4 N° Genshagener Noten

Kunst tut Not: Roma in Europa

Art as a Rescue: Roma in Europe

Eine Akademie unter Bäumen An Academy under Trees 11. bis 13. September 2014 September 11 to 13, 2014

Kunst und Kulturvermittlung in Europa Die »Genshagener Noten« sind eine Publikationsreihe des Bereichs »Kunst- und Kulturvermittlung in Europa«. Sie widmen sich aktuellen gesellschaftsrelevanten Themen aus der Sicht der Kunst und Kultur. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der deutsch-französisch-polnischen Zusammenarbeit im europäischen Kontext.

Das flexible Format dieser Reihe erlaubt es, in prägnanter Form Ergebnisse aus unseren Projekten darzustellen wie auch einzelne ausgewählte Personen zu Wort kommen zu lassen. Ziel dieser Reihe ist es, unsere Arbeit einer breiteren Öffent- lichkeit zugänglich zu machen. Die Genshagener Noten erscheinen mehrmals im Jahr, sind online erhältlich und liegen auch in gedruckter Form vor.

Inhalt

D

Vorwort von Christel Hartmann-Fritsch 4

Geleitwort von Romeo Franz 7

Ein zentrales europäisches Thema 10 Noémie Kaufman

Zur Repräsentation von Roma in der europäischen Kunst 14 Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal

Stimmen und Zitate 24

Die Hintergründe der »Roma-Frage« in Frankreich und Europa 26 Dr. Olivier Peyroux

Stimmen und Zitate 34

Die Rolle von Roma-Kultur im politischen Kampf für Inklusion 38 Ágnes Daróczi

Roma, eine politische Konstruktion? 48 Ein Gespräch über Identität und kulturelle Differenz

Inseln des Gelingens 55 Kulturinstitutionen und künstlerische Projekte in Europa

Typisch »Zigeuner«? Mythos und Wirklichkeiten 70 Daniel Strauß

Genshagen als Bühne 74 Das Schloss präsentiert Künstlerinnen und Künstler

Referenten, Künstler und Projektinitiatoren 76

Déclaration de Porto Novo 79

Impressum 80 Contents

EN

Foreword by Christel Hartmann-Fritsch 5

Preface by Romeo Franz 8

A Vital European Issue 10 Noémie Kaufman

On the Depiction of the Roma in European Art 14 Klaus-Michael Bogdal

Voices and Quotes 24

The Background of the »Roma Issue« in France and Europe 26 Olivier Peyroux

Voices and Quotes 34

The role of Roma Culture in the Political Fight for Inclusion 38 Ágnes Daróczi

Roma: A Political Construct? 48 A Discussion about Identity and Cultural Difference

Islands of Success 55 Cultural Institutions and Art Projects in Europe

Typically »Gypsy«? Myth and Reality 70 Daniel Strauß

Genshagen as a Stage 74 The Palace Presents Important Artists

Speakers, Artists and Project Initiators 76

Déclaration de Porto Novo 79

Publisher’s Imprint 80 Christel Hartmann-Fritsch: Vorwort / Preface

Christel Hartmann-Fritsch Vorwort

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»Es gibt kulturelle Unterschiede, aber keine zivilisatorischen. Wenn wir in Die in Mannheim ansässige Hildegard Lagrenne Stiftung Gesellschaften leben, (…) dann bedeutet es, dass jedes Individuum dieselben besaß das Wissen und die Autorität, die Stiftung Gens- fundamentalen Rechte hat. Sie bedeuten zugleich, dass man miteinander leben kann, dass man sich gegenseitig respektiert, dass man Verantwor- hagen bei allen konzeptionellen Fragen und Planungs- tung für den anderen hat – das ist Zivilisation.« schritten zu beraten und wichtige Kontakte zum Umfeld

Stéphane Hessel der und Roma zu vermitteln. Dabei konnten wir gemeinsam auf ein Netzwerk bauen, das unterstützend Der im Februar 2013 verstorbene Lyriker, Diplomat, Ak- »hinter den Kulissen« wirkte – mit Aktivisten, Mitar- tivist und Mitverfasser der UN-Menschenrechtscharta beiterinnen und Mitarbeitern von RomnoKher und der Stéphane Hessel war Mitbegründer der »Dialogues en Freudenberg Stiftung. So entstand in wenigen Monaten humanité«. 2002 (nach dem Weltgipfel für nachhal- ein fruchtbarer Prozess des Gebens und Nehmens, der tige Entwicklung in Johannesburg) in Lyon ins Leben das Programm zu einem großen gemeinsamen Vorha- gerufen, wollen die »Dialogues« in einem weltweiten ben werden ließ. Möglich wurde dies insbesondere auch Netzwerk Denken und Handeln im Kontext sozialer durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur Gerechtigkeit, respektvollen Umgang mit der Natur und Medien als maßgebliche Förderin der Stiftung Gens- und den Aufruf, an Menschlichkeit zu wachsen, in den hagen sowie die Bundeszentrale für politische Bildung, Mittelpunkt stellen. Die Stiftung Genshagen hat sich mit deren Unterstützung die Beiträge der Künstlerinnen diesem Netzwerk angeschlossen: Die »Akademie unter und Künstler finanziell abgesichert werden konnten. Bäumen« ist die angemessene Form, dies zum Aus- druck zu bringen. Sie fand erstmalig 2010 in Anwesen- Apropos Kunst: Die groß-und kleinformatigen Werke der heit von Stéphane Hessel in Genshagen statt und wird Gitana Lita Cabellut, die dank großzügiger Leihgaben seitdem alle zwei Jahre von der Stiftung veranstaltet; aus Privatbesitz, der Galerie Günther Zulauf und von 2014 geschah dies in Kooperation mit der Hildegard RomnoKher im großen Saal des Schlosses, im Foyer und Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe im Treppenhaus präsentiert werden konnten, führten von Sinti und Roma in Deutschland. Die Dokumenta- alle Teilnehmenden, Besucher und Gäste schon beim tion dieses Ereignisses ist Gegenstand dieser Publika- Ankommen ohne Umwege zum Kern unseres Anliegens tion. – mit den Mitteln und der Sprache der Kunst zum Aus- Die mächtigen Bäume des Schlossparks und ihr schüt- druck zu bringen, dass Kunst Not tut, wenn es darum zendes Blattwerk, die »arbres à palabres«, schaffen bes- geht, mit Kraft, Energie und Visionen unsere Gesellschaft te Möglichkeiten für offene, vertrauensvolle Gespräche zu speisen und voranzubringen. und freien Meinungsaustausch: Bei den Diskussionen unter den Bäumen werden verbindliche Regeln ein- Die vorliegende Dokumentation gibt einen Einblick in gehalten. Dazu gehören die Freiheit der Rede, wohl- den Diskurs, den Wissenschaftler, Aktivisten, Künstler wollende Aufmerksamkeit, respektvolles Zuhören und und Vertreter von künstlerischen, kulturellen oder bil- die Gleichheit aller im transnationalen Diskurs. Diese dungsorientierten Projekten aus verschiedenen europä- einfachen, dennoch höchst wirksamen und wichtigen ischen Städten miteinander im Verlauf der »Akademie Verabredungen fanden schnell die Zustimmung unter Bäumen 2014« in Genshagen geführt haben, als sowohl unseres Mitveranstalters, der Hildegard Teil eines andauernden breiten europäischen Diskurses. Lagrenne Stiftung, als auch der anderen beteiligten Ich wünsche Ihnen viel Spaß und neue Erkenntnisse bei Partner und Förderer. Am Ende dieses kleinen Bandes der Lektüre. finden Sie unter der Überschrift »Déclaration de Porto Novo« (in französischer Sprache) ein Statement der Teilnehmer der »Dialogues en humanité« vom Mai 2014 im Bénin, Porto Novo. Dieses Statement wurde von Geneviève Ancel in ihrem Grußwort vorgetragen. Sie legte damit die philosophischen und universellen Grundlagen der diesjährigen Akademie zum Thema »Kunst tut Not: Roma in Europa«. Christel Hartmann-Fritsch Preface

5 EN

»There are differences in culture, but not in civilization. To live in a society tant contacts to the Sinti and Roma community. So, means (…) that every individual has the same fundamental rights. It also we were able to build up a network that acted sup- means that everyone is capable of living together, that there is respect for one another, that one takes responsibility for the other – this is civilization.« portively behind the lines – with activists, the staff

Stéphane Hessel of RomnoKher, and the Freudenberg Foundation. In this manner, a fruitful process of give and take came Stéphane Hessel, who passed away in February 2013 – a into being that enabled the project to become a great poet, diplomat, activist, and co-author of the UN Human common endeavor. A decisive role was played as well Rights Charter – was a co-founder of the »Dialogues en by the Federal Minister for Culture and Media, the humanité.« Called to life in Lyon in 2002 (after the world core funder of the Genshagen Foundation, and by the summit meeting for sustainable development in Johan- Federal Center for Civic Education. With their support, nesburg), the »Dialogues« were intended to direct the we were able to make the contributions of the various focus of a worldwide network onto thought and action in artists possible. the context of social justice, onto the respectful treat- ment of nature, and to call for increased humanity. The Apropos art: the large- and small-scale works of the Genshagen Foundation has joined this network: the Gitana Lita Cabellut, which thanks to generous loans »Academy under Trees« is an appropriate form of expres- from private collectors, Galerie Günther Zulauf, and sion for this undertaking. The first Academy took place RomnoKher could be displayed in the large hall of the in Genshagen in 2010 in the presence of Stéphane Hessel; palace, in the foyer, and in the stairwell, ushered all since then it has been put on by the foundation every the participants, visitors, and guests upon their ar- two years, in 2014 in collaboration with the Hildegard rival straight to the heart of our concern – to express Lagrenne Foundation for the Education, Inclusion, and through the means and the language of art that art Participation of Sinti and Roma in . The publica- can serve as a rescue when it comes to nourishing and tion you see before you documents this event. furthering our society with power, energy, and visions.

The powerful trees of the palace park and their protective This publication offers a view of the discourses carried shade, the »arbres à palabres,« are the best prerequisite on by scholars, activist, artists, and representatives of for open, trusting discussions and the free exchange of artistic, cultural, or educational projects from differ- ideas: certain rules are followed in these conversations ent European cities during the course of the »Academy under the trees. These include freedom of speech, well- under Trees 2014« in Genshagen, as part of a constant, disposed attention, respectful listening, and the equal- wide-ranged European discourse. I hope you enjoy ity of all in the transnational discourse. This simple, yet reading it and learn something from it as well! highly effective and important agreement was quickly accepted by not only our partner the Hildegard Lagrenne Foundation, but also by the other participators and sup- porters. At the end of this booklet you will find, under the heading »Déclaration de Porto Novo« (in French), a state- ment by the participants of the »Dialogues en humanité« of May 2014 in Benin, Porto Novo. Geneviève Ancel read this statement in her welcoming speech. In this way, she laid the philosophical and universal foundations of this year’s Academy with its theme »Art as a Rescue: Roma in Europe.«

The Hildegard Lagrenne Foundation, based in Mann- heim, possessed the necessary knowledge and authority for advising the Genshagen Foundation in the planning and all conceptual questions, and to mediate the impor- Romeo Franz: Geleitwort / Preface

6 Romeo Franz Geleitwort

7 D

»Kunst tut Not« behauptet der Titel dieses Heftes und Die Bereitschaft, diese Vielfalt wahrzunehmen und ste- der gemeinsamen Tagung der Stiftung Genshagen reotypes Denken aufzulösen, entsteht leichter, wenn die und der Hildegard Lagrenne Stiftung. Als wir diese Kunst den Rahmen des Dialogs bestimmt oder wenigs- Überschrift formulierten, hatten wir zunächst ein tens beeinflusst. wenig das Gefühl, ins Dunkle zu schießen. Haben wir, mit Blick auf die hier versammelten Beiträge, dennoch Antiziganistische Einstellungen und Stereotypen über etwas Richtiges getroffen? Roma sind allgegenwärtig. Sie sind in unterschiedli- chen Formen Bestandteil nationaler Kulturen geworden Es fällt nicht immer leicht, offen zu sagen, dass und daher den Menschen gar nicht bewusst. Deshalb ist man ein Sinto oder Rom ist; denn dies birgt die stets es schwer, sie wahrzunehmen, wenn man nicht selbst präsente Gefahr, antiziganistischen Reaktionen zu davon betroffen ist, und noch schwerer, sie anzusprechen. begegnen. Das Wissen, dass wir seit Jahrhunderten Bei internationalen Begegnungen wird das besonders als »Zigeuner« verfolgt, ermordet, vertrieben, ausge- deutlich. Da reden die Italiener ganz selbstverständlich grenzt wurden, ist immer mit uns. Und auch, wenn von »Nomadi«, obwohl die Sinti in Oberitalien so sesshaft ein Teil von uns als Nationale Minderheit in Deutsch- sind wie die Sinti im Elsass oder in der Pfalz in Deutsch- land anerkannt ist, wissen wir, dass in den Augen der land. Und auch die Roma in Neapel wandern selbstver- Mehrheitsgesellschaft unsere Gleichwertigkeit nicht ständlich nicht. Es war für die deutschen Teilnehmer selbstverständlich ist und immer wieder erkämpft unserer Tagung zum Teil sehr erstaunlich und befremd- werden muss. lich, wie französische Teilnehmer die Situation der Sinti Wenn es uns Sinti und deutschen Roma schon so geht, und Roma in Frankreich beschrieben. Da wurden Stereo- was sollen die vielen Roma-Gruppen sagen, die in den typen deutlich, die die Deutschen und Polen so nicht vergangenen Jahren und Jahrzehnten nach Deutsch- ausgedrückt hätten. land geflohen sind oder die offenen Grenzen Europas Die künstlerische Prägung des Dialogs »unter Bäumen« nutzen, um nach besseren Lebensbedingungen zu macht es leichter, der Unterschiede gewahr zu werden, suchen? sie auszudrücken und zu bearbeiten. Kunst kann Wege Wenn sich jemand von ihnen als Rom bekennt, muss öffnen, die in Richtung Aufklärung führen. Und die tut er oder sie damit rechnen, dass man ihn/sie als Ar- in der Tat bitter Not. mutsmigranten – oder schlimmer – als Angehörigen sozialer Randgruppen einordnet und auf ihn oder Diesem Anliegen hat sich auch die Hildegard Lagrenne sie herabschaut. Viele gebildete Roma scheuen daher Stiftung verschrieben. Warum braucht es sie, eine eigene davor zurück, sich zu ihrer Herkunft zu bekennen. Das Stiftung für das Thema Sinti und Roma? verstärkt wiederum das Vorurteil von der sozialen Seit einigen Jahren gibt es wachsendes Engagement Randständigkeit. Ein Teufelskreis. Veranstaltungen für mehr Inklusion von Roma auf breiter Ebene, doch wie die im Schloss Genshagen, in denen Minderhei- vielerorts fehlen sowohl ausreichendes Wissen als auch ten und Mehrheitsgesellschaft in angenehmer und Unterstützung bei der praktischen Arbeit vor Ort. Die angemessener Umgebung mit der Sprache der Künste Hildegard Lagrenne Stiftung, die von Sinti und Roma auf Augenhöhe ins Gespräch kommen können, zeigen gegründet wurde, bietet nun eine Plattform, auf der sich Wege aus diesem Teufelskreis. Sinti, Roma und Angehörige der Mehrheitsgesellschaft selbst einbringen können, um aktiv denen zu helfen, Eine der Schwierigkeiten des Dialogs zwischen Sinti welche sich an der Basis für ein besseres Zusammen- und Roma und der Mehrheitsgesellschaft ist die tief leben, gegen Antiziganismus und für den diskriminie- verankerte Neigung zur stereotypen Vereinheitli- rungsfreien Zugang zu allen Gesellschaftsbereichen chung. Die »Roma« gibt es nicht. Es handelt sich bei organisieren. den Sinti und den europäischen Roma vielmehr um nach Sprache, Religion, Beschäftigung und kulturel- Hildegard Lagrenne war eine Sintezza aus Mannheim, len Bindungen sehr unterschiedliche Bevölkerungs- die den Holocaust überlebt und sich danach aktiv an gruppen. Schulen und in der Stadt engagiert hat. Trotz ihrer Romeo Franz: Geleitwort / Preface

Romeo Franz Preface

8 EN schlimmen Erfahrungen hat sie bis zu ihrem letzten »Art as a Rescue« is the claim made by this booklet Atemzug für ein neues Zusammenleben gearbeitet und and the conference held under the auspices of both the als Bürgerrechtlerin darüber aufgeklärt, was Rassismus Genshagen and the Hildegard Lagrenne Foundations. anrichtet. In ihrem Namen nimmt die Stiftung einen Initially, we felt the title was a bit of a shot in the dark. Platz ein, der vorher leer war: Jetzt haben Sinti und Roma But in consideration of the following contributions, we die Gelegenheit, gemeinsam mit der Mehrheitsgesell- may very well have hit the mark after all. schaft etwas zu verändern. It is not always easy to admit to being a Sinto or a Es ist gut, wenn das Thema Roma und Sinti nicht immer Rom: the ever-present danger of arousing antiziganis- beherrscht wird von der Vorstellung: »Hier gibt es ein tic reactions looms large. The knowledge that we have Problem« – ein Satz, der oft verlängert wird zu dem Ge- been persecuted as »gypsies,« murdered, banished, and fühl: »Die sind ein Problem«. Die Künste öffnen den Blick ostracized for centuries is always with us. And even für das, was Sinti und Roma zur Entwicklung der Kultur though some of us have been recognized as a National in Europa beigetragen haben und beitragen. In einem Minority in Germany, we still know that in the eyes of solchen Kontext, wo es an Anerkennung nicht fehlt, ist es the social majority our equality is anything but self- nicht schwierig, auch über Probleme zu sprechen. Denn understood and must be fought for over and over again. dann braucht keine defensive Haltung zu entstehen, die If this is the situation of us German Sinti and Roma, Dialoge ja immer erschwert, und es ist möglich, gemein- what must it be like for the many Roma groups who sam zu suchen und zu finden, was im Gespräch »Inseln have fled to Germany in recent years and decades or des Gelingens« genannt wurde. Die Stiftung Genshagen who have taken advantage of the open borders within hat das Entstehen einer solchen temporären Insel er- Europe in their search for a better life? möglicht, weil sie der Kraft der Kunst vertraut hat. If one of these people openly acknowledges their identity as a Rom, they must assume that they will be looked down upon as poor migrants or, even worse, as members of social fringe groups. For this reason, many educated Roma avoid disclosing their origin. And this in turn supports the view that the Roma are indeed on the fringes of society. A vicious circle. Events such as those in Schloss Genshagen, in which minorities and members of the social majority meet and converse on an equal footing in attractive and fitting surround- ings, immersed in the language of the arts, are a way out of this circle.

One of the problems inherent to a dialogue between the Sinti and Roma and the social majority is the deeply anchored tendency to construct stereotypes. There is actually no such thing as the »Roma.« In the case of the Sinti and the European Roma, this term is far more a designation for very different peoples with varying languages, religions, occupations, and cultu- ral ties. If the arts determine, or at least influence, the frame- work of the dialogue, then the development of an awareness for this diversity is facilitated and old prejudices can break down. 9

Antiziganistic ideas and stereotypes are everywhere. In Roma, now offers a platform for Sinti, Roma, and various forms, they have become integral parts of nation- members of the social majority who wish to help those al cultures and thus exist below the level of conscious who are organizing at the local level for better com- awareness. Thus it is difficult to recognize them if one munity, against antiziganism, and for access – free of is not personally affected by them, and it is even harder discrim-ination – for everyone to all realms of society. to speak about them. This becomes particularly clear in international gatherings. The Italians, for example, talk Hildegard Lagrenne was a Sintisa from Mannheim, about the »nomadi« as a matter of course, even though who survived the Holocaust and was then active in the Sinti in Northern Italy have been settled there just the schools and the city. In spite of her terrible experi- as long as the Sinti in Alsace or in the Palatinate in Ger- ences, she continued working up until her last breath many. And of course the Roma in Naples are not nomadic for a more harmonious co-existence and as a civil either. The German participants at our conference were rights activist she never tired of expounding upon the at times quite surprised and disconcerted at how the grievous effects of racism. In her name, the foundation French participants described the situation of the Sinti fills a space that before remained empty: now Sinti and Roma in France. In this case, stereotypes came to and Roma have the opportunity, in collaboration with light that the Germans or Poles would not have expressed members of the social majority, to bring about change. in the same ways. It is positive if the topic Roma and Sinti moves be- The artistic bent of the dialogue »under the trees« makes yond the idea »here is a problem« – the phrase so easily it easier to perceive the differences, to express them, and extends into a feeling of »they are a problem.« The arts to process them. Art can clear pathways that lead in the open up our view onto what the Sinti and Roma have direction of greater awareness. And this movement is contributed and still do contribute to the development certainly bitterly necessary. of culture in Europe. In this context, in which recogni- tion is given, it is not difficult to speak about problems This is the objective that the Hildegard Lagrenne Foun- as well. A defensive stance, always a hindrance to dia- dation is working towards. Why is it requisite – a founda- logue, does not develop, and in this way it is possible tion solely for the Sinti and Roma issue? to set out on a common search, and together to come In recent years there has been a growing movement for up with discoveries – as the discussion »Islands of a greater inclusion of the Roma on a wide range, but Success« recounts. Because it places trust in the power in many places sufficient knowledge and the support of the arts, the Genshagen Foundation has made the for practical work on location is lacking. The Hildegard emergence of such a temporary island possible. Lagrenne Foundation, which was founded by Sinti and 10

Noémie Kaufman Ein zentrales europäisches Thema A Vital European Issue

Noémie Kaufman, Stiftung Genshagen / Genshagen Foundation 11 D

»Roma-Inklusion ist kein besonders attraktives Thema und dürfte. Als ich klein war, hörte ich häufig: es braucht erhebliche Überzeugungsarbeit, um plausibel zu »Tu dies nicht, tu das nicht, das machen nur machen, dass Stiftungen, die an Migration, Integration, Bildung und Menschenrechten interessiert sind, die Roma Roma.« Und dann folgten eine Reihe von nicht ausschließen sollten.« Mythen, Legenden und Vorurteilen, die man Forum for Roma Inclusion allesamt auch gegen Juden im Mittelalter verwendet hat. Mythen, die bis heute wieder- holt werden, als hätten wir aus der Geschich- Im Verlauf der Vorbereitungen zur »Akade- te des Holocaust nichts über den Porajmos mie unter Bäumen« wurde ich immer wieder gelernt. gefragt, ob ich eine Romni oder Sintezza wäre. Nein, bin ich nicht. Ich habe das nie verstanden. Und ich verste- he es heute auch noch immer nicht. Auch bin ich keine Soziologin, Historikerin, Politikwissenschaftlerin oder wie auch im- Mir scheint, dass die gleichberechtigte mer geartete Expertin einer vermeintlichen Teilhabe der Roma und die Bekämpfung des »Roma-Frage«. Antiziganismus eines der großen Themen ist, die uns alle in Europa interessieren müssten. Wieso interessiere ich mich dann überhaupt für dieses Thema? Meine Verbindung zu Frankreich hat mich in dieser Frage aber noch mehr alarmiert. Ganz Weil sich am desaströsen Umgang mit der besonders dort ist Antiziganismus heute Minderheit der Roma das Scheitern Europas, sichtbar, bedrohlich und absolut salonfähig. von der Geschichte zu lernen und Differenz Wie ist es möglich, dass in diesem Land, das als Reichtum statt als Bedrohung zu be- nicht müde wird, sich als Vaterland der Men- greifen, ablesen lässt. Aber auch, um meine schenrechte zu präsentieren, diese immer eigenen Ängste und Dämonen zu bekämpfen. wieder durch die massenhafte Abschiebung Um Verantwortung zu übernehmen. von Roma verletzt werden? Wie ist es mög- lich, dass ein französischer Abgeordneter vor In Deutschland aufgewachsen, habe ich Journalisten sagt, dass »Hitler leider nicht einen rumänischen, französischen und jü- genügend von ihnen vergast hätte«? dischen Hintergrund. 1942 wurden 200.000 Juden und ca. 25.000 Roma aus Rumänien Aber Pressegeschichten wie diese gibt es von den rumänischen Behörden nach Trans- auch in Deutschland zur Genüge, wo mo- nistrien deportiert und in Lagern interniert. natelang nur von Armutszuwanderung Diese Geschichte teilen viele Juden mit Roma aus Rumänien und Bulgarien die Rede war und Sinti in ganz Europa. Shoah heißt es und die Medien sich, statt zu informieren, für die einen, Porajmos für die anderen. daran beteiligten, Ängste zu schüren. Was Doch obwohl dieses gemeinsame Schicksal offensichtlich fruchtete, wie die Ergebnisse den meisten bekannt sein sollte, konnte ich der Studie der Antidiskriminierungsstelle bislang nicht feststellen, dass sich Juden des Bundes zu Bevölkerungseinstellungen besonders mit den Roma verbunden fühlen gegenüber Sinti und Roma zeigen. In Irland würden. In meinem rumänischen Umfeld und Griechenland werden blonde Kinder – und gewiss nicht nur da – habe ich stattdes- ihren Eltern weggenommen, weil Roma an- sen häufig beobachtet, dass wenn von Roma geblich keine blonden Kinder haben können, die Rede ist, die Stimme gesenkt wird, als in Ungarn werden Häuser von Romafami- ob es um etwas Mysteriöses, Unheimliches lien in Brand gesetzt und auf die Fliehenden ginge, über das man nicht laut sprechen geschossen. Man kann sicherlich ohne Mühe Noémie Kaufman: Ein zentrales europäisches Thema / A Vital European Issue

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Antiziganismus-Beispiele aus fast allen »Roma Inclusion is not a particularly attractive topic and it europäischen Ländern finden. takes quite a bit of argumentation to convince foundations that are interested in migration, integration, education, and human rights, that the Roma should be included.«

Mir ist es ein Rätsel, wieso wir Europäer fast Forum for Roma Inclusion 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Welt- krieges und lange nach dem Balkankrieg During the course of the preparations for noch immer nicht unsere Lektion gelernt the »Academy under Trees«, I was repeated- haben, wie wir eine Minderheit in einem ly asked whether I myself was a Sintisa or a solchen Ausmaß diskriminieren können, Romni. während wir gleichzeitig von der kulturellen No, I am not. Vielfalt in Europa und der Förderung des de- Nor am I a sociologist, a historian, a political mokratischen Zusammenlebens und Dialogs scientist, or any other kind of expert on the sprechen. so-called »Roma Question.«

Aber was hat das mit der Kunst zu tun? Nun, Why am I even interested in this topic? das ist unsere Suche nach Lösungswegen. Als Labor fragen wir in der Stiftung Genshagen: Because Europe’s complete failure to learn Können Kunst und Kultur Instrumente sein, from history and to comprehend difference um Partizipation und Anerkennung zu för- as enrichment rather than a threat is reflec- dern und Ängste und Vorurteile abzubauen? ted in its disastrous handling of its Roma minority. But also, to fight my own fears and Daher laden wir neben den Experten auch demons. To take responsibility. Künstler und Vertreter von Kulturinstituti- onen aus vielen Städten Europas in unsere Born in Germany, I have a Romanian, French, Diskurse ein. Wir können nicht nur aus der and Jewish background. In 1942, the Roma- Geschichte und von den Wissenschaften ler- nian authorities deported 200,000 Jews and nen, sondern ebenso aus den Projekten, die about 25,000 Roma from Romania to Trans- engagierte Roma und Nicht-Roma durch- nistria, where they were interned in concen- führen, um die sogenannte Mehrheitsgesell- tration camps. This is a history that many schaft durch die Kunst besser mit der Min- Jews share with Roma and Sinti all over derheit der Roma vertraut zu machen und Europe. The Jews call it »Shoah,« the Roma einen echten Austausch zu ermöglichen. call it »Porajmos.«

Beleuchtet aus der Perspektive der Kunst und But although most should be aware of this Kultur, können wir brisante gesellschafts- common fate, I have yet to experience that relevante Themen als Möglichkeiten der Be- the Jews feel any particular bond to the gegnung und des Dialoges verstehen und als Roma. On the contrary, among the people Chance, aus einer geteilten Geschichte eine I am associated with in Romania – and gemeinsame Zukunft zu bauen. certainly not only among these – I have observed that when the topic of the Roma arises voices are suddenly lowered, as though the conversation were about something mys- terious, eerie, something about which one should not speak out loud. When I was little, I frequently heard: »Don’t do this, don’t do that. Only the Roma do that.« And this was followed by a whole series of myths, legends, 13

and prejudices, all of which had also been World War and a long time after the Balkan used against the Jews in Medieval times – War – have still not learned our lesson, how myths that even today are repeated endlessly, we can still discriminate against a minority as though we had learned nothing about the to such a degree, while at the same time we Porajmos from the history of the Holocaust. talk about cultural diversity in Europe and I never understood this. And I still do not about promoting democratic integration and understand this today. dialogue.

It would seem to me that the equal inclusion But what does this have to do with the arts? of the Roma and the fight against anti- Well, this is our search for solution strategies. ziganism should be one of the great issues As a laboratory, we at the Genshagen Foun- that would particularly interest all of us in dation ask the question: can art and culture Europe. be instruments that promote participation and recognition and that lessen fears and My connection to France alarmed me even prejudices? more in respect to this issue. Especially there, antiziganism is visible, menacing, and abso- For this reason, we invite not only experts lutely socially acceptable. How is it possible but also artists and representatives from that in this country that never tires of de- cultural institutions from many different claring itself to be the native land of human European cities to take part in our discour- rights that these very rights are constantly ses. We can learn not only from history and being violated through mass deportations the sciences, but also from the projects that of Roma? How is it possible that a French committed Roma and non-Roma under- member of parliament can proclaim in front take, in order – through the arts – to better of journalists that »Hitler unfortunately did familiarize the so-called majority culture not gas enough of them«? with the Roma minority and to enable a real exchange. But there are enough media stories of this type right here in Germany, where for By shedding light on controversial, socially months there were constant reports on relevant issues from the perspective of poverty immigration from Romania and Bul- art and culture, we can see these topics as garia, and the media, instead of researching opening up possibilities for encounter and the facts, took part in fueling fears. Which dialogue and as a chance to construct out of did bear fruit – as the results of a study on at- a divided past a common future. titudes towards Sinti and Roma by the Feder- al Anti-Discrimination Agency clearly show. In Ireland and Greece, blonde children are taken away from their parents, because sup- posedly Roma cannot possibly have blonde children; in Hungary, people set the homes of Roma families on fire and shoot at them as they flee. Such examples of antiziganism can easily be found in almost all European countries.

It is a mystery to me, why we Europeans – almost 70 years after the end of the Second 14

Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal

Zur Repräsentation von Roma in der europäischen Kunst

On the Depiction of the Roma in European Art

Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal, Universität Bielefeld / Bielefeld University D

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I Sterben bis zum Massentod, bewirkt durch Krieg, Seuchen, Verbrechen und Katastro- Kunst tut Not. Vielleicht. Doch mit der Kunst phen – aber ebenso das Verhältnis von Iden- ist es wie mit der Politik. Vor allem die tität und Identitätsverlust, von Eigenem und richtige tut Not und nicht jene, die Konflikte Fremden, von Sicherheit und Gefahr. noch schürt und die Gewalt steigert. Die Beziehung zwischen den Mehrheitsge- Es ist eine große, wenn auch schöne Illusi- sellschaften und der Minderheit der Roma in on, dass die Künste vornehmlich zur Hu- Europa, der wir uns hier künstlerisch annä- manisierung der Welt beigetragen haben. hern wollen, ist immer noch von Angst und Sprache und Bilder, ja selbst Musik können Misstrauen geprägt. Wir vergessen aber allzu eine »symbolische Gewalt« ausüben, die man leicht, dass die Ängste nicht das Primäre durchaus neben die politische, wirtschaftli- sind. Sie stellen eine Reaktion auf eine ihnen che und soziale vorausgehende Bedrohung dar, wobei diese Es ist eine große, wenn auch stellen kann. Bedrohung real oder eingebildet sein kann. Ja, keine dieser Mehr noch: Die Angst ist schon eine – meist schöne Illusion, dass die Künste Gewaltformen unbewusste Deutung einer Bedrohung, die vornehmlich zur Humanisierung kommt, wie uns andere mögliche Deutungen beiseiteschiebt. gerade wieder die Kurzum: In diesem Sinne ist die Geschichte der Welt beigetragen haben. Rückschau auf der Diskriminierung der Romvölker auch den Ersten Welt- eine Geschichte der Angst vor ihnen als krieg in Erinnerung ruft, ohne die andere Fremden und der Angst der Roma vor den aus. Kunst tut weh, wenn sie – bewusst oder Bedrohungen, die nicht nur einmal in der unbewusst – als Element einer Symbolpolitik Geschichte in Gewalt, Verfolgung und Ver- den Rezipienten durch »Sinngebungen« zu nichtung umgeschlagen sind. überwältigen sucht. Die Künste präsentieren eine eigene Logik und Ästhetik, die uns die Welt plausibel erscheinen lässt und an der II die Rezipienten Vergnügen haben, auch dann In meinem Buch »Europa erfindet die Zigeu- noch, wenn es ein Vergnügen am Leiden, der ner« bin ich von der Voraussetzung ausge- Beschämung und der Erniedrigung ist. gangen, dass Diskriminierung und Verfol- gung nicht außerhalb des gesellschaftlichen Die Künste führen – vor allem in der Moder- Normalitätsbereichs entstehen. Sie waren ne – nicht nur zu den Höhen der Kultur, son- niemals die Folge »extremistischer« Ansich- dern sie bringen antizivilisatorische Grund- ten, sondern wuchsen in der Mitte kulturell muster hervor und imaginieren Tabubrüche. hoch stehender Gesellschaften heran und Das tun sie auf jeden Fall in Europa seit wurden immer auch von Wissenschaft und sechshundert Jahren (mit wenigen Ausnah- Kunst getragen. Deshalb spreche ich bewusst men), wenn sie sich den Roma zuwenden. von einem Prozess der Entzivilisierung und Sie reagieren auf Krisen und auf politische, lenke den Blick auf die Kultur selbst als den soziale und wirtschaftliche Dynamiken Ort der Selbstvergewisserung jeder Gesell- nicht selten durch die Gestaltung von Gewalt, schaft. Literatur und Kunst eröffnen Denk- Hass und Ekel. Und vor allem verarbeiten sie und Handlungsräume nicht nur des Schöpfe- emotional die Bedrohungen, die aus Umbrü- rischen, sondern ebenso der Verachtung. chen, Schwellenerfahrungen und der Ge- Und sie erschaffen Bedrohungsszenarien.

1 Joseph Conrad fährdung von »Normalzuständen« resultie- Das »Herz der Finsternis«1 schlägt auch (Anm. d. Red.) ren: zuallererst den Tod – vom individuellen in Europa. Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal: Zur Repräsentation von Roma in der europäischen Kunst

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Die europäischen Gesellschaften waren in III ihrer Geschichte nicht sehr zurückhaltend, wenn es um die Schaffung von Feindbildern Man versteht die heutige Situation tiefer und Vorurteilen ging. Der Antisemitismus und genauer, wenn man den Blick auf die ist die uns bekannteste Erscheinung dieser sechshundertjährige Geschichte des Phäno- Art. Doch worin bestand und besteht das mens wirft, das ich als die »Erfindung der Spezifische der Ausgrenzung der Roma? Zigeuner« bezeichnet habe. Ich will das hier in fünf Schlaglichtern tun. Die »große Erzählung«, die sich überall durchsetzt, variiert in immer neuen Anläu- A Die ersten zwei bis drei Jahrhunderte fen über Jahrhunderte die Geschichte einer nach der Einwanderung der Romvölker im Unmöglichkeit und eines Scheiterns: Es ist 15. Jahrhundert sind von Spekulationen über unmöglich, dass ein Naturvolk wie die Zi- die Geheimnisse ihrer Herkunft geprägt. geuner inmitten der Zivilisation lebt und es Man nimmt u.a. fälschlich an, dass sie aus erweist sich stets von neuem, dass die Inte- Ägypten eingewandert seien, um durch eine gration an deren völliger Andersheit scheitert. Pilgerfahrt für eine schwere Sünde zu büßen. Während sich die europäischen Länder als Die englische Bezeichnung Gypsies ist dar- Träger weltzivilisatorischen Fortschritts auf zurückzuführen. verstehen, degradieren sie ihre Zigeuner zu dessen Gegenteil. In meinem Buch verglei- Eine treffende Illustration dessen ist die che ich diese Abwehrhaltung gegenüber den Miniatur aus der Spiezer Chronik Diebold Roma mit der Angst vor der Demenz, in der Schillings des Älteren (um 1445–1486) »von sich der Mensch selbst in einem Zustand den swartzen getouften haiden die mitein- begegnet, den er als Abwesenheit alles Hu- andern gen Bernn kument«.2 Für mich ist manen erfährt: als Rückfall in die Kreatür- diese Darstellung eine Urszene der Ankunft lichkeit, als Verlust von Sprache, Schrift und der Roma – und von Fremden überhaupt – in Erinnerung und damit auch jeglicher Ge- Europa. Sie hält eine Gruppe von Ankömm- schichte, aber auch als Verlust alles Kulturel- lingen im Bild fest, die friedlich und voller len, das einen wesentlichen Teil der Identität Erwartungen in die Richtung der neuen ausmacht. Genau das entspricht dem BILD Heimat schauen. Dort aber ist nichts als eine des »Zigeuners«, das die europäische Kultur abweisende, menschenleere Stadtbefesti- hervorgebracht hat: schriftlos, geschichtslos, gung zu sehen. Niemand von den Einheimi- kulturlos und kreatürlich. schen zeigt sich zur Begrüßung.

Aus dieser vermeintlich überlegenen Posi- B Neben der Herkunft steht die territoriale tion heraus glauben die meisten Künstler Verortung ihrer Akzeptanz entgegen. Auch nachlässig mit der Lebenswirklichkeit der wenn Roma sich schon teilweise früh fest Roma umgehen zu können. Sie bewegen sich niederlassen, gelten sie als ortlos, heimatlos – künstlerisch – in einem Raum der Unauf- und später als staatenlos. In der Frühen merksamkeit, der ungenauen Beobachtung Neuzeit setzt sich allmählich das nationale und unzuverlässigen Beschreibungen. Territorialitätsprinzip durch. Ihre Lebens- weise wird als bewusster Akt der Desinte- gration und als Verstoß gegen die Souveräni- tätsrechte der Staaten interpretiert. Erklärt 2 Quelle: Amtliche Spiezer wird ihr Verhalten durch einen unsteten Chronik, Burgerbiblio- Charakter, einen angeborenen Wandertrieb thek Bern, Mss.h.h.I.16, S. 749 17

sich in erster Linie auf die »schönen Zigeu- nerinnen« richtet. Bisweilen vermitteln sie – durch Tanz und Gesang – Anmut, oft jedoch ein Bild ungebändigter, »wilder« Weiblich- keit. Begehrt bis zum Wahnsinn sterben sie meist durch die Hand ihrer eifersüchtigen Liebhaber oder sie verblühen rasch in der Zi- vilisation, die sie als Gefangenschaft erleben. Dies zieht sich von bekannten Darstellungen aus Oper und Film bis hin zu der Anste- ckungsangst, die sich in Hannes Waders Lied »Ich hatte mir noch so viel vorgenommen« ausdrückt.

D Ebenfalls noch in der Frühphase der Einwanderung werden sie sozial den außer- halb der Ständeordnung sich befindenden Massen der »Herrenlosen« zugeordnet, die durch Gelegenheitsarbeiten, Betteln und Kriminalität zu überleben suchen. Im Armenheer der Vaganten verlieren sie nicht selten die Sonderstellung einer ethnischen Gruppe. Die Behörden machen seit Mitte des 16. Jahrhunderts selten einen Unterschied zwischen dem so genannten »hergelaufenen Pöbel« und Romgruppen und z. B. schon gar nicht zwischen ihnen und Jenischen, Tra- vellers oder Tinkern. In diesem historischen Kontext entstehen die wirkmächtigsten Vorurteile. Es lohnt sich, den österreichisch- und einen im Volkscharakter begründeten schweizerischen Heimatfilm »Der König der Hang zur Illoyalität und zur Falschheit. Bernina« einmal unter diesem Blickwinkel Wir finden dies aktuell zum Beispiel in anzuschauen. Donna Leons »Das Mädchen seiner Träume. Commissario Brunettis siebzehnter Fall«, Zü- E Mit der europäischen Aufklärung kommt rich 2009, deren stereotype Roma-Beschrei- in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bungen ein lebendiges Beispiel für die oben die Autorität moderner Wissenschaft ins angesprochene Nachlässigkeit darstellen. Spiel. Anthropologie und historische Sprach- Gerade Donna Leon recherchiert sonst, im wissenschaft fördern neue Erkenntnisse Falle anderer Volksgruppen, viel genauer, über die Romvölker zu Tage, die die bishe- wie sich an ihrer Darstellung jüdischer Fa- rigen Spekulationen über Herkunft und milien zeigen lässt, aber bei Roma scheint es, Sprache wie eine Seifenblase zerplatzen als fielen Klischees nicht auf. lassen. Geradezu sensationell mutet die Ent- deckung einer genuinen »Zigeunersprache«, C Neben der Verachtung lässt sich ebenfalls des Romanes an. Dieses Wissen trägt jedoch schon sehr früh (um 1600) eine gewisse nicht zu einer Annäherung bei, im Gegenteil. Faszination beobachten: ein Begehren, das Es hebt das Anderssein hervor und versucht, Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal: Zur Repräsentation von Roma in der europäischen

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es auf fundamentale zivilisatorische Diffe- einer kriminellen Bande von Betrügern, renzen zurückzuführen. Die eigene zivili- Dieben und Kinderräubern wieder stärker in satorische Entwicklung wird nun auch am den Vordergrund. Zigeuner gelten aus krimi- Abstand zu den Romvölkern gemessen. Es nalwissenschaftlicher Sicht als »geborene« treten die Themen Hygiene, Ordnungssinn Verbrecher, die ihre kriminellen Eigenschaf- und Arbeitsethos in den Vordergrund der ten vererben. Als Ethnie insgesamt, nicht als Ausgrenzungsstrategien. einzelner Familienverband, werden sie zu den »Asozialen«, den »Gemeinschaftsunfä- Das hält die europäische Romantik nicht higen« und »Arbeitsscheuen« mit patholo- davon ab, in großer Variationsbreite und gischem Wandertrieb gezählt. Beide Sicht- auffälliger Häufigkeit Zigeunerfiguren zu weisen werden während der Naziherrschaft gestalten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts miteinander verbunden und planmäßig zur geht es den Romantikern um einen ge- Rechtfertigung der Massenvernichtung der heimnisvollen Raum, den die Zigeuner zu Romvölker verbreitet. Dazu muss ich an die- verbergen scheinen: eine unsichtbare Welt sem Ort nichts weiter ausführen. irgendwo draußen in der Natur oder im Inneren ihrer »schwarzen« Seelen – viel- leicht auch um das verlorene Paradies der IV modernen Industriegesellschaft, eine letzte Insel selbstbestimmten Lebens: von den Lassen Sie mich zum Schluss vier Momente »drei Zigeunern« Lenaus, Hugos »Esmeralda«, nennen, die in der langen Geschichte seit Mérimées »Carmen«, Puschkins »Semfira« der Einwanderung der Romvölker in das bis zur trivialen, pseudofolkloristischen Gedächtnis der europäischen Gesellschaften, Zigeunerromantik. das ich ihr »böses Gedächtnis« nenne, Ein- gang gefunden haben. Manchmal in enger Verwandtschaft mit der Erstens wird die bloße Existenz der Romvöl- Zigeunerromantik, manchmal sich pole- ker seit ihrer Ankunft in Europa als allge- misch-aggressiv von ihr absetzend, erforscht genwärtige Bedrohung empfunden. Die die Ethnologie im 19. Jahrhundert die Furcht nährt sich aus der Vorstellung, dass Romvölker in ganz Europa. In dieser Wissen- die unbegreiflichen Fremden eine tödliche schaft erscheinen sie als eine tribalistische Gefahr bilden. Gesellschaft, als ein vorzivilisatorisches Naturvolk, das mit den nordamerikanischen Zweitens zementiert sich die gegen jegliche »Indianern« (incl. der Idee der Schaffung von Erfahrung resistente Gewissheit, dass ein Reservaten) und den Afrikanern verglichen Zusammenleben mit den Romvölkern auf wird. Diese Phase, die ich als Ent-Europä- Dauer unmöglich und stets mit unkalkulier- isierung der Roma bezeichne, ist für den baren Risiken verbunden ist. späteren Völkermord nicht unerheblich. In dem jugoslawischen Film »I even met happy Drittens wird die zivilisatorische Entwick- gypsies« (original »Skupljaći perja«, 1967) von lung Europas immer wieder am Abstand zu Alexander Petrović beispielsweise versucht den Romvölkern gemessen. »Zigeuner« wer- der Regisseur die Roma zu verstehen, aber den nicht als Teil der vielgestaltigen europä- indem er ihre Andersartigkeit inszeniert, ischen Völkergemeinschaft wahrgenommen. rückt er sie wieder in die Ferne. Nicht der kleinste gemeinsame Nenner interessiert, sondern die großmöglichsten In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Unterschiede werden gesucht. rückt mit rassistischen Theorien das Bild Viertens: Die symbolischen Repräsentatio- 19

nen der Romvölker, die Bilder, die man sich von ihnen macht, die Geschichten, die man V über sie erzählt, sind entscheidender für ihre Ich möchte mit einer Anekdote schließen, soziale Verortung und für das Verhältnis zu die der englische Philosoph und Friedens- ihnen als die Ethnie »an sich«. kämpfer Bertrand Russel zu erzählen pflegte: Aristoteles beharrte darauf, dass Frauen weniger Zähne hätten als Männer. Obwohl er zweimal verheiratet war, kam er nie auf den Gedanken, seine Behauptung zu überprüfen und einer seiner Frauen in den Mund zu schauen.

Klaus-Michael Bogdal, Europa erfindet die Zigeuner: Eine Geschichte von Fas- zination und Verachtung. Suhrkamp Verlag, 2011 Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal: On the Depiction of the Roma in European Art

EN

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I fluctuating relationship between identity and loss of identity, the Self and the Other, Art as a rescue. Maybe. But in the arts it is security and danger. like in politics. Above all it is the right art that can be a rescue – not works that even The relationship between the social majority fuel conflicts and increase violence. and the Roma minorities in Europe, which we will be focusing upon from the arts The idea that the arts, above all, have contri- perspective, is one that is still very much buted to the humanization of the world is characterized by fear and mistrust. But we a great, albeit alluring, illusion. Language tend to forget that fear is not the fundamen- and images, and even music, are capable of tal element. Fear is a reaction to a previous wielding a »symbolic power« that is by all menace, whereby this menace can be real means comparable to those forces exerted or imagined. Furthermore, this fear is even at the political, economic, and social level. a – usually unconscious – interpretation In fact, as the recent retrospection of the of a threat that discounts all other possible First World War has reminded us, not one of interpretations. In summary, seen in this these forms of power can exist without the way, the history of the discrimination of the other. Art becomes painful when – whether Roma is also the history of the fear of them consciously or unconsciously – its function as the Other and of the Roma’s fear of the is to overpower the viewer by »providing threats – recurrent throughout history – meaning« through politically determined which could suddenly mutate into actual symbolism. The arts have inherent logic and violence, persecution, and annihilation. aesthetics that allow us to perceive the world as a plausible entity. The viewer gains plea- sure from such a perception, even then when II this pleasure stems from the contemplation of suffering, shame, and humiliation. In my book Europa erfindet die Zigeuner (Europe Invents the Gypsies), I proceeded from the as- The arts – above all in the modern era – lead sumption that discrimination and persecu- us not only to the heights of culture, but can tion do not take place outside of the realm of envision the breaking of taboos and can also social normality. They were never the result create anti-civilizational patterns. They have of »extremist« views, but rather arose in the certainly done this in Europe, for the last six midst of culturally highly developed societies hundred years (with few exceptions), when and were always supported by the arts and focusing on the Roma. sciences as well. For this reason, I consciously refer to a process of de-civilization and focus The arts frequently react to crises and to on culture itself as the location for the self- political, social, and economic dynamics by verification of any society. Literature and art the depiction of violence, hatred, and disgust. create spaces in which not only innovation, Above all, they cope with the threats that but also contempt, has room for thought and result from upheavals, from experiences that action – they create menacing scenarios, too. transgress the bounds of human behavior, The »Heart of Darkness«1 beats in Europe as and from an endangered »normality,« proces- well. sing them at an emotional level. First of all, they deal with death – from individual death The European societies were not particularly to mass death caused by war, epidemics, restrained when it came to creating preju- crimes, and catastrophes – but also with the dices and images of the bogeyman: anti- 1 Joseph Conrad 21

Semitism is the most well-known phenome- III non of this kind. But what exactly was and is specific to the Today’s situation can be understood more exclusion of the Roma? deeply and precisely if one focuses on the six-hundred-year history of the phenomenon The »great story« that has prevailed every- that I have here referred to as the where over the centuries is a story of im- »invention of the gypsy.« I shall do that here possibility and failure: it is impossible for a in the following five highlights. primitive people like the gypsies to live in the middle of civilization and it has been A The first two to three centuries after the repeatedly proven that any attempt at inte- immigration of the Roma peoples in the gration is doomed to failure because of their fifteenth century are characterized by the Otherness. mystery of their origin. It has been falsely assumed, for example, that they migrated While the European countries envision from Egypt as a pilgrimage to do penance for themselves as bearers of civilization and pro- a dreadful sin. The English term »gypsy« can gress, they degrade be traced back to this idea. The idea that the arts, above all, the gypsies to the very opposite end A fitting illustration of the theory is the have contributed to the of the spectrum. Spiezer Schilling, one of the chronicles by humanization of the world is a In my book, I com- Diebold Schilling the Elder (1445–1486), »von pare this defensive der swartzen getouften haiden die mitein- great, albeit alluring, illusion. stance toward the andern gen Bernn kument«2 (concerning the Roma to the fear black, baptized heathens traveling together of dementia, in which a person encounters in the direction of Bern). For me this depic- himself in a state that he experiences as the tion is the prototype scene of the arrival of absence of anything human: as a regression the Roma – and of foreigners in general. The into creature-hood, as the loss of language, picture shows a group of newly arrived im- writing, and memory and thus history, but migrants looking peacefully and full of ex- also as the loss of all cultural features, which pectation in the direction of their new home- make up an essential part of a person’s iden- land. But all they see is an unapproachable, tity. The image of the »gypsy« constructed empty walled city. Not one inhabitant has by European culture is exactly that: devoid appeared to welcome them. of writing, of history, lacking culture, and proto-human. B Beside their origin, the inability to pin them down to specific territories was a From this supposedly superior position, most hindrance to their acceptance. Even though artists believe themselves capable of dealing quite early on the Roma established perma- with the realities of Roma life. They are nent settlements, they nevertheless were moving – artistically – in a space of inatten- considered to be location-less, homeless, tiveness, inexact observation, and unreliable and later stateless. In the Early Modern Era, description. the principle of territoriality gradually took hold. Their way of life was interpreted as a 2 see p. 17 conscious act of disintegration and as a vio- Source: Amtliche Spiezer lation of the rights of state sovereignty. Their Chronik, Burgerbiblio- thek Bern, Mss.h.h.I.16, behavior was explained as the expression of p. 749. an unsteady character, an inborn impulse to Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal: On the Depiction of the Roma in European Art

22 wander, and a tendency towards disloyalty and duplicity inherent to their character as a people. A recent example of this view can be found, for example, in Donna Leon’s The Girl of His Dreams. Commissario Brunetti’s seventeenth case (Zurich 2009), in which the stereotypi- cal Roma depiction is a living case in point for the kind of inaccuracy referred to above. Donna Leon usually researches other ethnic groups very thoroughly, as her depictions of Jewish families clearly show, but in the case of the Roma, it seems the clichés went whol- ly unnoticed.

C Besides contempt, a certain fascination also can be observed early on (around 1600): a desire directed first and foremost at the »beautiful gypsy girl.« At times – through E With the European Enlightenment in the their dance and song – they express grace second half of the eighteenth century, the and charm, but frequently also images of authority of modern science came into play. untamed, »wild« womanhood. Coveted unto Anthropologists and historians of language insanity, they usually die at the hands of brought to light new facts about the Roma their jealous lover or wither away quickly in a peoples that burst the bubbles of previous civilization that they experience as a prison. speculations about their origin and language. This notion ranges from well-known depic- The unearthing of a genuine »gypsy tions in opera and film all the way to the fear language« of the Roma literally caused a of infection as presented in Hannes Wader’s sensation. But instead of leading to a song Ich hatte mir noch so viel vorgenommen (I still rapprochement, this knowledge only brought had so many plans). the opposite. It emphasized the difference and attempted to trace this back to funda- D Also in the early phases of immigration, mental civilizational differences. European they were assigned socially to the masses of civilization was now measured by its »ownerless« persons outside of the estates degree of remoteness from the Roma peoples. system who attempted to survive through Hygiene, orderliness, and work ethic became odd jobs, begging, and crime. Lost within issues in the foreground of exclusion the army of poor vagrants, the often lost strategies. their special status as an ethnic group. Since the mid-sixteenth century, the authorities All this did not hinder the European Roman- seldom have differentiated between the tics in their conspicuously frequent cre- so-called »transient riff-raff« and groups of ations of a vast variety of gypsy figures. At Roma, and for example never at all between the beginning of the nineteenth century, the them and the Yeniche, the Travellers, or the Romantic interest was in a mysterious space Tinkers. Out of this historical context arise that the gypsies seemed to be keeping hid- the most lethal prejudices. The Austrian- den: an invisible world somewhere outside in Swiss »Heimatfilm«Der König der Bernina (the nature or in the inner realm of their »black« King of the Bernina) is worth watching from souls – maybe also the lost paradise of the this vantage point. modern industrial society: a last island of 23

self-determined life. These ideas are embod- seeped into the cultural memory of Euro- ied in Lenau’s three gypsies, Hugo’s Esmeralda, pean societies – a memory which I call their Mérimée’s Carmen, Pushkin’s Zemfira and cover »evil memory.« a wide range extending to the pseudo-folklo- ristic »gypsy Romantic.« First, the mere existence of the Roma since their arrival in Europe is perceived as an In the nineteenth century, ethnologists – ever-present menace. The fear is fueled by at times closely connected to this »gypsy the idea that the incomprehensible strangers Romantic« and at times aggressively and constitute a deadly danger. polemically distancing themselves from it – undertook research of the Roma peoples Second, the certainty is becoming cemented all over Europe. These scholars portrayed the – resisting any experience to the contrary – Roma as a tribal society, as a pre-civilized that an integration of the Roma into society primitive people, comparable to the North is in the long run impossible and always American »Indians« (including the idea of linked to incalculable risks. creating reservations) and the Africans. This phase, which I call the de-Europeanization of Third, the development of civilization in Eu- the Roma, is not without significance for the rope is always measured by its distance from later genocide. In the Yugoslavian filmI Even the Roma. »Gypsies« are not perceived as part Met Happy Gypsies (original »Skupljaći perja,« of the diverse European community of peo- 1967) by Alexander Petrović, for example, the ples. The smallest common denominator is director does try to understand the Roma, not of interest, the greatest differences possi- but by dramatizing their difference he again ble are sought out. shifts them back and away. Fourth, the symbolic representations of the In the first half of the twentieth century, Roma, the images which one has of them, racist theories pulled the image of a the stories that one tells about them, are criminal band of swindlers, robbers, and more decisive for their social positioning and child thieves more into the foreground. for the relationship to them than the ethnic- From the point-of-view of criminologists, ity per se. gypsies were »born« villains, who inherited their criminal characters. As a whole ethnic group, not just as a single extended fam- V ily, they were designated as being »asocial«, incapable of integration and work-shy with I would like to close with an anecdote that a pathological nomadic instinct. Both views the English philosopher and freedom fighter were combined during the Nazi period and Bertrand Russel liked to tell: systematically propagated as justification for «Aristotle maintained that women have fewer teeth the mass elimination of the Roma peoples. than men. Here where I stand, I need say no more. Although he was twice married, it never occurred to him to verify this statement by examining his wives’ mouths.« IV

Klaus-Michael Bogdal. Europa erfindet die Zigeu- Finally, I would like to refer to four ingre- ner: Eine Geschichte von dients that, in the long history since the Faszination und Verachtung. migration of the Roma into Europe, have Suhrkamp Verlag, 2011.

Stimmen und Zitate

Voices and Quotes 24

Kunst, die sich nicht in ihrer Sprache und ihren Who is a Rom? What is a Formen der Gesellschaft zuwendet, der Welt, Rom? In the beginning, dem Dasein, dem Politischen, ist keine Kunst I didn’t know that myself, und soll auch nicht vermittelt werden. Ebenso nor did my family know it. ist Politik ohne die Dimension des Kulturellen And the people who speak und ohne Wachheit für die visionäre Kraft von about Roma aren’t Roma Kunst ein lahmer Vogel. themselves. Christel Hartmann-Fritsch Dr. Ciprian Necula

Den eigenen Beitrag, die eigene Identität in einer vielfältigen Welt zu definieren, ist viel schwerer als sich gegen Diskriminie- Jeder Dialog findet unter Voraussetzungen rung zu engagieren. statt. Und die Voraussetzungen dieses Dialogs sind die 600 Jahre gemeinsame Geschichte, die Daniel Strauß von diesen Roma-Bildern geprägt worden sind.

Andreas Freudenberg Die kulturelle Identität des Menschen ist das Mensch-Sein. Ist denn alles automatisch Lita Cabellut »Roma-Kunst«, nur weil Die Aufmerksamkeit für das die Künstler zugleich auch andere, die Gemeinsamkeiten Roma sind?

zu entdecken, die Familie der Christoph Leucht Menschen – das ist etwas Die Portraits von Lita Cabellut tragen alle Zentrales. Wir müssen das gute menschenmöglichen Zustände in sich: sie sind abweisend, stoisch, auffordernd, Leben ins Zentrum unserer leidend und nachdenklich, manchmal sind sie anziehend und ehrfurchteinflößend. Arbeit stellen. Manchmal gar liebenswert, kindlich trotzig. Es hängt viel vom Zustand des Betrachters ab. Geneviève Ancel Christel Hartmann-Fritsch

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A nation without country, the freedom to be Es kostete und kostet viel Mühe, Roma- part of all the planet is so unusual, so hard to Kunst aufzunehmen und an die Orte understand. des professionellen Kunstbetriebs zu Lita Cabellut, in an interview with Tom Ever bringen.

Andreas Freudenberg Wir stehen in einem Wir müssen beginnen, die Sinti- Diskriminierungskontext – Musik aus den Cafés zu holen und in als Angehörige oder Nichtan- die Konzerthäuser zu bringen. gehörige der Minderheit. Daniel Strauß Wir erleben die dramatische

Wir müssen einen anderen Umgang mit Differenz finden. Wirkungsmacht der Kunst, Toleranz heißt, wir ertragen Differenz, wir lassen sie zu, doch wir schätzen sie nicht. Es gibt aber Modelle, die uns zeigen, der Bilder, die wir uns von dass das auch anders funktionieren kann. So ein Modell ist die Kunstszene. Wir schätzen und sind neugierig auf die Kunst der Roma machen. anderen. Andreas Freudenberg

Prof. Dr. Werner Schiffauer

We need a common culture that Oftmals vergessen wir, dass unsere incorporates Hungarian as well Länder miteinander gekämpft haben, as Roma and other impulses and für lange, lange Zeit – und dass wir uns acknowledges each one. sprachlich beeinflusst haben. Wenn Ágnes Daróczi wir ein Wörterbuch anschauen, sehen wir, wie viele Wörter wir von anderen Sprachen, voneinander übernommen The most important values and traditions in modern Romani communities? The haben. family, and the art.

Prinzessin Henryane de Chaponay Lita Cabellut, in an interview with Tom Ever 26

Dr. Olivier Peyroux

Die Hintergründe der »Roma-Frage« in Frankreich und Europa

The Background of the »Roma Issue« in France and Europe

Dr. Olivier Peyroux, Soziologe / sociologist 27 D

Als Volk, Nation oder transnationale Min- Umwälzungen, von denen diese Region derheit verkörpern sie das Gesicht des Elends, heute geprägt ist. Die Roma des Kosovo, die der Ausstoßung oder derer, die nie dazu be- im ehemaligen Jugoslawien manchmal reit oder imstande waren sich zu integrieren. ausgezeichnete Beschäftigungsmöglichkei- In zahlreichen Debatten und Programmen ten hatten, waren bei den Konflikten um die haben sich in den letzten zwanzig Jahren Unabhängigkeit die vergessenen Stiefkinder die europäischen Institutionen, die Staaten der internationalen Gemeinschaft. Die Kon- und die NGOs mit der Frage beschäftigt, wie zentration auf die kosovarischen Serben und »die Roma« sich in die Mehrheitsgesellschaft Albaner drängte die dort lebenden Roma auf eingliedern lassen. Die vorherrschende den Weg des Exils, nach Serbien, Mazedonien essentialistische Sicht hat dazu geführt, oder Deutschland. Was Rumänien betrifft, so diese Familienverbände zu ewigen Opfern sind die Slums und Squats, die im Umland oder Schuldigen zu stempeln. Doch in der italienischer und französischer Metropolen Realität sind die Roma-Gesellschaften zum aufgetaucht sind, nicht das Ergebnis eines Glück viel komplexer. In den Balkanländern traditionellen Nomadentums, sondern eines wie auch anders- abrupten politischen und wirtschaftlichen Wir müssen den Spiegel der wo sind Roma auf Wandels. Die Auflösung der landwirtschaft- verschiedenen lichen Staatsbetriebe nach dem Ende des Roma-Frage zerschlagen, wenn Ebenen der Gesell- Kommunismus ließ viele Roma, die auf wir gemeinsam über die Zu- schaft vertreten, dem Land lebten, ohne Beschäftigung und auch unter den Einkommen dastehen. Anders als ihre ru- kunft unserer Gesellschaft ent- Künstlern oder mänischen Nachbarn wurden sie mehrheit- scheiden wollen. Intellektuellen. lich von der Umverteilung der Ländereien Nicht alle Roma ausgeschlossen. Als Reaktion darauf, oder in den Balkanländern und Westeuropa sind um sich »anzupassen«, entschloss sich eine also arm, und nicht alle Armen in diesen kleine Minderheit – ungefähr zehn Prozent – Ländern sind Roma. zur Auswanderung nach Westeuropa, wo sie Trotzdem scheinen die Roma mehr als jede sich je nach den Aufnahmebedingungen in andere Minderheit dazu prädestiniert, Opfer Notunterkünften, Squats oder Untermietver- von Ausgrenzung und Elend zu sein. Diese hältnissen niederließen. Verhältnisse, leicht zu beobachten und auch durchaus real für die Betroffenen, die sie all- Die Ankunft dieser Migranten dürfte die täglich erleben, sollen die Konsequenz einer Europäische Union und den Europäischen Lebensweise sein, die nicht mehr zeitgemäß Rat dazu veranlasst haben, die von den Mit- ist. Das Zigeunerleben, so reizvoll es auch gliedsstaaten zu befolgenden Richtlinien sein mag mit seinen großen Festen, virtuo- zur »Inklusion« der Roma zu formulieren. sen Musikanten und exotischen Tänzen, soll Hinter den offiziellen Verlautbarungen, die- nicht nur das Genie, sondern auch die Tragik ser doch sehr besonderen Minderheit gleiche eines ganzen Volkes beinhalten, das sich Rechte zuzusichern, ließ sich die Absicht dadurch zu einer Paria-Existenz verurteilen erkennen, diese Bevölkerungsgruppen zu würde. sedentarisieren, weil sie ansonsten die natürliche Tendenz haben würden, Westeu- Wenn aber ein Teil der Roma in den Balkan- ropa zu überfluten. Die einzelnen Länder, vor ländern in äußerst prekären Verhältnissen allem die osteuropäischen, verpflichteten lebt, dann sind die Ursachen nicht unbe- sich dazu, die Diskriminierung der Roma zu dingt in den Phantasievorstellungen einer bekämpfen und für ihre lokale »Inklusion« Tradition zu suchen, sondern eher in den zu sorgen. Auch wenn diese Maßnahmen Dr. Olivier Peyroux: Die Hintergründe der »RomaFrage« in Frankreich und Europa

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gelegentlich Fortschritte zeigten, dienten sie für eine künstliche Wiederherstellung der doch dem Ziel, die Roma in ihren Herkunfts- staatlichen Autorität, wenn diese in Frage ländern zu halten. Sie sollten zu Hause gestellt wurde. Bei meinen Recherchen habe bleiben, um uns nicht massenhaft heimzu- ich festgestellt, dass unter der Präsident- suchen. Mit dem EU-Beitritt Rumäniens und schaft von Nicolas Sarkozy immer dann, Bulgariens im Jahre 2007 geriet diese Politik wenn die Medien das Versagen der Polizei in Widerspruch zum Prinzip der Freizügig- im Kampf gegen den Drogenhandel kriti- keit, das deshalb durch bestimmte Maßnah- sierten, die Roma-Frage hervorgeholt wurde, men eingeschränkt wurde. Die Hauptländer zusammen mit unbelegbaren Statistiken Westeuropas dehnten für Zuwanderer aus zur Delinquenz von Rumänen in der Pariser diesen beiden Ländern die Übergangsfrist, Region.3 Diese Bevölkerungsgruppen waren die den Zugang zum Arbeitsmarkt ein- auch Gegenstand besonderer Verwaltungs- schränkt, auf die von der EU vorgesehene maßnahmen, die einer bestimmten amtli- Höchstdauer von sieben Jahren aus. Die chen Terminologie entsprechen. Das jüngste Niederlande, Großbritannien und Deutsch- Beispiel, diesmal veranlasst von der sozialis- land wurden sogar, wenn auch erfolglos, bei tischen Regierung, ist der Runderlass vom der Kommission vorstellig, um diese Rege- 26. August 2012, der die Notunterkünfte lung zu verlängern. Zum Vergleich: Bei der armer Bevölkerungsgruppen aus Osteuropa vorangegangenen EU-Erweiterungsphase, – die zwar in der großen Mehrzahl, aber nicht die zehn Länder, also eine sehr viel größere ausschließlich aus Roma bestehen – als Zahl von Arbeitnehmern betraf, wurden »illegale Lager« bezeichnet und dadurch 3 Diese Statistiken bezogen sich auf die diese Maßnahmen trotz aller Propaganda, explizit mit Nomadentum und Marginalität Anzeigen, nicht auf die wie sie vor allem in Frankreich mit der Angst verbindet. Derartige Vorstellungen schlagen Verurteilungen. Es lässt vor dem »polnischen Klempner« betrieben sich in Verwaltungsakten nieder, die dafür sich auch nicht feststel- len, wie groß die Anzahl wurde, von den westeuropäischen Staaten sorgen, dass diese Gruppen ständig umgesie- der Wiederholungs- nur für einen Zeitraum von höchstens zwei delt werden und dadurch keinerlei medizini- delikte ist, ob es sich Jahren angewandt. sche und amtliche Betreuung erhalten. Diese also um Serientäter handelt oder um Politik, die sich unter der jetzigen Regierung einzelne Straftaten, die In Frankreich dienten die rumänischen (der Linken) verschärft hat, widerspricht von unterschiedlichen Roma (die unter den nach 1990 einge- dem Prinzip der Schulpflicht, das immerhin Personen begangen wurden. wanderten Roma die übergroße Mehrheit zu den Grundrechten gehört. Nach einer 4 Einsehbar unter darstellen) vor allem als politisches Alibi Studie des Collectif Romeurope4 sind von www.romeurope.org 29

den in Frankreich lebenden Roma-Kindern wurden und spanischen Arbeitgebern, vor im schulpflichtigen Alter nicht einmal die allem in der Landwirtschaft, die Möglich- Hälfte eingeschult. Der Hauptgrund ist keit gaben, rumänische Saisonarbeiter zu nicht, dass die Eltern dagegen sind, sondern beschäftigen. Aus diesem Pendelverkehr dass viele Kommunen gleich welcher politi- entwickelten sich nach und nach mittel- schen Couleur die Anmeldung dieser Kinder fristige Niederlassungen, aber anders als in verweigern, damit sich keine Roma in ihrer Frankreich war die Mehrzahl der betreffen- Gemeinde dauerhaft niederlassen. den Personen schon beruflich eingegliedert. Diese weniger ausgebildeten Arbeitskräfte Die Haltung der französischen Gesellschaft traten deshalb nicht als besondere Problem- gegenüber den rumänischen Roma-Migran- gruppe in Erscheinung. ten beruht auf der Vorstellung, dass deren Kultur jede »Integration« verhindert. Aber Statt nach phantasierten kulturellen Ursa- was wissen wir wirklich über die Entwick- chen zu suchen, sollten wir uns lieber fragen: lung dieser Migration in Frankreich? Warum taucht die »Roma-Frage« gerade jetzt Die ersten Roma, die in den Jahren 1990 bis wieder auf? Über die wirtschaftlichen und 2000 aus dem Banat oder Transsilvanien sozialen Schwierigkeiten hinaus, mit denen kamen, gliederten sich relativ gut ein. Durch ein Teil dieser Minderheit konfrontiert ist, die Ankunft von geringer qualifizierten sind die Roma unfreiwillig zu einem Indi- Roma aus weniger entwickelten Regionen kator für tieferliegende Probleme geworden, begannen diese Gruppen stärker sichtbar zu von denen alle europäischen Länder betrof- werden. Da letztere keine Beschäftigung fan- fen sind. den, verlegten sie sich auf kleingewerbliche Tätigkeiten wie Blumenverkäufe, auf Bette- Hat die Tatsache, dass es in den Balkanlän- lei usw. Durch den fehlenden Zugang zum dern für Roma praktisch unmöglich ist, in regulären oder schwarzen Arbeitsmarkt und öffentlichen Krankenhäusern behandelt zu Wohnraum konnten Vermittler daraus zu werden, nur mit ihrer Ablehnung zu Kapital schlagen, indem sie Plätze auf ihnen tun? Kündigt sie nicht die Privatisierung gar nicht gehörenden Grundstücken ver- des Gesundheitswesens für diese Gesell- mieteten, Geld zu Wucherzinsen verliehen schaften insgesamt an? Gleiches gilt für das usw. Fälle der Ausbeutung von Erwachsenen Bildungswesen – die Diskriminierung der und Kindern traten bei Roma genauso wie Roma in fast ganz Europa wirft auch hier bei Nicht-Roma auf. Mehr als mit einem Fragen auf. Drückt sich darin das Bedürfnis vermeintlichen kulturellen Schicksal, das nach Sündenböcken aus, um von politischen die »umherziehenden Zigeuner« dazu ver- Misserfolgen gegenüber den unteren Klas- dammen soll, die Parias der französischen sen abzulenken? Entspricht sie einer immer Gesellschaft zu bleiben, hängen die Probleme massiveren Ablehnung der Idee einer multi- ihrer »Integration« mit den bürokratischen ethnischen Gesellschaft? Schwierigkeiten der Eingliederung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt zusammen. Wir müssen den Spiegel der Roma-Frage Tatsächlich gab es in Spanien, das mehr als zerschlagen, wenn wir gemeinsam über die 60.000 Roma aufgenommen hat (dreimal so Zukunft unserer Gesellschaft entscheiden viele wie Frankreich), weder Barackensied- wollen. lungen noch einen politischen Stimmenfang auf Kosten dieser Bevölkerungsgruppen. Der Grund dafür liegt in bilateralen Abkommen, die nach 1996 mit Rumänien vereinbart Dr. Olivier Peyroux: The Background of the »Roma Issue« in France and Europe

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As a people, a nation, or a transnational slums and squats that have emerged on the minority they embody destitution, exclu- outskirts of Italian and French metropolises sion, and are the face of those who were are not the result of traditional nomadism never able or willing to integrate. In debates but rather of abrupt political and economic and programs over the last twenty years, the changes. The liquidation of the state agri- European institutions, the states, and NGO’s cultural cooperatives after the end of com- have puzzled over the question of how »the munism left many Roma who lived off of the Roma« could be integrated into the social land without work or income. In contrast to majority. The dominant essentialist view has their Romanian neighbors, the majority of led to the across-the-board categorization them were excluded from the redistribution of these family groups as eternal victims or of land. As a reaction to this situation, or just culprits. But the reality is that fortunately to »adapt,« a small minority of them – about the Roma societies are far more complex. In ten percent – decided to emigrate to Western the Balkan countries, as in other places, the Europe, where depending on the various Roma are represented at all levels of society, immigration laws they settled in temporary also among the artists and intellectuals. Not housing, squats, or sublets. all Roma in the Balkans are poor, and not all the poor in these countries are Roma. The arrival of these migrants seems to have Nevertheless, the Roma seem to be predes- prompted the European Union and the tined, more than any other minority, to be European Council the victims of exclusion and destitution. to formulate If we want to together determine These conditions, which are easy to observe guidelines for the the future of our society, then we and certainly very real for those persons »inclusion« of the affected, who experience them on a daily Roma, to be fol- will have to shatter the mirror of basis, are supposedly the consequence of a lowed by the member the Roma issue. way of life that is outmoded. Gypsy life, as states. Behind the attractive as it may be with its big celebra- official statement tions, virtuosic musicians, and exotic dances, of the intent to secure equal rights for this supposedly contains not only the genius, but admittedly very special minority, there was also the tragedy, of a whole people, which a quite obvious objective to sedentarize these thus condemns itself to a pariah existence. population groups in order to prevent their supposedly natural tendency to flood all of But if some of the Roma in the Balkans live Western Europe. The individual countries, under extremely precarious circumstances, above all the Eastern European ones, com- the causes do not necessarily lie in the fab- mitted themselves to fighting the discrimi- rications of various cultural traditions, but nation against the Roma and to provide for rather in the upheavals by which the region local »inclusion.« Even as these measures is marked in the present day. The Roma of to some degree showed progress, in the end Kosovo, who during the time of the former they served the goal of keeping the Roma in Yugoslavia sometimes had excellent work their countries of origin. They should stay opportunities, were treated like forgotten home, to prevent them from coming to us step-children by the international commu- in masses. When Romania and Bulgaria be- nity when it came to the conflicts around came members of the European Union in independence. The concentration on the 2007, these policies then conflicted with Kosovo Serbs and Albanians forced the Roma the principle of freedom of movement; this who lived there into exile, to Serbia, Mace- principle was therefore redefined through donia, and Germany. As for Romania, the certain limitations. The main Western 31 Foto: StiftungFoto: Genshagen

European countries extended the transition- whenever it was called into question. In my al period, which limits access to the job research, I noticed that during the presiden- market, for the immigrants from both of cy of Nicolas Sarkozy, whenever the media these countries to the seven-year maximum criticized the failure of the police in the fight stipulated by the EU. The Netherlands, Great against narcotic trafficking, the Roma issue Britain, and Germany even appealed, though would be brought up, together with unverifi- without success, to the Commission for a able statistics on the delinquency of Romani- lengthening of this maximum period. For a ans in the region of Paris.3 These population comparison: in the previous EU expansion groups were also subjected to special admin- phase, which pertained to ten countries, and istrative measures in accordance with a thus a far greater number of workers, these certain official terminology. The most recent measures – in spite of all the propaganda, example, this time occasioned by the social- especially in France where the fear of the ist government, is the circular released on 3 These statistics referred to complaints, not to »Polish plumber« was encouraged – were August 26, 2012, which designated the tem- convictions. It is also used in the Western European countries for porary housing for poor Eastern Europeans impossible to know no longer than two years at the most. – of which the majority but by no means all how high the number of repeated crimes is, are Roma – as »illegal camps,« thus explicitly whether these were In France, the Romanian Roma (who com- linking them to nomadism and marginality. cases of serial offenses prised the majority of the Roma who mi- Such ideas are reflected in administrative or single-time offensive that were committed by grated after 1990) served as political alibis actions that make sure that these groups different people. for an artificial restoration of state authority, are constantly being resettled and in this Dr. Olivier Peyroux: The Background of the »Roma Issue« in France and Europe

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way receive no health care or social services. Romania after 1996 that gave Spanish em- These policies, which have become harsher ployers, especially in the agricultural sector, under the current administration (the Left), the possibility to hire Romanian workers contradict the principle of mandatory school- seasonally. Out of this seasonal shuttle there ing, which after all is a basic right. Accord- gradually evolved medium-term businesses, ing to a study by the Collectif Romeurope4, but unlike in France the majority of the per- of the school age Roma children living in sons involved were already assimilated in the France not even half are registered in school. job market. These less educated workers thus The main reason is not that the parents were not noticeable as a particular problem are against it, but that many communities, group. regardless of their political bent, refuse to allow the registration of these children in Instead of searching for imagined cultural order to prevent the permanent settlement of grounds for the problems, it would be bet- Roma in their towns. ter if we asked ourselves: why is the »Roma issue« cropping up again right now? Apart The stance of French society toward Roma from the economic and social difficulties migrants rests on the belief that the Roma that a part of this minority is confronted culture is a hindrance to any degree of »inte- with, the Roma have involuntarily become gration.« But what do we really know about an indicator for more deep-seated problems the development of this migration in France? that affect the countries of Europe. The first Roma, who came between 1990 and 2000 from the Banat or Transylvania, assim- Does the fact that in the Balkan countries ilated relatively well. Through the arrival it is almost impossible for Roma to receive of less qualified Roma from less developed treatment in the public hospitals have to regions, this group started to become more do with their rejection? Is this not far more visible. Since the latter did not find work, an advance warning of the privatization of they fell back upon occupations such as health care for this society in general? The selling flowers, begging, and so on. Because same applies to the educational system – the of the lack of access to the regular or illegal discrimination of the Roma in almost all of job market and to housing, middlemen were Europe leads to questions here as well. Is this able to make money by renting out space on not an expression of the need for a scapegoat property which they did not even own, by in order to distract from political failures in loaning money at extortionist interest rates, respect to the lower classes? Does it reflect an and so forth. Cases of exploitation of women ever more massive rejection of the idea of a and children occurred among the Roma multi-ethnic society? and non-Roma alike. The Roma’s »integra- tion« problems are less due to their supposed If we want to together determine the future cultural fate as »wandering gypsies« that of our society, then we will have to shatter damns them to remain forever the pariahs the mirror of the Roma issue. of society, than to the bureaucratic difficul- ties of becoming assimilated into the job and housing market. Indeed, in Spain, which took up over 60,000 Roma (three times as many as France), there were neither housing barracks nor political vote catching at the cost of these population groups. The reason 4 Accessible at for this lies in a bilateral agreement with www.romeurope.org 33

Lita Cabellut Delu, Mischtechnik, 2008 Leihgabe Galerie Zulauf, Freinsheim Foto: René Arnold

Stimmen und Zitate

Voices and Quotes 34

Auf der Bühne passiert etwas sehr Lita Cabellut sagt von sich: Anschauliches, das ich in meiner I am more than a painter, I am a Funktion als Politiker so oft vermis- storyteller. Aber zum Geschich- se, wenn wir in Gremien diskutieren tenerzählen eignen sich ihre Por- und uns den Kopf über Antiziganis- traits dennoch nicht: Sie rufen mus zerbrechen: dass die Musik kei- eher die Geschichten der Betrach- nen Übersetzer braucht. Ich wünsche ter hervor, die vielleicht gar nicht mir, dass viel mehr Menschen dies ans Tageslicht wollen und doch erleben können: dass wir durch die müssen. Kunst eins sind. Christel Hartmann-Fritsch

Romeo Franz

Ivan Rom-Lebedev wrote: Nützt es was? Ich habe eine Roma-Familie begleitet, die den Holocaust über- »The life of Roma is like a lebt hat. Ich habe sie auf dem täglichen schweren Weg in einer süddeutschen Kleinstadt begleitet, bis sie Fuß gefasst hatten. leaf…« It’s like a tree, he says, Und meine Freunde fragten mich: without roots. Throughout »Ja, wir verstehen, was sie durchgemacht haben, wie arm die Menschen sind; und ja, es sind tolle Musiker darunter. Aber the centuries, Roma were not nützt es was – die stehlen doch wie die Raben.« Da habe ich mich gefragt: Ja, nützt es was? Bringt all die Aufklärung allowed to stay at a place etwas, wenn die Stereotypen so weitergetragen werden? for a long time, they were Angela Bachmair not registered as citizens etc. However, even the Swedish White Book although recognizing all of these Ein Anfang ist, wenn das Ende aufhört. wrongs stopped short of an Aber das Ende, das hört nicht auf. apology to the Roma aus: »Zigeuner-Boxer«, ein Stück von Rike Reiniger population. Prof. Dr. David Gaunt

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Wir brauchen Beispiele, wo die Inklusion und Am 12.9.2014 wird in Wien die gleichberechtigte Teilhabe der Roma funk- der erste Platz nach einer tionieren, wir müssen wissen, in welchen Kom- Romni benannt: munen und Regionen es klappt. Die aktuelle Studie der Antidiskriminierungsstelle zeigt der Ceija-Stojka-Platz. uns, dass wir bislang nur ganz, ganz wenig er- reicht haben. Wir müssen Studien in Auftrag geben, die zeigen, welche Erfolge es gibt. I am very positive about the

Prof. Dr. Rita Süssmuth recognition of the Gypsies. We are everywhere. We are teachers at universities,

Die starke Bürgerrechtsbewegung, die die Anerkennung der Roma braucht, scientists, artists, enter- fordert neben der Antidiskriminierungsarbeit eine positive Arbeit, die neue tainers, philosophers, and gemeinsame Bilder herstellt. Dabei spielen Kunst und Kultur eine entschei- dende Rolle. Auf Seiten der Roma haben wir starke Impulse. Aber wo ist die pickpockets, but the last Praxis der Kunst auf unserer Seite, die die althergebrachten Bilder kritisch one is the last that we are. thematisiert, die den Impuls der Roma-Künstler aufnimmt, darauf antwortet Lita Cabellut, in an interview with Tom Ever und die eigenen Bildproduktionen hinterfragt?

Andreas Freudenberg

Wir brauchen die Vielfalt der Stimmen, die Vielfalt der Geschichten, die es in diesem Land zu erzählen gibt. Wir brauchen eine Kultur, Die Differenz gehört zur die sich verschiedenen Einflüssen öffnet und die Diversität von Geschichte und Perspektiven Natur. Damit die Natur sich spiegelt. erhalten und reproduzieren Andreas Freudenberg kann, kommen kontinuierlich Unterschiede, Differenzen und Kooperationen zum Tragen. The common history which is untold is Wir brauchen die anderen, um what we have to work on together. am Leben zu bleiben. Ágnes Daróczi Prinzessin Henryane de Chaponay 36 37

Lita Cabellut Seis seniores, 6 Farbserigraphien, manuell überarbeitet, 2008 Seis seniores, 6 colored serigraphs, manually reworked, 2008 Leihgabe aus Privatbesitz Fotos: René Arnold 38

Ágnes Daróczi

Die Rolle von Roma- Kultur im politischen Kampf für Inklusion

The Role of Roma Culture in the Political Fight for Inclusion

Ágnes Daróczi, Direktorin des Romano Instituto / director of the Romano Instituto 39 D

Präambel tenen Community oder Kultur herauszutre- Der Emanzipationsprozess der ungarischen ten und Akzeptanz oder zumindest Toleranz Roma ist nicht an sich nur ein wichtiges und zu erlangen. 1972, im Alter von 17 Jahren, war aktuelles Thema, wir können daraus auch ich das erste ungarische Mädchen überhaupt, etwas für andere Länder und die europäische das in der Öffentlichkeit Romanes sprach. Roma Community lernen. Als Aktivistin war Dies geschah nicht während eines offiziel- ich an diesem Prozess beteiligt und möchte len, organisierten Protests, und ich war noch meine Erfahrungen mit Ihnen teilen. Mein keine Aktivistin: Ich rezitierte Gedichte in Bericht über unseren Kampf und darüber, einem offenen Kulturwettbewerb und tat wie ich die Unterdrückung der Roma erlebt dies in meiner Muttersprache Romanes. Erst habe, kann uns zugleich helfen, die ideologi- danach übersetzte ich die Gedichte ins Unga- schen Hintergründe dieses Emanzipations- rische. Zu jener Zeit war das eine wirkliche prozesses besser zu verstehen. Provokation.

Roma waren in Ungarn »verboten« Natürlich waren die Roma in den Emanzipa- Ich komme aus Budapest in Ungarn, einem tionsbewegungen, deren Teil ich war, nicht der früheren sozialistischen Länder. Schaut die ersten, die die Unterdrückung bekämpf- man sich die Situation der Roma damals an, ten. Schon weit früher hatten sich einige der wird deutlich: Roma waren quasi »verboten« größten Roma-Vorstreiter in diesem Kampf in Ungarn. Ja, verboten. Wir hatten keiner- engagiert. Dieser Kampf musste mit einem lei Minderheitenrechte: Wir durften unsere gravierenden Widerspruch umgehen, denn Muttersprache innerhalb des Schulsystems jeder in Ungarn kannte Roma. Die Menschen nicht benutzen und hatten keine eigenen sahen, wie die Roma in ihren eigenen Dör- Organisationen und Einrichtungen. Kurz fern und Städten neben ihnen lebten, man- gesagt, wir hatten keine Möglichkeiten, uns che spielten zusammen mit ihnen, einige als Minderheit zu organisieren. studierten mit ihnen, und wieder andere arbeiteten mit ihnen zusammen. Die Ungarn Im Gegenteil, wir wurden verunglimpft. So- hatten tagtäglich Erfahrung mit Roma, doch genannte Wissenschaftler veröffentlichten gab es keine Anerkennung. beispielsweise lange Artikel und Bücher, die behaupten, dass die Roma-Sprache weder zur Wie konnten wir also aktiver Teil öffentlicher Kommunikation tauge noch kraftvoll genug Förderkonzepte und des politischen Spiels für Bücher und Lyrik sei, kurzum dass sie zu werden? Dies war unsere erste Frage, und wir beschränkt für eine eigene Literatur wäre. beschlossen, sie kulturell zu beantworten. Sie vertreten die Ansicht, dass die Roma Natürlich kulturell. Doch die Auseinander- keine eigene Kultur haben, sondern sich setzung auf traditionelle Weise zu beginnen, diese von anderen Nationen zusammensteh- zu zeigen, dass wir großartige Musiker und len. Paradoxerweise bezeichnen die gleichen Tänzer haben, hätte keinen großen Neuig- Forscher, die behaupten, Roma hätten keine keitswert besessen. Daher begannen wir un- eigene Kultur, die Roma als sehr altmodisch sere Arbeit auf dem Gebiet der Roma-Folklore und traditionell. und des Liedguts in Romanes Mitte der 70er Jahre auf andere Art: Wir riefen Roma-Musi- Kultur als Antwort auf Unterdrückung ker dazu auf, sich aus der vertrauten, traditi- Als in den frühen 70er Jahren die Menschen- onellen Bühne der Kaffeehausmusik heraus rechtsbewegungen begannen, sich im sozia- in die Theater zu bewegen. Auf der Bühne der listischen ungarischen Staat zu organisieren, geachteten Elitekultur aufzutreten, war der war es unser Ziel, aus der Sphäre einer verbo- nächste Schritt im Kampf für unsere Rechte Ágnes Daróczi: Die Rolle von Roma-Kultur im politischen Kampf für Inklusion

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und um die Anerkennung als Nation. Die Allerdings hinderten mich die sogenannten erste Schallplatte mit Roma-Folklore wurde Experten daran, sie Kunstausstellung zu 1985 vom Kalyi Jag Ensemble herausgebracht. nennen. Sie bestanden darauf, dass es sich Dies war die erste von traditionellen jungen nicht um Werke von professionellen Künst- Roma (István Balogh, László Váradi, János lern handle und sie nur als »naive Kunst« zu Balogh und Gusztáv Varga) gegründete bezeichnen wären. Doch wie kann das sein? Folkloreband, unter der Leitung von János Von den Bildern war das eine impressionis- Bársony. Nach ihren ersten internationalen tisch, ein anderes expressionistisch und ja, Erfolgen übergab der gesetzliche Vorstand ein drittes war wahrscheinlich naiv – wie János Bársony die Verantwortung und Rei- konnte man also alle naiv nennen? Aber es severpflichtungen an Gusztáv Varga, der die war 1979, so einigten wir uns, als Kompro- Band neu organisierte. miss, auf den Begriff »Amateurkünstler« und den Ausstellungstitel »Autodidakt«. Auch die Die erste Sammelausstellung Bildender zweite Ausstellung zehn Jahre später hieß Kunst von Roma »Autodidakt Roma-Künstler«. Doch wäh- 1979 organisierte ich die erste Sammelaus- rend die erste Ausstellung in einem Vorort stellung Bildender Kunst von Roma. Lassen von Budapest stattfand, wurde die zweite Sie mich Ihnen berichten, wie es dazu kam. nach zehn Jahren – genau in der Zeit des János Balázs war damals der berühmteste politischen Umbruchs 1989 – im Ethnogra- zeitgenössische Künstler, und wir mach- phischen Museum direkt gegenüber vom ten uns auf den Weg zu ihm, um über ein Parlament gezeigt. Und nach 12 Künstlern Projekt zu sprechen. Doch als wir den ersten in der ersten Ausstellung konnten wir nun, Rom, der uns entgegenkam, fragten, wo wir zehn Jahre später, mehr als 20 Künstler prä- Balázs finden könnten, antwortete dieser: sentieren. »Was denken Sie denn? Dass wir nur einen Maler haben? Wir haben viele! Die Menschen Warum? Wie war diese Entwicklung mög- kennen nur den Namen Balázs, aber nein – lich? Weil unsere Bewegung Teil der Oppo- es gibt durchaus auch andere! Kommen Sie sitionsbewegung war. Auch wenn die erste mit.« Und er zeigte sie uns. Ausstellung in einem kleinen Ort stattfand, wurde sie ein Überraschungserfolg und sehr So wurde János Balázs zu einem Vorbild und bekannt. Langsam aber sicher machten gab anderen Roma-Künstlern die Freiheit, sich die Roma-Künstler auf dem Gebiet der auf einem Gebiet zu arbeiten, das ihnen bis Bildenden Kunst einen Namen. Kunsthisto- dahin unbekannt, unsichtbar und unzu- riker aus Deutschland und anderen Ländern gänglich gewesen war. Sie wollten den kamen nach Budapest, um die Werke zu se- gleichen Respekt und die gleiche Würde hen und zu kaufen. Dennoch erwies sich die erlangen, die János Balázs als Maler genoss. zweite Ausstellung erneut als große Über- So begannen viele unserer talentierten Leute, raschung. Wie konnte das sein? Nun, trotz Skulpturen und Bilder zu kreieren; und ich, internationalen Erfolgs hatte Ungarn unsere die ich meinen Universitätsabschluss als Kunst nie anerkannt, uns nie eine Einrich- Kulturmanagerin 1978 gemacht hatte, be- tung gegeben, um eine ständige Ausstellung kam die Gelegenheit, die Werke zu sammeln zu unterhalten, oder gar eine Galerie, um die und die erste Ausstellung von Roma-Kunst Werke angemessen zu verkaufen und Teil des zu organisieren. Kunstbetriebs zu werden. 41

Die Rolle der Massenmedien dern natürlich auf das Original. Trotzdem und Wissenschaften erkannten Wissenschaftler nie die Wurzeln Untersucht man die Begriffe, die bis heute einiger ungarischer Worte im Romanes an. in Bezug auf Roma benutzt werden, versteht Selbst in der Linguistik ist die Roma-Kultur man die Diskriminierung, unter der sie nicht geachtet. leiden. Die Worte, die man hört, sind: niedri- ger Sozialstatus, Arbeitslosigkeit, schlechter Nehmen wir die Folklore als weiteres Bei- Gesundheitszustand, prekäre Lebensbedin- spiel. Seit Jahrzehnten sammeln ungarische gungen, sogar Slums etc. Wir werden als Forscher Material zum ungarischen Kul- Objekte betrachtet, als Stöckchen – doch sind turerbe wie Lieder und Instrumentalmusik. wir Beteiligte? Haben wir die Chance, unser Doch geben sie ihre Quellen exakt an, erfas- eigenes Image zu entwerfen? Haben wir die sen sie die gesammelten Stücke so, wie sie sie Macht, das Image der Roma zu beeinflussen? gefunden haben, z.B. als von dieser oder jener Wie ist es möglich, fragten wir in unserem Roma-Band kommend? Nein, wir finden Emanzipationsprozess, dass es keine Roma kein einziges Wort über die Roma-Männer in den Massenmedien gibt? Die Massenme- und -Frauen, die einen Teil der ungarischen dien spielen eine immense Rolle in unserem Tradition mit bewahren. Alle Stücke sind heutigen Leben, da immer weniger Men- als ungarische Musik, als ungarische Kul- schen tatsächlich zusammen studieren, tur deklariert. Wie konnten alle Ungarn die zusammen arbeiten oder zusammen le- Anwesenheit und den Einfluss von Roma ben. Daher hat das von den Massenmedien innerhalb dieses Erbes vergessen? Wir leben vermittelte Roma-Image sogar noch mehr seit mehr als 600 Jahren zusammen, und Macht als in der Vergangenheit. Die Medien die Roma sind eine sehr traditionelle, alte zeigen uns, was es bedeutet, Roma zu sein, Gemeinschaft; meines Erachtens hat die aber kennen sie uns gut genug, kennen sie Roma-Musik das ungarische Kulturerbe uns genau genug? Fühlen sie denselben Hass, genauso beeinflusst, wie die Wissenschaftler den wir erleben? Sind sie imstande, uns ein- die Wirkung der jüdischen, slowakischen fach als Menschen, als Personen darzustel- und rumänischen Traditionen innerhalb len? Ja, manche schon. Manche. Doch leider dieses Erbes erklären. sind das Vorurteil und die traditionellen Bilder von uns sehr viel lebendiger, und diese Wir brauchen eine gemeinsame Kultur, die repräsentieren die postkoloniale Sicht. ungarische wie auch Roma- und andere Impulse aufnimmt und jeden einzelnen Der Einfluss der Roma-Sprache anerkennt. und -Folklore in Ungarn Wir müssen also sehr deutlich und in sehr Die Roma in der europäischen Geschichte einfachen Begriffen sprechen, wenn wir die Braucht es weitere Beispiele, um eine rich- Probleme benennen. Um das zu verstehen, tige Perspektive auf unsere mehr als sechs lassen Sie uns einen Blick auf die Wissen- Jahrhunderte währende gemeinsame Ge- schaft werfen, z.B. auf die Sprache. Viele un- schichte zu bekommen? Ein weiterer Punkt garische Worte kommen aus dem Romanes. könnte die Tatsache sein, dass auch das Wis- Im Vergleich mit den Spuren der Roma-Spra- sen über die Schießkunst und den Umgang che in deutschen, französischen oder engli- mit Kanonen von den Roma nach Europa schen Quellen lassen sich die Verbindungen gebracht wurde. Was heißt das? Wenn man erkennen. Und etwas, das sich auf breiter weiß, wie entscheidend die Schießkunst für Ebene immer wieder findet, deutet nicht die europäische Geschichte war, kann diese auf einen merkwürdigen Zufall hin, son- kleine Tatsache unsere gesamte Sicht auf Ágnes Daróczi: Die Rolle von Roma-Kultur im politischen Kampf für Inklusion

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Roma verändern: Sie zeigt, dass die Entwick- Perspektiven der Emanzipation lung Europas ohne die Roma anders verlau- Wir haben über Worte gesprochen, die in fen wäre. Warum also werden wir stets als Bezug auf Roma verwendet werden. Wissen »die anderen« angesehen? Warum schauen Sie, welche Worte nie in Zusammenhang wir nie auf die Ähnlichkeiten und Verbin- mit Roma benutzt werden? Es gibt ein paar: dungen? Geschichte ist eines von ihnen. Philosophie ein weiteres. Gemeinsame Verantwortung – Teil unserer bis heute unbekannten und haben Sie das je gehört? Oder Verantwortung nicht vermittelten gemeinsamen Geschich- der Mehrheit? te ist auch das Kapitel des Holocaust. Ich spreche nicht gern darüber. Aber ich lade Sie Dies sind die Bereiche, in denen wir uns dazu ein, Gespräche mit Überlebenden und selbst entwickeln müssen. Dies sind die Zeitzeugen anzuschauen und ihnen zuzuhö- Bereiche und Gebiete, in denen Roma sich ren. Roma werden stets als Opfer betrachtet. beteiligen und ihre vielfachen Beiträge be- Doch wussten Sie, dass es am 16. Mai 1944 kannt machen müssen. im »Zigeunerlager« von Auschwitz-Birkenau einen Aufstand gab? Wussten Sie das? Wa- rum nicht? Selbst unter diesen Umständen waren Roma mutig genug, versuchten sich zu wehren und für ihre Rechte zu kämpfen – doch weshalb denken wir von Roma nicht in solchen Begriffen? Ágnes Daróczi: The Role of the Roma Culture in the Political Fight for Inclusion

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Preamble 1972, at the age of 17, I was the first Hungari- The emancipation process of the Roma people an girl ever who spoke Romanes in public. It in Hungary is not only a very important and was not during an official, organized protest, current topic in itself, it can also teach us and I was not yet an activist: I recited poems something for other countries and the Euro- in an open contest in culture, and I did so in pean Roma community. As an activist, my mother tongue, Romanes. Only after that, I took part in this process and want to share I translated the poems to Hungarian. This my personal experience with you. Telling was a real provocation at that time. you about our fight and how I have experi- enced the oppression of Roma, we may Of course the Roma people in the emancipa- also be able to understand more about the tion movements that I was part of were not ideological background of this emancipation the first ones to fight oppression; some of the process. greatest Roma leaders engaged much earlier in this fight. This fight faced a very strong In Hungary, Roma were »forbidden« contradiction, because everyone in Hungary I come from Budapest in Hungary, one of the knew Roma. The people saw that Roma were former socialist countries. If we look at the living in their own villages, in their own situation of Roma at that time, we will see: cities next to them, where some of them Roma were basically »forbidden« in Hungary. were playing together, some of them were Yes, forbidden. We didn’t have any minori- studying with them, and some of them were ty rights: We were not allowed to use our working together. So the Hungarians had mother tongue within the school system and experience with Roma on a daily basis, but had no own organizations and institutions. there was no recognition. In short, we had no chance to organize our- selves as a minority. So how could we become part of the public policy and the political game? This was our On the contrary, people would denigrate us. first question and we decided to give it a For example, so-called researchers published cultural answer. Of course, a cultural one. long articles and books stating that the Ro- But to begin this fight the traditional way, mani language is neither good for commu- to show that we have wonderful musicians nication nor strong enough for anything like and dancers would not have been such a big books or poetry, in short that it is too poor to surprise. So in the mid-seventies, we started have an own literature. They hold that Roma to work in the field of the Roma folklore and don’t have an own culture but instead stole Roma language songs, but in a different way: theirs together from other nations. Paradoxi- We called Roma musicians to move from the cally, these same researchers that maintain well-known, traditional café music stage Roma people don’t have their own culture into the theaters. To perform on the stage of also claim that Roma people are very tradi- the respected elite culture, was the next step tional and old-fashioned. in the fight for our rights and to be accepted as a nation. The first Roma folklore LP was A cultural answer to oppression published in 1985 by Kalyi Jag Ensemble. This In the early seventies, when the human right was the very first folklore group founded by movements started to organize themselves traditional Roma young people (István in the socialist Hungarian State, our aim Balogh, László Váradi, János Balogh, and was to get out of the sphere of a forbidden Gusztáv Varga) and led by János Bársony un- community or culture and to gain accep- til they began to have international success. tance or, at the least, to become tolerated. In At that point the jurist leader János Bársony Ágnes Daróczi: The Role of the Roma Culture in the Political Fight for Inclusion

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forwarded the responsibility and travel ob- Museum, right opposite the parliament. And ligations to Gusztáv Varga, who reorganized after having introduced 12 artists in the first the group. one, we were now, ten years later, presenting more than 20 artists. The first Roma collective fine arts exhibition Why? How was that possible? Because our In 1979 I organized the first Roma collec- movement was part of the opposition move- tive fine arts exhibition. Let me tell you how ment. Even though the first exhibition was this came about. János Balázs was the most organized in a small place, it became well- famous contemporary artist at that time, known and became a surprise success. Slowly and we went to see him for a project. But but surely the Romani artists in the field of when we asked the first Rom coming across fine art became known. Art historians from our way where to find Balázs, the man Germany and other countries came to Buda- answered: »What are you thinking? That we pest to see the works and to buy them. Never- have only one painter? We have many! People theless, the second exhibition turned out to only know the name János Balázs; but, oh no, be a big surprise again. How is that possible? we have others too! Come with me.« And he Because despite the international success, showed us. Hungary never really acknowledged our art, they never gave us an institution to organize So János Balázs became a role model and a standing exhibition or even a gallery to be gave other talented Roma artists the free- able to sale the artwork properly, to become dom to work in a field which was until then part of the cultural business. unknown, unaccepted and invisible for them. They wanted the same respect and dignity The role of mass media and science that János Balázs got as a painter. And so If you analyze the expressions used until many of our talented people began to make today regarding Roma, you will understand sculptures and pictures; and I as a cultural the discrimination they suffer. The words manager who finished university in 1978 had you hear are: low social status, unemploy- the chance to collect them and to organize ment, poor health status, bad living condi- the ever first exhibition of Romani fine art. tions, even slums, and so on. We are seen as However, the so-called specialists in the field objects, pieces of sticks – but are we partici- did not allow me to call it an art exhibition. pants? Do we have a chance to create our own They asserted that these artworks were not image? Do we have the power to influence made by professionals and would only be the Roma image? naïve art. But how so? Among all the pictures, one was impressionist, another one expres- How is it possible, we were asking in our sionist, and yes, a third one was probably emancipation process, that there are no naïve – so how can you call all of them naïve? Roma in the mass media? The mass media It was 1979 though, and the compromise we are so important in our life nowadays, as less found was to call them »self-made artists« and less people are actually studying to- and to name the exhibition Autodidact. Also gether, working together, or living together. the second exhibition ten years later was So the Roma image created by the mass named Autodidact Romani Artists. But media has even more power than in the past. while the first exhibition was shown on the They show what it means to be Roma, but outskirts of Budapest, the second one, after do they know us well enough good, do they ten years – just in the time of political know us deeply enough? Do they feel the changes 1989 – opened in the Ethnographical same hatred as we? Are they able to show us 45

simply as human beings, as personalities? Roma in European History Yes, some of them. Some. But unfortunately Do we need more examples to get a proper the prejudice and traditional picture of us is view of our common history which is more much more vivid; and it represents the post- than six centuries long? One more incident colonial view. might be the fact that the knowledge of how to use gunfire and canons was brought to The influence of Roma language and folk- Europe by Roma too. What does that mean? lore in Hungary Knowing how crucial the knowledge of how So we have to speak very clearly and in very to use gunfire was for European history, this simple terms to name the problems. In order little fact can change our entire perspective to understand that, let’s go to the field of sci- on Roma: It shows that the development of ence; let’s speak about language, for instance. Europe without Roma would not have been In Hungarian, many words come from Ro- the same as it was with them. So why are we manes. Comparing them to the influence of seen always as »the others«? Why do we never the Romani language in German sources as see the similarities and connections? well as French and English ones, we can see the connections. So, if you find something Part of the common history which is un- being very similar across the board, it’s not known and untold until today is also the awkward but of course original. Neverthe- chapter of the Holocaust. I don’t like to speak less, scientists never admitted the Romanes about it. But I invite you to watch and listen origin of some Hungarian words. Even in lin- to interviews with survivors and eye witnes- guistics, Roma culture is not acknowledged. ses. Roma are always thought of as victims. Now, let’s look at the folklore. For the last But did you know that on May 16, 1944 in the decades, many Hungarian researchers have »Gypsy-Lager« of Auschwitz-Birkenau, there collected material about the Hungarian her- was a revolt? Did you know it? Why not? So itage like songs or instrumental music. But even in those circumstances, Roma were do they name their exact sources, labelling brave enough, they tried to make an effort the items as collected, for instance, from and fight for their rights – but why don’t we these or those Romani bands? No, we don’t think about Roma in such a way? find a word about the Roma men or women who hold some parts of Hungarian tradi- The Perspectives of emancipation tions. The pieces are all declared Hungarian We spoke about words used to refer to Roma. Music, Hungarian culture. How is it possible Do you know which words are never used that every Hungarian forgot about the Roma regarding Roma? There are some: History is presence and influence within this heritage? one of them. Philosophy is another one. Com- We have been living together for more mon Responsibility – have you ever heard it? than 600 years and the Roma are a very Or responsibility of the majority? traditional, old community; so from my point of view, as the scientists hold that the These are the fields in which we have to Jewish, Slovak, and Rumanian traditions develop ourselves. These are the disciplines and music had an impact on the Hungarian and concepts that Roma have to join and in heritage, so has the Roma music, of course, which they have to make their multiple con- influenced it too. tributions known. We need a common culture that incorporates Hungarian as well as Roma and other im- pulses and acknowledges each one. 46

Lita Cabellut Yo 6 (Selbstbildnis/self-portrait), Mischtechnik, 2007 Leihgabe Galerie Zulauf, Freinsheim Foto: René Arnold 47

Lita Cabellut Hylario, Mischtechnik, 2008 Leihgabe Galerie Zulauf, Freinsheim Foto: René Arnold 48

Roma, eine politische Konstruktion? Ein Gespräch über Identität und kulturelle Differenz

Roma: A Political Construct?

A Discussion about Identity and Cultural Difference 49 D

In der Europäischen Union gibt es derzeit zwei Ten- Pflichten übernehme, ist eine ganz wich- denzen: Die einen sagen, eigentlich sind die Roma die tige. Wer diese nicht hat, lebt sein Leben wirklichen Europäer. Ihre Kultur müsste als Funda- in totaler Unsicherheit. Deshalb sind die ment ihrer Rechte anerkannt werden; und sie müssten vier Forderungen, die die EU gestellt hat mindestens einen europäischen Pass bekommen (wenn – Zugang zu Bildung, Wohnraum, Gesund- nicht ein Land). heitsfürsorge und Arbeit – ganz entschei- Die anderen sagen, die Roma sind im wesentlichen dend. Denn wie können Menschen sich Arme. Man sollte sie subsumieren unter Armuts- emanzipieren ohne Bildung? Aber wie bekämpfung und ihre Themen als soziale Probleme gelangt man zu Bildung, ohne Rechte? definieren, was sie im Grunde sind. Denn zuallererst hat jeder Bürger Europas Bürgerrechte, und die müs- Jeder Mensch ist bildbar. Wenn Menschen sen durchgekämpft und nicht auf die Kultur reduziert stark werden, und wenn sie so gebildet werden. werden, dass es nicht nur ein Starksein für mich, sondern für ein Wir ist, dann Was ist also zu tun? Soll man um die Verwirklichung kommen wir gemeinsam weiter. der Bürgerrechte kämpfen oder sich stärker für die Prof. Dr. Rita Süssmuth Anerkennung der Kultur und Minderheitenrechte einsetzen, also auf Identitätspolitik setzen? Im europäischen Kurs geht es generell Christian Petry, Vorsitzender des Forum for um Integration, nicht um Beteiligung. Roma Inclusion des European Foundation Aber die Roma sagen darauf zu Recht: Wo Centre, hat Wegbereiter des künftigen Euro- müssen wir integriert werden? Wir waren pa befragt. schon hier, bevor es dieses oder jenes Land gab. Dieses Europa ist auch mein Europa, und ich brauche kein separates Land. Wir müssen gemeinsam integrativ sein! Wir brauchen keine Strategie für eine Integra- tion – dies nimmt Roma die Würde. Kultur ist mehr als Kunst. Es ist eine Le- bensart, eine Art zu leben und zu handeln. Identitätspolitik als Förderinstrument ist Deswegen ist die Emanzipation zentral, ambivalent. Manche sagen, sie sei ethni- sie ist die Kultur, die wir brauchen. sche Förderung, aber sie bezweckt etwas Die Klischees, denen wir begegnen, erfor- anderes: die Unterstützung von Menschen, dern viel Geduld und gemeinsame harte die Nachteile ausgleichen müssen, die sie Arbeit. Dies gilt auch für den Umgang mit aufgrund von Antiziganismus mit sich der Verfolgung der Roma. Dennoch wollen tragen. Integration im Sinne von gleichbe- wir Versöhnung. Die Literatur zeigt es. rechtigter Teilhabe, das muss das Ziel sein. Eine Romni sagte mir: »Wir leiden an der Wenn man eine institutionelle Kulturför- Verständigung um der Zukunft willen«, derung hat, dann kann man seine eigene nicht wegen der Vergangenheit und aus- Kultur auch herausheben. Deshalb wird stehender Entschädigungen. 2014 zum ersten Mal der Schnuckenack Reinhardt Kulturpreis von der Hildegard Für mich ist das Zentrale, Menschen indi- Lagrenne Stiftung vergeben, an Sinti- und viduell stark zu machen und dazu gehören Roma-Künstler und natürlich auch an Rechte. Die Frage der Verankerung von Nicht-Roma. Rechten, mit denen ich natürlich auch Daniel Strauß Roma, eine politische Konstruktion? / Roma: A Political Construct?

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Die Macht der Bilder ist, was uns vonein- sind eine gefährdete Gruppe. Wir fördern ander abgrenzt. Was wir lernen müssen, keine Kultur; wir kümmern uns um eine ist ein anderer Umgang mit Differenz. gefährdete Gruppe.« Aber ich bin ein Rom, Wir sind alle in einem Homogenitäts- ich bin Sozialanthropologe, das ist mein dilemma. In der Absage an Parallelge- Beruf, und ich habe promoviert – ich bin sellschaften sehen wir die Garantie des keine gefährdete Gruppe. sozialen Friedens. Das ist ein Trugschluss. Dr. Ciprian Necula Homogenität ist kein Garant für Frieden. Mit Nähe kommt Verrat, Enttäuschung, Hass. Nähe bietet keinen Schutz vor Kon- Hinter der Unterscheidung von Assimilati- flikten. Integration schafft keinen Frieden. on versus Integration steckt ein Stück alte Was ihn schafft, ist einen Umgang mit Identitätsvorstellung. Man muss auch das Differenz wiederzugewinnen, den wir Recht haben, sich zu assimilieren und in einmal hatten. In der Differenz, in der einer Mehrheitsgesellschaft zu verschwin- Neugier auf den anderen läge eine neue den, darin liegt kein Verrat. Chance. Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal

Die Neugier auf die Kunst des anderen, Ja, aber die Assimilation soll Option und Kunst als Feld – lehrt uns Toleranz. Dies darf nicht Voraussetzung für den berufli- lässt sich am besten auf lokaler Ebene chen, sozialen und künstlerischen Erfolg sehen. In der Stadt ist der Homogeni- sein. tätsdruck nicht so groß, denn die Stadt Daniel Strauß definiert sich über einen anderen Stolz: die Identifikationskraft, die im täglichen Wenn dies zur Selbstverständlichkeit Umgang miteinander liegt, die Distanz würde, dem Individuum die Freiheit der und Nähe neu aushandelt. Wahl zu lassen – dann hätten wir das Prof. Dr. Werner Schiffauer richtige Verhältnis von Kultur und Bürgerrechten. Die Gesellschaft muss mit dieser Freiheit, Wir konzentrieren uns stets auf die nega- mit den verschiedenen Lebensentwürfen tiven Dinge, die aus der Spannung zwi- umgehen. schen Roma und anderen entstehen. Aber Prof. Dr. Rita Süssmuth es gibt eine Menge positiver Dinge, die aus dieser Differenz entstehen.

Wissensproduktion ist ein Markt, und jeder kann Wissen produzieren und ver- markten. Wenn es sich verkauft, werden manche Vorurteile produzieren. Deshalb braucht es Kulturförderung, denn posi- tive kulturelle Bilder sind nicht immer marktförmig. Organisationen, die sich für eine europäische Roma-Kultur- und Kunstförderung (Musik, Literatur, Male- rei, Roma-Narrative) einsetzen, begegnen oft dem Argument: »Nein nein, Roma 51 En

In the European Union there are today two tenden- one also takes on commitments, is a very cies: some say that actually the Roma are the true important one. Someone who does not Europeans. Their culture should be recognized as the have this, lives their whole life in a state of foundation of their rights; they should at least be insecurity. For this reason, the four points issued a European passport (if not a country). that the EU set down – access to education, Others say that essentially the Roma are the poor. housing, health care, and work – are ex- They should be subsumed under the category of the tremely important. How can people be- fight against poverty and their issues should be come emancipated without education? But defined as social problems, which they basically are. how to achieve education without rights? First and foremost, every citizen of Europe has civil rights: these must be fought for and not reduced to the Every human being is capable of becoming culture. educated. If people become strong, and if they are educated in a way that this What then is to be done? Should we be fighting for strength is not only for themselves but for the attainment of civil rights or should we be more an Us, then we will progress together. actively engaged in achieving recognition for cultural Rita Süssmuth and minority rights, in other words the politics of identity?

Christian Petry, Chairman of the Forum for The European path is in general about Roma Inclusion of the European Foundation integration, not about participation. But Centre, questioned trail-blazers of the Europe to this the Roma say, and rightly so: where of the future. and why should we be integrated? We were here before any of these countries even existed. This Europe is my Europe, too, and I do not need a separate country. We must integrate together! We do not need some strategy for integration – this robs the Roma of their dignity.

Culture is more than art. It is a way of life, Identity politics as a promotional instru- a way to live and to act. For this reason, ment is ambivalent. Some say it is sup- emancipation is essential; it is this culture posed to promote ethnicity, but it aims at that we need. something else: the supporting of people The clichés that we encounter require a lot who must compensate for disadvantages of patience, and collective hard work. This brought upon them by antiziganism. is also the case for dealing with the perse- Integration in the sense of participation cution of the Roma. But we want reconcil- on equal footing – that must be the goal. iation. Literature has made this clear. If one has institutional cultural support, A Romni said to me: »We are suffering then one can give one’s own culture a through accommodation for the sake of boost. And so, for the first time, in 2014, the future,« not because of the past or for the Schnuckenack Reinhardt Cultural compensations still outstanding. Prize is awarded by the Hildegard For me the central issue is to make people Lagrenne Foundation to Sinti and Roma individually strong, and to become strong artists and of course also to non-Roma. one needs rights. The question of the con- Daniel Strauß solidation of rights, along which of course Roma, eine politische Konstruktion? / Roma: A Political Construct?

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The power of images is what creates with a vulnerable group.« But I am a Rom, boundaries between us. What we must I am a social anthropologist, that’s my job, learn, is to deal with difference in a new and I have a doctorate – I am not a vulner- way. able group. We are all in a homogeneity dilemma. Ciprian Necula In the refection of a parallel society, we envision a guarantee of peace. But that is an illusion. Homogeneity is no guarantee Behind the differentiation between assim- for peace. Closeness bears with it betrayal, ilation and integration lies hidden an old disappointment, hatred. Closeness offers idea about identity. One also has to have no protection against conflict. Integration the right to assimilate and disappear does not create peace. What does create into a social majority. There is no betrayal peace is the restoration of the ability to in that. deal with difference, an ability which we Klaus-Michael Bogdal once possessed. In difference, in curiosity about the Other, lies a new chance. Yes, but assimilation should be an option and not a requirement for professional, The curiosity about the art of the Other, social, or artistic success. art as a field – teaches us tolerance. This Daniel Strauß can be seen best at the local level. In the city, the pressure towards homogeneity is If it became self-understood for an not as strong, since the city defines itself individual to have their freedom of choice through a different kind of self-regard: the – then we would have the correct balance potency of identification that arises every between culture and civil rights. day in dealing with other people, renego- The society has to be able to live with this tiating distance and closeness, every day freedom, with the different ways of life. anew. Rita Süssmuth Werner Schiffauer

We always focus on the negative things that arise out of the tension between Roma and others. But there are lots of positive things that emerge from this dif- ference. Knowledge production is a mar- ket, and anyone can produce and market knowledge. If it sells, some will produce prejudice. For this reason, culture needs to be supported, for positive cultural images are not always in a form that suits the market. Organizations that fight for a Eu- ropean funding of Roma culture and arts (music, literature, painting, Roma narra- tives) often are met with the argument: »No, Roma are a vulnerable group. We don’t support a culture; we are concerned 53

Lita Cabellut Django, Mischtechnik, 2008 Leihgabe RomnoKher, Mannheim Foto: René Arnold 54 55 Inseln des Gelingens Kulturinstitutionen und künstlerische Projekte in Europa

Islands of Success

Cultural Institutions and Art Projects in Europe Inseln des Gelingens / Islands of Success

Im Zentrum der »Akademie unter Bäumen« stand die Rolle Um diese Fragen zu diskutieren, haben die Hildegard von Kunst und Kultur bei der Inklusion oder Diskriminierung Lagrenne Stiftung und die Stiftung Genshagen Vertreter von Roma in Europa. künstlerisch-kultureller Projekte aus verschiedenen eu- ropäischen Städten zu einem Austausch über ihre Ansät- Jahrhundertelang waren Roma Gegenstand der Kunst von ze zur gesellschaftlichen Anerkennung der Roma in den nicht-Roma – zumeist in stereotypen Darstellungen, die Schlosspark der Stiftung Genshagen eingeladen. In zwei 56 als unhinterfragte Assoziationen durch die Kunst weiter- sogenannten »Arbres à palabres«, Diskussionsrunden unter getragen wurden. Aber wie ist es heute? Wie spiegelt sich Bäumen, stellten sich besonders erfolgreiche Projekte als die Lebenswirklichkeit von Roma in der Moderne wider: im »Inseln des Gelingens« kurz vor. europäischem Kunstbetrieb und in der Kunst von Sinti und Roma selbst? Die folgenden Steckbriefe bestehen aus diesen Selbstdar- stellungen und Mitschriften aus den Diskussionsrunden.

Muzeum Romské Kultury

Museum der Roma-Kultur Brno, Tschechische Republik

Das Muzeum Romské Kultury wurde 1991 Unser Projekt in 50 Worten: Die ständige Aus- Wenn unsere Einrichtung nicht wäre, gäbe es von Roma gegründet. Es zeichnet die Roma- stellung des Museums »The Story of the Roma« ein Beweisstück weniger dafür, dass Roma ihre Kultur und -Geschichte nach, führt Feldfor- (Die Geschichte der Roma) zeigt die Geschichte ureigene Kultur haben, und es fehlte eine großar- schungen unter Roma durch, trägt alle Arten der Roma von ihrer Herkunft in Indien und der tige Gelegenheit, diese Kultur in breitem Umfang traditioneller Kulturgegenstände für eine Ansiedlung in Europa bis hin zum Holocaust und und mit allen Sinnen kennenlernen zu können. große, einzigartige Sammlung von Roma- der Nachkriegsgeschichte bis heute. In Vorbe- Kultur zusammen und präsentiert diese der reitung dieser ständigen Ausstellung führten wir Muzeum Romské Kultury, Brno Öffentlichkeit in einer Vielzahl von Veran- ausgedehnte Feldforschungen durch. Zusätzlich Jana Habrovcová, stellvertretende Direktorin staltungen wie Ausstellungen, Vorträgen, präsentieren wir zahlreiche wechselnde Ausstel- www.rommuz.cz Filmvorführungen und anderen. Das Muse- lungen mit Begleitprogrammen sowie Konzer- um befindet sich in einem Roma-Viertel und te, Lesungen, Filmvorführungen, Programme bezieht Roma direkt in seine Arbeit ein. für Kinder, Sprachkurse in Řomanes etc. Das Museum veröffentlichte ein Buch und eine DVD Unser Publikum besteht vor allem aus mit Interviews mit Holocaust-Überlebenden Studenten, aber auch aus ausländischen sowie eine Anthologie mit Texten von Roma- Besuchern und vielen aufgeschlossenen Schriftstellern aus ganz Tschechien, die wir dafür Menschen, die sich allgemein für die Roma- persönlich besuchten. Kultur interessieren und davon überzeugt sind, dass »anders« nicht »fremd« bedeutet, Für diese Schwierigkeiten haben wir keine sondern interessant und anregend sein kann. Lösung: Wir finden Lösungen und Wege, um Wir sind eine einzigartige Einrichtung, die die tief verwurzelten Vorurteile innerhalb der sich der Dokumentation, Bewahrung und Mehrheitsbevölkerung aufzubrechen. Doch das Präsentation von Roma-Kultur widmet. Museumsgebäude befindet sich in einem sozial benachteiligten Viertel; daher empfinden es viele Menschen als problematisch, für einen Muse- umsbesuch dorthin zu fahren. A central focus of the »Academy under Trees« was the role of To discuss these questions, the Hildegard Lagrenne Founda- art and culture in the inclusion or discrimination of the Roma tion and the Genshagen Foundation invited representatives in Europe. of artistic-cultural projects from various European cities to meet in the palace grounds of the Genshagen Foundation. For centuries, the Roma were subjects in the art of non-Roma On the agenda was an exchange about the different ap- – mostly in stereotypical depictions, which were transmitted proaches toward achieving social recognition for the Roma. 57 on through time as unchallenged associations. But how is it In two so-called »Arbres à palabres,« the discussion rounds now? How is the reality of life as a Roma mirrored in modern held under trees, particularly successful projects presented times: in the European art scene and in the art of the Sinti and summaries of their work as »Islands of Success.« Roma themselves? The following profiles consist of those presentations and notes from the discussions.

Muzeum Romské Kultury

Museum of Romani Culture Brno, Czech Republic

The Muzeum Romské Kultury was founded this permanent exhibition we conducted an ex- by Roma in 1991. It maps Romani culture and tensive field research. In addition to that, we offer history, conducts field research among the numerous temporary exhibitions and supporting Roma, builds up a large unique collection programmes as well as concerts, public readings, of Romani culture by collecting all sorts of film screenings, children’s programmes, Romani articles of traditional culture, and presents language classes etc. We published a book and these collections to the public through plen- DVD with interviews with holocaust survivors ty of events such as exhibitions, lectures, as well as an anthology of texts by Roma writers projections, and others. The museum is lo- whom we visited personally all over the Czech cated in a Roma district and involves Roma Republic. directly in its work. Difficulties we have no solution for: We find Our audience consists especially of stu- solutions for breaking deep prejudices among dents, but also foreign visitors and many the majority. But the building of the Museum is open-minded people who are interested in located in a socially segregated district. So, for Romani culture or in culture in general and many people there is a problem to get there in who believe that »different« doesn’t mean order to visit the museum. »strange«, but can be interesting and nice. We are a unique institution that focuses on If our institution did not exist, a piece of documentation, preservation, and presenta- evidence that Roma have their specific culture tion of Romani culture. would be missing, and a great opportunity to taste this amazing culture to such a great extent. Our project in 50 words: The museum’s perma- nent exhibition »The Story of the Roma« presents Muzeum Romské Kultury, Brno Romani history from its Indian heritage and the Jana Habrovcová, deputy manager settlement in Europe to the holocaust and the www.rommuz.cz post-war history until today. In preparation of Inseln des Gelingens / Islands of Success

Roma und Sinti Philharmoniker

Philharmonischer Verein der Sinti und Roma, Frankfurt am Main, Deutschland 58

Die Roma und Sinti Philharmoniker sind Unser Projekt in 50 Worten: Als professionelles Für welche Schwierigkeiten haben wir keine Orchestermusiker, die unter dem Dach des sinfonisch besetztes Orchester verstehen sich die Lösung? In über zehn Jahren unserer Existenz oben genannten Vereins weltweit musizie- Roma und Sinti Philharmoniker als Botschafter und regen Konzerttätigkeit ist es uns nicht gelun- ren und sich dem musikalischen Erbe der sowohl in musikalischer als auch völkerverstän- gen, die öffentliche Hand von der Notwendigkeit Roma und Sinti verschrieben haben. Das digender Hinsicht: Wir wollen das musikalische einer institutionellen Förderung des Orchesters Orchester besteht aus professionellen Mu- Erbe unserer Kultur, das sich in zahlreichen zu überzeugen. Insofern fangen wir mit jedem sikern aus Berufsorchestern aus verschie- Werken der Klassik niederschlägt, pflegen und neuen Konzertprojekt finanziell bei null an und denen Ländern Europas und widmet sich vor fördern, und zwar im Bewusstsein dessen, was sind auf Sponsoren angewiesen. Darüber hinaus allem der Musik, die von Roma und Sinti in- die Roma- und Sinti-Kultur über Generationen bemühen wir uns um eine Projektstelle (Büro- spiriert ist. Dazu gehören zum Beispiel Kom- hinweg an wertvollen Früchten für die gesam- assistenz bzw. Management), die den künstleri- positionen von Béla Bartók (Rumänische te Zivilisation hervorgebracht hat. Wir wollen schen Leiter bei der umfangreichen logistischen Volkstänze), Franz Liszt (Ungarische Rhap- Diskriminierungstendenzen ein positives Signal Organisation von Projekten entlastet; denn man sodien), Zoltán Kodály (Tänze aus Galantha), entgegensetzen und vorleben, dass Kultur über muss die Musiker, die ja aus verschiedenen Städ- Johannes Brahms (Ungarische Tänze) etc. Völkergrenzen hinweg verbinden kann. Unser ten und Orchestern kommen, für jedes Konzert Ebenso bringen sie Neukompositionen, die langfristiges Ziel ist die Etablierung eines dauer- immer wieder neu zusammenzubringen. dem Orchester gewidmet sind bzw. Anklän- haften Berufsorchesters unter der Bezeichnung ge an die Roma- und Sinti-Musik aufweisen, Roma und Sinti Philharmoniker. Wenn es unser Projekt nicht gäbe, dann fehlte zur Aufführung. Zu diesen neueren Kompo- ein musikalischer Botschafter des wertvollen sitionen zählt das »Requiem für Auschwitz« Unser größter Erfolg war zunächst die Grün- kulturellen Erbes der Roma und Sinti. Es würde von Roger Moreno Rathgeb, selbst ein Rom, dung des Orchesters im Jahr 2002 und damit eine Möglichkeit fehlen, ein positives Bild über die das den Opfern des Holocaust gewidmet ist. verbunden die Rekrutierung von Musikern aus Roma und Sinti in der heutigen Gesellschaft den Die Sinti und Roma Philharmoniker führten vielen Ländern Europas. Die größten Konzerter- typischen negativen Klischees entgegenzusetzen. das Werk 2012/2013 mehrfach unter großer folge waren: Einige Kompositionen wären nicht entstanden. Beachtung auf. • Franz-Liszt-Nacht im Rahmen des Beethoven- Festes Bonn 2011 Philharmonischer Verein der Sinti und Roma Das Orchester spielt oft zu bestimmten • Konzert beim Menuhin-Festival Gstaad 2012 Frankfurt am Main e.V. Anlässen wie 2007 beim Sinti- und Roma- • Weltpremiere des »Requiem für Auschwitz« Riccardo M. Sahiti, Vorsitzender und Dirigent Kulturtag in Frankfurt a.M. oder 2011 zum mit Fernsehaufzeichnung in der Nieuwe Kerk www.foerdervereinroma.de/philharm/faltblat.htm 200. Geburtstag von Franz Liszt. Die Musiker Amsterdam (3. Mai 2012) und nachfolgende spielen in diesem Orchester ohne Gage. Aufführungen in Budapest, Prag, Kraków, Der künstlerische Leiter des Orchesters ist Frankfurt und der Berliner Philharmonie zugleich Vorsitzender des 2001 gegründeten • die 52-minütige Dokumentation »Musik ist un- Trägervereins. sere Heimat«, die im Januar 2015 in drei Ländern ausgestrahlt wird (25. Januar 2015 auf ARTE) Roma and Sinti Philharmonic

Philharmonic Association of Sinti and Roma, Frankfurt am Main, Germany 59

The Roma and Sinti Philharmonic is a group Our project in 50 words: As an orchestra For which difficulties do we have no solution? of orchestra musicians who under the aus- comprised of professional symphonic musicians, In the over ten years of our existence and active pices of the Philharmonic Association tour the Roma and Sinti Philharmonic views itself as concertizing, we were never able to convince the the world and are committed to presenting an ambassador of music and of understanding public authorities of the necessity for institutional the musical heritage of the Sinti and Roma. between peoples. We wish to cultivate and pro- support for the orchestra. As a result, we start The orchestra consists of professional mote our culture’s musical heritage, which has every single concert project from the ground up musicians from various European countries influenced numerous works of classical music, financially and are dependent on sponsors. Aside and is dedicated above all to music inspired and do so in realization of the valuable fruits that from this, we are working on financing a project by the Sinti and Roma. The repertoire in- the Roma and Sinti culture have born for all of position (office assistant, or manager), which cludes works by Béla Bartók (Romanian Folk civilization. We wish to put out a positive signal would take the burden of the extensive logistical Dances), Franz Liszt (Hungarian Rhapsody), to counter the discriminatory tendencies and be organization off of the artistic director’s shoul- Zoltán Kodály (Dances of Galantha), a role model that shows that culture can create ders; as for each concert one needs to reassem- Johannes Brahms (Hungarian Dances), and bonds that reach across the boundaries between ble all of the musicians, who come from different so forth. They also premiere new composi- peoples. Our long term goal is the establishment cities and orchestras. tions that have been commissioned for the of a permanent professional orchestra under the orchestra or that are stylistically linked to name Roma and Sinti Philharmonic Orchestra. If our project did not exist, then a musical am- Roma and Sinti music. One of these composi- bassador for the valuable cultural heritage of the tions is the Requiem for Auschwitz by Roger Our biggest success was initially the founding Roma and Sinti would be lacking. There would be Moreno Rathgeb, himself a Rom, dedicated of the orchestra in 2002 and the recruitment of no possibility to counter the typical clichés with to the victims of the Holocaust. The Sinti and musicians from many European countries. The positive pictures of the Roma and Sinti in today’s Roma Philharmonic gave frequent perfor- biggest concert successes were: society. mances of the work in the 2012/2013 season • the Franz Liszt Night within the framework of to much acclaim. the Beethoven Festival in Bonn 2011 Philharmonic Association of the • the Concert at the Menuhin Festival in Gstaad Sinti and Roma Frankfurt am Main e. V. The Orchestra plays for particular occa- 2012 Riccardo M. Sahiti, chairman and conductor sions, such as in 2007 for the Sinti and Roma • the World premiere of the Requiem for Auschwitz www.foerdervereinroma.de/philharm/faltblat.htm Cultural Day in Frankfurt am Main, or in 2011 recorded for television in the Nieuwe Kerk for the 200th birthday of Franz Liszt. The Amsterdam (May 3, 2012) and further perfor- musicians accept no fees for playing in the mances in Budapest, Prague, Krakow, Frankfurt, orchestra. The artistic director is also the and at the Philharmonie in Berlin chairman of the association, founded in 2001. • the 52-minute documentation Music is our Homeland, that will be broadcasted in three countries (January 25, 2015 on ARTE) Inseln des Gelingens / Islands of Success

Festival »Rom 3000«

Ein Projekt der Bürgerinitiative »Solidarité Roms et Gens du Voyage« aus Lille-Métropole, Frankreich

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Die Bürgerinitiative »Solidarité Roms et Gens Es gab insgesamt ca. 600 Teilnehmer, darunter Wenn es unser Projekt nicht gäbe, würde der du Voyage«, gegründet 2007, setzt sich für 400 Roma und 200 Franzosen. Ausschlaggebend Region ein anregender Rahmen für die Organisa- die Rechte von Migranten aus der Roma- war nicht das Ergebnis der Projekte, sondern der tion von Treffen zwischen Roma und Nicht-Roma Kultur ein. Dabei handelt sich um ca. 2.000 Vorbereitungsprozess, der den verschiedenen am fehlen. Ein Raum, um sich auszudrücken, für bis 3.000 Personen, die in Lille und der Umge- Projekt beteiligten Personen ein Kennenlernen Roma, die es möchten. bung wohnen. Der Verein arbeitet vor allem ermöglicht hat. mit sogenannten »Migranten-Roma« und Aus diesem Frühlingsfestival ist das Festival Rom Collectif Solidarité Roms et Gens du voyage weniger mit »Gens du voyage«, den Roma, 3000 entstanden. Damit verbunden ist ein wei- Bertrand Verfaillie, Gründungsmitglied die seit dem Mittelalter in Frankreich leben. terer, über die Region hinaus wichtiger Erfolg: der www.collectifromslille.org Das Zielpublikum des Projektes sind jedoch Beginn der Ausstrahlung unseres Videomagazins www.parolederoms.fr sowohl Personen mit einem Roma-Hinter- »Parole de Roms« (»Roma-Worte«) im Internet. grund als auch die französische einheimische Bevölkerung. Das Projekt »Kulturfestival mit Für welche Schwierigkeiten haben wir keine Roma und Nicht-Roma« gibt es seit 2011. Lösung? Eine dauerhafte Finanzierung fehlt uns. Wir haben auch einige Schwierigkeiten, Roma Unser Projekt in 50 Worten: Wir möchten die zu finden, die Lust haben, sich längerfristig im Anzahl der Treffen und Begegnungen zwischen Rahmen unserer Projekte zu engagieren. den Roma und der französischen Bevölkerung Zudem macht der politische Hintergrund unsere anhand gemeinsam ausgearbeiteter Projekte im Arbeit schwer: In Frankreich werden Minderhei- Bereich Kultur, Freizeitbeschäftigung und Alltag ten nicht anerkannt5, für die »Gens du voyage« erhöhen. Wir organisieren diese Begegnungen wurde jedoch 1912 ein gesonderter Verwaltungs- oder geben ihnen mehr Gehör. Wir möchten die status kreiert, welchen man erbt und der mit Stimme der Roma in der Öffentlichkeit hörbar Diskriminierung verbunden ist. (So muss z.B. ein machen, z.B. anhand unserer Videomagazine Obdachloser, um wählen zu dürfen, einen Wohn- »Parole de Roms« (»Roma-Worte«). ort über sechs Monate vorweisen, eine Person der »gens du voyage« jedoch drei Jahre.) D.h. Unser größter Erfolg war der 26. Mai 2012, wir sprechen über Minderheitenrechte in einem ein festlicher Tag, an dem verschiedene Projekte, Land, in dem Minderheiten »nicht existieren« – die während der vorangegangenen Monate denn Frankreich hat auch die UNO-Erklärung zur ausgearbeitet wurden, der Öffentlichkeit vorge- Anerkennung der Minderheiten nicht unter- stellt wurden: gemeinsames Kochen und Essen, schrieben. Fußballspiele, Kinderprojekte, Fotoausstellungen.

5 Die französische Philosophie basiert auf zwei Grundbegriffen: dem »Menschen« (als Indi- viduum) und dem »Staat«. In Frankreich gibt es nur ein Volk, das unteilbar ist und aus allen französischen Bürgern besteht ohne Unter- scheidung ihrer Herkunft, Ethnie oder Religion. Die Republik sichert die Gleichheit aller vor dem Gesetz ohne jegliche Unterscheidung. Eine Erfassung der Bevölkerung nach ethnischen, religiösen o. ä. Kriterien ist per Gesetz verboten. Diese eigentlich positive Idee, die alle Menschen individuell gleichstellt, hat eine Kehrseite: Minderheiten werden in Frankreich nicht per Gesetz geschützt, da die Berücksichtigung von Gruppeninteressen gegen die Grundidee der Republik verstieße. Der Begriff »Minderheit« wird in der Integrationspolitik folglich nicht verwendet. (Anm. d. Red.) Festival »Rom 3000«

A project of the citizens’ initiative »Solidarité Roms et Gens du Voyage« of Lille-Métropole, France

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The citizens’ initiative »Solidarité Roms et We organize these projects or help publicize For which difficulties do we have no solution? Gens du Voyage«, founded in 2007, advo- them. We want to make the voice of the Roma We have no permanent funding. We also have cates for the rights of Roma immigrants. audible in the public sphere, for example through some problem finding Roma who want to com- Affected are about 2,000 to 3,000 persons, our video-magazine »Parole de Roms« (Roma mit themselves to the project for the long term. who live in and around Lille. The association Words). Furthermore, the political context makes our works above all with the so-called »migrant work difficult: in France, minorities are not Roma« and less with the »gens du voyage,« Our biggest success was on May 26, 2012, a day recognized,5 but in 1912, the »gens du voyage« the Roma who have lived in France since the of celebration on which the different projects were given a special hereditary administrative Middle Ages. The people the project aims that had been developed in the previous months status which involves certain forms of discrimi- at helping are however not only those with were presented to the public: shared cooking nation. (Thus, for example, a homeless person Roma background but also the native French and meals, football games, children’s projects, who wishes to vote must be able to give evidence inhabitants. The project »Cultural Festival photography exhibits. There were about 600 of a six-month residency, whereas for a member with Roma and Non-Roma« has existed since participants, including 400 Roma and 200 of the »gens du voyage« three years are required.) 2011. French. Crucial was not so much the results of In other words, we are talking about minority the projects, but the preparation process, in the rights in a country in which minorities »do not Our project in 50 words: We want to increase course of which the various participants had the exist« – France also did not sign the UN Declara- the number of encounters and gatherings that opportunity to become acquainted. tion of the Rights of Minorities. include both the Roma and the French public Out of this springtime festival, the Festival through collaboration on projects that are cultur- Rom 3000 came into being. Linked to this is a If our project did not exist, there would be no al, recreational, or of an everyday nature. further, transregional, success; the broadcasting framework for organizing encounters between of our video-magazine »Parole de Roms« on the Roma and non-Roma in our region, no space for Internet. self-expression for Roma if they so wish.

Collectif Solidarité Roms et Gens du voyage Bertrand Verfaillie, founding member www.collectifromslille.org www.parolederoms.fr

5 The French philosophy is based on two basic principles: the »human being« (as an individu- al) and the »state.« In France there is only one people, which is indivisible and comprises all French citizens regardless of origin, ethnicity, or religion. The Republic ensures the equality of all under the law without any differen- tiation. The registration of the population according to ethnic, religious, or other similar criteria is forbidden by law. This basically pos- itive idea, which puts all persons on an equal footing, has another side to it: minorities are not protected by law in France, since the consideration of the interests of particular groups is contrary to the founding ideas of the Republic. The term »minority« is consequently not used in integration politics. (remarks of the editor) Inseln des Gelingens / Islands of Success

Lehrmaterialien für die pädagogische Ausbildung

Ein Projekt der Universität Södertörn in Stockholm, Schweden 62

In Schweden leben ca. 50.000 Roma. Ob- den unserer Auswahl bilden daher die Reaktionen • Menyhért Lakatos. Füstös Kepek (Bitterer schon eine kleine, ist es die wohl vielfältigste von Roma auf die Modernisierung der europäi- Rauch). Roman, 1975 Roma-Gruppe in Europa. Roma-Mediatoren schen Gesellschaften des 20./21. Jahrhunderts: die • Matéo Maximoff, Ce Monde qui n’est pas le unterstützen ihre Inklusion in der Schule, Schriften von Autoren wie Mateó Maximoff, Ilona mien (Diese Welt, die nicht die meine ist). Ro- im Gesundheitssystem und in den sozialen Lacková, Meinhard Lakatosz, Katarina Taikon, man. Concordia 1992 Diensten – ein vergleichsweise neuer Ansatz, Mariella Mehr und Ivan Rom-Lebedev, die in • Ivan Rom-Lebedev. Ot tsyganskovo xora do der in Schweden nur auf europäischen Druck Frankreich, Ungarn, Schweden, der Schweiz und teatra »Romen« (Vom Zigeunerchor zum hin implementiert wird. Die Ausbildung die- anderen europäischen Ländern wirkten. Roma-Theater). »Iskusstvo« Press, Moskau 1990 ser Mediatoren an der Universität Södertörn • Patrick Williams (Autor), Xavier Marchand ist verbunden mit einer seit 2013 angebote- Texte zu kreieren, die auf den Stimmen von Roma (Inszenierung). Mangimos – la demande en nen neuen Lehrerfortbildung in Řomanes. basieren, war dennoch eine schwierige Aufgabe. mariage. Theaterstück, 2014 Mit der Anzahl und Vielfalt der Studenten Ebenso schwierig war es, all die widersprüchli- wurden nun formalere Studienmaterialien, chen Aussagen über Roma zu durchforsten und Centre for Baltic and East European Studies, ein eigenes Lehrbuch erforderlich. Dies ist einen Weg zu finden, das Material richtig zu or- Södertörn University der Gegenstand unseres Projekts. ganisieren. Zudem erfahren wir durch Menschen- Prof. Dr. David Gaunt, Professor emeritus rechtsorganisationen vieles über Menschen- www.sh.se Mein Projekt in 50 Worten: Hauptbestandteil rechtsverletzungen gegenüber Roma, aber wenig des Materials ist ein Lehrbuch, das Themen wie über positive Entwicklungen. EU-Materialien Identitätsprobleme, Sprache, Literatur von Ro- wiederum zeichnen manchmal ein zu positives ma-Autoren, Geschichte, Genozid, sozioökono- Bild. Das Ziel war also, hier eine Ausgewogenheit mische Bedingungen, politische Bewegungen von herzustellen. Roma und Diskriminierung behandelt. Jedes The- ma erhält ein Kapitel. Priorität hat dabei mehr die Auch Debatten innerhalb von Roma-Gruppen Suche nach Stimmen von Roma als von Experten, offenbaren interne Feindlichkeiten gegen- die keine Roma sind. Die Texte werden dann von über anderen Gruppen. Die Einbeziehung von Studenten in den Roma-Mediatoren-Kursen Communities wie den Fahrenden, Ashkali und beurteilt und kommentiert. Danach werden sie »Ägyptern«, die wie Roma behandelt und diskri- mit Zielgruppen erprobt, die keine Roma sind und miniert werden, sich selbst jedoch nicht als solche in denen es ein wachsendes Interesse daran gibt, identifizieren, ist recht umstritten. Es gibt zudem mehr über das Volk der Roma zu lernen. einen großen Gegensatz zwischen professionel- len Roma-Linguisten und den unausgebildeten Schwierigkeiten und Inseln des Erfolgs: Die Sprechern der verschiedenen Dialekte. Dadurch Aufgabe jeden Autors ist es, aus herumfliegen- werden einige der Texte kontrovers, eröffnen den Fragmenten und Bruchstücken ein Ganzes jedoch zugleich Gelegenheiten für fruchtbare zu formen. Fragmente und Bruchstücke – dies Diskussionen im Klassenverband. beschreibt exakt unsere Situation in Bezug auf Roma. Meine Aufgabe ist es also, daraus ein in Was würde fehlen, wenn es unser Projekt sich konsistentes Lehrbuch zu erstellen. Doch nicht gäbe? Dies ist das erste umfassende wie in jedem kreativen Prozess gilt es dabei Hochschul-Lehrbuch zum Thema in Skandina- Entscheidungen zu treffen und auszuwählen, was vien. Die Suche nach Stimmen von Roma führte aufgenommen werden soll. Die Frage der Her- zur Entdeckung vieler Bücher, Gedichte und kunft der Roma (von wo und wann) ist Gegen- Theaterstücke von Roma-Autoren, die ungelesen stand einer umfangreichen wissenschaftlichen oder sogar bei Roma selbst unbekannt sind. Diskussion, hat jedoch wenig mit den Proble- men eines Roma-Kinds in einem schwedischen Empfehlungen zum Weiterlesen: Klassenraum zu tun. Daher entschied ich mich, • Ian F. Hancock, Siobhan Dowd, Rajko Đjurić. Roma-Geschichte auf ein Kapitel zu beschränken The Roads of the Roma: A PEN Anthology und mich auf die Selbstzeugnisse von Roma zu of Gypsy Writers. University of Hertfordshire konzentrieren. Press, 1998 Die Wahrnehmung, dass Roma nicht viel schrei- • Ilona Lacková. A False Dawn: My Life as a Gypsy ben, ist nicht korrekt. Wir müssen die Inseln des Woman in Slovakia. Erfolgs und des Teilerfolges finden. Den roten Fa- University of Hertfordshire Press, 2000 Teaching Material for Pedagogical Training

A project of Södertörn University in Stockholm, Sweden 63

About 50,000 Roma live in Sweden. It is a Difficulties and islands of success: The task What would be missing without our project? small group, but arguably the most varied of any writer is to compose a synthesis of the This is the first comprehensive textbook for high- Roma group in Europe. Roma Mediators to bits and pieces floating around. Bits and pieces is er education in Scandinavia. The search for Roma support their inclusion in schools, in the exactly the situation we have with Roma. So, my voices has led to the recovery of many books, health care system, and in social services task is to create a consistent textbook out of this. poems and plays written by Roma authors which are a rather new project; its implementation But as in any creative process, you have to make are unread or even unknown among the Roma in Sweden follows European pushing. The choices and select what to include. The question themselves. training of these mediators at Södertörn of the Roma heritage (from where and when) is a University is coupled with a new romani ćhib big scholarly debate but has little to do with the Recommendations for further reading: teacher training, starting from 2013. The problems of a Roma child in a Swedish classroom. • Ian F. Hancock, Siobhan Dowd, Rajko Đjurić. diversity and number of students afforded a So I decided to reduce Roma history to one chap- The Roads of the Roma: A PEN Anthology of Gypsy more formal teaching material, a textbook – ter and to concentrate on Roma voices. Writers. University of Hertfordshire Press, 1998. which is the focus of our project. The perception that Roma don’t write much is • Ilona Lacková. A False Dawn: My Life as a Gypsy not true. We need to find the islands of success Woman in Slovakia. My project in 50 words: The main text is a or semi-success. The red thread of our selection University of Hertfordshire Press, 2000. textbook covering topics as identity problems, is therefore Roma responses to modernization in • Menyhért Lakatos. Füstös Kepek (Bitter Smoke). language, literature written by Roma authors, the European societies of the 20th/21st century: Novel, 1975. history, genocide, socio-economic conditions, the writings of authors like Mateó Maximoff, • Matéo Maximoff. Ce Monde qui n’est pas le mien Roma political movements, and discrimina- Ilona Lacková, Meinhard Lakatosz, Katarina (That World which is Not Mine). Concordia, tion. Each issue gets a chapter. Priority is given Taikon, Mariella Mehr, and Ivan Rom-Lebedev 1992. to finding Roma voices rather than non-Roma who wrote in France, Hungary, Sweden, Switzer- • Ivan Rom-Lebedev. Ot tsyganskovo xora do teatra experts. The texts are then commented and criti- land, and other European countries. »Romen« (From the Gypsy choir to the Romani cized by students in the Roma mediator courses. Actually making texts based on Roma voices, theater). Moscow: »Iskusstvo« Press, 1990. After that, the texts are tested on non-Roma however, was a difficult task. Also sorting • Patrick Williams (author), Xavier Marchand audiences in which there is a growing interest in through all sorts of contradictory statements (mise-en-scène). Mangimos – la demande en ma- knowing more about the Roma people. about the Roma and finding a way to organize riage. Theatre play, 2014. materials was difficult. In addition, Human rights organizations give us much information about Centre for Baltic and East European Studies, abuses of Roma human rights, but little about Södertörn University positive developments. And EU materials give David Gaunt, Professor emeritus sometimes a too positive picture. The aim was to www.sh.se find a balance.

Discussions within Roma groups also reveal in- ternal hostility about other groups. The inclusion of groups like Travellers, Ashkali and Egyptians who are treated and discriminated against as if they were Roma but who do not identify them- selves as such is quite controversial. Also there is much opposition between Roma profession- al linguists and the untrained speakers of the various dialects. This makes some of the texts controversial, but at the same time open for good debates in a class-room situation. Inseln des Gelingens / Islands of Success

Divadlo Romathan

Das Roma-Theater inKošice , Slowakische Republik

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Divadlo Romathan ist ein professionelles Unser Projekt in 50 Worten: Wir sind eine Schwierigkeiten und unser Umgang damit: Theater und besteht seit 1992. Es hat sein ei- einzigartige Kulturinstitution, die auf der Idee Unsere größte Herausforderung ist es, finanzi- genes Gebäude in Košice, wandert aber auch gründet, dass Kunst eine der effektivsten Arten elle Mittel zu finden, um unsere künstlerischen von Ort zu Ort. Alle Schauspieler, Musiker ist, Traditionen und Kultur zu bewahren, beson- Projekte zu entwickeln. und Mitarbeiter sind professionelle Ange- ders für Minderheiten, die nicht die politische und Wir sind wie eine Brücke zwischen den stellte. Die Stücke behandeln Themen, die ökonomische Macht haben, die öffentliche Sicht Gemeinschaften. Einmal spielten wir vor Roma betreffen: Die Roma in der Slowakei auf sie und ihre »Kulturschätze« zu beeinflussen. 700 Jugendlichen, hartgesottenen Kids, die zu haben eine Vielzahl von Problemen, äußere, Wir sind Vermittler zwischen unserem Volk der Beginn bedrohlich pfiffen und herumschrien. aber auch interne. Das Theater versucht die- Roma und der breiten Mehrheit der slowakischen Doch nach fünf Minuten des Stückes wurden sie se in seinen Stücken zu thematisieren, mit Bevölkerung. Wir repräsentieren Roma-Traditio- ruhig, und am Ende sagten sie: »Das sind keine Komödien oder indem es alte Geschichten nen, die andernfalls verlassen, vergessen oder Zigeuner, das sind Künstler.« Man sieht also, dass für aktuelle Situationen im 21. Jahrhundert verloren gehen würden. Wir bieten Arbeits- Kunst die Macht hat, Menschen auf gewisse adaptiert. möglichkeiten für talentierte junge Roma, die Weise zu verändern. die Oberschule abgeschlossen haben und sich Unser Publikum besteht hauptsächlich aus von ihren Altersgenossen durch ihre Fähigkeiten Wenn es unser Projekt nicht gäbe, würde die Roma-Kindern und -Jugendlichen, Roma, die abheben. Wir bewahren diese Jugendlichen vor Roma-Kultur nicht das Interesse eines breiten im Osten unseres Landes leben, und Roma- verwerflichen Aktivitäten und versuchen, eine Publikums finden, würden Roma-Traditionen Intellektuellen, die unsere Vorstellungen Roma-Identität in ihnen zu entwickeln – eine verschwinden und vergessen werden, würden für Gedenkfeiern buchen; doch wir spielen Identität, die gestärkt werden muss, damit die Roma-Jugendliche ihre Wurzeln nicht kennen auch vor anderen Zuschauern wie dem brei- jungen Leute wachsen und stolz auf ihre eigenen und ihre Identität verfehlen. Wir bieten auch ten Publikum, Bildungseinrichtungen aus Wurzeln sein können; denn wenn sie nicht Bildungsaktivitäten für Schulkinder an, um sie zu verschiedenen Teilen unseres Landes, auf in- wissen, wer sie sind und woher sie kommen, lehren, wie man Verschiedenheit positiv anneh- ternationalen Kunstfestivals etc. Die Kinder werden sie zeit ihres Lebens nur kämpfen und men kann; und wir vermitteln die Roma-Sprache sind unser Barometer, unsere Sinne. Wenn Angriffsfläche für Manipulation und Spott wer- an diejenigen, die sie als Mittel nutzen wollen, um sie unsere Vorstellung am Ende akzeptieren, den. Wir lieben Roma-Musik, Roma-Tanz und die mit Menschen zu kommunizieren, die anders und ist sie ein Erfolg. Wenn nicht, haben wir nicht Roma-Küche; wir lieben unsere Gemeinschaft doch sehr ähnlich sind. Was kaum jemand weiß, hart genug gearbeitet. und versuchen, unser Bestes zu tun, um das, ist, dass es viele Intellektuelle in der Wissen- Wir sind Theater- und Musikbegeisterte was positiv und einzigartig in unserer Kultur ist, schaft, der Kunst und der Politik gibt, die sich verschiedener Altersgruppen, die sich ent- voranzubringen. nicht als Roma identifizieren wollen. Wir wollen schlossen haben, die Roma-Kultur und sie ermutigen, wieder stolz auf ihre Herkunft zu -Traditionen zu bewahren, trotz aller Unsere größten Erfolge auf einen Blick: sein. Schwierigkeiten, die wir in unserem tägli- • Goldmedaille beim Internationalen Roma- chen Überlebenskampf in einer Gesellschaft, Festival in Moskau 2002 Divadlo Romathan, Košice die noch immer von Toleranz weit entfernt • Verleihung der Gedenkmedaille durch den Karel Adam, künstlerischer Leiter ist, bewältigen müssen. Wir sind professio- Präsidenten der Slowakischen Republik und die www.romathan.sk nelle Künstler in vielen Bereichen rund um Solidaritätsstiftung anlässlich des Gedenktags Musik und Theater; doch vor allem sind wir für die Opfer des Holocaust und rassistischer Freunde und Kollegen, die sich füreinander Gewalt einsetzen und versuchen, eine positive • Chatam Sofer-Medaille für Aktivitäten im Na- Atmosphäre in unserer kleinen, aber warm- men der Menschlichkeit und des Zusammenle- herzigen Welt aufrechtzuerhalten. bens • Grand Prix beim Internationalen Fernseh- und Und wir sind ein Wandertheater: Man sagt, Filmfestival Kalo Čangalo 2010 das liege in unseren Genen; doch es ist Unserer Ansicht nach war auch einer der ent- eine sehr praktische Art, Roma-Kultur und scheidenden Faktoren für die Vergabe des Titels kulturelle Aufklärung zu verbreiten, auch der Europäischen Kulturstadt an Košice 2013 an Orten, wo die Menschen sie nicht anders unser Beitrag zur Kultur der Stadt. kennenlernen können. Wir versuchen, Thea- ter und Kultur zu Menschen und in Gemein- den zu bringen, die so arm und unentwickelt sind, dass sie es sich nicht leisten können, ins Theater zu gehen – also bringen wir das Theater zu ihnen. Divadlo Romathan

The Roma Theatre inKošice , The Slovak Republic

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Divadlo Romathan is a professional theatre And we are a nomadic theatre: It has been Our biggest successes at a glance: and has been in existence since 1992. It has said it was in our genes, but it is a very con- • Golden medal at the International Roma festi- its own establishment in Košice, but also venient way of spreading Roma culture and val in Moscow 2002 moves from place to place. The crew and cultural awareness also to places where peo- • Commemorative medal awarded by the Presi- staff are all professional employees. The ple cannot reach it. We try to bring theatre dent of the Slovak Republic and the Solidarity theatre’s subjects are Roma issues: Roma and culture to people and communities who Foundation on the occasion of the Memorial face a lot of problems in Slovakia, external, are so poor or undeveloped that they can’t Day to the Victims of the Holocaust and Racial but also internal ones. The theatre tries to afford going to the theatre – so we bring the Violence address those issues in its plays, in comedies theatre to them. • The Chatam Sofer Commemorative Medal for or by adapting old stories to current situa- activities in the name of humanity and coexis- tions of the 21st century. Our project in 50 words: We are a unique tence cultural body that is based on the idea that art • Grand Prix at the International Television and Our audience consists mainly of Roma youth is one of the most effective ways of preserving Film Festival Kalo Čangalo in 2010 and children, Roma living in the eastern part traditions and culture, especially when it comes We also believe that one of the decisive factors of our country, Roma intellectuals who tend to minorities who do not have the political and for giving the title of European Capital of Culture to book our performances when celebrating economic power to influence the public to Košice in 2013 was our contribution to the commemorative events, though we also perspective of them and their »treasures«. We are culture of the city. perform in front of other audiences such as intermediaries between our Roma people and general public, educative institutions from the wide majority living in Slovakia. We represent Difficulties and how we tackle them: The various parts of our country, at international Roma traditions that would otherwise be left, biggest challenge we face is finding financial art festivals etc. Children are barometers, forgotten or lost. We offer job possibilities to resources that would enable us to develop our they are our senses. If they put up with our talented Roma youth who have graduated from artistic projects. performance in the end, it is a success. If secondary schools and whose skills make them We are a bridge between the communities. they don’t, we haven’t worked hard enough. distinguishable amongst their peers. We prevent Once we played in front of 700 youth, tough kids, We are theatre and music enthusiasts of those young people from getting involved in un- scary, whistling and shouting at the beginning. various ages who have decided to preserve favourable deeds and try to build a Roma identity But after five minutes of our play they became Roma culture and traditions, despite all in them, an identity that needs to be strength- calm and in the end they said: »They are not difficulties we have to face in our everyday ened in order to help them grow and be proud of gypsies, they are artists.« So we see that art has struggle for survival in a society which is their own roots – as without knowing who they the power to transform people in a certain way. still quite far from being tolerant. We are are and where they come from they will only professionals in many fields of arts related to struggle during their lives and become targets If our project did not exist, Roma culture music and drama, but above all we are good for manipulation and fun. We love Roma music, would suffer from lack of interest of wide public, friends and colleagues who care about each Roma dance, and Roma cuisine; we love our Roma traditions would disappear, become for- other and try to maintain a positive vibe in community and try to do our best to promote gotten, Roma youth would not know their roots our small but cosy world. what is positive and unique in our culture. and miss their identity. We also provide educa- tional activities for school children, trying to teach them how to embrace diversity; and we promote Roma language to those who are willing to consider it as a tool of communication for people who are different but also quite the same. The secret is that there are many intellec- tuals working in science, art, and politics, but they don’t want to identify as Roma. We want to encourage them to be proud in their heritage again.

Divadlo Romathan, Košice Karel Adam, artistic director www.romathan.sk Inseln des Gelingens / Islands of Success

Muzeul Culturii Romilor

Das Roma-Kulturmuseum Bukarest, Rumänien

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In Rumänien leben ca. 600.000 Roma. Doch Unser Projekt in 50 Worten: Das Roma- Diese Schwierigkeiten sind zur Zeit unsere es gibt wenig Wissen und wenig Verbindung Museum ist eine tiefgehende Untersuchung die- größten Herausforderungen: das Heizungssys- zwischen ihnen und anderen Menschen in ser Roma-Identität. Das Projekt versucht nicht, tem und das Luftrecycling im Museumsgebäude; der Gesellschaft. Das Roma-Kulturmuseum Lösungen zu finden oder eine Standardkultur und Verbesserungen in der Innen- und Außengestal- wurde 2013 gegründet, um mit Fakten aus -Identität durchzusetzen, sondern ein Forum tung des Museums; die Gestaltung des Raums dem realen Leben diese Informationslücke für inter- wie intraethnische Kommunikation und außerhalb des Museums. Im Allgemeinen gelingt zwischen Roma und anderen ethnischen dadurch für ein besseres (Selbst-)Verständnis es uns, Lösungen für alle Schwierigkeiten zu fin- Gruppen in Europa zu verringern. zu bieten. Jenseits politisch korrekter Debatten den, denen wir begegnen, aber manche Lösungen und rassistischer Stereotypen ist es das Ziel des sind einfacher zu finden, während andere mehr Das Museum als lebendiger, interkultureller Museums, ohne Viktimisierung oder Exzeptiona- Aufmerksamkeit und Einsatz erfordern. und multidisziplinärer Raum ist allen Arten lismus die unsichtbare Wand vor den Roma von von Menschen gewidmet, vom allgemeinen nebenan und ihrer Kultur zu überschreiten. Wenn es unsere Einrichtung nicht gäbe, Publikum bis zu zivilgesellschaftlichen Ak- würde das erste rumänische Roma-Museum für teuren, Lehrern, Regierungsvertretern und Wir haben einen Beirat von 30 Wissenschaftlern, Rumänien und Südosteuropa fehlen, ein inter- diplomatischen Vertretern, Kunsthandwer- Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen wie und intraethnische Kommunikationsort, um kern, Fachexperten und Akademikern. Und Gender Studies, Geistes- und Sozialwissenschaf- Wissen über Roma-Geschichte und kulturelle natürlich den Kindern, die unsere Veranstal- ten, die uns dabei unterstützen, gemeinsame Hintergründe auszutauschen. tungen über Roma-Geschichte und andere Konzepte für die Ausstellungen und Aktivitäten Themen regelmäßig besuchen. Wir sind ein des Museums zu entwerfen. Muzeul Culturii Romilor Bukarest begeistertes Team junger Leute mit breiter Dr. Ciprian Necula, Präsident von Romano ButiQ Expertise in Roma-Fragen, Antidiskriminie- Unser größter Erfolg ist die Entwicklung des www.romanobutiq.ro/muzeul-culturii-romilor rung, Community Development, sozialer In- Museumskonzepts selbst und der Aufbau des novation und Unternehmertum, die an eine Museums als einzigartige Initiative, die Roma- Zukunft der sozialen und geographischen Kultur und -Tradition in breitem Rahmen bekannt Landschaft Rumäniens als multikulturelle zu machen und Diskriminierung in Rumänien zu Landschaft glauben. bekämpfen. Muzeul Culturii Romilor

The Roma Culture Museum Bucharest, Romania

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About 600,000 Roma live in Romania. But Our project in 50 words: The Roma Museum is ties we met, but some solutions are easier to there is little knowledge and connection be- a questioning beyond the »surface« of this very find while others require more attention and tween them and other people in the society. Roma identity. The project does not aim at find- resources. The Roma Culture Museum was founded in ing solutions or at claiming a normative culture 2013 in order to reduce this information gap and identity, but at hosting a forum of inter- as If our institution did not exist, Romania between Roma and other European ethnic well as intra-ethnic communication and, through would miss its first Roma Museum for Romania groups, using facts and real life as relays. this, a better (self)understanding. Beyond polit- and South East Europe, an inter- and intra-ethnic ically correct discourse and racist stereotypes, communication space to share knowledge on The museum as an active, intercultural, and while also being cautious about both victimiza- Roma history and cultural background. multidisciplinary space is dedicated to all the tion and exceptionalism, the museum intends to categories of people, from the general public step beyond the invisible wall of the next-door- Muzeul Culturii Romilor Bucharest to civil society workers, teachers, public Roma people and culture. Ciprian Necula, president of Romano ButiQ authorities and diplomacy representatives, www.romanobutiq.ro/muzeul-culturii-romilor craftsmen, professionals, and academics. We have a committee of thirty scientists, ex- And of course to the kids who attend ses- perts in different fields such as gender studies, sions on Roma history and other subjects on humanities and social sciences, who support us a regular basis. We are an enthusiastic team in creating common concepts for the exhibitions of young people with extensive expertise on and activities of the museum. Roma issues, antidiscrimination, commu- nity development, social innovation, and Our biggest success is the very creation of the entrepreneur-ship, who believe in the future museum concept and the establishment of the of the Romanian social and geographic space museum as a unique initiative for the popular- as a multicultural space. ization of Roma culture and tradition and for fighting discrimination in Romania.

These difficulties are the most challenging problems we are trying to solve currently: the heating system and air recycling inside the muse- um building; improvements in the interior and exterior of the Museum building; arrangement of the spaces outside the Museum. Generally, we managed to find solutions for all the difficul- Inseln des Gelingens / Islands of Success

»Domy srebrne jak namioty«

Häuser silbern wie Zelte Eine Ausstellung in der Warschauer Nationalen Kunstgalerie Zachęta und im Zeitgenössischen Museum Wrocław, Polen 68

Innerhalb von zwei Monaten besuchten auch solche, die ein Gegenbild entwerfen, Ein aktuelles Problem für uns ist der Umstand, mehr als 17.000 Menschen die Ausstellung um zu einer neuen Darstellung, einer neuen dass viele bedeutende professionelle Roma- »Häuser silbern wie Zelte« in der Warschau- Roma-Ästhetik beizutragen. Nachdem wir Künstler noch immer nicht von Galerien und er Nationalen Kunstgalerie Zachęta 2013. also gezeigt hatten, wie Roma in der Mehr- Kunstmuseen eingeladen werden; statt dessen Ähnlich hoch war die Besucherzahl der Aus- heitskultur dargestellt wurden, konzen- werden ihre Werke als ethnographische Objekte stellung, die 2014 drei Monate im Zeitgenös- trierten wir uns darauf, sichtbar zu machen, in Völkerkundemuseen und -institutionen sischen Museum Wrocław unter dem Titel wie sich Roma selbst als Kulturschaffende gezeigt. Zudem wird Roma-Kunst oft nur gezeigt wurde: »Häuser silbern wie Zelte / durchzusetzen beginnen. innerhalb der Community ausgestellt und nur Damit du jeden aufnehmen wirst / Damit du von Roma-Kuratorien bewertet. Wie kann unter keine dunkle Nacht / Aus einem sonnigen Tag Unser größter Erfolg war die Zahl der Presse- solchen Bedingungen Roma-Kunst innerhalb machst« (nach einem von Papuszas Gedich- berichte, die nach vielen künstlerischen Events der Mehrheitsgesellschaft sichtbarer gemacht ten). Das Projekt war nicht an ein exklusives 2013 ein positives Bild der Roma-Community und anerkannt werden? Wie sieht die Zukunft Publikum gerichtet – es sollte so viele Men- herstellten. Der polnische Kontext ist besonders von Roma-Kunst in Europa aus? schen wie möglich erreichen. interessant wegen eines künstlerischen Umfelds, das – obwohl sonst sehr sensibel in sozialen Zu- Was würde fehlen, wenn es unser Projekt Die Ausstellungen boten eine Analyse der sammenhängen – noch nicht auf den Rassismus nicht gäbe? Zweifellos ist jedes Projekt – nicht polnischen Gesellschaft und ihrer Einstellung direkt neben uns reagiert hat. Diese noch nicht nur meines – wichtig, um ein solches Bewusst- gegenüber Roma. Das lange Fehlen einer erzählten Geschichten haben ein viel größeres sein zu erzeugen. Dies waren die ersten derart sozialen, politischen, selbst einer geschicht- Potential und größere Kraft als diejenigen, die umfassenden Ausstellungen in Polen, und wären lichen Reflektion der Beziehungen zwischen kontinuierlich wiederholt und neu interpretiert sie nicht organisiert worden, wäre die Kluft in- Polen und Roma ist auffallend, besonders da werden. Daher hatte die Ausstellung in der Na- nerhalb unserer Kultur – die das Roma-Element diese Beziehungen mit Missverständnissen, tionalen Kunstgalerie Zachęta die Funktion, das in ihr auslässt – noch immer vorhanden. Intoleranz und willkürlichen Gewalttaten marginalisierte Thema Roma zu einem Teil des belastet sind. allgemeinen sozialen, politischen, ökonomischen »Domy srebrne jak namioty« und ästhetischen Diskurses und so Roma in der Monika Weychert-Waluszko, Kuratorin Die Geschichte der Schaffung von Roma-Dar- polnischen Gesellschaft präsent zu machen – ihre www.zacheta.art.pl/en/article/view/1618/ stellungen spiegelte sich in der Struktur der Unsichtbarkeit zu bekämpfen. houses-as-silver-as-tents Zachęta-Ausstellung wie ein Palimpsest (ein www.muzeumwspolczesne.pl Text, der auf einen anderen Text geschrieben Für diese Schwierigkeiten haben wir keine wird, der auf wieder einem anderen Text Lösung: Negative Erscheinungen im Zusam- geschrieben ist). Dieser Palimpsest wurde menleben von polnischen Roma, eingewan- als Sammlung verschiedener Erzählungen derten Roma und Polen zu bekämpfen ist eine geschaffen, um zu zeigen, wie manche Angelegenheit der Sozialpolitik und Gegenstand Stereotypen sich seit dem Mittelalter durch von Verhandlungen wie auch einer entsprechen- die Jahrhunderte fortsetzen und wiederholt den Erziehung und rechtlicher Regelungen. Kunst werden. Eingeladen waren viele europäische, kann sie nur sichtbar machen und Impulse für polnische und Roma-Künstler, nicht nur ihre Reflektion liefern. solche, die die Stereotypen zeigen, sondern »Domy srebrne jak namioty«

Houses as Silver as Tents An exhibition in the Zachęta National Gallery of Art in Warsaw and in the Wrocław Contemporary Museum, 69

More than 17,000 people visited the exhi- The history of Roma exhibition-making was mechanisms. Art can only make them visible and bition »Houses as Silver as Tents« 2013 at inscribed in the structure of the Zachęta provide an impulse to reflect on them. Zachęta – National Gallery of Art in Warsaw, show like a palimpsest (a text written on within two months. The number was similar another text that is again written on an- A current problem we still face is the fact that for the show in the Wrocław Contemporary other text). This palimpsest was created as many great professional Roma artists are still not Museum, which lasted for three months a compilation of various narratives, in order invited by galleries and art museums; instead, in 2014 under the title »Houses as Silver as to show how some stereotypes have been their works are shown as ethnographic objects Tents / So That You Shall Receive Everybody reiterated since the medieval age through- in ethnographic museums and institutions. / So That You Shall Not Make a Dark Night / out the centuries. I invited many European, Moreover, Roma art is often shown only within Out of a Sunny Day« (after one of Papusza’s Polish, and Roma artists, not only those who the community and valued only by Roma juries or poems). The project was not directed at a show the stereotypes but also those who boards. Under these conditions, how can Roma small audience – it was meant to reach as create a counter-image to contribute to a art be made more visible and acknowledged many people as possible. new representation, a new Roma esthetics. within the majority society? What is the future of So, after having shown how Roma were Roma art in Europe? The exhibitions provided an analysis of Pol- represented in the majority culture, we fo- ish society and its attitude towards Roma. cused on making visible how Roma work and What would be missing without my project? The long absence of social, political, or even start being recognized as artists themselves. Undoubtedly, every project – not only mine – is historical comment on the Polish-Roma rela- vital in the process of creating such conscious- tions is striking, especially since the said re- Our biggest success was the number of press ness. These were the first such comprehensive lations are fraught with misunderstandings, articles which produced a positive image of the exhibitions in Poland and had they not been intolerance, and random acts of violence. Roma community after many artistic events in organized, the gap in our culture – omitting the 2013. The Polish context is particularly interesting Roma element in it – would still exist. because of the artistic milieu, which – although usually socially sensitive – has not yet referred to »Domy srebrne jak namioty« the racism present right next to us. These untold Monika Weychert-Waluszko, curator stories have much bigger potential and force www.zacheta.art.pl/en/article/view/1618/hou- than those constantly repeated and reinterpret- ses-as-silver-as-tents ed. So the role of the exhibition held at Zachęta www.muzeumwspolczesne.pl National Gallery of Art was to turn the margin- alized Roma problem into a part of the main social, political, economic, or aesthetic discourse, and thus to make Roma people present in Polish society – to fight their invisibility.

We have no solution for this difficulty: Fight- ing negative phenomena in the cohabitation of Polish Roma, Roma immigrants, and Poles is a matter of social politics and many nego- tiations, as well as proper education and legal 70

Daniel Strauß

Typisch »Zigeuner«? Mythos und Wirklichkeiten

Typically »Gypsy«? Myth and Reality

Daniel Strauß, RomnoKher 71 D

Beginnen wir mit einem Viele der negativen aktuellen Mythos, dem Roma-Bilder sind der massenhaften Immi- nach jahrelanger gration von Roma nach Arbeit mittlerweile der letzten EU-Erweite- aus den Schul- rung. Fakt ist: Der Anteil büchern ver- der Roma an den Zuwan- schwunden. Aber derern aus Rumänien statt dessen ist und Bulgarien beträgt dort nun – nichts, etwa 7 bis 9 Prozent. Das Leere. Wo sind die entspricht genau dem neuen, positiven Anteil der Roma an der Roma-Bilder? Wir Gesamtbevölkerung. Dies arbeiten daran, haben wir in Mannheim dass das Werk von lokal überprüft, in Stadt- Sinti- und Roma- teilen, in denen angeb- Künstlern bekann- lich 80 Prozent Roma ter wird, auch leben sollten. Wir sind dorthin gegangen das »anonym« in der Mehrheitsgesellschaft und haben die Familien besucht. Da hat sich aufgegangene Werk wie z.B. in der Musik. die Zahl sehr schnell von 80 auf ca. 7 Prozent Wenige wissen etwa, dass der Jazz sich we- reduziert. Die überdurchschnittliche Zuwan- sentlich aus dieser Minderheit gespeist und derung von Roma ist ein moderner Mythos. entwickelt hat.

Ich komme aus der politischen Arbeit, der Beidem, der Aufklärung über Stereotypen Bürgerrechtsbewegung. Vor 30 Jahren habe und vergessene Realitäten, dient unsere ich in der Wiedergutmachungsarbeit begon- Ausstellung »Typisch ›Zigeuner‹? Mythos und nen. Aber nach einer Weile habe ich bemerkt, Wirklichkeiten«. Sie besteht aus zwei Teilen. dass etwas fehlt, etwas Gemeinsames, Ver- Der erste informiert über die Geschichte der bindendes: die Kultur. So ist das Kultur- und Sinti und Roma in Europa ab ihrer ersten Dokumentationszentrum RomnoKher ent- Erwähnung in Hildesheim 1407 und über standen – das nicht den Anspruch hat, die Antiziganismus in der Kunst, Wissenschaft, Minderheit zu vertreten, sondern ein Begeg- Politik und den Medien bis zum heutigen nungsort zu sein, vielleicht eine Expertise Tag. für das Thema zu tragen, vor allem aber den Der zweite Teil stellt Sinti und Roma vor, Dialog zu ermöglichen. die eine besondere Karriere gemacht haben – viele davon berühmt und doch nicht als Foto oben: Johann Troll- mann, deutscher Meister Roma bekannt, da manche erst auf der Spitze im Halbschwergewicht ihres Erfolges wagten, ihre Zugehörigkeit zu 1933 (Teil der Ausstellung). der Minderheit zu offenbaren. Das Stück »Zigeuner- Boxer« (vgl. S. 74) basiert auf seiner Geschichte. Dies zu ändern ist das Ziel von RomnoKher: Menschen, die reale Sinti und Roma kennen- Photo above: Johann Trollmann, German light lernen wollen, können reale Sinti und Roma heavyweight champion dort treffen und brauchen nicht mehr auf 1933 (part of the exhibi- überkommene Klischees zurückgreifen. tion). The theatre play Zigeuner-Boxer (see p. 74) is based on his story. Daniel Strauß: Typically »Gypsy«?

72 EN

Let us begin with a recent myth, that of the mass immigration of Roma after the last expansion of the Euro- pean Union. The fact is: the proportion of Roma among the immigrants from Romania and Bulgaria is approxi- mately 7 to 9 percent. positive Roma images? We are working at This is exactly the proportion of Roma in the making the works of Sinti and Roma artists total population. We checked this at the local better known, also the works that have level in Mannheim, in neighborhoods where »anonymously« made their way into the supposedly the Roma make up 80 percent culture of the social majority, as for example of the population. We went there and called in music. Few people know, for instance, that upon the families. The number quite sudden- jazz was essentially influenced and cultivat- ly was reduced from 80 to about 7 percent. ed by this minority. The above-average immigration of Roma is a modern myth. Our exhibit, Typically »Gypsy«? Myth and Reality, sheds lights on both stereotypes and forgot- I am a political activist, from the civil rights ten realities. It is made up of two parts. The movement. I became involved in doing first offers information about the history reparation work 30 years ago. But after a of the Sinti and Roma in Europe, from the while I noticed that something was miss- first written records of their existence in ing, something that would forge commu- Hildesheim in 1407, over antiziganism in nity, that would bond: that something was art, the sciences, politics, and the media, all culture. Thus, the RomnoKher Cultural and the way to the present day. Documentation Center was conceived – not The second part presents Sinti and Roma with any idea to represent the minorities, who have had outstanding careers – many but rather to be a meeting space, perhaps as a of these are famous but not recognized as place to promote expertise in the issues, but being Roma, since many of them did not dare more and above all to facilitate dialogue. to make their origin public until they had reached the peak of their success. Many of the negative Roma images have disappeared from the schoolbooks today, To change this is RomnoKher’s goal: people after years of work. But taking their place who want to get to know real Sinti and Roma is – nothing, emptiness. Where are the new, can encounter real Sinti and Roma here; they no longer need to resort to traditional clichés. 73 Genshagen als Bühne

Das Schloss präsentiert Künstlerinnen und Künstler

74 Genshagen as a Stage

The Palace Presents Important Artists Foto: StiftungFoto: Genshagen ➀ ➁

Genshagen als Ort und Stiftung will das Lita Cabellut ➀ Potential der Kunst auf dem Weg zu einem gleichberechtigten Miteinander nicht Die spanische Malerin und Gitana Lita Cabellut nur diskutieren und verstehen, sondern lebt und arbeitet in Den Haag. Den bisherigen erlebbar machen. So versuchte die »Aka- Höhepunkt ihrer Karriere erreichte sie 2012 mit demie unter Bäumen« dem Publikum ihrer Ausstellung in Paris, wo sie innerhalb we- auch die Vielfalt und Heterogenität der niger Tage alle ausgestellten Bilder verkaufte. »Roma-Kunst« vorzustellen. Auch wenn es Seitdem erobern ihre Gemälde die Museen der vielleicht gemeinsame kulturelle Wurzeln Welt. gibt, die Wahrnehmung der verschiedenen Genshagen präsentierte ihre Gemälde Delu, Schattierungen künstlerischer Werke kann Hylario, Django (alle Mischtechnik, 2008) sowie uns davor bewahren, in Klischees zurück- Yo 6 (Selbstbildnis, Mischtechnik, 2007) und Seis zufallen. Im besten Falle können Kunst und seniores (6 Farbserigraphien, manuell überar- Kultur eine Brücke schlagen und durch ihre beitet, 2008). »Türöffner«-Funktion einen wechselseitigen Austausch zwischen Sinti und Roma und der The Spanish painter and Gitana Lita Cabellut lives Mehrheitsgesellschaft ermöglichen. Daher and works in Den Haag. One of the highlights of hatten die nachfolgend vorgestellten Künst- her career has been an exhibition in Paris in 2012, lerinnen und Künstler mit ihren Werken where she sold all works within a few days. Since und Performances im Schloss Genshagen then, her paintings have been shown in museums den gleichen Platz wie die Wissenschaftler, all around the world. Genshagen showed her Politiker und Projektakteure. Malerei, Thea- paintings Delu, Hylario, Django (all mischtechnik, ter und Musik waren so nicht nur Thema, 2008) as well as Yo 6 (self-portrait, mischtechnik, sondern auch »Sprache« dieser »Akademie 2007) and Seis seniores (6 colored serigraphs, unter Bäumen«. manually reworked, 2008).

Genshagen as both a place and a foundation www.litacabellut.com wishes to facilitate the discussion and understanding of the potential of art as a path towards living together on an equal basis. But Folkert Dücker ➃ even more than this – Genshagen also intends to make possible the experiencing of such co- Folkert Dücker studierte an der Hochschule existence. Thus, the »Academy under Trees« für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart tried to present to the public the multifaceted- und arbeitet seit 2007 als freier Schauspieler. ness and heterogeneity of »Roma Art.« Even Seit September 2014 ist er im Community Art though there may be common cultural roots, Center in Mannheim in dem Stück »Zigeuner- the awareness of the different nuances of Boxer« von Rike Reiniger zu sehen, das er in artistic works can also help us not to fall into einer auszugsweisen Lesung in Genshagen thinking in clichés. At best, art and culture can darbot. create a bridge, and through their function as gateways they can enable a reciprocal Folkert Dücker studied at the University for Music exchange between the Sinti and Roma and the and Performing Arts in Stuttgart and has been social majority. Therefore, the artists present- working as a free-lance actor since 2007. The ed here with their works and performances at play Zigeuner-Boxer by Rike Reiniger, with Folkert Genshagen shared an equal stage with schol- Dücker, is shown at the Community Art Centre in ars, politicians, and people involved actively Mannheim since September 2014. For the acad- in projects. Painting, theater, and music were emy, he read and performed a part of the play. not just a theme, but were indeed the »lan- guage« of this »Academy under Trees.« www.folkertduecker.de 75 Foto: StiftungFoto: Genshagen StiftungFoto: Genshagen StiftungFoto: Genshagen ➂ ➃ ➄ ➅

Janko Lauenberger ➁ Burkhart Seidemann ➅ Jérôme Weiss ➂

Der Gitarrist Janko Lauenberger kommt aus Burkhart Seidemann ist Mime, Autor und Re- Der Pianist Jérôme Weiss studierte an der einer Musikerfamilie und war Schüler des be- gisseur. 1993 gründete er das Hackesche Hof- Hochschule für Musik in Nürnberg und absol- kannten Jazzgitarristen Ferenc Snétberger. Er Theater als Berlins Adresse für jiddische Kultur, vierte 2010 sein Musik-Pädagogisches Diplom. spielt in der Band Sinti Swing Berlin, mit der er dessen Leiter er bis 2006 war. Seither arbeitet Er war mehrfacher Preisträger bei »Jugend in Genshagen einen Abend mit Programm und er freiberuflich als Mime, Theaterdozent, Musiziert«. Jérôme Weiss konzertiert als Solist Improvisation gestaltete. Autor und Regisseur. Für die »Akademie unter und in den verschiedensten Besetzungen in Bäumen« übernahm er zusammen mit Rodica ganz Deutschland und im Ausland. Zusammen The guitarist Janko Lauenberger comes from Micu die künstlerische Gestaltung der »Arbres mit Sandro Roy spielte er in Genshagen Werke a family of musicians and was a student of the à palabres« und eine thematische Performance von Fritz Kreisler, Johannes Brahms, Michel famous jazz guitarist Ferenc Snétberger. He plays gemeinsam mit Aurel Petre aus Bukarest. Legrand, Jérôme Weiss und Pablo de Sarasate. in the band Sinti Swing Berlin who presented a program and improvisations at the first evening Burkhart Seidemann is a mime, author and The pianist Jérôme Weiss studied at the Nurem- of the academy. stage director. 1993, he founded the »Hackesche berg University of Music and completed his Hof-Theater«, Berlin’s place for Yiddish Culture degree in Music Education in July 2010. He won www.sinti-swing-berlin.com which he managed until 2006. Since then, he several awards in the music contest »Jugend mu- has been working as a free-lance mime, teacher siziert«. Jérôme Weiss gives concerts in Germany of drama, author, and director. At the »Academy and abroad as a soloist as well as in other forma- Sandro Roy ➂ under Trees«, Burkhart Seidemann, together with tions. In Genshagen, Sandro Roy and he played Rodica Micu, was responsible for the artistic works by Fritz Kreisler, Johannes Brahms, Michel Sandro Roy ist Geiger und studiert zurzeit arrangement of the »Abres à palabres« and Legrand, Jérôme Weiss, and Pablo de Sarasate. am Leopold Mozart Zentrum der Universität presented a thematic impromptu performance Augsburg. Er war mehrfacher Preisträger, un- together with Aurel Petre from Bucharest. www.jeromeweiss.com ter anderem des Musikwettbewerbs »Jugend musiziert« im Jahr 2007. www.weisses-theater.de

Zusammen mit Jérôme Weiss spielte er in Genshagen Werke von Fritz Kreisler, Johannes Annette Dorothea Weber ➄ Brahms, Michel Legrand, Jérôme Weiss und Pablo de Sarasate. Annette Dorothea Weber arbeitet als Dra- maturgin, Regieassistentin und Regisseu- Sandro Roy is a violinist, currently studying at rin. Zurzeit ist sie künstlerische Leiterin des the Leopold Mozart Centre at the University Community Art Center in Mannheim, wo ihre of Augsburg. He won several awards, amongst Inszenierung des Theaterstücks »Zigeuner- others the music contest »Jugend musiziert« Boxer« von Rike Reiniger seit September 2014 2007. In Genshagen, Jérôme Weiss and he played aufgeführt wird. Folkert Dücker präsentierte works by Fritz Kreisler, Johannes Brahms, Michel einen Auszug daraus in Genshagen. Legrand, Jérôme Weiss, and Pablo de Sarasate. Annette Dorothea Weber works as a dramatic https://de-de.facebook.com/sandroroymusic advisor, assistant director, and director. She is the artistic director of the Community Art Centre in Mannheim, where the play Zigeuner-Boxer by Rike Reiniger, directed by Annette Weber, is shown since September 2014. For the academy, Folkert Dücker read and performed a part of the play.

www.communityartcenter-mannheim.de Karel Adam Ágnes Daróczi Referenten, ist Mitbegründer und seit 1997 künstlerischer ist eine Menschenrechtsaktivistin für die Künstler und Leiter des Theaters Divadlo Romathan in Minderheit der Roma, Kulturmanagerin und Košice. Ziel des Theaters ist es, die Kultur der Journalistin aus Ungarn. Als Wissenschaftlerin Projektinitiatoren Roma zu erhalten, ihre Selbstidentifikation und Journalistin hat sie den nationalsozialis- und ihren Stolz auf die eigene Kultur zu stärken tischen Völkermord an den Roma und Sinti in sowie den anhaltenden Vorurteilen gegen sie das öffentliche Bewusstsein gerückt. Sie ist 76 entgegenzuwirken. zudem Programmdirektorin des Romaversitas Speakers, Artists, and Invisible College sowie Leiterin der Romano founded the theatre Divadlo Romathan in Košice. Instituto Foundation. Project Initiators In 1997, he was appointed as the artistic director. The goals of the theatre are the preservation of is a human rights activist for the Roma minority, Roma culture, the strengthening of Roma self- cultural manager, and journalist in Hungary. As identification and pride in their own culture, as a journalist and researcher, she has brought well as the fight against the persistent prejudices the Nazi genocide of the Roma and Sinti into against them. public awareness. Moreover, she is the program director of the Romaversitas Invisible College www.romathan.sk as well as the manager of the Romano Instituto Foundation.

Geneviève Ancel www.facebook.com/groups/579317002133885/ files ist Gründungsmitglied und Koordinatorin der »Dialogues en Humanité« der Stadt Lyon und setzt sich für ihre weltweite Verbreitung ein. Romeo Franz Sie interessiert sich besonders für Umwelt- schutz und Menschheitsfragen soziopoliti- versteht sich als Vertreter der traditionellen scher Dimension und versucht diese Themen Musik deutscher Sinti. Er setzt sich durch Bür- in der von ihr geführten Politik zu berücksich- gerrechts-, Bildungs- und Kulturarbeit aktiv tigen. für die Rechte aller Minderheiten, insbeson- dere für die der Sinti und Roma, ein. Romeo initiated the »Dialogues en Humanité« in Lyon. Franz war stellvertretender Vorsitzender des Since then, she is the coordinator of the »Dia- Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma logues« and promotes the worldwide distribu- Rheinland-Pfalz sowie Vorstandsmitglied des tion of its concept. The focus of her work lies on Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Seit Fe- environmental and human issues of a greater bruar 2014 ist er Geschäftsführer der Hildegard sociopolitical dimension and on attention to Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und these questions in her programs. Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland.

www.dialoguesenhumanite.org considers himself as a representative of the traditional music of German Sinti. He works for the rights of all minorities, especially of Roma Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal and Sinti, through projects on civil rights, educa- tion and culture. He was deputy chairman of the ist Professor für Germanistische Literaturwis- Regional Association of German Sinti and Roma senschaft mit Schwerpunkt Neuere deutsche Rhineland-Palatinate and board member of the Literatur an der Universität Bielefeld. 2013 Central Council of German Sinti and Roma. Since erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europä- February 2014, Romeo Franz is the executive ischen Verständigung für sein Buch »Europa director of the Hildegard Lagrenne Foundation erfindet die Zigeuner«. Seit mehr als zwanzig for Education, Inclusion and Participation of Sinti Jahren beschäftigt er sich mit dem Bild der and Roma in Germany. Roma in der Literatur. http://de.hildegard-lagrenne-stiftung.eu is Professor of German literature, specializing in new German literature, at the University of Biele- feld. In 2013, he was awarded the Leipzig Book Prize for European Understanding for his book Europa erfindet die Zigeuner. Klaus-Michael Bogdal has been researching on the image of Roma in literature for more than twenty years.

www.uni-bielefeld.de/lili/personen/bogdal Andreas Freudenberg Jana Habrovcová Christoph Leucht

Der Kulturmanager und Pädagoge Andreas studierte Řomanes und Roma-Studien an der war unter anderem als Sozialarbeiter und Freudenberg entwickelte das Konzept für Karls-Universität in Prag. 2007 kuratierte sie Flüchtlingsberater tätig. Von 2009 bis 2011 das Dokumentations- und Kulturzentrum eine Ausstellung über Roma-Literatur in Tsche- arbeitete er an der Studie zur Bildungssitua- Deutscher Sinti und Roma in . Er ar- chien. Heute ist Jana Habrovcová stellvertre- tion von Roma und Sinti in Deutschland mit. beitete unter anderem als Leiter der Werkstatt tende Direktorin des Museums der Roma- Außerdem ist Christoph Leucht seit 1995 77 der Kulturen und ist seit 2010 Geschäftsführer Kultur in Brno und arbeitet als Übersetzerin für freiberuflicher Theaterpädagoge, seit 2003 der Global Music Academy. Řomanes und Tschechisch. Consultant der Freudenberg Stiftung, seit 2012 Trainerausbilder und Kuratoriumsmitglied im The cultural manager and educator Andreas studied Romani Language and Romani Studies ROMED-Programm des Europarats, seit 2013 Freudenberg developed the concept for the at Charles University in Prague. In 2007, she freier Mitarbeiter der Stiftung »Erinnerung, Documentation and Cultural Centre of German curated an exhibition on Romani Literature in Verantwortung und Zukunft«. Sinti and Roma in Heidelberg. He was the direc- the Czech Republic. Today, Jana Habrovcová is tor of the »Werkstatt der Kulturen« in Berlin. the deputy director of the Museum of Romani worked as a social worker and consultant for Since 2010, he is the executive director of the Culture in Brno and works as a translator for refugees. From 2009 to 2011, he co-worked on Global Music Academy. Řomanes and Czech. a study on the educational situation of Roma and Sinti in Germany. He has been working as www.global-music-academy.net www.rommuz.cz a freelance theatre pedagogue since 1995, as a consultant to the Freudenberg Foundation since 2003, as a trainers’ trainer since 2012. Christoph Prof. Dr. David Gaunt Christel Hartmann-Fritsch Leucht is a member of the board of trustees of ist emeritierter Professor für Geschichte am the ROMED program of the European Council Zentrum für Baltistik und Osteuropastudien ist seit 2009 geschäftsführendes Vorstands- and a freelancer of the Foundation »Remem- an der Universität Södertörn in Stockholm. mitglied der Stiftung Genshagen; sie leitet den brance, Responsibility and Future« since 2013. Derzeit beschäftigt er sich mit den Schwie- Bereich »Kunst- und Kulturvermittlung in Eu- rigkeiten der Herstellung eines allgemeinen ropa«. Zuvor war sie unter anderem Geschäfts- http://romed.coe-romact.org Lehrbuchs über Geschichte, Kultur und Politik führerin und künstlerische Leiterin des Interna- der Roma, welches für die Ausbildung schwedi- tionalen Jugend Kunst- und Kulturzentrums scher Lehrer entwickelt werden soll. »Schlesische27« und beriet die Europäische Dr. Ciprian Necula Kommission bei Fragen zu Task Force, Human is Professor emeritus of history at the Center for Resources, Education, Training and Youth. war Direktor für Kommunikation am Roma Baltic and East European Studies at Södertörn Centre for Social Intervention and Studies in University in Stockholm. At present, he works on has been the executive director of Genshagen Bukarest, Direktor für Antidiskriminierung the difficulties of producing a general textbook Foundation since 2009; she is responsible for the bei einer Medienbeobachtungsagentur in on Roma history, culture and politics for the domain »Art and cultural dialogue in Europe«. Bukarest sowie Consultant des Europarats zur training of Swedish teachers. Before that, she was the executive and artistic Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans director of the international Youth Art and zur Verbesserung der Situation der Roma in www.sh.se Culture Centre »Schlesische27« in Berlin and a Moldawien. Zudem ist er seit 2011 Präsident consultant to the European Commission in the des Vereins Romano ButiQ, auf dessen Initiati- domains of Task Force, Human Resources, Edu- ve das »Museum für Roma-Kultur« in Bukarest Gabriele Gerbasits cation, Training, and Youth. gegründet wurde.

arbeitete unter anderem im österreichischen www.stiftung-genshagen.de worked as the communication director at the Kulturministerium sowie als Kulturreferentin Roma Centre for Social Intervention and Studies der Grünen im Parlament. Seit 1996 ist sie in Bucharest, as the antidiscrimination director die Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich, Noémie Kaufman at the Media Monitoring Agency in Bucharest, welche von 2011 bis 2013 das Großprojekt and as a consultant to the European Council for »Romanistan« mitorganisierte. ist seit 2004 Mitarbeiterin am Berlin-Branden- the development of a National Action Plan for burgischen Institut für Deutsch-Französische the improvement of the situation of Roma and worked in the Austrian Ministry of Culture Zusammenarbeit in Europa. Sie war verant- Sinti in the Republic of Moldova. Since 2011, he is as well as a consultant for cultural affairs of the wortlich für historische, politische und kultu- the President of Romano ButiQ which initiated Green Party in the Parliament. Since 1996, relle Projekte und ist seit 2009 Projektleiterin the »Museum for Romani culture« in Bucharest. Gabriele Gerbasits is the executive director of the im Bereich »Kunst- und Kulturvermittlung in IG Culture Austria that organized, among others, Europa« der Stiftung Genshagen. Sie organi- www.romanobutiq.ro the project »Romanistan« between 2011 and 2013. siert unter anderem deutsch-französische und europäische Veranstaltungen zur kulturellen http://igkultur.at/projekte/romanistan Bildung.

has been working at the Berlin-Brandenburg Institute for German-French Cooperation in Europe since 2004, where she was responsible for cultural, political and historical projects. Since 2009, she is cultural project manager at the Genshagen Foundation in the program »Art and cultural dialogue in Europe«. Besides other projects, she organizes German-French and European events for cultural education.

www.stiftung-genshagen.de Christian Petry Prof. Dr. Werner Schiffauer Bertrand Verfaillie war Geschäftsführer der Freudenberg Stiftung, ist seit 1995 Inhaber des Lehrstuhls für Ver- ist seit der Gründung im Jahr 2008 Mitglied bei der er seit 2010 Kuratoriumsmitglied ist gleichende Kultur- und Sozialanthropologie der Bürgerinitiative »Solidarité Roms et Gens und die Programmberatung im Themen- an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt du Voyage« aus Lille-Métropole, die sich für schwerpunkt Bildungsförderung für Sinti und (Oder). Zudem ist er Vorsitzender des Rats für eine faire Politik für Menschen mit Roma- Roma übernommen hat. Außerdem ist er Migration. Seine Forschungsschwerpunkte Hintergrund einsetzt. Innerhalb der Gruppe or- Vorsitzender des Forum for Roma Inclusion sind Migration, Fragen der multikulturellen ganisiert Bertrand Verfaillie insbesondere ein 78 des European Foundation Centre. Gesellschaft, Entwicklungen im Europäischen Kulturfestival mit Roma und Nicht-Roma zur Islam und die Anthropologie von Staatsappa- Förderung der Integration von Roma-Familien was the managing director of the Freudenberg raten. in die lokale Gesellschaft. Foundation of which he is a member of the board of trustees and a program consultant in holds the chair of comparative cultural and social Since its foundation in 2008, Bertrand Verfaillie the field of educational support for Sinti and anthropology at the European University Viadri- has been a member of the civil action group Roma since 2010. Moreover, he is the chairman na in Frankfurt (Oder) since 1995 and is the chair- »Solidarité Roms et Gens du Voyage« of Lille- of the Forum for Roma Inclusion of the European man of the Council for Migration. His research is Métropole (Solidarity for Roma in Lille) that Foundation Centre. focused on migration, issues of the multicultural stands up for a just policy concerning people society, developments of the European Islam, and with a Romani background. Within this www.freudenbergstiftung.de the anthropology of state mechanisms. group, Bertrand Verfaillie organized a Romani- French cultural festival to encourage the www.kuwi.europa-uni.de/de/lehrstuhl/vs/anth- inclusion of Roma families in the local society. Dr. Olivier Peyroux ro/inhaber/index.html www.collectifromslille.org ist Soziologe und Experte für Angelegenheiten bezüglich Roma und Menschenhandel. Zurzeit Daniel Strauß führt er im Rahmen des Vereins »Trajectoires« Monika Weychert-Waluszko Aktionsforschungen in Roma-Slums in Frank- ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied der reich durch. 2013 veröffentlichte er das Buch Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V. arbeitete als Direktorin für das Netart-Festival »Délinquants et victimes – la traite des enfants in Marburg, Vorstandsmitglied im Zentralrat »Wyobraźnia Ekranu«. Darüber hinaus ist sie d’Europe de l’Est en France«, welches den Deutscher Sinti und Roma, Mitbegründer und die Initiatorin von pleple.tv, einem Bildungs- Handel mit osteuropäischen Kindern in Frank- Geschäftsführer von RomnoKher, Vorsitzen- programm über zeitgenössische Kunst. Im reich beleuchtet. der des Landesverbandes Deutscher Sinti und Jahr 2013 veröffentlichte sie »Romano Kher. Roma Baden-Württemberg sowie Mitbegrün- On Roma Art, Aesthetic and Experience« und is a sociologist, specializing in issues concerning der und Vorstandsmitglied der Hildegard kuratierte die Ausstellung »Houses as Silver as the and human trafficking. For Lagrenne Stiftung. Außerdem ist er Herausge- Tents« in der National Gallery of Art – Zachęta the association »Trajectoires«, he conducted ber der »Studie zur aktuellen Bildungssituation in Warschau. studies on Roma slums in France. 2013 he pub- der deutschen Sinti und Roma« (2011). lished his book Délinquants et victimes – la traite was the director of the only cyclic festival of net des enfants d’Europe de l’Est en France about the Daniel Strauß is co-founder and board member art »Wyobraźnia Ekranu«. Furthermore, she is trafficking of East European children in France. of the Society for Antiziganism in Marburg. He is the initiator of pleple.tv, an educational program a board member of the Central Council of Ger- on contemporary art. 2013, she published Romano www.opeyroux.blogspot.de man Sinti and Roma, co-founder and executive Kher. On Roma Art, Aesthetic and Experience and director of RomnoKher, chairman of the Regional curated the exhibition »Houses as Silver as Tents« Association of German Sinti and Roma Baden- at Zachęta – National Gallery of Art in Warsaw. Riccardo M. Sahiti Württemberg as well as co-founder and board member of the Hildegard Lagrenne Foundation. http://independent.pl/monikaweychertwaluszko Der Dirigent Riccardo M. Sahiti gründete Moreover, he is the editor of a study on the edu- 2002 die »Roma und Sinti Philharmoniker« cational situation of Roma and Sinti in Germany mit dem Ziel, das musikalische Erbe der Sinti und Roma zu pflegen und zu fördern und einer www.romnokher.de interessierten Öffentlichkeit vorzustellen. Es ist weltweit das erste Orchester, das sich speziell diesem Anliegen widmet und sich Prof. Dr. Rita Süssmuth überwiegend aus Musikern mit Roma- oder Sinti-Herkunft zusammensetzt. Rita Süssmuth, ehemalige Präsidentin des Bundestags, ist Vorstandsmitglied der The conductor Riccardo M. Sahiti founded the Stiftung Genshagen. Sie war unter anderem »Roma and Sinti Philharmonic Orchestra« in Bundesministerin für Jugend, Familie und 2002. Its aim is to foster and to support the mu- Gesundheit von 1985 bis 1988, Vizepräsidentin sical heritage of Sinti and Roma and to introduce der OSZE von 2000 bis 2003 sowie Vorsitzende it to the interested public. It is the first orchestra des Sachverständigenrates für Zuwanderung worldwide that focuses this goal and consists und Integration von 2002 bis 2004. mainly of musicians of Roma or Sinti origin. Rita Süssmuth, former president of the German www.foerdervereinroma.de parliament, is a board member of the Genshagen Foundation. Amongst others, she was Minister for Youth, Family, and Health from 1985 to 1988. Between 2000 and 2003, she was vice president of the OSCE, and chairwoman of the Council of Experts for Migration and Integration from 2002 to 2004.

www.rita-suessmuth.de Déclaration de Porto Novo Bénin, mai 2014

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Nous, participants des Dialogues en Humanité réunis au Bénin, à Porto Novo, sous les arbres ancestraux du Jardin des Plantes et de la Nature, souhaitons faire ensemble la déclaration suivante :

En ce 10 mai, jour anniversaire de la terrible barbarie que représenta l’esclavage, ici au Bénin, au cœur de cette Afrique, principale victime de cette barbarie inter humaine, mais aussi berceau de notre humanité, prenons conscience des risques qui pèsent sur le devenir de notre famille humaine, mais aussi des potentialités infinies qu’ouvrirait sa propre humanisation.

Au moment où de nombreux rapports internationaux évoquent le risque d’un effondrement mondial dans les prochaines décennies si nos sociétés continuent à aggraver leurs inégalités et à détruire leurs écosystèmes, nous affirmons la nécessité de sortir de l’obsession compé- titive pour développer des logiques coopératives tant à l’égard des humains que de la nature. Cette coopération s’inscrit dans la perspective de sociétés qui font de la convivialité et du « buen vivir » le cœur de leur projet.

Il est temps de déclarer suicidaire pour notre famille humaine toutes les formes de la guerre qu’elles soient économiques, politiques ou religieuses, toutes les logiques qui conduisent à imposer la loi des plus forts en éliminant ou en dominant les plus faibles. Loi terrible qui fut à la source de toutes les formes de maltraitance, voire d’esclavages d’hier comme d’aujourd’hui.

Nous affirmons également la nécessité de rompre avec un rapport guerrier et prédateur à la Nature dont l’expérience de ville verte rurale de Songhai montre la possibilité.

Nous déclarons qu’il est temps désormais de construire les conditions d’une pleine citoyen- neté pour tous les membres du « peuple de la Terre ». Cette citoyenneté résultera de la pleine application des droits fondamentaux de chaque être humain proclamés après la Seconde Guerre mondiale, mais aussi de la reconnaissance de leurs droits civiques et de la nécessité de constituer désormais une communauté politique cohérente avec de tels droits. Toutes les formes d’organisation humaine, qu’elles soient sociales, politiques, économiques, culturelles, n’ont de légitimité que pour autant qu’elles respectent ces principes et concourent au bien commun de l’humanité et à la préservation de la Nature dont elle est l’une des com- posantes. Il n’est pas acceptable que des nations, des entreprises, des religions, des familles ou toute autre forme d’organisation humaine, se réclament de leur identité ou de leur histoire pour dénier ces droits fondamentaux.

Nous avons besoin en revanche de replacer l’économie et la politique, la monnaie et le pouvoir, au rang de moyens et non de fins. De même, nous devons faire de la pluralité des traditions de sens et de sagesse non une cause de guerre de civilisation mais une chance et une source d’élévation de la conscience humaine.

Pour notre propre compte, nous participants à ces Dialogues en Humanité qui doivent se dialoguesenhumanite.org/ prolonger prochainement en Europe, au Brésil, en Inde, en Éthiopie, dans les prochains mois, book/1282/declaration- prenons l’engagement d’œuvrer dans le sens des principes de cette déclaration. de-porto-novo Impressum

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Herausgeber Realisiert von Stiftung Genshagen Kunst- und Kulturvermittlung in Europa Christel Hartmann-Fritsch

Am Schloss 1 14974 Genshagen

+49 (0)3378 805931 [email protected] Kooperationspartner www.stiftung-genshagen.de

Team Stiftung Genshagen Projektleitung: Noémie Kaufman Projektassistenz: Iris Rüsing, SFGM; Jule Dieterle und Louise Cognard, Stiftung Genshagen Redaktion: Britta Kollberg, Noémie Kaufman

Übersetzung Ins Deutsche: Britta Kollberg (vom Englischen) Gefördert durch und Thomas Laugstien (vom Französischen) Ins Englische: Catherine Framm

Gestaltung M.O.R. Design, www.mor-design.de

Bildnachweis Fotos: René Arnold (sofern nicht anders gekennzeichnet)

Abdruck der Gemälde von Lita Cabellut mit freundlicher Genehmigung von Ida Schildhauer, Weinheim, der Galerie Günther Zulauf, Freinsheim, und RomnoKher, Mannheim

Spiezer Chronik von Diebold Schilling des Älteren »von den swartzen getouften haiden die miteinandern gen Bernn kument«: Burgerbibliothek Bern. Foto: Codices Electronici AG, www.e-codices.ch

Alle Rechte vorbehalten. Abdruck oder vergleichbare Verwen- dung von Arbeiten der Stiftung Genshagen ist, auch in Auszü- gen, nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet.

©Stiftung Genshagen, 2014

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