlichen Bewusstsein, Wege Ein weiterer Grund ist, dass die „große zu ihnen oder Hinweisschilder sucht Zeit“ der ABM-gestützten Landschafts- man vergebens, viele sind schon gar pflege vorbei ist. In den ersten Jahren nicht mehr da. nach der „Wende“ sind Heerscharen Ein Grund mag sein, dass die zustän- von ABM-„Brigaden“ in die Landschaft dige Verwaltung, die mit anderen Auf- geschickt worden, zahlreiche „Natur- gaben überlastet und chronisch unter- Lehrpfade“, Sitzgruppen oder Beschil- besetzt zu sein scheint, sich offenbar derungen von Objekten entstanden nicht mehr hinreichend auf Ehrenamt- mit ihrer Hilfe. liche und Freiwillige stützen kann, die „Früher hat das die IPSE gemacht!“ – sie durch Arbeit vor Ort unterstützt. so lautete die bezeichnende Antwort Das liegt daran, dass es an vor Ort zweier Spaziergänger aus Hohenzieritz tätigen, an der Naturgeschichte wie auf unsere Frage, warum offenbar Kulturlandschaftsgeschichte interes- niemand die Naturdenkmale oder an- sierten Leuten mangelt: An Lehrerin- deren Kulturlandschaftselemente im 34 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Rosenholz mehr pflegt, sich niemand verantwortlich fühlt und sie so aus dem öffentlichen Blickfeld verschwinden. Dabei kostet es doch „eigent- lich“ so wenig, ihre Bedeutung zu erhalten – ein „Subbotnik“ pro Jahr mit einer Handvoll Freiwilliger und eine Holzspen- de des PEFC-zertifizierten Forstbetriebes würden genü- gen, um etwa der Grabstelle von Hegemeister Klöckner ihre Würde zurückzugeben oder die „Stelzenbuche“ wieder einzu- Auch dieser Ort braucht Pflege: Findling mit verwahrloster zäunen und die Bank zu erneu- Sitzgruppe am Waldweg im NSG Rosenholz, Richtung Zip- ern oder am „Rosenholzstein“ pelower Mühle Aufenthaltsqualität zu schaffen. Bei unserer weiteren Wanderung tung. Und gleich nebenan verwahrlo- durch das Rosenholz dachten wir auch sen Orte geschichtlicher Besonderhei- daran, welch Brimborium Woche für ten im Rosenholz wie die Grabstelle Woche mit „Königin Louise“ veranstal- von Hermann Klöckner, der sich jahr- tet wird, die Lokalzeitung berichtet zehntelang um das Rosenholz verdient kontinuierlich von ihrer doch ach so gemacht hat. Die Verwahrlosung ist kurzen und tragischen Zeit in Hohen- für jeden Wanderer sichtbar, der – zieritz. Wir denken auch daran, dass vielleicht angelockt durch Internetpor- hier der Sitz des Nationalparkamtes tale wie www.kleks-online.de – den ist, ein Amt von überregionaler Bedeu- Ort aufsucht. Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 35 Sicher gibt es auch in der Gemeinde Henry Seedorfs neue alte Hohenzieritz weitere „Einzelschöpfun- gen“ der Natur, die es aus wissen- Obstsorten schaftlichen, naturgeschichtlichen oder Der Obstbau hat in Mecklenburg- landeskundlichen Gründen oder wegen Vorpommern eine lange Tradition. ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schön- Seine ökonomische Bedeutung war heit wert wären, als Naturdenkmale früher größer als heute. So entstanden nach dem § 28 Bundesnaturschutzge- etwa Ende des 19. Jahrhunderts in setz unter Schutz gestellt zu werden. Mecklenburg viele Gartenbauvereine, Nach den rechtlichen Bestimmungen die sich um die Förderung des Obst- können sogar Flächen bis fünf Hektar und Gartenbaus bemühten und die vor Größe als Naturdenkmale geschützt allem in den größeren Orten ihren Sitz werden. Damit wurde an Bestimmun- hatten. In der nächsten Ausgabe der gen angeknüpft, die zu DDR-Zeiten für „Dorfzeitung“ werden wir in diesem damals so genannte Flächennatur- Zusammenhang auf Freiherrn Ludolf denkmale galten. von Maltzan-Peckatel eingehen, der ab Zuständig für die Unterschutzstellung 1897 mehr als drei Jahrzehnte Vorsit- ist der jeweilige Landkreis. zender des Landesverbandes für Obst- und Gartenbau in Mecklenburg war. Heute werden in Mecklenburg- Spuren seines Wirkens sind in Gestalt Vorpommern in der Regel allerdings alter Obstbäume heute noch zu fin- wenn überhaupt dann eher kulturland- den, etwa am Weg zum ehemaligen schaftsgeschichtliche Besonderheiten Vorwerk Jennyhof. Um die Wende unter Schutz gestellt, da die früher zum 20. Jahrhundert wurde die Be- häufig unter Naturdenkmalschutz ge- pflanzung von Wegrändern mit Obst- stellten Bäume oder Findlinge auf- bäumen, durchweg in Hochstamm- grund anderer naturschutzrechtlicher Kultur, auf Initiative von Maltzans pro- Bestimmungen geschützt sind. Zu sol- pagiert und da nimmt es nicht wun- chen kulturlandschaftlichen Besonder- der, dass er es auf seinem Gut „vor- heiten gehört zum Beispiel das Grab machen“ wollte. des Hegemeisters Hermann Klöckner. Schon ziemlich alte Hochstamm- Allerdings bleibt jeder rechtliche Obstbaumbestände prägen noch heute Schutz hilflos, wenn er nicht von Pfle- viele Gärten in den Orten unserer Ge- ge begleitet wird. meinde. Etliche davon wurden in der Die vorhandenen Unterlagen zu den Zeit der Aufsiedlung der Güter vier Naturdenkmalen in der Gemeinde Peckatel und Hartwigshof gepflanzt. Hohenzieritz wurden uns wieder von Die alten Obstbaumkulturen wurden Herrn Reinhard Simon von der unteren aus wirtschaftlichen Gründen ange- Naturschutzbehörde des Landkreises legt. In der DDR-Zeit wurden die Mecklenburg-Strelitz zur Verfügung Hochstamm-Kulturen häufig ergänzt gestellt. Dafür an dieser Stelle ein durch Nieder- und Halbstämme. Auch herzlicher Dank! Beim nächsten Mal in dieser Zeit hatte der heimische werden wir uns auf die Spuren ande- Obstbau eine wichtige ökonomische rer historischer Kulturlandschaftsele- Bedeutung. Das ist heute anders. mente in unserer Gegend machen. Heimisches Obst, besonders aus Hermann Behrens & Uta Matecki Hochstamm-Kulturen, steht ökono- 36 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

und andere mehr in seinem Obstgarten. Henry pflanzt nicht vorrangig aus ökonomischen Gründen, son- dern, wie er sagt, um sich „ein Stück Kindheit zurückzuholen“, denn dazu gehörte die Hilfe bei der Bewirtschaftung einer sehr großen Obstwiese mit Pflanzun- gen aus den 1930er und 1970er Jahren. Damals war der Obstver- kauf eine gute Gelegenheit, das Familieneinkommen zu verbes- sern. „Das war für mich als Kind zwar nicht immer leicht, aber es war eine prägende Erfahrung“, so Henry heute. Ananasrenette, Danziger Kantap- fel, Berner Rosenapfel sollen in diesem Heft vorgestellt werden.

Danziger Kantapfel Er ist eine sehr alte Sorte, die Henry Seedorf in seinem Obstgarten aus Deutschland oder Holland stammt. Erste Hinweise auf seine misch in harter Konkurrenz und ist re- Verwendung gibt es schon um 1760. gionale Nischenproduktion. Wie andere alte Sorten auch hat er Die alten Bestände zu pflegen, kostet viele Doppelnahmen: Beutlebener Ro- Mühe und Geld – mehr als die Pflege senapfel, Paradiesapfel, Calviner, Erd- bringt. Mehr und mehr „Hochstäm- beerapfel, Florentinerapfel, roter Kar- mer“ verschwinden aus den privaten dinal, Roter Liebesapfel und viele an- Gärten, neue werden nicht mehr so dere mehr. häufig gepflanzt. Er ist ein hervorragender Tafel- und Dennoch gibt es immer wieder Lieb- haber alter Obstsorten, ob Hoch- oder Halbstamm. In unserer Gemeinde gehört Henry Seedorf dazu. Er hat in den vergange- nen Jahren fast 20 Obstbäume ge- pflanzt, durchweg alte, zum Teil mitt- lerweile seltene Apfel-, Birnen- und Pflaumen-Sorten. So stehen Cox Orange, Roter Boskoop, Ananasrenet- te, Berner Rosenapfel, Danziger Kant- apfel, Williams Christbirne, Klarapfel Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 37

Wirtschaftsapfel, der ab Mitte Oktober zu finden sind. Die Blüte dauert lange genussreif und bis Januar haltbar ist. an, ist aber etwas witterungsempfind- Sein Fruchtfleisch ist grünlichgelb bis lich. Die Ananasrenette ist ebenfalls gelblichweiß, fein, markig bis mürbe, ein guter Pollenspender. saftig und angenehm rosenapfelartig Berner Rosenapfel gewürzt. Der Berner Rosenapfel oder Neuer Die Blüte beginnt spät und ist von lan- Berner Rosenapfel ist eine Sorte des ger Dauer und durch die großen, ro- Kulturapfels. Es handelt sich um einen sagefärbten Blüten außerordentlich Winterapfel. Er wurde als Zufallssäm- zierend. Gegen Kälte und Nässe ist er ling um 1870 von F. Baumann in ei- unempfindlich und er ist ein guter Pol- lenspender.10 Ananasrenette Nach Auskunft des deutschen Pomo- logen Dr. Lucas (1816-1882) soll die Ananasrenette aus Holland stammen. Sie wurde erstmals 1826 beschrieben und war früher wegen ihres hervorra- genden Geschmacks weit verbreitet.

nem Wald bei Opplingen im Schweizer Kanton Bern aufgefunden. Es ist sehr saftig, besitzt wenig Säure und schwaches Aroma. Pflückreif ist er ab Ende September, lagerfähig bis Ja- nuar. Die Sorte wird als Tafelapfel und zur Saftbereitung verwendet. Der Baum wächst anfangs mittelstark, der Wuchs nimmt aber ab, wenn der Der Apfel ist ab Mitte Oktober pflück- Baum die Ertragsphase erreicht. Die reif und genussreif ab November. Er Krone ist aufrecht und hochgewölbt. hält sich bis in den Februar des nächs- Die Blütezeit ist mittelfrüh und hält ten Jahres hinein. Die Früchte sind über einen längeren Zeitraum an. Der klein oder werden nur mittelgroß, Ertrag setzt bei dieser Sorte früh ein, weshalb sie kaum in den Handel ka- er ist dann regelmäßig hoch.11 men, sondern eher in Liebhabergärten Henry Seedorf und den anderen „Obstbauern“ in unserer Gemeinde 10 Sortenbeschreibungen und die hier abgebil- deten Zeichnungen vom Danziger Kantapfel und andernorts wünschen wir immer und der Ananasrenette, die von Pfarrer eine gute Ernte! Korbinian Aigner stammen (vgl. zu diesem Dorfzeitung Nr. 1), finden sich zum Beispiel bei Votteler, W. 1998: Verzeichnis der Ap- 11 Abb. Berner Rosenapfel: http:// upload. fel- und Birnensorten. München. Hier: S. wikimedia.org/wikipedia/commons/7/71/ 39-40 und 96-97. Malus-Berner-Rosenapfel.jpg 38 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) Als Frau Schwab nach gefragt, was sagen Sie zu Peckatel – da hab ich gesagt: ‚Um Gottes willen, Mecklenburg kam… um Gottes willen, habe ich gesagt, wo Aus einem Interview, dass Frau Katha- sind wir hier gelandet – in Klein Russ- rina Schwab (1906-1999) im Jahre land.“ – Die Frau hat gesagt: ‚Mir ge- 1990 mit Pitt Venherm führte. fällt es, der Hitler hat mir eine Sied- lung geschenkt.‘ – Ich sag: ‚Mir nicht, ich musste sie bezahlen.‘ – Na ja, so Wie sind Sie hierhergekommen, Frau war´s. Schwab? Ja, ja, das Land war gut und das ist „Der Teufel hat uns nach Mecklenburg auch den Bayern in die Augen gesto- gebracht. Als ich 1934 hier oben in chen, weil wir schon in Bayern Zucker- Peckatel reingefahren bin und hier rüben angebaut haben und hier sind runter auf den Hof, das kann ich auch Zuckerrüben angebaut worden, Ihnen sagen, ich hab geglaubt, der wir hatten auch einige Morgen. Unser Schlag trifft mich. Wir waren neun Haus stand ja schon vom Baron, oben Bayern und ich war die einzige, die war Kornboden und unten war der sofort geschimpft hat. Wir haben un- Kuhstall. tereinander Bairisch gesprochen, das Wer kam damals denn noch aus Bay- Mecklenburgische hast du doch nicht ern nach Peckatel? verstanden. […]. Ich hab immer gleich Ullrich, die Familie lebt noch, die gesagt – eine bayrische Frau hat mich kommen aus der Heidelberger Ge-

Familie Schwab vor ihrem Wohnhaus, 1930er Jahre. Foto: Familienarchiv Richter Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 39 gend. Hümmer, da lebt die Frau auch Hochdeutsch sprechen, haben aber noch, der Mann ist im Krieg gefallen. meistens Platt gesprochen. Na ja, … Gräbners, die waren aus der Bamber- wir haben alle gelebt. ger Gegend, die sind alle beide weg. Ich bin hier noch nie warm geworden Bucherts, die waren aus Iphofen und und werde es auch nicht mehr. Ich die Masterts, die waren auch aus der hab immer gesagt, in Peckatel will ich Bamberger Gegend und oben der nicht begraben sein, aber das kommt Georg Schwab, der war auch aus un- jetzt doch. Ich hab immer gemeint, serem Dorf aus der Würzburger Ge- wenn mein Mann eher stirbt, dann gend und der Schopf, der war aus gehst du wieder nach Bayern, aber Schwabach, aus der Nürnberger Ge- daraus ist nichts geworden, bist halt gend – waren sie das alle? Nein, der da geblieben.“ Hein, der Hein, der war aus der Herz- further Gegend, aber dessen Frau Aufgeschrieben von Pitt Venherm starb 1939 und dann ist der wieder zurück nach Bayern. Frau Schwab wurde nun doch in Peckatel begraben und etliche, von Wären Sie denn lieber in Bayern ge- denen sie in dem auf Zelluloid festge- blieben? haltenen Interview sprach, leben mitt- Ich weiß nicht, ob Sie Süddeutschland lerweile nicht mehr. kennen. Wissen Sie, bei uns sind es Häuser und Dörfer und Bauernhöfe. Frau Schwabs Schilderung bietet einen Das war hier in Peckatel ja ein Gut geeigneten Anlass dafür, die damali- und da oben waren die Arbeiter und gen Umstände, die dazu führten, dass das ist alles so provisorisch gemacht nach dem Ersten Weltkrieg viele Men- worden, du hast ja gemeint, der schen aus den verschiedensten Gebie- Schlag trifft einen. Wenn man das ge- ten Deutschlands nach Mecklenburg sehen hat – das sollten Häuser sein! siedelten, näher zu beleuchten. Zu- Unseres ist ja noch gegangen. Bei nächst wird aber dargestellt, welche Gräbners war es ein Schafstall und bei Haus- und Hoftypen in der Aufsiedlung den Ullrichs, das war die Stellmacherei von Gutsanlagen wie denen in und den Hümmer seines, das haben Peckatel und Hartwigshof zur Anwen- sie hingebaut wie so einen Briefkas- dung kamen. ten. Ach nee, wie ich da oben reingefahren bin, da hat mein Mann gesagt, da Siedlungshäuser in Peckatel oben ist die Schule. Na, unsere Schu- und Hartwigsdorf len da waren zweistöckige Häuser und hier? Na ja, es ist alles rum, es ist ge- Der mecklenburgische Bauernhausfor- lebt. scher Karl BAUMGARTEN (siehe das Wir haben halt ein richtiges Dorfleben Kurzporträt in der Nr. 2 der Dorfzei- gehabt alle miteinander und das ha- tung – abrufbar unter www.klein- ben wir verloren, das war hier nicht. vielen.de) war der Meinung, dass mit Erst haben unsere Kinder die Lehrer den Neubauten, die bei der Aufsied- gar nicht verstanden, die konnten lung entworfen und errichtet wurden, endgültig von zuvor gekannten Bau- 40 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) traditionen abgewichen wurde. Mit den Aufsiedlungen sei in Mecklenburg ein vorher nicht gekannter Bauern- haustyp aufgekommen, der „Streckhof“ des 20. Jahrhunderts, der „gewis- se Ähnlichkeiten“ mit den seit dem 18. Jahrhundert bekannten Querbüdnerei- en zeigte. Nach einem an- deren Bauernhausforscher, Heinz ELLENBERG, sind die- se neueren „Streckhöfe“ Zahlreiche Güter wurden in den 1920er und 1930er Jahren auf- dem Typ der Einfirsthöfe gesiedelt. Häufig kam dabei der Bautyp eines Einfirsthofes oder Einhäuser zuzurech- oder Einhauses zum Einsatz (oben), den Baumgarten als ei- nen. nen „Streckhof“ des 20. Jahrhunderts bezeichnet und der auch In der Gemeinde Klein Vie- Ähnlichkeiten mit der früheren Querbüdnerei (unten) auf- wies. – Entwürfe: Hermann Behrens nach Karl Baumgarten len finden sich eine ganze Reihe solcher Siedlerhäu- ser des genannten Typs. BAUMGARTEN führte in ei- nem Aufsatz zu den mit den Aufsiedlungen ver- bundenen baulichen Neue- rungen in Mecklenburg aus: „Während das frühe 20. Jahrhundert für das Bau- erndorf Mecklenburgs, sieht man von dem stän- digen Vordringen des Teerpappeflach- wurden die auf den Gutshöfen befind- dachs und von dem damit jetzt an den lichen Wirtschaftsbauten, vor allem die Gebäuden häufiger auftretenden Knie- Scheunen, zu Wohnungen ausgebaut, stock ab, baulich kaum Veränderun- wobei sie ihrer Größe wegen durch- gen brachte, erfolgten seit den zwan- weg an zwei Siedlerfamilien ausgege- ziger Jahren mancherorts grundlegen- ben wurden. Teils fanden die noch de Wandlungen im Baubild der Guts- vorhandenen Landarbeiterkaten wei- dörfer. Hinter ihnen standen Bemü- terhin Verwendung. Nur mussten in hungen, verschuldete Gutsbesitzungen solchen Fällen die von den Siedlern oder unrentable größere Domanialbe- benötigten Wirtschaftsbauten in den triebe durch Parzellierung aufzusie- anschließenden Gärten errichtet wer- deln. Die dafür erforderlichen neuen den. Schließlich aber erscheinen auch Wohngebäude wurden auf unter- neuentwickelte Formen. Zu ihnen zählt schiedliche Weise gewonnen. Teils vor allem der bislang im mecklenbur- Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 41

In anderen Unterlagen wird zu den Siedlerhäusern Folgendes recht konkret ausgeführt: „Gegenüber der früheren Bau- weise ist eine Vereinfachung der Formen eingetreten, die auch ein gefälligeres Aussehen der Gebäude im Gefolge hat […] Dabei ist bei Büdnereien die Vereinigung von Viehstall und Scheune unter einem Da- che zu einem Wirtschaftsge- bäude, wie bisher üblich, bei- Siedlerhäuser aus den 1920er und 1930er Jahren tragen behalten worden. Das Wohn- vielerorts auch Krüppelwalmdächer. gebäude wird in der Regel mit Entwurf: Hermann Behrens dem Wirtschaftsgebäude durch gischen Dorf unbekannte ‚Winkelhof’, einen Zwischenbau, der eine Anlage aus einem traufseitig zur Waschküche und Futterküche enthält, Straße gelegenen Nur-Wohnhaus so- verbunden. Pumpe und Vorgarten- wie einer im rechten Winkel daran an- Einfriedigung fehlen nicht. gefügten, querdieligen Stallscheune, Das Wohnhaus enthält 2-3 Stuben und denen als Verbindung meist eine nied- 1 Kammer, Wohnküche, Speisekam- rigere Wirtschaftsküche zwischenge- mer, Räucherboden sowie Keller- und schaltet wurde. Außer dieser Form be- Bodenraum. Im Giebel des Dachge- gegnet, insbesondere seit den dreißi- schosses lassen sich 2 weitere Zimmer ger Jahren, auch der im mitteldeut- einbauen. schen Raum entwickelte ‚Streckhof’, Im Wirtschaftsgebäude werden unter- der im Zusammenfassen von Woh- gebracht: Stallungen für 2-3 Pferde nung, Stall und Scheune unter einem und für etwa 5-7 Kühe sowie für das Dach eine gewisse Ähnlichkeit mit der erforderliche Jungvieh, ferner 4 jüngeren Querbüdnerei besitzt. Doch Schweinebuchten, Hühnerstall, Abort, ist in dem durch Addition entstande- Bansenraum und 2 Tennen, von de- nen Streckhof allgemein die Querdiele nen die eine Tenne auch als Bansen- mit dem Scheunenraum ganz an das raum benutzt wird. Ende des Gebäudes gerückt. Aufgrund Bei den Häuslereien befinden sich die dieser unterschiedlichen Reihenfolge Wohn- und Wirtschaftsräume durch- ihrer Wirtschaftsteile rechnen die jün- weg unter einem Dache. Zur Erspa- geren Büdnereien des 19. Jahrhun- rung der Kosten werden meistens derts zu den Mittertennbauten’, die Doppel-Gebäude errichtet.“2 Streckhöfe des 20. Jahrhunderts je- 1 Mit dem aus Niedersachsen oder doch zu den ‚Mitterstallbauten’.“ Schleswig-Holstein und dem Nordwes-

1 Baumgarten, K. 1988: Bauen und Wohnen. 2 Bark 1930: Siedlungsverhältnisse in Meck- In: Bentzien, U. & Neumann, S. (Hg.): lenburg-Schwerin mit einer kurzen Darstel- Mecklenburgische Volkskunde. Rostock: lung der geschichtlichen Entwicklung Meck- 254-291. Hier: Seite 284. lenburgs. Wismar: Seite 27. 42 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) ten Mecklenburgs noch bekannten verbreitete „mitteldeutsche Ernhaus“ Hallenhaus haben diese Bauten nur- Einzug in die Mecklenburg-Strelitzer mehr wenig zu tun, auch wenn Gie- Dörfer, ein kleineres, quer, also von belzierden etwa an Hartwigsdorfer der Traufseite her erschlossenes Bau- Siedlerhäusern zu einer solchen Deu- ernhaus mit typischer Verbretterung tung verleiten. der Giebel. Bekanntlich verlief die Grenze der bei- den mecklenburgischen Herzogtümer quer durch unsere heutige Gemeinde. In Mecklenburg-Schwerin wurde die Hallenhaustradition bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts weiter gepflegt, al- lerdings verdrängten auch hier als Folge der Agrarreformen und der da- mit verbundenen Entstehung bäuerli- cher, kleiner und größerer Einzelwirt- schaften der „Gutshoftyp“ und die „Querbüdnerei“ die Hallenhäuser. Sie waren ursprünglich immer längs, also von der Giebelseite her erschlossen. Im Herzogtum Mecklenburg-Strelitz waren die Hallenhäuser bereits im 18. Jahrhundert aus den Dörfern ver- schwunden. Damals kam in beiden Mecklenburgs eine neue Schicht von Beamten auf, die „Landbaumeister“. Diese Landbaumeister bemühten sich besonders darum, bauliche Verände- rungen zur Verhütung der häufigen Das „mitteldeutsche Ernhaus“ (Einhaus) kam im 18. Jahrhundert nach Mecklenburg-Strelitz Brände in den Dörfern durchzusetzen. und verdrängte dann bis hinter die Müritz das So verschwand der bis dahin gewöhn- Hallenhaus aus den Dörfern. Entwurf: lich frei auf der Diele befindliche offe- Hermann Behrens nach Karl Baumgarten ne Herd durch Einbau von schützen- den Wänden. Das führte dazu, dass Der Bau von Ernhäusern wurde mit ein bis dahin in Mecklenburg kaum staatlichen Zuschüssen gefördert, bekannter Raum entstand, die Küche.3 während diese denen versagt blieben, die weiter Hallenhäuser bauen wollten. In Mecklenburg-Schwerin waren es heimische Landbaumeister, in Meck- Die Entwicklung der verschiedenen lenburg-Strelitz kamen sie aus Bran- Typen von Hallenhäusern wird in der denburg-Preußen und brachten die nächsten „Dorfzeitung“ dargestellt, dort gepflegten dörflichen Bautraditio- wobei auch darauf eingegangen wird, nen mit. In der Folge hielt das in ob in unserer Gegend noch Hallenhäu- Brandenburg, Thüringen und Sachsen ser stehen, die in der in Mecklenburg- Schwerin gepflegten Bautradition ent- standen. 3 Baumgarten, K. 1988: Bauen und Wohnen, Hermann Behrens Seite 258. Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 43

„Ist das nicht der Fall, handelt es sich um ein ‚Gehöft’, selbst ‚wenn die einzelnen Bestand- teile des Anwesens zwar ohne jeden Ab- stand aneinander ge- fügt sind, sich jedoch durch ihre Stellung bzw. eigene Firstlinien als besondere bauliche Einheiten zu erkennen geben“.5 Streckhof: Ebenfalls Wohnung, Stall und Scheune unter einem Dach. Querbüdnerei: Büdnereien waren Kleinbauernstellen, die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf behördliche Anord- nung errichtet wurden, um der Landflucht ent- gegenzuwirken. Woh- nung, Stall und Scheu- ne waren unter einem Dach untergebracht. Kniestock: „Bauweise, die durch Ein gewaltiger Blitzschlag zerstörte am Abend des 12.5.2011 unter Dachräume mit halbho- anderem eine mächtige Weide am Rande des Modenbruchs am Orts- hen Seitenwänden ge- rand von Peckatel. „Trümmer“ lagen im Umkreis von 30 m. kennzeichnet ist. Sie ist in jüngeren Bauten meist mit Flachdach Erläuterungen zu einigen Fachbegriffen gekoppelt. Der Kniestock wird auch als Drempel gekennzeichnet.“6 Einfirsthof (entspricht dem „Einhaus“): Von ihm wird gesprochen, wenn „alle auf der Hofstatt vorhandenen Räumlichkei- ten, die zur Führung des Betriebes in sei- ner vorliegenden Eigenart und Größe forschung im südwestlichen Mitteleuropa. schlechthin unentbehrlich sind, unter ei- Tübinger Geographische Studien 54: 1-19. nem einheitlich konstruierten Dach verei- Hier: Seite 5. 5 nigt sind.“4 Ellenberg, H. 1990: Bauernhaus und Land- schaft. Stuttgart. Hier: Seite 44. 6 Baumgarten, K. 1965: Das Bauernhaus in 4 Schröder, K. H. 1974: Geographische Haus- Mecklenburg. Berlin: Seite 91. 44 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 75 Jahre Hartwigsdorf das seitdem ökonomisch wichtiger Teil des Gutes Klein Vielen war. Übrigens: Bemerkungen zur Geschichte ei- Richers heiratete Minna Meinke, Toch- nes Ortsteils der Gemeinde Klein ter des Pächters von Zahren, die be- Vielen kannt wurde, da sie die Jugendfreun- Hartwigsdorfs Geschichte beginnt erst din Heinrich Schliemanns war, der im 18. Jahrhundert. Auf der Feldflur mehrere Jugendjahre bekanntlich in des ritterschaftlichen Gutes Klein Vie- Ankershagen verbrachte und Minna in len wurden in zeitlich kurzem Abstand seinen Memoiren mehrfach erwähnte. zwei Glashütten eingerichtet, d. h. ne- 1878 verkaufte die Familie Jahn das ben der Produktionsstätte ließ der Gut Klein Vielen mit allen Nebengütern Glashüttenmeister sein Haus und die an den Baron von Kapherr. Hartwigs- Katen für die Glasarbeiter bauen. Die hof wurde weiterhin verpachtet. Als Konzessionen vergab der Herzog, Kapherr starb, hinterließ er seinen Be- meistens nicht länger als für 10 Jahre, sitz einer Erbengemeinschaft. Zu- um die Waldungen zu schonen. nächst verwaltete ein Bevollmächtigter Von den aufgelassenen Hütten blieben die Begüterung. Nach Erstem Welt- die Gebäude stehen. Der damalige krieg, Inflation und Weltwirtschaftskri- Gutsbesitzer von Hake auf Klein Vielen se verschuldete das Gut, und die nutzte sie, um das Vorwerk Alte Hütte meisten Erben wollten ihren Anteil anzulegen. Zunächst blieb das kleine ausbezahlt bekommen. Zuerst ver- Nebengut für die Einnahmen des kauften die Erben Adamsdorf und Lie- Hauptgutes bedeutungslos, weil es pen an den Staat Mecklenburg- klein war, viel Unland dazu gehörte Schwerin, Adamsdorf wurde Domäne. und der Boden und die Weiden mager Etwa 3 Jahre später, nun schon im waren. Von Hake hatte nur eine Toch- „Dritten Reich“, nach der Umschul- ter, die die gesamte Begüterung erbte. dung, stand die teilweise Aufsiedlung Sie heiratete den Kammerherrn Hart- wig von Plessen, der - gemäß der damaligen Mode - das Vorwerk Alte Hütte in Hartwigshof umbenannte. Trotzdem dauerte es noch etwa ein halbes Jahrhundert, ehe das Ne- bengut landwirtschaftlich rationell genutzt wurde. 1845 pachtete ein Herr Richers, der Inspektor in Peckatel gewesen war, Hartwigs- hof. Im Pachtvertrag sind erhebli- che Forderungen des Verpächters - jetzt ein Herr Jahn - festgelegt. Un- ter anderem musste Richers ein ansprechendes Pächterhaus (später das Engelsche Haus), Scheunen und Katen bauen. Richers war ein kluger Landwirt, er bewirtschaftete das Nebengut 20 Jahre erfolgreich, Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 45 des Restgutes bevor. Die Nationalsozi- rin, Frau von Amstorff, war einver- alisten verlangten, dass alle Güter standen, weil sie eine Austauschfläche nach der Umschuldung ganz oder vom Gut Mollenstorf erhielt. teilweise aufgesiedelt wurden. Gesetze Nun konnten Siedler geworben wer- zu solchen Aufsiedlungen gab es den. Neben heimischen Tagelöhnern schon seit 1919. Gemeinnützige Sied- kamen Bauern aus anderen Regionen lungsgesellschaften kauften den Besitz Mecklenburgs, Niedersachsen, Schles- und organisierten mit den Siedlungs- wig-Holstein, Westfalen und Bayern, banken alles Weitere. um in Hartwigshof zu siedeln. Von Ja- Die staatliche Anordnung besagte, nuar bis Oktober 1936 übernahmen dass das Hauptgut Klein Vielen an sie die Höfe. Vorhandene Gebäude Siedler verteilt werden sollte. Der Be- wurden als Bauernhäuser hergerichtet, das ehemalige Pächterhaus erhielt der Bauer Engel, er übernahm über 50 ha land- wirtschaftlicher Nutzfläche. Die Käufer kleiner Sied- lungsstellen bezogen z. B. ehemalige Katen, für alle anderen wurden neue Häu- ser gebaut. Das geschah 1936, also im „Dritten Reich“. Die Siedler mussten sich den Zwängen der Machthaber beugen und Querdielenscheune in Hartwigsdorf mit Walm und regionaltypi- die Auflagen der „Blut- und scher Verbretterung Boden-Politik“ erfüllen. Nur wer sich in der Heimat dem sitzer protestierte. Das Vorwerk Hart- System gegenüber loyal verhalten hat- wigshof allein als selbständiges Gut te, durfte siedeln. Außerdem mussten könnte nicht erfolgreich bewirtschaftet alle verheiratet sein und Kinder haben. werden. Das Veto gelangte in die Den so genannten Neubauern-Schein Hände des Gauleiters Hildebrand, der bekam nur, wer einen Ahnenpass immerhin so viel von Landwirtschaft vorweisen konnte, aus dem die „Erb- verstand, daß ihm der Protest ein- tüchtigkeit" hervorging, d. h. wer den leuchtete. Er gab der Eingabe statt, Nachweis arischer Abstammung er- deshalb sollte nun anstatt des Haupt- bringen und die Sicherheit nachweisen gutes Hartwigshof aufgesiedelt wer- konnte, dass unter seinen Vorfahren den. Diese Entscheidung musste von keine körperlich oder geistig Behinder- der Siedlungsgesellschaft als unöko- ten waren. Zukünftige Bauern mit Hö- nomisch zurückgewiesen werden. Die fen über 7,5 ha durften gleich den An- Lösung: Hartwigshof und das benach- trag auf Aufnahme in die Erbhofrolle barte Friederikenhof, Schäferei des stellen – entsprechend des Erbhofge- Gutes Zahren, wurden als Siedlung setzes. So sollten Überschuldung und Hartwigshof zusammengelegt. Zahren Zersplitterung der Höfe vermieden war nicht verschuldet, die Gutsbesitze- werden. 46 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

Der Name des ehemaligen Vorwerks Jahren geschlossen wurde. Hartwigshof passte nicht mehr zu dem Nach Kriegsende folgten schwere Jah- neuen Bauerndorf, sowohl der Charak- re. Flüchtlinge und Vertriebene muss- ter der Siedlung als auch ihre Ausma- ten aufgenommen werden, was Be- ße hatten sich geändert. 1938 stellte schränkungen zur Folge hatte. Das der damalige Bürgermeister den An- Soll zu erfüllen war nicht immer leicht, trag, Hartwigshof in Hartwigsdorf um- es wurde nur nach der Größe der An- zubenennen. Dieser Antrag wurde ge- bauflächen, nicht nach Bodenqualität nehmigt. bemessen. Nach 1952 drängten Partei Die Siedler waren vorwiegend Men- und Regierung auf Kollektivierung der schen, die nach dem verlorenen Ers- Bauernschaft. Was nun folgte, kennen ten Weltkrieg, der Inflation und der die meisten, weil sie es selbst erlebten Weltwirtschaftskrise materielle Sicher- oder von Eltern und Großeltern hör- heit anstrebten, obwohl sie nun mit ten. Die kleinen LPGen wurden zu der Krediten belastet waren. Sie konnten LPG „Karl Marx" Klein Vielen zusam- nicht wissen, dass drei Jahre später mengelegt. In den 1970er Jahren schon wieder ein Krieg ausbrechen trennte man die Tier- und die Pflan- würde. Junge Männer wurden einge- zenproduktion, was völlig unökono- zogen, der Mangel an Arbeitskräften misch war. Zunächst wurde die KAP mit dem Einsatz von Kriegsgefangenen (Kooperative Abteilung Pflanzenpro- und Zwangsarbeitern teilweise beho- duktion) Klein Vielen gegründet, kurz ben. Die Abgaben an den Staat waren danach die KAP Hohenzieritz, später streng geregelt. die LPG (P) Hohenzieritz, die LPG (T), Am Kriegsende fanden zwischen Krat- also die Tierzucht blieb in Klein Vielen. zeburg und Hartwigsdorf noch Kämpfe Damit wurde nicht nur die bäuerliche statt. Sowohl deutsche als auch russi- Produktion getrennt, sondern auch sche Soldaten wurden getötet und im Traditionen, z. B. das gemeinsame Wald begraben. Auf dem Hartwigsdor- Erntefest, teilweise abgeschafft, was fer Friedhof ist ein deutsches Solda- sich auf die Dorfgemeinschaften stö- tengrab, das noch lange von Frau rend auswirkte. Mit dem Eintritt in die Tödter mit ihrer Enkelin Simone ge- LPG ruhten die Kredite, die noch auf pflegt wurde. Im Sommer 1945 waren den Höfen lagen, bestimmten Bauern ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegs- halbierte der Staat 1949 die Kredite. gefangene unterwegs, um nach Hause Die Siedler selbst oder ihre Söhne ar- zu kommen. Eines Tages lag ein un- beiteten in der LPG. Die jungen Hart- bekannter toter Pole auf der Dorfstra- wigsdorfer waren schon in der neuen ße neben Grünsteidels Gehöft. Man Heimat aufgewachsen und fühlten sich begrub ihn im Vorgarten. Diese Stelle hier heimisch. war in der Denkmalsliste der DDR Einen „Einschnitt" erlebten die Ur- vermerkt. Hartwigsdorfer, als nach 1990 der so Kirchlich gehörte Hartwigshof, später genannte Wohnpark entstand. Die Hartwigsdorf zur Kirchgemeinde „neue" Dorfgemeinschaft pflegt alte Peckatel, Gottesdienst und Familien- Traditionen und führte neue ein. feiern fanden in der Filialkirche Liepen Alle guten Wünsche für die nächsten statt. Die Kinder besuchten die Schule 75 Jahre! in Klein Vielen, bis sie in den 1960er Gisela Krull Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 47 Über die Zeit, als die Sied- lungsamt die Anerkennung und ver- fügte die Sperrung des Gutes für an- ler nach Peckatel und dere Siedlungsgesellschaften. Nach Hartwigshof kamen… Bewilligung der Siedlungskredite durch Die Siedlung war eine von verschiede- die deutsche Siedlungsbank wurden nen staatlichen Maßnahmen, die vor dann gleichzeitig verschiedene Ar- allem nach dem Ersten Weltkrieg dazu beitsgänge zur Vorbereitung der Sied- dienen sollten, die ungünstige Lage lung durchgeführt. Dazu gehörten der Landwirtschaft zu verbessern. Verhandlungen mit dem Oberkirchen- Zahlreiche Güter waren bereits seit rat über die Ablösung geistlicher Las- Mitte der 1870er Jahre durch ver- ten, die auf dem Grund und Boden schiedene Umstände in die Krise gera- lagen, und die Erstellung der Finanzie- ten und dies hatte ab 1886 insbeson- rungspläne. dere in Preußen zu staatlichen Sied- Während die Siedlungsabteilungen lungsbestrebungen und Verabschie- schon Bewerbungen für die Siedler- dung von Gesetzen geführt. stellen entgegennahmen, wurden das Mit dem Reichssiedlungsgesetz vom tote und das lebende Inventar ge- 11.8.1919 und später dem Siedlungs- prüft, Aufteilungspläne vermessen und gesetz vom 31.3.1931 sollte u. a. die Um- und Neubauten für die Neusied- starke Abwanderung aus ländlichen lerstellen entworfen. Gleichzeitig Räumen in die Städte gebremst und musste das Gut bis zu seiner endgülti- die Ansiedlung Nahrungsmittel produ- gen Aufteilung zwischenbewirtschaftet zierender Arbeitskräfte gefördert wer- werden.“2 den. Zu den Vergünstigungen für Siedler 1919 wurde in Schwerin ein Sied- gehörten niedrige Schuldzinsen, ein lungsamt für den Freistaat Mecklen- Erlass der Grundsteuer und Grund- burg-Schwerin und in demselben Jahr stücksveräußerungssteuer (für Sied- ein eigenes Siedlungsamt für den Frei- lerstellen bis 60 ha) und eine landwirt- staat Mecklenburg-Strelitz gegründet. schaftliche Beratung. Dafür mussten Die Aufsiedlung selbst wurde durch die Siedler bare Eigenleistungen („An- gemeinnützige Siedlungsgesellschaf- zahlungen“) in Höhe von 10-20 % der ten durchgeführt, die unter Aufsicht Gesamtkosten erbringen, sich ver- und teilweise finanzieller Beteiligung pflichten, dauerhaft die Siedlerstelle zu des Staates arbeiteten. bewohnen und sie ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Außerdem musste je- „Jede Siedlung wurde in etwa in fol- der Siedler dem Staat für 20 Jahre ein genden Schritten durchgeführt: Die Wiederkaufsrecht einräumen. Siedlungsgesellschaft bewarb sich um den Ankauf eines zur Aufsiedlung vor- Siedlungswillige mussten Bewerbun- gesehenen Gutes oder Gutsteils. Nach Genehmigung durch die Landliefe- chen Nutzfläche umfassten. Diese Verbände rungsverbände1 erteilte das Sied- hatten so lange Boden bereitzustellen, bis der ihnen gehörende Anteil auf 10 v. H. ge- sunken war. – Hennig, F.-W. 1988: Land- 1 Landlieferungsverbände waren vom Groß- wirtschaft und ländliche Gesellschaft in grundbesitz in den Gebieten zu gründen, in Deutschland, Band 2, 1750 bis 1986. Pa- denen die Betriebe mit jeweils mehr als 100 derborn: Seite 201. ha mehr als 13 v. H. der landwirtschaftli- 2 Schlenker, K. 2010: Seite 72 f. 48 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) gen einreichen, Bewerber mussten die Baukosten für die Gehöfte der drei nachweisen, dass sie zur Führung ei- Siedlungstypen mit folgenden Durch- nes landwirtschaftlichen Betriebes in schnittspreisen: Häuslerei (1 ha) 8 200 der Lage waren. Grund und Boden Reichsmark (RM), Büdnerei (15 ha) erhielt nur, wer Landwirt im Hauptbe- 16 200 RM und Bauernstelle (20 ha) ruf war oder gewesen war. 20 000 RM. Häusler mussten zu dieser Es wurden drei Kategorien von Sied- Zeit mindestens 1 000 RM Anzahlung lerstellen unterschieden: Häuslereien leisten, Büdner bei 15 ha etwa 10 000 (Landarbeiterstellen bis 1 ha Größe), RM und Bauern je nach Größe etwa Büdnereien (10 bis 20 ha große Klein- bauernstellen zur Ernährung einer Familie aus landwirtschaftlichem Be- trieb ohne Einsatz betriebsfremder Arbeitskräfte) und Bauernstellen (20 bis 60 ha große Betriebe, die in der Regel mit betriebsfremden Arbeitskräf- ten bewirtschaftet wurden). Die Betriebe wurden meistens durch Siedlerstelle als Einfirsthof oder Einhaus. die jeweilige Landgesellschaft aufge- Foto aus: Folkers 1934: Seite 75 baut. Dabei konnten die Wünsche der Siedler soweit berücksichtigt werden, 14 000 RM, wobei sich die Anzahlun- „wie dem keine besonderen Beden- gen auch nach der Bodenqualität be- ken“ entgegenstanden.3 Wo die Ge- maßen, die in den genannten Fällen bäude noch nicht errichtet waren, hoch war.5 konnte der Siedler sie selbst errichten, Die wirtschaftliche Situation der Neu- hatte dazu allerdings Baupläne, Be- siedler war übrigens vielerorts „kei- rechnungen und Bauverträge der neswegs günstig, denn die Landliefe- Landgesellschaft zur Genehmigung rungsverbände trennten sich verständ- vorzulegen. licherweise zunächst von den schlech- Die bei Aufteilung der Güter erhalten teren, d. h. ertragsärmeren Böden“, gebliebenen Reste des Gutsbetriebes sodass die Neubauern erhebliche An- erhielten in der Regel bisherige Guts- strengungen unternahmen, um den gebäude, „während die Gebäude der Bodenertrag zu steigern.“6 Büdnereien und Häuslereien neu auf- Die Ergebnisse der Siedlungspolitik gebaut oder, wenn und soweit sie alte waren zwischen 1919 und 1932 be- Gebäude erhalten, durch Um- und scheiden, aber 1933 bis 1939, in der Durchbauten zweckentsprechend her- NS-Zeit, noch bescheidener. 4 gerichtet werden.“ Auf Grund des Reichssiedlungsgeset- 1929/30 bezifferte die Landgesell- zes von 1919 wurden in Mecklenburg- schaft Mecklenburg m. b. H Schwerin Schwerin von 1919 bis Ende 1932 et- wa 71 000 ha aufgesiedelt. Rundge- rechnet nahm in dieser Zeit die Zahl 3 Bark, A. 1930: Siedlungsverhältnisse in der bäuerlichen Erbpachthufen von Mecklenburg-Schwerin mit einer kurzen Darstellung der geschichtlichen Entwicklung Mecklenburgs. Wismar: Seite 27. 5 Bark 1930: Seite 28. 4 Bark 1930: Seite 27. 6 Hennig, F.-W. 1986: Seite 201. Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 49

6 600 auf 7 300 zu, die der Büdnerei- z. B. das Vorwerk Hartwigshof aufsie- en von 9 200 auf 12 600 und die der delte. Häuslereien von 13 500 auf 15 500, In Mecklenburg-Strelitz wurden in die- also um etwa 6 100 Siedlerstellen. ser Zeit vergleichsweise sogar noch „Rechnet man nur die Stellen von 2 ha weniger Siedlungsstellen geschaffen; Größe an aufwärts, so wurden freilich es waren insgesamt 248 mit einer Ge- 1919 bis 1932 nur 3 901 neue Stellen samtfläche von 3 624 ha bei 14,6 ha geschaffen. Etwa ein Achtel der Sied- Durchschnittsgröße je Siedlerstelle.8 lungsfläche wurde als Anliegerland Weitere 2 211 ha wurden zur Vergrö- ausgegeben, um zahlreiche Büdnerei- ßerung von 1 031 Anliegerstellen ein- gesetzt. Somit wurden in ganz Mecklenburg von 1919 bis 1932 etwa 76 835 ha aufgesiedelt. In der NS-Zeit wurden zwischen 1933 und 1938 in ganz Mecklenburg ins- gesamt 72 000 ha aufge- siedelt, darunter 9 512 ha aus Staatsdomänen und 62 439 ha aus privatem Großgrundeigentum. „Die Gesamtzahl der Neusied- lerstellen betrug nur 2 781, wovon 1 972 unter Vereinzelt kam in der Aufsiedlung auch der von Baumgarten und Folkers so genannte „Gutshofstil“ zur Anwendung, der Dreiseithö- 20 ha, 803 20 bis 125 ha fe zur Folge hatte. Foto aus: Endler & Folkers 1930: Abbildung 12 und 6 über 125 ha groß waren; die Statistik gibt en und Häuslereien zu vollen Acker- 7 leider über die Zahl der 100 ha Größe nahrungen abzurunden.“ überschreitenden Stellen, die also Die Ritterschaft war mit etwa 64 000 noch dem Großgrundbesitz zuzurech- ha an den insgesamt 71 000 ha Auf- nen waren, keine Auskunft. Die besie- siedlungsfläche beteiligt. In Mecklen- delte Fläche dieser 2 781 Stellen um- burg-Schwerin wurden von 1919 bis fasste 56 120 ha; 9 120 ha kamen der Ende 1932 insgesamt 34 Domänenhö- Anliegersiedlung zugute und dienten fe und 76 ritterschaftliche Güter auf- zur Abrundung von 3 111 Kleinbetrie- geteilt. Davon wurde fast die Hälfte ben. Vergleicht man die amtlichen Ge- allein durch die Mecklenburgische samtzahlen der landwirtschaftlichen Landgesellschaft parzelliert und ver- Betriebe Mecklenburgs für die Jahre kauft, der Rest durch andere Sied- 1933 und 1939, so ergibt sich, dass lungsgesellschaften wie etwa „Hof und ihre Zunahme weit geringer als die Hufe m. b. H.“ in Klein Plasten, die Zahl der Neusiedlerstellen ist; denn da die Zahl der Betriebe für 1933 auf 7 Mager, F. 1955: Geschichte des Bauern- tums und der Bodenkultur im Lande Meck- lenburg. Berlin: Seite 420. 8 Mager 1955: Seite 420. 50 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)

46 211, für 1939 aber auf 46 331 be- ten Anzahlungen entrichten. Sie be- rechnet wird, beträgt die wirkliche Zu- wegten sich zwischen 850 RM und nahme nur 120 Betriebe, so dass in 3 200 RM und waren damit wesentlich der Zwischenzeit zahlreiche Zusam- geringer als in den vorhin genannten menlegungen stattgefunden haben „Schweriner“ Fällen. 9 müssen“. In der genannten Zeit ga- Der Siedlungsprozess nahm ab 1933 ben allein ca. 3 000 Kleinbetriebe bis mit dem „Gesetz über die Neubildung 5 ha Größe ihren Betrieb auf. deutschen Bauerntums“ und dann mit Wo kamen die neuen Siedler her? Zu- dem „Reichserbhofgesetz“ vom nächst versuchten die mecklenburgi- 29.9.1933 eine stark von der national- schen Freistaaten, neue Siedler aus sozialistischen „Rassen“-Ideologie und der Landarbeiterschaft zu gewinnen, „Blut und Boden“-Politik geprägte mit relativ bescheidenen Erfolgen. Ab Richtung. Nach den „Richtlinien für die 1926 konnten Siedler aus dem Westen Auswahl und Vermittlung von Neu- und Süden Deutschlands ge- wonnen werden. Zwischen 1926 und 1933 kam nur etwas mehr als die Hälfte der Neu- siedler aus Mecklenburg selbst, die übrigen aus Baden, Franken, Bayern, Württem- berg, zum Teil auch aus Sach- sen und Brandenburg. Im vorstehenden Interview mit Frau Schwab war bereits deut- lich geworden, dass in Peckatel viele Neusiedler aus Das „Winkel-Gehöft“, hier ein Beispiel aus der Gegend bei Franken und Bayern kamen. Tessin, war ein Siedlungs-Bautyp. Foto aus Folgers 1934: Bei der Aufsiedlung von 318,38 ha aus dem Vorwerk Hart- bauern“ vom 18.1.1934 konnte nun wigshof bekamen sechs Siedlerfami- nur derjenige siedeln, der im Besitz lien aus Mecklenburg Siedlerstellen, eines „Neubauern-Scheines“ war. ebenso viele aus Niedersachsen, zwei „Diesen erhielten Bewerber u. a. erst aus Schleswig-Holstein, eine aus nach Überprüfung auf ‚Erbtüchtigkeit‘ Westfalen und eine aus Bayern. Zehn und nach Erbringen des Ahnennach- Siedler kauften zwischen 16,6 und weises“, d. h. des Nachweises der 19,8 Hektar, fünf zwischen 20 und 25 „arischen“ Abstammung sowie nach Hektar und einer mehr als 50 Hektar. Überprüfung auch der politischen Hal- 11 Die Siedlungsgesellschaft „Hof und tung. Hufe“ behielt selbst 64,7 Hektar.10 Das Reichserbhofgesetz war noch Auch die Siedler in Hartwigsdorf muss- 11 Schlenker, K. 2001: Mecklenburgische 9 Mager 1955: Seite 421 f. Gutsanlagen vor dem Zweiten Weltkrieg 10 Recherchen von Frau Gisela Krull im Lan- zwischen Aufsiedlung und Denkmalschutz. deshauptarchiv Schwerin, Meckl. Min. für In: Bispinck, H. et al. (Hg.): Nationalsozia- Domänen, Landw. u. Forsten, Nr. 2926, lismus in Mecklenburg und Vorpommern. Band 1. Schwerin: Seite 69. Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 51 deutlicher ein Ausdruck der „Blut und 1943 konnten z. B. auch Frauen den Boden-Ideologie“. Status einer Erbhofbäuerin erlangen. Das „Reichserbhofgesetz“ sollte dazu Das Reichserbhofgesetz führte auch dienen, die Höfe vor „Überschuldung einen neuen Begriff vom Bauern ein, und Zersplitterung im Erbgang“ zu denn nach § 11 Absatz 1 hieß nur der schützen.12 Die als „Erbhöfe“ aner- „Bauer“, der „Eigentümer eines Erb- kannten Höfe waren grundsätzlich un- hofs“ war, alle anderen durften sich veräußerbar und unbelastbar, das Ge- nach Absatz 2 fortan nur noch „Land- setz machte die Zwangsvollstreckung wirte“ nennen. unmöglich. Es hatte für die „Erbhöfe“ In die „Erbhofrolle“ konnte sich auf allerdings problematische Folgen, weil Antrag einschreiben lassen, wessen es den Zugang zu Krediten ausschloss Hof mindestens eine „Ackernahrung“ und die Unveräußerbarkeit des Bodens (damals etwa 7,5 ha) und maximal bedeutete. Die Bauern konnten ihren 125 ha groß war. Allerdings konnte Boden also nicht verkaufen. eben nicht jeder Willige sich eintragen „Daher wurden bald nach dem Inkraft- lassen, denn die nationalsozialistische treten des Gesetzes spezielle Aner- „Blut und Boden-Ideologie“ kam ins- bengerichte einberufen, die in man- besondere in den §§ 12 und 13 des chen Fällen dem Hof doch [die Kredit- Gesetzes zum Ausdruck. „Bauer“ sicherheit zumaßen, H. B.]. Wegen der konnte nur sein, „wer die deutsche Unveräußerbarkeit des Bodens ent- Staatsangehörigkeit“ besaß (nach dem stand eine weit verbreitete Unzufrie- NS-Staatsbürgerrecht, das z. B. die denheit, weil die Bauern nicht mehr Juden ausschloss) und § 13 bestimm- als Eigentümer über ihre Höfe verfü- te, dass Bauer nur sein konnte, „wer gen konnten, sondern als Verwalter deutschen oder stammesgleichen Blu- fungierten. Zudem wurden die noch tes“ war und „nicht, wer unter seinen verfügbaren landwirtschaftlichen Flä- Vorfahren väterlicher- oder mütterli- chen verknappt und verteuert, cherseits jüdisches oder farbiges Blut wodurch die Aufstiegsmöglichkeiten hat“. von Landarbeitern verhindert wurden. Insgesamt ließen sich bis zum Ende Bauernkindern, die wegen der Aner- des Zweiten Weltkrieges 35 Prozent benbestimmung vom Hof weichen der land- und forstwirtschaftlichen Be- mussten, wurde es dadurch erheblich sitzungen zu „Erbhöfen“ erklären. Da- erschwert, eigene Höfe zu erwerben. mit schuf sich der NS-Staat eine Die starre Erbfolgeordnung des Geset- Schicht von Erbhofbauern in den Dör- zes diskriminierte die weiblichen Fami- fern, die zu den loyalen Trägern der lienmitglieder. Erst nachdem das Ge- NS-Herrschaft in den Dörfern gehör- setz mehrmals zur Besänftigung der ten.14 Bauern abgeändert wurde, etwa durch Hermann Behrens die Schaffung der sogenannten Aner- 13 bengerichte“, wurde es von einem großen Teil der Bauern akzeptiert, ab 14 Fotos aus: Folkers, J. U. 1934: Volkstums- pflege im Siedlerdorf. Mecklenburg, Zeit- 12 Präambel Reichserbhofgesetz vom 29. Sep- schrift des Heimatbundes Mecklenburg 29 tember 1933 (RGBl. I S. 549). (3): Seiten 70-78 und Endler, C. A. & Folk- 13 http://de.wikipedia.org/wiki/Reichserbhofg ers, J. U. 1930: Das Mecklenburgische Bau- esetz, 16.5.2011. erndorf. Rostock. 52 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 15 Jahre Naturschutzgebiet bung des Sees wurde zum größten Teil landwirtschaftlich genutzt, wobei am „Klein Vielener See“ – eine Südufer extensive Weidewirtschaft be- Zwischenbilanz trieben wurde. Als Badesee für die Be- völkerung hatte der See aufgrund seiner Die Vorgeschichte schlechten Wasserqualität und Unzu- Als am 18.April 1996 die Landesverord- gänglichkeit kaum eine Bedeutung. Und nung über das Naturschutzgebiet „Klein auch der Angelsport hielt sich in Gren- Vielener See“ im Amtsblatt des Landes zen. Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht Die allgemeine „Aufbruchstimmung“ in wurde, waren schon über sechs Jahre der Zeit der Wende 1989/90 ließ jedoch intensiver Arbeit zur Unterschutzstellung für die Ruhe dieses Gebietes einige Be- dieses insbesondere für Wasservögel denken aufkommen. So war die Zukunft bedeutsamen Gewässers und seiner der landwirtschaftlichen Nutzung, insbe- Randgebiete vergangen. sondere der Grünlandflächen am Süd- Bereits im Jahre 1990 beantragte der ufer, plötzlich ungewiss. Es gab sogar Kreisverband Neustrelitz des Natur- schutzbundes Deutschland (NABU) die Unterschutzstellung des Klein Vielener Sees als Naturschutzgebiet. Vorausge- gangen waren langjährige Beobachtun- gen am See, die über die jährlichen Wasservogelzählungen von Oktober bis März hinausgingen. Dabei hatte sich herausgestellt, dass der See insbesonde- re zur Zug- und Überwinterungszeit für Wasservögel eine besondere Bedeutung besaß. So bildete er neben der Lieps/Tollense und dem Rödliner See ein Glied in der Kette von überregional be- Haubentaucher deutsamen Schlafgewässern für nordi- Vorschläge, auf dem hier anliegenden sche Gänse. Je nach Nahrungsangebot Seeberg ein Hotel zu bauen. Auch die in der Umgebung wurden diese Gewäs- Angler drängten intensiver in das Gebiet ser abwechselnd als Schlafplätze ge- und errichteten teilweise ungenehmigte nutzt. Zahlreiche Entenarten nutzten Stege. Unter diesen Gesichtspunkten den See als Durchzugs- und Überwinte- beharrte der Naturschutzbund auf einer rungsgewässer. Bedeutsam schon da- baldigen Unterschutzstellung des Gebie- mals waren die Vorkommen von Gänse- tes und Regelungen zur Nutzung dieses und Zwergsäger. Für die letztere Art Gebietes. Es gab zusammen mit der stellt der See auch heute noch einer der damaligen zuständigen Naturschutzbe- bedeutsamsten Rastgewässer im meck- hörde, dem Staatlichen Amt für Umwelt lenburgischen Binnenland dar. See- und und Natur Neustrelitz, die ersten Ge- Fischadler waren als bedeutendste Nah- spräche mit den Landwirten, insbeson- rungsgäste zu nennen. dere der Wiesennutzer am Südufer. Ers- Grund für diesen Artenreichtum war die ten Kontakt gab es mit dem neu ge- relative Ruhe vor Störungen. Die Umge- gründeten Natur- und Angelverein Klein Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 53

Vielen über Regelungen des Angelns auf festschrieb. Die ordnungsgemäße fische- dem See. Ein erster Teilerfolg der Be- reiliche und forstliche Nutzung wurde mühungen war die einstweilige Siche- weiter gestattet. Konkretere Regelungen rung des Gebietes 1993. Nun begann die gab es zum Angeln und zur touristischen weitere Beteiligung aller Eigentümer, Nutzung des Gebietes. Die konkrete Um- Land- und Gewässernutzer, der Gemein- setzung dieser Vorschriften musste aber de und anderer Träger öffentlicher Be- nach wie vor an Ort und Stelle mit den lange. Viele dieser Personen und Insti- Nutzern abgesprochen werden. So gab tutionen bemühten es mit den ansässigen Landwirten, die sich, ihre Interes- auch des Öfteren wechselten, Abspra- sen in einer neuen chen über Beweidungsflächen und Schutzgebietsver- Tränkstellen. Mit dem Fischer wurden ordnung zu veran- Einsatzstellen für Boote vereinbart. Häu- kern. Aber, und figere Kontakte gab und gibt es mit dem das war zum da- Natur- und Angelverein Klein Vielen. Es maligen Zeitpunkt wurden Angelstellen vereinbart, die, sehr wichtig, es vom Standort her, die wenigsten Stö- gab keinen, der rungen für die Vogelwelt hervorrufen. eine Unterschutz- Kontroverse Diskussionen gab es über Flussseeschwalbe stellung dieses die Anzahl der Angelkähne auf dem See Sees grundlegend und die Angelzeiten. Es gab hier auch ablehnte. Parallel zu diesem Unter- Anhörungen und Vor-Ort-Termine we- schutzstellungsverfahrens erarbeitete gen von Anglern verursachten Ord- der Verfasser im Rahmen einer Projekt- nungswidrigkeiten, seien es Müllablage- arbeit für ein Weiterbildungsstudium ei- rungen oder ungenehmigte Gehölz- und nen Pflege- und Entwicklungsplan für Baumentfernungen. Auch nicht jeder dieses zukünftige Naturschutzgebiet. Stegausbau war mit dem STAUN und Aber es sollten noch drei weitere Jahre dem Betreuer abgestimmt. Im Nach- ins Land ziehen, bis die Verordnung über hinein kann man heute von einer guten das Naturschutzgebiet „Klein Vielener und auf gegenseitigem Vertrauen basie- See“ verabschiedet werden konnte. renden Zusammenarbeit mit dem Natur- Tröstlich dabei war, dass in dieser Zeit und Angelverein Klein Vielen sprechen. das Gebiet nichts an seiner Bedeutung Eine Tatsache, die in vielen anderen Na- für Wasservögel und zahlreiche andere turschutzgebieten so noch nicht wirksam Tierarten verloren hat. ist. Heute kann man durchaus behaupten, Das Naturschutzgebiet – Probleme dass sich die Nutzung des Gebietes und Erfolge weitgehend ohne erhebliche Beeinträch- In der Verordnung über das Natur- tigung der Tier- und Pflanzenwelt einge- schutzgebiet wurden die wichtigsten Re- spielt hat. Die extensive Nutzung des gelungen über die Nutzung des Natur- Grünlandes (Mutterkuhhaltung, Mähnut- schutzgebietes unter dem Gesichtspunkt zung) hat sich zum Schutz des Gebietes des Artenschutzes verankert. Es gibt und als Nahrungsflächen für zahlreiche Regelungen über die landwirtschaftliche Vogelarten als sehr positiv erwiesen. Die Nutzung, die u. a. die extensive Grün- Feuchtwiesenbereiche, als Standorte landnutzung der Wiesen am Südufer zahlreicher Wiesenorchideen, werden 54 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) seit etlichen Jahren gemäht, so dass sich nordische Gänse, wobei die Anzahl in der Orchideenbestand bei ca. 500 Pflan- den letzten Jahren abgenommen hat. In zen hält. Eine Überraschung war die den Trupps von Saat- und Bleßgänsen Nachricht, dass ein Teil der im Südwes- sind immer wieder einige Kanada- und ten des Naturschutzgebietes liegenden Weißwangengänse vertreten. Bemer- Waldflächen mit wertvollem Altholzbe- kenswert sind nach wie vor die großen stand dem NABU übereignet wurde. Im Rasttrupps von Gänse- und Zwergsä- Jahre 2003 führte der NABU- gern. Mit durchschnittlich 30-35 rasten- Kreisverband Mecklenburg-Strelitz den den Exemplaren ist der See der bedeu- „Geo-Tag“ durch. Weitere Höhepunkte tendste Rastplatz des Zwergsägers im der Naturschutzarbeit am Klein Vielener Landkreis und darüber hinaus. See waren Führungen mit Naturschutz- Bei den Entenarten ist erwartungsgemäß gruppen, die u.a. noch nicht bekannte die Stockente mit durchschnittlich 250 botanische Besonderheiten entdeckten, bis 300 Tieren in den Herbst- und Win- und die Herausgabe eines Heftes aus termonaten am zahlreichsten vertreten. der Reihe „Strelitzer Geschichten“ über In wesentlich geringeren Zahlen kom- die Vogelwelt des Sees. Im Jahre 2005 men Schell-, Tafel- und Reiherente vor. wurde vom NABU-Kreisverband Meck- Besonders im Frühjahr gesellen sich lenburg-Strelitz am Rande des Natur- kleinere Trupps von Pfeif-, Löffel- und schutzgebietes, an der Straße Klein Vie- Schnatterenten dazu. Bemerkenswerte len – Groß Vielen, ein kleiner Infopunkt Durchzügler in den Herbst- und Früh- zum Uhu, Vogel des Jahres 2005, mit jahrsmonaten sind auch einige Limiko- einer Plastik eingeweiht. Anwesend wa- lenarten wie Bekassine, Flußuferläufer, ren u. a. auch zahlreiche Einwohner aus Flußregenpfeifer, Gr. Brachvogel oder Klein und Groß Vielen. auch die großen Trupps von Kiebitzen. In den letzten Jahren gehören durchzie- Die Tier- und Pflanzenwelt des Na- hende Bartmeisen und einzelne Korn- turschutzgebietes weihen zu den Höhepunkten der regel- Seit den ersten Bemühungen um eine mäßigen Beobachtungen. Unterschutzstellung des Sees wurden Bedeutsam ist der See auch für Brutvö- von Seiten des Verfassers umfangreiche gel. Zu nennen sind hier Graugans, und regelmäßige Beobachtungen durch- Haubentaucher, Schnatterente, Wasser- geführt. Das Hauptaugenmerk gilt natür- ralle, Rohrweihe, Gr. Rohrdommel sowie lich der Wasservogelwelt, über die mitt- einige Rohrsängerarten. In den Wiesen lerweile eine fast fünfundzwanzigjährige brüten Wiesenpieper, Braunkehlchen Beobachtungsliste vorliegt. Alle bislang und Neuntöter. Auch das regelmäßige nachgewiesenen, gewässergebundenen Brutvorkommen von Rotmilan und Kra- Vogelarten an dieser Stelle aufzuführen, nich in den anliegenden Waldgebieten würde den Rahmen dieses Beitrages darf nicht unerwähnt bleiben. Bemer- sprengen, insgesamt sind es seit dem kenswert sind auch eine größere Anzahl Beginn der regelmäßigen Beobachtungs- von Nahrungsgästen, hervorzuheben aufzeichnungen im Jahre 1990 56 ge- hier besonders See- und Fischadler, wässer-bewohnende Vogelarten. Nur Flussseeschwalbe, Kormoran, Sturm- einige Besonderheiten seien an dieser und Silbermöwe sowie Rauch- und Stelle genannt. Im Spätherbst und im Mehlschwalben. Erwähnenswert sind Frühjahr rasten auf dem See ca. 1 000 auch die regelmäßig im Juli bis Septem- Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 55

Der Klein Vielener See im Winter ber zu beobachtenden Mausertrupps von zwei Beutelmeisenpaaren in den Jahren Graugänsen und Reiherenten. 1997 und 1998. Danach konnte nie wie- Die langen Beobachtungsreihen haben der ein Nachweis dieser Vogelart erfol- auch einige bemerkenswerte Verände- gen. Sie wurde sozusagen von der rungen in der Vogelwelt deutlich ge- Bartmeise „abgelöst“, die erst seit 2000 macht. So war die Bleßralle Anfang der regelmäßig am See zu beobachten ist. 1990er Jahre noch ein häufiger Brut- Auch für andere Tierarten hat das Na- und Rastvogel auf dem See. Heute ge- turschutzgebiet eine Bedeutung. So lai- hört sie zu den Seltenheiten. Auch die chen in den Bruchwäldern und Kleinge- Anzahl rastender und überwinternder wässern im Gebiet Erdkröten, Wasser- Schell-, Tafel- und Reiherenten ist in den und Moorfrösche. Die Ringelnatter wird letzten fünf Jahren drastisch zurückge- häufig sonnend auf den Stegen ange- gangen. Die Ursachen dieser beiden troffen. Häufig scheint auch der Fischot- Rückgänge sind nicht bekannt. Die An- ter im Gebiet vertreten zu sein, wie die zahl brütender Haubentaucher und zahlreichen Spuren auf den Stegen be- Graugänse hat in den letzten Jahren legen. Bisher konnte allerdings nur eine ebenfalls beträchtlich abgenommen. Hier Sichtbeobachtung dieses heimlichen Tie- sind als Ursache Störungen durch Ang- res gelingen. Auf den Wiesen sind re- ler, insbesondere Bootsangler, nicht gelmäßig Rehwild und Füchse anzutref- auszuschließen. Bemerkenswert auch fen. Über die sicher auch reich vertre- der kurzzeitige Brutnachweis von mind. tende Fledermausfauna (hier sind insbe- 56 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) sondere in den Altholzbestän- den des Süd- und Südwestu- fers zahlreiche Waldfleder- mausvorkommen zu vermu- ten) sind bisher keine Unter- suchungen vorgenommen worden. Diese sollen jedoch in den nächsten Jahren erfol- gen. An botanischen Besonderhei- ten sind besonders die bereits erwähnten Wiesenorchideen Breitblättriges und Steifblätt- riges Knabenkraut zu nennen. In den Pappelschonungen am Westufer kommt zahlreich der Breitblättrige Sitter vor. Klei- nere botanische Untersu- chungen wurden im Natur- schutzgebiet in früheren Jah- ren von Krull und Dr. Spieß vorgenommen. Wenn auch ein wenig vom Der Klein Vielener See im Winter Thema abweichend, soll an dieser Stelle noch eine weite- re Besonderheit des Natur- ein positives Fazit ziehen. Das Gebiet ist schutzgebietes erwähnt werden. Anhand derzeit nicht gefährdet. Der Schutzstatus zahlreicher Keramikfunde konnte der dieses Gebietes ist in der einheimischen Verfasser eine Besiedlung des Sees und Bevölkerung weitgehend anerkannt. der Umgebung von der Steinzeit um Auch wenn es hier immer wieder einige 3 000 v.u.Z. über die Bronzezeit (2 000- kleinere Verstöße gegen die Schutzver- 500 v.u.Z.) bis in die slawische Besied- ordnung gibt (wenn z. B. mal wieder lungsperiode, endend etwa um 1 100 Leute mit ihren unangeleinten Hunden u. Z., nachweisen. So befand sich bei- im NSG spazieren gehen, oder Kinder im spielsweise auf der Insel im Klein Viele- Wald ihre Höhlen bauen) – das Schutz- ner See eine spätslawische Inselsied- ziel dieses Naturschutzgebietes wird lung. Sie diente vermutlich der damali- dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt. gen slawischen Bevölkerung als letzter Die Erfassung der Tierwelt, insbesonde- Zufluchtsort vor den deutschen Erobe- re natürlich der Wasservogelfauna, wird rern. auch in den nächsten Jahren weiter re- gelmäßig erfolgen. Wie bereits erwähnt, Ein Blick in die Zukunft wird es in den nächsten Jahren eine Er- Nach fünfzehn Jahren des Bestehens fassung der Fledermausfauna im Natur- des Naturschutzgebiets „Klein Vielener schutzgebiet geben. See“ kann man im Großen und Ganzen Reinhard Simon (Schutzgebietsbetreuer) Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 57 Termine Gemeindevertretersitzungen 2. bis 5. Ferienwoche Sommerferien Finden 2011 statt am 27.6. (19 Uhr), 22.8. Feriengestaltung, Gemeindezentrum. (19 Uhr), 26.9. (19 Uhr), 7.11. (18 Uhr) und 12.12. (18.00 Uhr). Unsere Bürger und Bür- 24. September 2011, ab 8.00 Uhr gerinnen sind zu den öffentlichen Teilen der Abangeln Natur und Angelfreunde Klein Vie- Sitzungen herzlich eingeladen. len e. V., Klein Vielener See (2 Angeln).

Jeden Mittwoch, 17-18 Uhr 1. Oktober 2011 ab 14.00 Uhr Sprechstunde der Bürgermeisterin im Ge- Drachenfest (Freiw. Feuerwehr). meindezentrum. 2. Oktober 2011 Jeden 1. Mittwoch im Monat Erntedankfest. Gemeinsames Frühstück Gemeindezentrum, ab 8.30 Uhr. 8. Oktober 2011, 9.00 Uhr Boote aus dem Wasser. Klein Vielener See. Jeden Mittwoch, 18.45 Uhr Natur und Angelfreunde Klein Vielen e. V. Singegruppe, Gemeindezentrum. 2. Dezember 2011, 17 Uhr 2. Juni 2011 Beitragskassierung und Mitgliederversamm- Himmelfahrtsgottesdienst mit Picknick in lung Natur und Angelfreunde Klein Vielen Liepen. e. V., anschließend Preisskat. Gemeinde- zentrum. 15. Juni 2011, ab 15 Uhr Senioren-Sommerfest im Garten des Ge- 4. Dezember 2011 meindezentrums. Programm: Begrüßung Adventsfeier im Gutshaus Peckatel durch die Kita-Kinder, Plauderstündchen bei Kaffee und Kuchen. Ab 16.30 Uhr Lieder 10. Dezember 2011 und Geschichten von Otto Reutter, gespielt Nikolausfest Freiwillige Feuerwehr und gesungen von Heinz Hofert. Kostenlo- ser Fahrdienst: Bei Bedarf melden unter 039824 21598.

18. Juni 2011, ab 13 Uhr Familienangeln Natur und Angelfreunde Klein Vielen e. V., Brustorfer Teich (Bitte um Teilnahmeanmeldung bei Hardy Henning, Hohenzieritz.

26. Juni 2011 Gutspark-Gottesdienst, 14 Uhr im Gutspark Peckatel – mit Benefiz-Konzert aus Anlass der Einbindung der Glocke ins Geläut der Peckateler Kirche.

9. und 10. Juli 2011 Hohlweg Werder–Hohenzieritz Parkfest in Klein Vielen

58 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) Wir danken herzlich: Impressum Rainer u. Uta Heldt (Peckatel), Dr. Annegret Herausgeber: Klein Vielen e. V. – Leben zwi- Stein (Klein Vielen), Gundolf u. Sabine Ullrich schen Lieps und Havelquelle  verantwortlich (Peckatel), Autodienst Maik Kaufmann im Sinne des Pressegesetzes: Hermann Beh- (Peckatel), Olaf Schulz, Transport- und Kurier- rens, Peckatel 38, 17237 Klein Vielen  Druck: dienst (Klein Vielen), Sieglinde und Heinz Büsing Pegasus-Druck, Berlin  Auflage: 300  Er- (Hartwigsdorf), Unger & Partner (Ber- scheinungsweise: Ein- bis zwei Mal im Jahr  lin/Peckatel), Moderne Fußpflege Dagmar Die Redaktionsgruppe lädt zur Mitarbeit ein.  Braasch (Klein Vielen), Staudenschmiede Ulrike Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen Gürtler (Peckatel) für ihre Unterstützung bei der nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben. Finanzierung der Druckkosten für die „Dorfzei-  Redaktionsgruppe für diese Ausgabe: Horst tung“. Seedorf, Uta Matecki, Hermann Behrens, Pitt Venherm. Wer mitmachen will, ist herzlich will- In eigener Sache: kommen. Die Selbstkosten für ein Heft der „Dorfzeitung“ Titelfoto: Hermann Behrens. Weitere Fotos: betragen ca. 0,50 EURO. Das Heft wird unent- Elke Schramma (3), Hermann Behrens und Uta geltlich abgegeben. Aber: Matecki (24), Martin Kaiser (2). Alle weiteren Fotos im Text mit Quellen belegt. Spenden zur Unterstützung der Herstellungskosten der Zeitung Die Dorfzeitung findet sich (in Farbe!) sind herzlich willkommen! auch auf der Internetseite Spenden können eingezahlt werden auf das Konto von „Klein Vielen e. V.“ www.klein-vielen.de Konto Nr. 5022462, Norbert Kuhn pflegt diese Seite. Bankleitzahl 130 700 24 bei der Deutschen Bank Neustrelitz, Verwendungszweck „Dorfzeitung“.

Feste feiern im Gemeindezentrum – Räume für Familienfeiern oder kulturelle Veranstaltungen. Mietpreise und -konditionen unter 0173/2419050 oder 039824/21598 (Roswitha Hesse) Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011) 59

Dieses Mal in der Dorfzeitung: Seite

Neues aus den Vereinen und Arbeitsgemeinschaften 2 Neues aus dem Nationalpark Müritz 11 Die Vaterunser-Glocke in der Kirche Peckatel 12 Rinderoffenstall Klein Vielen 14 Kuckucksberg war ursprünglich ein slawischer Name 18 Gartensport 20 Wieder freie Fahrt nach Neustrelitz 21 Studienobjekt Park Klein Vielen 22 Die Naturdenkmale in der Gemeinde Hohenzieritz 24 Henry Seedorfs neue alte Obstsorten 35 Als Frau Schwab nach Mecklenburg kam… 38 Siedlungshäuser in Peckatel und Hartwigsdorf [Haus- und Hoftypen, Teil I] 39 75 Jahre Hartwigsdorf 44 Über die Zeit, als die Siedler nach Peckatel und Hartwigshof kamen… 47 15 Jahre Naturschutzgebiet „Klein Vielener See“ – eine Zwischenbilanz 52 Termine 57 Wir danken herzlich! 58 Impressum 58

Alte Dorfansicht Peckatel. Foto: Archiv Gisela Krull 60 Dorfzeitung – zwischen Lieps und Havelquelle – Nr. 3 (2011)