Prediger Und Bürger Reformation Im Städtischen Alltag 2016
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Nr. 2 / 2016 Prediger und Bürger Reformation im städtischen Alltag 2016 / www.ag-historische-stadtkerne.de 2 Nr. EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Geschichte der Reformation und Martin Luther sind untrennbar miteinander verbun- den. Davon gingen Städte der Arbeits- gemeinschaft Historische Stadtkerne im Land Branden burg aus, als sie vor fünf Jahren begannen, sich auf das bevorstehende Refor- mationsjubiläum vorzubereiten. Wann war Luther wo und warum? – Das sollte erforscht und erzählt werden. Doch die beauftragten Historiker machten einen Strich durch diese Rechnung und traten den Beweis an: Die Geschichte der Reformation ist viel mehr als Martin Luther. Er war ein wichtiger Impulsgeber, doch es gab die Zeit der Vorreformation, das mehrjährige Spiel von Reformation und Gegenreformation und die umfäng- lichen Auswirkungen auf Kirche, Staat und Gesellschaft. Nach den Geschichtsexperten gäbe es noch viel mehr zu erzählen – vor allem über die Rolle der Städte. Sie waren Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet in einem. Hier wurde nicht nur das Für und Wider des neuen Glaubens diskutiert. In den Städten veränderte sich durch diesen Diskurs die Gesellschaft grundlegend und mit ihr der Alltag der Stadtbürger. Gewissheiten standen in Frage, neue Glaubensbrüder vermittelten gewandelte Einsich- ten. Aber was hat das mit uns zu tun? Der Dynamik dieser Zeit können wir bis heute nachspüren. Wir können nachvollziehen, was diese grundlegenden Veränderungen für den Lebensalltag des Einzelnen bedeutet haben mag und wir können so vielleicht besser verstehen, warum eine Öffnung für Vielfalt und gesellschaftlicher Zusam- menhalt bis heute unverzichtbar sind. Das spiegelt sich besonders in unseren Altstädten wider, wo bis heute Nachbarschaft ein hoher Wert ist und die Geschichte tagtäglich neues Wissen und Einsichten vermittelt. Dazu bedarf es nur des Interesses und der Aufmerksamkeit. Beides wünsche ich bei der Lektüre der 2. Ausgabe des Magazins altstadtlust – exklusiv zur Betei- ligung der Städte mit historischen Stadtkernen des Landes Brandenburg am 500. Reformationsjubiläum 2017. Herzlich, Hathumar Drost • Hathumar Drost ist seit 2003 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen im Land Brandenburg. Fotos Titel & Umschlag: Erik-Jan Ouwerkerk Erik-Jan Fotos Titel & Umschlag: 1 INHALT ALTSTADTLUST NR. 2/2016 Prediger und Bürger Reformation im städtischen Alltag 10 78 36 62 22 60 04 FOTOSTRECKE RADTOUREN 58 Unterwegs zu Luther – Luther-Tetzel-Weg von Jüterbog nach Wittenberg TITEL 62 Reformation zwischen Elbe und Elster – Kulturroute von Torgau nach Wittenberg 10 Reformation und Stadt – Prediger und Bürger 70 Auf Klostertour durch die Schorfheide – Vom Kloster Chorin nach Angermünde HISTORISCHE EREIGNISSE VERANSTALTUNGEN 18 Wenn das Geld im Kasten klingt – Jüterbog am Vorabend der Reformation 46 … und immer wieder 120 Stufen – Warum Günter Brochwitz gern das Gesicht des Luther Passes ist 24 Die Schlacht bei Mühlberg 1547 – »Fürstentreffen« an der Elbe 54 Kulturland Brandenburg 2017 – Wort & Wirkung. Luther und die Reformation in Brandenburg 30 Der einäugige Soldat – Mit Rochus Graf zu Lynar kam ein Hauch Italien nach Brandenburg 60 Sommer-Theater-Altstadt-Traum – HANS-SACHS-SPIELE mit dem theater 89 36 Bürgermeister der Reformation – Wie Johann Konow die Reformation in Perleberg einführte 64 Die schwarze Kunst – Kinder erlernen den Buchdruck 42 Wenn aus Predigern Bürger werden – Die Gemeinde Wahrenbrück im Streit mit den »papistischen« Mönchen aus dem Kloster Dobrilugk 68 Geschichte ist klasse! – Stadtgeschichte von Kindern für Kinder 46 Wer waren die Waldenser? – Das Schicksal der Ketzer von Angermünde 72 Das Reformationsjubiläum im Land Brandenburg – Die evangelische Kirche feiert mit ihren Partnern 50 Advokat Fulgentius Ruggieri packt aus! – Eine Reise ins reformatorische Brandenburg des 16. Jh. RUBRIKEN PREDIGER UND BÜRGER HEUTE – IM GESPRÄCH MIT ... 16 An der Seite Martin Luthers – Reformatoren aus Brandenburg 22 Pfarrer Bernhard Gutsche aus Jüterbog 76 Wann war was wo? 28 Michael Oecknigk, Bürgermeister von Herzberg (Elster) 78 Schon gewusst? 34 Dagmar Wagner, der »Brezeltante« aus Lenzen 80 Veranstaltungshöhepunkte 84 Impressum 2 3 Städte mit steiner- nen Zeugen der Refor mation. Burg Ziesar im Fläming. Foto: Erik-Jan Ouwerkerk 4 5 Luther sah die Musik als gött- liche Gabe. Orgelkonzert in der St.-Marien-Kirche in Kyritz. Foto: Erik-Jan Ouwerkerk Bildung war eines der Ideale der Re- formation. Schüler des Philipp-Melanch- thon-Gymnasiums in Herzberg (Elster). Foto: Erik-Jan Ouwerkerk 6 7 Auf den Spuren der Reformation. Lutherlinde in Treuenbrietzen. Foto: Stefanie Jeschke 8 9 LEITARTIKEL Das Reißigerhaus in Bad Belzig 1728 am Kirchplatz als Schulhaus mit Lehrer- und Kantorenwohnung erbaut. Geburtshaus des Hofkapellmeisters Carl Gottlieb Reißiger. Foto: Erik-Jan Ouwerkerk Refor mation und Stadt – Prediger und Bürger Religion bewegt p Mit den Beschlüssen der Landtage der Bundesländer hat der Souverän den 500. Jahrestag der Reformation am 31. 10. 2017 zu einem gleichsam nationalen Feiertag erklärt. Es heißt dazu, »nicht nur für das protestan- tische Christentum, sondern für die Gesellschaft als Ganze (sei das) ein historischer Tag«. Dieselbe Gesellschaft kennzeichnet dabei auch dies: eine anhaltend hohe Anzahl von Christen erklärt den Austritt aus ihrer Kirche, während ein anderer Teil gerade durch Religionslosigkeit motiviert wird, sich Anspruch und Erbe des Christentums zuzuwenden. Religion bewegt, – aber offenbar auf verschiedene Weise. Was alltäglich zu erfahren ist, erweist sich als Teil der Geschichte der Stadt und der Reformation. Was immer man mit dem »Reformationsjubiläum 2017« verbindet, zeigt Religion an sich als eine öffentliche Angelegenheit. 10 11 LEITARTIKEL Die Einführung der Reformation bedeutete Konfl ikte. Zum besseren Verständ- nis der sich oft hinziehenden Durchsetzung »der« Reformation unterscheidet man u. a. »Fürsten«-, »Gemeinde«- und »Stadtreformation«. Bislang hat man »Stadtreformationen« eher am Beispiel starker (Reichs-) Städte untersucht. »Prediger und Bürger« nun lenkt den Blick auf die Reformation in Landstäd- ten vor allem im Süden des heutigen Landes Brandenburg, in Gebieten, die damals Teile Meißens, Sachsens oder des Erzstifts Magdeburg waren. So zeigt der wechselnde Verlauf von Landesgrenzen auch wie je nach dem religiösen Bekenntnis der Landesherren unterschiedliche (christliche) Konfessions- staaten und Konfessionskulturen entstanden. Politisch jedoch gewannen die Landstädte über die Einführung der Reformation keine weiteren kommunalen Freiheiten hinzu. Im Gegenteil, sie büßten sie eher ein, so dass territorial eine Homogenisierung der Städte voranschritt. Dazu trugen auch die evan- gelischen Konsistorien als Teil der größeren Landeskirche bei. Aber konfes- sionell homogene Staaten und Gesellschaften ließen sich nicht herstellen. Prediger und Bürger? Die Reformation war ein »urban event«, ein städtisches Ereignis, Die Reformation formulierte der Historiker A. G. Dickens 1974. Er hatte dabei die war ein städtisches Rolle sozialer Gruppen in der frühen Reformationsbewegung in den Städten vor Augen. Zweierlei sah damit die Forschung genauer: Ereignis. den Nährboden spätmittelalterlicher Stadtverfassungen und Fröm- migkeit für erfolgreiche Durchsetzungen reformatorischer Forderungen sowie die Bedeutung der mündlichen und schriftlichen Medien, des Buchs und der Gegenüberstellung des »Eu- Welche Reformation – welche Stadt? Prediger. Zum Brennpunkt der Auseinandersetzungen um die neue Lehre angelischen« (Evangelischen) Das jahrhundertalte Bildmotiv, auf dem Martin Luther mit Hammerschlägen wurden die Pfarrgemeinden und die religiösen Anforderungen frommer Laien. denjenigen des »Bebslichen« seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelt, ist zwar Mit Einführung neuer Prediger unter Beistand des Stadtrates kam über die (Päpstlichen) Predigers. Die Geschichte, aber weiterhin bekannt und trifft in unserer Gegenwart auf neue Lehre zugleich ein sozialer und ökonomischer Wandel in Gang. Zuhörer, die auffällig in unter- die Playmobil-Figur des Mini-Reformators. Bilder des Reformators machen schiedlicher religiöser Haltung Geschichte: gestern der Held, heute die Spielfi gur. Anders die Historiker: Sie gezeigt werden, sollen sich in beschreiben den Reformator heute als eine »mittelalterliche Übergangsfi gur« Glaubensfragen entscheiden. (L. Hölscher), oder als »Rebell« (H. Schilling). Die Geschichtswissenschaft Aus: Inhalt zwyerley predigt, yede in sieht die Epochengrenze des Mittelalters kaum mehr in der Reformation von gemein in einer kurtzen summ begriffen, 1517, versteht sie eher auch als eine Folge europäischer Geschichte des Chorgestühl. Georg Pencz, Nürnberg 1529. M. Geisberger, Der deutsche Einblattdruck in der ersten Spätmittelalters. Unbestritten gehören dazu die außerordentliche Bedeu- Foto: Erik-Jan Ouwerkerk Hälfte des XVI. Jahrhunderts, 1923, Nr. 997. tung der »neuen Lehre« Martin Luthers (1483 – 1546) und die der Mit- Reformatoren Philipp Melanchthon (1497 – 1560) und Erasmus v. Rotterdam (1466? – 1536). Für die Historikerin L. Schorn-Schütte besteht die große Chance, »die Deutungsvielfalt, die die Reformation hat über sich ergehen lassen müssen, zu entfl echten (…) und damit – vielleicht – zur Weiterführung historischer Identifikationsmuster beizutragen«. Der Kirchenhistoriker Th. Kaufmann versteht das Reformationsgeschehen als »kommunikativen Prozess«. Auf diese Weise tritt der »Systembruch« infolge der Reformation mit der römi- schen Kirche