U N T E R W E
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Unterwegs IM CHIEMGAU Wenn der Winter mit seiner weißen Pracht eher den jungen und kräftigen Alpinisten entgegenkommt, so schließt er doch gemäßigte Bergsteiger und die ältere Generation nicht aus dem Gebirge aus. Das läßt sich im ausklingenden Winter vor allem in der Kulturlandschaft des Chiemgau auf Forst- straßen und Almwegen erleben und erwandern, mit Körper, Geist – und Seele. VON WILLI SCHWENKMEIER Foto: VV Chiemgau Foto: s mag eigenartig erscheinen, wenn eine Plauderei über die Chiemgauer Berge dort beginnt,wo sie seit Jahrtausenden in flache Moränenhügel übergegangen sind. Nördlich des Chiemsees, nördlich sogar der Eggstätt-Hemhofer Seenplatte, für EEChiemgauer Verhältnisse also weit weg von den Bergen, finden wir das kleine Dorf Höslwang. Nur ein Katzensprung wär’s rüber zum weitaus bekannteren Amerang oder gar nach Seeon, dessen Kloster mit den beiden gedrungenen Zwiebeltürmen fast schon zum Inbegriff der oberbayerischen Seenlandschaft geworden ist. Aber Höslwang? Die Pfarrkirche Foto: Rupert Schulz Foto: dieses Dorfs gilt zwar als ein Schmuckstück des schwäbisch-bayerischen Rokoko, doch da- von soll jetzt nicht die Rede sein; diese Kirche steht vielmehr auf einem markanten Moränenbuckel, den die Gletscher der letzten großen Eiszeit aufgeschoben haben, und von dort hat man an klaren Tagen die vielleicht großartigste Aussicht rein ins Gebirg’: „Wie das Aussicht über Inzell nach Westen (links) Licht die Alpen vom Dachstein bis zur Zugspitze bald hart ausformt, bald sanft verschleift, bald dem Horizont flach aufsetzt, ist sein täglich neu ersonnenes Geheimnis.“ So hat Lillian Eisstockschießen vor der Klosterkirche St. Lambert Schacherl diesen Blick hinein ins Gebirge beschrieben,den gewiß nicht jeder Betrachter ähn- auf dem Seeoner See (rechts) lich prosaisch empfinden mag, aber aufregend schön ist er dennoch. DAV Panorama 17 Unterwegs IM CHIEMGAU Höhenluft schnuppern auf einem der markantesten Felsgebilde im Chiemgau, der Kampenwand. Blickfang: Kunstvolle Steinmanndl trotzen der Schwerkraft (l.o.). Schloß Hohenaschau gilt als eine der mächtigsten Burganlagen Bayerns (r.o.). Der Blick vom Bergener Moos Richtung Hochplatte lädt ein zu Winterwanderungen. Der Rauschberg lädt ein zu einer großartigen Panoramaschau auf das Kaisergebirge. Zwischen Dachstein und Zugspitze, flan- Vier eher kleine Flüsse haben in diese spätwinterliches Bergsteigen oder vorfrüh- kiert von den Berchtesgadener Bergen und Berglandschaft ihre Täler eingegraben: Im lingshaftes Wandern mit Kultur und Ge- vom Wilden Kaiser, verlieren die Chiem- Westen ist dies die Prien, die bei Sachrang schichte zu verknüpfen? Diese Region eig- gauer Alpen notgedrungen an Bedeutung, das Wasser zahlreicher Gebirgsbäche sam- net sich vorzüglich, gegen das alte Klischee da erscheinen sie tatsächlich als das,was ih- melt und hinaus zum Chiemsee transpor- anzugehen, daß die Bergsteiger ihren Blick nen Helmuth Zebhauser in seiner Mono- tiert; es ist dann die Tiroler Achen, die aus nur nach oben richten oder auf den Weg hef- graphie als Attribut zugedacht hat: als ein dem Österreichischen kommt und das ten, daß sie alles, was sich links und rechts „Waldgebirg’“. Gebirg’ unterhalb des Streichen bei der ihres Weges auftut, nicht berührt, weil sie Entenlochklamm durchbricht und ihr na- halt Ignoranten sind,die nur den Berg sehen Voralpen mit Charakter turgeschütztes Delta immer weiter in den wollen. Die Chiemgauer Berge ein Waldgebirg’? Da Chiemsee schiebt; es sind dies die Weiße Das Priental von Aschau hinter nach pilgern doch die Kletterer im Felsgewirr der und die Rote Traun, die erste aus dem Sachrang, eingebettet zwischen Kampen- vielzackigen Kampenwand, da hat dereinst Ruhpoldinger,die zweite aus dem moorigen wand und Geigelstein im Osten, zwischen der berühmte Willo Welzenbach eine Route Inzeller Talbecken. Sie vereinigen sich bei Klausenkamm und Spitzstein im Westen: durch die jähe Nordwand des Hochstaufens Siegsdorf und fließen der Alz entgegen. Schloß Hohenaschau bewacht sozusagen gelegt,da gibt es die furchterregenden Steil- Diese Flußtäler sind die Lebensadern im den Taleingang, ein mächtiger herrschaftli- fluchten vom Sonntagshorn bis rüber zum Waldgebirg’, das jedoch viel weiter reicht, cher Ansitz, der an die Tiroler Burgen erin- Dürrnbachhorn, da wird an der Hörndl- vom Hochstaufen über der Saalach bis rüber nert. Der Berg, der zunächst alle Blicke auf wand oder drüben an der Steinplatte ge- zum Heuberg und zum Kranzhorn überm sich zieht, ist die Kampenwand; 1560 hat klettert,was das Fingerschmalz hergibt.Und Inn. sich ihr Philipp von Apian angenähert,als er doch: Diese Berge sind in der Tat ein Wald- im Auftrag Herzog Albrechts V. Bayern kar- gebirg’, ein „dunkelschönes Waldgebirg’“, Kulturlandschaft mit Tradition tografierte und auch den „Campen“ skiz- das man durchwandern muß, um Helmuth Die Chiemgauer Alpen sind nicht nur ein zierte.Zwei Jahre zuvor hatte der legendäre Zebhauser exakt zu zitieren,und erwandern kleines und überschaubares Gebirg’,sie sind Aschauer Schloßherr Pankraz von Fryberg kann man sich diese Berge auch im ausge- auch eine Kulturlandschaft seit urdenkli- die „Sachranger Almordnung“ erlassen, die Fotos: Gregor M. Schmid (u.), Jürgen Winkler (u.), Jürgen Winkler Gregor M. Schmid Fotos: henden Winter,ohne Ski und Schneeschuhe. d. Ropp (r.o.) (u., l.o.), Arved v. Rupert Schulz Fotos: chen Zeiten.Was liegt also folglich näher,als bestimmte,daß sommers bis auf eine Kuh al- 18 DAV Panorama Nr. 2/1999 Nr. 2/1999 DAV Panorama 19 Unterwegs IM CHIEMGAU les Vieh auf den Almen zu weiden hatte.Ein sich bei ausaperndem Schnee meist pro- che Energieversorgung; eine halbe Million im Landshuter (1503-1505), dann im Spa- späterer Schloßherr, Theodor von Cramer- blemlos gehen, die freien Wiesenhänge zur etwa hat die Realisierung dieses Pilotpro- nischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14). An Klett, ließ 1876 mit einem bequemen Klausenhütte und zum Klausenberg sind jekts gekostet, eine Investition in die Zu- Burgen finden wir heute nur noch die trut- Reitweg die Almen unter der Kampenwand hingegen den Tourenfahrern vorbehalten. kunft, die zu schützen bekanntlich die Ma- zige von Marquartstein, im frühen Mittel- erschließen; auf ihm kann man über die xime des Alpenvereins ist. alter stand hingegen eine auf dem nahen Schlechtenbergalmen und die Steinlingalm Sachrang ganz hinten im Tal... Von der Priener Hütte läßt es sich rüber- Hohenstein,eine andere auf dem Streichen, die Hochfläche der Kampenwand fast zu je- Carl Oskar Renner machte den Müllner gehen ins Achental mit seinen schmucken eine dritte in Rudersburg, irgendwo gegen- der Jahreszeit erwandern. Der Steig durchs Peter aus Sachrang zum Romanhelden,eine Dörfern,und wohl niemand ahnt,daß dieses über auf der anderen Achenseite, man hat Felsengewirr der Kaisersäle auf den Ost- nicht unbedingt authentische Familien- Tal auch Kriegsschauplatz gewesen ist, erst sie bisher nicht lokalisieren können. Das schmiedeeiserne Grabkreuz des Müllner Peter in Sachrang (r.o.). Die Pfarrkirche St. Michael beherrscht das Ortsbild von Sachrang im Priener Tal (l.u.). Der Flügelaltar der Streichenkapelle zählt zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern Oberbayerns (r.u.). gipfel mit seinem riesigen Kreuz bedarf je- saga trug den Namen dieses Dorfes im Die Priener Hütte doch der schneelosen Zeit, auch wenn die- Rahmen einer mehrteiligen Fernsehserie Von Huben bei Sachrang wandert man ge- ses Kreuz noch so anziehend wirkt, das in die deutschen Wohnzimmer. Der Peter mütlich rauf zur Priener Hütte unterm Gei- größte übrigens im Chiemgau, 1951 ge- Huber,1766 geboren,weder ein Rebell noch gelstein, dem Symbolberg des Chiemgaus schaffen vom Schmied von ... Höslwang! ein über sein Tal hinausragender Mann, ver- schlechthin in Sachen Naturschutz (siehe Ort der inneren Einkehr: der reich Chiemgauer Kirchen-Kleinod Almen gibt’s en masse oberhalb der half diesem Sachrang postum zu ungeheu- Kasten S.23). Eine vehement auftretende mit gotischen Fresken geschmückte Prien, einer der kurzweiligsten Ausflüge ist rer Popularität, doch abgehoben hat man Bürgerinitiative hat seinerzeit die totale Innenraum von St. Servatius. Ein Juwel gotischer Freskenkunst ist das gewiß der entlang des romantischen Klaus- nicht. Lifterschließung des Geigelsteins verhin- dem Eisheiligen Servatius geweihte Kirch- grabens rauf zur Dalsenalm. Auch dieser Die wichtigste Hinterlassenschaft des dert, nichts jedoch wird man machen kön- lein auf dem Streichen, das mit dem drun- muntere Gebirgsbach hätte verrohrt wer- Müllner Peter findet man in unmittelbarer nen gegen den naturzerstörerischen Alm- Literatur terliegenden urgemütlichen Wirtshaus eine den sollen, eine Energiegesellschaft hatte Grenznähe, die dereinst von ihm wieder in- wegebau, der selbst das traumhaft schöne typisch chiemgauerische Symbiose bildet: begehrliche Blicke auf ihn geworfen, man standgesetzte „Ölbergkapelle“, Ziel einer Blumengebiet der Roßalmen nicht verscho- Heinrich Bauregger: Chiemgauer Alpen Fürs Seelenheil das Gotteshaus, doch weil hat es verhindert und somit eines der ur- bedeutenden Grenzwallfahrt und ein archi- nen wird. Die Hütte der DAV-Sektion Prien, Bergverlag Rudolf Rother, München 3. Aufl. der Mensch vom Beten allein nicht leben sprünglichsten Kleintäler erhalten.Der Weg tektonische Unikum mit seinen vier teil- eine der relativ wenigen Alpenvereinshütten 1998 kann und Wallfahren hungrig und durstig durch den Klausgraben, dem entlang man weise übereinanderliegenden Kapellenräu- in den zentralen Chiemgauer Bergen, ist Lillian Schacherl: Der Chiemgau. macht,bedarf es auch der Gastronomie,und möglicherweise