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HANS-BREDOW-INSTITUT Medien Kommunikations- wissenschaft

Redaktion: & Joan Kristin Bleicher, Hardy Dreier, Christiane Eilders, Uwe Hasebrink, Thorsten Held, Anja Herzog, Claudia Lampert, Christiane Matzen, Jutta Popp, Hermann-Dieter Schröder, Wolfgang Schulz, Jutta Simon

Nomos Verlagsgesellschaft M&K 54. Jg. 2006/4 Baden-Baden

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Patrick Donges Medien als Institutionen und ihre Auswirkungen auf Organisationen. Perspektiven des soziologischen Neo-Institutionalismus für die Kommunikations- wissenschaft ...... 563

Christoph Klimmt / Kerrin Bartels / Kommunikation für die Rundfunkgebühr. Die Helmut Scherer Furchtappelle der Gebühreneinzugszentrale fruch- ten weniger als Überzeugungsarbeit ...... 579

Saskia Böcking Elterlicher Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung. Test einer deutschsprachigen Skala und erste Befun- de für die Deutschschweiz ...... 599

Ragne Kõuts-Klemm Fragmentierte Publika in der Transformationsgesell- schaft Estlands. Tendenzen der Mediennutzung . . 620

Jörg Hagenah Möglichkeiten der Nutzung von Media-Analyse- Fernsehdaten für Sekundäranalysen von 1972 bis heute ...... 637

LITERATUR Besprechungen

Joan Kristin Bleicher Abschiede von der Wirklichkeit. Aktuelle Frontlini- en der medien- bzw. kommunikationswissenschaft- lichen Fernsehforschung seit 2005 – eine Sammel- rezension ...... 654

Michel Clement Christian Scholz (Hrsg.): Handbuch Medienma- nagement. Berlin: Springer, 2006 ...... 667

Susanne Eggert Emine Uçar-İlbuğa: Fernsehkonsum von türkischen Jugendlichen. Eine empirische Untersuchung im Hamburger Stadtteil Dulsberg. Frankfurt am Main: Lang, 2005 ...... 668

Johannes Fromme Christine Feil/Regina Decker/Christoph Gieger: Wie entdecken Kinder das Internet? Beobachtun- gen bei 5- bis 12-jährigen Kindern. Wiesbaden: VS, 2004 ...... 670

Ursula Ganz-Blättler Tim Bergfelder: International Adventures. German Popular Cinema and European Co-Productions in the 1960s. New York / Oxford: Berghahn, 2005 . . 672

Jutta Kehrer Thilo Büsching (Hrsg.): Mediengeschäftsmodelle der Zukunft. Baden-Baden: Nomos, 2005 ...... 674

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Nathalie Kharina-Welke Viktoria Brunmeier: Das Internet in Russland. Eine Untersuchung zum spannungsreichen Verhältnis von Politik und Runet. München: Fischer, 2005 . . 675

Hans J. Kleinsteuber Christina Holtz-Bacha: Medienpolitik für Europa. Wiesbaden: VS, 2006 ...... 677

Daniela Kloock Joachim Knape (Hrsg.): Medienrhetorik. Tübingen: Attempto Verlag, 2005 ...... 678

Sonja Kretzschmar Hans-Jürgen Lüsebrink: Interkulturelle Kommuni- kation. Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kultur- transfer. Stuttgart: Metzler, 2005 ...... 680

Hans-Dieter Kübler Harald Gapski (Hrsg.): Medienkompetenzen mes- sen? Verfahren und Reflexionen zur Erfassung von Schlüsselkompetenzen. Düsseldorf/München: ko- paed, 2006 ...... 681

Marianne Merkt Martin Wessner: Kontextuelle Kooperation in virtu- ellen Lernumgebungen. Lohmar: Eul, 2005 ...... 683

Corinna Peil Joan Kristin Bleicher/Bernhard Pörksen (Hrsg.) Grenzgänger: Formen des New Journalism. Wies- baden: VS, 2004 ...... 684

Cornelia Rosebrock Bettina Hurrelmann/Susanne Becker/Irmgard Ni- ckel-Bacon: Lesekindheiten. Familie und Lesesoziali- sation im historischen Wandel. Weinheim, München: Juventa, 2006 ...... 688

Siegfried J. Schmidt Bernhard Pörksen: Die Beobachtung des Beobach- ters. Eine Erkenntnistheorie der Journalistik. Kon- stanz: UVK, 2006 ...... 689

Irmela Schneider Ulrike Schwab: Erzähltext und Spielfilm. Zur Äs- thetik und Analyse der Filmadaption. Berlin: Lit, 2006 ...... 691

Zeitschriftenlese ...... 693

Literaturverzeichnis ...... 718

English abstracts ...... 724 Autorinnen und Autoren dieses Heftes ...... 727 Hinweise für Autorinnen und Autoren ...... 729 Jahresinhaltsverzeichnis 54. Jahrgang 2006 ...... 731

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MM&K_04.06_00_Titel.indd&K_04.06_00_Titel.indd 562562 116.11.20066.11.2006 15:07:4915:07:49 UhrUhr Medien als Institutionen und ihre Auswirkungen auf Organisationen Perspektiven des soziologischen Neo-Institutionalismus für die Kommunikationswissenschaft Patrick Donges

Während der Begriff der Institution und mit ihm verbundene Theorieansätze in ande- ren Sozialwissenschaften in den letzten Jahren breit diskutiert wurden, ist eine solche Debatte insbesondere in der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft bislang ausgeblieben. Der Beitrag plädiert für einen stärkeren Einbezug insbesondere des orga- nisationssoziologischen Neo-Institutionalismus in die kommunikationswissenschaftliche Theoriediskussion und begründet dies anhand der Frage, welche Auswirkungen Medien allein durch ihre Existenz auf Organisationen haben. Medien werden als Institutionen im Sinne dauerhafter Regelsysteme verstanden, die a) normative Erwartungen schaf- fen, b) Mechanismen für ihre Durchsetzung beinhalten, c) Akteure konstituieren und d) bei bestehenden Organisationen Wahrnehmung, Präferenzbildung und Strukturen beeinflussen. Organisationen orientieren sich an diesen institutionellen Regeln, weil sie damit Legitimität und Unterstützung erreichen wollen. Medien entfalten ihre Wirkung auf Organisationen damit durch gewisse Zwänge, aber auch durch den Druck von Be- rufsangehörigen sowie durch Imitation. Damit wirken Medien auf Organisationen nicht selbstständig ein, sondern vermittelt durch die Wahrnehmung und Interpretation einzel- ner Akteure, die in konfliktreichen Prozessen innerhalb der Organisation ausgehandelt wird.

Schlagwörter: Institutionen, Institutionalismus, Organisationen, Medienwirkung, Or- ganisationskommunikation

1. Institutionalistisches Denken in der Kommunikationswissenschaft1 Der Begriff der Institution und mit ihm verbundene Theorieperspektiven gewinnen in den Sozialwissenschaften seit einiger Zeit an Bedeutung und haben zu einer regelrechten „Renaissance des Institutionalismus“ geführt (so Mayntz/Scharpf, 1995: 40; vgl. auch Türk, 1997). Gemeint sind Ansätze wie der Neo-Institutionalismus innerhalb der So- ziologie (vgl. u. a. DiMaggio/Powell, 1991b; Walgenbach, 2002; Hasse/Krücken, 2005) und der Politikwissenschaft (vgl. u. a. March/Olson, 1984; Göhler, 1987), die Institutio- nenökonomie in den Wirtschaftswissenschaften (vgl. u. a. North, 1990; Ebers/Gotsch, 2002) oder ein Ansatz wie der akteurzentrierte Institutionalismus (vgl. Mayntz/Scharpf, 1995). Alle diese Ansätze sind sich einig in der hohen Bedeutung, die institutionelle Re- geln für die Gesellschaft, ihre Organisationen wie auch einzelne Individuen haben. Sie

1 Der Beitrag entstand innerhalb des Forschungsprojektes „Mediatization and structural change within political actors and organizations“, das im Rahmen eines Nationalen Forschungsschwer- punktes (NCCR) „Challenges to Democracy in the 21st Century“ am IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich durchgeführt und vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert wird. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen dieses Forschungszusammenhangs sowie den vier anonymen Gutachtern für ihre Hinweise – sie haben dem Beitrag gut getan. 563

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unterscheiden sich in ihren konkreten Definitionen des Institutionenbegriffs wie auch im Stellenwert, den sie Institutionen analytisch zuordnen – als abhängiger oder unab- hängiger Variable. Schimank (2000) hat Institutionen denn auch als „etwas analytisch Sperriges in der Mitte“ zwischen Akteuren und Strukturen bezeichnet, da sie je nach Fragestellung einem der beiden Pole zugeschlagen werden können (Schimank, 2000: 245–246). In dieser Breite des Institutionenbegriffs liegt jedoch sein theoriestrategischer Vorteil, bietet er doch die Chance, ihn als Brücke zu nutzen, um unterschiedliche Theo- rieansätze zwischen einzelnen sozialwissenschaftlichen Disziplinen wie auch den einzel- nen Theorieebenen (Makro-, Meso- und Mikroebene) zu verknüpfen und wechselseitig fruchtbar zu machen (vgl. Scharpf, 2000a: 762). In der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft ist eine solche Renaissance institutionalistischen Denkens (bislang jedenfalls) ausgeblieben. Dabei hat der Begriff der Institution in unserer Disziplin durchaus seine Geschichte: In seiner über ein Vier- teljahrhundert alten Definition des Begriffs „Medium“ weist Saxer darauf hin, dass es sich bei Medien nicht einfach um technische Verbreitungskanäle handelt, sondern um „komplexe institutionalisierte Systeme, um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen“ (Saxer, 1999: 6; zuerst Saxer, 1980). Institutionalisie- rung meint für Saxer dabei, dass Medien als „Erbringer entsprechender unentbehrlicher Leistungen ins gesellschaftliche Regelungssystem eingefügt“ werden, wobei die Typen der Institutionalisierung sich durch die Form von Kontrollen unterscheiden, denen Me- dien unterliegen (Saxer, 1999: 6, 10–11). In der amerikanischen Literatur ist die Charak- terisierung von Medien als Institutionen gebräuchlicher, wie gerade jüngste Publikatio- nen aus den Forschungsfeldern Organisationskommunikation (vgl. Lammers/Barbour, 2006) und Politische Kommunikation (vgl. die Sonderausgabe „New Institutionalism and the News“ der Political Communication, insbesondere die Beiträge von Ryfe, 2006; Sparrow, 2006; Cook, 2006) zeigen. Dass Medien gesellschaftlich institutionalisiert sind, ist sicher unbestritten. Aber sind sie auch Institutionen? Diese Frage wäre falsch gestellt, denn wir können nicht fragen, was Institutionen „eigentlich“ sind. Ein soziales Phänomen als eine Institution zu bezeichnen, ist eine theoretische Entscheidung, die von dem analytischen Kontext abhängig ist, in dem sie getroffen wird (vgl. u. a. Jepperson, 1991: 146; Türk, 1997: 145). Die Frage lautet vielmehr: Ist es plausibel und gewinnbringend, Medien als Institutionen zu denken und zur Bearbeitung kommunikationswissenschaftlicher Fragestellungen auf neue institutionalistische Theorieansätze zurückzugreifen? Der Beitrag plädiert dafür. Medien können und werden in der Kommunikationswissenschaft verschiedenartig auf- gefasst: als technische Verbreitungskanäle öffentlicher Kommunikation, als organisierte Akteure mit eigenen Präferenzen und als ein funktionales Teilsystem der Gesellschaft mit einer eigensinnigen Handlungsorientierung. Medien beinhalten alle diese Aspekte – sie lassen sich aber auch als ein eigenständiger Typ Institution begreifen. Gerade weil Medien „organisatorische Aspekte mit normativen Faktoren verknüpfen“ bilden sie ein Normen- und Regelsystem, das wesentlich zur Stabilisierung moderner (Medien-)Ge- sellschaften beiträgt (Jarren, 1996: 81; vgl. auch Jarren, 1998: 74). Die Breite institutionalistischen Denkens macht für diesen Beitrag zwei Beschrän- kungen notwendig. Die erste: Von den oben genannten institutionalistischen Ansätzen wird hier auf jene zurückgegriffen, die unter der Bezeichnung „Neo-Institutionalis- mus“ oder „New Institutionalism“ vorrangig in der soziologischen Organisationstheo- rie diskutiert werden. Anders als eine solche „-ismus“-Bezeichnung vielleicht sugge- riert, handelt es sich hierbei aber nicht um eine geschlossene Theorie, sondern um ein Bündel verschiedener Ansätze, die den Begriff der Institution sowohl theoretisch als

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auch methodologisch sehr unterschiedlich fassen (vgl. Tolbert/Zucker, 1999: 169). Zu unterscheiden ist etwa die Theorieebene, auf die Bezug genommen wird: Einerseits bilden Institutionen die Umwelten für Organisationen (Makroinstitutionalismus bzw. „environment-as-institution approach“), andererseits können Organisationen selbst als Institutionen für individuelle Akteure angesehen werden (Mikroinstitutionalismus bzw. „organisation-as-institution approach“) (vgl. Zucker, 1987: 444). Die zweite Beschrän- kung liegt darin, hier dem makroinstitutionalistischen Ansatz zu folgen und auf die Auswirkungen von (Medien als) Institutionen auf Organisationen unterschiedlicher Art zu fokussieren. Dahinter steht die Annahme, dass Lasswells Frage „with what effect?“ in der Kommunikationswissenschaft vor allem bezogen auf die Mikroebene von Individu- en und Gruppen gestellt wird, weniger jedoch auf der Mesoebene von Organisationen. Hier bestehen zweifellos theoretische wie empirische Lücken, die es zu füllen gilt und für die institutionalistische Ansätze hilfreich sein können (vgl. u. a. Theis-Berglmair, 1999; Jarren, 2003; sowie jüngst Lammers/Barbour, 2006). Mit diesem Fokus unterscheidet sich der Beitrag von der bereits angesprochenen Debatte in der amerikanischen Literatur, ob tagesaktuelle Medien (news media) als po- litische Institutionen zu charakterisieren sind und welche Folgen dies hat (vgl. grund- legend Cook, 1998; Sparrow, 1999; Schudson, 2002). Dort wird der Begriff der Institu- tion primär auf Organisationen als Kommunikatoren bezogen und nach Regeln gefragt, die für Nachrichtenproduzenten (wie Medienorganisationen, politische Akteure etc.) institutionelle Wirkung haben: „The news media as an institution occurs as consensus arises across organizations on the definition of news and on processes to make it, but in ways that may defy efficiency“ (Cook, 2006: 162) Ähnlich definiert Sparrow „mul- tivocals institutions“ als „those working news conventions that allow media firms […] to simultaneously resolve their economic, professional, and informational pressures“ (Sparrow, 2006: 149). Mich interessiert im Folgenden hingegen, welche Auswirkung solche Regeln der Medien auf andere Organisationen in der Gesellschaft und damit auf diese insgesamt haben. Der Aufbau des Beitrages folgt zwei Leitfragen: (1.) Was sind – aus der Sicht des Neo-Institutionalismus – Institutionen, und inwiefern lassen sich Medien als Institu- tionen klassifizieren? (2.) Welche Auswirkungen haben (Medien als) Institutionen auf Organisationen, welche Vorstellungen von Organisationen liegen dem zugrunde und welche Mechanismen werden dabei wirksam? Anhand der letzten beiden Teilfragen werden auch Unterschiede zwischen dem neo-institutionalistischen Denken und ande- ren Ansätzen der Kommunikationswissenschaft deutlich. In der Konklusion werden die wesentlichen Gewinne einer neo-institutionalistischen Perspektive auf Medien und ihre Auswirkungen auf Organisationen nochmals zusammengefasst.

2. Der Begriff der Institution

2.1 Institutionen als dauerhafte Regelsysteme Im soziologischen Neo-Institutionalismus werden Institutionen als dauerhafte Regel- systeme definiert, die soziales Handeln sowohl beschränken als auch ermöglichen. Dies wird an einigen zentralen Begriffsdefinitionen deutlich: „Institutionalized rules are classifications built into society as reciprocated typifications or inter- pretations […]. Such rules may be simple taken for granted or may be supported by public opinion or the force of law“ (Meyer/Rowan, 1977: 341).

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„Institutions are socially constructed, routine-reproduced […] program or rule systems. They op- erate as relative fixtures of constraining environments and are accompanied by taken-for-granted accounts“ (Jepperson, 1991: 149).

„We define institutions as shared rules and typifications that identify categories of social actors and their appropriate activities or relationships“ (Barley/Tolbert, 1997: 96).

„Institutions are symbolic and behavioral systems containing representational, constitutive and normative rules together with regulatory mechanisms that define a common meaning system and give rise to distinctive actors and action routines“ (Scott, 1994: 68).

Gerade die letztgenannte Definition von Scott (1994) macht darauf aufmerksam, dass Institutionen aus verschiedenen Typen von Regeln bestehen, die sich zumindest analy- tisch unterscheiden lassen, wenngleich Institutionen sich gerade dadurch auszeichnen, dass sich die Regeln aufeinander beziehen. Institutionen enthalten erstens normative Regeln in Form von Erwartungen darüber, wie Akteure sich verhalten sollen. Damit ist eine vorschreibende, bewertende und ver- pflichtende Dimension von Institutionen angesprochen (vgl. Walgenbach, 2002: 341). Scott bezeichnet jene Regeln als normativ „that stipulate expectations for behavior that are both internalized by actors and reinforced by the beliefs and actions of those with whom they interact“ (Scott, 1994: 67). Ihren Ausdruck finden normative Regeln in Rol- len oder organisatorischen Routinen, die von Akteuren meist unbewusst und routi- nisiert befolgt werden. Normative Regeln ermöglichen und stabilisieren das Handeln zwischen Akteuren durch wechselseitige Erwartungssicherheiten (vgl. auch Schimank, 2000: 245; Esser, 2000: 2). Institutionen enthalten zweitens Mechanismen in Form regulativer Regeln, durch die sie sich Geltung verschaffen können. Solche Regeln begrenzen und regulieren das Handeln von Akteuren, indem sie etwa die Wirkung von Normen durch Formen der Be- obachtung, Kontrolle und Sanktionierung erhöhen (vgl. Scott, 2001: 51–54; Walgenbach, 2002: 341). Regulative Regeln können sowohl Formen rechtlich formalisierter Regeln als auch informelle Formen sozialer Sanktionierung umfassen – oder wie in der oben zitierten Formulierung bei Meyer/Rowan (1977: 341): „Institutionalized rules […] may be supported by public opinion or the force of law“. Institutionen enthalten drittens konstitutive Regeln, welche soziale Sachverhalte wie Akteure und ihre Präferenzen überhaupt erst schaffen. Während regulative Regeln Aussagen über die Eigenschaften eines Phänomens machen, wird es durch konstitutive Regeln erst gebildet. Aus institutionalistischer Sicht können Organisationen ihre Ziele, Strukturen und Praktiken nicht selbstständig und beliebig wählen, da diese auf Akzep- tanz bei einzelnen Akteuren innerhalb wie außerhalb der Organisation und auch der Gesellschaft insgesamt stoßen müssen (vgl. Türk, 1997: 146). Institutionen enthalten viertens repräsentative Regeln, die auf gemeinsame Symbol- systeme und geteilte Bedeutungen zwischen Individuen wie Organisationen verwei- sen. Jepperson (1991: 149) nennt diese Regeln auch „taken-for-granted accounts“. Scott definiert sie als jene, „that involve shared logics or modes of reasoning that help to create shared understandings of reality that are ‚taken for granted’“ (Scott, 1994: 67). Gemeint sind also die Muster, nach denen Akteure sich ihre „Wirklichkeit“ konstruieren und sinn- haft erschließen. Zufällig und frei gewählte Formen des menschlichen Verhaltens neh- men als Institutionen für das Individuum wie auch für Organisationen einen bindenden Charakter an. Einmal institutionalisiert, erscheinen bestimmte soziale Praktiken als eine Tatsache, als Teil der objektiven Realität (vgl. Zucker, 1977: 726; Zucker, 1987: 444).

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Für den soziologischen Neo-Institutionalismus ist insbesondere der konstitutive Aspekt institutioneller Regeln von zentraler Bedeutung. Institutionen werden als unab- hängige Variable betrachtet, was den Neo-Institutionalismus insbesondere von einigen früheren institutionalistischen Ansätzen der Soziologie (vgl. DiMaggio/Powell, 1991a: 8) wie auch vom Ansatz der Institutionenökonomie unterscheidet. Die Institutionen- ökonomie geht als ökonomische Theorie vom Individuum aus. Institutionen werden definiert als „rules of the game in a society or, more formally, are the humanly devised constraints that shape human interaction“, die aber von Individuen geschaffen und verändert werden („a creation of human beings“, North, 1990: 3–5). Genau anders her- um argumentiert der organisationssoziologische Neo-Institutionalismus: Akteure sind immer institutionell geprägt, und bereits die Ausbildung ihrer Präferenzen geschieht in Abhängigkeit von den institutionellen Umwelten, in denen sie agieren: „Institutions do not just constrain options; they establish the very criteria by which people discover their preferences“ (DiMaggio/Powell, 1991a: 10–11; vgl. auch Scharpf, 2000b: 79). Erst dadurch, dass sie soziales Handeln ermöglichen, werden soziale Regelsysteme zu In- stitutionen (vgl. auch Kappelhoff, 2002: 63). Barley/Tolbert (1997) haben Institutionen daher treffend mit der Grammatik einer Sprache verglichen: „Institutions are to social action as grammars are to speech“ (Barley/Tolbert, 1997: 96–97) – ohne das Regelwerk von Institutionen wären soziale Handlungen wie einzelne Wörter, die keine Bezüge zueinander entwickeln können. Die Entstehung von Institutionen wird im organisationssoziologischen Neo-Institu- tionalismus zwar auf das Handeln von Akteuren zurückgeführt, aber nicht zwingend auf deren Intentionen: „While institutions are certainly the result of human activity, they are not necessarily the products of conscious design“ (DiMaggio/Powell, 1991a: 8). Es wird nicht ausgeschlossen, dass Akteure und ihre Interessen bei der Entstehung und Reproduktion von Institutionen eine wichtige Rolle spielen können. Im Gegenteil: Institutionen können nur dann entstehen und sich durchsetzen, wenn sie von Akteuren unterstützt werden, und Prozesse der Institutionalisierung sind auch – aber eben nicht nur – von Akteuren abhängig, die als „institutional entrepreneurs“ bezeichnet werden können (vgl. DiMaggio, 1988: 13; Powell, 1991: 191). Dabei ist jedoch eine zeitliche Verschiebung zu berücksichtigen: Institutionen sind in der Regel ein Ausdruck früherer Praktiken und Denkweisen, die heutige Handlungen konditionieren (vgl. Barley/Tol- bert, 1997: 99). Durch die Betonung dieser zeitlichen Differenz unterscheidet sich der Neo-Institutionalismus von der Strukturationstheorie Giddens’, bei dem Strukturen dem Handeln innerlich sind, also im Handeln selbst entstehen (vgl. Giddens, 1995). Der Neo-Institutionalismus differenziert Handeln und Strukturen zeitlich und fragt danach „how choices made at one point in time create institutions that generate recognizable patterns of constraints and opportunities at a later point“ (Powell, 1991: 188). Die Reproduktion von Institutionen erfolgt im Verständnis des Neo-Institutionalis- mus nicht primär durch bewusstes Handeln von Akteuren, sondern durch ritualisiertes „Abarbeiten“ (vgl. Hasse/Krücken, 2005: 90). Insbesondere Jepperson (1991) vertritt die Position, dass Akteure gegenüber Institutionen nicht intentional handeln, sondern sie in habitualisierter Form vollziehen: „One enacts institutions; one takes action by departing from them, not by participating in them“ (Jepperson, 1991: 149). Der Begriff „to enact“ hat dabei im Englischen eine doppelte Bedeutung, die durch keine deutsche Übersetzung adäquat wiedergegeben werden kann – er bedeutet sowohl „aufführen“, „inszenieren“ als auch „verfügen“, „verordnen“. Wenn institutionalisierte Regeln in ha- bitualisierter Form vollzogen oder abgearbeitet werden, so erlangen sie zugleich soziale Gültigkeit.

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2.2 Der Status von Medien als Institutionen Medien sind analytisch als Institutionen anzusehen, da sie als dauerhaft angelegte Re- gelsysteme soziales Handeln begrenzen und ermöglichen und im Sinne aller vier aufge- zeigten Typen institutioneller Regeln auf Organisationen einwirken. Medien wirken auf Organisationen normierend ein, indem sie die Einhaltung nor- mativer Vorgaben und die Schaffung von wechselseitiger Erwartungssicherheit ermög- lichen. Diese normative Wirkung von Medien ist nicht nur ein Ergebnis ihrer Bericht- erstattung, sondern bereits ihrer bloßen Existenz: Alle gesellschaftlich relevanten Or- ganisationen müssen permanent mit einer Medienberichterstattung über sich rechnen und sind gezwungen, sich präventiv auf eine solche einzustellen. Dies geschieht etwa durch strukturelle Veränderungen, wie dem Aufbau von Umweltbeobachtungen oder Kommunikationsabteilungen (vgl. u. a. Jarren, 2001: 10). Die Beobachtung, von Me- dien beobachtet zu werden oder jederzeit werden zu können, ist darüber hinaus für den Ausbau von normativen Erwartungssicherheiten in hohem Maß relevant. Hierauf hat, aus einer systemtheoretischen Perspektive, insbesondere Marcinkowski aufmerk- sam gemacht (vgl. Marcinkowski, 2001, 2002): Medien ermöglichen Organisationen die Beobachtung, selbst beobachtet zu werden und sich als Teil der Umwelt anderer Orga- nisationen zu sehen. Diese Beobachtung zweiter Ordnung ist die Grundlage dafür, Er- wartungen anderer Organisationen überhaupt wahrzunehmen und das eigene Handeln auf diese Erwartungen hin auszurichten. Medien wirken auf Organisationen regulierend ein, in dem sie Handlungsverläu- fe strukturieren und Handlungsmöglichkeiten begrenzen. Eine der bekanntesten und wichtigsten Formen der Regulierung sind sicherlich die Nachrichtenfaktoren, die re- lativ verlässlich festlegen, über welche Ereignisse Medien berichten und wie Akteure Kommunikationsangebote aufbauen müssen, um von den Medien beachtet zu werden (vgl. u. a. Eilders, 1997). Nachrichtenfaktoren begrenzen damit die Kommunikations- möglichkeiten der Akteure, vor allem derjenigen, die mit ihren Themen auf öffentliche Resonanz angewiesen sind. Medien wirken auf Organisationen konstitutiv ein, und dies bereits dadurch, dass sie keine einfachen und neutralen „Vermittler“ gesellschaftlicher Kommunikation, sondern sinn- und bedeutungsgenerierende Systeme sind. Medienkommunikation konstituiert und transformiert das Handeln von Akteuren ebenso wie ganzer Teilsysteme durch die Allokation von Sinn (vgl. Saxer, 2004: 152). Sie strukturiert die Wahrnehmung von Akteuren ebenso wie ihre Präferenzen. Dies beginnt bereits damit, dass Organisationen ihre Umwelt wesentlich anhand massenmedialer Berichterstattung wahrnehmen, also ähnlich wie Individuen ihr Wissen über die Welt aus Medien beziehen. Auch die gesell- schaftlichen Anforderungen, die an Organisationen gestellt werden, werden zu einem großen Teil über die Medien an diese vermittelt. Die Logiken der Medien, ihre Selek- tions-, Präsentations- und Interpretationsregeln formen damit auch die Wahrnehmung der organisationalen Umwelten. Organisationen nehmen damit auch wahr, dass ihre Wirkung auf Medien relevant ist. „How will it play at the media?“ (so eine Formulierung von Blumler/Kavanagh, 1999: 214) kann für Organisationen eine entscheidende Frage im Prozess der Zielfindung werden, in dem bestimmte Ziele möglicherweise nicht mehr verfolgt werden, weil sie sich nicht darstellen lassen oder gegenüber den medialen Beobachtern der Organisation „schlecht rüberkommen“. Solche Verschiebungen werden sich auch strukturell nieder- schlagen, indem sich etwa Regeln zwischen den Akteuren bilden (Beispiel: Wer spricht für die Organisation?) und entsprechende Ressourcen neu verteilt werden.

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Medien als Institutionen wirken aber nicht nur auf die Konstitution bestehender Organisationen ein, sondern durch sie werden auch neue Akteure und Akteurstypen konstituiert. Rund um die massenmediale Kommunikation von Organisationen, sei es intern oder extern, haben sich eine Vielzahl von Berufsrollen (Sprecher, Berater etc.) und Organisationen (PR-Agenturen, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen etc.) gebildet. Durch diese Akteure wird, wie noch gezeigt werden wird, ein normativer Druck auf Organisationen ausgeübt. Die Auswirkung von Medien auf Organisationen lässt sich schließlich dadurch cha- rakterisieren, dass Organisationen wie Individuen eine Vorstellung davon haben, wie Medien funktionieren und welche Wirkung sie entfalten können. Diese Annahmen wer- den vielfach nicht hinterfragt, sondern sind als repräsentative Regeln oder Selbstver- ständlichkeiten internalisiert. Auf diesen Aspekt der Medienlogik haben Altheide und Snow bereits 1979 hingewiesen: „Existing media logic is so incorporated into contem- porary urban society that media professionals and the public take for granted that ,see- ing‘ social phenomena through media logic is ,normal‘. To this extent, media logic may ,cultivate‘ a media consciousness as well as a media culture“ (Altheide/Snow, 1979: 236). Gerade aus dieser „taken for grantedness“ heraus können Medien ihre Wirkung auf die Gesellschaft entfalten: „Media are powerful because people have adopted a media logic. Since people perceive, interpret, and act on the basis of the existing media logic, that logic has become a way of life“ (Altheide/Snow, 1979: 237). Medien wirken bereits durch die Annahme einer hohen Medienwirkung, die von den Organisationen nicht mehr hinter- fragt, sondern stillschweigend vorausgesetzt wird. In der Wirkungsforschung ist dieser Zusammenhang unter dem Stichwort „influence of presumed influence“ diskutiert wor- den (vgl. Gunter/Storey, 2003). Der kognitive Aspekt von Medien als Institutionen zeigt sich auch daran, dass es zwischen einzelnen Ländern und Kulturkreisen erhebliche Unterschiede im Verständ- nis von Medien und ihren Funktionen gibt, die sich nicht auf die Interessen handelnder Akteure zurückführen lassen. Wir können beispielsweise mit Hallin/Mancini (2004) verschiedene auch kulturell geprägte Modelle von Mediensystemen unterscheiden: Ein „mediteranes“ oder polarisiert pluralistisches Modell, in dem politische Konfliktlinien einen starken Niederschlag im Mediensystem finden (political parallelism), ein „nord- europäisches“ oder demokratisch korporatives Modell, in dem sich die Presse historisch von den Parteien gelöst hat und der öffentliche Rundfunk eine tragende Rolle spielt, sowie ein „nordatlantisches“ oder liberales Modell, in dem die Medien stark kommer- zialisiert und politisch neutraler sind als in den anderen Modellen (vgl. Hallin/Mancini, 2004). Auf die Bedeutung kultureller Normen in der politischen Kommunikation weist auch Pfetsch (2003) hin und unterscheidet medienorientierte, PR-orientierte, strategi- sche und (partei)politische Typen von Kommunikationskulturen (vgl. Pfetsch, 2003: 52). Diese Kommunikationskulturen basieren für Pfetsch auf Interaktionsbeziehungen zwischen Medien und Politik. Sie sind institutionell damit erklärbar, da aus früheren wechselseitigen Wahrnehmungen und Interaktionen einzelner Akteursgruppen Regeln erwachsen, die auch ihr heutiges Verhältnis zueinander noch prägen. Solche Interak- tionsorientierungen sind damit nicht „rational“ oder durch Modelle rationaler Wahl erklärbar, sondern man muss ihre Geschichte, ihren institutionellen Pfad kennen, um sie zu verstehen. Für die „media logic“ wie für andere institutionalisierte Regelsysteme gilt: Sie sind Produkte früheren sozialen Handelns, aber nicht zwingend intentional geplant. Medien und ihre institutionellen Regeln haben sich in bestimmten historischen Kon- stellationen und unter Mitwirkung bestimmter „institutional entrepreneurs“ gebildet, später jedoch unabhängig von diesen Akteuren und eigendynamisch weiter entwickelt.

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3. Institutionen und Organisationen

3.1 Organisationsverständnis des Neo-Institutionalismus Der Neo-Institutionalismus baut auf älteren institutionalistischen Ansätzen wie insbe- sondere jenem von Selznick auf, entwickelt ihn aber weiter. Ein relevanter Unterschied zwischen „altem“ und „neuem“ Institutionalismus ist das Organisationsverständnis: „Whereas the old institutionalism viewed organizations as organic wholes, the new in- stitutionalism treats them as loosely coupled arrays of standardized elements“ (DiMag- gio/Powell, 1991a: 14). Organisationen bilden im Verständnis des Neo-Institutionalis- mus keine geschlossenen Akteure, Vorstellungen zielgerichtet und effizient handelnder Organisationen werden zurückgewiesen (DiMaggio/Powell, 1991a: 8). Vielmehr wer- den Organisationen primär als offene und nur lose gekoppelte Handlungssysteme be- trachtet, als „congeries of interdependent flows and activities linking shifting coalitions of participants embedded in wider material-resource and institutional environments“ (Scott, 2003: 29; vgl. auch Weick, 1985: 161–170). Ein häufig genannter Bezugspunkt ist Weicks prozessorientierter Ansatz des „Organizing“, der davon ausgeht, dass sich Organisationen zunächst auf Basis gemeinsamer Mittel bilden und erst danach aus den verschiedenen Zielen ihrer Teilnehmer gemeinsame Ziele entwickelt werden. Mitunter werden Ziele auch erst retrospektiv entwickelt. Das wichtigste gemeinsame Ziel ist für Weick die Erhaltung der Organisationsstruktur, die gemeinsame Mittel bereitstellt (vgl. Weick, 1985: 133–138). Für die Erhaltung der Organisationsstruktur, das „Überleben“ der Organisation, ist aus Sicht des Neo-Institutionalismus ihre Legitimität zentral. Organisationen sind nicht in der Welt, weil sie individuellen Optimierungskalkülen entstammen, sondern weil sie institutionellen Ansprüchen entsprechen – so lässt sich das Organisationsbild mit Türk (1997: 151) auf den Punkt bringen. Legitimität als Leitbegriff des Neo-Insti- tutionalismus kann dabei mit Suchman definiert werden als „generalized perception or assumption that the actions of an entity are desirable, proper, or appropriate within some socially constructed system of norms, values, beliefs, and definitions“ (Suchman, 1995: 574). Rationalität hingegen ist für die Neo-Institutionalisten keine eigenständige Variable, sondern von den jeweiligen institutionellen Strukturen abhängig, in der sie definiert wird (vgl. Meyer/Rowan, 1977: 343). Sobald als rational geltende Regeln in der Umwelt von Organisationen institutionalisiert sind, übernehmen Organisationen diese und fügen sie in ihre formalen Strukturen ein – und dies unabhängig davon, ob diese formalen Strukturen für sie effizient sind. Schimank (2002: 49) hat dafür den treffenden Begriff der Rationalitätsfiktion geprägt. Der Neo-Institutionalismus geht somit zusam- mengefasst davon aus, dass Organisationen, ihre Strukturen, Verfahren und sogar ihre Ziele und Präferenzen institutionell konstituiert werden, dass institutionelle Regeln wie „Fakten“ in das soziale Leben eingehen und deren Stabilität durch die Ausbildung von Erwartungsstrukturen sichern (Walgenbach, 2002: 320–323). Damit unterscheidet sich das Organisationsverständnis des Neo-Institutionalismus auch deutlich von einem Bild geschlossener Organisationen, wie es etwa Luhmanns Theorie selbstreferentieller Systeme zeichnet. Luhmann begreift Organisationen als operativ geschlossene Systeme, die Entscheidungen kommunizieren (vgl. Luhmann, 1997: 830; Luhmann, 2000: 63). Die Grenzen zwischen Organisation und Umwelt er- scheinen eindeutig, die Mitgliedschaft in einer Organisation bedeutet nach diesem Ver- ständnis Kohärenz und Integration: „Jeder kann immer auch anders handeln und mag den Wünschen und Erwartungen entsprechen oder auch nicht – aber nicht als Mitglied

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einer Organisation. Hier hat es sich durch Eintritt gebunden“ (Luhmann, 1997: 829). Damit wird die integrative Wirkung von Organisationen, die Bindung ihrer Mitglieder allein durch den Eintritt, sicherlich überschätzt. Insbesondere bei Organisationen, deren Basis gemeinsame Interessen bilden, reicht eine Bindung durch die Mitgliedschaftsregel vermutlich nicht aus, um eine kohärente Organisation zu bilden. Kohärenz und Hand- lungsfähigkeit von Organisationen werden vielmehr erst durch konfliktreiche Aushand- lungsprozesse in der Organisation selbst hergestellt.

3.2 Institutionen und Organisationen im Neo-Institutionalismus In den frühen, klassischen Texten des Neo-Institutionalismus wurde das Verhältnis von Institutionen und Organisationen sehr deterministisch dargestellt, wurden Organisa- tionen als Gefangene eines „iron cage“ aus institutionellen Anforderungen beschrieben (vgl. DiMaggio/Powell, 1983), deren Überleben davon abhängig ist, inwieweit sie ihren Umweltanforderungen entsprechen: „Organizations that incorporate societally legiti- mated rationalized elements in their formal structures maximize their legitimacy and increase their resources and survival capabilities“ (Meyer/Rowan, 1977: 352; vgl. auch Zucker, 1987: 445). Für die Durchsetzung institutionalisierter Regelsysteme auf der Ebene von Organi- sationen sorgen aus Sicht dieser frühen Texte des Neo-Institutionalismus drei zentrale Mechanismen: Zwang, normativer Druck und Imitation (vgl. Meyer/Rowan, 1977: 341; DiMaggio/Powell, 1983: 151–152). Alle drei Mechanismen gemeinsam sorgen dafür, dass sich Strukturen und Praktiken von Organisationen einander immer mehr annähern (Homogenisierungsthese). − Mit Zwang (coercive isomorphism) meinen DiMaggio und Powell nicht nur rechtli- che, sondern auch kulturelle Erwartungen an eine Organisation, die sowohl von au- ßen, d. h. von ihrer Umwelt, als auch von innen, d. h. von den Teilnehmern ausgehen können. „Such pressures may be felt as force, as persuasion, or as invitations to join in collusion“ (DiMaggio/Powell, 1983: 150). − Normativer Druck (normative isomorphism) wird nach DiMaggio/Powell vor allem von Professionen oder Angehörigen bestimmter Berufsgruppen erzeugt, im Zuge eines „collective struggle of members of an occupation to define the conditions and methods of their work, to control ,the production of producers‘ […], and to establish a cognitive base and legitimation for their occupational autonomy“ (DiMaggio/Pow- ell, 1983: 152). − Imitation (mimetic isomorphism) kommt vor allem als Reaktion auf Unsicherheit zum Tragen. Bei unklaren Zielen und unsicheren Umweltbedingungen imitieren Or- ganisationen die Strukturen anderer Organisationen, die sie für erfolgreich halten. In ihrer Zuspitzung wird die These einer völligen Abhängigkeit der Organisationen von ihren institutionellen Umwelten heute nicht mehr vertreten. Vielmehr dominiert heute die Einsicht einer Pluralität institutioneller Umwelten: „It is strongly implied that there is not one but many institutional environments and that some would-be sources of rationalized myths may be in competition if not conflict“ (Scott, 1991: 167). Zugespitz- ter noch Sparrow: „Institutions […] may abrade or even clash with each other“ (Spar- row, 2006: 148). Mit Scott (1991) ist davon auszugehen, dass Organisationen gewisse Wahlmöglichkeiten haben, auf welche ihrer institutionellen Umwelten sie mit welchen Veränderungen ihrer organisatorischen Strukturen reagieren. Man könnte ergänzen: Organisationen müssen sich bei widersprechenden institutionellen Anforderungen ent- scheiden, welchen sie folgen. Die Möglichkeit, auf institutionelle Anforderungen zu

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reagieren, ist in diesem Sinne nicht nur eine Freiheit, sondern kann auch eine Belastung sein. In wichtigen Studien diskutieren Oliver und Suchman mögliche Strategien von Or- ganisationen gegenüber institutionellen Anforderungen (Oliver, 1991; Suchman, 1995). Oliver betont dabei vor allem den Stellenwert von Kompromissen, die notwendig sind, wenn Organisationen mit unterschiedlichen oder gar widersprüchlichen institutionel- len Anforderungen konfrontiert werden oder diese in offensichtlichem Widerspruch zu Organisationszielen stehen. Die Strategie des Kompromisses besteht meist darin, die einzelnen Ansprüche untereinander auszuhandeln und in Balance zu halten. Suchman (1995) hingegen verweist darauf, dass auch die Leitung einer Organisation einen Einfluss darauf habe, ob und inwieweit Strukturen und Praktiken der Organisation als legitim wahrgenommen werden. Die institutionelle Prägung von Organisationen zeigt sich auch an ihrer Pfadabhän- gigkeit. Organisationen tragen in ihren Strukturen und Praktiken die institutionellen Regeln ihrer Gründung in sich. Diese können nicht einfach verändert oder „abgeschüt- telt“ werden, sondern sind die Ursache dafür, dass Organisationen mitunter nur müh- sam auf Veränderungen ihrer Umwelt reagieren können.

3.3 Auswirkungen von Medien auf Organisationen Die drei zentralen Mechanismen Zwang, normativer Druck und Imitation, durch die sich institutionelle Regeln auf der Ebene von Organisationen durchsetzen, lassen sich auch auf das Verhältnis von Organisationen und Medien als Teil ihrer institutionellen Umwelt anwenden. Der Mechanismus des Zwangs entspricht auf der einen Seite dem, was häufig mit dem Begriff einer „Macht der Medien“ gemeint ist: Medien verfügen über Selektions-, Präsentations- und Interpretationsregeln, die Organisationen kennen und beachten müssen, wenn sie ihre Aufmerksamkeit und eine in ihrem Sinne positive Thematisierung erreichen wollen. Diese Regeln sind für Organisationen selbstverständlich und wer- den kaum hinterfragt. Damit erreichen Medien, dass ihr Status als Institutionen immer wieder reproduziert wird: „It is the taken-for-grantedness of the media in conjunction with their place in the political system and the implicit or explicit values that are pub- licized – and therefore legitimated – in print and video form that enable media firms to reproduce a world that favors their own continued prominence“ (Sparrow, 2006: 151). Auf der anderen Seite geht der Zwang zur Beachtung medialer Regeln auch von innen aus, etwa dann, wenn von Mitgliedern einer Organisation eine positive Thematisierung in den Medien erwartet wird. Dies ist vor allem für politische Organisationen der Fall, deren Leistungen von den Mitgliedern auch anhand ihrer Präsenz in den Medien beur- teilt wird. Der Mechanismus des normativen Drucks geht in der Sichtweise von DiMaggio/ Powell vor allem von Berufsrollenträgern aus, die nach Autonomie, Kontrolle und Le- gitimation streben. Auch dieser Mechanismus lässt sich auf das Verhältnis von Medien als Institutionen und Organisationen übertragen und am Beispiel der Public Relations demonstrieren. PR-Akteure unterstützen die Bedeutung der institutionellen Regeln des Mediensystems aus eigenen Interessen heraus, da sie Legitimität für ihr berufsspezifi- sches Wissen erreichen wollen und schlicht davon leben, dass sie diese Regeln kennen und anwenden können. Sie fördern damit zugleich die Homogenisierung innerhalb be- stimmter Felder, da das Wissen über Techniken, Instrumente und Wirkungen der Öf- fentlichkeitsarbeit von Organisationen weitgehend standardisiert wird. Die Legitimität von PR-Maßnahmen entwickelt sich in Netzwerken der Berufsangehörigen und im

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Bildungsbereich, zum Beispiel auch an den Universitäten. Auf öffentliche Unterstüt- zung angewiesene Organisationen greifen dann auf ein weitgehend homogenes Set an Möglichkeiten zurück, die gesellschaftlich als legitim erachtet werden und mit denen sie auf massenmediale Beobachtung reagieren können. Der Mechanismus der Imitation kommt schließlich dann zum Tragen, wenn Organi- sationen andere Organisationen und deren Kommunikation beobachten und aus Unsi- cherheit bestimmte Strukturen und Praktiken übernehmen. Dieser Mechanismus ist vor allem dann wirksam, wenn solche Strukturen und Praktiken von anderen Beobachtern, wie Beratungsfirmen oder auch der Wissenschaft, als „best practice“-Modelle geadelt wurden, oder wenn sie mit (zumeist englischsprachigen) Begriffen belegt werden, durch die sich Modernität suggerieren lässt. An dieser Stelle wird der Unterschied zwischen neo-institutionalistischen Ansätzen und Sichtweisen deutlich, welche Organisationen primär als rationale Handlungssyste- me begreifen. Es zeigt sich an Begriffen wie Kommunikationsmanagement, Strategie, Planung, Effizienz etc.: Das rationale Organisationsverständnis geht grundlegend davon aus, dass Organisationen ihr Verhältnis zu Medien auf Basis ihrer eigenen Ziele planen und steuern können. Veränderungen der Organisationen als Folge ihrer Kommunika- tionsaktivitäten – etwa der Aufbau organisatorischer Strukturen wie PR-Abteilungen und entsprechende Praktiken – ist dann ein Instrument jener Organisationsziele und von diesen abgeleitet. Der Neo-Institutionalismus dreht diese Argumentationskette um: Ziele von Organisationen werden erst in Abhängigkeit von ihren institutionellen Um- welten intern ausgehandelt, und Organisationen, ihre Strukturen wie Praktiken, sind auch durch Managementaktivitäten nur begrenzt gestaltbar. Die institutionelle Prägung und Pfadabhängigkeit von Organisationen, die nur lose Verbundenheit ihrer einzelnen Teile sowie deren Resistenz gegenüber zentralen Steuerungsbemühungen nehmen aus dieser Sicht Begriffen wie einem „strategischen Kommunikationsmanagement“ den ana- lytischen Gehalt. Auf der anderen Seite wird in der Literatur die Medienwirkung auf Organisationen mitunter pauschal als eine passive Anpassung von Organisationen an die Medienlogik beschrieben. Deutlich wird dies beispielsweise in der Diskussion um eine mögliche Medialisierung politischer Organisationen (vgl. Donges, 2005). Medialisierung wird dabei definiert als „Folge der Anpassung politischer Organisationen und Akteure an die System- und Handlungslogik der Massenmedien“ (Westerbarkey, 1995: 155; vgl. auch Schulz, 2004: 89). Dieses Verständnis einer passiven Anpassung übersieht die vom Neo-Institutionalismus betonte Pluralität institutioneller Umwelten sowie den Charak- ter von Organisationen als offenen Handlungssystemen: Medien sind zwar gerade für politische Organisationen eine wichtige, aber nicht die einzig relevante institutionelle Umwelt. Sie lösen zudem andere Regelsysteme, etwa des Politischen, nicht ab, sondern ergänzen sie (vgl. Marcinkowski, 2005: 346). Organisationen bewegen sich immer in Räumen mit unterschiedlichen institutionellen Anforderungen, denen sie zwar Rech- nung tragen müssen, ihnen bleiben aber insbesondere bei widersprüchlichen Anforde- rungen Handlungsoptionen – und damit auch Handlungsdilemmata. Schließlich können auch die institutionellen Anforderungen, die von Medien ausge- hen, unterschiedlich bzw. in sich widersprüchlich sein. Zwar haben Medien als Institu- tionen bestimmte Organisationsbedingungen, Nachrichtenwerte, Produktionsroutinen und Formatzwänge gemeinsam, sie unterscheiden sich aber auch – denken wir nur an unterschiedliche Ausprägungen von Unterhaltungsorientierungen. Die entscheidende Frage ist also nicht, wie sich Organisationen einer Medienlogik anpassen, sondern wie sie die Anforderungen unterschiedlicher institutioneller Umwelten ausbalancieren, aus

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denen sie Unterstützung und Legitimität beziehen. Aus Sicht der Organisation sind Widersprüche in den institutionellen Umwelten immer mit Konflikten verbunden und zwingen sie dazu, einzelne Strukturen und Praktiken voneinander zu entkoppeln (zum Begriff des „decoupling“ vgl. Meyer/Rowan, 1977: 357). Entkopplung ermöglicht es der Organisation, legitimierte formale Strukturen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die tatsächlichen Organisationsaktivitäten flexibel zu gestalten (vgl. auch Walgenbach, 2002: 338–340). Übertragen auf die Frage der Medienwirkung und der Kommunikati- on von Organisationen kann der Begriff der Entkopplung auch so verstanden werden, dass Organisationen gegenüber einzelnen institutionellen Umwelten unterschiedlich kommunizieren und handeln. In der Kommunikationswissenschaft wird dies häufig als Inszenierung bezeichnet. Der Begriff der Inszenierung ist allerdings nicht unpro- blematisch, setzt er doch Authentizität als sein Gegenteil und damit ein realistisches Erkenntnismodell voraus.

4. Konklusion: Auswirkungen von Medien auf Organisationen aus neo-institutionalistischer Perspektive Der Beitrag plädiert dafür, dass es sowohl plausibel als auch gewinnbringend ist, Medien als Institutionen zu denken und in der Kommunikationswissenschaft mit neuen insti- tutionalistischen Theorieansätzen zu arbeiten. Dieser Gewinn wurde anhand der Frage diskutiert, welche neuen oder anderen Perspektiven sich aus Sicht eines dieser Ansätze, dem organisationssoziologischen Neo-Institutionalismus, in Bezug auf die Frage erge- ben, welche Auswirkungen Medien auf Organisationen haben. Medien lassen sich als Institutionen charakterisieren. Sie sind auf Dauer angelegte, durchsetzungsfähige Regelsysteme, die normative Erwartungen schaffen, Mechanismen für ihre Durchsetzung beinhalten, Akteure konstituieren und bei bestehenden Organi- sationen Wahrnehmung, Präferenzbildung und Strukturen beeinflussen. Aus Sicht von Organisationen schafft und sichert die Befolgung dieser Regeln Legitimität, und dies sowohl nach außen (im Verhältnis zur Gesellschaft wie zu anderen Organisationen) wie nach innen (im Verhältnis zu Mitgliedern, Mitarbeitern etc.). Medien wirken da- mit auf Organisationen nicht nur in Form konkreter Berichterstattung ein, sondern bereits durch ihre Existenz, durch die von der Organisation und ihrer Teile antizipierte Möglichkeit, Gegenstand von Berichterstattung zu werden. Der institutionelle Zugang macht darauf aufmerksam, dass Medien ihre Wirkung auf Organisationen nicht selbst- ständig entfalten, sondern vermittelt durch die Wahrnehmung und Interpretation von Akteuren. Dabei sind Organisationen nicht als geschlossene und zielorientierte Akteure zu denken, sondern als offene und lose gekoppelte Handlungssysteme, in denen gemeinsa- me Ziele erst ausgehandelt werden müssen. Medien als institutionelle Umwelt können für einzelne Teile dieses Handlungssystems unterschiedlich relevant sein. Diejenigen Teile innerhalb einer Organisation (Funktionsbereiche, Abteilungen, Personen), denen Medien und ihre Berichterstattung ein hohes Maß an Legitimität – und damit auch an Autonomie und Ressourcen – verschaffen, werden bemüht sein, Kommunikation als zentrale Aufgabe für die Organisation insgesamt zu definieren. Gleiches gilt für exter- ne Berater, Agenturen etc.: Institutionen schaffen Akteure, die an ihrer Durchsetzung mitwirken. Auch die Kommunikationswissenschaft spielt hier keine neutrale Rolle. Sie fördert die Durchsetzung bestimmter institutioneller Regeln, etwa mit dem Insistie- ren darauf, wie wichtig eine „gute“ öffentliche Kommunikation für Organisationen ist, mit Begriffen wie „strategisches Kommunikationsmanagement“ oder mit dem Verweis

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auf entsprechende „best practice“-Lösungen etc. Die auf diese Weise auch akademisch geadelten und mit Legitimität versehenen Strukturen und Praktiken werden dann von Organisationen imitiert und in entsprechende Programme umgesetzt. Es entsteht eine Pfadabhängigkeit, die nur partiell und über einen längeren Zeithorizont hinweg beein- flusst werden kann. Strukturen und Praktiken von Organisationen nähern sich einander an und werden zunehmend homogener – so die zentrale, empirisch zu prüfende These des Neo-Institutionalismus. Medien sind aber selbstverständlich nicht die einzige Quelle institutioneller Regeln in der Umwelt von Organisationen. Diese sind in der Regel gezwungen, mehreren insti- tutionellen Ansprüchen zugleich gerecht zu werden und entsprechende Anforderungen auszubalancieren. Sie agieren, um ein Stichwort der Öffentlichkeitsforschung aufzugrei- fen, in verschiedenen Arenen mit je unterschiedlichen Regeln, die sie alle zugleich kaum konsistent bedienen können. Organisationen müssen aber, wenn sie aus verschiedenen institutionellen Quellen Legitimität und Unterstützung erhalten, zumindest so tun als ob. Medien als Institutionen fördern damit innerhalb von Organisationen Konflikte – sowohl zwischen ihren einzelnen Teilen als auch zwischen ihnen und verschiedenen institutionellen Umwelten. Zu den institutionellen Anforderungen, die an Organisationen gestellt werden, ge- hört es auch, ein rationales und zielorientiertes Handlungssystem zu sein. Von Organi- sationen wird kollektive Handlungsfähigkeit, Geschlossenheit, die Existenz einer Stra- tegie etc. institutionell erwartet. Nur wenige Organisationen würden sich selbst als lose gekoppelte Handlungssysteme darstellen, die jeweils situativ Entscheidungen treffen. Hierin liegt die große Bedeutung von Kommunikation für Organisationen begründet: Sie müssen ihre kollektive Handlungsfähigkeit, ihre Ziele als Gesamtorganisation immer wieder neu kommunikativ herstellen, und dies nach innen wie nach außen. Das heißt: Organisationsziele existieren nicht aus sich heraus, sondern sie sind das Ergebnis einer kommunikativen Reaktion von Organisationen auf institutionelle Anforderungen. Or- ganisationen sind auch nicht per se handlungs- oder gar strategiefähig. Aber sie müssen Handlungsfähigkeit und Geschlossenheit zumindest erfolgreich suggerieren. Und dies auch gegenüber den Medien als Teil ihrer institutionellen Umwelt.

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Christoph Klimmt / Kerrin Bartels / Helmut Scherer

Die von der GEZ erhobene Rundfunkgebühr ist das zentrale Element zur Finanzie- rung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Ihre Erhebung begleitet die GEZ mit Kommunikationsmaßnahmen, die säumigen Zahler/inne/n negative Konse- quenzen androhen (Persuasionsstrategie des Furchtappells). Der vorliegende Beitrag argumentiert dagegen für einen auf Einsicht und Überzeugung zielenden Kommuni- kationsansatz zur Werbung für die Rundfunkgebühr und begründet diese Alternative sowohl normativ-demokratietheoretisch als auch wissenschaftlich-persuasionstheore- tisch. Eine experimentelle Studie mit 313 jungen Erwachsenen demonstriert die grund- sätzliche Überlegenheit einer auf Einsicht setzenden Persuasionsstrategie in Bezug auf die Veränderung von Einstellungen gegenüber Rundfunkgebühr und GEZ und fördert zugleich komplexe Wechselwirkungen zwischen Persuasionsstrategie, Bildungsgrad und Geschlecht zu Tage.

Schlagwörter: Rundfunkgebühr, GEZ, öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Rundfunk- finanzierung, Persuasion, Werbung, Werbewirkung, kollektive Güter, Experiment, Furchtappell

1. Problemstellung Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird in Deutschland wie in vie len anderen Ländern von allen Bürger/inne/n, die ein Empfangsgerät bereithalten, eine Gebühr erhoben. Die Zahlung dieser Gebühr ist verpflichtend und kann allenfalls reduziert oder ausgesetzt werden, wenn soziale Härten drohen. Mit der operativen Er- hebung der Rundfunkgebühr haben die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ein eige- nes Unternehmen beauftragt, die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln (www.gez. de). Ihr obliegt die Abwicklung sämtlicher Zahlungstransfers sowie die Durchsetzung der Ansprüche gegen säumige Zahler/innen. Im Geschäftsjahr 2005 hat die GEZ rund 7,12 Mrd. EUR eingezogen (GEZ, 2006a). Allerdings steigen die Transaktionskosten der GEZ seit Jahren kontinuierlich. Das Unternehmen berichtet, dass die Zahl der „Mahnmaßnahmen“ zur Einforderung ausstehender Zahlungen von Rundfunkteilneh- mer/inne/n zwischen 2000 und 2005 um rund 32 Prozent gestiegen ist. Die Zahlungs- moral in Bezug auf die Rundfunkgebühr hat offensichtlich gelitten. Diese Beobachtung fällt zusammen mit einer seit geraumer Zeit geführten Debatte zur Legitimität und zur Höhe der Rundfunkgebühren (z. B. Dargel, 2002; Voß, 1999), die unter anderem durch die jüngste Gebührenerhöhung, durch massive Bedenken gegen bestimmte Aktivitäten des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks von europäischer Seite sowie durch die festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der (Schleich-)Werbefinanzierung einzelner Sender (Lilienthal, 2005) an Dynamik gewonnen hat. Vor diesem Hintergrund ist es aus systemisch-verfassungsrechtlicher wie aus betrieb- lich-ökonomischer Perspektive dringend geboten, die Akzeptanz der Rundfunkgebühr in der Bevölkerung zu verbessern. Entsprechend besitzen die kommunikativen Maß- nahmen der Sender und der GEZ große aktuelle Relevanz; ihre Wirkung und Effek-

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tivität ist für die Medien- und Kommunikationswissenschaft sogar in doppelter Hin- sicht von Bedeutung. Zum einen ist die Werbung für die Akzeptanz (und Entrichtung) der Rundfunkgebühr ein spezifisches Problem persuasiver Kommunikation, denn die Rundfunkgebühr dient der Finanzierung eines öffentlichen Gutes (keines Konsum- guts, vgl. genauer dazu unten: 3.). Zum anderen stellt die Einstellung(-sänderung) der (potenziellen) Rezipient/inn/en gegenüber dem nach der Werbung wichtigsten Finan- zierungsinstrument audiovisueller Massenmedien eine zentrale anwendungsbezogene Fragestellung für das Fach dar. Dieser Beitrag stellt daher eine experimentelle Studie zur Wirkung der von der GEZ betriebenen Werbekommunikation für die Rundfunkgebühr vor und vergleicht sie mit der Effektivität einer potenziellen normativ wie theoretisch besser begründbaren Alternative. Der inhaltliche Ausgangspunkt unserer Studie ist die Beobachtung, dass die GEZ vornehmlich auf die Persuasionsstrategie des Furchtappells setzt (vgl. dazu unten: 2.), was sowohl aus normativer als auch aus empirisch-effektivitätsbezogener Perspektive diskussions- und überprüfungswürdig erscheint. Im folgenden Abschnitt werden daher die Kommunikationsmaßnahmen der GEZ vorgestellt und die persuasionstheoretischen Erkenntnisse zu dieser Kommunikationsstrategie diskutiert (Abschnitt 2.). Anschlie- ßend wird der Charakter der Rundfunkgebühr als Finanzierungsinstrument für ein kol- lektives (öffentliches) Gut besprochen und daraus eine persuasionstheoretisch fundierte Alternative zur gegenwärtigen GEZ-Kommunikation abgeleitet, so dass Hypothesen zum empirischen Test der Effektivität der aktuellen und möglichen alternativen Kom- munikationsstrategie formuliert werden können (Abschnitt 3.). Es folgen die Beschrei- bung der methodischen Anlage unserer experimentellen Studie, die die Hypothesen testen sollte (4.), der Ergebnisbericht (5.) sowie die Diskussion der Befunde mit Fokus auf den anwendungsbezogenen Aspekt der Problemstellung (6.).

2. Furchtappelle: Die Strategie der GEZ Die Kommunikationsstrategie der GEZ zielt nach eigenen Angaben (GEZ, 2006b) dar- auf, „den [säumigen] Rundfunkteilnehmer zur Anmeldung seiner Rundfunkgeräte zu veranlassen und damit seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen [sic]“. Ein zen- trales Element dieser Strategie sind Kinowerbespots (ebd.). Ein 2003 bis 2005 verwende- ter Spot zeigt zwei Gruppen von Jugendlichen beim Breakdance in einer Tiefgarage; die Musik dazu kommt aus einem portablen Radiogerät. „Ist der denn auch angemeldet?“, fragt einer der Jugendlichen; ein anderer antwortet: „Der? Der ist doch noch nicht mal gekauft!“. Daraufhin öffnet der erste Breakdancer seine Jacke, so dass eine Halskette mit dem Logo der GEZ sichtbar wird. Der Spot schließt mit dem schriftlichen Slogan der GEZ „schon GEZahlt?“. Wie die Spots der vorangegangenen Jahre besteht die Bot- schaft des Spots aus zwei Elementen: (1) Die Rundfunkgebühr nicht zu zahlen ist ‚böse’ (normativ abzulehnen) – wenngleich nicht so schlimm wie der Diebstahl eines Endgeräts – und (2) die GEZ findet säumige Zahler in jedem Fall heraus. Interessanterweise wurde der beschriebene Kinospot im Jahr 2004 mit dem AD-Jupiter-Award der Zeitschrift „CINEMA“ in der Kategorie „Die besten Kinowerbefilme 2003“ ausgezeichnet. Jenseits der Ästhetik des Spots, der offensichtlich junge Menschen ansprechen soll, ist aus persuasionstheoretischer Sicht die Strategie der GEZ auf Furchtappelle ausge- richtet. Damit sind Persuasionsversuche gemeint, die eine Einstellungs- und Verhal- tensbeeinflussung anstreben, indem unerwünschte Konsequenzen beim Ausbleiben der thematischen Einstellung oder Verhaltensweise in Aussicht gestellt werden (von Roehl, 1991). Im beschriebenen Spot sind die negativen Konsequenzen der Entdeckung nicht

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gezahlter Rundfunkgebühren durch die GEZ allenfalls implizit enthalten; andere Spots thematisieren explizit die Hausbesuche von ‚Gebührenbeauftragten‘. Die kommunikationswissenschaftliche Forschung zur Effektivität solcher Furchtap- pelle hat gemischte Befunde hervorgebracht, die von starken Überzeugungswirkungen (z. B. Insko, Arkoff & Insko, 1965) über kontraproduktive Effekte (z. B. Janis & Fesh- bach, 1953) bis hin zur Wirkungslosigkeit (Allen & Preiss, 1998) reichen. Hinter diesen durchwachsenen Ergebnissen steht vermutlich eine komplexe Interaktion zwischen der Intensität des Furchtappells (also der kommunizierten Drohung) und dem Gegenstand des Persuasionsversuchs (O’Keefe, 2003, Witte & Allen, 2000). Unter Heranziehung von Dual-Process-Modellen der Persuasion, die die Verarbeitungsintensität der Rezipi- ent/inn/en berücksichtigen (z. B. das Elaboration Likelihood Model, vgl. dazu Petty & Wegener, 1999), ist bei niedrig involvierten Rezipient/inn/en ein Überzeugungserfolg eher bei starken Furchtappellen, bei hoch involvierten Publika dagegen bei mäßigen Furchtappellen zu erwarten (z. B. Janis & Feshbach, 1953). Für niedrig involvierte Per- sonen kann die intensive Drohung einen (vom Kommunikator intendierten) handlungs- bzw. einstellungsbezogenen Impuls auslösen; hoch involvierte Personen dagegen wer- den aufgrund ihres Interesses und ihres Vorwissens zum Persuasionsgegenstand einen starken Furchtappell mit Reaktanz beantworten, beispielsweise weil sie die Drohung für unsachlich, unangemessen, übertrieben und/oder leer halten. Insgesamt ist der Erfolg von Furchtappellen als Persuasionsstrategie also von komplexen Randbedingungen ab- hängig und kann sich sogar in kontraproduktive Reaktanzprozesse umkehren.

3. Einsicht erzeugen: Eine normativ und theoretisch begründete Alternative Bei der Bewertung der Kommunikationsmaßnahmen für die Rundfunkgebühr ist wie für jedes andere zu bewerbende Gut auch die Frage zu stellen, was die konstitutiven Merkmale der Gebühr sind und welche Funktionen sie für die ‚Konsumenten‘ bezie- hungsweise Gebührenzahler/innen erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat in ver- schiedenen Urteilen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der durch die Gebühr finan- ziert wird, zentrale Funktionen für die politisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung in Deutschland zugewiesen (im Überblick: Diller, 1999). Die Rundfunkgebühr ermög- licht demnach einen staatsfernen, die Meinungsvielfalt sichernden Medienbetrieb, der unter anderem die kommerziellen Rundfunkbetreiber von bestimmten programmlichen Leistungsauflagen entlastet. Sein Stellenwert für die Information und Meinungsbildung der Bürger/innen wird entsprechend als besonders groß betrachtet (Hoffmann-Riem, 2006). Als Konsequenz besteht ein erhebliches gesellschaftliches und politisches Inter- esse an einem ausreichend finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese Eigenschaften des öffentlich-rechtlichen Rundfunks legen nahe, die Funktio- nen seiner Programm- und Sendeleistungen für die Demokratie als kollektives Gut zu klassifizieren. Kollektive Güter sind nach Münch (1976) durch das Hauptkriterium des nicht-konkurrierenden Konsums sowie zumeist durch die Zusatzkriterien der Nicht- ausschließbarkeit von Konsument/inn/en und die Nichtzurückweisbarkeit des Kon- sums gekennzeichnet. Unter nicht-konkurrierendem Konsum ist zu verstehen, dass ein Gut ohne zusätzliche Kosten einer Vielzahl von Personen zur Verfügung gestellt werden kann. Für die Bereitstellung(-skosten) des Gutes spielt es also keine Rolle, ob zusätzliche Konsument/inn/en es in Anspruch nehmen. Dieses Hauptmerkmal kol- lektiver Güter trifft offensichtlich schon alleine aus technischen Gründen auf Rund- funkdienste im Allgemeinen zu. Auch das Merkmal der Nichtausschließbarkeit – es ist nicht möglich, „Konsumwillige vom Konsum abzuhalten“ (Münch, 1976, S. 31) – trifft

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auf terrestrisch oder online verbreiteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zweifelsohne zu. Das Kriterium der Nichtzurückweisbarkeit meint die eingeschränkte Freiheit der Konsument/inn/en im Umgang mit dem kollektiven Gut. Manche kollektiven Güter (z. B. Landesverteidigung) fließen den Konsument/inn/en zwangsweise und in vollem Umfang zu; dies gilt auch für die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Bezug auf Öffentlichkeit und Demokratie, auch wenn eine Individualisierung der kon- kreten Programmnutzung (Hör- und Sehdauer bzw. -orte) möglich ist. Insofern treffen die konstitutiven und ergänzenden Kriterien kollektiver Güter auf die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die mit ihnen verbundene Rundfunkgebühr zu. Neben der Konzeptualisierung öffentlich-rechtlichen Rundfunks als kollektives Gut ist speziell in Bezug auf die Rundfunkgebühr zu bedenken, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk als „Public Service“ (Hoffmann-Riem, 2006) nicht nach Gewinn strebt und auch keine sonstigen unternehmerischen Interessen verfolgen soll, was die Möglichkei- ten seiner Finanzierung begrenzt. Eine reine Werbefinanzierung würde die Bürger/in- nen zwar von der Gebühr entlasten, zugleich aber den „Public Service“-Charakter des vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereitgestellten Gutes kompromittieren, weil die Abhängigkeit von werbetreibenden Geldgebern zu groß wäre. Aus dieser Perspektive gibt es keine guten Finanzierungsalternativen zur Rundfunkgebühr. Vor diesem demokratietheoretischen und (volks-)wirtschaftlichen Hintergrund stellt sich die Rundfunkgebühr als ein Gut dar, für das die Bürger/innen eigentlich bezahlen wollen sollten. Denn aktive Unterstützer/innen von Demokratie und Vielfalt sollten sich das gesellschaftliche Interesse an einem funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu eigen machen und entsprechend bereit sein, die Rundfunkgebühr zu ent- richten. Die mangelnde Zahlungsbereitschaft verweist entweder darauf, dass den Bür- gern die Beziehung zwischen Rundfunk und Demokratie nicht klar ist, oder dass sie der Demokratie keinen Wert zumessen. Beides wäre aus normativ-demokratietheoretischer Sicht besorgniserregend. Umgekehrt ist es diskussionswürdig, für einen Beitrag zur Demokratie- und Viel- faltssicherung mit Furchtappellen und Drohgebärden zu werben. Das würde letztlich bedeuten, die Leute zur Mitarbeit an der Demokratie zu zwingen. Zwang in weltan- schaulichen Angelegenheiten widerspricht letztlich dem Wesen der Demokratie. Es wäre wohl angemessener, die zentrale Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks argumentativ zu vermitteln und an das staatsbürgerliche Bewusstsein (säumiger) Zahler/ innen zu appellieren, diese nicht mit Druck unmittelbar zur Gebührenentrichtung zu ‚überreden‘, sondern sie im Gegenteil von der Sinnhaftigkeit der Entrichtung zu über- zeugen. Eine auf Information und Argumente setzende Kommunikationsstrategie, die die positiven Funktionen der Rundfunkgebühr in den Mittelpunkt stellt, würde daher wesentlich besser zur Natur des ‚Produkts‘ öffentlich-rechtlicher Rundfunk passen als die Drohungen und Furchtappelle, mit der die GEZ typischerweise operiert. Dieser alternative Ansatz ist interessanterweise auch derjenige, der in der Persuasi- onsforschung als aussichtsreicher eingestuft wird. Dual-Process-Modelle der Einstel- lungsbildung, wie etwa das Elaboration Likelihood Model (ELM; Petty & Wegener, 1999), verweisen darauf, dass die Versorgung mit Informationen und Argumenten, die die Rezipient/inn/en überdenken und abwägen können (Elaboration), eine höhere Chance hat, eine nachhaltige Einstellungsänderung (‚cognitive structure change’) her- beizuführen. Auf oberflächliche oder heuristische Verarbeitungsprozesse setzende Stra- tegien, zu denen auch Furchtappelle gehören (die Rezipient/inn/en verarbeiten nämlich oberflächlich, wenn sie aus reiner Sanktionsvermeidung eine kurzfristige Einstellungs- änderung vornehmen), haben dagegen geringere Aussichten, eine substanzielle Einstel-

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lungsänderung zu evozieren. Optimalerweise gelingt es, Involvement (Cho & Boster, 2005) bei der Zielgruppe zu schaffen, das heißt, das Interesse und die Fähigkeit (z. B. Verfügbarkeit von Vorwissen und Argumenten) zur intensiven Auseinandersetzung mit der Produktthematik (hier: der Rundfunkgebühr und dem öffentlich-rechtlichen Rund- funk) zu vergrößern. Involvierte Rezipient/inn/en werden die Argumente für das Gut (bzw. die Entrichtung der Rundfunkgebühr) intensiv bedenken und gegebenenfalls ihre Einstellung ändern. Weil diese Einstellungsänderung dann nachhaltig ist, wird sie auch eher geeignet sein, bis hin zu einer Handlung (nämlich der eigentlichen Entrichtung der Gebühr) bestehen zu bleiben und das Motivationssystem des Individuums anzuleiten. Einmal (nachhaltig) überzeugte Gebührenzahler/innen werden dann auch mit größerer Wahrscheinlichkeit dauerhaft ihre Gebühren entrichten. Aus dieser vereinfachten An- wendung von Dual-Process-Modellen der Persuasion ergibt sich demnach ein gewich- tiges wissenschaftliches Argument, warum die GEZ anstelle von Furchtappellen auf Information und Einsicht der (säumigen) Zahler/innen setzen sollte. Insgesamt lässt sich damit sowohl aus demokratietheoretisch-normativer wie auch aus persuasionstheore- tisch-wissenschaftlicher Perspektive eine empirisch testbare Hypothese herleiten: Eine informierende, auf Einsicht setzende Kommunikationsstrategie ist eher in der Lage, eine günstige Einstellungsänderung gegenüber der Rundfunkgebühr herbeizufüh- ren als eine auf Furchtappelle ausgerichtete Kommunikationsstrategie.

4. Methode Zur empirischen Prüfung der Hypothese wurde ein Experiment durchgeführt. Im Mit- telpunkt stand dabei die Wirkung des seit 2004 von der GEZ verwendeten Werbemotivs „Breakdancer“ (vgl. oben: 2.) auf jugendliche Rezipient/inn/en. Der Fokus auf junge Zielgruppen ergab sich aus der Überlegung, dass die Überzeugung vom Sinn der Rund- funkgebühr bei Personen, die in naher Zukunft einen Haushalt führen werden (und damit zur Entrichtung von Rundfunkgebühren verpflichtet sein werden), für die GEZ besonders relevant ist. Sie ist offenkundig auch Teil der GEZ-Strategie, wie die Ästhetik ihrer Spots nahe legt (vgl. oben: 2.). Durch die Überzeugung junger Zielgruppen sollte sich mittelfristig der Aufwand für die Erhebung der Gebühren wieder senken lassen, da mehr Personen von Anfang ihrer ‚Zahlerkarriere’ an der Gebühr gegenüber positiv eingestellt sein würden. Im Rahmen des Experiments wurden junge Menschen mit einer von drei verschiede- nen Varianten einer GEZ-Werbung, die auf dem „Breakdancer“-Motiv basierte, konfron- tiert. Die Rezeption dieser Botschaft war eingebettet in eine angebliche Untersuchung zur Werbewirkung, bei der auch zwei weitere (für das Erkenntnisinteresse irrelevante) Stimuli präsentiert und bewertet wurden. Im Anschluss an die Betrachtung des GEZ- Werbemotivs wurden die Versuchspersonen nach ihrer Meinung über die Rundfunkge- bühr und die GEZ gefragt. Zusätzlich wurde dem Bildungsgang der Teilnehmer/innen sowie der Frage, inwiefern bereits persönlicher Kontakt mit Repräsentant/inn/en der GEZ bestanden hatte, potenzielle Relevanz als Kovariaten zugeschrieben, so dass diese Variablen ebenfalls erfasst wurden. In den folgenden Abschnitten werden die Details des operativen Vorgehens erläutert.

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4.1 Stimulusmaterial Die verschiedenen Persuasionsstrategien wurden durch visuelle Stimuli experimentell manipuliert. Aus forschungsökonomischen und technischen Gründen wurde eine Print- anzeige als Kommunikationsmittel ausgewählt. Die Anzeige trug als Absender die GEZ. Nur der Text in der Anzeige wurde variiert, um eine möglichst hohe interne Validität zu gewährleisten und andere mögliche Einflüsse, z. B. durch unterschiedliche Bilder, auszuschließen. Drei Varianten der Anzeige wurden entwickelt: eine mit anreizbezo- gener argumentativer Botschaft (Strategie: Einsicht erzeugen), eine mit drohendem Appell (Strategie: Furchtappell) und eine mit neutraler Botschaft (Referenzbedingung). Das Forschungsdesign sah ferner eine experimentelle Kontrollbedingung vor, der keine GEZ-Werbung präsentiert wurde. Die Basis zur Gestaltung der Stimuli bildete eine aktuelle Printanzeige der GEZ, deren Text der jeweiligen Kommunikationsstrategie angepasst wurde. Die Anzeige zeigt den aus dem Kinospot bekannten Rapper mit der „GEZ-Goldkette“. Die Verwendung einer realen Anzeige der GEZ sollte die Authentizität des Stimulus und somit die externe Validität steigern. Außer dem Bild und dem Claim „Schon GEZahlt?“ enthielten die Stimuli nur den (systematisch variierten) Text. Die in den echten GEZ-Anzeigen ver- wendeten Schriftarten und Farben wurden nachgeahmt, um auch hier eine hinreichende Authentizität zu erzielen. Alle Varianten der Anzeige enthielten einen Basistext mit grundlegenden Informatio- nen zur Gebührenpflicht. Er lautete: „Die Nutzung von Radio- und Fernsehgeräten ist gebührenpflichtig.“ „Jugendliche müssen ihre Rundfunkgeräte anmelden, wenn sie über eigenes Einkom- men verfügen, das über dem Sozialhilferegelsatz liegt. Bei einem Zweitwohnsitz sind die Geräte in jedem Fall anzumelden.“ Dieser Text wurde in der Bedingung mit neutraler Botschaft verwendet (vgl. Abbil- dung 1). Für die anderen beiden Varianten wurde der Basistext um einen für die jeweilige Persuasionsstrategie spezifischen Teil ergänzt. Der Stimulus mit anreizbezogener Kom- munikation enthielt zusätzlich Argumente zum Hintergrund der Rundfunkgebühr und stellte dar, weshalb diese eine sinnvolle Einrichtung ist. Hierbei wurde die Sicherung der Demokratie durch die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Poli- tik und Wirtschaft betont und zusätzlich auf die Instrumentalisierung des Rundfunks im Dritten Reich hingewiesen. Der Text der anreizbezogenen Anzeige lautete: „Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss von Wirtschaft und Politik unabhän- gig sein, damit er niemals zu Propagandazwecken benutzt werden kann. Die Rundfunk- gebühr sichert somit ein Stück Demokratie.“ Mit dieser Ausgestaltung sollte die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rund- funks und die daraus folgende Notwendigkeit der Rundfunkgebühr herausgestellt wer- den, so dass die Einsicht in den Sinn ihrer Entrichtung gefördert wurde. Der Stimulus mit drohender Kommunikation enthielt dagegen Elemente aus dem Brief, den die GEZ an Personen schreibt, von denen sie glaubt, dass diese unrechtmäßig nicht angemeldet sind. Das Nichtanmelden von Rundfunkgeräten stellt eine Ordnungs- widrigkeit dar, die zu einer für Jugendliche und junge Erwachsene hohen Geldstrafe führen kann. Der Verweis auf diese Sanktionen stellt entsprechend einen Furchtappell dar, bei dem ein realistischer Intensitätsgrad der Drohung erreicht wird (vgl. dazu oben: 3.). Durch die allgemeinen Elemente zur Anmeldepflicht Jugendlicher (Basistext, s. o.) beinhaltet die Anzeige auch Informationen, wie der Geldbuße zu entgehen ist. Der zu- sätzliche Text der drohenden Anzeige lautete:

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Abbildung 1: Verwendetes GEZ-Werbemotiv mit neutraler Gestaltung (Referenzbedingung)

„Eine unerlaubte Nutzung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geld- buße bis 1000 Euro geahndet werden kann. Zusätzlich kann es zur Nachforderung von mehreren hundert Euro kommen.“ Mit dieser Manipulation der GEZ-Anzeige wurden die Voraussetzungen zum Test der Hypothese geschaffen, denn die Varianten mit der auf Einsicht zielenden und mit der auf Furcht zielenden Kommunikationsstrategie unterschieden sich beide deutlich voneinander wie auch von der neutralen Variante. Zugleich stellten sie theoriebasierte, extern hoch valide Umsetzungen der zu vergleichenden Persuasionsstrategien dar.

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4.2 Operationalisierung der Einstellung gegenüber Rundfunkgebühr und GEZ Da keine Instrumente zur Messung der Einstellung zur Rundfunkgebühr oder zur GEZ verfügbar waren, wurden entsprechende Items neu entwickelt. Als Basis dienten Berichte und Kritik zu diesem Thema in den Medien, zum Beispiel in Fernsehdiskussionsrunden. In Übereinstimmung mit gängigen Einstellungs- und Imagekonzepten (z. B. Poiesz, 1989) wurden sowohl kognitive als auch affektive Aspekte operationalisiert, wobei sich ein Teil der 12 Items (drei weitere waren zwar erhoben worden, jedoch aus logischen und psychometrischen Gründen von der Hauptauswertung ausgeschlossen worden1) auf die Rundfunkgebühr selbst, der andere Teil auf die GEZ als Institution bezog: • Die Rundfunkgebühr ist eine sinnvolle Einrichtung. • Die Rundfunkgebühr sollte nur von denen gezahlt werden, die die öffentlich-recht- lichen Angebote auch nutzen. • Die Rundfunkgebühr ist wirtschaftlich nicht gerechtfertigt. • Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte privatwirtschaftlich organisiert sein. • Die Rundfunkgebühr ist zu hoch. • Die Rundfunkgebühr sichert Demokratie. • Die GEZ ist eine sinnvolle Einrichtung. • Die GEZ benutzt Spitzelmethoden. • Die GEZ ist seriös. • Die GEZ ist uncool. • Die GEZ nervt. • Die GEZ ist sympathisch. Die letzten vier Items thematisierten affektiv gefärbte Bewertungen der GEZ als In- stitution, während alle anderen Items vorwiegend kognitive Bewertungsaspekte mes- sen sollten. Zur Erfassung der Zustimmung zu allen Items dienten 5er-Skalen, deren Endpunkte mit „stimme überhaupt nicht zu“ bzw. „stimme voll und ganz zu“ benannt waren. Die Antwortwerte für Aussagen, die eine negative Einstellung zur Rundfunk- gebühr bzw. der GEZ gegenüber reflektieren, wurden für die Analyse „gedreht“, so dass höhere numerische Werte immer auch eine günstigere Einstellung bedeuten. Die 12 Items hatten eine zufrieden stellende Reliabilität (Cronbach’s α = .81; N = 313), so dass ein Mittelwertindex gebildet wurde. Dieser Index wurde zunächst zur Hypothe- senprüfung herangezogen.

4.3 Bildungsgang und Vorerfahrungen mit der GEZ als Kovariaten Der persuasive Effekt der untersuchten Kommunikationsstrategien könnte durch ver- schiedene Drittvariablen beeinflusst oder überdeckt werden. Besonders interessant ist mit Blick auf eine auf Einsicht zielende Argumentation die Frage nach der formalen Bildung des Publikums. Denn für Personen mit höherer formaler Bildung kann eine größere Fähigkeit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit inhaltlichen Argumen- ten (zentrale Verarbeitung im Sinne des ELM, vgl. oben: 3.) angenommen werden, so dass die hypothetisierte Überlegenheit der auf Einsicht zielenden Kommunikationsstra- tegie bei höher Gebildeten deutlicher zu beobachten sein könnte als bei formal niedrig Gebildeten. Entsprechend wurde der Bildungsgang bzw. -grad der Versuchspersonen als Kovariate berücksichtigt. Die Bildungsvariable wurde dichotomisiert, so dass alle Per- sonen, die keinen oder aber höchstens einen Realschulabschluss besaßen, in der Gruppe

1 Hier gilt einem/einer anonymen Gutachter/in Dank für die hilfreichen Anmerkungen. 586

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der formal niedriger Gebildeten zusammengefasst wurden, während alle Personen mit (Fach-)Hochschulreife als formal höher Gebildete berücksichtigt wurden. Von Bedeutung für die Fragestellung dürfte ferner die Vorerfahrung der Proband/ inn/en mit der GEZ sein. Da die GEZ vornehmlich zu Inkasso-Zwecken den individu- ellen Kontakt zu Einzelpersonen herstellt, ist derartiger Vorerfahrung mit der GEZ eine Relevanz für die Einstellungen zuzuschreiben. Aus diesem Grund wurde eine mit „ja“ oder „nein“ zu beantwortende Frage aufgenommen, die die Vorerfahrung mit der GEZ operationalisieren sollte: „Bist Du schon in irgendeiner Weise mit der Gebühreneinzugszentrale in Berührung gekommen? Es sind auch Erfahrungen gemeint, die du nicht persönlich miterlebt hast, sondern dir von Freunden, Bekannten oder Familienmitgliedern berichtet wurden.“

4.4 Stichprobe Für die Rekrutierung von Teilnehmer/inne/n wurden Berufsschulen im Raum Hannover als Kooperationspartner gewonnen. Hierfür gab es mehrere Gründe: Aus forschungs- ökonomischer Sicht bildet die Berufsschule die einfachste Art, Jugendliche und junge Erwachsene mit niedriger und hoher formaler Bildung zu befragen. Es gibt keine weitere Institution, die ein solches Spektrum an jungen Menschen mit sowohl niedriger als auch hoher formaler Bildung vereint. Ferner können Klassenräume als Experimentallabore für die Studie umfunktioniert werden. Vier berufsbildende Schulen waren bereit, die Studie zu unterstützen. Dadurch konnten insgesamt 22 (zumeist von den Schulleitern willkürlich ausgesuchte) Klassen an der Erhebung teilnehmen. Per Zufallsverfahren wurden die unterschiedlichen Experimentalbedingungen auf die Klassen aufgeteilt. Die Randomisierung fand also nicht auf der Ebene jeder einzelnen Versuchsperson statt, sondern auf der Ebene der Schulklassen. Insgesamt nahmen 388 Personen an dem Experiment teil. 75 Fälle mussten jedoch von der Untersuchung ausgeschlossen werden. In 19 Fällen waren die Teilnehmer un- ter 18 Jahre alt. Drei Personen machten keine Angaben zur Bildung. Einige Befragte (24 Fälle) hatten das Ausfüllen des Bogens nicht ernst genug genommen und entweder immer nur eine Kategorie angekreuzt oder durch witzig gemeinte Kommentare oder abwegige soziodemographische Angaben die Ernsthaftigkeit ihrer Angaben in Frage gestellt. Weitere Befragte (19 Fälle) hatten die Einstellungsitems zu Rundfunkgebühr und GEZ nicht oder nur unvollständig ausgefüllt. Die weiteren 12 Fälle, die nicht in die Untersuchung eingegangen sind, stammen aus einer Gruppe, bei der die Präsentation aufgrund eines technischen Problems nicht gezeigt werden konnte. Die verbleibenden 313 Fälle wurden vollständig in der Auswertung berücksichtigt. Die Stichprobe bestand aus 195 Männern (62 %) und 118 Frauen (38 %). Dieser hohe Männeranteil ist vor allem auf die Berufsschüler der Holz und Metall verarbeitenden Be- rufe zurückzuführen, die an dem Experiment teilnahmen. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer/innen betrug 20.49 Jahre (SD = 2.39 Jahre). Rund 57 Prozent der Stich- probe wurde als formal niedriger gebildet eingestuft (179 Personen), die verbleibenden 134 Fälle gingen in die Gruppe der formal höher Gebildeten ein. Die angestrebten Berufe der Befragten waren sehr unterschiedlich. Einige Klassen erlernten kaufmännische Berufe, wie Speditions- oder Bankkaufmann bzw. -kauffrau, in anderen Klassen wurden die Teilnehmer/innen in gewerblichen Berufen, wie z. B. Zer- spanungsmechaniker/in oder Biologielaborant/in, ausgebildet. Einige Befragte befan- den sich zum Untersuchungszeitraum nicht in einer Ausbildung, sondern in schulischen Weiterbildungsmaßnahmen, wie der höheren Handelsschule, oder Prüfungsvorberei-

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tungskursen zum Erreichen des nächst höheren Abschlusses. Die meisten der Befrag- ten wohnten noch bei ihren Eltern (194 Personen; 62 %), 57 Untersuchungsteilnehmer (18 %) allein. 41 der Befragten (13 %) lebten mit dem Partner zusammen und 20 Teil- nehmer (6 %) in Wohngemeinschaften oder Wohnheimen. Die breit formulierte Frage zu Vorerfahrungen mit der GEZ (vgl. oben: 4.3) beantworteten 203 Personen (65 %) mit „ja“. Die Erfahrungswahrscheinlichkeit war für höher gebildete Personen größer (83 %) als für formal niedrig gebildete Personen (51 %). Wegen der Randomisierung der Versuchspersonen auf Klassenebene ergaben sich keine identischen Fallzahlen für die Bedingungen. Neben den drei experimentellen Be- dingungen wurde zusätzlich eine Kontrollgruppe realisiert, die mit überhaupt keinem GEZ-bezogenen Stimulus konfrontiert wurde. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Verteilung der Fälle auf die (experimentellen) Vergleichsgruppen.

Tabelle 1: Verteilung der gültigen Fälle auf die (experimentellen) Bedingungen

Neutral Einsicht Furchtappell Kontrollgruppe Bildungs- niedrig hoch niedrig hoch niedrig hoch niedrig hoch Gesamt niveau N 4936582742313040313 Anteil der 92 39 57 30 86 55 60 62 62 Männer (%) Durchschnitt- 20,0 20,6 18,9 21,7 19,7 22,0 20,8 21,8 20,5 liches Alter Wohnen bei Eltern (Anteil 67 61 81 33 74 45 57 55 62 in %)

Die experimentellen Gruppen erwiesen sich nicht in Bezug auf alle Merkmale homo- gen, wobei insbesondere Unterschiede in der Geschlechts- und Bildungskonfiguration auftraten. In der ersten Experimentalgruppe (neutraler Stimulus x niedriges Bildungs- niveau) befinden sich sogar fast ausschließlich Männer, was an den Ausbildungsberufen dieser Gruppe im Bereich Mechanik liegt. Der Altersunterschied zwischen den formal höher und niedrig Gebildeten war vorherzusehen, da Personen mit höherem Abschluss erst etwas später in die Berufsausbildung eintreten. Die unterschiedlichen Ausprägun- gen bei der Wohnsituation sind auf das unterschiedliche Alter zurückzuführen. Insge- samt mussten also Einschränkungen in der Gleichverteilung von Hintergrundvariablen hingenommen werden, die durch die Randomisierung und Studiendurchführung auf Klassenebene verursacht wurden. Dennoch ist insgesamt eine ausreichende Varianz in (fast) allen experimentellen Gruppen in Bezug auf die betrachteten Merkmale realisiert, so dass die Ergebnisse der Studie als aussagekräftig zu werten sind, wenngleich die Un- terschiede in den experimentellen Zellen für die Datenanalyse berücksichtigt werden müssen.

4.5 Durchführung Die Erhebung erfolgte in der Woche vom 22. bis 26.11.2004. In dieser Zeit wurde pro Tag in einer Berufsschule das Experiment durchgeführt. Die Schüler sowie teilweise auch die Lehrer waren nicht auf den Zeitpunkt der Untersuchung vorbereitet. Das Thema der

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Untersuchung war ihnen gänzlich unbekannt. Vor der Präsentation des Stimulusmateri- als stellte sich die Versuchsleiterin (alle Sitzungen wurden von der Zweitautorin geleitet) den Lehrern und Schüler/inne/n kurz vor, ohne das konkrete Ziel der Untersuchung zu nennen. Die Einführung dauerte ca. 1,5 Minuten. Anschließend folgte die Präsentation des Stimulusmaterials, das mit einem Videoprojektor auf eine Leinwand im Klassen- raum projiziert wurde. Hierdurch entstand eine ähnliche Situation wie bei der Rezepti- on der Kinowerbung der GEZ. Zur Verschleierung des Untersuchungsziels und damit zur Vermeidung von Versuchspersoneneffekten (vgl. dazu Weber & Cook, 1972) wur- den neben der jeweiligen Variante der GEZ-Anzeige noch zwei weitere Werbemotive vorgeführt. So sollte zudem die Präsentation insgesamt einem realen Kinowerbeblock, in dem für die GEZ geworben wird, möglichst ähnlich sein. Die zusätzlichen Motive enthielten zum einen Werbung für eine Kinokette, die als Spot ebenfalls zu der Zeit der Datenerhebung in den Kinos zu sehen war und daher eine weitere Verbindung zur Kino- situation herstellte. Die andere Anzeige warb für ein neues Handy. Genau wie die GEZ- Anzeige wurden die irrelevanten Motive auf schwarzem Hintergrund und für jeweils 30 Sekunden gezeigt. Diese Zeitspanne war nötig, um den Proband/inn/en die Möglichkeit zu geben, die Texte der Anzeigen zu lesen. Die Präsentation wurde durch Hintergrund- musik ergänzt, um den Erfahrungsqualitäten einer realen Werbepräsentation näher zu kommen („In the middle“ von den „Sugababes“). Diese Form der Stimuluspräsenta- tion zielte darauf, die externe Validität (Vergleichbarkeit mit der Kino-Situation) zu maximieren. Gleichwohl ist von erheblichen Unterschieden zur realen Kino-Situation auszugehen, etwa in Bezug auf die Freiwilligkeit der Rezeption (Klassenkontext) und auf das wegen der Situationsrahmung als „Studie“ künstlich gesteigerte Involvement (Wirth, 2006) der Rezipient/inn/en. Diese Besonderheiten sind entsprechend für die Ergebnisinterpretation zu berücksichtigen. Nach der Rezeption der drei Motive wurden die Teilnehmer/innen gebeten, den aus- geteilten Fragebogen auszufüllen. Er enthielt alle oben benannten Items und Fragen. Die Beantwortung beanspruchte zwischen 15 und 30 Minuten. Am Ende der Untersuchung wurden die Teilnehmer/innen über das eigentliche Ziel der Studie aufgeklärt, und die Versuchsleiterin stand für Nachfragen zur Verfügung.

5. Ergebnisse Zur Kontrolle möglicher methodischer Artefakte, die durch die klassenbasierte Rando- misierung der Versuchspersonen (vgl. oben: 4.4.) entstehen könnten, musste der Hypo- thesenprüfung eine Kontrolle relevanter Störgrößen vorangehen. Sie galt zunächst den zwischen den experimentellen Bedingungen stark variierenden möglichen Störgrößen „Geschlecht“ und „Wohnsituation“ (dichotomisiert: „bei den Eltern“ versus „nicht bei den Eltern“). Dazu wurde eine vierfaktorielle Varianzanalyse mit den unabhängigen Va- riablen „Persuasionsstrategie“ (experimenteller Faktor, vier Stufen einschließlich Kon- trollgruppe, vgl. oben: 4.1.), „Bildung“ (dichotomisiert, vgl. oben: 4.3.), „Geschlecht“ und „Wohnsituation“ und dem Mittelwertindex der 12 Einstellungsitems (vgl. oben: 4.2.) berechnet. Dabei trat der erwartete Haupteffekt der experimentell variierten Per- suasionsstrategie auf (vgl. genauer dazu unten). Da sowohl für das Bildungsniveau als auch für das Geschlecht überzufällige Interaktionen mit dem Experimentalfaktor auf- traten, wurden diese Größen für die Hypothesenprüfung beibehalten. Dagegen konnte ein Störeffekt der „Wohnsituation“ ausgeschlossen werden, so dass diese Variable keine weitere Berücksichtigung in der Auswertung fand. In einem zweiten Schritt wurde der Einfluss von Vorerfahrung mit der GEZ betrach-

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tet, da es sich hier um einen persuasionstheoretisch besonders relevanten Faktor handeln könnte (vgl. oben: 4.3). Eine ANOVA mit der Persuasionsstrategie und der Vorerfah- rung (ja/nein) als Faktoren und dem Einstellungsindex aus 12 Items als abhängiger Va- riable erbrachte erneut einen Haupteffekt der Persuasionsstrategie F(3; 305) = 2.94, p < .05; partielles η² = .03) sowie einen ungleich stärkeren Haupteffekt der Vorerfahrung mit der GEZ F(3; 305) = 23.93, p < .01; partielles η² = .07). Er manifestierte sich in deutlich negativeren Einstellungen der Versuchspersonen, die bereits Vorerfahrungen mit der GEZ besaßen (M = 2.15 gegenüber M = 2.56 bei Personen ohne Vorerfahrung). Folglich kommt der Vorerfahrung eine erhebliche (Persuasion erschwerende) Rolle im Kontext der Hypothesenprüfung zu. Zugleich erwies sich der Haupteffekt der Persuasionsstra- tegie während der Kontrolle der Störfaktoren als stabil. Als Konsequenz dieser Analysen wurde zur qualifizierten Hypothesenprüfung zu- nächst eine Varianzanalyse der Effekte der Persuasionsstrategie, der Bildung und des Geschlechts auf den Einstellungs-Index (Mittelwert aus 12 Items) durchgeführt (vgl. Tabelle 2). Diese Auswertung ergab einen Haupteffekt der Persuasionsstrategie (F(3, 297) = 2.69, p < .05, partielles η² = .03), der sich darin manifestierte, dass in der Be- dingung „Einsicht erzeugen“ die für die Rundfunkgebühr und die GEZ günstigsten durchschnittlichen Einstellungswerte auftraten. Weitere Haupteffekte wurden nicht be- obachtet, jedoch traten wiederum der Interaktionseffekt zwischen Persuasionsstrategie und Bildung (F(3, 297) = 3.03, p < .05, partielles η² = .02) sowie der Interaktionseffekt zwischen Persuasionsstrategie und Geschlecht (F(3, 297) = 5.10, p < .01, partielles η² = .05) auf. Weitere signifikante 2- oder 3-Wege-Interaktionen wurden hingegen nicht ermittelt. Die deskriptive Betrachtung der Effekte zeigt, dass die Daten die Hypothese weitgehend stützen. Bis auf die höher gebildeten männlichen Versuchspersonen reagie- ren alle untersuchten Subgruppen im Durchschnitt mit den positivsten Einstellungen, wenn sie die auf Einsicht setzende Werbung gesehen hatten. Dies gilt insbesondere für niedriger gebildete Teilnehmerinnen. Für die formal höher gebildeten Männer ergaben sich günstigere Effekte in den Bedingungen „Furchtappell“ und „neutrale Botschaft“, wohingegen die auf Einsicht zielende Werbung sogar noch geringfügig negativere Ein- stellungen produzierte, als sie in der Kontrollgruppe vorgefunden wurden.

Tabelle 2: Deskriptive Befunde zur Hypothesenprüfung unter Berücksichtigung von Bildung und Geschlecht

Neutral Einsicht Furchtappell Kontrollgruppe Männlich Männlich Weiblich Männlich Weiblich Weiblich Männlich Weiblich Niedrige 2.19 2.02 2.75 2.32 2.06 1.93 2.43 2.89 Bildung (0.59) (0.69) (0.64) (0.59) (0.46) (0.90) (0.77) (0.63) n = 44 n = 36 n = 6 n=18 n = 12 n = 5 n = 33 n = 25 Hohe 2.48 2.40 2.48 2.17 2.22 2.02 1.96 2.41 Bildung (0.63) (0.77) (0.49) (0.65) (0.65) (0.50) (0.89) (0.46) n = 14 n = 17 n = 14 n = 25 n= 15 n = 22 n = 8 n = 19 Gesamt 2.18 2.52 2.25 2.20 (0.60) (0.73) (0.71) (0.60) n = 85 n = 85 n = 73 n = 70

Ausgewiesen ist der Mittelwert und die Standardabweichung (in Klammern) im Einstellungsindex zur Rund- funkgebühr und zur GEZ (aus 12 Items) sowie die Fallzahl der jeweiligen Subgruppe.

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Wegen der wichtigen Rolle der Vorerfahrung mit der GEZ (s. o.) wurde diese Analy- se getrennt für die Versuchspersonen mit und ohne Vorerfahrung wiederholt. In der Teilstichprobe mit Vorerfahrungen (n = 203) ergab sich ein Haupteffekt der Persua- sionsstrategie als Trend (F(3, 187) = 2.03, p = .10, partielles η² = .03) sowie signifikan- te Interaktionen zwischen Persuasionsstrategie und Bildung (F(3, 187) = 2.54, p = .06, partielles η² = .04) und zwischen Persuasionsstrategie und Geschlecht (F(3, 187) = 3.24, p < .05, partielles η² = .05). Für diese Teilstichprobe ergab sich deskriptiv das gleiche Muster wie für die Gesamtstichprobe, nämlich eine einstellungsverbessernde Wirkung der auf Einsicht zielenden Persuasionsstrategie bei Frauen und bei niedrig gebildeten Personen. Im Gegensatz dazu ergaben sich für die Teilstichprobe ohne Vorerfahrung mit der GEZ keine signifikanten Haupt- oder Interaktionseffekte, wenngleich sich die Interaktionen zwischen Persuasionsstrategie und Bildung sowie zwischen Persuasions- strategie und Geschlecht ebenfalls andeuten. Die auf Einsicht zielende Strategie führte in dieser Versuchspersonengruppe sowohl bei Frauen als auch bei Männern und sowohl bei höher gebildeten als auch bei niedriger gebildeten Personen zu besseren Einstel- lungswerten. Gleichwohl verblieben die Mittelwertsdifferenzen im nichtsignifikanten Bereich, so dass hier nur deskriptiv, nicht aber inferenzstatistisch empirischer Rückhalt für die Generalannahme beobachtet wurde. Abgesehen von dem erklärungsbedürftigen Befund zum Geschlechtsunterschied stützen die Daten insgesamt die Hypothese weitgehend. Dabei fällt indes das niedrige Gesamtniveau des Einstellungsindex auf, der auf ein in der jungen Generation verbrei- tetes negatives Grundimage der GEZ und der Rundfunkgebühr schließen lässt. Zur Vertiefung der Erkenntnisse wurde der Hypothesentest mit Hilfe einer multi- variaten ANOVA wiederholt. Hierbei gingen wiederum die Persuasionsstrategie (bzw. Botschaftsvariante in den vier Stufen Kontrollgruppe, Furchtappell, neutraler Basistext, auf Einsicht abzielende Botschaft), die formale Bildung in zwei Stufen (formal niedrig versus formal hoch, vgl. oben: 4.3.) sowie das Geschlecht als unabhängige Variablen ein. Die Gender-Variable wurde aufgrund ihrer zuvor entdeckten Relevanz als Dritt- variable aufgenommen; auf die (experimentallogisch ebenfalls verzerrt implementierte) Wohnsituation wurde hingegen angesichts der geringen Bedeutung in der bisherigen statistischen Kontrolle weiterhin verzichtet. Auch die Vorerfahrung mit der GEZ wur- de nicht gesondert betrachtet, weil die vorangegangene Subgruppenanalyse sowohl für Proband/inn/en mit Vorerfahrungen als auch für Teilnehmer/innen ohne Erfahrung mit der GEZ ähnliche Effektmuster ergeben hatte. Als abhängige Variablen für die Detail- analyse wurden die 12 einzelnen Einstellungsitems zur Rundfunkgebühr und zur GEZ berücksichtigt (wobei die negativ formulierten Items zuvor invertiert wurden). Diese Auswertung ergab keine überzufälligen multivariaten Haupteffekte. Doch wurden multivariate Interaktionseffekte von Persuasionsstrategie und Bildung (F = 1.40, p = .06, partielles η² = .06) sowie von Persuasionsstrategie und Geschlecht (F(36,864) = 1.61, p < .05, partielles η² = .06), hingegen keine 3-Wege-Interaktion zwischen den unabhängigen Variablen ermittelt. Die Matrix der Analysen auf Einzelvariablen-Ebene kann hier nicht vollständig dokumentiert werden. Stattdessen konzentrieren wir uns auf ausgewählte Items, die besonders auffällige Befunde erbrachten; eine vollständige Übersicht der Effekte für jedes einzelne Item findet sich jedoch in Tabelle 3. Über Bildung und Geschlecht hinweg wurde ein Haupteffekt der Persuasionsstrategie, der die Generalannahme direkt stützt, für das Item „Die Rundfunkgebühr sichert Demokratie“ aufgedeckt (F = 4.09, p < .01, partielles η² = .04). Dieser Effekt war aufgrund der Nähe des Items zum Inhalt der Persuasionsstrategie „Einsicht“ erwartbar, verweist aber auf die besonders große Effektivität dieser Strategie für die normative Einbettung der Werbung für die Rundfunkgebühr (vgl. Abbildung 2). 591

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Tabelle 3: Werte für Einzelitems aus der Detailanalyse

Item Haupteffekt Per- Interaktions- Interaktions- Relation des suasionsstrategie effekt Persua- effekt Persua- Ergebnisses sionsstrategie * sionsstrategie * zur Hypo- Bildung Geschlecht these Die Rundfunkgebühr F(3,297) = 0.55, ns F(3,297) = 1.53, ns F(3,297) = 2.40, ++ für nied- ist eine sinnvolle Ein- p < .10, η² = .02 rig gebildete richtung Frauen, –– für hoch gebildete Männer Die Rundfunkgebühr F(3,297) = 4.09, F(3,297) = 0.28, ns F(3,297) = 1.51, ns ++ für alle sichert Demokratie p < .01, η² = .04 außer niedrig gebildete Frauen Die GEZ ist eine F(3,297) = 1.07, ns F(3,297) = 2.35, F(3,297) = 2.09, ns ++ bei Frau- sinnvolle Einrichtung p < .10, η² = .02 en Die GEZ ist sympa- F(3,297) = 3.86, F(3,297) = 0.69, ns F(3,297) = 1.76, ns ++ bei Frau- thisch p < .05, η² = .04 en und nied- rig gebildeten Männern Die GEZ ist seriös F(3,297) = 1.76, ns F(3,297) = 1.16, ns F(3,297) = 5.59, –– bei Frauen p < .01, η² = .05 Die RF-Gebühr sollte F(3,297) = 0.77, ns F(3,297) = 1.85, ns F(3,297) = 0.71, ns nur von denen gezahlt werden, die die ö.-r. Angebote auch nutzen** Der öffentlich-recht- F(3, 297) = 0.31, ns F(3,297) = 0.26, ns F(3,297) = 0.49, ns liche Rundfunk sollte privat wirtschaftlich organisiert sein** Die Rundfunkgebühr F(3, 297) = 0.35, ns F(3,297) = 1.98, ns F(3,297) = 4.65, ++ für nied- ist wirtschaftlich nicht p < .01, η² = .05 rig gebildete gerechtfertigt** Frauen, –– für hoch gebildete Männer Die Rundfunkgebühr F(3, 297) = 0.90, ns F(3,297) = 1.17, ns F(3,297) = 1.83, ns ist zu hoch** Die GEZ benutzt F(3, 297) = 2.59, p F(3,297) = 3.36, p < F(3,297) = 3.45, p < ++ bei nied- Spitzelmethoden** =.05, η² = .03 .05, η² = .03 .05, η² = .03 rig Gebil- deten, -- bei hoch Gebil- deten

Mit ** gekennzeichnete Items wurden vor der Analyse invertiert (höhere Werte bedeuten dann eine positivere Einstellung gegenüber der GEZ bzw. der Rundfunkgebühr)

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Fortsetzung Tabelle 3

Item Haupteffekt Per- Interaktions- Interaktions- Relation des suasionsstrategie effekt Persua- effekt Persua- Ergebnisses sionsstrategie * sionsstrategie * zur Hypo- Bildung Geschlecht these Die GEZ ist uncool F(3, 297) = 2.11, p < F(3,297) = 2.32, p < F(3,297) = 1.96, ns ++ bei nied- .10, η² = .02 .10, η² = .02 rig Gebil- deten, -- bei hoch Gebil- deten Die GEZ nervt F(3, 297) = 1.59, ns F(3,297) = 5.31, p < F(3,297) = 2.02, ns ++ bei nied- .01, η² = .05 rig Gebil- deten, -- bei hoch Gebil- deten

Abbildung 2: Einflüsse der Persuasionsstrategie auf die Einstellung „Die Rundfunk- gebühr sichert Demokratie“ unter Berücksichtigung von Bildung und Geschlecht

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1 Kontrollgruppe Furchtappell Neutral Einsicht

männlich niedrig gebildet männlich hoch gebildet weiblich niedrig gebildet weiblich hoch gebildet

Drei experimentelle Gruppen („Furchtappell * weiblich * niedrige Bildung“; „Neutral * weiblich * niedrige Bildung“; „Einsicht * männlich * hohe Bildung“) weisen Zellenbesetzungen von n < 10 auf und sind daher nur der Vollständigkeit halber ausgewiesen.

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Ein wiederkehrendes Muster des Zusammenspiels von Persuasionsstrategie, Bildung und Geschlecht ergab sich für mehrere Items; es wird für das Statement „Die GEZ ist sympathisch“ illustrativ berichtet. Hier ergaben sich keine signifikanten Interaktions- effekte (Persuasionsstrategie * Bildung oder Persuasionsstrategie * Geschlecht), doch produzierten niedrig Gebildete sowie Frauen deutlich positivere Werte in der Bedin- gung „Einsicht erzeugen“ als die Teilnehmer/innen in den komplementären experimen- tellen Gruppen. Die Detailanalyse zeigte, dass dieser Effekt hauptsächlich auf formal niedrig gebildete Frauen zurückzuführen ist, die auf die Einsichts-Botschaft (n = 25) deutlich positiver reagierten als alle Vergleichsgruppen (vgl. Abbildung 3). In erheblich geringerem Umfang tragen aber auch niedrig gebildete Männer zu dem günstigen Effekt der auf Einsicht zielenden Persuasionsstrategie bei. Diese positive Reaktion der formal niedrig gebildeten weiblichen Versuchspersonen auf die Einsichts-Strategie fand sich bei mehreren der untersuchten Items, darunter „Die Rundfunkgebühr ist eine sinnvolle Einrichtung“, „Die GEZ nervt“ [invertiert] und „Die Rundfunkgebühr ist wirtschaft- lich nicht gerechtfertigt“ [invertiert] (vgl. Tabelle 3).

Abbildung 3: Einflüsse der Persuasionsstrategie auf die Einstellung „Die GEZ ist sympathisch“ unter Berücksichtigung von Bildung und Geschlecht

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1 Kontrollgruppe Furchtappell Neutral Einsicht

männlich niedrig gebildet männlich hoch gebildet weiblich niedrig gebildet weiblich hoch gebildet

Drei experimentelle Gruppen („Furchtappell * weiblich * niedrige Bildung“; „Neutral * weiblich * niedrige Bildung“; „Einsicht * männlich * hohe Bildung“) weisen Zellenbesetzungen von n < 10 auf und sind daher nur der Vollständigkeit halber ausgewiesen.

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6. Diskussion In der berichteten Studie wurde die Effektivität unterschiedlicher Kommunikations- bzw. Persuasionsstrategien für die Rundfunkgebühr und die mit ihrer Erhebung be- auftragte Gebühreneinzugszentrale (GEZ) geprüft. Zugrunde gelegt wurde dabei die sowohl normativ-demokratietheoretisch als auch persuasionstheoretisch hergeleitete Annahme, dass eine informierende, auf Einsicht der Rezipient/inn/en respektive Ge- bührenzahler/innen zielende Kommunikationsstrategie zu positiveren Einstellungen gegenüber der Gebühr und der GEZ führen müsste als die von der GEZ in der Praxis bevorzugte Strategie des Furchtappells. Dazu wurden junge Menschen unterschiedli- chen Bildungsgrads – gewissermaßen die haushaltsführenden Personen der nächsten Generation –, die für die GEZ besonders relevant sind, mit experimentell manipulierten Varianten einer GEZ-Werbung konfrontiert und ein breites Spektrum an Einstellungs- items zur Gebühr und zur GEZ abgefragt. Die Befunde stützen weitgehend die Generalannahme. Das Globalmaß für die Ein- stellung gegenüber Rundfunkgebühr und GEZ weist für Rezipient/inn/en, die die ein- sichtsorientierte Botschaft gesehen hatten, die günstigsten Werte auf; dieser Effekt ist überzufällig. Die differenzierte Betrachtung des Bildungsgrads ergab dann ein in Teilen erwartungswidriges Bild: Für formal niedriger Gebildete (insbesondere Frauen) konnte das informierende, auf Einsicht zielende Motiv pauschale(re) Bewertungen wie „Die GEZ ist eine sinnvolle Einrichtung“ verbessern beziehungsweise die (vorherrschende) negative Einstellung zur GEZ („Die GEZ nervt“) – kurzfristig – reduzieren. Für höher Gebildete ergab sich das angenommene Muster jedoch nicht; sowohl beim Globalmaß als auch bei den meisten Einzelitems führte die einsichtsorientierte Kommunikation nicht zu den günstigeren Einstellungen gegenüber der GEZ und/oder der Gebühr. Für die Interpretation dieses Befunds ist – ähnlich wie in bisherigen Studien zur Wirksamkeit von Furchtappellen (vgl. O’Keefe, 2003; Dillard & Anderson, 2004; oben: 2.) – die komplexe Wechselwirkung von Persuasionsstrategie, Geschlecht und Bildungs- grad zu bedenken. Denn die ursprüngliche Annahme, dass formal höher gebildete Perso- nen größeres Involvement (mehr Vorwissen, mehr Motivation und Fähigkeit zur elabo- rierten Auseinandersetzung mit dem Persuasionsversuch) aufweisen und daher für eine auf Einsicht setzende Kommunikationsstrategie empfänglicher sein sollten als niedriger gebildete Personen, konnte nicht bestätigt werden. Mehrere Überlegungen könnten hier theoretisch und in der weiteren Forschung verfolgt werden: Zum einen verleiht die Sank- tionsdrohung, die Gebührenhinterziehung als Ordnungswidrigkeit darstellt, der GEZ eine juristisch-moralische Legitimation. Diese Legitimation könnte die höher gebildeten Teilnehmer/innen dazu angehalten haben, der GEZ das Recht zu autoritärem Auftreten (im Sinne von Mahnungen und Zahlungserinnerungen) zuzugestehen, weswegen sie auf den Furchtappell nicht negativer reagierten als auf die einsichtsorientierte Botschaft. Für diese Interpretation sprechen beispielsweise die positiven Seriositätsurteile über die GEZ durch Proband/inn/en, die dem Furchtappell ausgesetzt worden waren (vgl. Tabel- le 1). Parallel (oder alternativ) dazu könnten die formal höher gebildeten Personen, die die auf Einsicht setzende Botschaft der GEZ rezipierten, aufgrund ihres durchschnitt- lich größeren Vorwissens über die GEZ (vgl. oben: 4.4) eine täuschende oder ablenken- de Absicht des Kommunikators vermutet haben (da ja die Sanktionsorientierung und energische Forderungsdurchsetzung der GEZ aus vorangegangenen Kommunikations- kampagnen bekannt sind), so dass die im Experiment verwendete Einsichts-Strategie als vorgeschobene Taktik oder unehrliche Anbiederung missinterpretiert worden sein könnte. In diesem Fall wäre mit Reaktanzprozessen zu rechnen, die etwaigen positiven

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Effekten der Einsichts-Strategie entgegenlaufen würden. Hier könnte also ein ironischer Effekt der Einsichts-Strategie vorliegen: Bei formal niedrig Gebildeten (mit vermutlich geringerem Vorwissen über die GEZ) kann sie tatsächlich positivere Einstellungen be- wirken, bei formal höher Gebildeten kann sie das vorherrschende Misstrauen gegenüber der GEZ zumindest nicht sofort überwinden, wenn nicht sogar existierende negative Einstellungen noch verstärken. Dieser Interpretation müssen freilich Folgestudien en detail nachgehen, bevor sie als empirisch bestätigt gelten kann, doch deuten die Befun- de aus dem Vergleich der Bildungsgruppen ein solches differenzielles Effektmuster der untersuchten Kommunikationsstrategien an. Ebenso interessant sind die gefundenen Geschlechtseffekte. Frauen sind offensicht- lich eher als Männer sowohl durch Einsichts-Strategien als auch durch Furchtappelle beeinflussbar. Für kompliziertere, auf Sachfragen bezogene Einstellungsthemen wie die Organisationsform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigen die Ergebnisse hypo- thesenkonform günstige Wirkungen der auf Einsicht setzenden Kommunikationsstra- tegie. Für die Seriositätseinschätzung (einschließlich der auf empfundene Nicht-Serio- sität zielenden Frage, ob die GEZ „Spitzelmethoden einsetze“), sind die Effekte des Furchtappells positiver für die GEZ. Hier ist möglicherweise der oben bereits für die Erklärung von Bildungseffekten herangezogene Legitimationsaspekt von Bedeutung, wonach der in der vorliegenden Studie operationalisierte Furchtappell der GEZ eine rechtliche Autorität verleiht, von der sich Rezipientinnen möglicherweise eher beein- drucken lassen als Männer. Schließlich ist die Beobachtung des Einflusses von Vorerfahrungen mit der GEZ bedeutsam, wonach die Einstellung gegenüber Rundfunkgebühr und GEZ geradezu dramatisch schlechter unter denjenigen Personen ausfällt, die bereits mit der GEZ in Be- rührung gekommen sind. Zwar zeigen die deskriptiven Befunde ähnliche Effektmus ter in den Teilstichproben mit und ohne Vorerfahrungen mit der GEZ, doch insgesamt ist festzuhalten, dass das ohnehin ungünstige Ansehen der GEZ gerade durch den Umgang mit den Gebühren(-nicht)zahler/inne/n in besonderer Weise zu leiden scheint und der nicht-mediale Kontakt zur GEZ damit sowohl unter persuasions-strategischen als auch unter normativ-demokratietheoretischen Gesichtspunkten als problematisch zu bewer- ten ist. Für die weiterführende Forschung als auch etwaige Praxiserprobungen einsicht- orientierter medialer Kommunikationsstrategien wäre demnach der Umgang der GEZ mit einzelnen Rundfunkteilnehmer/inne/n an zentraler Stelle zu berücksichtigen. Zur Prüfung dieser Überlegungen und weiterführenden Erkundung der persuasiven Wirkungen der GEZ-Kommunikation besteht freilich umfangreicher Replikations- und Erweiterungsbedarf, wobei die methodischen Limitationen der vorliegenden Untersu- chung zu bedenken sind. Dazu gehören in Bezug auf die interne Validität insbesondere die Randomisierung der Versuchspersonen auf Gruppenebene und der Verzicht auf ein Messwiederholungsdesign mit Vorher-Nachher-Erfassung der Einstellungen zur GEZ und zur Rundfunkgebühr. Weiterhin sollte die externe Validität gesteigert werden, die in der vorliegenden Studie vornehmlich durch das situativ-künstlich gesteigerte Invol- vement der Rezipient/inn/en eingeschränkt ist (vgl. oben: 4.5.). Dadurch könnten im Vergleich zu realen Settings der GEZ-Kommunikation untypische Reaktionen (die eventuell zwischen verschiedenen Bildungsgruppen unterschiedlich ausgefallen sind) aufgetreten sein. Ferner könnte das Stimulusmaterial ökologisch valider gestaltet wer- den (z. B. ein echter Kino-/TV-Spot statt eines Plakatmotivs verwendet werden). Eine Kombination aus Labor- und Feldexperimenten könnte diesen Suboptimalitäten be- gegnen und sollte zugleich ausreichende Fallzahlen realisieren, die eine weiterführende Analyse der interessanten, jedoch sehr komplexen Interaktion zwischen Persuasions-

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strategie, Bildungsgrad und Geschlecht erlauben. Diese weiterführenden Untersuchun- gen sollten sich auch um theoretische Ergänzungen bemühen, um die direkt am Ein- stellungsprozess beteiligten Größen anzuzielen, die sich in den hier berichteten Daten noch hinter „Bildung“ und „Geschlecht“ verbergen (z. B. Involvement, allgemeine Ängstlichkeit oder Autoritarismus). Schließlich ist in Bezug auf die Nachhaltigkeit der einstellungsbildenden oder -verändernden Medienwirkung die Ausdehnung des For- schungsansatzes auf längsschnittliche Designs und unterschiedliche Altersgruppen zu wünschen, um die Stabilität und Generalisierbarkeit der hier berichteten Befunde kri- tisch zu überprüfen. Insgesamt verweisen die vorgestellten Befunde darauf, dass sowohl die von der GEZ bislang präferierte Strategie der Furchtappelle als auch die vorgeschlagene Alternative über eine gewisse Persuasionskraft verfügen. Furchtappelle führen offensichtlich dazu, dass die GEZ an Legitimation und Autorität gewinnt; Einsichts-Strategien erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Rezipient/inn/en allgemeine vorherrschende negative Ein- stellungen gegenüber der Rundfunkgebühr und der GEZ abbauen und bei Sachfragen eine für die öffentlich-rechtlichen Sender positivere Haltung einnehmen. Dass insbe- sondere formal niedrig Gebildete (und hier vornehmlich Frauen) für informierende, auf Einsicht setzende Botschaften empfänglich sind, sollte ein besonderer Denkanstoß für die GEZ und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein. Sie sollten auch von einer normativen Perspektive aus abwägen, welche Einstellungsdimensionen (z. B. rechtliche Autorität versus zugeschriebener gesellschaftlicher Nutzen) ihnen besonders wichtig sind, und ihre Kommunikationsstrategien entsprechend überdenken. Denn die aktuelle Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nicht nur auf die Gebührenfi- nanzierung beschränkt (vgl. dazu oben: 1.). Es wäre daher nicht nur aus Gründen der effektiven Persuasion im Kontext des Gebühreneinzugs sinnvoll, die Argumentation in der Selbstdarstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu diskutieren. Für den Aspekt der Rundfunkgebühr und ihrer Erhebung durch die GEZ kann die vorliegende Studie bereits wertvolle Hilfestellungen für eine solche Diskussion liefern.

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MM&K_04.06_02_Klimmt.indd&K_04.06_02_Klimmt.indd 598598 116.11.20066.11.2006 15:12:2815:12:28 UhrUhr Elterlicher Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung Test einer deutschsprachigen Skala und erste Befunde für die Deutschschweiz

Saskia Böcking

In den vergangenen Jahrzehnten wurde intensiv erforscht, wie Eltern Einfluss auf die Fernsehnutzung ihrer Kinder nehmen und wie sie diese begleiten. In der internationa- len Forschung haben sich dabei drei zentrale Begleitformen herauskristallisiert: aktive Mediation, restriktive Mediation und Co-Viewing, das auch als passive Mediation be- zeichnet wird. Während in den USA und den Niederlanden standardisierte Instrumente zur Messung dieser drei Begleitformen existieren, weist der deutschsprachige Raum hier ein Defizit auf. In der Deutschschweiz vorhandene Daten, die Auskunft über elterliche Begleitformen geben, sind zudem entweder veraltet, berücksichtigen nicht alle der als zentral identifizierten Mediationsformen in einer Untersuchung oder erfassen nur das Vorkommen bzw. Nicht-Vorkommen derselben und sind entsprechend wenig detailliert. Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Artikel eine deutschsprachige Skala zur Messung von Formen der elterlichen Fernsehbegleitung getestet. Aufbauend auf bereits vorhandenen Messinstrumenten werden aktive und restriktive Mediation sowie Co- Viewing auch für die Deutschschweiz als wichtige Formen der elterlichen Begleitung identifiziert. Es zeigt sich darüber hinaus, dass das Alter der Kinder ein wichtiger Diffe- renzierungsfaktor für die Anwendung der drei Begleitformen ist.

Schlagwörter: Fernsehnutzung von Kindern, Fernsehbegleitverhalten von Eltern, Fernseherziehung, aktive Mediation, restriktive Mediation, Co-Viewing, Skalenent- wicklung

1. Einleitung Auch in den Zeiten der neuen Medien und trotz der immer weiter um sich greifen- den Verbreitung des Internets ist und bleibt das Fernsehen im deutschsprachigen Raum das von Kindern am meisten geschätzte und genutzte und von den Müttern ob seines Schadenspotenzials am meisten gefürchtete Medium (Feierabend & Rathgeb, 2006; For- schungsdienst SRG SSR, 2004; Frey-Vor & Schumacher, 2004; Süss, 2004). Forschung darüber, wie Eltern mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder umgehen, ist weit verbreitet. Im Zentrum stehen dabei neben der allgemeinen Beschreibung der verschiedenen Um- gangsweisen (z. B. Bybee, Robinson & Turow, 1982) vor allem Faktoren, die den elter- lichen Umgang mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder beeinflussen (z. B. Austin, Bolls, Fujioka & Engelbertson, 1999; Hurrelmann, Hammer & Stelberg, 1996; Valkenburg, Krcmar, Peeters & Marseille, 1999). Ein weiterer Schwerpunkt zumindest der angelsäch- sischen Forschung liegt auf den Auswirkungen elterlicher Umgangsweisen auf verschie- denste Bereiche der kindlichen Entwicklung und Mediensozialisation (z. B. Nathanson & Cantor, 2000). Hintergrund dieser verschiedenen Studien ist die weithin akzeptierte Erkenntnis, dass Eltern eine entscheidende Rolle in der Mediensozialisation ihrer Kin- der und damit auch für die Verarbeitung und Aneignung von Fernsehinhalten spielen. Die Mehrzahl der bisher genannten Untersuchungen wurde allerdings in den Ver- einigten Staaten oder den Niederlanden durchgeführt. Im Gegensatz zu diesen meist standardisiert ausgerichteten Studien sind im deutschsprachigen Raum eher qualitati- ve Untersuchungen zum Thema vorhanden (z. B. Aufenanger, 1988; Neumann-Braun,

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Charlton & Roesler, 1993) bzw. Untersuchungen, die quantitative und qualitative Zu- gänge miteinander kombinieren (Hurrelmann et al., 1996; Schorb & Theunert, 2001). Um systematisch die Wirkungen des elterlichen Umgangs mit der kindlichen Fernseh- nutzung auf kindliche Verstehens- oder Lernleistungen untersuchen zu können (z. B. im Rahmen von Experimentaldesigns), sind jedoch standardisierte Instrumente erfor- derlich.1 In einigen deutschsprachigen Untersuchungen (Bonfadelli, 1981; Feierabend & Rathgeb, 2006; Forschungsdienst SRG SSR, 2004; Schorb & Theunert, 2001; Süss, 2004) sind solche standardisierten Fragen zum elterlichen Umgang mit der kindlichen Fernsehnutzung durchaus zu finden. Allerdings messen sie in der Regel unterschiedli- che Aspekte und verwenden unterschiedliche Abfragen. Ein einheitliches und reliables deutschsprachiges Messinstrument für mögliches Fernsehbegleitverhalten der Eltern existiert bisher nicht. Die vorliegende Untersuchung verfolgt deshalb das Ziel, eine standardisierte Skala zu testen, die zur Messung des elterlichen Umgangs mit der Fern- sehnutzung ihrer Kinder verwendet werden kann. Darüber hinaus soll sie aufbauend auf diesem Messinstrument und vor dem Hintergrund teilweise veralteter Ergebnisse aus der Deutschschweiz aktuelle Daten über den Umgang von deutschschweizerischen Eltern mit der kindlichen Fernsehnutzung liefern. Wie in der angelsächsischen Forschung kann ein reliables Instrument zur Messung elterlichen Fernsehbegleitverhaltens dann im Rahmen von Medienwirkungsstudien dazu eingesetzt werden, mögliche Wirkungen der Fernseherziehung auf beispielsweise kindliche Bewertungen des Realismusgehalts von Fernsehinhalten, den Prozess politi- scher Sozialisation, die Wahrnehmung von Werbung und die Entwicklung von materia- listischen Einstellungen, einen kritischen Umgang mit Fernsehinhalten oder auch die Wirkung gewalthaltiger Fernsehinhalte zu untersuchen. Aus medienpädagogischer Per- spektive bietet das Verstehen entsprechender Prozesse die Möglichkeit, Eltern für auch unbeabsichtigte Wirkungen ihres Fernsehbegleitverhaltens zu sensibilisieren und ihnen Handlungsalternativen an die Hand zu geben. Ein standardisiertes deutschsprachiges Messinstrument, das auf entsprechenden englischsprachigen Messinstrumenten aufbaut, ermöglicht es darüber hinaus, internationale Vergleiche von Fernseherziehungsstilen durchzuführen. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über in der internationalen Forschung identifizierte Begleitformen und ihre Anwendung durch die Eltern gegeben. Im An- schluss daran werden die Forschungsfragen der vorliegenden Untersuchung vorgestellt. Es folgen die methodische Umsetzung, die Darstellung der Ergebnisse sowie die Dis- kussion derselben.

2. Elterlicher Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung

2.1 Was wissen wir über den Umgang von Eltern mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder? In verschiedenen Studien konnten im Verlauf der letzten Jahrzehnte sowohl im angel- sächsischen als auch im deutschen Sprachraum insgesamt drei verschiedene, zentrale Umgangsweisen von Eltern mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder identifiziert werden:

1 Zur Diskussion von Vor- und Nachteilen qualitativer und quantitativer Untersuchungen sie- he allgemein Tashakkori & Teddlie (2003; hier insbesondere section two), Brewer & Hunter (1989) sowie speziell aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive Daschmann, Fahr & Scholl (im Druck). 600

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Die Nutzung einschränkende, die Nutzung aktiv begleitende sowie die Nutzung passiv begleitende Verhaltensweisen (z. B. Hurrelmann et al., 1996; Neumann-Braun et al., 1993; Schorb & Theunert, 2001) – bzw. in der angelsächsischen Terminologie restrikti- ve Mediation2, aktive bzw. instruktive Mediation, und Co-Viewing (Valkenburg et al., 1999). Restriktive Mediation, z. T. auch als restrictive guidance (Bybee et al., 1982; van der Voort, Nikken & van Lil, 1992) oder direktive Fernseherziehung (Schorb & Theunert, 2001) bezeichnet, umfasst die Fernsehnutzung des Kindes beschränkende Verhaltens- weisen der Eltern, z. B. das Aufstellen von Regeln hinsichtlich des zeitlichen Ausmaßes der Nutzung oder die Einschränkung der Inhalte, die das Kind sehen darf. Die Eltern können dabei den Kontakt ihres Kindes mit unerwünschten Einflüssen aus dem Fern- sehen auch dadurch verhindern, indem sie ihm beispielsweise gezielt andere Beschäf- tigungsmöglichkeiten anbieten (vgl. den Familientypus I bei Neumann-Braun et al., 1993). Restriktives Verhalten ist in der Regel das Ergebnis elterlicher Befürchtungen über (starke) negative Auswirkungen des Fernsehens auf Kinder und ihre Entwicklung (z. B. Austin et al., 1999; Neumann-Braun et al., 1993; Schorb & Theunert, 2001). Als aktive Mediation werden alle Verhaltensweisen der Eltern gesehen, bei denen sie versuchen, ihren Kindern die im Fernsehen gezeigten Inhalte näher zu bringen und für sie verständlich zu machen3. Dies kann auch Bewertungen des Gezeigten beinhal- ten. Austin et al. (1999) differenzieren darauf Bezug nehmend zwischen categorization, validation und supplementation. Während categorization die Einordnung der Fern- sehinhalte durch die Eltern als real bzw. nicht real beinhaltet, bezeichnet validation das Befürworten bzw. Ablehnen von Darstellungen. Supplementation schließlich sind weiterführende Informationen zu den gesehenen Inhalten seitens der Eltern, die den Kindern den Nutzen der Fernsehinformationen verdeutlichen. Vor diesem Hintergrund betonen Austin et al. auch die Bedeutung der Valenz der elterlichen Kommentare und unterscheiden diesbezüglich zwischen positivem (befürwortendem) und negativem (ablehnendem) Mediationsverhalten der Eltern. Valkenburg et al. (1999) beziehen sich mit ihrem Verständnis von aktiver Mediation als Diskussionen zwischen Eltern und Kindern über die gesehenen Fernsehinhalte vor allem auf die von Austin et al. catego- rization und validation genannten Teilaspekte. Dabei können diese Diskussionen nach Ergebnissen aus deutschsprachigen Untersuchungen (z. B. Schorb & Theunert, 2001; Neumann-Braun et al., 1993) sowohl während der Fernsehnutzung als auch im An- schluss daran stattfinden.

2 Der Begriff „Mediation“ wird im deutschsprachigen Raum normalerweise im Rahmen der Lösung von Konflikten bzw. im Zusammenhang von Vermittlungsversuchen zweier oder meh- rerer Parteien durch unparteiische Personen verwendet (z. B. Oboth & Seils, 2005). Obwohl die Bezeichnung „Mediationsverhalten“ also ursprünglich nicht mit der Regulierung bzw. dem Umgang mit Medien in Verbindung gebracht werden kann, soll der Begriff aufgrund der im angloamerikanischen Sprachraum für derartiges Verhalten gebräuchlichen Bezeichnung „pa- rental mediation“ verwendet werden. Immer wenn im Folgenden von „Mediation“ die Rede ist, ist damit allgemein der elterliche Umgang mit der Mediennutzung (für den vorliegenden Artikel speziell Fernsehnutzung) ihrer Kinder gemeint. 3 Einige Autoren verwenden hier auch den Begriff „evaluative mediation“ (Bybee et al., 1982) oder instruktive Mediation (Valkenburg et al., 1999). Da die im angelsächsischen Sprachraum unter active mediation verstandenen elterlichen Verhaltensweisen weitestgehend dem von Schorb und Theunert (2001) für den deutschen Sprachraum identifizierten aktiven Begleitver- halten entsprechen, wird im weiteren Artikel für im weitesten Sinne erklärende Verhaltenswei- sen der Eltern nur noch der Begriff aktive Mediation verwendet. 601

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Eine Mischung aus aktiver und restriktiver Mediation stellt das von Schorb und Theunert (2001) als „argumentativer Fernseherziehungsstil“ bezeichnete Verhalten von Eltern dar. Zusätzlich zu dem auch im angelsächsischen Sprachraum angesprochenen Sprechen über im Fernsehen Gesehenes fassen die Autoren darunter das gemeinschaft- liche Aushandeln von Eltern und Kindern bezüglich der Programme und Sendungen, die die Kinder sich ansehen dürfen. Insbesondere der Aspekt des Aushandelns der den Kindern erlaubten bzw. nicht erlaubten Fernsehsendungen trägt dabei Züge des sonst unter restriktiver Mediation bekannten Fernseherziehungsverhaltens. Hinter einem sol- chen Verhalten steht nach Erkenntnissen der Autoren das Bemühen der Eltern, ihre Kinder zu einem selbst bestimmten, Ziel gerichteten und kritischen Umgang mit dem Fernsehangebot zu erziehen – was wiederum ein Kennzeichen aktiver Mediation ist. Vor diesem Hintergrund setzen sie sich i. d. R. aktiv mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder auseinander und machen sie auch schon mal gezielt auf aus ihrer Sicht sinnvolle Fern- sehangebote aufmerksam. Allerdings belegen Ergebnisse von Hurrelmann et al. (1996), dass derartige Empfehlungen in nur sehr wenigen Familien vorkommen. Co-Viewing wurde das gemeinsame Sehen von Fernsehsendungen durch Eltern und Kinder genannt. Schorb und Theunert (2001) verwenden hierfür den Begriff „beglei- tende Fernseherziehung“. Einige Autoren gehen dabei davon aus, dass die Eltern zu ihren eigenen Interessen passende Programme auswählen, die die Kinder dann mitsehen (Bybee et al., 1982). Andere Autoren betrachten Co-Viewing dagegen als das Ergebnis von gemeinsamen Fernsehinteressen und -nutzungsmotiven von Eltern und Kindern (Valkenburg et al., 1999). Qualitative Studien aus dem deutschsprachigen Raum legen diesbezüglich nahe, dass je nach Familie und spezifischer Situation durchaus beide Be- weggründe möglich sind. Ein möglicher Grund für die von elterlichen Nutzungsinter- essen ausgehende gemeinsame Fernsehnutzung ist dabei beispielsweise das Bedürfnis der Kinder nach elterlicher Nähe. Um den Eltern nahe zu sein, schauen die Kinder die Eltern interessierende Sendungen mit, obwohl sie selbst eher weniger Interesse daran haben (z. B. Neumann-Braun et al., 1993). Eltern wiederum sehen sich Sendungen mit ihren Kindern zusammen an, weil sie die Inhalte entweder auch selbst interessant finden bzw. weil sie ihnen gefallen (Schorb & Theunert, 2001), weil sie dem Kind einen Gefallen tun möchten (Hurrelmann et al., 1996) oder aber sich im Falle von akzeptierten Kinder- sendungen dabei entspannen können und weniger gezwungen sind, Dinge zu erklären (Neumann-Braun et al., 1993; Schorb & Theunert, 2001). Da Co-Viewing durchaus mit aktiver Mediation einhergehen kann, werden aller- dings nicht immer klare Grenzen zwischen beiden Verhaltensweisen gezogen (Buerkel- Rothfuss & Buerkel, 2001). Ergebnisse von Austin et al. (1999) legen jedoch nahe, dass Co-Viewing und kritische Bemerkungen seitens der Eltern konzeptuell voneinander verschieden sind. Co-Viewing, so das Ergebnis, kann mit oder ohne Diskussion der Fernsehinhalte stattfinden. Am ehesten hängt es noch mit zustimmenden Bemerkun- gen der Eltern zusammen. Am besten lassen sich beide Mediationsformen voneinander abgrenzen, wenn man der auch empirisch bestätigten Unterscheidung von Valkenburg et al. (1999) folgt. Danach liegen dem Co-Viewing im Gegensatz zu den mit aktiver Me- diation verbundenen elterlichen Erklärungen keine intentionalen Absichten der Eltern zugrunde (Dorr, Kovaric & Doubleday, 1989). Der von Neumann-Braun et al. (1993) identifizierte zweite Familientypus legt dabei nahe, dass hinter einem solchen Verhalten ein eher unreflektierter und unbefangener Umgang mit der kindlichen Fernsehnutzung steht. Entsprechend wird im Rahmen von Co-Viewing vereinzelt auch der Zusatz „pas- siv“ verwendet (Buerkel-Rothfuss & Buerkel, 2001). Das beim Co-Viewing angespro- chene Verhalten der Eltern ähnelt zumindest hinsichtlich der fehlenden intentionalen

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Absichten der Eltern wiederum der von Schorb und Theunert (2001) angesprochenen Laissez-faire-Praxis. Hier verzichten die Eltern bezüglich der Fernsehnutzung ihrer Kinder auf Anleitung und Erziehung und überlassen es den Kindern selbst, wie sie mit dem Fernsehen umgehen möchten. Als Co-Viewing und damit passive Mediation im weiteren Sinne kann auch das elterliche Vorbildverhalten, d. h. die Fernsehnutzung der Eltern, verstanden werden (Austin, 2001).4

2.2 Wie häufig bzw. intensiv wenden die Eltern die verschiedenen Mediationsformen an? Wie häufig bzw. intensiv die Eltern die verschiedenen Umgangsweisen anwenden, ist je nach Mediationsart unterschiedlich. Neuere Studien aus dem angloamerikanischen Raum (z. B. Austin et al., 1999; Warren, Gerke & Kelly, 2002) zeigen, dass Eltern ihren Kindern in erster Linie Erklärungen und weitere Informationen zu den im Fernsehen gesehenen Inhalten anbieten (aktive Mediation), an zweiter Stelle folgt bei Austin et al. (1999) das nicht-intentionale gemeinsame Fernseherlebnis (Co-Viewing), bei Warren et al. (2002) Einschränkungen inhaltlicher und/oder zeitlicher Art. Dabei äußern die Eltern ihren Kindern gegenüber eher, was ihnen an den gesehenen Inhalten nicht passt, als worin sie mit dem Gezeigten übereinstimmen (Austin et al., 1999). Grund für dieses Verhalten ist möglicherweise, dass zustimmende Äußerungen eher zufällig abgegeben werden und letztlich nur eine Erweiterung der normalen Alltagskommunikation dar- stellen. Hinweise auf falsche oder verzerrt dargestellte Inhalte dagegen sind das Ergeb- nis einer kritischen Grundhaltung und auf den Wunsch zurückzuführen, das Kind zu schützen (Austin & Pinkleton, 2001). Ergebnisse aus den Niederlanden sind ähnlich, allerdings liegt hier das Co-Viewing vor Erklärungen und genaueren Ausführungen sei- tens der Eltern (Valkenburg et al., 1999). Insgesamt geben die Eltern an, die einzelnen Mediationsformen eher häufiger einzusetzen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch für den deutschsprachigen Raum. So berichtet Süss (2004), dass im Vergleich der Schweizer Landesteile untereinander Eltern aus der deutschsprachigen Schweiz am häufigsten dazu tendieren, den Medienumgang ihrer Kinder und damit auch die Fernsehnutzung zu kontrollieren. Die Kinder müssen häu- figer um Erlaubnis fragen, wenn sie fernsehen möchten, und haben auch mehr inhalt- liche Einschränkungen. Auch für Deutschland gilt, dass die Eltern sich grundsätzlich

4 Neben den hier genannten und immer wieder bestätigten Mediationsformen sind in frühen Untersuchungen weitere Umgangsweisen untersucht worden. So enthielt die Studie von Bybee et al. (1982; vgl. van der Voort et al., 1992) neben Items zur restriktiven und aktiven Mediation auch Aussagen zur so genannten „unfocused guidance“. Dahinter verbirgt sich, inwieweit El- tern über Erklärungen zu spezifischen Fernsehinhalten oder -akteuren hinaus ganz allgemein mit ihrem Kind über das Fernsehen sprechen bzw. es zum Sehen bestimmter Inhalte ermuntern (vgl. auch die Unterteilung von Buerkel-Rothfuss & Buerkel [2001] in strategische und nicht- strategische aktive Mediation). Valkenburg et al. (1999) weisen jedoch darauf hin, dass diese Mediationsform möglicherweise ein methodisches Artefakt ist, das durch die gezwungene In- terpretation eines „left-over“-Faktors (S. 54) entstanden ist. So konnten sie anstelle der in der Forschung propagierten vier Mediationsformen in Faktorenanalysen lediglich die drei Media- tionsformen aktive und restriktive Mediation sowie Co-Viewing identifizieren – obwohl sie die Items der Studie von Bybee et al. in die Entwicklung ihrer Mediationsskala mit einbezogen hatten. Bei näherer Betrachtung der von Valkenburg et al. identifizierten Faktoren Co-Viewing und aktive Mediation zeigt sich zudem, dass die unfocused guidance als eine Mischung dieser beiden Faktoren angesehen werden kann. 603

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bemühen, durch inhaltliche und/oder zeitliche Einschränkungen den Einfluss des Fern- sehens auf ihre Kinder zu kontrollieren (z. B. Aufenanger, 1988; Feierabend & Mohr, 2004; Frey-Vor & Schumacher, 2004). Neuere Ergebnisse einer repräsentativen Befra- gung legen dabei nahe, dass rund zwei Drittel der Kinder zwischen null und 17 Jahren in Deutschland hinsichtlich möglicher Nutzungszeiten und erlaubter Inhalte direktive Maßnahmen erfahren (Schorb & Theunert, 2001; ähnlich: Feierabend & Rathgeb, 2006; Hurrelmann et al., 1996). Auch gemeinsames Fernsehen von Eltern und Kindern gehört nach den Ergebnissen einer repräsentativen Befragung von Eltern von Sechs- bis 13- Jährigen in Deutschland (Feierabend & Rathgeb, 2006) durchaus zur Tagesordnung – sei es dass gemeinsam über das abendliche Fernsehprogramm entschieden wird oder dass die Eltern eine Sendung mitschauen, die ihr Kind sehen möchte (vgl. auch Feierabend & Mohr, 2004; Frey-Vor & Schumacher, 2004). Nach Erkenntnissen von Schorb und Theu- nert (2001) erfährt gut die Hälfte der bis zu 17-Jährigen in Deutschland eine begleitende Fernseherziehung durch die Eltern, d. h. Eltern und Kind schauen miteinander fern. Ergebnisse von Süss (2004; vgl. auch Saxer, Bonfadelli & Hättenschwiler, 1980) weisen darauf hin, dass das gemeinsame Fernsehen auch in Schweizer Familien durchaus Alltag ist. Lediglich ein Fünftel der Schweizer Kinder sieht in der Regel alleine fern. Jeweils 35 Prozent der Kinder sitzen im Normalfall mit den Eltern oder der gesamten Familie vor dem Bildschirm5. Dazu kommt, dass das gemeinsame Fernsehen die zweithäufigste gemeinsame Tätigkeit innerhalb der Familie ist. Einfluss auf die den Kindern erlaubten Fernsehsendungen üben deutschschweizerische Eltern nach eigenen Angaben bei etwa vier Fünftel der Kinder aus. Eine ältere Untersuchung aus der Schweiz belegt darüber hinaus, dass auch Erklä- rungen des im Fernsehen Gezeigten für die Eltern selbstverständlich sind (Bonfadelli, 1981). Insgesamt erklären nach Angaben der Kinder 90 Prozent der Eltern ihnen Dinge, die sie nicht verstehen. 65 Prozent tun dies allerdings nur, wenn die Kinder sie direkt danach fragen. Aktuelle Ergebnisse aus Deutschland belegen, das zwar 80 Prozent der Eltern mit ihrem Kind über Fernsehsendungen reden. Bei zwei Drittel erfolgt dies je- doch eher sporadisch (Frey-Vor & Schumacher, 2004). Ähnlich sind die Ergebnisse von Schorb und Theunert (2001), wonach gut die Hälfte der Kinder mit den Eltern über erlaubte Fernsehsendungen verhandelt bzw. mit ihnen über das Gesehene spricht (vgl. auch Hurrelmann et al., 1996). Qualitative Untersuchungen zeigen diesbezüglich, dass Gespräche zwischen Eltern und Kindern über das Gesehene oder auch Diskussionen über das Fernsehprogramm allgemein vom elterlichen Fernseherziehungstyp abhängen (Schorb & Theunert, 2001). Entscheidend für das Mediationsverhalten der Eltern ist offensichtlich insbesondere das Alter der Kinder. So belegen verschiedene Studien (Bonfadelli, 1981; Saxer et al., 1980; Süss, 2004; Valkenburg et al., 1999; Warren et al., 2002), dass Restriktionen und/ oder Erklärungen grundsätzlich häufiger bei jüngeren Kindern anzutreffen sind als bei älteren. Dem widersprechen zumindest teilweise die Ergebnisse von Schorb und Theu- nert (2001). Ihren Erkenntnissen zufolge wenden Eltern Verbote und Einschränkungen v. a. bei Grundschulkindern (89 Prozent) und im beginnenden Jugendalter (12 bis 15 Jah- re; 74 Prozent) an. Nichtsdestotrotz erfahren auch fast zwei Drittel der Vorschulkinder restriktive Maßnahmen durch die Eltern. Auch im Hinblick auf elterliche Erklärungen oder Diskussionen über erlaubte Inhalte weisen Schorb und Theunert nach, dass der Zusammenhang mit dem Alter offensichtlich nicht linear ist. Ihren Ergebnissen zufolge

5 Da bei dieser Frage Mehrfachantworten möglich waren, sind die genannten Zahlen nicht ge- genseitig ausschließend zu verstehen. 604

MM&K_04.06_03_Boecking.indd&K_04.06_03_Boecking.indd 604604 116.11.20066.11.2006 15:14:0515:14:05 UhrUhr Böcking · Elterlicher Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung

begleiten Eltern v. a. Grundschulkinder mit entsprechenden Aktivitäten (71 Prozent). Bei Vorschulkindern und Jugendlichen erfährt nur gut jeder zweite Sprössling aktive Mediationsformen. Gemeinsam mit ihren Kindern sehen bei allen drei Altersgruppen zwischen 50 und 60 Prozent der Eltern fern – mit einem leichten Rückgang bei älteren Kindern (vgl. auch Süss, 2004). Süss zeigt zusätzlich, dass mit steigendem Alter das Sehen mit der ganzen Familie zunimmt.6 Ergebnisse aus dem angelsächsischen Sprach- raum belegen ebenfalls, dass Co-Viewing bei älteren Kindern häufiger vorkommt als bei jüngeren (Austin et al., 1999; Dorr et al., 1989; Warren, 2003).

2.3 Welche Zusammenhänge gibt es zwischen den einzelnen Mediationsformen? Dass Eltern die verschiedenen Begleitformen jeweils nicht ausschließlich verwenden, darauf deuten nicht nur die weiter oben aufgeführten Ergebnisse hin. Qualitative In- terviews zeigen darüber hinaus, dass in vielen Familien ein situationsgeleiteter Mix der verschiedenen Mediationsformen üblich ist (Neumann-Braun et al., 1993; Schorb & Theunert, 2001). So identifizieren Schorb und Theunert beispielsweise insgesamt fünf Fernseherziehungs-Typen: Während „Reglementierer“ sich in erster Linie auf restrikti- ve Maßnahmen beschränken, ist es Ziel der „Erzieher“, ihren Kindern durch eine Kom- bination aus Diskussionen über Programminhalte bzw. die Programmauswahl, Anre- gungen zu bestimmten Aktivitäten (darunter auch die Nutzung bestimmter Sendungen) und inhaltlichen bzw. zeitlichen Beschränkungen der Fernsehnutzung eine kritisch-re- flektierte Haltung gegenüber dem Fernsehen zu vermitteln. „Flexible“ Eltern reagieren situationsabhängig und überwiegend intuitiv auf die kindliche Fernsehnutzung. Je nach Familie und Situation reglementieren sie eher, kommentieren Sendungen während oder auch unabhängig von der Nutzung oder regen Diskussionen über im Fernsehen Gezeig- tes an. Der Typ „technische Regulierer“ verhindert eine übermäßige Fernsehnutzung bzw. die Nutzung bestimmter Inhalte weitestgehend über technische Vorsperren wie Pin-Codes oder Zeitschalter. „Negierer“ schließlich lassen aufgrund der Ansicht, dass Fernsehen nur anderen schadet und ihre Kinder medienkompetent sind, diese selbst entscheiden, welche Inhalte und wie lange sie sehen möchten. Dennoch erklären sie den Kindern während der Nutzung hin und wieder bestimmte Aspekte wie etwa Realitäts- Fiktions-Unterscheidungen. Auch im Rahmen von standardisierten Befragungen berechnete Korrelationen zwi- schen den verschiedenen Mediationsformen zeigen, dass ihre Anwendung eng mitein- ander verknüpft ist. Je mehr Eltern ihren Kindern Regeln setzen, desto mehr engagieren sie sich in gemeinsamen Diskussionen über die gesehenen Inhalte und desto mehr schau- en sie gemeinsam mit ihren Kindern fern. Den stärksten Zusammenhang weisen dabei aktive und restriktive Mediation sowie aktive Mediation und Co-Viewing auf (Lin & Atkin, 1989; Valkenburg et al., 1999). Der letztere Zusammenhang ist u. a. dadurch zu er- klären, dass die gemeinsame Fernsehnutzung zunächst Voraussetzung für Erklärungen des Gezeigten ist. Zwar impliziert das gemeinsame Fernsehen nicht automatisch, dass die Eltern den Kindern Dinge erklären oder Kritik an dargestellten Verhaltensweisen üben. Allein ihre bloße Anwesenheit steigert jedoch bereits die Wahrscheinlichkeit eines solchen Verhaltens. Notwendig ist es dennoch nicht. Denn v. a. bei älteren Kindern ist

6 Da bei der Untersuchung von Süss bei der Frage nach den Fernsehpartnern der Kinder sowohl die Eltern als auch die gesamte Familie angegeben werden konnten – die befragten Eltern hatten die Möglichkeit, maximal zwei Optionen anzukreuzen – scheinen die Ergebnisse von Süss auf den ersten Blick widersprüchlich zu sein. 605

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das gemeinsame Sehen offensichtlich eher eine Folge gemeinsamer Sehinteressen als das Bedürfnis eines Elternteils, die kindliche Fernsehnutzung aktiv zu begleiten (Kotler, Wright & Huston, 2001). Die mit Co-Viewing verbundenen Äußerungen der Eltern sind i. d. R. zudem positiver Natur, d. h. die Eltern geben den Kindern zu erkennen, dass sie die gezeigten Inhalte gutheißen (Austin et al., 1999).

2.4 Die Messung der Mediationsformen Erhoben wurde der elterliche Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung sowohl mit Hilfe von Leitfadeninterviews (Neumann-Braun et al., 1993; Schorb & Theunert, 2001) als auch mit standardisierten Abfragen (z. B. Austin et al., 1999; Schorb & Theunert, 2001; Valkenburg et al., 1999). Im Rahmen standardisierter Untersuchungen kamen dabei bis- her grundsätzlich self-report-Methoden zum Einsatz. In der Regel wurden dabei die Eltern der Kinder befragt – v. a. dann, wenn das Verhalten der Eltern gegenüber jünge- ren Kindern erhoben wurde (z. B. Warren, 2004). In selteneren Fällen kamen hier die Kinder selbst zur Sprache (Bonfadelli, 1981; Krendl, Clark, Dawson & Troiano, 1993; Süss, 2004). Abgefragt wurden im Verlauf der zurückliegenden drei Jahrzehnte die verschieden- sten Maßnahmen, die Eltern vornehmen, um die Fernsehnutzung ihrer Kinder zu be- schränken oder zu begleiten. Wie bereits dargelegt wurde, haben sich im Verlauf der Untersuchungen insgesamt drei zentrale Umgangsweisen herauskristallisiert: Aktive Mediation, restriktive Mediation und Co-Viewing. Zentral für die Identifizierung und Benennung dieser drei Mediationsformen war zumindest für den angelsächsischen Sprachraum die von Valkenburg et al. (1999) durchgeführte Studie. Ziel dieser Untersu- chung war es, die bisherige Literatur im Bereich elterlicher Mediation aufzuarbeiten, die in den bisherigen Untersuchungen zum Teil auf sehr unterschiedliche Weisen und mit unterschiedlich vielen Items (zwischen einem und sechs pro Mediationsform) erhobe- nen Verhaltensweisen der Eltern zu vereinheitlichen und ein reliables Messinstrument zu entwickeln. Dazu starteten die Forscher mit einem auf bisherigen Studien basieren- den Itempool von 30 Items, den sie dann in zwei Schritten auf die Endfassung von drei Skalen mit jeweils fünf Items reduzierten. Der Vorteil des von Valkenburg et al. entwickelten Instruments gegenüber bisherigen Messungen besteht neben der Reliabilität der einzelnen Skalen darin, dass die Abfrage der aktiven Mediation neben negativ bewertendem Verhalten der Eltern auch positive Kommentare beinhaltet. Damit erfüllt die Skala die Forderung von Austin et al. (1999) nach der Berücksichtigung von die gezeigten Inhalte bestärkendem Verhalten in der Messung des elterlichen Mediationsverhaltens.7 Das Problem der bisher im deutschsprachigen Raum verwendeten Abfragen zum elterlichen Umgang mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder ist momentan das gleiche, das bis zur Entwicklung der Skala von Valkenburg et al. auch für den angloamerikanischen Sprachraum vorlag: Es liegt derzeit kein einheitliches und reliables Messinstrument vor, das im Rahmen von experimentellen Designs oder Surveys für die Untersuchung von

7 Allerdings weisen Austin et al. (1999) nach, dass zumindest eine der positiven Mediationsfor- men bei Valkenburg et al. („mehr über das Gezeigte im Fernsehen erzählen“) als ein weiterer Indikator für eine skeptische Grundhaltung der Eltern zu betrachten ist. Denn diese Aussage lud nicht mit Aussagen zur Zustimmung zu Fernsehinhalten auf einem Faktor, sondern mit Aussagen, bei denen Fernsehinhalte als nicht wahr, nicht real oder nicht in Ordnung eingestuft wurden. 606

MM&K_04.06_03_Boecking.indd&K_04.06_03_Boecking.indd 606606 116.11.20066.11.2006 15:14:0815:14:08 UhrUhr Böcking · Elterlicher Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung

kurz- oder langfristigen Effekten des elterlichen Mediationsverhaltens eingesetzt wer- den könnte. Nicht reliable Skalen führen jedoch dazu, dass Effektgrößen geschwächt werden und entsprechend auch die Untersuchungsergebnisse weniger überzeugend sind (Cronbach, 1990). Uneinheitliche Abfragen wiederum erschweren es, die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen miteinander zu vergleichen. Befragungen im deutschsprachigen Raum haben bisher in der Regel Instrumente mit teilweise nur sehr wenigen Items oder auch wenig detaillierten Fragen verwendet. So wurde in einer für die Schweiz repräsentativen Studie beispielsweise lediglich erhoben, ob die Kinder ungehinderten Zugang zu verschiedenen Geräten haben (Forschungs- dienst SRG SSR, 2004). Süss (2004) fragte nur allgemein nach der Einschränkung me- dialer Tätigkeiten durch die Eltern (Erlaubnis zur Benutzung), nach Gesprächen über mediale Inhalte (reden über Fernsehen) sowie dem gemeinsamen Fernsehen (sehen zu- sammen fern; vgl. hier auch Saxer et al., 1980). Dabei wurde in den ersten beiden Fällen nur das Vorkommen bzw. Fehlen beider Verhaltensweisen erfasst, nicht aber die Häu- figkeit der Anwendung. Die repräsentative Umfrage des Medienpädagogischen For- schungsverbunds Südwest (Feierabend & Rathgeb, 2006) beinhaltet zwar zwei Fragen zur Häufigkeit des gemeinsamen Sehens von Eltern und Kindern sowie eine Frage nach der Häufigkeit, mit der das Kind um Erlaubnis bitten muss, wenn es fernsehen möchte (ähnlich: Feierabend & Mohr, 2004). Daten zu konkreten Restriktionen oder Verhal- tensweisen der Eltern während der Fernseher läuft, fehlen bei beiden Untersuchungen aber ganz. Zwar geben diesbezüglich die von Bonfadelli (1981) aufgeführten Ergeb- nisse weitere Auskünfte. Allerdings wurden Erklärungen der Eltern auch hier nur mit der Frage nach dem Vorkommen derselben erhoben. Zudem sind die Daten recht alt. Andere Studien (Frey-Vor & Schumacher, 2004; Feierabend & Mohr, 2004) beleuchten die elterliche Fernseherziehung demgegenüber genauer (z. B. gemeinsame Entscheidung mit dem Kind über erlaubte TV-Sendungen, Information über Kindersendungen im TV, Sehen einer Sendung, weil das Kind dies möchte). Es wurde jedoch nicht die Anwen- dungshäufigkeit entsprechender Verhaltensweisen durch die Eltern erfasst, sondern ihre Zustimmung zu den jeweiligen Aussagen. Dazu wurden auch hier Verhaltensweisen während der Nutzung nicht berücksichtigt. Ähnliche Probleme weisen die von Schorb und Theunert (2001) verwendeten Fragen auf.

2.5 Zusammenfassung und Forschungsfragen In der angelsächsischen und deutschsprachigen Forschung wurden aktive und restriktive Verhaltensweisen sowie Co-Viewing als zentrale Begleitformen der kindlichen Fernseh- nutzung durch die Eltern identifiziert. Während sowohl in den USA als auch in den Nie- derlanden standardisierte Instrumente zur Messung dieser Verhaltensweisen vorliegen, weist der deutschsprachige Raum hier ein Defizit auf. In der vorliegenden Untersuchung soll deshalb zunächst ein standardisiertes Messinstrument für den deutschsprachigen Raum entwickelt werden. Da die von Valkenburg et al. (1999) entwickelte Skala von allen existierenden Messinstrumenten das theoretisch fundierteste und empirisch am besten getestete ist, soll zur Entwicklung eines deutschsprachigen Instruments in erster Linie auf diese Skala zurückgegriffen werden. • Forschungsfrage 1: Lassen sich auf Basis eines standardisierten Messinstruments für den deutschen Sprachraum ähnliche Mediationsformen nachweisen wie für den an- gelsächsischen und die Niederlande, d. h. können die von Valkenburg et al. identifi- zierten Mediationsformen für die Deutschschweiz repliziert werden? Der Forschungsüberblick hat darüber hinaus gezeigt, dass das Mediationsverhalten im

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angelsächsischen Sprachraum und den Niederlanden gut erforscht ist. Erkenntnisse für die Deutschschweiz sind entweder veraltet, hinsichtlich der als zentral identifizierten Begleitformen unvollständig oder geben aufgrund verwendeter Abfragen keine Aus- kunft über die Häufigkeit bzw. Intensität entsprechenden elterlichen Verhaltens. Dar- über hinaus wurde für die Deutschschweiz bisher nicht ermittelt, wie die drei Begleitfor- men miteinander zusammenhängen. Vor diesem Hintergrund ist von Interesse, welche der drei Verhaltensweisen Eltern in der Deutschschweiz bevorzugt anwenden, um die Fernsehnutzung ihrer Kinder zu begleiten, wie diese miteinander zusammenhängen und ob es, wie es sich andeutet, Unterschiede hinsichtlich des Alters der Kinder gibt. • Forschungsfrage 2: Wie sieht das Mediationsverhalten (aktive und restriktive Media- tion, Co-Viewing) von Eltern in der Deutschschweiz grundsätzlich aus? • Forschungsfrage 3: Wie hängen die einzelnen Mediationsformen miteinander zusam- men? • Forschungsfrage 4: Wenden deutschschweizerische Eltern aktive und restriktive Me- diation sowie Co-Viewing bei älteren und jüngeren Kindern unterschiedlich häufig an?

3. Methode und Durchführung Da im Mittelpunkt der Untersuchung die Entwicklung einer standardisierten Skala zur Messung des elterlichen Umgangs mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder steht, wurde eine quantitative Befragung durchgeführt. Trotz entsprechender Empfehlungen von Fu- jioka und Austin (2003) wurde davon abgesehen, die Kinder zu befragen. Zwei Gründe waren für diese Entscheidung ausschlaggebend: Zum einem ist es v. a. bei jüngeren Kin- dern schwierig, hochstandardisierte und damit eher abstrakte Instrumente einzusetzen (Garbarino & Stott, 1989). Dazu kommt, dass jüngere Kinder i. d. R. Schwierigkeiten haben, spezifische Regelungen zu nennen (Krendl et al., 1993). Zum anderen sollten die Ergebnisse der Untersuchung mit denen von Valkenburg et al. (1999) vergleichbar sein. Da diese im Rahmen der Entwicklung ihrer Mediationsskala Eltern befragt hatten, wurden auch hier die Eltern um die Beschreibung ihres Mediationsverhaltens gebeten. Die Eltern füllten den Fragebogen in Anwesenheit des/der Interviewers/in selbstständig aus (self-administered questionnaire). Als Interviewer fungierten Teilnehmer/innen ei- nes empirischen Forschungsseminars. Die Studierenden wurden im Seminar hinsichtlich ihres Verhaltens im Rahmen der Kontaktaufnahme zu den Befragten, zum Verhalten und Auftreten während der Befragung sowie hinsichtlich möglicher Interviewereffek- te geschult. Zudem wurden die einzelnen Fragen des Fragebogens durchgesprochen und erklärt. Die Befragung fand von Februar bis März 2005 statt. Da die Hauptbetreu- ungsperson von Kindern in der Schweiz in der Mehrheit der Fälle die Mutter ist (Süss, 2004), wurden die Interviewer angewiesen, nach Möglichkeit die Mutter des Kindes zu befragen. Jede/r Interviewer/in führte 18 Interviews durch8. Die Befragung fand bei den Familien zu Hause statt und dauerte zwischen 25 und 60 Minuten.

8 An dieser Stelle möchte ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Forschungsproseminars „Elterlicher Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung“ am IPMZ der Universität Zürich herz- lich für ihre Hilfe und ihren Einsatz bei der Durchführung der Untersuchung danken. 608

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3.1 Stichprobe Die zu entwickelnde Skala sollte für das Verhalten von deutschschweizerischen Eltern mit Kindern im Alter von drei bis 14 Jahren repräsentativ sein. Eine Zufallsauswahl der Befragten war für die Deutschschweiz aus forschungsökonomischen Gründen nicht zu realisieren: Auf der einen Seite waren entsprechende Verzeichnisse über Eltern mit Kindern in der Deutschschweiz nicht erhältlich, auf der anderen Seite war eine telefo- nische Befragung, wie sie auch Valkenburg et al. (1999) durchgeführt hatten, aufgrund der Komplexität des zur Messung der kindlichen Fernsehnutzung verwendeten Yester- day-Interviews9 nicht möglich. Es wurde deshalb versucht, bevölkerungsvergleichbare Daten mit Hilfe einer Quota-Stichprobe zu erhalten. Auf Basis von aktuellen bevölke- rungsstatistischen Daten des Bundesamtes für Statistik wurden dazu den insgesamt 14 Interviewern Quoten für die von ihnen zu befragenden Eltern vorgegeben. Da bisherige Ergebnisse zeigen, dass der Umgang von Eltern mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder mit davon abhängt, wie alt die Kinder sind und welche Bildung die Eltern aufweisen, wurden diese beiden Merkmale quotiert. Darüber hinaus wurde das Geschlecht der Kin- der als Quotierungsmerkmal verwendet10. Auf diese Weise sollten bekannte Unterschie- de in der Fernsehnutzung zwischen Jungen und Mädchen (z. B. Forschungsdienst SRG SSR, 2004) sowie die möglicherweise davon ausgehenden Einflüsse auf das elterliche Mediationsverhalten (Nathanson, 1999) konstant gehalten werden. Den Interviewern wurden Kombinationen dieser drei Quotenmerkmale gegeben. Die Eltern wurden im Interview dann gebeten, die Fragen zum elterlichen Mediationsverhalten und zur Fern- sehnutzung jeweils für das quotierte Kind zu beantworten. Insgesamt nahmen in der Deutschschweiz 252 Eltern von Kindern im Alter von drei bis 14 Jahren an der Befra- gung teil11. Die vorgegebenen Quoten bezüglich des Alters und Geschlechts der Kinder konnten eingehalten werden: 50 Prozent der Kinder, auf die sich die Antworten der Eltern bezogen, waren Mädchen, 50 Prozent Jungen. 23 Prozent waren zwischen drei und fünf Jahre alt, 43 Prozent zwischen sechs und zehn Jahren, 34 Prozent zwischen elf und 14 Jahren. Abweichungen gegenüber den Quotenvorgaben gab es dagegen bei der Bildung der Eltern. Untere Bildungsschichten (Personen mit obligatorischem Schulab- schluss) waren hier leicht unter-, hohe (Personen mit Abschluss der Tertiärstufe) leicht überrepräsentiert (vgl. Tabelle 1).

9 Die parallel zum elterlichen Mediationsverhalten mittels eines Tagebuchs erhobenen Daten zur Fernsehnutzung der Kinder wurden für diesen Beitrag nicht ausgewertet. Auf die Darstellung des verwendeten Tagebuchs wird deshalb an dieser Stelle verzichtet. 10 Gemäß den Daten des statistischen Bundesamts sollten von allen befragten Eltern 17 Prozent einen obligatorischen Schulabschluss aufweisen, 59 Prozent einen Abschluss der Sekundarstufe (Berufslehre, Matura/Abitur) und 25 Prozent einen Abschluss der Tertiärstufe (höhere Fach- und Berufsausbildung, (Fach-)Hochschulabschluss). 23 Prozent der Kinder sollten zwischen drei und fünf Jahren alt sein, 41 Prozent zwischen sechs und zehn Jahren, 36 Prozent zwischen elf und 14 Jahren. Jeweils die Hälfte der Kinder sollte weiblich, die andere Hälfte männlich sein. 11 Die Befragten stammen aus 15 unterschiedlichen Kantonen. 48 Prozent von ihnen wohnen in Orten mit bis zu 10.000 Einwohnern, 14 Prozent in Kleinstädten mit 10.000 bis 20.000 Einwoh- nern, elf Prozent in Städten mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern und 27 Prozent in Großstädten (über 100.000 Einwohner). 609

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Tabelle 1: Bildung der befragten Eltern: Vergleich Quotenvorgabe und realisierte Stichprobe (in %)

Bildung Quotenvorgabe Realisierte Stichprobe (N = 252) Obligatorisch 17 9,52 Sekundarstufe 59 57,54 Tertiärstufe 25 32,54 keine Angabe - 0,40 Gesamt 100 100

3.2 Messung des elterlichen Mediationsverhaltens Primäres Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, die von Valkenburg et al. (1999) entwickelte Skala zur Messung des elterlichen Mediationsverhaltens für den deutsch- sprachigen Raum zu testen. Infolgedessen wurde das von den genannten Autoren ent- wickelte Messinstrument ins Deutsche übersetzt und komplett übernommen.12 Die von Valkenburg et al. entwickelte Skala beinhaltet jeweils fünf Items zu restriktiver Mediati- on, aktiver Mediation und Co-Viewing. Die Items zur Abfrage des restriktiven Mediati- onsverhaltens beinhalten Aussagen zu zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der kindlichen Fernsehnutzung. Die Items zur Abfrage der aktiven Mediation beinhalten Aussagen zu Erklärungen über Handlungsmotive von Fernsehcharakteren und den Be- deutungen des Gezeigten, moralische Bewertungen sowie allgemeine Verständnishilfen. Die Co-Viewing-Aussagen beziehen sich auf die gemeinsame Fernsehnutzung von El- tern und Kind aufgrund gemeinsamer Nutzungsmotive. Zusätzlich zu den von 15 Items von Valkenburg et al. wurden für jedes der drei Me- diationsverhalten weitere Aussagen und Aspekte aufgenommen, die ebenfalls im Rah- men der internationalen Forschung eingesetzt bzw. identifiziert worden waren. Auf diese Weise sollte geprüft werden, ob die von Valkenburg et al. identifizierten Items auch für den deutschsprachigen Raum diejenigen Items sind, die das jeweilige Media- tionsverhalten am besten erfassen, oder ob andere Items sich als geeigneter herausstel- len. Ergänzt wurde aufgrund der Forderung von Austin et al. (1999), auch bestärkende Mediationsformen einzubeziehen, für aktive Mediation die in ihrer Studie verwendete Aussage „Wie oft sagen Sie Ihrem Kind, dass Sie mit etwas übereinstimmen, was Sie im Fernsehen gesehen haben?“. Neben diesem Item wurden zwei weitere Items zur aktiven Mediation von Austin et al. (1999) übernommen. Sie beinhalten weitere Ausführungen zu im Fernsehen gezeigten Dingen und Verweise auf die mangelnde Übereinstimmung des im Fernsehen Dargestellten mit der Wirklichkeit. Darüber hinaus wurden weitere zurechtrückende Bewertungen der Fernsehinhalte durch die Eltern hinsichtlich der As- pekte „schlechte/grobe Sprache im Fernsehen“ sowie „unpassende Handlungen/Ver- haltensweisen von Fernsehfiguren“ abgefragt. Für die Restriktionen durch die Eltern wurde ebenfalls ein zusätzliches Item zum Aspekt „grobe Sprache“ aufgenommen. Die Aussagen zum Co-Viewing wurden durch die mehrfach in der Forschung eingesetzte (z. B. Austin et al., 1999; Bybee et al., 1982; Schorb & Theunert, 2001) sehr allgemeine Abfrage „Wie oft sehen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind fern?“ ergänzt.13

12 Die verwendeten Items sind in Tabelle 2 aufgeführt. 13 Nicht mit aufgenommen wurden die von Schorb und Theunert (2001) sowie Neumann-Braun et al. (1993) identifizierten Aspekte des gemeinsamen Aushandelns von erlaubten Fernseh- 610

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Insgesamt beinhaltete die zu testende Skala elf Aussagen zur aktiven Mediation so- wie je sechs zu restriktiver Mediation und Co-Viewing. In Anlehnung an Valkenburg et al. wurden die Eltern jeweils nach der Häufigkeit gefragt, mit der sie die einzelnen Verhaltensweisen anwenden. Allerdings wurde in der vorliegenden Untersuchung im Gegensatz zur Referenzskala anstelle einer vierstufigen Abfrage (oft, manchmal, selten, nie) eine 5-stufige Likert-Skala mit den Polen „nie“ und „immer“ eingesetzt. Es wurde angestrebt, dadurch die Varianz der Antworten zu erhöhen.

4. Ergebnisse Zentrales Ziel der vorliegenden Studie war es zu überprüfen, ob die von Valkenburg et al. (1999) identifizierten Mediationsformen auch im Verhalten von deutschschweizeri- schen Eltern zu erkennen sind. Darauf aufbauend sollte eine deutschsprachige Skala zur Messung dieser Begleitformen getestet werden (Forschungsfrage 1). Zur Beantwortung dieser Frage wurden alle Items zum elterlichen Mediationsverhalten in eine explorative Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse mit schiefer Rotation) einbezogen. Die schiefe Rotation wurde gewählt, da aufgrund bisheriger Ergebnisse davon auszugehen ist, dass die einzelnen Mediationsformen nicht voneinander unabhängig sind. Nach Ausschluss von Items mit Ladungen unter .40 auf allen Faktoren, Items mit hohen und ähnlichen Doppelladungen14, auf einem Faktor inhaltlich nicht interpretierbaren Items sowie Items, die einen uninterpretierbaren Faktor aufspannen, ergab sich eine Drei- Faktor-Lösung (Tabelle 2). Die drei Faktoren können als die bereits von Valkenburg et al. identifizierten Mediationsformen aktive Mediation, restriktive Mediation und Co- Viewing interpretiert werden. Faktor eins beinhaltet alle bereits von Valkenburg et al. sowie von Austin et al. (1999) zur Abfrage von aktiver Mediation verwendeten Items. Daneben lädt auch eines der für diese Untersuchung ergänzten Items zu elterlichen Anmerkungen über die Sprache von Fernsehakteuren auf diesem Faktor. Allerdings weisen die ergänzten Items sowie die von Austin et al. teilweise deutlich niedrigere Faktorladungen auf als die fünf Items von Valkenburg und Kollegen. Auf dem zweiten und dritten Faktor laden nur noch bereits von Valkenburg et al. verwendete Aussagen zur Erfassung von Co-Viewing und restrik-

sendungen durch Eltern und Kind, des elterlichen Vorbildverhaltens, des Anbietens von Al- ternativaktivitäten, die Ermunterung zur Nutzung bestimmter Sendungen, durch den Einsatz technischer Sperren bedingte Restriktionen sowie Items zu einer Laissez-faire-Praxis der el- terlichen Fernsehbegleitung. Hauptgrund für diese Entscheidung war, dass die Ergebnisse zum elterlichen Fernsehbegleitverhalten mit denen von Valkenburg et al. (1999) vergleichbar bleiben sollten. Dazu war es nötig, das von den Autoren verwendete Messinstrument weitestgehend beizubehalten. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass sich elterliches Vorbild- verhalten und das Anbieten von Alternativaktivitäten indirekt in der Anwendung zeitlicher und inhaltlicher Restriktionen, in Gesprächen und Diskussionen über Fernsehinhalte oder in gemeinsamer Fernsehnutzung (Austin, 2001) niederschlagen. Gleiches gilt bezüglich des Einsatzes technischer Sperren bzw. der Anwendung einer Laissez-faire-Praxis, die niedrigen Werten bei Restriktionen bzw. aktiver Mediation entspricht. Auf Items zum gemeinsamen Aushandeln erlaubter Fernsehsendungen wurde verzichtet, weil aus der Wirkungsperspektive eher Erklärungen bezüglich inhaltlicher Aspekte einzelner Sendungen relevant sind. Die Er- munterung zum Sehen bestimmter Sendungen wurde nicht weiter berücksichtigt, da Fernseh- erziehung im deutschsprachigen Bereich nach Erkenntnissen von Hurrelmann et al. (1996) in erster Linie durch den Ausschluss des vermeintlich Schädlichen stattfindet. 14 Eine hohe Doppelladung wurde als vorhanden gewertet, wenn der Unterschied der Ladungen weniger als .20 betrug. 611

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tiver Mediation. Die durch die drei Faktoren erklärte Gesamtvarianz ist nur geringfügig höher als die von Valkenburg et al. berichtete (58 gegenüber 56 Prozent Varianzaufklä- rung). Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass die für elterliches Mediationsverhalten von Valkenburg et al. identifizierte Faktorstruktur auch für die Deutschschweiz repli- ziert werden konnte. Auch in der Deutschschweiz sind aktive und restriktive Mediati- on sowie Co-Viewing auf Seiten der Eltern vorhandene Begleitformen der kindlichen Fernsehnutzung. Die Skalen für alle drei Mediationsformen weisen gute bis sehr gute Kennwerte auf (Tabelle 3).

Tabelle 2: Mediationsverhalten der Eltern

M SD Faktoren/ Faktoren- Faktorladungen bezeich- nung Wie oft… 1 2 3 erklären Sie Ihrem Kind, warum gewisse 3,49 1,06 0,95 Handlungen oder Verhaltensweisen einer Fernsehfigur schlecht sind? a erklären Sie Ihrem Kind die Handlungsmo- 3,15 1,03 0,83 Aktive tive von Personen im TV? a Mediation erklären Sie Ihrem Kind, was die im Fernse- 3,35 0,98 0,81 hen gezeigten Dinge wirklich bedeuten? a erklären Sie Ihrem Kind, warum gewisse 3,34 1,01 0,74 Handlungen oder Verhaltensweisen einer Fernsehfigur gut sind? a helfen Sie Ihrem Kind zu verstehen, was es 3,78 0,97 0,73 im Fernsehen sieht? a sagen Sie Ihrem Kind, dass das, was es im 3,56 1,07 0,71 Fernsehen gesehen hat, nicht der Wirklich- keit entspricht? b weisen Sie Ihr Kind darauf hin, dass die 3,36 1,18 0,69 Sprache der gerade gesehenen Sendung un- schön ist? c erzählen Sie Ihrem Kind mehr über etwas, 3,29 0,92 0,53 das es im Fernsehen gesehen hat? b sagen Sie Ihrem Kind, dass Sie mit etwas 3,37 0,99 0,48 übereinstimmen, was Sie im Fernsehen ge- sehen haben? b schauen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam 3,39 1,01 0,81 fern, weil sich beide für eine Sendung interessieren? a schauen Sie zusammen mit Ihrem Kind we- 3,28 0,96 0,79 Co- gen des damit verbundenen Spaßes fern? a Viewing schauen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam 3,31 1,02 0,77 fern, weil Sie beide eine Sendung mögen? a lachen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind über 3,82 0,90 0,67 Sachen, die Sie im Fernsehen sehen? a

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Fortsetzung Tabelle 2 M SD Faktoren/ Faktoren- Faktorladungen bezeich- nung Wie oft… 1 2 3 schauen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Ihre 2,38 1,22 0,59 persönliche Lieblingssendung? a verbieten Sie Ihrem Kind, bestimmte Sen- 4,10 1,12 0,79 dungen zu sehen? a begrenzen Sie die Zeit, die Ihr Kind fernse- 4,40 0,90 0,76 hen darf? a wählen Sie im Voraus Sendungen aus, die 3,41 1,33 0,67 Restriktive sich ihr Kind ansehen darf? a Mediation geben Sie Ihrem Kind ganz konkrete Tages- 3,73 1,26 0,65 zeiten vor, zu denen es fernsehen darf? a fordern Sie Ihr Kind auf, den Fernseher 4,44 0,95 0,58 auszuschalten, wenn die Sendung für seine Altersklasse ungeeignet ist (bzw. schalten den Fernseher selbst aus)? a Erklärte Varianz in % (gesamt 57,7) 36,9 14,34 6,49 Eigenwert 7,01 2,72 1,23 Basis: N = 252 Befragte; Faktorenanalyse; Stichprobeneignung nach KMO: >.90; Extraktionsmethode: Haupt- komponentenanalyse; Rotationsmethode: Oblimin mit Kaiser-Normalisierung; Faktorwerte <.40 aus Lesbar- keitsgründen nicht ausgewiesen. Folgende Items werden nicht aufgeführt, da ihre Faktorladungen auf allen Faktoren <.40 lagen: „sehen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind fern?“ b. Folgende Items werden nicht aufgeführt, da sie Doppelladungen aufwiesen: „sagen Sie Ihrem Kind, dass die Handlungen oder Verhaltensweisen einer Fernsehfigur nicht in Ordnung sind?“ c. Die Items „sagen Sie Ihrem Kind, dass es gewisse Ausdrücke, die es im Fernsehen hört, nicht übernehmen soll?“ c und „verbieten Sie Ihrem Kind das Schauen von Sendungen, in denen Akteure fluchen oder sich unschön ausdrücken?“ c wurden eliminiert, da sie auf ihrem Faktor inhaltlich nicht interpretierbar waren. M = Mittelwert, SD = Standardabweichung; Skalierung 1 = „nie“ 5 = „immer“. a Item übernommen von Valkenburg et al. (1999), b Item übernommen von Austin et al. (1999), c eigenes Item

Für die Beantwortung von Forschungsfrage 2, der grundlegenden Beschreibung elterli- chen Mediationsverhaltens in der Deutschschweiz, wurden aus den auf den jeweiligen Faktoren ladenden Items Mittelwertindizes für aktive und restriktive Mediation sowie Co-Viewing berechnet (Tabelle 3). Es zeigt sich, dass deutschschweizerische Eltern nach eigenen Angaben sehr häufig Einfluss auf die Fernsehnutzung ihrer Kinder nehmen. Am häufigsten schränken sie Sehzeiten und erlaubte Sendungen ein, zurechtrückende Erklä- rungen und weitere Ausführungen zu den gesehenen Inhalten verwenden sie demgegen- über etwas seltener. Den vergleichsweise geringsten Stellenwert in der Fernseherziehung ihrer Kinder hat für sie das Co-Viewing. Laut ihren Angaben achten deutschschweize- rische Eltern insgesamt also sehr darauf, was ihr Kind im Fernsehen sieht und wie viel es sieht. Zudem versuchen sie, ihrem Kind ihre Einschätzungen des Dargestellten näher zu bringen. Zwischen den verschiedenen Verhaltensweisen der Eltern sind dabei hochsignifikante Zusammenhänge erkennbar (Forschungsfrage 3). Eltern, die ihren Kindern verschiedene Restriktionen bezüglich ihrer Fernsehnutzung setzen, erklären ihnen auch verstärkt die einzelnen Inhalte bzw. versuchen, die Darstellungen in irgendeiner Weise zu relativieren (r = 0,49, p < 0,001; Korrelation der Faktorwerte). Ebenso hängen auch das auf ähnlichen Nutzungsinteressen basierende gemeinsame Fernsehen und eine aktive Begleitung der

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kindlichen Fernsehnutzung durch die Eltern hochsignifikant miteinander zusammen (r = 0,35, p < 0,001; Korrelation der Faktorwerte). Kein Zusammenhang liegt dagegen zwischen Co-Viewing und restriktivem Mediationsverhalten vor. Um Unterschiede im elterlichen Mediationsverhalten in Abhängigkeit vom Alter der Kinder zu analysieren (Forschungsfrage 4), wurden die Kinder in drei Altersgruppen eingeteilt: 3–5 Jahre, 6–10 Jahre und 11–14 Jahre. Korrelationsanalysen zeigen zunächst, dass alle drei Mediationsformen eng mit dem Alter der Kinder verknüpft sind. Je älter die Kinder sind, desto weniger restriktiv gehen die Eltern mit ihrer Fernsehnutzung um (r = – 0,54, p < 0,001), desto mehr sehen sie mit ihnen gemeinsam fern (r = 0,21, p < 0,01) und desto weniger rücken sie auf dem Bildschirm dargestellte Dinge zurecht oder erklären sie den Kindern (r = – 0,27, p < 0,001). Allerdings sind die Unterschiede zwischen den drei Altersgruppen nur signifikant, wenn man die Gruppe der 11- bis 14-Jährigen den beiden jüngeren gegenüberstellt. Signifikante Unterschiede zwischen den 3- bis 5- sowie den 6- bis 10-Jährigen sind nicht vorhanden (vgl. Tabelle 3). Bei den beiden jüngeren Altersgruppen ist restriktive Mediation die häufigste Begleitform der Eltern, vor aktiver Mediation und Co-Viewing. Bei der Gruppe mit den ältesten Kindern stehen aktive Mediation und Co-Viewing gleichauf an der Spitze der elterlichen Verhal- tensweisen, die elterliche Kontrolle mittels restriktivem Verhalten verliert dagegen ihre Spitzenposition.

Tabelle 3: Elterliches Mediationsverhalten in der Deutschschweiz (N = 252)

Mediationsform M SD Anzahl Cronbach’s N Reliabilitäts- Items α analyse Aktive Mediation 3,41 0,77 9 0,91 245 Kinder 3–5 Jahre a 3,62 0,70 Kinder 6–10 Jahre b 3,55 0,68 Kinder 11–14 Jahre c 3,10** 0,83 Co-Viewing 3,24 0,75 5 0,78 247 Kinder 3–5 Jahre a 3,08 0,76 Kinder 6–10 Jahre b 3,14 0,76 Kinder 11–14 Jahre c 3,47* 0,70 Restriktive Mediation 4,02 0,82 5 0,78 249 Kinder 3–5 Jahre a 4,46 0,50 Kinder 6–10 Jahre b 4,22 0,58 Kinder 11–14 Jahre c 3,46** 0,93 a n = 57, b n = 109, c n = 86; mit * und ** gekennzeichnete Werte: Unterschiede sind gegenüber den anderen beiden Altersgruppen signifikant (*p < .05, **p < .001)

5. Diskussion In der vorliegenden Untersuchung wurde der Umgang von deutschschweizerischen El- tern mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder untersucht. Aufbauend auf Ergebnissen und Messinstrumenten aus den Niederlanden und dem angelsächsischen Sprachraum wurde überprüft, ob die in der internationalen Forschung identifizierten drei Begleitformen ak- tive und restriktive Mediation sowie Co-Viewing auch für die Deutschschweiz bestätigt werden können. Explorative Faktorenanalysen zeigen, dass alle drei Verhaltensweisen von deutschschweizerischen Eltern angewendet werden. Dabei präferieren die Eltern

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mit restriktiver und aktiver Mediation einschränkende und erklärende Begleitformen. Gemeinsames Fernsehen ohne weitere Intentionen ist zwar anzutreffen, aber weniger von Bedeutung als die beiden erstgenannten Formen. Insgesamt bedienen sich deutsch- schweizerische Eltern aller drei Maßnahmen eher häufiger. Die Anwendung von aktiver Mediation hängt dabei sowohl signifikant mit der von regulierendem Verhalten als auch mit Co-Viewing zusammen. Mit dem Alter der Kinder nehmen aktive und restriktive Mediation ab, Co-Viewing dagegen zu. Das primäre Ziel der vorliegenden Studie, die Bereitstellung eines standardisierten deutschsprachigen Messinstruments zur Erfassung der elterlichen Begleitformen, kann anhand der vorliegenden Ergebnisse als gelungen bewertet werden. Es gelang nicht nur, die bereits in anderen Studien identifizierte Faktorstruktur zu replizieren. Die zur Mes- sung verwendeten Items und die daraus gebildeten Skalen weisen daneben auch gute bis sehr gute Reliabilitätswerte auf, so dass diese Skalen auch in weiteren Untersuchungen im deutschsprachigen Bereich eingesetzt werden können. Die Replikation der von Val- kenburg et al. (1999) identifizierten Faktorstruktur verbunden mit der Tatsache, dass die 15 von Valkenburg und Kollegen übernommenen Items auch diejenigen sind, die auf den jeweiligen Faktoren am höchsten laden, lässt dabei vermuten, dass – sofern eine kürzere Abfrage des elterlichen Mediationsverhaltens benötigt wird – dasselbe auch im deutsch- sprachigen Raum mit Hilfe dieser 15 Items erfasst werden könnte. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass zumindest die Items an sechster und siebter Stelle des Faktors aktive Mediation ähnlich hohe Faktorladungen aufweisen wie die Items vom Valken- burg et al. Insofern müssten hier als Basis für die reduzierende Auswahl zumindest weitere Item-Kennwerte herangezogen werden (z. B. Trennschärfe, Schwierigkeit). Auch wenn die insgesamt sehr hohen Werte bei den drei Mediationsformen vermut- lich zu einem gewissen Grad durch sozial erwünschte Antworten der Eltern bedingt sind, belegen sie das auch aus anderen Untersuchungen (Bonfadelli, 1981; Saxer et al., 1980; Süss, 2004) bekannte eher stärker begleitende und beaufsichtigende Verhalten deutschschweizerischer Eltern. Anders als in den USA und den Niederlanden nehmen bei deutschschweizerischen Eltern allerdings restriktive Maßnahmen den größten Raum ein. Aktive Mediation und Co-Viewing folgen erst auf den Plätzen zwei und drei. Dies deutet auf einen tendenziell eher rigideren Umgang von deutschschweizerischen Eltern mit der Fernsehnutzung ihrer Kinder hin. Es scheint, als hätten deutschschweizerische Eltern größere Befürchtungen und Vorbehalte gegenüber der Fernsehnutzung als US- amerikanische oder niederländische Familien. Sie stehen der Mediennutzung ihrer Kin- der kritischer gegenüber und versuchen, auf unterschiedliche Weise darauf Einfluss zu nehmen. Dazu passt auch, dass, obwohl nicht alle der zur Messung der aktiven Media- tion verwendeten Items explizit negativ formuliert sind, sie insgesamt doch einen eher kritischen Ton reflektieren (Austin & Pinkleton, 2001). Zurückgeführt werden kann das im Vergleich mit den Niederlanden oder auch den USA stärker einschränkende Verhal- ten von deutschschweizerischen Eltern dabei vermutlich auf eine stark negativ geprägte Haltung gegenüber dem Fernsehen. Bereits Saxer et al. (1980) zeigten, dass Schweizer Eltern dem Fernsehen und kindlichem Fernsehkonsum gegenüber grundsätzlich negativ eingestellt sind. Ergebnisse von Süss (2004) belegen, dass diese negative Sicht des Fern- sehens in der Schweiz auch heute noch aktuell ist. Die elterlichen Bemühungen nehmen allerdings ab, wenn die Kinder älter werden. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Eltern aufgrund entwicklungspsychologisch be- dingter Fortschritte (Charlton, 2004) die Medienkompetenz älterer Kinder höher ein- schätzen und in der Folge weniger Erklärungen für nötig halten. Auf der anderen Seite kann diese Abnahme aber auch das Bewusstsein der Eltern um ihren mit steigendem

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Alter des Kindes abnehmenden Einfluss auf die kindliche Fernsehnutzung widerspie- geln. Dabei weisen die vorliegenden Daten darauf hin, dass die von den Eltern wahrge- nommene Grenze für ihre Kinder einschränkende bzw. unterstützende Maßnahmen bei etwa zehn Jahren liegt (vgl. Schorb & Theunert, 2001). Denn erst hier werden die alters- bedingten Unterschiede in den drei Mediationsformen signifikant. Und erst bei dieser Altersgrenze übersteigt die Häufigkeit der gemeinsamen, nicht-intentionalen Fernseh- nutzung die Häufigkeit von aktivem Mediationsverhalten bzw. erstere wird genauso häufig angewendet wie restriktive Formen der Fernsehbegleitung. Die genannte Alters- entwicklung könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass deutschschweizerische Eltern die Freizeitbeschäftigung Fernsehen für jüngere Kinder als eher ungeeignet ansehen. Der zwischen aktiver und restriktiver Mediation gefundene Zusammenhang weist darauf hin, dass deutschschweizerische Eltern, die die Fernsehnutzung ihrer Kinder be- schränken, gleichzeitig auch verstärkt versuchen, ihnen das Gezeigte zu erklären. Auf- grund bisheriger Studienergebnisse (z. B. Valkenburg et al., 1999; Warren et al., 2002) kann vermutet werden, dass hinter diesem Verhalten auch bei deutschschweizerischen Eltern die Angst vor möglichen schädlichen Einflüssen des Fernsehens auf ihre Kinder steckt (vgl. Saxer et al., 1980; Süss, 2004). Sowohl aktive als auch restriktive Mediation könnten danach aus Elternsicht als Schutzmaßnahmen angesehen werden, die die El- tern in Kombination anwenden. Der Zusammenhang zwischen Co-Viewing und aktiver Mediation deutet darauf hin, dass die Eltern aber auch bei auf gemeinsamen Fernsehin- teressen beruhender Fernsehnutzung korrigierend eingreifen (Dorr et al., 1989). Co- Viewing wird von den Eltern offensichtlich ebenfalls dazu genutzt, die Fernsehnutzung ihrer Kinder zu überwachen (vgl. Tsfati et al., 2005). Dass weitere Erklärungen oder Anmerkungen zu dem Gesehenen gegeben werden, ist zwar also durchaus möglich, aber nicht unbedingt notwendig. Möglicherweise sind die Zusammenhänge zwischen Co-Viewing und aktiver Mediation auch dadurch bedingt, dass die Eltern ihren Kin- dern aufgrund der ihren eigenen Interessen entsprechenden Programmauswahl (Bybee et al., 1982) automatisch mehr erklären müssen. Denn wenn die Kinder in erster Linie an Erwachsene gerichtete Programme mitsehen, zieht dies u. U. mehr Erklärungsbedarf nach sich. Während in speziellen Kindersendungen Zusammenhänge und grundlegende Dinge i. d. R. erklärt werden, fehlen solche Ausführungen in den meisten Erwachse- nenprogrammen. Das mit dem Alter der Kinder steigende Co-Viewing sowie der fehlende Zusammen- hang zwischen Co-Viewing und restriktiver Mediation deuten darüber hinaus darauf hin, dass hinter dem Co-Viewing weniger Bemühungen der Eltern stehen, ihre Kinder vor Fernsehwirkungen zu schützen. Vielmehr scheinen tatsächlich gemeinsame Sehin- teressen ausschlaggebend zu sein (Dorr et al., 1989). Austin (2001) schlägt deshalb vor, Co-Viewing weniger als eingreifendes Mediationsverhalten der Eltern anzusehen als vielmehr als Modellverhalten, bei dem die Vorbildfunktion der Eltern durch das ge- meinsame Sehen und das damit verbundene Gutheißen von Programmen zum Tragen kommt. Die vorliegende Untersuchung und damit auch die Skalen zur Erfassung des Media- tionsverhaltens weisen allerdings verschiedene Limitationen auf. So berücksichtigt die Abfrage der restriktiven Mediation beispielsweise nicht explizit, ob Eltern aus strate- gischen Gründen zur Sendezeit von bestimmten Fernsehsendungen andere Aktivitäten ansetzen, die das Kind dann von der Fernsehnutzung abhalten. Die Anwendung von Regulierungsverhalten durch die Eltern kann entsprechend in der vorliegenden Unter- suchung unterschätzt worden sein. Auch wurde nicht erfasst, inwiefern die Eltern ihre Kinder ermuntern, bestimmte Sendungen zu bestimmten Zeiten zu sehen. Ergebnisse

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von St. Peters, Fitch, Huston, Wright und Eakins (1991) deuten darauf hin, dass die elter- liche Ermunterung zum Sehen bestimmter Programme (insbesondere von informativen Kinderprogrammen) kein Zeichen einer einfach bejahenden Haltung zum Fernsehen ist, sondern vielmehr Ausdruck eines reflektierten und wohlüberlegten Umgangs mit der kindlichen Fernsehnutzung. Denn Eltern ermunterten ihre Kinder in erste Linie zum Schauen von als nützlich angesehenen Programmen. Sowohl der strategische Einsatz von Alternativaktivitäten als auch die Ermunterung zum Fernsehen können also eben- falls als Mediationsverhalten interpretiert werden (Buerkel-Rothfuss & Buerkel, 2001). Dabei ist das zeitgleiche Ansetzen von Alternativaktivitäten zur Sendungszeit bestimm- ter Fernsehsendungen als eher indirekte Mediationsform zu betrachten. Daneben sind auch das Vorbildverhalten der Eltern im Alltag (vgl. Bandura, 2002; Süss, 2004) sowie die Peers (Saxer et al., 1980; Süss, 2004) wichtige Einflussfaktoren für die kindliche Fernseh- nutzung, die in der vorliegenden Studie nicht weiter berücksichtigt wurden. Eine weitere Einschränkung ist in der Befragung der Eltern zu finden. So haben verschiedene Studien gezeigt (z. B. Fujioka & Austin, 2003; Nathanson, 2001), dass es, wenn es um das elterliche Mediationsverhalten geht, zum Teil zu erheblichen Differen- zen zwischen den Aussagen von Eltern und denen ihrer Kinder kommt. Auch wenn bei der Befragung von Kindern Schwierigkeiten auftreten können, ist auch wegen der sehr hohen Werte bei den Mediationsformen zu empfehlen, die Häufigkeiten der in der vor- liegenden Studie identifizierten elterlichen Mediationsformen mit Angaben von Kindern zu vergleichen und gegebenenfalls zu relativieren. Denn streng genommen werden mit Aussagen von Eltern eher hinter dem Mediationsverhalten stehende Motive erfasst, mit Aussagen von Kindern dagegen eher die Wirksamkeit der elterlichen Überwachungs- und Begleitungsbemühungen (Fujioka & Austin, 2003; Nathanson, 2001).

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Der Artikel beleuchtet die Situation der estnischen Medienlandschaft vor und nach der Unabhängigkeit des Landes von der Angebots- und vor allem der Nutzerseite her. Er zeigt, dass sich nach der in sowjetischen Zeiten weitgehend einheitlichen Mediennutzung, bei der sich das Publikum lediglich durch die Nutzung der estnisch- bzw. russischspra- chigen Medienangebote unterschied, heute eine Medienlandschaft etabliert hat, in der es durch die größere Angebotsvielfalt und die bei Anbietern und Nutzern veränderte wirtschaftliche Situation vielfältig unterschiedene Nutzergruppen gibt. Eine Analyse repräsentativer Umfragedaten des Fachbereichs für Journalismus und Kommunikation der Universität aus den Jahren 2002 und 2005 zeigt, dass die Nutzung der Mas- senmedien in Estland vor allem abhängig von der Muttersprache, dem Alter und dem Bildungsniveau ist, wenngleich sich bei einzelnen Medienangeboten unterschiedliche Zusammenhänge zeigen. Es ist nicht nur eine digitale Spaltung der Bevölkerung, sondern in mindestens dem gleichen Umfang auch eine Spaltung im Hinblick auf die Nutzung der traditionellen Medien zu konstatieren.

Schlagwörter: Estland, Mediennutzung, Medienangebot, gesellschaftliche Transforma- tion, digitale Spaltung

1. Einleitung Der Zerfall des Kommunismus und der Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft haben auch auf dem Medienmarkt und im Hinblick auf die Mediennutzung der Bevölke- rung in den Transformationsländern enorme Änderungen mit sich gebracht. In Estland hat sich mit der Angebotsvielfalt ein fragmentiertes Publikum entwickelt; es gibt kein Massenmedium mehr, das für die Bevölkerung eine integrierende oder mobilisierende Rolle spielt, wie es noch vor 15 Jahren während der Freiheitsbewegung der Fall war. Die 50-jährige Phase des Sozialismus hat in allen postsozialistischen Gesellschaften deutliche Spuren hinterlassen, und es gibt mehrere soziale Problembereiche, die vom so genannten kommunistischen Erbe geprägt sind. Dazu zählen generelle Phänomene wie die Abnahme an Solidarität und ein geringes Vertrauen in interpersonale Kommunikati- on (Sztompka 1995), die Politikverdrossenheit der Osteuropäer (Fuchs/Roller/Wessels 2002), Korruption und Schattenwirtschaft (Müller 1998), eine Schwäche der Zivilgesell- schaft (Wessels 2003) usw. Im Medienbereich haben sich als negative Nachwirkungen der Geschichte ernsthafte Probleme entwickelt, wie die finanziellen Schwierigkeiten auf dem Medienmarkt, die Abhängigkeit von ausländischen Investoren, die politische Parteilichkeit der Herausgeber, mangelndes Fachwissen der Journalisten und Proble- me mit der journalistischen Ethik, die Boulevardisierung der Qualitätsmedien und das

* Die Untersuchung wurde unterstützt von der Estnischen Wissenschaftsstiftung (Bewilligung Nr. 4637 und Nr. 6526) und vom Bildungs- und Wissenschaftsministerium Estlands (bewilligtes Forschungsthema Nr. 1774) 620

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wachsende Interesse der Leser an Skandalberichterstattung u. v. m. (Splichal 1994; Pa- letz/Jakubowicz 2003). Zu den am häufigsten betrachteten postsozialistischen Gesellschaften Polen, Tsche- chische Republik, Ungarn, Russland oder Rumänien und Bulgarien gibt es etliche tief greifende Analysen der Transformation der Mediensysteme, die negative wie auch posi- tive Tendenzen beleuchten (vgl. Aumente et al. 1999, Kopper et al. 1999, Nordenstreng et al. 2001, Paletz et al. 1995, Paletz/Jakubowicz 2003, Thomaß/Tzankoff 2001). Auch die Situation der baltischen Staaten wurde bereits untersucht (Vihalemm 2002). Das, was Hasebrink und Herzog (2004) über Tendenzen in den Mediensystemen Europas schrei- ben, gilt auch für das postsozialistische Estland: „Gleichzeitig haben die verschiedenen weltweiten Distributionssysteme für Medienangebote, insbesondere Satelliten und das Internet, sowie die beschleunigte Globalisierung und internationale Konzentration der Medienwirtschaft zur Folge, dass selbst die Mediensysteme einzelner Länder kaum noch ohne die Berücksichtigung ihrer internationalen Einbettung zu beschreiben sind und dass sich – trotz aller Unterschiede im Detail – durchaus auch Parallelen und Überein- stimmungen zwischen verschiedenen Ländern zeigen“ (Hasebrink/Herzog 2004: 136). Zu Beginn der gesellschaftlichen Transformation in der nördlichsten der baltischen Sowjetrepubliken gab es ein geringes und von den sowjetischen Machtstrukturen zentral kontrolliertes Medienangebot. Das Mediensystem Estlands war nach Nutzungssprache klar getrennt, und infolgedessen gab es auch zwei Nutzergruppen – das estnisch- und das russischsprachige Publikum. Für die während der Sowjetzeit nach Estland immigrierten Russen, die mehr als 30 Prozent der Bevölkerung bildeten, war das estnischsprachi- ge Medienangebot wegen der bestehenden Sprachbarriere von geringem Interesse – sie lebten im Einflussbereich der zentralen russischsprachigen Sowjetmedien (Zeitungen, Zeitschriften sowie Fernsehkanäle). Die Esten hat die sowjetische Journalismustradi- tion trotz aller Russifizierungsversuche kulturell nicht ansprechen können, so dass die estnischsprachigen Medien eine gewisse Distanz gegenüber dem System ermöglichten (vgl. Ruutsoo 2004; Hoyer et al. 1993). Die muttersprachlichen Medienangebote waren wichtig als Träger der estnischen Kultur: „cultural protection, development and survival have been, either consciously or subconsciously, the primary collective aim“ (Høyer et al. 1993: 15). Mittlerweile ist der Kulturkampf gegen großrussische Assimilationsversuche ausge- standen und prägt die Mediennutzung der Bevölkerung des Landes, das nunmehr seit 2004 EU-Mitglied ist, nicht mehr. Mit den letzten 15 Transformationsjahren haben sich sowohl das Angebot als auch die Nutzung der Massenmedien stark verändert. Estland hat heute ein buntes, größtenteils estnischsprachiges Medienangebot: Die Presseland- schaft ist vielfältig, für verschiedene Zielgruppen der 1,3 Mio. Einwohner gibt es in der Nationalsprache drei überregionale Fernsehkanäle und zahlreiche Radioprogramme. Für die russischsprachigen Einwohner, die nach wie vor etwa ein Drittel der Bevöl- kerung bilden und von denen ein Großteil kein Estnisch spricht, stehen ca. 20–30 Zei- tungen und Zeitschriften, 20–30 Minuten russischsprachige Informationssendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm täglich sowie vier bis fünf Radioprogramme zur Verfügung. Die estnischen Russen schauen aber überwiegend die russischen Fern- sehsender (Vihalemm 1999), während russische Zeitungen und Zeitschriften nicht mehr am Kiosk erhältlich und auch nur noch mit großem Aufwand und mit deutlicher Zeit- verzögerung zu abonnieren sind. Die Öffnung des Landes für die globalen Prozesse hat in Verbindung mit der est- nischen Kultur und der sozialistischen Geschichte in Estlands Medienlandschaft eine besondere Situation geschaffen: Nicht nur die Muttersprache kennzeichnet die Medien-

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nutzung, auch andere soziodemographische Merkmale können als die Mediennutzung fragmentierende Faktoren angesehen werden. Wie sich die Fragmentierung des Publikums heute konkret darstellt, wird dieser Bei- trag beleuchten. Dabei wird die Situation der Medienlandschaft von zwei Seiten her betrachtet: von der Angebots- und von der Nutzungsseite. Um die gegenwärtigen Pro- zesse besser verstehen und erklären zu können, soll zunächst ein kurzer Überblick über den Ausgangspunkt der Transformationen gegeben werden, über das Medienangebot und die -nutzung vor der „Wende“. Als Datenquelle dienen repräsentative Befragungen der Universität Tartu1 sowie des Umfrageinstituts TNS Emor.

2. Medienangebot und -nutzung im sowjetischen Estland Während des Sowjetregimes (1940–41 und 1944–1990) standen alle Medien unter der Kontrolle und Aufsicht der kommunistischen Partei (Lauk/Shein 2004: 269). Um die inhaltliche Zensur effizient durchführen zu können, wurde ein hierarchisches Medien- system etabliert, wobei ein Zusammenhang zwischen der Bedeutung des Mediums und dem Umfang der Kontrolle bestand: je wichtiger die Publikation für die kommunisti- sche Partei, desto strenger die Zensur (Vihalemm/Lauristin 1997). Die Ideologie war offen ersichtlich, und die gewünschte Funktion des Mediums als ideologische Waffe zeigte sich zudem in künstlich forcierten hohen Auflagen der Printmedien. Hieraus ließ sich eine einfache Regel ableiten: je größer die Auflage bzw. der Leserkreis, desto stärker die Kontrolle. Die nationalen Tageszeitungen unterstanden höchster Kontrolle und Zensur; sie ver- öffentlichten hauptsächlich administrative Informationen, die dem gewünschten bzw. geforderten „richtigen“ ideologischen Diskurs entsprachen. Als Organ des Zentralko- mitees der Kommunistischen Partei gehörte die estnischsprachige nationale Tageszeitung mit dem schon zynisch klingenden Titel Rahva Hääl (Volksstimme) zur am stärksten kontrollierten Ebene; ihr Pendant in russischer Sprache war Sovjetskaja Estonija (Sow- jetisches Estland). Etwas weniger streng kontrolliert wurden auf der zweiten Ebene die Organe der Komsomol, Noorte Hääl (Stimme der Jugend) auf Estnisch und Molodjož Estonii (Die Jugend Estlands) auf Russisch. Der geringsten Kontrolle unterstanden lo- kale Zeitungen (jeder Kreis bzw. jede Stadt verfügte über eine Lokalzeitung), die auch publikumsrelevantere Themen behandeln konnten – Familie, Kultur, Alltagsprobleme, Reisereportagen usw. Im Zuge der großen Immigrationswellen aus der Sowjetunion wurden für die Ein- wanderer auch lokale und andere kleinere Zeitungen gegründet, die meist als Gewerk- schafts- und Betriebszeitungen erschienen. Die russischsprachigen Leser versorgten sich daher in erster Linie über die nationalen russischsprachigen Tageszeitungen mit Infor- mationen auf sowjetischer Ebene, darüber hinaus durch Printmedienangebote der Ar- beitsstelle und der beruflichen Ebene, danach kamen lokale Informationen und erst als letztes Informationen über Freizeit, Kultur, Menschen, Familie (Jakobson 2004: 210). Es

1 Die Umfragen wurden vom Fachbereich Journalismus und Kommunikation der Universität Tartu in Zusammenarbeit mit der Firma Gallup Faktum im November 2002 und November 2005 durchgeführt (im Folgenden zitiert als Umfrage 2002 und Umfrage 2005). Es wurden 1.470 (2002) bzw. 1.475 (2005) Personen, die einen repräsentativen Ausschnitt der Gesamtpopulation bilden, in persönlichen Interviews befragt. Der Fragebogen erhob Angaben zur Mediennut- zung, zur Einschätzung des gesellschaftlichen Transformationsprozesses, zur persönlichen und gesellschaftlichen Aktivität, zum Kulturkonsum u. v. m. 622

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gab damit eine Art „duales Pressesystem“, das für beide Sprachgemeinschaften jeweils auf jeder gesellschaftlichen Ebene bestimmte Informationen bot. Während die Bevölkerung also durch Zeitungen mit recht vielfältigen tagesaktuellen Informationen versorgt war, war das Zeitschriftenangebot sowohl in Estnisch als auch in Russisch ziemlich gering. Es erschienen einzelne Kulturmagazine und Zeitschriften für verschiedene Berufsgruppen (Fischer, Landwirte, Bauarbeiter usw.). Das sowjetische Propagandasystem brauchte nur wenige Zeitschriften, hauptsächlich jene, die republik- weit veröffentlicht wurden (Vihalemm/Kõuts 2004: 78). Die Leser kompensierten den Mangel durch Zeitschriften aus Moskau, die nicht nur intensiv von Russen in der bal- tischen Republik abonniert wurden, sondern auch von den Esten. Durch die starken Subventionen für Printmedien war es für weite Teile der Bevölkerung selbstverständlich, mehrere Zeitungen und Zeitschriften zu beziehen (Lauristin/Vihalemm 2002). Das Printmedienangebot veränderte sich im Laufe der sowjetischen Phase nicht sehr, die Zahl der Zeitungen und Zeitschriften blieb konstant, nur die Auflagen der Zeitungen stiegen wegen des größeren Publikuminteresses ein wenig. Tabelle 1 zeigt die Anzahl der Zeitungs- und Zeitschriftentitel in den Jahren 1970–1985 in beiden Sprachen; dazu zum Vergleich die Einwohnerzahl.

Tabelle 1: Anzahl der in Estland erschienenen Zeitungs- und Zeitschriftentitel2 1970 bis 1985 in Estnisch und Russisch verglichen mit den Einwohnerzahlen

Estnisch Russisch 1970 1977 1985 1970 1977 1985 Anzahl der Zeitungs- 27 28 28 8 10 16 titel tägliche Auflagen 901 000 – 1 136 000 126 000 – 224 000 der Zeitungen Anzahl der Zeit- 24 27 31 6 6 11 schriftentitel Einwohnerzahl 925 000 948 000 963 000 432 000 516 000 602 500

Quellen: Jakobson 2002, 2004; Vihalemm/Kõuts 2004

Die ganze sowjetische Zeit über bildeten – vor dem Hintergrund des beschränkten Angebotes – die nationalen Tageszeitungen das Leitmedium, das die estnischsprachige Bevölkerung untereinander verband (Vihalemm et al. 1997). Anfang der 1980er Jahre wurden mehr als 90 Prozent der Esten von einer Tageszeitung erreicht3. Das Interesse der Russen am Zeitunglesen war hingegen geringer – von den Russen wurden zur glei- chen Zeit 75 Prozent von einer Tageszeitung erreicht, wobei es sich meist um Moskauer Zentralzeitungen handelte, die wenig über das Leben in Estland berichteten (Bericht

2 Unter einer Zeitung wird hier verstanden: eine mindestens 50 Mal im Jahr erscheinende peri- odische Publikation, die alle Merkmale einer Zeitung aufweist (Format, Titel, Struktur, Layout), über eine eigene Redaktion verfügt und deren Inhalt ein allgemeines Interesse bedient. Die Definition einer Zeitschrift ist weit umfassender: Eine Zeitschrift erscheint mindestens ein Mal im Jahr und hat bestimmte thematische Richtlinien. Als periodische Publikationen veröffent- lichte wissenschaftliche Arbeiten von Universitäten und Akademien werden hier nicht unter Zeitschriften gezählt. 3 Hier sind Stammleser und Gelegenheitsleser aller Tageszeitungen zusammengerechnet (siehe Fn. 4). 623

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… 1987). Nur ein kleiner Teil der Esten las die einheimischen russischsprachigen oder in Moskau veröffentlichten Printangebote (1–2 % der Esten im Jahr 1986), das Gleiche galt umgekehrt für die estnischen Russen, von denen nur 7 Prozent estnischsprachige Presseangebote rezipierten (Bericht … 1987). In Angebot und Nutzung entsprachen die elektronischen Medien eher gemeinsamen Interessen und boten mehr Berührungspunkte zwischen Esten und der russischsprachi- gen Bevölkerung. Es standen ein staatlicher Fernsehkanal in estnischer Sprache und drei überregionale staatliche Radioprogramme zur Verfügung, zudem wurden in den mei- sten Teilen des Landes die russischsprachigen zentralen Fernsehprogramme weiterver- breitet, die wegen ihres größeren Filmangebots in beiden Sprachgruppen populär waren. Im Norden Estlands waren zudem das verbotene finnische Fernsehen und ausländische Radiokanäle zu empfangen. Die von der Sprache und soziokulturellen Unterschieden abhängige unterschiedliche Mediennutzung der beiden Bevölkerungsgruppen hatte im sowjetischen System zwei getrennte Medienpublika zur Folge.

3. Verändertes Medienangebot nach der „Wende“ Mit der Wende vergrößerte sich das Angebot an Medieninhalten für beide Sprachgrup- pen entscheidend. Bereits kurz nach Beginn der Unabhängigkeitsbewegung im Jahr 1987 wurde der Medienbereich nach marktwirtschaftlichen Grundlagen umgebaut. Die ersten Jahre der Umbruchszeit werden auch als Phase der Expansion des Pressemark- tes bezeichnet (Lauk/Shein 2004: 270). Nach Abschaffung der Zensur entstanden zahl- reiche neue, meist politisch unabhängige Zeitungen und Zeitschriften für verschiedene Zielgruppen – angefangen von politischen und Kulturmagazinen bis hin zur Regenbo- genpresse. Nach größeren Fluktuationen hat sich die Presselandschaft heute als eine der vielfältigsten in Europa etabliert: Sowohl im Hinblick auf die Anzahl der Tageszeitungen als auch der Anzahl der nicht täglich erscheinenden Zeitungen gehört das Land neben den skandinavischen Ländern zu den Top Ten in Europa (World Press Trends 2004). Da in Estland weiterhin ein Drittel der Bevölkerung Russen sind, besteht weiterhin Bedarf an russischsprachigen Medienangeboten. Mit der Wende wurde die Grenze zwi- schen Estland und Russland geschlossen, womit Russlands Pressemarkt bis zur Entste- hung und Expansion der Online-Zeitungen für die estnischen Russen fast unerreich- bar blieb (das änderte sich erst in den Jahren 2004 – 2005). Auch die russischsprachigen Presseangebote Estlands mussten sich somit einer inhaltlichen wie auch finanziellen Er- neuerung unterziehen. Die einheimischen Herausgeber der russischsprachigen Zeitun- gen waren lange mit der Suche nach der eigenen Nische und einer speziellen Zielgruppe beschäftigt. Dies spiegelte sich in den steten Veränderungen in der Anzahl der Zeitungen und deren Auflagen wider. Erst in den letzten Jahren hat sich der russischsprachige Zei- tungsmarkt wirklich herausgebildet und stabilisiert, allerdings in wesentlich geringerem Maße als der estnischsprachige (Jakobson 2004). Die Zeitschriftenlandschaft Estlands ist insgesamt nach wie vor weniger vielfältig als die der Zeitungen. Besonders gering ist das Angebot an Fachzeitschriften und russisch- sprachigen Zeitschriften (Vihalemm/Kõuts 2004). Eine deutliche Unausgewogenheit im Angebot von estnischen und russischsprachi- gen Medien herrscht im Bereich der elektronischen Medien. Nach der Wende wurde in Estland ein duales Rundfunksystem aufgebaut: Neben den ehemaligen staatlichen Fern- seh- und Radiokanälen entstanden zahlreiche kommerzielle Angebote, deren Markt sich Mitte der 1990er stabilisiert hat. Heute stehen den etwa eine Million Esten ein öffentlich-

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rechtliches Fernsehprogramm, zwei überregionale kommerzielle Fernsehkanäle, drei öffentlich-rechtliche Radioprogramme und zahlreiche kommerzielle Radioanbieter zur Verfügung. Für die Russen hingegen gibt es lediglich ein „eigenes“ öffentlich-rechtliches Radioprogramm und fünf regionale kommerzielle Radiostationen (TNS Emor 2005). Ein regionales Fernsehprogramm auf Russisch ist über Kabel zu empfangen, und das estnische öffentlich-rechtliche Fernsehen bietet jeden Tag etwa zehn Minuten Nach- richten auf Russisch an. Für die Nutzer von Satelliten- und Kabelanlagen beschränkt sich das Programman- gebot natürlich nicht nur auf die landeseigenen Medien, sie können Hunderte von elek- tronischen Medienangeboten aus aller Welt empfangen. Weil fast 95 Prozent der Russen zu Hause einen Kabel- oder Satellitenanschluss haben, sind deren Mediennutzungs- möglichkeiten letztlich vielseitiger als die der Esten, von denen nur 34 Prozent über die gleiche technische Ausrüstung verfügen (Suni 2005). Die estnischen Russen können russischsprachiges Fernsehen aus ganz Europa empfangen und leben folglich – nach wie vor – in einer ganz eigenen Medienwelt, die mit der estnischen wenig verbunden ist (Vihalemm 1999). Das angesichts eher pessimistischer Prognosen für andere Teile Europas überraschend starke Wirtschaftswachstum und der rasche Anstieg der Lebensqualität in Estland wäh- rend der letzten fünf Jahre haben u. a. dazu geführt, dass heute weite Bevölkerungsteile über Informations- und Kommunikationstechnologien verfügen und diese auch vielfäl- tig nutzen. Sowohl die Esten als auch die estnischen Russen sind mit den neuen Geräten recht gut ausgestattet (vgl. Tab. 2).

Tabelle 2: Ausstattung mit Informations- und Kommunikationstechnologie in den beiden Bevölkerungsgruppen (in % der entsprechenden Gruppe)

zu Hause Gesamt Sprache verfügbar … (n = 1475) Estnisch (n = 1033) Russisch (n = 442) Fernsehgerät 97 97 97 Musikanlage 59 61 55 Videorekorder 52 50 56 CD-Player 64 68 55 DVD-Player 34 32 38 Computer (PC / Mac) 59 60 56 Internetanschluss 54 54 53 Laptop/Notebook 14 16 9 Drucker 37 40 30

Quelle: Umfrage 2005

Tabelle 2 enthält keine Angaben zur Ausstattung mit Radiogeräten, weil diese bereits Ende der 1990er Jahre eine fast 100-prozentige Verbreitung hatten (Baltic Media Book 2001). Interessant sind in der Tabelle die Angaben zur Ausstattung mit neueren Infor- mationstechnologien. Während die Unterschiede zwischen Esten und Russen im Jahr 2002 besonders beim privaten Computer und Internetanschluss noch groß waren, sind diese Differenzen heute fast verschwunden. In den letzten Jahren wird besonders für die jüngeren Gruppen eine tendenzielle Annäherung beider Sprachgemeinschaften sowohl in Bezug auf die Mediennutzung als auch allgemein im Hinblick auf Werte und Einstellungen konstatiert (Vihalemm/Kõuts

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2004; Vihalemm et al. 2004). „Die Umfrageergebnisse der letzten zehn Jahre deuten dar- auf hin, dass sich die Unterschiede zwischen den Medienräumen der Esten und Russen verringern, und dies besonders innerhalb der jüngeren Generationen“ (Vihalemm et al. 2004: 133). Um zu zeigen, welche Mediennutzungsfaktoren die Lebenswelten der Bevölkerung Estlands trennen bzw. verbinden, soll im Folgenden die Nutzung der einzelnen Me- dien nach Muttersprache, Alter, Bildungsniveau und teils nach Einkommen analysiert werden. All diese Items sind hier als die Mediennutzung beeinflussende Variablen zu behandeln (Sig. <= 0,001, einfaktorielle ANOVA; Umfrage 2002); das Geschlecht spielt nur bei einzelnen Medienangeboten eine Rolle und wird nicht gesondert dargestellt.

4. Printmedien und Lesegewohnheiten – die Nutzung nimmt ab Heute verbringt jeder Europäer einen großen Teil seiner täglichen Zeit mit der Nutzung von Massenmedien. Zeitungen und Zeitschriften nehmen dabei einen geringeren Teil der Nutzungszeit ein, etwa 85 Prozent der durchschnittlich sechs Stunden täglich, die mit Mediennutzung verbracht werden, entfallen auf Fernsehen, Radio und Internet.4 Dennoch war gerade die auf das gedruckte Wort verwandte Zeit für die Entstehung der europäischen Kulturen und Demokratien bedeutsam (Anderson 1983; Habermas 1962), die Printmediennutzung soll hier daher als erstes analysiert werden. Estland gilt als Land mit langer Lesetradition und großem Interesse an tagesaktuellen Informationen – „since the end of the 18th century journalism has played an impor- tant role in the social development of this nation“ (Hoyer et al. 1993: 15). Die durch- schnittliche Zahl der Presseangebote, die von Estlands Bevölkerung gelesen werden, ist vergleichsweise hoch und liegt auf dem Niveau der skandinavischen Länder: Im Jahr 2004 lasen die Esten regelmäßig5 zwei Zeitungen und zwei Zeitschriften (Nordic Baltic Media Statistics 1999; TNS Emor 2005). Im Hinblick auf das Leseverhalten der bei- den Bevölkerungsgruppen sind dabei wesentliche Unterschiede zu beobachten. Die das Leseverhalten am stärksten beeinflussenden Variablen sind die Muttersprache und das Alter, während das Bildungsniveau und das Einkommen nur in bestimmten soziode- mographischen Gruppen Einfluss haben. Zur Gruppe derer, die weniger Zeitung lesen, gehören die russischsprachigen Einwohner, Personen mit niedrigerem Einkommen und die jüngste Gruppe der Befragten (15–19 Jahre); weniger Zeitschriften werden gelesen von älteren Personen (50–74 Jahre) und von den russischsprachigen Befragten (Kalmus et al. 2004; Umfrage 2005). Heute lassen sich im Zuge der soziokulturellen und informationstechnischen Verän- derungen erste leichte Tendenzen beobachten, dass sich die Rolle des Zeitunglesens im Alltag verändert und seine Bedeutung zurückgeht.

4 Die Berechnungen basieren auf den angegebenen Länderdaten in: World Press Trends 2003; in Estland ist ein Medientag etwa sieben Stunden lang und damit eine Stunde länger als im inter- nationalen Durchschnitt (Vihalemm 2006: 21). 5 Als „regelmäßige Leser“ (auch Stammleser genannt) werden von TNS Emor Leser definiert, die mindestens 4 der letzten 6 Ausgaben gelesen haben, „gelegentliche Leser“ sind Leser, die weniger als 4 der letzten 6 Ausgaben gelesen haben. 626

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4.1 Der Stammleserkreis der Zeitungen wird kleiner Ein leichter Abwärtstrend beim Zeitunglesen in Estland, der in den vergangenen fünf Jahren in allen Altersgruppen zu beobachten war (TNS Emor 2004), scheint nach der letzten Umfrage der Universität Tartu derzeit gestoppt (Umfrage 2005). Untersuchungen über die Leserschaft in anderen EU-Ländern haben darauf hinge- wiesen, dass insbesondere die Jugendlichen weniger lesen (Gustafsson/Weibull 1997; Schönbach et al. 1999). Auch in Estland sind die Befürchtungen der Medienwissen- schaftler vor einer wachsenden Gruppe nicht lesender Jugendlicher nicht grundlos. Der Anteil der Jugendlichen am „weitesten Leserkreis“ (die Befragten, die mindestens 1 der letzten 6 Exemplare der Zeitung gelesen haben) hat sich über die letzten fünf Jahre zwar nicht signifikant verändert, der Anteil der Stammleser (die Befragten, die mindestens 4 der letzten 6 Exemplare der Zeitung gelesen haben) ist jedoch besonders in den jüngeren Altersgruppen erheblich gesunken – von 79 auf 54 Prozent (vgl. Tab. 3).

Tabelle 3: Stammleser von Tageszeitungen nach Altersgruppen 2000–2004 (in %)

Altersgruppe 2000 2001 2002 2003 2004 (n = 1483) (n = 1501) (n = 1506) (n = 1508) (n = 1500) 15–19 79 74 66 64 54 20–29 76 75 77 71 61 30–39 82 78 81 75 72 40–49 80 78 80 78 75 50–59 84 78 82 78 80 60–74 76 72 77 77 75

Quelle: TNS Emor 2005

Ein leichter Rückgang der Stammleser lässt sich auch in den anderen Altersgruppen be- obachten, wenn auch nicht in so großem Umfang. Daher wäre zu prüfen, ob die positive Korrelation zwischen der Regelmäßigkeit des Lesens und dem Abonnement einer Zei- tung zu Hause entsteht, was bei den jüngeren Altersgruppen der Fall sein könnte. Un- tersuchungen in den skandinavischen Ländern weisen darauf hin, dass das Lesen einer Tageszeitung mit der Tagesroutine verbunden ist (Gustafsson/Weibull 1997). Jüngere Leute, die keine Partner oder Kinder haben und mobiler sind, begrenzen ihren sozialen Raum nicht mit ortsgebundenen Zeitungsabonnements. Ob sie dies später tun werden, ist aber nicht absehbar. Es gibt Studien in Estland unter kleineren Schulkindern, die zeigen, dass ein weiteres Anwachsen der nicht lesenden Jugend prognostiziert werden kann (Kalmus 2001).

4.2 Estnische Russen als Leser Während unter den Esten 16 Prozent der Befragten keine Zeitung lesen, ist die Gruppe der Nichtleser unter den Russen deutlich höher – 39 Prozent von ihnen lesen keine Zei- tung (Umfrage 2005). Dieser Befund ist allerdings nicht neu, er war bei den russischspra- chigen Einwanderern bereits zu sowjetischen Zeiten zu beobachten (Hion et al. 1988). Ein Grund dafür mag in der soziodemographischen Zusammensetzung der während der Sowjetzeit eingewanderten Immigranten liegen, bei denen es sich eher um Arbeiter aus der Großindustrie mit niedrigerem Bildungsniveau handelte denn um Vertreter der

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russischen Intelligenz (Tammaru 1999). Auch heute ist regelmäßiges Zeitunglesen für Esten üblicher als für die russischsprachigen Befragten (s. Tab. 4).

Tabelle 4: Anteil der Stammleser von Zeitungen und Zeitschriften in der estnisch- und russischsprachigen Bevölkerung (% der entsprechenden Gruppe)

Sprache Gesamt Estnisch Russisch (n = 1470) (n = 983) (n = 487) Stammleser mindestens einer überregionalen Tageszeitung 60 74 36 Stammleser mindestens einer Wochenzeitung 49 56 38 Stammleser mindestens einer lokalen Zeitung 62 69 52 Stammleser mindestens einer Zeitschrift 51 63 31 Quelle: Umfrage 2002 Die estnischen Russen lesen hauptsächlich russischsprachige Zeitungen, nur vier Pro- zent geben an, dass sie Stammleser einer estnischsprachigen Zeitung sind (Umfrage 2005). Hier stellt sich die Frage, wie sich dieses Medienverhalten auf die Integration der russischen Minderheit in die estnische Gesellschaft auswirken kann, besonders in diesem Falle, da sich die Inhalte der russischsprachigen Presseangebote wesentlich von den estnischsprachigen unterscheiden (Media Reflections … 2004).

4.3 „Elitisierung“ des Zeitunglesens Vergleicht man die Lesegewohnheiten von Personen mit unterschiedlichem Bildungsni- veau, so ist eine deutliche Tendenz zu beobachten, die wir als „Elitisierung“ des Zeitung- lesens bezeichnen: Unter der Leserschaft der zwei größeren Qualitätstageszeitungen sind Personen mit höherem Bildungsniveau überproportional vertreten (Vihalemm/ Kõuts 2004: 73 – 74; Vihalemm 2006). Trends zeigen, dass diese Elitisierung zunimmt. Bereits im Jahr 2001 lag der Anteil der Leser mit höherem Bildungsniveau bei beiden führenden Tageszeitungen, Postimees (Postbote) und Eesti Päevaleht (Estnische Tages- zeitung)6 1,56-mal höher als ihr Anteil an der Gesamtpopulation (Abb. 1). Dieser Prozess kann als Elitisierung bezeichnet werden, da es bei der Leserschaft der Regenbogenpresse und den lokalen Zeitungen keine Unterschiede bezüglich des Bildungsniveaus gibt – diese Zeitungen werden sowohl von Menschen mit Grundschul- ausbildung oder mit Abitur als auch mit Hochschulausbildung in ähnlich starkem Maße gelesen. Dass Qualitätszeitungen überwiegend von den höheren sozialen Schichten ge- lesen werden, wurde auch bereits in der englischen Presselandschaft in Bezug auf die Tageszeitung Times bestätigt (Golding 1999).

6 Im Jahr 1981 hatten die Tageszeitungen noch andere Namen: Eesti Päevaleht hieß Noorte Hääl (Stimme der Jugend) und war eine ziemlich streng kontrollierte nationale Tageszeitung des Komsomol; Postimees hieß Edasi (Weiter) und war eine in der Bevölkerung sehr populäre re- gionale Tageszeitung. Es gab mehrere Versuche, ihre Auflage und ihr Verbreitungsgebiet zu beschränken. Weil Edasi als Rayonzeitung herausgegeben wurde und dadurch in der Hierarchie niedriger stand, war sie inhaltlich weniger normativ/ideologisch, und sie konnte auch stärker solche Themen behandeln, die die Leser wirklich interessierten. Zum Index der höher gebilde- ten Leserschaft ist noch zu bemerken, dass im Jahr 1981 die Leserschaften der Zeitungen nicht differenziert wurden, weder anhand des Bildungsniveaus noch durch andere soziodemographi- sche Merkmale (außer der Muttersprache). 628

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Abbildung 1: Anteil der Personen mit höherem Bildungsniveau an der Leserschaft verglichen mit ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung 1981–2001

0,69 Führende 1,19 Tageszeitung 1,56

1,15 Zweitstärkste 1,19 Tageszeitung 1,56

00,511,52 2001 1990 1981

Anm.: Die führende Tageszeitung ist Postimees (Postmann), deren Angaben hier berechnet wurden, zweitstärks- te Tageszeitung ist die Eesti Päevaleht (Estnische Tageszeitung). Quelle: Vihalemm/Kõuts 2004.

Das Zeitunglesen generell scheint die estnische Bevölkerung in weitere Schichten aus- zudifferenzieren – und ebenso sind umgekehrt die Lesegewohnheiten mit der sozialen Schicht, der sozialen Umgebung der Personen verbunden (Kõuts-Klemm 2005). Wir gehen davon aus, dass das Lesen allgemein und das Lesen der Tageszeitung speziell eine aktive Grundorientierung voraussetzt (den Willen und die Fähigkeit zu lesen, die Kennt- nis der Interpretationscodes etc.), ja dass vor allem der sozialpolitisch aktivere Teil der Bevölkerung liest. Es besteht eine starke Korrelation zwischen intensivem Zeitunglesen einerseits und der hohen Selbstpositionierung der Individuen in der sozialen Hierarchie andererseits (Lauristin 2004: 270–271). Menschen, die viel Zeitung lesen, schätzen ihre Position in der sozialen Hierarchie höher ein, auf den untersten Stufen hingegen gibt es prozentual mehr Personen, die wenig oder gar keine Zeitung lesen (Tab. 5).

Tabelle 5: Intensität des Zeitunglesens und Selbstpositionierung in der sozialen Hierarchie

Intensität des Zeitunglesens* Selbstpositionierung in der sozialen Hierarchie** 5. Stufe 4. Stufe 3. Stufe 2. Stufe 1. Stufe Gesamt (hoch) (niedrig) (n = 1470) (n = 192) (n = 338) (n = 470) (n = 294) (n = 176) Intensive Zeitungsleser (%) 35 46 39 35 29 20 Mäßige Zeitungsleser (%) 32 27 36 33 33 36 Gering lesende Personen oder 33 26 25 33 38 45 Nichtleser (%) Gesamt (%) 100 100 100 100 100 100

* Die Befragten wurden diesen Gruppen aufgrund der Zahl der gelesenen Zeitungen und der Regelmäßig- keit des Lesens zugeordnet. Eher große Intensität charakterisiert Individuen, die Stammleser von mindestens 4 Zeitungen sind, mittelstark ist die Intensität bei mindestens 2 Zeitungen und zu den geringen Zeitungsle- sern oder Nichtlesern werden Personen gezählt, die keine Zeitung regelmäßig bzw. gar keine Zeitung lesen. ** Für die Selbstpositionierung wurde gefragt: „Die Menschen in der Gesellschaft befinden sich in verschiedenen Schichten. Das kann man sich als eine Treppe vorstellen, auf der es möglich ist, ganz nach oben oder ganz nach unten zu gehen. Auf der höchsten Stufe der Treppe steht die Elite der Gesellschaft, die wohlhabenden und ein- flussreichsten Menschen. Auf der niedrigsten Stufe stehen die Menschen, die sich praktisch aus der Gesellschaft ausgestoßen fühlen. Auf welcher Ebene der vorgezeichneten 5-stufigen Treppe positionieren Sie sich selbst?“ Quelle: Umfrage 2002 629

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Mit intensivem Zeitunglesen sind sowohl Politikinteresse, gesellschaftliches Engage- ment als auch optimistische Weltorientierung verbunden. Die Personen, deren Lesein- tensität hoch ist, schätzen die in Estland stattgefundenen Transformationen der letzten 15 Jahren viel positiver ein als andere Gruppen, sind politisch aktiver und engagieren sich überdurchschnittlich oft in Organisationen der Zivilgesellschaft (Lauristin 2004). Als ein Ergebnis der sozialen Transformationen der letzten 15 Jahre ist eine wesent- liche Änderung im Leseverhalten der estnischen Bevölkerung zu konstatieren. Aus dem ehemals in allen Schichten gleichermaßen stark verbreiteten Zeitunglesen ist ein die Be- völkerung differenzierendes Merkmal geworden. Die Zeitungsleser bilden heute den aktiveren Teil der Bevölkerung, der eine klare Meinung zu gesellschaftlichen Verände- rungen hat und der in der Gesellschaft stärker engagiert ist. Das gilt sowohl für Esten als auch für Russen.

5. Radio- und Fernsehnutzung Ganz andere Zusammenhänge als beim Zeitunglesen zeigen sich in der estnischen Be- völkerung im Hinblick auf die Nutzung von Radio und Fernsehen. Beide Medien bil- den unabhängig von der sozialen Differenzierung gemeinsame Medienräume für alle Bevölkerungsgruppen, weil die Nutzungsdauer und auch die zugemessene Bedeutung von Fernsehen oder Radio in allen sozialen Schichten ziemlich ähnlich sind (Lauristin 2004: 270). Alle Bevölkerungsgruppen verbringen ähnlich viel Zeit vor dem Bildschirm: Im Jahr 2005 sah die gesamte Bevölkerung täglich durchschnittlich 3 Stunden und 52 Minuten fern (TNS Emor 2005) – damit steht Estland weltweit nahezu an erster Stelle (Television 2003). Wenngleich sich die Nutzergruppen somit kaum in der vor dem Fernseher verbrach- ten Zeitdauer unterscheiden, so bilden sie dennoch keine homogene Einheit. Von großer Bedeutung ist die inhaltliche Orientierung der Nutzung, die entweder mehr auf Unter- haltung oder aber stärker auf sozial-politische Informationen ausgerichtet ist (Umfrage 2005). Hier sind klar die Altersunterschiede ausschlaggebend – bei den Jugendlichen ist der Nachrichtenbedarf wesentlich geringer als bei den älteren Befragten (Tab. 6).

Tabelle 6: Wie oft sehen die Befragten Nachrichten? (in % der entsprechenden Gruppe)

Gesamt Alter (n=1475) 15–19J 20–29J 30–44J 45–54J 55–64J 65–74J (n=151) (n=273) (n=393) (n=263) (n=209) (n=186) Selten, nicht jeden Tag 35 56 49 34 31 26 22 Ein Mal am Tag 26 33 24 30 28 16 22 Mehrmals am Tag 38 10 27 37 42 58 55

Quelle: Umfrage 2005

Wenn die jüngeren Befragten überhaupt Nachrichtensendungen im Fernsehen verfol- gen, dann meist die Nachrichten kommerzieller Kanäle im Infotainment-Form und kaum die des öffentlich-rechtlichen Programms ETV. Die Älteren, von denen mehr als die Hälfte mehrmals am Tag Nachrichten schaut, sind deutlich stärker an sozial-politi- schen Diskussionssendungen und Foren interessiert, die wesentlich zum Programm des estnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens gehören. Einen ähnlichen Zusammenhang zwischen inhaltlichen Präferenzen und der Al-

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tersgruppe gibt es auch bei der Radionutzung: Die Älteren interessieren sich mehr für Nachrichten und Diskussionen, die Jüngeren hören, wenn sie das Radio anschalten, fast nur Musik. Die russischsprachigen Esten zeigen eine geringfügig stärkere Vorliebe in Richtung Unterhaltung, doch die Unterschiede sind marginal. Ein markanter Unterschied findet sich aber im Hinblick auf die Ursprungsländer der Nachrichten: Für die russischsprachi- gen Befragten stehen die Nachrichten der russischen Fernsehprogramme (RTR, NTV, STV u. a.) und des Baltikums (Pervoi Baltiskii Kanal) an erster Stelle. Die Hälfte der estnischen Russen rezipiert aber auch Nachrichten aus Estland – ein Viertel von ihnen sogar auf Estnisch (Tab. 7).

Tabelle 7: Nachrichtennutzung der russischsprachigen Esten (in %)

Nachrichtensendungen im Fernsehprogramm ... Russischsprachige Befragte (n = 442) Vremja (RTR) 68 Novostii Estonii (Pervoi Baltiskii Kanal) 66 Sevodnja (NTV) 52 Russischsprachige Nachrichten des estnischen öffentlich-rechtlichen 49 Programms (ETV) Estnischsprachige Nachrichten (ETV, TV3, Kanal 2) 25 Nachrichten westeuropäischer Kanäle (CNN, BBC u. a.) 17

Anm.: Es wurde nach der regelmäßigen (= mehrmals in der Woche) Nutzung gefragt. Quelle: Umfrage 2005

Fragt man die Bevölkerung, welches Medium sie als vertrauensvolle Nachrichtenquelle am meisten schätzen, so ist die Antwort in der Regel: das Fernsehen (Umfrage 2002). Gleiches belegen Umfragen in Mittel- und Ost-Europa (Candidate Countries Euro- barometer 2003.4), wo die Zeitungen mit der raschen Entwicklung der Kommunika- tionstechnologien ihre Führungsposition als wichtigstes Nachrichtenmedium verloren haben. Besonders im Falle von Krisenkommunikation zeigt sich, dass die elektronischen Medien mit ihren Nachrichten das Publikum schneller und effizienter erreichen. Andere Studien weisen aber schon heute darauf hin, dass das Fernsehen seine Spit- zenposition bei der Meinungsführerschaft wahrscheinlich nicht immer wird behalten können – besonders in den jüngeren Gruppen konkurriert das Internet bereits sehr stark mit dem Fernsehen als Anbieter tagesaktueller Informationen. Für 54 Prozent der 15- bis 19-Jährigen ist das Internet die wichtigste Nachrichtenquelle und lässt damit alle anderen Medien weit hinter sich (Umfrage 2002). Diejenigen Gruppen, die das Internet sehr häufig und viel nutzen, haben deutlich weniger Zeit für das Fernsehen (Vihalemm 2006).

6. Nutzung der traditionellen Medien im Internet Ende 2005 hatten 35 Prozent der Befragten noch keinen Kontakt mit dem Internet. Die Nichtnutzer waren in den Bevölkerungsgruppen allerdings sehr ungleichmäßig verteilt. Alter und Bildungsniveau gehören zu den stärker differenzierenden Variablen – je älter eine Person oder je niedriger ihr Bildungsniveau ist, desto mehr Offliner gibt es in der Gruppe. Während fast alle 15- bis 19-Jährigen das World Wide Web nutzen und nur vier

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Prozent ohne Interneterfahrung sind, ist der Anteil jener, die das Netz nicht nutzen, in den älteren Bevölkerungsgruppen wesentlich größer: Bei den 45- bis 54-Jährigen sind 35 Prozent offline, bei den 55- bis 64-Jährigen bereits 55 Prozent und in der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen nutzen 87 Prozent kein Internet (Umfrage 2005). Der gleiche lineare Zusammenhang zeigt sich im Hinblick auf unterschiedliche Bildungsniveaus: Unter den Befragten mit Hochschulabschluss gibt es 17 Prozent Offliner, bei den Befragten mit Abiturabschluss liegt der Nicht-User-Anteil schon bei 35 Prozent und bei den Personen, die kein Abitur hatten, gibt es 54 Prozent Nichtnutzer. Nun stellt sich die Frage, ob die Internetnutzer im Web auch Zugangsmöglichkeiten zu „traditionellen Medien“ suchen – zu Online-Zeitungen, Radio und Fernsehen. On- line-TV ist noch wenig verbreitet, das Radio und besonders die Zeitungen haben es in Estland jedoch erfolgreich verstanden, ihr Publikum in der Gemeinde der Internetnut- zer zu etablieren. Online-Zeitungen werden von 35 Prozent der Gesamtbevölkerung ge- lesen, 13 Prozent hören täglich oder mehrfach wöchentlich Radio im Internet (Tab. 8).

Tabelle 8: Nutzung der traditionellen Medien Zeitung und Radio im Internet (in % der entsprechenden Gruppe)

Größe der Gruppe lesen regelmäßig* hören regelmäßig* (n = …) Zeitung im Internet Radio im Internet (%) (%) Gesamt 1475 35 13 Sprache Estnisch 1033 39 13 Russisch 442 25 14 Alter 15–19 J. 151 31 30 20–29 J. 273 44 23 30–44 J. 393 45 14 45–54 J. 263 37 8 55–64 J. 209 26 4 65–74 J. 186 8 1 Bildungsniveau kein Abitur 281 17 11 Abitur 817 32 14 Hochschule 340 55 14

* regelmäßig = jeden Tag oder mehrmals in der Woche Quelle: Umfrage 2005

Das Radiohören über das Internet ist besonders üblich in den jüngeren Gruppen, die das Online-Radio oft als Hintergrundmusik bei anderen Tätigkeiten im Internet laufen lassen. Die Nutzer von Online-Zeitungen sind sehr klar zu beschreiben. Erstens lesen Be- fragte mit Hochschulabschluss viel häufiger Zeitungen im Internet als der Bevölke- rungsdurchschnitt: 55 vs. 35 Prozent. Zweitens werden Online-Zeitungen besonders viel von Menschen in der aktiven Lebensphase gelesen, von den 20- bis 44-Jährigen. In dieser Altersgruppe ist die Internetnutzung oft auch beruflich bedingt. Im Moment scheint es, dass beim Lesen von Online-Zeitungen die gleichen Zusammenhänge gelten wie beim Lesen traditioneller Zeitungen.

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7. Zusammenfassung und Diskussion Der Beitrag hat die Situation der estnischen Medienlandschaft von der Angebots- und Nutzerseite her beleuchtet. Es wurde gezeigt, dass sich nach der in sowjetischen Zeiten weitgehend einheitlichen Mediennutzung, bei der sich das Publikum lediglich durch die Nutzung der estnisch- bzw. russischsprachigen Medienangebote unterschied, heute eine Medienlandschaft etabliert hat, in der es durch die größere Angebotsvielfalt und die bei Anbietern und Nutzern veränderte wirtschaftliche Situation vielfältig unterschiedene Nutzergruppen gibt. Die Nutzung der Massenmedien ist generell abhängig von der Muttersprache, dem Alter und dem Bildungsniveau (und damit dem Beschäftigungs- und Lebensniveau), wenngleich sich bei einzelnen Medienangeboten unterschiedliche Zusammenhänge zei- gen. Im Hinblick auf das Lesen sind die Muttersprache, das Alter und das Bildungsniveau ausschlaggebend. Die estnischen Russen lesen nach wie vor weniger Zeitung als die Esten, es gibt jedoch insgesamt in allen Bevölkerungsgruppen einen leichten Abwärts- trend beim Lesen von Tageszeitungen. Diese Tendenz geht vor allem auf das Konto der Stammleser, deren Anteile sich besonders in den jüngeren Altersgruppen drastisch verringern. Das Lesen von Qualitätstageszeitungen gehört mittlerweile zu einem die Be- völkerung klar differenzierenden Merkmal – es ist deutlich ein Kennzeichen der höher gebildeten und höheren sozialen Schichten. Die Nutzungsdauer von Radio und Fernsehen in Estland ist generell in allen Bevölke- rungsgruppen hoch, aber ein wichtiges, die Nutzung differenzierendes Merkmal ist die inhaltliche Orientierung der Nutzer – die generelle Ausrichtung auf Unterhaltung oder auf Informationen. Dabei sind die älteren Generationen wesentlich stärker interessiert an tagesaktuellen und sozial-politischen Informationen; mehr als die Hälfte von ihnen schaut mehrmals am Tag Fernsehnachrichten. Das Interesse der jüngeren Generationen richtet sich hauptsächlich auf die unterhaltenden Inhalte der Fernsehprogramme, Fern- sehnachrichten haben in dieser Gruppe kaum eine Bedeutung. Als Nachrichtenquelle schätzen die Jüngeren das Fernsehen und das Internet gleichermaßen. Und besonders in dieser Gruppe ist zu sehen, dass jene, die das Internet stark nutzen, deutlich weniger Zeit für das Fernsehen haben. Die Internetnutzung ist stark abhängig vom Alter und Bildungsniveau, wobei die jüngere Generation dank der guten Ausstattung mit Informations- und Kommunikati- onstechnologie in Schule und Privathaushalt besonders gut für den schnellen Zugang ins weltweite Datennetz gerüstet ist. Bei den Älteren variiert die Internetnutzung abhängig von der beruflichen Verwendung. Weil in Estland der Anteil der das Internet nutzenden Bevölkerung sehr hoch ist, ist für die traditionellen Medien die eigene Internet-Präsenz eine Grundbedingung für die weitere Entwicklung. In dieser Hinsicht sind die Online-Zeitungen – zumindest gemessen an den Nutzeranteilen – erfolgreicher gewesen als Radio oder TV: Mehr als ein Drittel der estnischen Bevölkerung liest regelmäßig Tageszeitungen im Internet. Die genannten Trends zeigen für Medienforscher westlicher EU-Länder sicher we- nig Überraschungen, da sich in den dortigen Medienlandschaften schon länger ähnliche Entwicklungen zeigen. Im Kontext einer Transformationsgesellschaft hingegen sind sie ein wichtiger Indikator dafür, dass die Zeit der großen sozialen Fluktuationen vorbei ist und die Gesellschaft eine gewisse Stabilitätsphase erreicht hat. Die digitale Spaltung der Bevölkerung sowie die zunehmde Differenzierung in der Nutzung der herkömmlichen Medien werden die Medienwissenschaftler in Europa wei-

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ter beschäftigen. Die Nutzung traditioneller Medien in neuen digitalen Umgebungen wirft etwa die Frage auf, ob und inwiefern ihre Rolle durch die Digitalisierung verändert wird. Die Nutzung des Internets hat tendenziell zur Folge, dass tagesaktuelle Informa- tionen in Zeitungen nur noch sporadisch gelesen werden. Wie wird diese Entwicklung die Einstellungen und Interessen des Einzelnen im Hinblick auf sein soziales und poli- tisches Lebens beeinflussen? Man könnte die Hypothese aufstellen, dass mit steigenden individuellen Entscheidungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Informationsauswahl die Schnittmenge gemeinsamer Informationen stetig abnimmt. Der Anteil an Informa- tionen, die bislang jeden Menschen mit verschiedenen Bevölkerungssegmenten, sei es eine Nation oder eine kulturelle Gruppe, verband, geht deutlich zurück. Die zuneh- mende Fragmentierung macht es immer schwieriger, größere Bevölkerungsgruppen für eine Idee oder ein gemeinsames Ziel zu mobilisieren. Diesen Fragen wird in folgenden Untersuchungen nachzugehen sein.

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Jörg Hagenah

Nachdem in M&K 3/2006 die Nutzungsmöglichkeiten der Media-Analyse-Radiodaten im Fokus standen, beinhaltet dieser zweite Teil eine Dokumentenanalyse der Fragebö- gen und Codepläne zur Fernseh-Abfrage. Problemlos lassen sich die bis 1996 bzw. 1999 erhobenen senderspezifischen Abfrageblöcke zu General- und Zeitfilter längsschnittlich nutzen. Eingeschränkt ist jedoch die longitudinale Nutzbarkeit von Frequenzabfrage und Tagesablauf, die erst seit 1987 den gesamten Tag und nicht nur die Zeit zwischen 17.00 und 20.00 Uhr umfassen. Darüber hinaus werden pauschale TV-Daten zur wö- chentlichen Fernsehnutzung innerhalb der Freizeit und im Tagesablauf abgefragt.

Schlagwörter: Fernsehen, Sekundäranalyse, Longitudinalforschung, Mediennutzung, Methoden

Nachdem in M&K 3/2006 in einem ersten Teil die Nutzungsmöglichkeiten der Me- dia-Analyse-Radiodaten im Mittelpunkt standen (Hagenah, 2006), sollen hier im Fokus einer analogen Dokumentenanalyse die Media-Analyse-Fernsehdaten stehen. Ziel des Beitrags ist es, auch für die Abfrage der TV-Nutzung einen detaillierten Überblick dar- über zu verschaffen, wann welche Variablen auf welche Weise erhoben wurden. Somit kann die Sekundäranalyse aus unterschiedlichsten Perspektiven vorbereitet, die Do- kumentation der Aufbereitungsarbeiten sichergestellt und die Mediaforschungspraxis transparent dargestellt werden. Bezüglich der Erhebungs- und Variablenstruktur der Media-Analysen (MA) kann auf den vorhergehenden Beitrag verwiesen werden (Hagenah, 2006: 459–461). Den größ- ten Einfluss auf die Variablenstruktur der Fernsehvariablen hatten – wie im Folgenden noch ausführlicher gezeigt wird – erstens die 1987 erfolgte Umstellung der Single-Sour- ce-Studie1 auf eine nach Medienarten getrennte Abfrage und zweitens die schrittweise Herausnahme der senderspezifischen TV-Abfrage von 1997 bis 2000. Zweiteres sei nach Müller als Folge der Ergebnisse der Methodentests der AG.MA 1995 anzusehen, da das gelegentlich unbewusst und häufig nebenbei gehörte Medium Radio besser und voll- ständiger erinnert werde, wenn die Befragten nicht durch eine differenzierte Abfrage der Fernsehnutzung abgelenkt werden (Müller, 2003: 55). Beide Umbrüche betreffen sowohl originäre wie abgeleitete Variablenkomplexe. Gegenstand dieses Beitrages sind die originären Variablen; auf die abgeleiteten (Zusammenfassungen, Nutzungswahr- scheinlichkeiten, Kontaktsummen, Varianzen; siehe Hagenah, 2006: 477–480) wird nicht weiter eingegangen.

1 Insbesondere in den 1970er-Jahren wurde synonym auch der Begriff Multi-Media-Analyse ver- wendet. 637

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1. Möglichkeiten der Nutzung von Fernsehdaten Als die wichtigste Quelle für Fernsehdaten muss zweifellos der im Auftrag der Ar- beitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) telemetrisch in einem Panel erhobene AGF/GfK-Datensatz bezeichnet werden (www.gfk.de, 2006). Daher ist er auch Bestandteil der wichtigsten Werbeplanungsquelle (Müller & Mai, 2006: 21 f.) – der so genannten Intermedia-Datei der Media-Analyse, die per Fusion Nutzungsdaten zu allen relevanten Medienarten enthält (Mai, 2003). Aller- dings ist der AGF/GfK-Paneldatensatz methodenbedingt mit Problemen der Gewöh- nung (dem sog. „Panel-Effekt“; siehe Bortz & Döring, 2002: 260, 450 f.) und vor allen Dingen mit der im Folgenden behandelten Repräsentativität behaftet: 1. Aufgrund der hohen Erhebungskosten beschränkt sich die Stichprobe auf eine im Vergleich zur MA Radio mit über 50.000 Befragten etwas kleinere Stichprobe mit fast 13.000 Personen (www.agf.de, 2006), somit sind der Zielgruppenanalyse oder vielmehr der Sub-Zielgruppenanalyse deutlichere natürliche Grenzen gesetzt. 2. Wie alle Panelerhebungen (Diekmann, 2004: 271 f.) hat auch die AGF-GfK-For- schung mit dem Problem der Panel-Mortalität zu kämpfen2. Verstärkt werden diese datensatzbezogenen Argumente durch zwei pragmatische Ge- sichtspunkte. Erstens liegen die Paneldaten bisher nicht als Individualdatensätze in SPSS- Form vor; eine entsprechende Datenaufbereitung ist zwar technisch möglich, aber pro- blematisch und sehr aufwändig (Karnowski 2003: 59 ff.; Bilandzic 1998: 748). Zweitens sind die Datensätze nicht im Zentralarchiv für empirische Sozialforschung gespeichert und können nur in Kooperation mit einem der Mitglieder der AGF genutzt werden. Wenn die messtechnischen Vorteile des telemetrischen Verfahrens außer Acht ge- lassen werden, erscheint es mit Blick auf die Kriterien Repräsentativität und Teilpubli- ka-Analysepotenzial für bestimmte longitudinale Untersuchungszecke sinnvoller, die Daten der Media-Analyse zu verwenden oder zumindest zu Validierungszwecken hin- zuzuziehen. Durch die Konvertierung der MA-Daten in SPSS (Hagenah, Meulemann & Akinci 2006) existieren nutzbare Individualdatensätze, die den Einsatz von unterschied- lichsten statistischen Verfahren bei der Sekundäranalyse ermöglichen. Einen ersten Gesamtdatensatz mit den aus 27 Querschnitten von 1977 bis 2004 zusammengefügten Dateien haben Best und Hagenah (2006a) erstellt. Er enthält zwar nur wenige Variablen (pauschale Fernsehnutzung des Vorabendprogrammes im Tagesablauf sowie Angaben zu Geschlecht, Bildung und Alter), aber 825.036 Fälle. Der exemplarisch aufbereitete Datensatz ermöglicht zwar keine senderspezifische Unterteilung – hierfür müssten die AGF/ GfK-Daten bzw. deren Vorgänger-Datensätze genutzt werden – aber eine detail- lierte Untersuchung von TV-Teilpublika über einen langen Zeitraum.

2 Das Problem der Panel-Mortalität versucht man auszugleichen, indem auf Basis der Erhebungs- kennziffern der Media-Analysen die kleiner gewordenen Zellen mit neu zu rekrutierenden Per- sonen oder Haushalten aufgefüllt werden (www.agf.de, 2006). Auf diese Weise repräsentiert die Stichprobe zwar wieder einigermaßen die Grundgesamtheit für das aktuelle Erhebungsjahr. Allerdings muss man sich somit der eigentlichen Stärke von Paneldaten berauben, nämlich der Längsschnittanalyse auf der Individualdatenebene. Wie eine Untersuchung von Karnowski (2003: 66) zeigte, waren von den etwa 8.000 Panelpersonen des Jahres 1994 nur noch etwa 850 Personen in der im Jahr 2001 immerhin 11.000 Personen umfassenden Stichprobe enthalten. Wenn man also AGF/GfK-Daten über einen längeren Zeitraum betrachtet, können Sekundär- analysen nur zu einem sehr geringen Anteil eine Veränderungsdynamik auf der individuellen Ebene nachzeichnen. Zum größten Teil erlauben eben auch derartige Paneldaten – bei einer Berücksichtigung der vollen Stichproben – faktisch lediglich Trendanalysen. 638

MM&K_04.06_05_Hagenah.indd&K_04.06_05_Hagenah.indd 638638 116.11.20066.11.2006 15:17:5215:17:52 UhrUhr Hagenah · MA-Fernsehdaten von 1972 bis heute

Praktische Voraussetzung für längsschnittliche Analysen ist, dass in den Erhebun- gen über die Zeit vergleichbare Variablen zu finden sind, was bisher noch nicht näher untersucht wurde. Ziel dieses Beitrags ist es daher, für die Abfragen zur Fernsehnutzung einen detail- lierten Überblick darüber zu verschaffen, welche Variablen für eine längsschnittliche Nutzung zur Verfügung stehen. Als Informationsbasis für eine Dokumentenanalyse dienen prinzipiell die MA-Codepläne und -Fragebögen der Jahre 1972 bis 2003; diese beschränken sich allerdings bei den älteren Dokumenten auf die Zeit ab 1976, da die ersten Jahrgänge entweder nur rudimentär aufbereitet vorliegen oder lückenhaft sind. Da in dem ersten Artikel zu den Radiodaten (Hagenah, 2006) sehr detailliert Ausschnitte aus Fragebögen und Codeplänen in Abbildungen gezeigt wurden, wird an dieser Stelle auf eine Wiederholung von sehr ähnlichen Abbildungen verzichtet. Stattdessen wird der genaue Wortlaut der Abfragen und Antwortkategorien wiedergegeben und ein Verweis auf die entsprechenden Abbildungen des ersten Teiles angeführt.

2. Fernsehabfragemodelle von 1972 bis heute Wie die nachfolgende Dokumentenanalyse im Detail zeigen wird, lässt sich die Fern- sehabfrage in zwei Epochen3 teilen. Die erste Epoche beinhaltet mehrere Phasen einer senderspezifischen Fernsehabfrage nach dem Muster der Standard-MA-Abfrage in der Zeit von 1972 bis 1999, die zweite Epoche beinhaltet seit 2000 bis heute mehrere Phasen einer pauschalen oder senderunspezifischen Fernsehabfrage.

2.1 Senderspezifische Fernsehabfragen von 1976 bis 1999 Die Untersuchungsanlage der senderspezifischen Standard-MA-Abfrage zum Fernsehen ist vom Grundprinzip her aufgebaut wie die Radioabfrage der MA. Dem Generalfilter folgen der Zeitfilter, die Frequenzabfrage (Sehhäufigkeit pro Woche) und die Fragen zum Tagesablauf (siehe Mai, 2003). Den Fragebögen und Codeplänen lässt sich entneh- men, dass diese komplexe Form mit den vier Standardschritten lediglich von 1987 bis 1996 eingesetzt wurde. Von 1997 bis 1999 wurden nur noch zwei der vier Abfrageblöcke erhoben (Generalfilter, Frequenzabfrage) und seit der Erhebungsumstellung vom per- sönlichen zum telefonischen Interview im Jahr 2000 gibt es keine senderspezifischen Fernsehabfragen mehr. Mit Hilfe der Dokumentenanalyse lässt sich das ältere Abfragemodell der Zeit von 19724 bis 1986 rekonstruieren. Es ähnelt der Standard-MA-Abfrage und hatte dasselbe Grundprinzip, dennoch lassen sich neben Gemeinsamkeiten auch ein paar Unterschie- de bei Frequenz- und Tagesablaufabfrage konstatieren, auf die in den entsprechenden Unterabschnitten genauer eingegangen wird. Die einzelnen Kategorien der Erhebungsmodelle werden in der genannten Reihen- folge näher vorgestellt, indem für jede Variante die jeweils jüngsten Abfrage- und Ko- dierungsmodelle dargestellt werden.

3 Theoretisch ließen sich auch drei Epochen benennen: Zwischen 1997 und 1999 gab es eine Umbruchphase, bei der die senderspezifischen Fernsehabfragen stufenweise herausgenommen wurden. 4 Dies gilt nur eingeschränkt für die Jahre 1972 bis 1975, da während der Umbauphase noch ex- perimentiert wurde. Nach Scheler (1983: 387) seien „mit MA 76 die wesentlichen Probleme des Ausbaus zur Multi-Media-Analyse gelöst“ worden. Daher wird als älteste MA grundsätzlich diejenige des Jahres 1976 aufgeführt. 639

MM&K_04.06_05_Hagenah.indd&K_04.06_05_Hagenah.indd 639639 116.11.20066.11.2006 15:17:5415:17:54 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

2.1.1 Generalfilter Seit 1970 verwendeten die Leser-Analyse (LA) und deren Nachfolger die MA in allen Erhebungen einen Generalfilter, durch den sich die Befragten als Nutzer eines Mediums „qualifizieren“ (vgl. Koschnick, 2004a). In diesem ersten Komplex wird danach gefragt, von welchen Sendern schon Sendungen gesehen wurden. Eingesetzt wurde der TV-Ge- neralfilter letztmalig im Jahr 1999. Die im Fragebogen enthaltenen Intervieweranweisungen und Fragen sahen von 1976 bis 1999 wie folgt aus (z. B. ma_96_EM_frb.pdf, S. 78 f.5, Hagenah, 2006: 463):

INT: Fernsehkarten aus dem Umschlag „Fernsehen“ herausnehmen Blätter 4R, 4L aufschlagen Auf diesen Karten sind Erkennungsfiguren für die verschiedenen Fernsehsender und Fernseh- programme abgebildet. Von welchen Sendern haben Sie schon Sendungen gesehen? INT: Fernseh-Karten übergeben. Vom Befragten auf die Blätter 4R und 4L sortieren lassen. Antworten im Schema ankreuzen. Falls keinen Sender „schon gesehen“, weiter mit Frage 7. [4R = Von diesem Sender habe ich noch nie Sendungen gesehen, 4L = Von diesen Sendern habe ich schon Sendungen gesehen; ma_96_em_frb.pdf, S. 141 f.]

Um den Befragten die Erinnerung zu erleichtern und um den Befragungsprozess zu be- schleunigen, wurden in allen senderspezifischen Fernsehabfragen so genannte „Titelkar- ten“ eingesetzt (aided recall). Für jeden abgefragten Fernsehsender existierte eine Karte, die den Sendernamen, das Logo und bei öffentlich-rechtlichen Sendern die so genannten „Werbe“-Erkennungsfiguren, wie die „Mainzelmännchen“ beim ZDF oder „Antje das Walroß“ vom ARD-Sender NDR, enthält (z. B. ma_99_EM_frb.pdf, S. 60, 61, 88–95). Die Befragten wurden nun gebeten, die Karten zu sortieren und entsprechend der Ant- wortmöglichkeiten zwei „Häufchen“ zu bilden. Die Karten von dem Häufchen „von diesen Sendern habe ich noch nie Sendungen gesehen“ wurden sofort weggesteckt, die- jenigen von dem Häufchen „von diesen Sendern habe ich schon Sendungen gesehen“ wurden im Fragebogen als solche angekreuzt. Zu diesen Fernsehsendern wurde im An- schluss die Folgefrage (Zeitfilter) gestellt. Codiert wurden die aus der Generalfilter-Frage gewonnenen Informationen von 1976 bis 1996 zusammen mit den Informationen aus der nachfolgenden Zeitfilterfra- ge. Unter den in den Codeplänen genannten Feldnummern befinden sich daher in den Datensätzen unter dem Oberbegriff „Zeitfilter“ (siehe Abschnitt 2.1.2) sowohl die Da- ten aus der Generalfilterfrage als auch die Informationen, die aus der im engeren Sinne Zeitfilter genannten Frage stammen (z. B. ma_96_EM_cdb.pdf, S. 128., vgl. Hagenah, 2006: 463). Die Ausprägungen 1 bis 3 bei der Zeitfilterkodierung können zusammen- genommen auch als Antwortmöglichkeit „schon mal gesehen“ zur Generalfilterfrage gewertet werden. „6 = noch nie gesehen“ und „5 = keine Angabe“ stammen direkt aus der Generalfilterfrage.

5 Alle beschriebenen Beispiele können auch in den Fragebögen leicht nachgeschaut werden, da sich diese zum freien Download auf der Seite www.wiso.uni-koeln.de/medien/ befinden. Alle Seiten-Angaben zu Fragebögen und Codeplänen beziehen sich auf die Seitenangaben im dazu- gehörigen PDF-Dokument.. 640

MM&K_04.06_05_Hagenah.indd&K_04.06_05_Hagenah.indd 640640 116.11.20066.11.2006 15:17:5515:17:55 UhrUhr Hagenah · MA-Fernsehdaten von 1972 bis heute

In den Datensätzen 1997 bis 1999 befinden sich unter dem Oberbegriff „Zeitfilter“ (z. B. ma_99_EM_frb.pdf, S. 18 f.) nur noch die Generalfilterinformationen „1 = schon gesehen“, „2 = noch nie gesehen“ und „3 = keine Angabe“. Der Abfrageblock „Zeitfil- ter“ war nicht mehr Teil des Erhebungsprogramms, wie auch im folgenden Abschnitt näher erläutert wird. Welche Einzelsender von wann bis wann Teil der Erhebungen waren, lässt sich Ta- belle 1 entnehmen. Insbesondere für die „Regionalfenster“ der ARD und für das ZDF können lange Zeitreihen von 1976 bis 1999 erstellt werden. Die ersten Privatsender wurden 1986 (RTL) und 1987 (Sat.1) abgefragt. Diese Erhebungsinformationen gelten sowohl für die Generalfilter- als auch für die nachfolgend ausführlicher beschriebene Zeitfilterabfrage.6

Tabelle 1: Ausschnitt aus der MA-Variablenübersichtstabelle madatsyn 1.0_short (General- + Zeitfilterabfrage = Zeitfilter)

Variablenname Zeilennr. Identifikationsmerkmale Erhebungs- Erhebungszeitraum anzahl Erhebungszuordnung insgesamt Erste Letzte Erhebung Erhebung 31046 Zeitfilter pro Sender (Fernsehen) 31048 Das erste deutsche Fernsehen (ARD) 14 MA 87 EM MA 99 EM 31049 Sender Freies Berlin (SFB) / ORB 25 MA 76 MA 99 EM 31050 Radio Bremen 19 MA 82 MA 99 EM 31051 Norddeutsches Fernsehen 25 MA 76 MA 99 EM 31052 Westdeutsches Fernsehen 25 MA 76 MA 99 EM 31053 Hessisches Fernsehen 25 MA 76 MA 99 EM 31054 Saarländisches Fernsehen 25 MA 76 MA 99 EM 31055 Südwest und Süddeutsches Fernsehen 25 MA 76 MA 99 EM 31056 Bayerisches Fernsehen 25 MA 76 MA 99 EM 31057 Drittes Fernsehprogramm ORB 9 MA 92 EM MA 99 EM 31058 Drittes Fernsehprogramm MDR 9 MA 92 EM MA 99 EM 31059 Zweites deutsches Fernsehen (ZDF) 24 MA 76 MA 99 EM 31060 Drittes Fernsehprogramm HR (Hessen 3) 13 MA 87 EM MA 99 EM 31061 Pro 7 10 MA 91 EM MA 99 EM 31062 RTL Television 15 MA 86 MA 99 EM 31063 Sat.1 14 MA 87 EM MA 99 EM 31064 Tele 5 2 MA 91 EM MA 92 EM 31065 Alle Sender 17 MA 78 MA 99 EM 31066 3 Sat 1 MA 87 EM MA 87 EM 31067 Drittes Fernsehprogramm BR (Bay.fern- 8 MA 87 EM MA 99 EM sehen)

6 Wie in den Codeplänen sind auch in der Tabelle „madatsyn 1.0“ die Informationen zu General- filter- und Zeitfilterabfragen unter dem Oberbegriff „Zeitfilter“ enthalten. 641

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Fortsetzung Tabelle 1 Variablenname Zeilennr. Identifikationsmerkmale Erhebungs- Erhebungszeitraum anzahl Erhebungszuordnung insgesamt Erste Letzte Erhebung Erhebung 31068 Drittes Fernsehprogramm NDR / RB (N3) 8 MA 87 EM MA 99 EM 31069 Drittes Fernsehprogramm SFB B1 7 MA 94 EM MA 99 EM 31070 Drittes Fernsehprogramm SR / SDR / SWF 8 MA 87 EM MA 99 EM (Südwest3) 31071 Drittes Fernsehprogramm WDR (WDF) 8 MA 87 EM MA 99 EM 31072 DSF Deutsches Sportfernsehen 7 MA 94 EM MA 99 EM 31073 Kabelkanal 7 MA 94 EM MA 99 EM 31074 Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) 7 MA 94 EM MA 99 EM 31075 n-tv 7 MA 94 EM MA 99 EM 31076 RTL 2 7 MA 94 EM MA 99 EM 31077 Sky Channel 1 MA 87 EM MA 87 EM 31078 VOX 7 MA 94 EM MA 99 EM 31079 sonstige Fernsehprogramme 8 MA 87 EM MA 99 EM 31080 Dritte Programme 10 MA 76 MA 86 31081 Super RTL 5 MA 96 EM MA 99 EM 31082 tm 3 4 MA 97 EM MA 99 EM

Anmerkung: EM = Elektronische Medien (auch Elektronische Tranche oder seit 1997 MA Radio genannt); die Zeilennummer entspricht derjenigen der madatsyn 1.0, die die jeweilige Feldnummer pro Erhebung von 1972 bis 2000 enthält, also den Speicherort in den SPSS-Datensätzen.

2.1.2 Zeitfilter Für alle „schon mal gesehenen Sender“ wurde von 1976 bis 19967 im so genannten Zeit- filter ermittelt, wann zuletzt eine Sendung von einem TV-Sender gesehen wurde. Die im Fragebogen enthaltenen Intervieweranweisungen und Fragen sahen wie folgt aus (z. B. ma_96_EM_frb.pdf, S.78 f.; vgl. Hagenah, 2006: 465):

INT: Frage 5 für alle lt. Frage 4 „schon gesehenen“ Sender stellen. Blatt 5 aufschlagen. Wann haben Sie zuletzt eine Sendung von ______gesehen?

7 Laut Codeplan MA 97 (ma_97_EM_cdb.pdf, S. 114) sollte es auch in der MA 1997 Informatio- nen zum Zeitfilter geben. Aber weder im dazugehörigen Fragebogen noch im Datensatz lassen sie sich finden. Offensichtlich enthält der Codeplan fälschlicherweise die Codierung des Vorjah- res. Eine Häufigkeitszählung zeigt, dass sich der Datensatz auf die Generalfilterinformationen beschränkt. 642

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Hier habe ich eine Zeiteinteilung, die Ihnen vielleicht helfen kann, die richtige Antwort zu fin- den. INT: Fernseh-Karten einzeln nacheinander auf Blatt 5A vorlegen. Antworten im Schema an- kreuzen. [Blatt 5: innerhalb der letzten 2 Wochen/2–4 Wochen her/länger her; Blatt 5A ist leer, enthält lediglich einen Rahmen für die Karten, ma_96_em_frb.pdf, S. 143 f.]

Codiert wurden die Antworten zusammen mit den Generalfilterdaten mit 1 = inner- halb der letzten 2 Wochen, 2 = 2 bis 4 Wochen her, 3 = länger her, 4 = keine Angabe (aus Zeitfilter), 5 = keine Angabe (aus Generalfilter) und 6 = noch nie gesehen (z. B. ma_96_EM_cdb.pdf, S. 128; vgl. Hagenah, 2006: 465)

2.1.3 Frequenzabfrage: Sehhäufigkeit (pro Zeitabschnitt) pro Sender In der dritten Stufe „Sehhäufigkeit pro Sender“ wurde von 1987 bis 1999 ermittelt, an wie vielen Werktagen von Montag bis Samstag jeder einzelne Sender gesehen wurde. Von 1984 bis 1986 – also in den letzten drei „Single-Source-Studien“ – ist vermutlich aus (zeit-)ökonomischen Gründen kein entsprechender Abfrageblock eingesetzt worden. Von 1976 bis 1983 wurden die Informationen zur Sehhäufigkeit detaillierter pro (Tages-) Zeitabschnitt (bspw. 17.00 bis 17.30 Uhr) und Sender erhoben. Auf die letztgenannte Erhebungsform und deren Kompatibilität zur jüngeren Abfrage wird nachher gesondert eingegangen. Zur „Sehhäufigkeit pro Sender“ wurden von 1987 bis 1999 alle Personen befragt, die Sendungen des Einzelsenders innerhalb der letzten zwei Wochen gesehen haben8. Die im Fragebogen enthaltenen Intervieweranweisungen und Fragen sahen wie folgt aus (z. B. ma_99_EM_frb.pdf, S. 18 f., vgl. Hagenah, 2006: 466):

INT: Frage 31 für alle lt. Frage 30 „schon gesehenen“ Sender stellen. Blatt 31 aufschlagen. Wenn Sie an eine normale Woche in der letzten Zeit denken: An wievielen von den üblichen 6 Werktagen von montags bis samstags sehen Sie im allgemeinen Sendungen vom ______? Und wie ist es mit Sendungen vom ______? INT: Fernsehkarten einzeln nacheinander auf Blatt 31A vorlegen. Anzahl der genannten Werktage (1 bis 6) im betreffenden Kästchen eintragen. Falls ein Sender „so gut wie nie“ gesehen wird, eine Null (= 0) eintragen. [Blatt 31: An den 6 Wochentagen Montag bis Samstag sehe ich im allgemeinen Sendungen vom ______: an 6 Tagen = an jedem Tag; an 5 Tagen; an 4 Tagen; an 3 Tagen; an 2 Tagen; an 1 Tag; 0 nie = an keinem Tag; Blatt 31A ist leer; ma_99_em_frb.pdf, S. 63]

8 Da zwischen 1997 und 1999 keine Zeitfilterangaben erhoben wurden, wurden in diesem Zeit- raum alle Personen, die schon mal Sendungen des Senders gesehen haben (Generalfilter) zur „Sehhäufigkeit“ befragt. 643

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Codiert wurden die Informationen von „0 = 0 von 6 Werktagen“ bis „6 = 6 von 6 Werk- tagen“9 (ma_99_EM_cdb.pdf, S. 86). Von 1976 bis 1983 wurde die Sehhäufigkeit detaillierter pro Zeitabschnitt und Sender abgefragt. Folgender Unterschied ist im Vergleich zwischen den Variablen Sehhäufig- keit pro Zeitabschnitt und (Woche pro) Sender (1976 bis 1983) und Sehhäufigkeit (pro Woche) pro Sender (ab 1987) erkennbar: Vor 1987 wurden alle Personen aus dem weites- ten Seherkreis (WSK) zu sechs halbstündigen Zeitabschnitten zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr und pauschal für die Zeit vor 17.00 Uhr gefragt, an wie vielen Werktagen in einer normalen Woche die (öffentlich-rechtlichen) Einzelsender gesehen wurden. Die im Fragebogen enthaltenen Intervieweranweisungen und Fragen sahen für die Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt pro Sender wie folgt aus (ma_83_frb.pdf, S. 21 f., vgl. Hagenah, 2006: 468):

INT: Blatt 36 aufschlagen: Falls „innerhalb der letzten 2 Wochen“ zu einer Zeit ferngesehen wurde: Wenn Sie an eine normale Woche in der letzten Zeit denken. An wievielen von den 6 Werktagen montags bis samstags hören Sie im allgemeinen in der Zeit vor/ zwischen … Uhr und … Uhr den … ? Und wie ist es mit dem … ? INT: Mit der bei Frage 35 zuerst genannten Zeit beginnen und Fernseh-Karten einzeln nachein- ander auf Blatt 36A vorlegen! Alle bei Frage 35 genannten Zeiten durchgehen und für jede Zeit Fernseh-Karten einzeln nacheinander auf Blatt 36A vorlegen! Zahl der genannten Werktage (1 bis 6) im betreffenden Kästchen eintragen. Falls ein Sender zu einer Zeit „nie“ gesehen wird, eine Null (=0) eintragen. Weiter mit Frage 37 auf der Rückseite des Kästchen-Schemas! [Blatt 36: In einer normalen Woche sehe ich im allgemeinen in der Zeit zwischen ____ und ____ Uhr vom Sender ______Fernsehen: an 6 Tagen = an jedem Tag; an 5 Tagen; an 4 Tagen; an 3 Tagen; an 2 Tagen; an 1 Tag; 0 nie = an keinem Tag; Blatt 36A ist leer; ma_83_frb.pdf, S. 29 f.]

Vom Interviewer wurden daraufhin die entsprechenden Antworten von „0 = nie zu die- ser Zeit“ bis „6 = an allen Werktagen“ für jeden Zeitabschnitt in den Fragebogen einge- tragen. Beispielsweise wurde für die Zeit zwischen 17.00 Uhr und 17.30 Uhr die Anzahl der Sehtage in einer normalen Woche ermittelt10. Seit 1987 spielen diese Zeitabschnitte keine Rolle mehr, und es wird nur noch nach der Sehhäufigkeit pro Woche gefragt. Es gilt zu prüfen, ob die entsprechenden Daten beider Fragevarianten miteinander verknüpft werden können: Es ist annäherungsweise möglich, die älteren Daten in das schmalere Korsett der aktuelleren Erhebungen zu zwängen. Dazu kann bei den Daten von 1976 bis 1983 der maximale Tagewert aus den Zeitabschnittswerten herangezogen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser aus zwei Gründen eher zu klein sein wird:

9 Zusätzlich wurde „7 = keine Angabe“ codiert, außerdem enthalten ist die Generalfilterinforma- tion „8 = nicht gesehen“. 10 Zusätzlich codiert wurden jeweils 7 = keine Angabe und 8 = nicht WSK (Weitester Seher- kreis). 644

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Erstens wird die Fernsehnutzung zur Hauptzeit nach 20.00 Uhr vernachlässigt. So würde es passieren, dass beispielsweise berufstätige Vielseher, die erst nach 20.00 Uhr nach Hause kommen und dann aber regelmäßig bis zum Sendeschluss vorm Fernseher sitzen, als Wenigseher mit 0 Tagen zu den erfassten Zeitabschnitten gewertet würden. Die zweite Problematik soll anhand einer Tabelle mit konstruierten Nutzerdaten für das ZDF demonstriert werden (Tabelle 2). Angenommen, jemand sieht in einer norma- len Woche von Montag bis Samstag regelmäßig zwischen 17.00 Uhr und 17.30 das ZDF, so würde das in der Wochenstatistik wie bei Person 1 dargestellt aussehen. Der maximale Wert pro Zeitabschnitt wäre 6 und würde der tatsächlichen Sehhäufigkeit pro Sender in einer normalen Woche entsprechen. Sollte dagegen jemand, der von Montag bis Freitag sogar durchgehend von 17.00 bis 18.30 Uhr ZDF konsumiert und am Samstag zwischen 17.00 und 18.00 Uhr gar nicht und um 18.00 bis 18.30 Uhr die ARD-Sportschau schauen und erst wieder um 19.30 Uhr seinen Stammsender ZDF einschalten11, würde der maxi- male Zeitabschnittswert für die Person nur noch bei 5 liegen und somit kleiner sein als der reale Wert 6 Tage. Der eigentliche Wert 6 kann aber deshalb nicht ermittelt werden, weil – abweichend zu dem konstruierten Wochenmodell in Tabelle 1 – bei dem älteren Modell keine Angaben zu den einzelnen Wochentagen, sondern nur zu einer „norma- len Woche“ vorliegen. Letztlich ist es aber möglich, die Daten vor und ab 1987 in eine Variable zu „zwängen“, der beschriebene Methodeneffekt sollte aber beachtet werden. Somit stehen Frequenzdaten – mit einer kleinen Lücke zwischen 1984 bis 1986 – von 1976 bis 1999 zu Verfügung.

Tabelle 2: Konstruiertes Wochenmodell zur Erklärung des Methodeneffekts bei der Umkodierung der maximalen Zeitabschnittsdaten zur Sehhäufigkeit pro Woche: Beispiel ZDF

Max aus pro Sehhäufigkeit Mo Di Mi Do Fr Sa Zeitabschnitt pro Sender Person 1 17.00–17.30 1111116 17.30–18.00 0 18.00–18.30 0 19.30–20.00 0 gesamt 6 Tage 6 Tage Person 2 17.00–17.30 11111 5 17.30–18.00 11111 5 18.00–18.30 11111 5 19.30–20.00 1 1 gesamt 5 Tage 6 Tage

11 Um das Beispiel konsistent halten zu können, muss die Person 2 zusätzlich zumindest an einem Werktag während der Woche von 19.30 – 20.00 Uhr die ARD oder das Nichtsehen bevorzu- gen. 645

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2.1.4 Tagesablauf Kernstück der Media-Analysen sind die Abfragen zum stichtagsbezogenen Tagesablauf. Seit 1987 erfolgt dies in einer detaillierteren Form in Verbindung mit der Abfrage von Leittätigkeiten (Buß, 1998: 77 ff.). Sie werden seitdem für jede Viertelstunde zwischen 5 und 24 Uhr des letzten Tages vor dem Interview erhoben. Bei den aktuellen MA liegt der Schwerpunkt auf der Erfassung der Nutzung einzelner Radiosender. Von 1987 bis 1996 lag der Fokus ebenso auf der Ermittlung von senderspezifischen TV-Daten. Zusätzlich wird auch die Nutzung anderer Medien (Video, Schallplatten/Tonband/Kassetten/CD und seit 1997 PC) und von „Leittätigkeiten“ „zu Hause“ (Schlafen, Körperpflege, Es- sen, Haus-/Berufsarbeit, freie Zeit) und „außer Haus“ (im Auto unterwegs, Einkaufen, Berufsarbeit, Schule/Studium, Besuche, Kneipe) erhoben. „Die Interviews werden nach Stichtagen gleichmäßig über die Woche verteilt, so dass in der Gesamtstichprobe die einzelnen Wochentage in etwa gleichem Umfang reprä- sentiert sind“ (Koschnick, 2004b). Der Interviewer unterstützt den Befragten in einem Gespräch, sich mit Hilfe der eben genannten Leittätigkeiten an den Verlauf des gestrigen Tages zu erinnern. Auf diese Weise wird nicht nur das Hören oder Sehen unterschiedli- cher Sender einer Viertelstunde erfasst, sondern auch, welche Sender während welcher parallel stattfindenden Aktivität gehört oder gesehen wurden (Akinci, 2004: 2). Codiert werden die Tagesablaufvariablen als sog. „Dummy“-Variablen, d. h. für jede Viertelstunde und jede Tätigkeit gibt es eine Variable12, welche die Information enthält, ob eine Tätigkeit ausgeführt wurde (1 = ja) oder nicht (0 = nein). Auch beim älteren MA-Erhebungsmodell von 1976 bis 1986 gab es Fragen zum je- weils gestrigen Tag (am Montag zu vorgestern, zum Sonntag wurde nicht befragt). Dieses „freie Gespräch“ beschränkte sich jedoch auf das Einholen von Nutzungswerten zu den elektronischen Medien Radio und Fernsehen, Leittätigkeiten im und außer Haus wurden (noch) nicht abgefragt. Ebenso wie bei der Abfrage zur Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt und Sender (siehe Abschnitt 2.1.3) konzentrierte sich die TV-Tagesablaufabfrage auf die werberelevante Zeit zwischen 17.00 und 20.00 Uhr, zusätzlich wurde die TV-Nutzung vor 17.00 Uhr pauschal abgefragt. In den Codeplänen wurde der Abfrageblock unter der Bezeichnung „gestern pro Zeitabschnitt und Sender“ aufgeführt. Viertelstundenweise wurden folgende Informationen pro TV-Sender erfasst: „1 = gestern ja“, „2 = gestern nein“ oder „3 = nicht WSK“ (Weitester Seherkreis). Eine längsschnittliche Nutzung ist demnach für 12 Viertelstunden von 1976 bis 1996 problemlos möglich.

2.2 Pauschale Fernsehabfragen von 1976 bis heute Seit 1997 bzw. 2000 wird die Fernsehnutzung nicht mehr detailliert nach Sendern abge- fragt (Keller & Klingler, 1997), dennoch sind weiterhin Fernsehabfragen13 Teil des MA- Erhebungsprogramms. Allerdings beschränken sie sich auf die Abfrage einer pauschalen oder senderunspezifischen Fernsehnutzung. Erstens als Bestandteil der Tagesablaufab- frage, zweitens wird die generelle Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt abgefragt und drittens beinhaltet eine Freizeitskala auch Abfragen zur Mediennutzung.

12 In den Codeplänen sind die dazugehörigen Feldnummern zusammengefasst dargestellt. Bei- spiele für eine „Entschlüsselung“ befinden sich in der Tagesablaufdokumentation (Akinci, 2004). 13 Nahezu identische Abfragen gibt es auch zur Radionutzung. 646

MM&K_04.06_05_Hagenah.indd&K_04.06_05_Hagenah.indd 646646 116.11.20066.11.2006 15:18:0415:18:04 UhrUhr Hagenah · MA-Fernsehdaten von 1972 bis heute

2.2.1 (Pauschale) Fernsehnutzung im Tagesablauf Die in Abschnitt 2.1.4 vorgestellte Tagesablaufabfrage beschränkt sich seit 1997 auf eine Abfrage der pauschalen Fernsehnutzung innerhalb der MA Radio. Diese wird seit dem Jahr 2000 nicht mehr persönlich-mündlich, sondern telefonisch durchgeführt (Klingler & Müller, 2000; Best & Hagenah, 2006). Somit stehen für 76 Viertelstunden von 5.00 Uhr bis 24.00 Uhr Informationen zur pauschalen Fernsehnutzung im Tagesablauf von 1987 bis heute für längsschnittliche Sekundäranalysen zur Verfügung. Zwischen den Jahren 1976 bis 1986 beschränkte sich die „Tagesablaufabfrage“ auf die Zeiten zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr, so dass bei 12 Viertelstunden die pauschale Fernsehnutzung von 1976 bis heute untersucht werden kann.

2.2.2 (Pauschale) Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt Von 1987 bis heute wird die pauschale Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt in einer normalen Woche ermittelt. Für insgesamt neun Zeitabschnitte14 wird abgefragt, an wie vielen der sechs Wochentage von Montag bis Samstag Fernsehen gesehen wird, so dass der „typi- sche“ Fernsehalltag ermittelt werden kann. Die im CATI-Frageprogramm erscheinenden Intervieweranweisungen und Fragen sehen für die pauschale Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt seit 1987 bis heute wie folgt aus (ma_03_I_frb_cdb.pdf, S. 41):

Ich werde Ihnen jetzt einige Fragen zum Fernsehen stellen. Denken Sie doch bitte einmal an die 6 Wochentage Montag bis Samstag. An wie vielen von diesen 6 Wochentagen haben Sie in der letzten Zeit zwischen 6.00 Uhr und 9.00 Uhr morgens Sendungen im Fernsehen gesehen? INT.: Es geht um das Fernsehen, Anzahl der Tage eintragen!! Sehe in dieser Zeit nie Fernsehen >> 0 << eingeben Und wie ist es Montags – Samstags in der Zeit zwischen [die nächsten unten stehenden Zeitab- schnitte werden der Reihe nach eingeblendet] Anzahl der Tage eintragen 09.00 Uhr und 13.00 Uhr ______Tage 13.00 Uhr und 17.00 Uhr ______Tage 17.00 Uhr und 18.00 Uhr ______Tage 18.00 Uhr und 19.00 Uhr ______Tage 19.00 Uhr und 20.00 Uhr ______Tage 20.00 Uhr und 23.00 Uhr ______Tage 23.00 Uhr und 02.00 Uhr ______Tage 02.00 Uhr und 06.00 Uhr ______Tage

14 Die Nutzungshäufigkeit wurde zu neun Zeitabschnitten (6–9, 9–13, 13–17, 17–18, 18–19, 19–20, 20–23, 23–2 und 2–6 Uhr) auf einer 7-stufigen Skala mit 0 = „nie zu dieser Zeit“ bis 6 = „an 6 Wochentagen“ abgefragt. 647

MM&K_04.06_05_Hagenah.indd&K_04.06_05_Hagenah.indd 647647 116.11.20066.11.2006 15:18:0515:18:05 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

Dieser Abfrageblock wurde prinzipiell auch von 1984 bis 1986 eingesetzt, also in den Jahren ohne Abfrage der senderspezifischen Sehhäufigkeit pro Tag und Zeitabschnitt. Allerdings beschränkte sich die Abfrage auf die Zeit zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr, die detaillierter in Halbstundenabschnitten erhoben wurde und dementsprechend in Stundendaten umkodiert werden müsste. Zusätzlich wurde ein zweistündiger Abschnitt „20.00 bis 22.00 Uhr“ abgefragt. Von 1976 bis 1983 wurde – wie in Abschnitt 2.1.3 ge- nauer beschrieben – die senderspezifische Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt und Woche pro halbe Stunde zwischen 17.00 und 20.00 Uhr abgefragt und lässt sich mit Hilfe der Maximalwerte pro Sender annäherungsweise in eine Variable „pauschale Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt“ umkodieren.

2.2.3 (Pauschale) Fernsehnutzung in der Freizeit In dem Abschnitt „Freizeitverhalten des Befragten“ lassen sich unter anderem Angaben zu medialen Tätigkeiten finden. Die Kernitems, wie Zeitungen lesen, Zeitschriften/Il- lustrierte lesen, Fernsehen und Radio hören, wurden seit 1984 durchgängig erhoben. Allerdings wurde die Skalierung geändert. Von 1993 bis heute liegt die Erhebungsspanne zwischen „1 = mehrmals in der Woche“ und „5 = nie“. Die im CATI-Frageprogramm erscheinenden Intervieweranweisungen und Fragen sehen für den Abfrageblock „Freizeitverhalten des Befragten“ von 1993 bis heute wie folgt aus (z. B. ma_03_I_frb_cdb.pdf, S. 40):

Ich lese Ihnen jetzt einige Tätigkeiten und Freizeitbeschäftigungen vor. Sagen Sie mir bitte zu jeder Tätigkeit, wie oft Sie dazu kommen, d. h. ist es „mehrmals in der Woche“, „mehrmals im Monat“, „etwa einmal im Monat“, „seltener“ oder „nie“? Wie ist das mit … Kommen Sie dazu … 1 = mehrmals in der Woche/ 2 = mehrmals im Monat/ 3 = etwa einmal im Monat/ 4 = seltener/ 5 = nie [zusätzlich codiert: 6 = keine Angabe; d. Verf.] Fernsehen/Radio hören/ Schallplatten, CDs, Kassetten, Tonband hören/ Video-Kassetten an- sehen/ ins Kino gehen/ in Theater, Konzert, kulturelle Veranstaltungen gehen/ Zeitung lesen/ Zeitschriften, Illustrierte lesen/ Bücher lesen/ Basteln, Heimwerken, Schneidern, Stricken/ Sport treiben, sich trimmen/ Ausgehen: Restaurant, Gaststätte, Kneipe, Disco

Zwischen 1984 und 1992 beinhaltete die Skala Ausprägungen zwischen „1 = täglich/ fast täglich“ und „6 = nie/ so gut wie nie“. Für eine longitudinale Nutzung von 1984 bis heute könnten die Daten der älteren Abfrage in das Format der aktuellen Abfrage umkodiert werden, allerdings unter Inkaufnahme eines Informationsverlustes und eines zu erwartenden Methodeneffektes (ausführlicher für die identisch abgefragte Variable zur Sportaktivität: Hagenah, 2003). Die Mediennutzung innerhalb des Abfrageblockes Freizeitaktivität wäre ein ideales Instrument für intermediale Vergleiche und wäre dar- über hinaus für eine Einordnung der Mediennutzung im Vergleich zu (anderen) Freizeit- aktivitäten zu gebrauchen. Sie wurde jedoch nur mit einer groben Skalierung (5 Stufen von „nie“ bis „mehrmals in der Woche“) erfasst, so dass bei Radio, Fernsehen und Ta- geszeitung die häufige Nutzung nicht differenziert werden kann, und der Informati- onsgehalt demzufolge gering ist. Dieser Abfrageblock ist eher für nicht täglich verfolgte Freizeitaktivitäten – wie Ausgehen oder Sport treiben – angemessen. Lediglich die Zeit- schriftenabfrage enthält brauchbar differenzierende Informationen. Nutzbar sind die Freizeitdaten – unter Berücksichtigung des Methodeneffektes – von 1984 bis heute.

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2.3 Zusammenfassung: Senderspezische und pauschale Fernsehabfragen In Tabelle 2 werden die longitudinalen Nutzungsmöglichkeiten der senderspezifischen und pauschalen Fernsehabfragen zusammenfassend miteinander verglichen. Bei der bis 1999 eingesetzten senderspezifischen Fernsehabfrage lassen sich Informationen zum Generalfilter von 1976 bis 1999 und zum Zeitfilter von 1976 bis 1996 problemlos mit- einander verknüpfen. Dies gilt auch für die Daten zur Fernsehnutzung im Tagesablauf von 1976 bis 1996, allerdings beschränkte sich die Erhebung bis 1986 auf die werberele- vante Zeit zwischen 17.00 und 20.00 Uhr. Informationen zum kompletten, senderspezi- fisch erhobenen Tagesablauf zwischen 05.00 und 24.00 Uhr liegen nur für den Zeitraum von 1987 bis 1996 vor. Kritischer sind die longitudinalen Nutzungsmöglichkeiten der Frequenzvariablen einzuschätzen, da sie methodisch mit einem sich ändernden Ansatz (1976–1983: Sehhäufigkeit pro Zeitabschnitt und Sender vs. 1987 – 1999: Sehhäufigkeit pro Sender; siehe Abschnitt 2.1.3) und zudem im alten Modell lediglich für die Zeit von 17.00–20.00 Uhr erhoben wurden. Allerdings können auch sie unter Beachtung der zu erwartenden Methodeneffekte für longitudinale Analysen von 1976 bis 1999 genutzt werden. Längere Zeitreihen lassen sich für die bis dato erhobene pauschale Fernsehabfrage bilden. Für die Zeit zwischen 17.00 und 20.00 Uhr – also für 12 Viertelstunden – kön- nen Informationen zur pauschalen Fernsehnutzung im Tagesablauf von 1976 bis heute problemlos miteinander verknüpft werden. Nach einer Umkodierung der Variablen von 1984 bis 1992 können grobe Daten zur Fernsehnutzung in der Freizeit von 1984 bis heute – unter Berücksichtigung eines Methodeneffektes – genutzt werden. Methodisch be- denklicher ist die longitudinale Nutzung der pauschalen Frequenzvariablen pro Woche einzuschätzen, da sie methodisch mit einem sich ändernden Ansatz (1976 – 1983: Seh- häufigkeit pro Zeitabschnitt vs. 1987 – heute: Sehhäufigkeit) und zudem im alten Modell lediglich für die Zeit von 17.00–20.00 Uhr erhoben wurden. Allerdings kann auch sie unter Beachtung der zu erwartenden Methodeneffekte für longitudinale Analysen von 1976 bis heute genutzt werden.

3 Fazit Wie die Dokumentenanalyse gezeigt hat, lassen sich aus den Media-Analysen lange Zeitreihen erstellen, welche die Fernsehrezeption von 1976 bis 1999 senderspezifisch und von 1976 bis heute pauschal nachzeichnen können. Ziel dieses Beitrags war es, die Möglichkeiten der Zeitreihenbildung mit Media-Ana- lysen transparent für andere nachvollziehbar darzustellen, auch um somit der Forderung von Lauf und Peiser (1999: 231 ff.) nach einer ausführlichen Methodendokumentation bei der Aufbereitung von Datensätzen zu folgen. In einem nächsten Schritt sollen die Zeitreihen auch gebildet werden. Dafür erscheint es sinnvoll, analog wie auch für die Radiodaten konstatiert (Hagenah, 2006), ergänzende soziodemographische Aufgliede- rungen vorzunehmen. Darüber hinaus sollten ähnliche Dokumentenanalysen die Zeitschriften- und Zei- tungsvariablen der Media- und Leser-Analyse zum Untersuchungsgegenstand haben, da diese inhaltlich ein ähnliches und zeitlich ein darüber hinaus gehendes Longitudinal- potenzial für Sekundäranalysen von 1954 bis heute aufweisen. Mit Blick auf die Inhalte der MA lassen sich – ähnlich wie beim Wechsel vom per- sönlichen zum telefonischen Interview (ausführlicher bei Best & Hagenah, 2006; 2006a) – Erhebungseffekte an den methodologischen Umbruchstellen vermuten und näher un-

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MM&K_04.06_05_Hagenah.indd&K_04.06_05_Hagenah.indd 649649 116.11.20066.11.2006 15:18:0715:18:07 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006 e) möglich: 24.00 Uhr deneffekt) 1987–1999 Nutzbarkeit 1976 bis 1999 1976 bis 1996 Eingeschränkt 17.00 und 20.00 Uhr; 1987–1996 Problemlos: 1976 bis 1996 zwischen Längsschnittliche ser 1976 bis 1983 + 1976 bis 1999: Bes- (Deutlicher Metho- zwischen 05.00 und gleich identisch Problemlos 20.00 Uhr Zeitabschnitt alten Modell pro Nahezu identisch Detaillierter beim Methodischer Ver- zwischen 17.00 und 17.00 und enthalten) 1976–1986 20.00 Uhr; 17.30 Uhr) (z. B. 17.00– Seher gestern Abfragemodell 17.00–20.00 Uhr Altes Standard- keiten gekoppelt pro Viertelstunde pro Viertelstunde sechs Werktage?“ nicht an Leittätig- im Abfragemodell (ja/ nein) zwischen (1984 bis 1986 nicht Zeitabschnitt: „0 bis modell (ja/ nein); gekoppelt 1987–1996 2–4 Wochen her / letzte 14 Tage 2–4 Wochen pro Viertelstunde pro Viertelstunde an Leittätigkeiten Standard-Abfrage- 1997–1999 Umbruchphase – „Schon mal gesehen?“ identisch Problemlos – – „wann zuletzt?“ länger her / – Sehhhäufigkeit: „0 bis sechs Werktage?“ Sehhhäufigkeit pro – – Seher gestern modell 2000–heute Woche) gesehen: gesehen: Zeitfilter Tagesablauf Generalfilter Abfrageblock Aktuelles Abfrage- Frequenz (pro Letzte 14 Tage Letzte 14 Tage Letzte 14 Tage Letzte 14 Tage

Für alle Sender:

gesehenen Sender: Für alle schon mal Senderspezifische Fernsehabfragen Senderspezifische Tabelle 3: Longitudinale Nutzungsmöglichkeiten senderspezifischer (1976 bis 1999) und pauschaler Fernsehabfragen heut Tabelle

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MM&K_04.06_05_Hagenah.indd&K_04.06_05_Hagenah.indd 650650 116.11.20066.11.2006 15:18:0915:18:09 UhrUhr Hagenah · MA-Fernsehdaten von 1972 bis heute möglich: möglich: 1987–heute Problemlos: Nutzbarkeit 1976 bis heute 1976 bis heute Eingeschränkt Eingeschränkt 1987–heute für zwischen 17.00 und 20.00 Uhr; 1976 bis 1986 + 05.00–24.00 Uhr ser 1984 bis 1992 20.00 Uhr; besser Längsschnittliche und 1993 bis heute 1984 bis heute; bes- zwischen 17.00 und gleich stunden 20.00 Uhr Gesamttag vs. Zeitabschnitte/ Stunden/ Halb- dierungsbedarf) Unterschiedliche Unterschiedliche 17.00–20.00 Uhr/ Nahezu identisch Skalierung (Umko- Methodischer Ver- zwischen 17.00 und 17.00 und 1976–1986 20.00 Uhr; Seher gestern Sehhhäufigkeit so gut wie nie“ Abfragemodell (6 Halbstunden Altes Standard- keiten gekoppelt pro Zeitabschnitt pro Viertelstunde pro Viertelstunde sechs Werktage?“ 20.00 Uhr): „0 bis nicht an Leittätig- täglich bis 6 = nie/ (ja/ nein) zwischen zwischen 17.00 und modell 1987–1996 Standard-Abfrage- 1997–1999 Umbruchphase „0 bis sechs Werktage?“ an Leittätigkeiten gekoppelt „1 = mehrmals in der Woche bis 5 = nie“„1 = mehrmals in der Woche „ 1 = täglich/fast Sehhhäufigkeit pro Zeitabschnitt (9 pro Tag): Sehhhäufigkeit pro Zeitabschnitt (9 Tag): modell 2000–heute Frequenz der Freizeit Tagesablauf (ja/ nein); Seher gestern pro Viertelstunde (pro Woche) Abfrageblock Aktuelles Abfrage-

Fernsehnutzung in Pauschale Fernsehabfragen Pauschale Fortsetzung Tabelle 3 Fortsetzung Tabelle

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tersuchen. Entsprechende Ergebnis„sprünge“ sollten bei der Zeitreihenbildung beachtet und ggf. auch graphisch markiert werden. Letztlich erscheint es sinnvoll, Standards der Erhebungs- und ggf. auch der Auswer- tungsdokumentation zur Erleichterung von Replikationen im Sinne einer intersubjektiv nachvollziehbaren wissenschaftlichen Herangehensweise zu diskutieren. Entsprechen- de Dokumentationen und Aufbereitungen könnten auch für andere im Zentralarchiv für empirische Sozialforschung in Köln lagernde kommunikations- oder sozialwissen- schaftliche Datensätze, wie die Langzeitstudie Massenkommunikation oder die Typo- logie der Wünsche (Lauf, 2002: 253), erstellt werden, um die Sekundärnutzungen zu erleichtern.

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Abschiede von der Wirklichkeit Aktuelle Frontlinien der medien- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Fernsehforschung seit 2005 – eine Sammelrezension

Joan Kristin Bleicher

Lange Zeit galt das Fernsehen aufgrund seines schlechten Images eher als ungeliebter Forschungsgegenstand unterschiedlicher wissenschaftlicher Teildisziplinen. Triviale Er- zählweisen und Manipulations-Möglichkeiten waren nur einige der Kritikpunkte in den Publikationen. Erst langsam gelangten seit den siebziger Jahren auch die Potenziale des Mediums in den Blick der Forschung: Dass das Fernsehen als Spiegel der Gesellschaft fungiert, haben bereits diverse amerikanische und deutsche Publikationen herausgear- beitet. Doch ein Blick in aktuelle Neuerscheinungen signalisiert, dass sich auch in den Publikationen zur Fernsehforschung allgemeine Veränderungen des Wissenschaftsbe- triebs niederschlagen. In den in diesem Beitrag vorgestellten fernsehbezogenen Neu- erscheinungen seit 2005 treten die aktuellen Konflikte und Grabenkämpfe zwischen geisteswissenschaftlicher Medienforschung und sozialwissenschaftlicher Kommuni- kationsforschung hinsichtlich des gemeinsamen Themenkomplexes Fernsehforschung deutlich zutage. Folgende Titel werden im Weiteren besprochen: • Uta Corsa (2005): Unterhaltung schlägt Information. Die ersten digitalen Fernseh- programme von 1996 bis 2003. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, ISBN 3-89669- 530-4, 405 S. • Oliver Fahle/Lorenz Engell (Hrsg.) (2006): Philosophie des Fernsehens. München: Fink, ISBN 3-7705-4154-5, 203 S. • Angela Keppler (2006): Mediale Gegenwart. Eine Theorie des Fernsehens am Beispiel der Darstellung von Gewalt. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, ISBN 3-5182- 9390-7, 340 S. • Dominik Koch-Gombert (2005): Fernsehformate und Formatfernsehen. TV-Ange- botsentwicklung in Deutschland zwischen Programmgeschichte und Marketingstra- tegie. München: Martin Meidenbauer Verlag, ISBN 3-8997-5499-9, 545 S. • Markus Stauff (2005): Das Neue Fernsehen. Machtanalyse, Gouvernementalität und Digitale Medien. Münster, Hamburg: Lit Verlag, ISBN 3-8258-7802-3, 303 S. • Matthias Thiele (2005): Flucht, Asyl und Einwanderung im Fernsehen. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft ISBN 3-8966-9497-9, 321 S.

Die Beziehung zwischen medien- und kommunikationswissenschaftlicher Fernsehforschung in Deutschland Mit den seit einigen Jahren in Deutschland zu beobachtenden tiefer werdenden Gräben an den Forschungs-Frontlinien scheint der Blickkontakt zwischen den wissenschaftli- chen „Kriegsgegnern“ der Geistes- und Sozialwissenschaften zunehmend verloren zu gehen. Obwohl die Themenschwerpunkte beider Disziplinen, etwa im Bereich der Ent- wicklungen des digitalen Fernsehens, der Genres und der Sendungsformate, vielfach vergleichbar sind, ist auffällig, wie wenig Berücksichtigung die Forschungsergebnisse der Gegenseite in der jeweils eigenen Argumentation finden. Darunter leidet die Qua- lität der fernsehwissenschaftlichen Forschung in Deutschland insgesamt erheblich, was sich auch in ihrer fehlenden internationalen Akzeptanz niederschlägt. Denn aus inter-

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nationaler Perspektive sind die in Deutschland alltäglichen Grabenkämpfe zwischen Medien- und Kommunikationswissenschaft eher eine Ausnahmesituation. In den hier ausgewählten Neuerscheinungen der Jahre 2005 und 2006 zeichnen sich Entwicklungstendenzen innerhalb der wissenschaftlichen Teildisziplinen ab. So weist die aktuelle Fernsehforschung auf der medienwissenschaftlichen Seite einen deutlichen Anstieg der theoretischen Abstraktion auf, während auf der kommunikationswissen- schaftlichen Seite neben die traditionelle Wirkungs- und Nutzungsforschung bisherige Schwerpunkte der medienwissenschaftlichen Forschung treten, wie etwa die Beschäf- tigung mit Mediengeschichte und der Analyse von Programmstrukturen und Genres. Doch bleibt bei diesem Zugriff auf medienwissenschaftliche Themen die sozialwissen- schaftliche Empirie als traditionelles Verfahren des Tatsachenbeweises erhalten. Mittels Empirie werden beispielsweise Entwicklungen des digitalen Fernsehens eher deskriptiv beschrieben als in ihrer besonderen inhaltlichen und erlebnisorientierten Ausrichtung interpretiert.

Strategie Innovationsversprechen Eine in der Hochschullandschaft seit vielen Jahrzehnten bekannte und immer wieder verwendete Strategie bei wissenschaftlichen Grabenkämpfen ist das Innovationsver- sprechen. Das bisher in der Forschung Erreichte wird pauschal für veraltet erklärt, die eigene Forschung ohne Berücksichtigung der Vergangenheit als neu und in die richti- ge Richtung weisend verkauft. Der Bochumer Medienwissenschaftler Markus Stauff nutzt diese Strategie in seiner Dissertation und spricht verheißungsvoll vom „Neuen Fernsehen“. Das Zentrum der Untersuchung bildet eine Reflexion der Digitalisierung des Fernsehens aus medientheoretischer Perspektive. Ausgehend von William Boddys Diagnose vom Television in Transit (Artikel in der Zeitschrift Screen aus dem Jahr 2000) beschreibt Stauff die Entwicklung des neuen Fernsehens, das aus seiner Sicht nicht nur durch verschiedene Formen der Interaktivität, sondern vor allem durch die Verschmel- zung mit anderen Medien gekennzeichnet ist. (Stauff 2005, 8) Die Pauschalverurteilung des Alten führt dazu, dass man dies gar nicht zu berücksichtigen braucht, und so setzt sich Stauff erst gar nicht mit den bisherigen Ansätzen und Ergebnissen der Wirkungs- forschung auseinander. In einer Art kritischem Rundumschlag gegenüber bisherigen Forschungsschwerpunkten kritisiert Stauff die sozialwissenschaftlich ausgerichtete kommunikationswissenschaftliche Wirkungsforschung, ohne offensichtlich die ent- sprechenden Untersuchungen zur Kenntnis genommen zu haben. Eine vergleichbare Strategie des Innovationsversprechens findet sich auf der anderen Seite des Grabens in kommunikationswissenschaftlichen Forschungsarbeiten. Dominik Koch-Gomberts in Zürich entstandene medienökonomische Untersuchung zur For- matentwicklung nimmt bisherige Ergebnisse der medienwissenschaftlichen Genrefor- schung nur rudimentär zur Kenntnis. Koch-Gombert bewertet seine Arbeit in dem kur- zen Vorwort dementsprechend vollmundig und wohl in Zielrichtung auf die medienwis- senschaftliche Forschung (etwa von Gerd Hallenberger u. a.) als „erste und umfassende Studie hinsichtlich der Formate und des Formatfernsehens in Deutschland“. Auch die Mannheimer Soziologin Angela Keppler verzichtet in der Publikation „Mediale Gegenwart“ (2006) bei ihrem Vorschlag eines eigenen Analyseansatzes auf das etablierte medienwissenschaftliche Methodenspektrum, das sie nur ansatzweise (vor allem das Analyseverfahren von Thomas Kuchenbuch) zur Kenntnis genommen hat. Sie fragt aus sozialwissenschaftlicher Perspektive nach den „Kriterien, Mechanismen und Konventionen, die die Konstruktion von Realität in den jeweiligen Medien bestimmen.

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(...) Dieses Wie der ‚medialen Konstruktion von Wirklichkeit‘ im Detail zu beschreiben und dabei Methoden einzusetzen, die der Vielschichtigkeit der dabei ablaufenden akus- tischen und piktoralen Prozesse gerecht werden, – dies ist das Ziel der hier vorgeschla- genen Methode der Fernsehanalyse“. (Keppler 2006, 94) Beeindruckend ist dabei die von ihr beschriebene Traditionslinie quantitativer Medienforschung, die den Eindruck erweckt, als habe sie bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich in den Sozialwissenschaf- ten stattgefunden. (Keppler 2006, 96ff.)

Strategien der Loslösung oder Auseinandersetzung mit der Fernsehwirklichkeit Eine aktuelle Strategie der geisteswissenschaftlich ausgerichteten Medienforschung liegt in der Steigerung des Abstraktionsniveaus durch die Abkehr von bisherigen Analysen zu Form, Inhalt und Dramaturgie von Fernsehangeboten hin zu abstrakt theoretischen Reflexionen. So richtet sich die Aufmerksamkeit des von Lorenz Engell und Oliver Fahle herausgegebenen Bandes „Philosophie des Fernsehens“ nicht primär auf bereits erfolgte Reflexionen über das Medium durch etablierte Philosophen wie etwa Heidegger oder Derrida. Zentral ist vielmehr die „Reflexivität des Mediums im Spiegel seiner beob- achtbaren Formen“ (Fahle/Engell 2006, 158), wobei die Rückbindung der Reflexionen auf die konkrete Programmpraxis eher vernachlässigt wird. Fahle und Engell setzen im „Science Ranking“ gleich ganz oben an: Sie konzipieren ihre Medienphilosophie als eine Art Meta-Wissenschaft, eine Wissenschaftstheorie der Medienwissenschaft. (Fahle/En- gell 2006, 8) Die in den theoretisch ausgerichteten Publikationen von Fahle/Engell und Stauff kaum noch anzutreffende traditionelle medienwissenschaftliche Rückbindung an die Programmpraxis und Sendungsanalyse findet sich hingegen in kommunikationswissen- schaftlichen Publikationen zur Fernsehforschung. Angela Keppler entwickelt in ihrer „Medialen Gegenwart“ ein produktanalytisches Verfahren, das aus ihrer Sicht „in der Lage ist, den Gehalt der audiovisuellen Formate des Fernsehens unverkürzt auszulegen. Es stellt damit zugleich das Handwerkszeug für entsprechende Untersuchungen in Film und Fernsehen bereit“. (Keppler 2006, 11) Diese methodische Neuerfindung seitens der Kommunikationswissenschaft überrascht angesichts der Vielzahl vorliegender medien- wissenschaftlicher Forschungsarbeiten zur Genreentwicklung und diverser Methoden von Film- und Fernsehanalysen. Auch das von Keppler vorgeschlagene Protokollver- fahren für die Sendungsanalyse geht nicht über den Stand bisheriger Protokollmethoden hinaus (siehe dazu u. a. Kuchenbuch, Mikos, Hickethier, Wulff, Pabst, Borstnar). Eine eigene fernsehtheoretische Argumentationslinie entwickelt Angela Keppler an- hand ihrer Auswertung von Gewaltdarstellungen in Talkshows (Formen der verbalen Gewalt), Spielfilmen, Nachrichten, Magazinsendungen, Reality Formaten und Doku- mentationen. Aus ihrer Sicht ist es vor allem die Bildersprache, „die den Betrachter einerseits in ein virtuelles Geschehen involviert und ihm andererseits einen erweiterten gesellschaftlichen Horizont verschafft.“ (Keppler 2006, 318) Sie kommt durch die Aus- wertung der jeweils vorherrschenden Präsentationsformen zu dem allgemeinen Schluss: „Das Fernsehen arbeitet niemals nur mit Illusionen, sondern stets mit Differenzierungen von Illusionen und Nicht-Illusion – aber es kann dies auf eine eher illusionär oder eher nichtillusionäre Weise tun.“ (Keppler 2006, 324) Ebenfalls angesichts des medienwissenschaftlichen Stands der Forschung irritierend ist die am Beginn von Ute Corsas „Geschichte des digitalen Fernsehens“ (2005) stehende Diagnose: „Eine medienwissenschaftliche Diskussion zum digitalen Fernsehkommuni- kationsprozess gibt es nicht und kann deshalb auch nicht betrachtet werden.“ (Corsa

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2005, 17) Ganze Sammelbände etwa des Siegener Sonderforschungsbereichs haben sich mit dem digitalen Fernsehen auseinander gesetzt. Medienwissenschaftliche Publikatio- nen zum digitalen Fernsehen entstanden auch im Bereich der englischen und amerika- nischen Fernsehwissenschaft.

Die Hinwendung zu Diskurstheorien Die Entwicklungen der Fernsehforschung stehen im engen Kontext zu Veränderungen der theoretischen Reflexion. Nachdem der u. a. von Thomas W. J. Mitchell ausgerufe- ne Pictorial Turn der Medienwissenschaft sein Exil mittlerweile in den diversen Bild- theorien der Kunst- und Kommunikationswissenschaft gefunden hat, erlebt die Dis- kurstheorie Foucaults in den verschiedenen Richtungen der medienwissenschaftlichen Dispositivtheorie ihre Auferstehung. Das theoretische medienwissenschaftliche Pendel scheint sich zwischen Bild, Sprache und Text hin und herzu bewegen. Nachdem die Bildwissenschaft sich in die Grenzbereiche von Kunst- und Kommunikationsforschung hineinbewegt, erfolgt gleichzeitig die Rückkehr zu verschiedenen Formen textorientier- ter Theorien, die sich im Grenzbereich zur Sozialwissenschaft ansiedeln; dem derzeit aktuellen diskurstheoretischen Turn der Medienwissenschaft (Schmidt, Winkler) ent- sprechend entwickeln Engell/Fahle einen diskurstheoretischen Ansatz. Sie gehen davon aus, „dass das Fernsehen – und wohl auch andere Medien (…) – von einem Diskurs oder einer Vielzahl von Diskursen produziert wird“. (Engell/Fahle 2006, 9) In dieser Annahme erlebt, ohne dass dieser Zusammenhang Erwähnung fände, die Sichtweise der Angebotsforschung, dass das Programm, also die Pluralität der Inhalte, das Angebot des Fernsehens ausmachen, seine Renaissance.

Veränderungen des Medienbegriffs Im Bereich der medienwissenschaftlichen Theoriebildung erfolgt mit der Hinwendung zur Diskurstheorie ein Abschied von alten Medienbegriffen, der auch die Fernsehwis- senschaft beeinflusst. Markus Stauff befasst sich im Hauptteil seiner eigentlich dem neu- en Fernsehen gewidmeten Arbeit mit einer kritischen Rekonstruktion exemplarischer medienwissenschaftlicher Paradigmen. (Stauff 2005, 10) Insbesondere die Abkehr von linearen Kausalmodellen der Medienkommunikation signalisiert die wachsende Bedeu- tung der Diskurstheorie Foucaultscher Ausrichtung, die von variablen Beziehungen zwischen gesellschaftlichen und kulturellen Teilelementen bzw. Erscheinungsformen ausgeht. Derzeit wird immer häufiger ein offener disparater Medienbegriff gefordert. (Karpenstein-Eßbach, Nohr, Stauff). Dem Gesamtgestus der weitgehend von prakti- schen Entwicklungen losgelösten abstrakten Theoriebildung folgend gilt Stauffs Plä- doyer der Auflösung des festen Medienbegriffs zugunsten offener Bedeutungszuwei- sungen, die Raum für neue Reflexionen lassen. Sowohl bei Stauff als auch bei dem Braunschweiger Medienwissenschaftler Rolf Nohr (ehemaliger Bochumer) geht dieser Abschied von traditionellen Medienbegriffen mit der Diagnose fehlender Bedeutungsdimensionen der Fernsehvermittlung einher. Derartige Thesen werden mit Zitaten von Praxisvertretern unterstützt. Der ehemali- ge Programmdirektor von SAT.1, Fred Kogel, erkennt einen allgemeinen Wandel des Fernsehens hin zum „absoluten Begleitmedium“: „Fernsehen läuft immer. Es ist reiner Konsum. Wichtig ist dann nur, dass irgendetwas möglichst Entspannendes läuft. Im Gegensatz zur fiktionalen Reizüberflutung, wo du jeden Arzt, jeden Kommissar dieser Welt schon gesehen hat, hat man hier das Einfache.“ (Kogel zitiert nach Huber/Hu-

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ber 2000, 327) Angela Keppler hingegen diagnostizierte bereits in der ersten Hälfte der 1990er Jahre eine Veränderung des alltäglichen sozialen Lebens der Akteure durch das Fernsehen (Keppler 1994, 9) und erweitert diese Diagnose in ihrer aktuellen Publikation auf gesellschaftliche Entwicklungen.

Grenzgänge zwischen medien- und kommunikationswissenschaftlicher Fernsehforschung Dass sich mit Diskurstheorien nicht nur eine abstrakte Metatheorie, sondern auch eine sinnvolle Analyse von Fernsehsendungen konzipieren und realisieren lässt, beweist Matthias Thiele in seiner 2005 bei UVK erschienenen Dissertation „Flucht, Asyl und Einwanderung im Fernsehen“. Thiele untersucht darin die „Diskursivierung und Visua- lisierung von ‚Flucht‘ und ‚Asyl‘ im deutschen Fernsehen. Das soziale und kulturelle Wissen, das das Fernsehen in Bild und Ton zu diesen Formen der Migration in den 1990er Jahren aufgreift, bearbeitet, produziert und bereitstellt, soll beschrieben und auf seine Regelmäßigkeiten hin untersucht werden.“ (Thiele 2005, 7) Die Zielsetzung der Arbeit geht über klassische medienwissenschaftliche Ansätze hinaus. Thiele versteht „die Analyse (...) als eine Form der ‚Intervention‘ (Hartley 1992) und ‚Resistenz‘ (Link 1993b, Parr 1992), die nicht nur darauf zielt, das durch das Fernsehen produzierte sowie von den ZuschauerInnen auf die eine oder andere Weise subjektiv applizierte sozio- kulturelle Wissen zu beschreiben und zu erklären, sondern auch in Frage zu stellen und zu verändern.“ (Thiele 2005, 12) In seiner den Brückenschlag zwischen Medien- und Kommunikationswissenschaft suchenden Dissertation berücksichtigt Thiele auch die Ergebnisse von sozialwissen- schaftlichen Studien (u. a. Brosius/Esser 1995, Ruhrmann 1996, Weiß 1995) zur Pres- seberichterstattung, die auf „das Negative, Konflikthafte, Krisenhafte, Katastrophische und Sensationelle“ der Darstellung von Flüchtlingen und Asylsuchenden hinwiesen. Thiele kritisiert, dass diese sozialwissenschaftlichen Studien mehr oder weniger unhin- terfragt „sowohl die sprachlichen Benennungen als auch die Problemdefinitionen des Fernsehens“ (Thiele 2005, 11) übernahmen. Aus Sicht von Thiele blieben jedoch die sprachlichen und elektronischen Bilder so gut wie unberücksichtigt (Thiele 2005, 11). Mit seiner dem diskurstheoretischen Ansatz des Sprachwissenschaftlers Jürgen Link und den strukturalistischen Symboltheorien folgenden Studie schließt Thiele diese For- schungslücke. Er zeigt in seinen Analysen anschaulich, auf welche Weise in Bild und Text geläufige Kollektivsymbole, Stereotypen und Bedrohungsszenarien bei den jeweils aktuellen Themenschwerpunkten der Berichterstattung über Asyl „appliziert, rekombi- niert und narrativ weiter gestrickt werden.“ (Thiele 2005, 12) Thiele verdeutlicht, „dass das Fernsehen zugleich mit verschiedenen medialen Symbolisierungsweisen operiert.“ (Thiele 2005, 28) Er legt mit seinen vielfältigen Sendungs-, Bild- und Moderationsana- lysen die Konstruktionsmuster und -verfahren offen, mit denen sich das Fernsehen als Diskursmacht in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen positioniert. Angela Keppler konstatiert eine Konkurrenz zwischen verschiedenen wissenschaft- lichen Teildisziplinen um die Fernsehanalyse und gelangt zu dem Fazit: „Eine wissen- schaftliche Untersuchung des Fernsehens, die sich auf die Komplexität ihres Gegen- standes einlässt, kann nur interdisziplinär verfahren, von welcher Disziplin sie auch ausgehen mag.“ (Keppler 2006, 87) Keppler verknüpft kommunikations- und medien- wissenschaftliche Erklärungsmuster auf ihre Weise. So betont sie eher aus medienwis- senschaftlicher Perspektive argumentierend: „Die Bedeutung des Fernsehens für den sozialen Prozess ist von der ästhetischen Realität seiner Bildprozesse nicht zu trennen.“

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(Keppler 2006, 8) Was unter einer ästhetischen Realität zu fassen ist und warum sie Bil- der als Prozess begreift, bleibt an dieser Stelle ungeklärt. An anderer Stelle ihres Buches geht Keppler ausführlicher auf die Instrumentalisierung medienwissenschaftlicher Ana- lyseansätze für sozialwissenschaftliche Fragestellungen ein: „Eine sozialwissenschaft- lich fundierte Medien- und Kommunikationswissenschaft stellt die Frage, wie in den und durch die Medien soziale Realität konstruiert und konturiert wird. Mittels welcher sprachlichen, filmischen, dramaturgischen Mittel werden Ereignisse, Sachverhalte dar- gestellt und aufbereitet, fiktional und experimentell imaginiert? (...) Kurzum: Welche Rolle spielen die Massenmedien im Alltag der Menschen? Wie tragen sie zur Bildung und Umbildung der Relevanzen bei, die für die soziale Wirklichkeit in einer globalisier- ten Welt leitend sind?“ (Keppler 2006, 93) Angela Keppler untersucht in ihrer „Medialen Gegenwart“ „die mediale Wirklichkeit des Fernsehens in der Absicht, seine Stellung in der sozialen Wirklichkeit heutiger Ge- sellschaften zu begreifen“. (Keppler 2006, 7) Das Fernsehen soll als ein Teil der Realität verstanden werden, die es selbst durch die besondere Machart seiner Programme prägt. (Keppler 2006, 8) „Teil der sozialen Wirklichkeit ist das Fernsehen dadurch, dass es seine Benutzer fortwährend mit Variationen unterschiedlicher Gattungen der audiovisuellen Kommunikation unterhält.“ (Keppler 2006, 8) Unklar bleibt Kepplers Verständnis der Beziehung von Programm, Gattung, Genre (der Begriff wird häufig synonym mit Gat- tung verwendet) und Kommunikation. Erst am Ende beschreibt sie die Gattungen des Fernsehens als „veränderliche Regelmäßigkeiten der Darbietung, die sich miteinander verändern. Das Spektrum der Gattungen des Fernsehens bildet ein Bezugssystem, in dem jede einzelne unter ihnen ihre Kontur gewinnt. Dieses Bezugssystem ist ebenso sehr ein ästhetisches wie ein ideologisches.“ (Keppler 2006, 312) Die einzelnen Abschnitte von „Mediale Gegenwart“ folgen unterschiedlichen Ziel- richtungen und Ansätzen. Zunächst soll ein eigener fernsehtheoretischer Entwurf klä- ren, „wie das Fernsehen in der Vielfalt seiner Programme die historische, soziale und kulturelle Gegenwart konturiert.“ (Keppler 2006, 7) Es folgen Kapitel, die sich mit je- weils eigenen Analyseansätzen mit verschiedenen Fernsehgattungen und -genres (die Abgrenzung beider Begriffe bleibt, wie gesagt, unklar) und Motiven der Berichterstat- tung auseinandersetzen. Im Zentrum steht die Darstellung von Gewalt in Live-Über- tragungen, Nachrichten und fiktionalen Sendeformen. Gewalt ist aus Sicht Kepplers ein Thema, „dem für die Selbstverständigung heutiger Gesellschaften ein zentraler Stellen- wert zukommt.“ (Keppler 2006, 7) Gleichzeitig lassen sich aus ihrer Sicht Differenzen zwischen Fiktion und Dokumentation am Beispiel der Darstellung von Gewalt beson- ders gut verdeutlichen.

Themenschwerpunkte der aktuellen Fernsehforschung: Programm- und Navigationsmodelle Einen aktuellen Forschungsschwerpunkt bilden weiterhin die Versuche, Ordnungsmo- delle für die vorhandene Komplexität der Sendungsangebote zu finden. Dabei kommt es in den aktuellen fernsehwissenschaftlichen Publikationen auf unterschiedliche Weise zu einer Fortsetzung der Programmforschung, etwa von Knut Hickethier. Matthias Thiele bleibt zwar in seiner auf gegenwärtige Entwicklung ausgerichteten Dissertation dem in den 1970er Jahren entstandenen Flowmodell von Raymond Williams verhaftet, weist aber auch darauf hin, dass sich „bedingt durch Kommerzialität, Senderkonkurrenz und aufgrund der Aufmerksamkeit zerstreuenden Rezeptionsbedingungen des häuslichen Fernsehens“ das Programm als Flow organisiere, „in dem sich die Einheiten der Sendun-

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gen ineinander schieben, vermischen und sich tendenziell von ihren Rändern her auflö- sen.“ (Thiele 2005, 14) Diese Verschiebungen setzen sich aus Sicht Thieles auch inner- halb der Sendungsgrenzen fort, „so dass Fernsehsendungen und Fernsehen insgesamt als einfache Kumulation von mehr oder weniger heterogenen Segmenten beschrieben werden können, die mit Hilfe von Verbindungsstücken, Anschlüssen und Redundanzen verknüpft, gruppiert und angeordnet werden.“ (Thiele 2005, 15) Eine Berücksichtigung von Ergebnissen der Paratexteforschung in der Medienwissenschaft bleibt in diesem Zusammenhang leider aus. Uta Corsa befasst sich in ihrer an der Universität Leipzig entstandenen Dissertation „Unterhaltung schlägt Information“ mit der jüngsten Fernsehgeschichte, nämlich der bisherigen Entwicklung des digitalen Fernsehens unter besonderer Berücksichtigung seiner gesellschaftlichen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen und der Entwicklung seiner Programmstrukturen und -profile. Corsa überprüft die medienwis- senschaftliche Diagnose einer Ablösung des Programmbegriffs durch das „Speichersys- tem“ und den Zugriff (vgl. Hickethier 1999, 67), den „Container“ (vgl. Paech 1999, 9) und das Bouquet (vgl. Engel 2001, 480). Corsa konkretisiert die bisher häufig abstrakt bleibende Metaphorik vom Programmbouquet oder Library Television (Newcomb) durch eine genaue Analyse der Programmstrukturen digitaler Anbieter wie etwa Pre- miere. Dabei prognostiziert sie: „das Programm im digitalen Zeitalter kann sich zum Puzzle oder Domino entwickeln.“ (Corsa 2005, 21) Ob bisherige medienwissenschaft- liche Prognosen für die Anfangsjahre des digitalen Fernsehens zutrafen und wie sich die digitalen Fernsehprogramme und ihre Strukturen entwickelt haben, erfasst Uta Corsa mit einer ausführlichen Programmstrukturanalyse aller digitalen Fernsehprogramme im Zeitraum zwischen 1996 bis 2002. Sie analysiert die Bouquet- und Programmstruktur- profile, ihre Konzeptionen sowie ihre Programmvielfalt und Programmqualität. Auf Basis dieser Analysen schreibt sie die nach ihren Angaben erste digitale Programmge- schichte (Corsa 2005, 13) und versucht auf dieser Grundlage, das Modell des analogen Fernsehkommunikationsprozesses zu überprüfen. (Corsa 2005, 15) Dabei werden die Programmanteile einzelner Sender der Programmbouquets empirisch erhoben, was jedoch für eine Analyse der besonderen Profilbildung nicht ausreicht. In der empiri- schen Erhebung bleiben die jeweiligen Genrebegriffe unklar, die Produktionsjahre der gezeigten Filme des Bouquets fehlen, was den analytischen Blick auf die jeweiligen Programmschwerpunkte der untersuchten Sender erschwert. Beispielsweise sind die historischen Zuordnungen des im Programm Starkino gesendeten Filmmaterials nicht immer nachvollziehbar. (Corsa 2005, 91) Auch bleibt zu fragen, ob nicht bereits der Titel Starkino eine Konzentration auf bestimmte Filmstars nahe legt. Dieser Aspekt der Personenbindung des digitalen Programms bleibt in der Untersuchung von Uta Corsa unberücksichtigt. Die Legenden der Säulendiagramme, die die Sendeanteile illustrieren sollen, sind in der Buchfassung des UVK-Verlages häufig nicht lesbar. Schließlich hätte ein stärkerer Rückbezug der erzielten Forschungsergebnisse auf die in der Einleitung angekündigten Vergleiche mit Entwicklungen im Bereich des analogen Fernsehens den Erkenntniswert der Studie von Uta Corsa deutlich erhöht. Markus Stauffs Ausführungen zur medienwissenschaftlich ausgerichteten Navigati- onsforschung befassen sich mit dem Einfluss medientechnischer Innovationen auf Ord- nungsmodelle des Programms und allgemeinen Zusammenhängen von Ordnungsmodel- len und Nutzungsverhalten. Zu den neuen technikbasierten Ordnungsmodellen zählen neben den elektronischen Programmführern auch die Menüs von Videorekordern, Settop Boxen und Fernbedienungen, aber auch im Bereich des Internets die Suchmaschinen. Sie fungieren als interaktive Orientierungsangebote, die auf die individuelle Nutzung des

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einzelnen Rezipienten ausgerichtet sind. (Loosen, Stauff, Winkler) Gleichzeitig kommt es zur engen Verknüpfung von Navigationsmodellen und Programmstruktur innerhalb der digitalen Programmbouquets. „Die Menüs vermitteln keineswegs nur zwischen dem Programmangebot und dem „einfachen Knopfdruck“; sie stellen eine eigenständige Strukturierungsebene dar und dringen – wie beispielsweise an Spartensendern deutlich wird – in die Programmstruktur ein. Diese nimmt – ohne dass der flow damit gänzlich aufgehoben würde – selbst die Form eines Menüs an.“ (Stauff 2005, 230) Stauffs zweiter Forschungsschwerpunkt besteht in der Analyse von Ordnungsstruk- turen der Navigationen von digitalen Programmangeboten und den unterschiedlichen Programmführer-Verfahren des digitalen Fernsehens. Dabei erscheint auffällig, dass die für den Zuschauer bereitgestellten Kategorien der Sendungsauswahl den bisherigen the- matischen Schwerpunkten der Programmplanung entsprechen. „Nahezu alle Elektroni- schen Programmführer bieten eine Basisunterscheidung nach dem Schema ‚Information, Film, Unterhaltung, Sport’. Zusätzlich bilden (in ihrer Relevanz eher zu- als abnehmend) Stars und Medienereignisse (seien es Sportübertragungen, Katastrophen oder politische Auseinandersetzungen) zentrale Ordnungskategorien.“ (Stauff 2005, 231) Darüber hin- aus fungieren, wie etwa im Bereich des Kinospielfilms, auch Stars als zentrale Elemente der Programmwerbung: Bei ARD Digital kann der Zuschauer seine Sendungsauswahl anhand der Mitwirkenden treffen. (Stauff 2005, 232) Generell stellt Stauff fest: „Das Programm lässt sich in den meisten Programmführern nach zeitlichen Kriterien (jetzt – später), nach Senderklassifikationen (Bouquets, Einzelsendern, Free-TV vs. Pay-TV) oder nach thematischen Aspekten (Genre, Themen, Stars) strukturieren.“ (Stauff 2005, 232) Dieses Kategoriensystem entspricht genau den bisherigen Ankündigungsformen der Fernsehprogrammzeitschriften. Aus Sicht von Stauff kennzeichnet die elektroni- schen Programmführer ein „Prozess der (fortlaufenden Neu-)Hierarchisierung von Ka- tegorien, die in einem strategischen Verhältnis zu Elementen des Programms stehen.“ (Stauff 2005, 233) Ein anschauliches Beispiel für diesen Prozess findet sich in seiner Untersuchung leider nicht.

Theorien zum Verhältnis Fernsehen und Gesellschaft Die Diagnose, dass das Fernsehen innerhalb der Gesellschaft eine zentrale Rolle spielt, findet sich nicht nur bei Vertretern der medienwissenschaftlichen Diskurstheorien, sondern auch bei der Mannheimer Kommunikationswissenschaftlerin Angela Kepp- ler. Sie setzt die gesellschaftliche Bedeutung des Fernsehens in einen engen Bezug zu seiner individuellen Wirkung. „Das Fernsehen als ein spezifisches System der Gewin- nung orientierender Erfahrungen und der Erzeugung gesellschaftlichen Wissens und gesellschaftlicher Orientierung leistet einen integralen Beitrag zur Verfassung heutiger Lebenswelten.“ (Keppler 2006, 90) Hier zeigt sich jedoch, dass Kommunikations- und Medienwissenschaftler das Fernsehen in je unterschiedlich gewertete ökonomische und gesellschaftliche Kontexte einfügen. Angela Keppler betont, dass das Fernsehen nicht nur aus der Folge seiner Sendungen bestehe, sondern „zugleich aus den vielfältigen Prak- tiken seiner Produktion und Rezeption und ihrer Verfestigung. (...) In diesem Kreislauf von Institutionen und Praktiken erhalten die Sendungen und Programme überhaupt erst ihren Status als kommunikative Produkte.“ (Keppler 2006, 9) Gingen Vertreter der filmwissenschaftlichen Dispositivtheorie bislang vor allem von der Bedeutung der apparativen Anordnung für die Filmwirkung aus (Paech, Hickethier), so orientiert sich die von Stauff vertretene Version der Dispositivtheorie hingegen am ursprünglichen Konzept Foucaults, der betont, dass sich in den jeweils zu einer be-

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stimmten historischen Epoche vorhandenen Dispositiven gesellschaftliche Machtver- hältnisse niederschlagen. So seien Medien systematisch an der Produktion von Macht- und Wissensformen beteiligt; was darunter konkret zu verstehen ist, wird jedoch nicht erläutert. (Stauff 2006, 121) Stauff konstituiert vielmehr eine Art Machtausübung ohne Machthaber, wenn er schreibt, das Dispositiv sei eine „Verfügungsstruktur von Institu- tionen, Praktiken und Diskursen“ (Laugstien 1995, 57), die Wissensformen, Machtrela- tionen und Subjektivitäten konstituiert und reguliert. Die Mechanismen des Dispositivs (die ‚Institutionen, Praktiken und Diskurse’) gliedern und klassifizieren Räume und Be- wegungen, Bedeutungen und Objekte; dabei erstellen sie Machtbeziehungen zwischen den Elementen, d.h. Beziehungen potenzieller Einwirkungen“. (Stauff 2005, 116) Stauff weist den Medien die Rolle eines „Mechanismus innerhalb von Gesamtdispositiven (die selbst etwas ganz anderes sind als Medien)“ zu (Stauff 2005, 118), doch auch darüber, worin diese Gesamtdispositive genau bestehen, erfährt der Leser nichts. Innerhalb dieser reflexiven Rückkehr zu Foucaults Dispositivmodell kommt es auch zu einer unerwarteten Renaissance von Kernthesen der Frankfurter Schule, etwa wenn Markus Stauff schreibt: „Die Medien sind somit nur ein Teilelement einer umfassende- ren ‚kulturindustrielle(n) Modellierung und Unterwerfung der Subjekte“. (Stauff 2005, 121) Stauff fragt innerhalb dieser kulturindustriellen Modellierung insbesondere nach den „gesellschaftlichen Funktionen und Machteffekten“ (Stauff 2005, 9) der aktuellen Realisierungsformen des Fernsehens. Sowohl neue Medientechniken (DVD Player, Set-Top-Boxen und Festplattenrekorder) als auch Veränderungen der Sender- und Pro- grammstrukturen verändern das Verhältnis der Zuschauer „zu Apparat und Programm des Fernsehens“. (Stauff 2005, 9) Darüber hinaus diagnostiziert Stauff eine Veränderung der „medialen Konstellation (Dispositiv), die mit Macht- und Subjekteffekten verbun- den ist.“ (Stauff 2005, 9)

Diskussion des interaktiven Zuschauerverhaltens Die von Stauff als zentraler Faktor des Neuen Fernsehens beschriebene Interaktivität wird von dem Züricher Medienökonomen Koch-Gombert weit zurückhaltender be- wertet. Er erklärt den Misserfolg des Formats „Mission Germany“ (Pro Sieben), in dem die Zuschauer mit Hinweisen aus Fernsehsendungen und dem Onlineauftritt der Sen- dung Kandidaten durch Deutschland jagten, u.a. mit einer Überforderung der Zuschau- er durch zu viele Interaktivitätsangebote. Aus seiner Sicht war die Interaktivitätsanfor- derung für ein „TV-Format nicht angebracht“ (Koch-Gombert 2005, 346). Doch gerade „Mission Germany“ markiert wie „Big Brother“ die neue Angebotsverteilung zwischen Fernsehen und dem Internet, den neuen „multimedialen Mix aus Fernsehsendungen und Internetauftritt“. (Mikos 2000, 172) Diese Grenzverwischungen unterschiedlicher Medienangebote auf digitaler Basis ist bereits von verschiedener Seite prognostiziert worden. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre formulierte der Medienwissenschaftler Sieg- fried Zielinski seine Vision einer Medienfusion visueller Massenmedien. Axel Zerdick sprach aus medienökonomischer Perspektive vom „evolutionären Prozess des Zusam- menwachsens der ursprünglich weitgehend unabhängig operierenden Industrien Medi- en, Telekommunikation und Informationstechnologie“. (Zerdick 2001, 140)

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Frontlinien Medienwissenschaft und Medienökonomie Die Bedeutung von Fernsehsendungen als Kulturgut bzw. ökonomische Warenform birgt traditionell ein Konfliktpotenzial an einer weiteren wissenschaftlichen Frontlinie, der zwischen Medienwissenschaft und Medienökonomie. Aus ökonomischer Perspek- tive befasst sich Dominik Koch-Gombert in seiner Dissertation mit Fernsehformaten und dem Formatfernsehen. Sie basiert fast zur Hälfte ihres Umfangs auf bisherigen me- dienwissenschaftlichen Forschungsarbeiten zur Fernsehgeschichte, deren Ergebnisse in Abschnitten zur Geschichte verschiedener Sendungsformate zusammengefasst werden. Gleichzeitig bleiben auch in dieser Untersuchung die Grenzen zwischen dem Genre- und dem Formatbegriff unscharf. Koch-Gomberts Dissertation reiht sich ein in vielfältige und bislang dennoch vergebliche Versuche, den wirtschaftlichen Erfolg von Fernsehsendun- gen erklärbar zu machen. Es zeigt sich, dass der Verzicht auf Ergebnisse medienwissen- schaftlicher Studien hinsichtlich des wirkungsorientierten Sendungsaufbaus dazu führt, erfolgreiche Sendungen nur anhand von Einschaltquoten identifizieren zu können und in einem weiteren Abschnitt in einer chronologischen Abfolge die Nachfolgeformate aufzulisten. Die Frage, was nun die besondere Dramaturgie des erfolgreichen Ursprungs ausmacht, welche Spannungsbögen und Emotionalisierungsstrategien Anwendung fin- den, wo die formalen Besonderheiten liegen und wie die jeweiligen Figurenkonstella- tionen Identifikationsangebote aufbauen, bleibt zumindest in dieser Dissertation unbe- antwortet. Gerade eine detailgenaue vergleichende Analyse von Dramaturgien und Ge- staltungsprinzipien könnte über die Differenzen zwischen erfolgreichen Formaten und den erfolglosen Me-Too-Adaptionen Auskunft geben. Bei Koch-Gomberts Vergleich der Daily Soaps macht sich die fehlende Berücksichtigung unterschiedlicher Themen, Figurenkonstellationen und Erzählweisen besonders schmerzlich bemerkbar. Dass Prominente auch erfolglosen Sendungen zumindest phasenweise einen Licht- streifen am Quotenhimmel verschafften, wie es Koch-Gombert mehrfach etwa am Beispiel von Quizsendungen oder Gameshows herausarbeitet, wussten wir bereits aus bisherigen Studien zur Aufmerksamkeitsökonomie. Interessanter hingegen sind die vielen, von Koch-Gombert in die Format-Untersuchung eingestreuten Wirkungshy- pothesen von Wissenschaftlern und Programmverantwortlichen, die sich zu Trenddiag- nosen erweitern lassen. So erklärt Ursula März den Übergang von Talkshows zu den Psycho-Talks und zum Court TV damit, „dass der Wunsch nach Krawall und Ent- hemmung abgelöst wird vom Wunsch nach Anleitung und Führung“. (März 2002, 21) Koch-Gombert verweist auch darauf, wie Programmtrends entstehen, wenn er Tom Sänger, den Bereichsleiter Unterhaltung Show & Daytime von RTL, mit der Äußerung zitiert: „Wir haben Subgenres gebildet und damit einen eigenen Trend gesetzt“. (Koch- Gombert 2005, 336) Aus ökonomischer Perspektive interessant sind die von Koch-Gombert an vielen Stellen integrierten Angaben zu den Produktionskosten und die detaillierten Angaben zu den intendierten und jeweils mit einem Format tatsächlich erreichten Zielgruppen (etwa bei den verschiedenen Daily Soap-Formaten) und zum Angebotsspektrum an Merchandising-Produkten (etwa von GZSZ; Koch-Gombert 2005, 350) oder den be- sonderen Einnahmeformen von Call-In-Sendungen. (Koch-Gombert 2005, 347) Nur vergleichsweise kurz angesprochen wird der interessante Aspekt der Konvergenz etwa zwischen dem Musikfernsehen und den Handy Angeboten (Screenserver, Klingeltöne; Koch-Gombert 2005, 348) oder der sendungsspezifischen Bildung von Online Commu- nities u. a. bei GZSZ (Koch-Gombert 2005, 343), die auch zur Vermarktung von Online- Varianten von Fernsehsendungen genutzt werden. (Koch-Gombert 2005, 342)

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Die Komplexität, in der Sendungen von Koch-Gombert in seiner aktuellen Markt- bewertung der Genres vorgestellt werden, variiert. Mal werden die genauen Daten des Sendungsbeginns genannt, mal nur in etwa die Monate der Erstausstrahlung. Auch in der Auswertung von Formaten etwa im Bereich des Reality TV finden sich Ungenau- igkeiten: So werden z. B. nicht in allen Programmen des Reality TV die Kandidaten „für einen festgelegten Zeitraum 24 Stunden täglich von Kameras überwacht“. (Koch- Gombert 2005, 360) Bei dem Format „Der Frisör“ zählten auch nicht, wie behauptet (Koch-Gombert 2005, 322), nur Prominente zu den Kunden, ein besonderer Reiz der Sendung bestand ja gerade in der Möglichkeit, am Tag Kunde des Salons zu sein und abends seinen eigenen Frisörbesuch am Fernsehbildschirm verfolgen zu können, also Zeuge der eigenen Medienpräsenz zu werden. Eine Reihe von Reality-Formaten, wie etwa die Mischformen aus Reality und Flirtshow – die Reihe „Bachelor/Bachelorette“, „EL Der Millionär“, „Mein unmöglicher Verlobter“ oder das Umerziehungslager für beziehungsunfähige Männer „Kämpf um deine Frau“ – finden keine Berücksichtigung. Trotz fehlender Produktionskenntnis im Einzelfall arbeitet Koch-Gombert die Be- deutung des Faktors Authentizität für den Erfolg von Reality-Formaten heraus. So be- tont er bei den fiktionalen Fällen der Reality Soaps des Court TV immer wieder, dass die gezeigten Fälle „so auch im wirklichen Leben stattfinden könnten“. (Koch-Gombert 2005, 335) Dennoch wird auch deutlich, dass sich die „echten“ Fälle etwa im ersten Jahr der Ausstrahlung von Barbara Salesch als wenig fernsehtauglich erwiesen. Erst die Fik- tionalisierung und Dramaturgisierung erzeugte paradoxerweise die Authentizität, die für den Erfolg der Sendung maßgeblich war. (Koch-Gombert 2005, 332 ff.) Auch in Koch-Gomberts Dissertation werden historische Abschnitte integriert, die den erst seit der Jahrtausendwende gebräuchlichen Begriff des Formatfernsehens in die Vergangenheit ausdehnen. Dabei wäre eine Berücksichtigung der jeweiligen his torischen Senderstrategien innerhalb des jeweils vorhandenen Mediensystems eine wichtige Grundlage für mögliche Analogiebildungen zur heutigen Situation gewesen. Die Formatzuordnungen von Koch-Gombert bleiben an einigen Stellen ebenso unklar wie seine Wortneuschöpfungen etwa in Form seiner Ausführungen zur Platzierung von „Fernsehspielserien“ in den fünfziger Jahren. (Koch-Gombert 2005, 111)

Fazit Ist das Fernsehen tot, wie es jüngst der Spiegel behauptete? Die vorliegenden Untersu- chungen zeigen eher ein Medium im Wandel, wobei auch Konstanten etwa im Bereich der Inhalte erkennbar bleiben. Es finden sich Einschätzungen, daß das analoge und das digitale Fernsehen immer stärker mit dem Internet und dem Handyfernsehen zusam- men wachsen. Schon jetzt gibt es vielfältige Angebote an Sportübertragungen, aber auch Fernsehserien und Comedyreihen für den Handyempfang. Trotz der technischen Ver- änderungen und der inhaltlichen Fusionierungen im Bereich der Crossmedialisierung scheint das Medium Fernsehen auf seine Faszination, die immer gleichen Geschichten in immer neuen Gewändern erzählen zu können, auch künftig nicht verzichten zu wol- len. Für die weitere Entwicklung der Fernsehforschung wünschenswert, ist eine stärkere wechselseitige Anbindung der angebotsorientierten Analysen mit den unterschiedlichen Teilbereichen der Wirkungs- und Nutzungsforschung. Dafür gilt es jedoch auf beiden Seiten, bisherige Grabenkämpfe zugunsten intensivierter Lektüre von Forschungser- gebnissen der „Anderen“, weiterführenden Dialogen und Forschungskooperationen zu beenden.

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Weiß, Hans-Jürgen (1995): Gewalt von Rechts – (k)ein Fernsehthema? Zur Fernsehberichterstat- tung über Rechtsextremismus, Ausländer und Asyl in Deutschland. Opladen. Winkler, Hartmut (1992): Das Ende der Bilder? Das Leitmedium Fernsehen zeigt deutliche Symp- tome der Ermüdung. In: Hickethier, Knut / Schneider, Irmela (Hrsg.): Fernsehtheorien. Doku- mentation der GFF-Tagung 1990. Berlin 1992, S. 228–235. Winkler, Hartmut (1997): Docuverse: Zur Medientheorie der Computer. München. Zerdick, Axel (2001): Die Internet-Ökonomie: Strategien für die digitale Wirtschaft. Berlin u. a.

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MM&K_04.06_06_Bleicher.indd&K_04.06_06_Bleicher.indd 666666 116.11.20066.11.2006 16:04:2616:04:26 UhrUhr Besprechungen Medienpolitik und Medienrecht abgehandelt. Das dritte Kapitel bespricht den strategischen Aspekt des Medienmanagements. Es beginnt Christian Scholz (Hrsg.) mit einem einleitenden Artikel von Thorsten J. Handbuch Medienmanagement Gerpott „Wettbewerbsstrategien – Überblick, Systematik und Perspektiven“ und vertieft das Berlin: Springer, 2006. – 982 S. Thema dann z. B. im Beitrag von Arnold Picot ISBN 3-540-23540-X und Rahild Neuburger in „Strategische Allian- zen – Eine Chance für Medienunternehmen“. Christian Scholz legt mit dem knapp 1.000 Im vierten Kapitel geht es um die prozes- Seiten starken Herausgeberband „Handbuch sorale Gestaltung. So wird z. B. das Personal-, Medienmanagement“ ein umfassendes Werk Führungs- bzw. Projektmanagement in und vor, das eine Vielzahl von Facetten rund um für Medienunternehmen betrachtet. Kapitel 5 das Thema Medienmanagement betrachtet. Die behandelt den Vertrieb und damit die Bezie- insgesamt 38 Aufsätze gliedern sich in sechs hung zu den Kunden. Gabriele Siegert schreibt Kapitel: (1) die Basis, (2) die Facetten, (3) die hier über „Absatzmanagement – Preis-, Pro- Strategie, (4) die Gestaltung, (5) der Vertrieb dukt- und Programmpolitik“ und Bernhard und (6) das Rechnungswesen. Swoboda, Judith Giersch und Thomas Forscht Jedes Kapitel umfasst ein englisches Inter- erläutern im Rahmen des Markenmanagements view mit einem Vertreter des Steering-Kommi- die Markenbildung in der Medienbranche. Der tees der International Media Management monetäre Aspekt wird im sechsten Kapitel be- Association. Als Einstieg dient dem vorliegen- schrieben, in dem die Themen Finanzierung, den Herausgeberband ein Interview mit dem Kosten- und Leistungsrechnung und Control- Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Gunter ling abgehandelt werden. Thielen. Darauf folgen die sechs Kapitel mit Zusammenfassend weist das Buch eine aus- variierender Gewichtung, indem sie zwischen gewiesene Autorenbasis auf. Die Autoren der vier bis neun Beiträge enthalten. Die Beiträge Aufsätze forschen entweder über Medien oder weisen teilweise einen wissenschaftlichen oder arbeiten in der Medienindustrie. einen Management-Schwerpunkt auf. Zu Be- Evaluierend lässt sich anmerken, dass das ginn jedes Aufsatzes erhält der Leser eine Vor- Buch einen sehr guten Überblick über Fragen schau über die Thesen des Aufsatzes. Das Buch des Medienmanagements liefert. Es ist sehr schließt im Ausblick mit einem Interview mit breit aufgestellt, so dass viele Leser aus den Fritz Pleitgen. unterschiedlichsten Bereichen von dem Buch Der Herausgeber erklärt im Vorwort, dass es profitieren können. Aus diesem Grunde liefert um den betriebswirtschaftlichen Gestaltungs- das Handbuch auch, was es verspricht – es ist und Verwertungsprozess geht. So stehen die ein Buch, das sich an alle richtet, die sich mit Fragestellungen des Managements von Me- Medienunternehmen und Medienprodukten dienunternehmen beziehungsweise von Medi- befassen. Dieser Anspruch führt letztlich auch en im Mittelpunkt. Es stehen aber auch nicht dazu, dass vieles nicht tiefgehend betrachtet unmittelbar der Betriebswirtschaftslehre zure- werden kann, sondern nur zusammenfassend chenbare Aspekte (z. B. die Mediensoziologie) dargestellt wird. Wie jeder Herausgeberband im Fokus, so dass in dem Herausgeberband ist die Qualität der einzelnen Aufsätze hetero- eine sehr breite Prozessdefinition zugrunde gen über die Autoren verteilt. So manches Mal gelegt wird. hätte sich der Leser eine stärkere Einarbeitung Im ersten Kapitel, „die Basis“, beginnt der und Aufbereitung der empirischen Literatur Herausgeber, Christian Scholz, mit dem Beitrag gewünscht, die in vielen Beiträgen nicht einbe- „Medienmanagement – Herausforderungen, zogen wird. Notwendigkeit und ein Bezugsrahmen“. Er legt Insgesamt kann das „Handbuch für Me- damit den Grundstein und gibt eine Einfüh- dienmanagement“ überzeugen. Es beinhaltet rung in die Thematik. Er erklärt die einzelnen viele Informationen und Quellen, die für eine Mediendisziplinen und beschreibt die Medien- breite Leserbasis gut aufbereitet sind. Zudem wirkungen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich lässt es sich gut lesen und eignet sich auch für mit den verschiedenen Mediendisziplinen. Hier den Einsatz in der wissenschaftlichen Lehre. werden u. a. die Themen Medienpsychologie, Insofern kann dem Herausgeberband eine sehr

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gute Positionierung im Markt attestiert werden zunächst die Situation der türkischstämmigen und ich bin überzeugt, dass das „Handbuch für Jugendlichen im Hamburger Stadtteil Duls- Medienmanagement“ viele Leser finden wird. berg, aus denen sie ihre Untersuchungsgruppen Diese Erstausgabe hat das Potenzial, zum Stan- akquiriert hat, und kommt dabei zu dem Er- dardwerk zu reifen. gebnis, dass es unter diesen besser und weniger Michel Clement gut integrierte Mädchen und Jungen gibt. Dies führt sie auf eine „Kette von Faktoren zurück […], die sich von der eigenen sozialen und kul- Emine Uçar-İlbuğa turellen Ausgangsposition der Jugendlichen Fernsehkonsum von türkischen Jugendli- über die Bedingungen des Erziehungssystems chen bis hin zur Arbeitswelt erstrecken.“ (S. 48) An- hand verschiedener Untersuchungen setzt sie Eine empirische Untersuchung im Hamburger sich anschließend mit dem Freizeitverhalten Stadtteil Dulsberg von Jugendlichen türkischer Herkunft ausein- Frankfurt am Main: Lang, 2005. – 277 S. ander. Dabei stellt sie fest, dass das Fernsehen (Beiträge zur Literatur- und Mediendidaktik; offensichtlich einen hohen Stellenwert im Rah- 10) men der Freizeittätigkeiten der Jugendlichen ISBN 3-631-54472-3 hat. Es gehört zum Alltag und stellt hier eine „normale Aktivität“ dar. Daraus folgert sie, (zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2005) dass es seine Rolle als Leitmedium verloren Wenn es um Migration und Medien ging, stand hat. Dieser Schluss ist allerdings nicht ganz lange Zeit vor allem die Frage im Zentrum, wie nachvollziehbar, da die Charakterisierung des Menschen mit Migrationshintergrund in den Fernsehens als ‚Leitmedium’ nichts damit zu Medien dargestellt werden. Erst in den letzten tun hat, ob dieses zum Alltag gehört oder et- Jahren wurde in vereinzelten Studien die Me- was Besonderes darstellt. Ein weiteres Ergebnis diennutzung von Migrantinnen und Migranten ihrer Recherchen ist, dass türkische bzw. tür- untersucht. Obwohl die Bedeutung von Medi- kischsprachige Angebote eine wichtige Rolle en in der Zeit des Heranwachsens unbestritten für Jugendliche mit türkischsprachigem Mi- und auch recht gut untersucht ist, liegen kaum grationshintergrund spielen, auch wenn sie bei Erkenntnisse zum Medienumgang von Kin- der Nutzung von Radio, PC und Internet die dern und Jugendlichen mit Migrationshinter- deutsche Sprache bevorzugen. grund vor. In verschiedenen Untersuchungen Im darauf folgenden Kapitel geht Emine zur Mediennutzung oder auch zur Medienan- Uçar-İlbuğa darauf ein, welche Fernsehkanäle eignung von Kindern und Jugendlichen gibt es in türkischer Sprache in Deutschland empfan- Hinweise darauf, dass es hierbei Unterschiede gen werden können, und weist darauf hin, wel- zwischen Heranwachsenden mit und ohne Mi- che Besonderheiten die einzelnen Kanäle auf- grationshintergrund gibt. weisen und welche Ausrichtung sie haben. Sie Emine Uçar-İlbuğa, die selbst türkischer stellt fest: „Die in Deutschland empfangbaren Herkunft ist, hat sich dieses Themas ange- Programme aus der Türkei lassen sich in drei nommen und im Rahmen ihrer Dissertation Gruppen einteilen, in staatliche, kommerzielle den Fernsehkonsum von 13- bis 17-jährigen und in religiös orientierte.“ (S. 72) Anschlie- Jugendlichen mit türkischem Migrationshin- ßend beschreibt sie die geschichtliche Entwick- tergrund untersucht. Mit ihrer Untersuchung lung der Fernsehlandschaft in Deutschland so- wollte sie einen „Beitrag zur Beantwortung der wie die Strukturen der öffentlich-rechtlichen Frage [leisten], welche Rolle das Fernsehen in vs. der privaten Anbieter. Erschließt sich einem der Familie und – in Ergänzung oder im Ge- schon hier der Sinn nicht ganz, fragt man sich gensatz dazu – im Freundeskreis von Jugend- erst recht nach der Begründung für den nächs- lichen türkischer Herkunft spielt“ (S. 16). Zur ten Abschnitt: In diesem charakterisiert sie die Beantwortung dieser Frage hat Uçar-İlbuğa bevorzugten Sender ihrer Untersuchungsgrup- eine empirische Studie durchgeführt und dabei pe, zu denen die öffentlich-rechtlichen Anbie- qualitative sowie quantitative Erhebungsme- ter gehören, die großen privaten Sender sowie thoden eingesetzt. die Musikkanäle VIVA und MTV. Dabei geht Nach einem kurzen Überblick über die sie im Wesentlichen darauf ein, seit wann der Einwanderung aus der Türkei beschreibt sie jeweilige Sender existiert, ob er ein Vollpro-

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gramm ausstrahlt oder nicht und wie hoch der oder wenn Gäste kommen. Des Weiteren stellt prozentuale Anteil an Werbung ist. Für die Un- sie fest, dass die Jugendlichen sich hinsichtlich tersuchung relevante Aspekte (z. B. zielgrup- des Fernsehprogramms beim gemeinsamen penaffine Programmangebote) thematisiert sie Fernsehen in der Familie – das einen hohen nicht. In einem Zwischenfazit stellt sie dann Stellenwert hat – dem Geschmack der Eltern einen Vergleich zwischen der türkischen und unterordnen und häufig türkischsprachige Sen- der deutschen Fernsehlandschaft an. Dieser dungen sehen. Es ist aber auch ein Ergebnis der hätte insgesamt für die Zwecke der Untersu- qualitativen Studie, dass das eigenständige In- chung genügt. teresse der Jugendlichen an türkischsprachigen Nach der Einordnung der Zielgruppe und Sendungen groß ist. dem Überblick über die Fernsehangebote, die Leider hat Uçar-İlbuğa die Ergebnisse ihrer für die Jugendlichen von potenzieller Relevanz qualitativen Erhebung nicht mithilfe qualita- sind, stellt Uçar-İlbuğa die Ergebnisse ihrer em- tiver Methoden ausgewertet und nur an we- pirischen Untersuchung dar. Dabei geht sie zu- nigen Stellen Interpretationen vorgenommen. erst auf den qualitativen Teil ein. Dafür hat sie In einer der seltenen Interpretationen stellt sie 23 Jugendliche mit dem Ziel interviewt, Infor- fest, dass „sich die Jugendlichen in dieser Un- mationen über ihren Fernsehkonsum zu erhal- tersuchung fast überhaupt nicht für das Lesen ten sowie „über die Bedeutung des Fernsehens (von Fernsehzeitschriften S. E.) [interessieren]. als Freizeitaktivität für Familie und Jugendkul- Damit zählen sie zu den passiven Zuschauern.“ tur“ (S. 89). Mit der Begründung der Hetero- Eine Schlussfolgerung, die so nicht haltbar ist. genität der türkischstämmigen Population, die Im quantitativen Teil der Untersuchung mit sich nach ethnisch-kultureller Herkunft unter- 76 Mädchen und Jungen (nur Jugendliche, die scheiden und aus unterschiedlichen sozialen nicht an der qualitativen Erhebung teilgenom- Verhältnissen stammen, hat sie Jugendliche an men hatten), der im Anschluss dargestellt wird, drei verschiedenen Orten interviewt: zu Hause werden die Ergebnisse des qualitativen Teils (neun Jugendliche), in einem Jugendhaus (elf weitgehend bestätigt. Aber auch einige Mängel Jugendliche) und in einer Moschee (drei Ju- wiederholen sich hier. So geht Uçar-İlbuğa sehr gendliche). Zwar stellt sie fest, dass das „häusli- genau darauf ein, welchen Hintergrund die Be- che und soziale Umfeld […] eine wichtige Rolle fragten im Hinblick auf die familiäre Situation, bei der Formung der Jugendlichen [spielt] und auf ihre Herkunftsgebiete usw. haben, sie greift dabei, wie sie eine eigene Identität erwerben.“ diese Daten bei der Darstellung der Ergebnis- In diesem Zusammenhang weist sie auch dar- se aber nicht auf, womit sie nutzlos werden. auf hin, dass es denkbar sei, „dass Traditionen, Darüber hinaus werden teilweise Erklärungen Sitten und kulturelle Strukturen“ auch einen geliefert, für die es keine Belege gibt. Beispiels- Einfluss auf das Freizeitverhalten und den da- weise wurden die Jugendlichen danach gefragt, mit zusammenhängenden Fernsehkonsum der ob sie abends im Bett fernsehen, nach Gründen Jugendlichen haben. (vgl. S. 93 f.) Bei der Dar- dafür wurden sie jedoch nicht gefragt. Es wird stellung ihrer Ergebnisse legt sie Wert darauf aber erklärt, „dass die meisten Jugendlichen (40 zu differenzieren, wie sich die Jugendlichen an Prozent) nur unregelmäßig und unter bestimm- den drei unterschiedlichen Erhebungsorten ge- ten Umständen vom Bett aus fernsehen, etwa, äußert haben. Bedauerlicherweise geht sie aber wenn sie nicht schlafen können, in den Ferien nicht darauf ein, wofür diese drei Erhebungs- oder an besonderen Tagen, wenn bestimmte orte stehen bzw. welche Besonderheiten oder Sendungen gezeigt werden. Dies lässt sich so Eigenschaften sie mit den dort interviewten Ju- erklären, dass es hier weniger um eine feste gendlichen verbindet. Die Interpretation bleibt Gewohnheit geht, sondern vielmehr abhängig der Leserin bzw. dem Leser überlassen, und da- ist von den häuslichen Bedingungen und dem mit verliert auch die differenzierte Darstellung Interesse der Jugendlichen an bestimmten Sen- ein Stück weit ihren Sinn. dungen.“ (S. 175) Weder die Erklärung, dass die Insgesamt erhält Uçar-İlbuğa in ihrer quali- Jugendlichen vom Bett aus fernsehen, wenn sie tativen Untersuchung Ergebnisse, die Spuren nicht schlafen können oder dass sie dies nur in aus anderen Studien bestätigen. So geben 15 den Ferien oder an besonderen Tagen machen, von 23 Jugendlichen an, dass der Fernsehappa- ist belegt, noch dass nächtliches Fernsehen von rat bei ihnen zu Hause den ganzen Tag laufe häuslichen Bedingungen oder dem Interesse an und auch nicht zum Essen ausgeschaltet werde bestimmten Angeboten abhängig ist.

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Der gesamte Ergebnisteil enthält sehr viele se präsentiert, die für die Medienforschung und Tabellen und Diagramme, die zu einem gro- Medienpädagogik sehr bedeutsam sind und ßen Teil entweder unnötig sind oder eher zur zur Revision mancher kursierender Annahmen Verwirrung als zur Klärung bestimmter Fragen über Kinder im Internet Anlass geben. beitragen. Ein besonderes Augenmerk wurde in der Kurz und gut: Emine Uçar-İlbuğa greift eine Studie auf die Frage gelegt, wie sich die reale wichtige und interessante Frage auf, und wer Internetaneignung der Kinder zu den teilweise sich mit dem Thema ‚Migration und Medien‘ hochgesteckten bildungsbürgerlichen Erwar- im Hinblick auf Heranwachsende beschäftigt, tungen zum Informations- und Bildungswert findet in ihrer Untersuchung interessante und des Internets für Kinder verhält. Entwickelt nützliche Hinweise und Ergebnisse. Allerdings die nachwachsende Generation, wenn ihr Zu- bleiben diese weitgehend auf einer deskripti- gang zum Internet gesichert ist, im Rahmen in- ven Ebene, und man stößt immer wieder auf formeller und selbstgesteuerter Lernprozesse Ungereimtheiten, die teilweise auch mit un- jene Computer- und Internetkompetenz (bzw. glücklichen Formulierungen zusammenhän- digitale Kompetenz), die für das lebenslange gen. Hier hätte man der Autorin wie auch ihren Lernen in der Wissensgesellschaft erforderlich Leserinnen und Lesern ein kritisches Lektorat wird? Die Antwort auf diese Frage, das sei gewünscht. vorweg genommen, fällt im Anschluss an diese Susanne Eggert Studie insgesamt eher skeptisch aus, jedenfalls für die Altersgruppe der Kinder. Zu deutlich werden die Grenzen der kindlichen Internet- Christine Feil/Regina Decker/Christoph kompetenz auf der einen und die Grenzen der Gieger Kindgemäßheit der bisherigen Internetangebo- Wie entdecken Kinder das Internet? te für Kinder auf der anderen Seite. Der eigenen empirischen Studie hat das Au- Beobachtungen bei 5- bis 12-jährigen Kindern torenteam eine umfassende Bestandsaufnahme Wiesbaden: VS, 2004. – 254 S. zu vorliegenden quantitativen Daten zur In- ISBN 3-8100-4227-7 ternetnutzung von Kindern sowie zu neueren Entwicklungstendenzen im deutschen Kinder- Der vorliegende Band berichtet über ein For- netz vorangestellt. Ihr widmet sich das gesamte schungsprojekt, das am Deutschen Jugendins- erste Kapitel mit seinen immerhin rund 65 Sei- titut (DJI) zwischen 2001 und 2003 durchge- ten. Die Ausführungen sind sorgfältig recher- führt und vom Bundesministerium für Bildung chiert, zeugen von einer guten Kenntnis der und Forschung gefördert wurde. Ziel der Stu- Entwicklungen wie Probleme im Bereich der die war es, zur Bearbeitung der im Titel be- Internetangebote speziell für Kinder und sind zeichneten Forschungslücke beizutragen und daher informativ und lesenswert. Da sich an empirisch unterfütterte Aussagen zum konkre- dieser Stelle bereits Besonderheiten des im In- ten Internethandeln 5- bis 12-jähriger Kinder ternet anzutreffenden Anforderungsprofils ab- vorzulegen. Sieht man einmal von einzelnen zeichnen, endet das Kapitel mit (berechtigten) aus diesem Projekt selbst hervor gegangenen kritischen Anfragen an medienübergreifende Aufsätzen ab, die vor dem Buch publiziert Kompetenzbegriffe und dem Aufzeigen einiger wurden,1 dann lagen bis zum Erscheinen des internetspezifischer Kompetenzanforderun- Bandes zwar quantitative Daten über die Zu- gen. Im zweiten Kapitel werden alle relevanten gangsmöglichkeiten von Kindern zum Internet Informationen über die explorativ angelegte sowie über Nutzungshäufigkeiten vor, aber in Untersuchung präsentiert. Eingesetzt hat das der Tat keine Informationen darüber, „wie 5- Team unterschiedliche qualitative Methoden, bis 12-jährige Kinder mit dem Internet umge- die hier (und im Anhang) näher erläutert und hen, welche Nutzungsroutinen, Nutzungsstile dokumentiert werden. Im Zentrum stand eine und Präferenzen sie entwickeln und welche technikgestützte teilnehmende Beobachtung Bedeutung das Internet für sie im Alltag hat“ von insgesamt 18 Kindern, die mit Hilfe eigens (S. 75). Insofern werden hier neue Erkenntnis- dafür bereit gestellter Laptops (in den Räumen des DJI bzw. in Münchener Kindertagesstät- 1 Siehe z. B. Regina Decker/Christine Feil (2003): ten) im Internet „unterwegs“ waren. Ergänzt Grenzen der Internetnutzung bei Kindern. In: wurden die drei Beobachtungsphasen durch merz, 47. Jg., Nr. 5, S. 14–27. 670

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themenzentrierte Kurzgespräche mit den Kin- ternetinteressen, die Lesefertigkeiten und ein dern, durch einen Test zur Ermittlung der Text- unterschiedliches Selbstwertgefühl angeführt. und Bildorientierung der Kinder sowie durch Hier wird deutlich, wie groß die Unterschiede problemzentrierte Leitfadeninterviews mit El- innerhalb der beobachteten Altersgruppe (fünf tern und Erzieherinnen. Die Beobachtungsauf- bis zwölf Jahre) sind und wie zurückhaltend zeichnungen wurden mit Hilfe einer Sequenz- allgemeine Aussagen über den Internetumgang analyse in analysierbare Segmente (d. h. inter- und die Internetkompetenz der Kinder zu for- netspezifische Handlungsabschnitte) geglie- mulieren sind. Mindestens eine übergreifende dert und dann in Form von bewusst deskriptiv Aussage durchzieht allerdings den vorliegen- gehaltenen Ablaufprotokollen verschriftlicht. de Forschungsbericht: Bei den Kindern wa- Das mehrstufig und mehrperspektivisch ange- ren während ihrer Internetbesuche vielfältige legte Untersuchungsdesign erscheint schlüssig, Schwierigkeiten zu beobachten, die teilweise die gewählten Verfahren zur Datenerhebung auf Fehler und Schwächen in der Program- und -auswertung sind vor dem Hintergrund mierung oder im Webdesign zurückzuführen der explorativen Fragestellung durchaus nach- waren, oft aber auch mit den mangelnden In- vollziehbar und angemessen. Für Forscher/in- terneterfahrungen der Kinder zu tun hatten nen, die selbst über die Durchführung technik- (S. 145 ff.). Hierfür finden sich in der ausführ- gestützter Beobachtungen nachdenken, bieten lichen Darstellung der Beobachtungsergebnis- die diesbezüglichen Erfahrungsberichte im se (5.) vielfältige Belege und Beispiele. Echte Anhang auch wertvolle forschungspraktische Internet-Spezialisten waren an der Untersu- Hinweise. chung nicht beteiligt, vielmehr fielen bei allen In den folgenden Kapiteln werden zunächst beobachteten Kindern „Internetnutzung und die Ergebnisse der Eltern- und Erzieherinnen- informell-entdeckendes Lernen“ zusammen. befragung (3.) und dann die Beobachtungser- (S. 205). Immer wieder stießen dabei auch die gebnisse (4. und 5.) präsentiert. In Bezug auf vom Internet begeisterten Kinder auf Grenzen die interviewten Eltern und Erzieherinnen fällt der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auf, dass aus ihrer Sicht das Internet noch nicht sie zum Anlass nahmen, die anwesenden er- zum festen Bestandteil der kindlichen Medien- wachsenen Beobachter um Rat zu fragen.2 kultur geworden ist und sie insofern eher von Aus den weiteren Ergebnissen, die hier nicht Anfängerschwierigkeiten als von besonde- im Einzelnen referiert werden sollen, sei noch rer Internetkompetenz der Kinder berichten. herausgegriffen die deutliche Unterhaltungs- Gleichzeitig konnten Feil, Decker und Gieger orientierung des Internetumgangs der Kinder bei den Erwachsenen – wohl nicht zuletzt auf- mit dem Schwerpunkt Spiel. Das bedeutet grund der noch geringen Nutzungshäufigkeit nicht, dass sie in diesem Kontext nichts lernen, und Nutzungsintensität der Kinder – auch denn in den Spielen sind z. B. Konzentration, keine bewahrpädagogischen Sichtweisen fest- Merkfähigkeit und Frustrationstoleranz gefor- stellen. Den Eltern wird sogar eine tendenziell dert, aber es heißt doch, dass die Kinder sich naive Sorglosigkeit bescheinigt: „Nicht nur vor dem Internet nicht in jenem Sinne und mit dem Hintergrund der öffentlich diskutierten jenen Effekten nähern, wie Erwachsene das Gefahren des Internets für Kinder mutet die vielleicht erwarten oder erhoffen. Ähnlich wie Geringschätzung von Schutzmaßnahmen in schon die Studie von Hans Rudolf Leu vor gut den Familien dann doch erstaunlich an, son- 15 Jahren3 die überzogenen Erwartungen man- dern auch in Anbetracht der Tatsache, dass die cher Bildungspolitiker, Medienpädagogen und Eltern über die Internetnutzung ihrer Kinder und deren inhaltliche Präferenzen relativ wenig 2 In dem Zusammenhang ist die Aussage auf- wussten“ (S. 130). schlussreich, dass viele Eltern und Kinder sich Die Art und Weise, wie sich die Kinder dem auch von anders lautenden Erklärungen des For- Internet während der Beobachtungen näherten schungsteams offenbar nicht davon abbringen lie- ßen, das Forschungsprojekt als eine Art Internet- und welche Interessen und Kompetenzen da- kurs für Kinder zu betrachten. Scheinbar besteht bei sichtbar wurden, bildet die Grundlage für für den Internetumgang ein Bedarf an Einführung die typisierende Beschreibung der Kinder im und Beratung. 3 Siehe Hans Rudolf Leu (1991): Kinder am Compu- 4. Kapitel. Als trennende Merkmale werden ter: Lernhilfe oder Spielzeug? In: Diskurs 1/1991, insbesondere instrumentell-technische Kom- S. 68–73, und Hans Rudolf Leu (1993): Wie Kinder petenzen, altersspezifisch unterschiedliche In- mit Computern umgehen. Studie zur Entzaube- rung einer neuen Technologie. München: DJI. 671

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anderer Erwachsener relativierte, die sich vom Gleichaltrigen in den Umgang eingeführt wird, kindlichen Umgang mit Computerspielen eine scheint es bisher im Bereich des Internets (noch) beiläufige Entwicklung und Förderung von nicht zu geben, was noch mal eine andere bzw. „Computerkompetenz“ versprachen, so relati- zusätzliche Erklärung für die noch wenig aus- viert die nun vorliegende Studie analoge Erwar- geprägten Internetkompetenzen sein könnte. tungen in Bezug auf die informelle Entwick- Das Autorenteam formuliert auch klare und lung und Förderung von „Internetkompetenz“ berechtigte Anforderungen in Richtung der allein durch den individuellen, freizeitorien- Anbieter und Designer von Webseiten, die sich tierten Internetumgang von Kindern. Daraus bisher – auch bei Kinderseiten – zu sehr an ju- ist aber nicht zu folgern, der im Medienalltag gendlichen und erwachsenen Nutzerinnen und der Kinder vorherrschende Computer- bzw. Nutzern orientieren, etwa auf der Ebene der Internetumgang mit seiner dominanten Spiel- Sprache (viele Anglizismen), der Navigation und Unterhaltungsorientierung sei minder- (unübersichtliche CMS-Lösungen) oder der wertig oder für die Kinder weniger bedeutsam. Datenabfrage (oft überflüssig). Die untersuch- Die kulturellen Präferenzen und Interessen ten Kinder sind noch nicht soweit, dass sie das gilt es vielmehr zu respektieren, auch wenn sie Internet explorieren, und sie spielen auch noch eng mit der – auch im Internet dominierenden nicht mit ihrer Identität, sondern sie suchen in – kommerziellen Kinderkultur verwoben sind erster Linie nach Bekanntem, an dem sie auch und den bildungsbürgerlichen Vorstellungen festhalten. Auf diese und andere Besonderhei- eines sinnvollen Internetumgangs zu wider- ten des Internetumgangs von Kindern nach- sprechen scheinen. drücklich aufmerksam zu machen und daraus In diesem Sinne argumentieren auch Feil, pädagogische Folgerungen wie auch Hinweise Decker und Gieger in ihren abschließenden für das Webdesign abgeleitet zu haben, ist aus Überlegungen zu pädagogischen Konsequen- meiner Sicht ein wesentliches Verdienst dieses zen (6.). Sie betonen gleichzeitig, dass Kinder Buches, dem daher eine entsprechend breite mit dem Internet nicht allein gelassen werden Rezeption zu wünschen ist. sollen (und wollen!), sondern Hilfen und Bera- Johannes Fromme tung bei der Bewältigung der vielfältigen Wid- rigkeiten benötigen, die die Aneignung dieses Tim Bergfelder interaktiven Netzwerks mit sich bringt. Erfor- derlich sei vor allem ein technisches Basiswis- International Adventures sen, das allein durch Ausprobieren nicht erwor- German Popular Cinema and European Co- ben werden könne. Aber auch die Entwicklung Productions in the 1960s eines kritischen Verhältnisses zu den Anbietern (etwa von Werbebotschaften) sei von den Kin- New York / Oxford: Berghahn, 2005. – 277 S. dern nicht zu erwarten. Diese Kompetenzen ISBN 1-57181-538-4 gelte es im Rahmen pädagogisch-erzieherischer Ansätze zu entwickeln und zu stärken. Es gibt Forschungsprojekte, die ziehen sich Dem will ich keineswegs widersprechen. über Jahrzehnte hin, stürzen ihre AutorInnen Gleichwohl möchte ich auf einen Aspekt hin- abwechselnd in euphorische Rauschzustände weisen, dem die Autoren/innen m. E. zu wenig und abgrundtiefe Verzweiflung und werden Beachtung schenken. In dem vorliegenden Band dann doch noch „endlich gut“, zumeist dank wird mehrfach betont, die Kinder könnten sich des Einsehens eines großzügigen Universitäts- das Internet im Unterschied zu Computerspie- institutes, das der oder dem vom Schicksal arg len nicht intuitiv im Umgang selbst erschließen. gebeutelten Forschenden ein Sabbatical-Semes- Hier wird vielleicht zu sehr von einer individu- ter zur Fertigstellung des Buchmanuskripts ellen Aneignung der Computerspiele ausgegan- zugesteht. gen. Dem gegenüber legen empirische Studien Das scheint jedenfalls die Geschichte zu sein, eine starke Einbettung des informellen Lernens die sich zwischen den Zeilen von Tim Bergfel- in die Kultur der Gleichaltrigen nahe.4 Eine ver- ders reich befrachtetem Forschungsbericht gleichbare Kinderkultur, in der man von den „International Adventures“ herauslesen lässt. Der Autor dieser erfrischend alternativen, zwi- 4 Siehe z. B. Johannes Fromme, Norbert Meder, schen den Karl-May-Western mit Pierre Brice Nikolaus Vollmer: Computerspiele in der Kin- und den Frau Wirtin ...-Sexfilmen von Franz derkultur. Opladen: Leske + Budrich 2000. 672

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Antel angesiedelten deutschen Filmgeschichte 60er Jahre handelt, sondern vielmehr um eine ist der Leiter des Departements für Filmwis- (filmökonomische und filmkulturelle) Probe- senschaft der britischen Universität Southamp- bohrung anhand einiger Filmanthologien, be- ton – und dieses Institut gewährte offenbar eindruckt der breite Forschungsansatz, der das auch die dringend notwendige Auszeit, damit produktionstechnische und finanzielle Umfeld ein Schlussstrich unter dieses filmökonomisch ebenso berücksichtigt wie die Filmästhetik, da- wie filmkulturell verdienstvolle Sisyphus-Pro- bei aber auch populäre Sekundärtexte wie etwa jekt gezogen werden konnte. die Jugendzeitschrift „Bravo“ (als Marketing- Es findet zurzeit ein eigentlicher „popular Instrument der Winnetou-Filme) beleuchtet. turn“ in den Film- und Medienwissenschaften Schlaglichter fallen auf führende Gestalten statt, der interessante Daten und Fakten ent- der damaligen Filmindustrie (wie etwa Arthur hüllt und durchaus interessante neue Lesarten Brauner oder Franz Antel, aber auch die nahe- von, bis dahin geflissentlich übersehenen, kul- zu in Vergessenheit geratene Verleiherin und turellen B-Produkten generiert. Diese Wende Heimatfilm-Tycoonin Ilse Kubaschewski). ist mindestens drei historischen Faktoren zu Die Strategien der Branche – und vor allem de- verdanken: Zum einen gibt es immer mehr ren im Nachhinein erstaunlich internationale film- und medienwissenschaftliche Institute Ausrichtung – finden ebenso gründliche Be- und damit auch Studierende, die einschlägige achtung wie die eigentlichen Straßenfeger der Forschungsthemen bearbeiten möchten, aber Epoche, vor allem die von Horst Wendlandt auch müssen. Zum zweiten haben diese Insti- für Rialto produzierten westdeutschen Edgar- tute nicht mehr unbedingt den Anspruch, in Wallace-Filme (im Kapitel „Imagining Eng- einem von Hochkulturthemen dominierten land“) und die im ehemaligen Jugoslawien mit geisteswissenschaftlichen Umfeld Anerken- durchwegs internationaler Besetzung realisier- nung und Legitimation zu finden. Mitverant- ten und auch international vertriebenen Karl- wortlich für den Boom sind aber mit Sicher- May-Verfilmungen (im Kapitel „From Soho heit auch die digitalen Speichertechniken: Auf to Silver lake“). Tim Bergfelder spricht diese DVD werden ja mittlerweile nicht nur David – bis heute äußerst beliebten und auch noch Lynchs und Fassbinders cineastische Meister- in der Karikatur à la „Der Schuh des Manitu“ werke gebrannt, sondern – mit genau derselben bemerkenswert erfolgreichen Produktionen herausgeberischen Sorgfalt – auch das (ameri- – von dem lange gehegten Ideologieverdacht kanische) Raumschiff Enterprise in sämtlichen frei, eigentliche kolonialistische Machwerke televisionären Varianten, die (bundesdeut- zu sein oder gar einer verkappten postnazisti- schen) Fernseh-Abenteuer der Raumpatrouil- schen Autoritätsgläubigkeit zu huldigen. Das le Orion, die Akte X und halt eben auch die England der Wallace-Filme sei ebenso wie die Karl-May-Verfilmungen mit der ins kollektive weiten Prärien bzw. Steppen eines im Südosten Gedächtnis der Bundesrepublik Deutschland Europas rekonstruierten „German Wild West“ eingebrannten Filmmusik von Martin Boett- als imaginierte Landschaft ohne Realitätsan- cher. Was wiederum dazu führt, dass den spruch zu sehen – wobei die Schauplätze jedoch schillernden Protagonisten der einschlägigen, durchaus im Hinblick auf touristische Interes- und ökonomisch zumeist erfolgträchtigen, sen vermarket worden seien ... aber eben als industriellen Genreproduktionen mittlerweile jugoslawische Schauplätze und nicht etwa als reputable Filmreihen in den städtischen Ki- Schau-Plätze eines mehr oder weniger wilden nosälen gewidmet sind, die ihrerseits die lange Westens (der USA). schon im Untergrund aktiven Kultgemeinden Dem Untertitel der Untersuchung entspre- auf den Plan rufen. Endlich, wird dazu manch chend („German Popular Cinema and Euro- eine(r) seufzen, der oder die schon vor Jahren pean Co-Productions in the 1960s“) nehmen mit entsprechenden Forschungswünschen bzw. Fragen der Produktion und der übernationalen -desideraten vor geschlossenen institutionellen Distribution großen Raum ein. In den entspre- Türen stand. chenden beiden Wirtschaftswunder-Kapiteln Zu dem in englischer Sprache abgefassten („From Rubble to Prosperity“ und „From Buch von Tim Bergfelder: Auch wenn es sich National to European Cinema“) sind denn hierbei nicht um eine wirklich systematische, auch die wirklich spannenden Erkenntnisse dabei homogene und schlüssige Analyse der Bergfelders zu finden, die ältere blinde Flek- populären deutschen Filmproduktion der ken der Filmgeschichtsschreibung nicht allein

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mit zuweilen ätzender Ironie, sondern auch Thilo Büsching (Hrsg.) mit Sachkenntnis und vor allem unter Beizug Mediengeschäftsmodelle der Zukunft von konkretem Zahlenmaterial aufhellen. Auf der anderen Seite finden auch die Anhänger Baden-Baden: Nomos, 2005. – 251 S. der diversen hier ausgebreiteten Genres einer (Schriften zur Medienwirtschaft und zum breiten B-Film Produktion, die durchwegs Medienmanagement; 14) „Beyond Respectability“ angesiedelt war, um- ISBN 3-8329-1550-8 fangreiches Lesefutter. Wer hat sich denn zuvor je Gedanken gemacht zu den psychedelischen Der vorliegende Sammelband weckt Erwartun- Soundtracks der „Hexer“-Filme, Eddi Arents gen, setzt er sich doch zum Ziel, Medienmana- Charakterdarstellung als „eccentric mass cul- gern, Lehrenden, Lernenden und Medieninter- tural flânerie“ apostrophiert oder darüber essierten gleichermaßen gerecht zu werden und nachgedacht, wie bizarr eine wirklich vorla- ihnen Erfolgsfaktoren für Mediengeschäftmo- gengetreue Winnetou-Verfilmung auch hätte delle der Zukunft zu vermitteln. aussehen können: „It is unlikely, however, Zu diesem Zweck versammelt Prof. Dr. Thi- that mainstream cinema audiences in the early lo Büsching als Herausgeber 14 Beiträge aus 1960s, and particularly those outside Germany, den verschiedenen Mediengebieten: Das Spek- would have warmed to the on-screen spectacle trum führt vom klassischen Zeitungsmarkt of Indian tribesmen with beehive hairdos sing- über TV-Zeitschriften zum Fernsehmarkt, der ing German carols under a Christmas tree.“ mit insgesamt sechs Beiträgen am stärksten Insgesamt zeichnet sich Bergfelders Studie vertreten ist. Vervollständigt wird das Werk durch ihre liebevolle, mit innovativer Energie durch zwei Beiträge aus dem Onlinebereich, betriebene Spurensuche aus, die in einen be- Überlegungen zum Event als Medienplattform, eindruckenden Reichtum an Materialien und dem politisch brisanten Gebiet der Sportwet- berücksichtigten Lesarten mündet und nicht ten und einer Skizze eines Totalmodells der zuletzt in einem verdienstvollen Anhang von Erfolgsfaktoren von Mediengeschäftsmodellen Produktionsdaten zu den vom Autor analy- der Zukunft. Verfasst wurden die Beiträge so- sierten Filmreihen. Angesichts der Tatsache, wohl von Praktikern als auch von Hochschul- dass es sich um „case studies“ einschlägiger professoren. Genreproduktionen handelt, fällt einzig das Im ersten Beitrag beschreibt Peter Krones Fazit etwas gar vollmundig aus. Ob die von den Weg der MainPost von einem lokalen Ta- Arthur Brauner zur Rückkehr aus Hollywood geszeitungsverlag zur regionalen Mediengrup- ermutigten Remigranten, die nach dem Krieg pe. Als Erfolgsfaktoren dieser Entwicklung be- dem deutschen Heimatfilm auf die Beine hal- nennt er das Erkennen und Pflegen von Kern- fen, wirklich soviel gemein haben mit späteren kompetenzen, die Bündelung und Vernetzung US-Produktionen von Wim Wenders und Vol- von Kernfähigkeiten und die Entwicklung von ker Schlöndorff, aber auch den Hollywood- Kernprodukten sowie deren Verankerung im Auftragsarbeiten von Wolfgang Petersen und Markt, wobei nur durch den Mut zu neuen Or- Uli Edel, sei dahingestellt. Dafür verdient die ganisationsformen und Innovation das Überle- auf die Trouvaille eines Exploitation-Films von ben gesichert werden kann. 1982 („Die Insel der blutigen Plantage“, Kurt Eine dieser möglichen Innovationen, die Än- Raab), in der einige von Fassbinders Stamm- derung des klassischen Zeitungsformats vom schauspielern kurz nach dessen Tod mitspiel- Broadsheet zum Tabloid, untersucht Daniel ten, unbedingt eine eigene Analyse – auch Schubert auf ihr Erfolgspotenzial und kommt wenn solche geradezu postmodern anmuten- zu dem Schluss, dass Tabloids zwar Erfolg den Selbstzitate noch nicht unbedingt auf ei- versprechend für die Gewinnung neuer Leser- nen zeitgenössischen agent provocateur wie schichten sind, es aber (wenig überraschend) Christoph Schlingensief verweisen müssen, wie weiterer Werbemaßnahmen bedarf, um dieses Bergfelder meint. Insgesamt eine weitsichtige, Potenzial auch wirklich zu nutzen. hin und wieder gar etwas weitläufige Filmge- Die (Erfolgs-)Geschichte der Zeitschrift TV- schichte mit Biss. Spielfilm, die Verlagsleiter Dr. Michael Klein- Ursula Ganz-Blättler johann nachzeichnet, belegt alte Wahrheiten: Innovationsfähigkeit und Verlegerwille sowie mehrere Umsatzbeine gepaart mit Anpassungs-

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fähigkeit und Aktualität ermöglichen Erfolg im verwaltung sowie dem Weiterbildungscontrol- (Zeitschriften-)Markt. ling und den Anbietern von Learning Manage- Die folgenden sechs Beiträge ranken sich um ment Systemen und Sprachschulen und schlus- den TV-Sektor. Nachdem Prof. Dr. Mike Fried- sendlich Geduld auf Seiten der in diesem Markt richsen die Entwicklungen der letzten Jahre im aktiv werden wollenden Bildungsverlage. Bereich des Digitalen Fernsehens beleuchtet Die Untersuchung der BUGA 05 von Anna hat, nimmt Tom Föringer die TV-Formatent- Kleeblatt ergibt, dass Events als Medienplatt- wicklung kritisch unter die Lupe und benennt form zwar eine Win-Win-Situation generieren auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage können, mangelnde Offenheit in der Kom- unter TV-Zuschauern zu ihren Genrevorlie- munikation zwischen Eventveranstalter und ben Erfolgskriterien für TV-Formate. Sein Rat: Medienpartner diese Chancen aber leicht aufs Programmentwickler mögen nicht „jede Sau Spiel setzen kann, und es so weder zum Erfolg durchs Dorf treiben“ und sich wieder mehr auf des Events durch Bekanntmachung über die ihr Bauchgefühl und ethische Grundsätze ver- Medienpartner noch zum Aufbau emotionaler lassen als auf kurzfristige Quoten. Bindungen der Rezipienten an das Medium Im deutlich kürzesten Beitrag des Bandes be- kommt. schreibt Dr. Nicole Rottenwender, wie externe Bevor der Herausgeber abschließend zu Journalisten als Zulieferer einzelner Beiträge Wort kommt, geht Dr. Thomas Summerer auf und Sendungen den Fernsehsendern unter die das Potenzial und die Zulässigkeit von Sport- Arme greifen können. wetten als Geschäftsmodell ein: Zwar erschei- Die erfolgreichen Formate des Senders nen diese äußerst lukrativ, sind juristisch aber RTL II werden von Daniela Geißler vorge- als höchst gefährlich einzuschätzen. stellt. Objektivität kann der Leser hierbei wohl Prof. Dr. Thilo Büsching versucht sich nicht erwarten, ist sie doch Leiterin der Abtei- schließlich an der Erstellung eines komplexen, lung Special Marketing des Senders. Dement- dynamischen Totalmodells und somit an der sprechend liest sich dieser Beitrag, dessen Fazit „Verknüpfung von Strategie und operativer dennoch hilfreich sein kann: Um erfolgreich zu Effizienz im Tagesgeschäft“, muss aber fest- sein, gehe man auf die Bedürfnisse der Zuschau- stellen, dass ein solches Modell eben aufgrund er ein, werte bestmöglich bestehende Lizenz- seines Modellcharakters immer angreifbar rechte aus und etabliere starke Produktmarken bleibt. in verschiedenen Branchen. Insgesamt spannt das Werk einen sehr wei- Gerald Neumüller untersucht „die Bedeu- ten Bogen über diverse Geschäftsmodelle und tung von Werbung für das Fernsehen, die bietet so wirklich jeder der Adressatengruppen Marktgegebenheiten und Erkenntnisse aus Anknüpfungspunkte. In seiner Gesamtheit vielen Jahren Werbewirkungsforschung“ und wird jedoch deutlich, wie viele Erkenntnis- identifiziert so sowohl Erfolgsfaktoren für das se bereits seit längerem in der Geschäftswelt kommerzielle Fernsehen (Aufmerksamkeit vorherrschen, sich aber noch nicht in ein um- schaffen und Nutzen der digitalen Zukunft) als fassendes und allgemein anerkanntes wissen- auch für wirksame TV-Spots (klare Zieldefini- schaftliches Modell haben fassen lassen. tion, besondere Beachtung der Kreation und Jutta Kehrer Schaffung von Präsenz). Der Geschäftsführer von TV touring, einem Viktoria Brunmeier Regionalfernsehsender aus Unterfranken, Nor- bert Hufgard, schließt den Bereich des Fernse- Das Internet in Russland hens ab. Er zeichnet die Entwicklung von TV Eine Untersuchung zum spannungsreichen touring nach und macht insbesondere die Be- Verhältnis von Politik und Runet deutung einer Corporate Identity deutlich. Eckhard Zimmermann erarbeitet in seinem München: Fischer, 2005. – 182 S. Beitrag die Erfolgsfaktoren „von Sprachlern- (Internet research; 24) software-Anbietern im Firmenkundenmarkt“: ISBN 3-88927-385-8 Firmenkundenorientierung, ein modulares Produktportfolio, inhaltliche und didaktische Das russische Internet hat sich in nur zehn Kompetenz, Projektorientierung, transparente Jahren vom wenig verbreiteten informellen Preismodelle, Kooperationen mit der Nutzer- Kommunikationsmedium zum weit genutzten

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Informationsmedium entwickelt. Jedoch bleibt lisierung als Wesenseigenschaft der weltweiten es bisher das am wenigsten kontrollierbare Datennetze stellt eine Herausforderung für Kommunikationsmedium des Landes. „Konn- Bestrebungen staatlicher Kontrolle dar. Dies te sich das Internet, im Gegensatz zu den tra- gilt ganz besonders für das russische Segment ditionellen Medien, die in den letzten Jahren des WWW, dessen wachsende Popularität die unter zunehmendem staatlichen Einfluss einen staatliche Medien- und Meinungsmacht be- großen Wandel erfahren haben, tatsächlich als droht. Diskussionen darüber, ob es notwendig freier Kommunikations- und Informations- und möglich ist, das Internet zu kontrollieren, raum erhalten?“ (S. 12) Diesen Gedanken hat nehmen zu. „Wir werden nicht die Balance Viktoria Brunmeier ihrer Magisterarbeit zur zwischen Freiheit und Regulierung suchen, die Grunde gelegt: Im Zentrum der Studie, und Wahl wird immer zugunsten der Freiheit aus- das sagt ja auch der Titel des Buches, steht eben fallen“, – pointiert zunächst die Autorin den die Frage nach dem Verhältnis von Politik und inzwischen berühmt gewordenen Satz von Pu- Runet (Bezeichnung für den russischsprachigen tin. (S. 46) Da Russland bis heute im Gegensatz Teil des Internet). In der russischen Medienwis- zu vielen anderen Staaten kein Gesetz besitzt, senschaft erlebt das Thema seit einigen Jahren in dem das Wort „Internet“ vorkommt, nimmt eine gewisse Konjunktur. Schade nur, dass dies Brunmeier nicht eine ausführliche rechtswis- in der Arbeit keine Reflexion findet. senschaftliche Analyse vor, sondern spricht Brunmeier leitet ihr Buch ein mit einem de facto von einer politischen Regulierung des Überblick über das russische Mediensystem Internets. Brunmeier geht der Frage nach, wel- (2. Kapitel). Dafür sichtet sie zuerst die vorlie- che Akteure mit welchen Interessen an dieser genden, überwiegend aus Deutschland stam- Regulierung beteiligt sind und unter welchen menden Studien und skizziert die relevanten Einflüssen sie ihre Präferenzen bilden. Anhand Entwicklungsschübe der Medien, wobei auch mehrerer Fallbeispielen fasst sie zusammen, Probleme des kritischen Journalismus beleuch- dass „in Russland seitens der Politik ein sehr tet werden. Das Fazit muss kritisch ausfallen: großes Interesse daran besteht, das Internet „So sind die privatisierten Medienunternehmen staatlich zu kontrollieren und zumindest in in Russland alles andere als vom Staat unabhän- den russischen Teil des Cyberspace eine gewis- gig“ (S. 16). se Ordnung, nach dem Muster, wie sie bereits Das dritte Kapitel des Buches behandelt die in den anderen Medien geschaffen wurde, zu Geschichte des russischen Internets. Anhand bringen“. (S. 67–68) von sekundäranalytischen Studien und Befun- Der zweite Abschnitt des 4. Kapitels beleuch- den (vorwiegend aus der russischen Literatur) tet die forcierten Anstrengungen Russ lands in werden seine Entstehung und Besonderheiten Richtung auf eine Informationsgesellschaft, die chronologisch dargestellt. Das Kapitel fällt das staatliche Förderprogramm „Elektronnaja mit nur acht Seiten vergleichsweise knapp aus, Rossija“ (dt. Elektronisches Russland) unter- wobei die Autorin in ihrer Skizze leider einen stützen soll. Dabei konstatiert Brunmeier der Gründungsväter des russischen Internets, gleich am Anfang: „Was für Russland erst die Dmitrij Ivanov, verschweigt und sein in der Zukunft sein soll, gehört in vielen Ländern russischen Fachliteratur viel zitiertes Web- längst zur Gegenwart.“ (S. 71) In detaillierten Projekt „Geschichte des Internet in Russland“ Untersuchungsschritten werden wesentliche (www.nethistory.ru) nicht anspricht. Als Fazit Hindernisse und Probleme der Umsetzung wird festgehalten, dass sich in der Anfangspha- des Programms und die ersten Wirkungen se die Distanz des Staates bei der Entwicklung herausgestellt. Ergänzend werden Daten zur der neuen Datennetze auf das russische Inter- Sozialstruktur der Nutzer (sie ist sehr stark net sowohl positiv als auch negativ auswirkte. von der jüngeren bzw. ganz jungen Generation (S. 38) geprägt) und zur regionalen Differenziertheit Im vierten Kapitel liegt der Fokus auf dem des Runet zusammengestellt. Zusammenfas- zentralen Thema „Politik und Internet“. Vom send bleibt Brunmeier unschlüssig, ob es hier Umfang her ist dies der größte Teil des Buches, um eine Strategie oder Unfähigkeit seitens des er umfasst knapp doppelt so viele Seiten, wie Staates geht. alle andere Teile zusammen. Zunächst bemüht Im dritten Abschnitt folgt eine durchweg an- sich Brunmeier (§ 1) um die Analyse der Regu- regende und informative Untersuchung der po- lierung des Runets. Die immanente Dezentra- litischen Verhältnisse im Runet. Kritisch hin-

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tergefragt werden Einflussmöglichkeiten des sachkundigen Leser manchen zusätzlichen Er- Internets in Russland und Formen politischer kenntnisgewinn. Artikulation durch elektronische Kommunika- Nathalie Kharina-Welke tion. Dies wird in einen Zusammenhang mit der Politisierung des Runet gebracht. Darauf folgt Christina Holtz-Bacha die eingehende Darstellung der entscheidenden Konflikte und mehrerer Beispiele von Instru- Medienpolitik für Europa mentalisierungen des Internets für politischen Wiesbaden: VS, 2006. – 384 S. Kampagnen. Deutlich und ausführlich zeigt die Autorin, wie das Web zu einem medialen ISBN 3-531-14127-9 Schlachtfeld der verschiedenen Interessengrup- Es war anfangs der 90er Jahre, als Europa – oder pen geworden ist. Grundlage ihrer Argumenta- präziser: damals die Europäische Gemeinschaft, tion bilden zahlreiche Spin Doctors-Aktivitäten inzwischen die Europäische Union – von der (bei der Autorin heißt das „schwarze PR“) und Forschung als Ort entdeckt wurde, an dem Me- Agendasetting während der Wahlen. Dennoch dienpolitik gemacht wird. Seinerzeit wurde der fällt das Schlussurteil eindeutig aus: Es „spre- Boom in der Forschung durch die Vorbereitung chen in Russland mehrere Faktoren dagegen, und Verabschiedung der Richtlinie „Fernsehen dass in den nächsten Jahren oder sogar Jahr- ohne Grenzen“ von 1989 ausgelöst. Die damali- zehnten das Internet eine Wahl entscheidende gen Fragen lagen auf der Hand: Darf die EU so Bedeutung erlangen könnte“. (S. 125) etwas überhaupt? Wer steht hinter diesem Pro- In dem abschließenden fünften Kapitel jekt? Warum nur Fernsehen? Dient es der Inte- skizziert Brunmeier Angebote im WWW von gration? Wie wird europäisches Recht national großen traditionellen Medien und Netzmedi- umgesetzt? Je nach Sichtweise wurde begrüßt, en. Hier geht sie detailliert auf staatliche Onli- dass die EU unter Zuhilfenahme des Fernse- ne-Medien ein. Das Fazit muss wieder kritisch hens so etwas wie einen gemeinsamen audio- ausfallen, sie konstatiert, dass „der russische visuellen Raum in Europa schaffen wollte oder Staat – nach einem recht späten Einstieg in es wurde ihre einseitige Parteinahme zugunsten den virtuellen Medienmarkt – sehr schnell ge- privat-kommerzieller Anbieter beklagt. Vieles lernt hat, die unbegrenzten Möglichkeiten des hat sich inzwischen beruhigt. Die EU hat heute Cyberspace zu eigenen Zwecken zu nutzen“. unbestritten die Kompetenz, paneuropäisches (S. 144) Schade nur, dass die drei großen Big Fernsehen ist kaum etabliert, die öffentlichen Player-Angebote unter den so genannten „ab- Anbieter haben sich trotz harter Konkurrenz trünnigen oder gefallenen Oligarchen“ nicht konsolidieren können. plausibel rüberkommen: „Gazeta.ru“ von In den letzten zehn Jahren ist nur noch we- Michail Chodorkowskij, „NEWSru.com“ von nig zu dieser Seite Europas geforscht worden. Wladimir Gussinskij und „Grani.ru“ von Boris Das ist bedauerlich, zumal sich die Dinge wei- Berezowskij. Denn die besonderen Besitzver- terentwickelt haben, das duale Fernsehsystem hältnisse mit Oligarchen-Strukturen sind für ist fest verankert, Europa dehnte sich aus – vor das gesamte russische Mediensystem kenn- allem in Richtung der Transformationsstaaten zeichnend. Insgesamt beurteilt die Autorin die im Osten –, digitale Techniken ermöglichen Bedeutung des Internets für die russischen Me- ganz neue Fernsehlösungen und das Internet dien sehr hoch. tritt als ernsthafter Konkurrent an. Genug Die Schlussauswertung der Untersuchungs- Stoff also, um erneut eine Bestandsaufnahme ergebnisse fällt etwas knapp und teilweise zu machen. bruchstückhaft aus. Zusammenfassend erweist Dieser Titel verspricht, chronologisch und sich die Stärke dieser Arbeit gleichzeitig auch problemorientiert die Entwicklung europä- als deren Schwäche. Weil der bearbeitete For- ischer Medienpolitik anzugehen und dabei Fra- schungsbereich sehr breit bzw. zu breit ange- gen des Spannungsverhältnisses zwischen Öko- legt ist, erscheint das untersuchte Verhältnis nomie und Kultur zu thematisieren. Schließlich von Politik und Runet zuweilen eher addi- geht es nicht nur um die EU und ihren vor al- tiv. Es handelt sich bei dieser Arbeit um eine lem ökonomischen Ansatz, die Autorin bezieht Studie, die primär deskriptiv angelegt ist und auch den Europarat ein, der – wenn auch mit dennoch lesenswert bleibt. Die kenntnis- und minderer Durchschlagskraft – eher kulturelle materialreiche Darstellung verspricht auch dem Ziele verfolgt. Verschiedene Kapitel des Bu-

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ches beschäftigen sich mit der Arbeit der EU Richtlinie, nationalstaatlich erfolgt, gibt es hier und des Europarats, gehen auf europarechtli- große Differenzen, z. B. in der Praxis der Ei- che Grundlagen ein, diskutieren den Beitrag genproduktionsquote. In den Mitgliedsstaaten des Fernsehens zur Integration, durchleuchten finden wir sehr unterschiedliche – auch das ist die TV-Regulierung, nehmen sich die Sicherung ein Stück europäischer Vielfalt – Vorstellungen von Pluralität auf den Medienmärkten vor, be- von dem, was Regulierung überhaupt sein soll: richten über die besondere Betroffenheit des Ökonomen definieren ihren Inhalt in Großbri- öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die För- tannien, Juristen und Föderalisten in Deutsch- derung der audiovisuellen Industrien. land, Kulturnationalisten in Frankreich. So Zum Abschluss wird diskutiert, inwieweit wird der Blick auf Europa von Holtz-Bacha die europäischen Aktivitäten im Dienste einer vor allem „top down“, von Brüsseler Warte auf europäischen Öffentlichkeit stehen, und hier die Dinge geworfen, Europa „bottom up“ hat wird von der Autorin Skepsis angemeldet. So vergleichsweise wenige Chancen. gut die wirtschaftliche Integration gelungen sei, Gleichwohl gilt für dieses Buch, dass es einen so sei es „offenbar nicht gelungen, die Bevöl- umfassenden und systematischen Überblick zur kerungen bei der Integration ‚mitzunehmen‘“ europäischen Mediensituation bietet, dass es (327) So ist das wohl. sorgsam recherchiert wurde und kenntnisreich Die Autorin schildert die Vorgänge mit ho- die verschiedenen Handlungsfelder abarbeitet. her Akribie und lässt kaum einen Aspekt aus; Es eignet sich hervorragend zur Grundlage ei- ein Index erschließt das Buch auch als Nach- ner Einführungsveranstaltung in europäische schlagewerk. Dabei lässt sie durchaus auch Medienentwicklungen. Ich würde es allerdings eigene Einschätzungen durchblicken; sie steht um andere Quellen ergänzen. eher auf Seiten des Europäischen Parlaments Hans J. Kleinsteuber und des Europarats, die beide die kulturelle Seite der Medien betonen. Dagegen vermisst sie Joachim Knape (Hrsg.) eine klare Vielfalts-orientierte Politik der Kom- mission und kritisiert, dass sie kein Konzept für Medienrhetorik den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat – wo Tübingen: Attempto Verlag, 2005. – 262 S. doch public service eine genuin europäische Entwicklung darstellt. ISBN 3-89308-370-7 Dem politikwissenschaftlich geschulten Re- „Was, wenn er recht hat?“ fragten sich in den zensenten fällt auf, dass diese Arbeit Medien- 60er Jahren Menschen aus der Welt der Wer- politik verspricht, sich aber nicht dabei aufhält bung, des Fernsehens, der Computer und der zu erklären, was dies im europäischen Kontext Kunst. Er, das war Marshall McLuhan, der bedeutet. So gelten der Autorin die EU und der „King of Popthink“, dessen provokant asso- Europarat als zentrale „Akteure“, wo man eher ziative Ideen die Strukturen der zukünftigen „Institutionen“ vermuten würde. Ist der Ak- und vergangenen Medien(um)welten zu erfas- teursbegriff aber bereits vergeben, bleibt wenig sen suchten. Seine zwei wichtigsten, immerhin Raum für die organisierten Interessen als die ei- einige hundert Seiten umfassenden Bücher gentlichen „Akteure“, die allerorten über Brüs- „The Gutenberg Galaxis“ und „Understan- sel (medien)politischen Einfluss zu nehmen ding Media“ erschienen 1962 und 1964. Doch versuchen. Angesichts dieser Ausgangslage McLuhan, der Schreiben als langweilig und liegt es nahe, dass sich Holtz-Bacha vor allem schwierig empfand, bevorzugte die freie Rede mit europäischem Politik-Output beschäftigt, vor Publikum. Und reden, das konnte er. Man politikwissenschaftlich policies, während der verstand zwar nicht so recht, was er sagte, aber Input der zahlreichen Regierungen, Verbände, wie er es sagte, muss faszinierend gewesen sein. Unternehmen und inzwischen auch NGOs, Nicht nur der Drogenguru Timothy Leary also politics, stiefmütterlich behandelt wird. schwärmte, McLuhan forme Sprache zu Blu- Ein ähnliches Problem besteht auch mit men und Mandalas. Die klassischen Program- dem Begriff „Regulierung“, welchen die Auto- me der Rhetorik hatte der kanadische Eng- rin ohne Problematisierung aus europäischen lischlehrer schon früh in seinen Studienjahren Quellen übernimmt, die ihn vor allem juristisch durchlaufen, dabei beeindruckten ihn nachhal- füllen. Da aber die Umsetzung der europä- tig Ciceros Maxime enzyklopädischer Gelehr- ischen Regularien, so will es die entsprechende samkeit und die Gesprächsführungsfinten der

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Sophisten. Seine Doktorarbeit 1943 behandelt hinterfragt aus seiner Praxis als Operninten- den Disput um die antike Rhetorik unter den dant Begriffe wie Intentionalität, Werktreue Gelehrten des elisabethanischen Englands. und Regie vor dem Hintergrund von Text und Doch nicht wie und warum „das Orakel aus Institution. Franz-Joseph Deiters widmet sich Toronto“ als Rhetoriker so erfolgreich sein der Rhetorik des Plakats mit seiner entgrenz- konnte, beschäftigt die Autorinnen und Au- ten Textur und rahmenlosen Ästhetik, und toren des aus einer Tübinger Tagung hervor- Olaf Kramer beschäftigt sich mit den speziellen gegangenen Sammelbandes. Sondern es ist die Strukturdeterminanten und Anforderungen an eingangs formulierte Frage, die Ausgangspunkt Texturen innerhalb des Internets. Der Germa- der insgesamt zwölf Beiträge sein soll. nist Georg Braungart zeigt, dass semiotische Joachim Knapes einführender Aufsatz prä- Grundfragen schon lange Gegenstand künst- zisiert zunächst den bei McLuhan höchst viel- lerischer, literarischer und theoretischer Be- deutigen Medienbegriff, um diesen für seine mühungen sind. Demgegenüber führt Fabian eigene, pragmatisch orientierte Rhetoriktheorie Klotz mit seinem Aufsatz zur Medienwerteleh- nutzbar zu machen. Außerdem geht der Autor re wieder direkt zu McLuhan zurück, in dem er Problemen einer spezifischen Mediensemantik klarmacht, wie man auch auf hermeneutischem und wichtigen Fragen bezüglich der Struktur- Weg zu der vielzitierter Aussage kommt: The determinanten einzelner Medien nach. Knape medium is the message. macht dabei deutlich, dass McLuhan konse- Einen wirklich gelungenen Rekurs auf quent vom handelnden Menschen aus und auf McLuhan stellt Almut Todorow her. An Hand diesen hin denkt, seine Ausführungen mithin aktueller Gestaltungsprinzipien deutscher Zei- immer innerhalb eines kommunikativen In- tungsseiten (u. a. TAZ, Süddeutsche Zeitung, teraktionsprozesses zu verstehen sind. Dies ist Bild) führt sie aus, wie neue Perspektiven über meiner Meinung nach ein wichtiger Aspekt, der die technologischen Wandlungsprozesse der in der Rezeption des Medientheoretikers häufig (hier) Print-Medien in die öffentliche Wahr- und gerne übersehen wurde und wird. Nicht zu- nehmung kamen. Die Macht der Medien sah letzt aus dieser Perspektive ist McLuhan - und McLuhan, der letztendlich doch immer Lehrer zwar nicht nur für die Rhetorik – nach wie vor blieb und stets um Aufklärung bemüht war, vor interessant. Ein weiteres offenes Forschungs- allem in ihrer unbewussten Wirkung. Nicht zu- feld ergibt sich laut Knape aus der Frage „Was letzt deshalb forderte er vehement eine Anlei- leisten Medien überhaupt als Medien?“ Denn tung zum emanzipativen Mediengebrauch. Die es macht durchaus einen Unterschied, ob eine Autorin liefert mit ihrem Aufsatz detaillierte Nachricht per Brief, Handy, Telefon oder vor Beispiele für den ingeniösen Blick des Kanadi- der Wohnungstüre weitergegeben wird. Medien ers und dafür, wie man noch heute mit dessen haben, auch dieser Gedanke ist erst durch und theoretischen Bausteinen eine interessante, auf mit McLuhan als Einsicht populär geworden, ein spezifisches Medium hin orientierte Medi- eine „bias“, einen „appeal“. Innerhalb kom- enanalyse betreiben kann. munikativer Leistungen zeitigen sie Effekte Auch Jörg Metelmann gelingt eine höchst über deren kulturelle Konsequenzen noch viel spannend zu lesende Konfrontation. Er stellt zu wenig bekannt ist. Joachim Knape hält mit das filmtheoretische Segment der Theorie seinem Aufsatz vor allem ein engagiertes und McLuhans vor und bringt die Denkfigur der plausibles Plädoyer für die Aktualität der zen- Zeit-Raum-Konstellation in Zusammenhang tralen Thesen McLuhans. Und dies zu einem mit filmtheoretischen Überlegungen von Gil- Zeitpunkt, an dem der wissenschaftliche Hype les Deleuze, Henri Bergson, Walter Benjamin um das, was unter dem Label „Medientheorie“ und dem hierzulande noch nicht so bekannten zirkuliert, schon wieder abzuflauen scheint. italienischen Theoretiker Maurizio Lazzarato. Etwas erstaunt ist der Leser nach dieser ge- Dabei kommt der Autor zu dem Ergebnis, lungenen Einleitung, weil einige der folgenden Kino schaffe im Unterschied zu Fernsehen und Aufsätze McLuhan doch etwas, zum Teil sogar Video eine ganz spezifische Verbindung von gänzlich, aus den Augen verlieren und sich mit Nähe und Ferne und könne als eine Art „Kir- eher konventionellen Methoden einzelnen Me- che der Postmoderne“ verstanden werden. dien zuwenden. So untersucht Claus Rieder die Medienforschung im Sinne von Untersu- komplexen Strukturen und Differenzierungen chungen kultureller Praxen verschreibt sich des theatralen Mediensystems, Klaus Zehelein keinem – McLuhan ja gerne zugeschriebenen

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– technologischen Determinismus, so Hans- keln betrachtet. Das Buch ist als Einführung in Werner Ludwig in seinen Ausführungen, Fragestellungen, Methoden und Gegenstands- sondern bettet die Medien in differenzierte, bereiche der interkulturellen Kommunikation kulturell weit aufgespannte Kontexte ein. Lud- gedacht. Ziel ist es, neben Aktualitätsbezügen wig wirft höchst interessante Schlaglichter auf vor allem die historische Dimension kulturel- gerne vergessene Fakten und Entwicklungs- ler Prozesse zu beleuchten. Ausgangspunkt sind linien im Zusammenhang mit dem Medium hier Erfahrungen und Anforderungen der Stu- Fernsehen und macht deutlich, dass bereits in diengänge „Französische Kulturwissenschaft Bezug auf dieses Medium viel stärker mit Prä- und Interkulturelle Kommunikation“ sowie zisierungen und Differenzierungen gearbeitet „Grenzüberschreitende Deutsch-Französische werden müsse. Die vom Autor angeführte Studien“ der Universität des Saarlandes, an der These von der zunehmenden Emotionalisie- der Autor forscht und lehrt. rung und Reizsteigerung hätte sich wunderbar Diesem Standpunkt ist es zu verdanken, mit den zentralen Gedanken McLuhans zum dass nicht nur die bekannte deutsch- und eng- Unbewussten und zur Synästhesie der Medi- lischsprachige Literatur berücksichtigt wird, en verbinden lassen. Eine Rückbindung an die sondern Publikationen aus dem gesamten Ausführungen McLuhans wird hier aber eben- frankophonen Raum Beachtung gefunden ha- so versäumt wie die Chance für eine dezidiert ben. Gerade die frankoafrikanische und fran- vorgebrachte Kritik. kokanadische Literatur eröffnet dem Leser Betrachtet man die Gesamtheit der Aufsätze immer wieder interessante Einblicke. Fremd- des vorliegenden Bandes, ahnt man was sich im wahrnehmungsmuster, zum Beispiel in dem Feld der Medienrhetorik – ein im übrigen noch französischen Diskurs über Afrika oder dem nicht einmal eingeführter Begriff, der davon kanadischen über die Indianerkulturen Norda- ausgeht, dass Medien „vermutlich ein rhetori- merikas, verglichen mit dem deutschen Diskurs sches Potential haben, also dass Medien in ih- über Amerika zeigen im Rahmen der Diskurs- rer Eigenschaft als Medien rhetorische Effekte analyse, dass diese Muster nicht isoliert gesehen entfalten“ (S. 7) – an offenen Fragen und zu be- werden können, sondern einer vielschichtigen forschenden Gebieten auftut. Ebenso deutlich Auswertung von Bezugsnetzen bedürfen. wird, dass es sich nach wie vor lohnt, McLuhan Die Anlage ist breit: Nach einer allgemeinen einer (kritischen) Relektüre zu unterziehen Einordnung der interkulturellen Kommunika- bzw. seine Gedanken und Ausführungen zu tion werden Konzepte wie Multikulturalität, aktualisieren. Transkulturalität und Hybridität vorgestellt Daniela Kloock und Problemfelder der interkulturellen Kom- munikation aufgezeigt. Konfrontationen zwi- schen Menschen verschiedener Kulturen und Hans-Jürgen Lüsebrink kulturelle Konflikte stehen dabei im Mittel- Interkulturelle Kommunikation punkt: Verstehen von Kultur durch den Ver- gleich von Texten wird hier als produktiver Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kultur- Lösungsweg aufgezeigt. transfer Im anschließenden Kapitel „Interaktion“ Stuttgart: Metzler, 2005. – 211 S. werden verschiedene Formen der empirischen ISBN 3-476-01989-6 Analyse vorgestellt: interkulturelle neben kul- turkontrastiven, psychologische neben linguis- Interkulturelle Kommunikation, die Kommu- tischen Ansätzen. Nachdem interkulturelle nikation zwischen Menschen unterschiedlicher „Problem-Kommunikation“ auf Makro- und Kulturen, ist in Zeiten von Kriegen, Terrorismus Mikroebene analysiert wird, erfolgt eine und Konflikten, die immer wieder mit unverein- Überleitung zu konkreten Anwendungsberei- baren kulturellen Gegensätzen begründet wer- chen: zum einen zum Bereich Interkulturelles den, nötiger denn je, wird aber in der deutschen Lernen, einem international sehr intensiv dis- kommunikationswissenschaftlichen Forschung kutierten Problemfeld des Bildungsbereichs, wenig beachtet. Umso erfreulicher ist es, den zum anderen zum Bereich der interkulturellen Band „Interkulturelle Kommunikation“ von Trainingsformen und -methoden, die im Zuge Hans-Jürgen Lüsebrink zu sehen, der das The- der Globalisierung von Unternehmen und dem ma interdisziplinär aus verschiedenen Blickwin- weltweiten mobilen Einsatz ihrer Mitarbei-

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ter zunehmend an Bedeutung gewinnen. Hier positiv auffällt durch die Interdisziplinarität bei werden Aspekte, die bei der traditionellen Be- der Herangehensweise an das Forschungsfeld schäftigung der Kommunikationswissenschaft der interkulturellen Kommunikation. Breit mit Massenmedien eher unbeachtet bleiben, in gefächert verbindet er verschiedene Wissen- den Mittelpunkt gerückt. Dies ist ein Beispiel schaftsdisziplinen miteinander, wie Anthropo- für die Verzahnung von Theorie und Praxis auf logie, Betriebswirtschaftslehre und Kulturwis- der Ebene der interkulturellen Kommunika- senschaft. Erstaunlich ist, dass die Disziplin der tion. Für die Absolventen von Studiengängen Kommunikationswissenschaft kaum herange- mit interkulturellem Schwerpunkt sind diese zogen wird, neuere theoretischen Ansätze wie konkreten Anwendungsbeispiele interessant, die transkulturelle Kommunikation wurden da sich hier Berufsperspektiven finden lassen. nicht rezipiert. „Interkulturelle Kommunikati- Im dritten Teil, den „Fremdwahrnehmun- on“ ist ein Buch, das den Blick öffnet für neue gen“, gibt der Autor einen Überblick über Sichtweisen auf aktuelle interkulturelle Pro- Ansätze, mit dem Eigenen und dem Fremden blemfelder, die oft eine historische Dimension umzugehen, wobei neben den kulturanthro- haben, welche aber – wie der Autor zu Recht pologischen Dimensionen und interkulturel- feststellt – meist vergessen wird. len Interaktionssituationen auch die aktuelle Sonja Kretzschmar Wahrnehmung des Fremden in den Medien berücksichtigt wird. Harald Gapski (Hrsg.) Medien werden ebenfalls im letzten Teil the- matisiert, in dem der Kulturtransfer behandelt Medienkompetenzen messen? wird. Auch in diesem Teil gelingt es dem Au- Verfahren und Reflexionen zur Erfassung von tor, Kulturtransferprozesse anhand von vielen Schlüsselkompetenzen Praxisbeispielen plastisch zu verdeutlichen, so- wohl in Bezug auf historische als auch auf ak- Düsseldorf/München: kopaed 2006. – 136 S. tuelle Ansätze. Mit Beispielen aus dem Gebiet (Schriftenreihe Medienkompetenz des Landes des interkulturellen Marketings, die unter an- Nordrhein-Westfalen; Bd. 3) derem unterschiedliche Kommunikations- und ISBN 3-938028-53-X Werbestile illustrieren, wird erneut der Bogen zwischen Theorie und Praxis der interkulturel- Lassen sich Medienkompetenzen messen oder len Kommunikation geschlagen. Medialer Kul- zunächst einmal hinreichend eindeutig definie- turtransfer oder auch interkulturelle Rezeption ren und, wenn ja, wie? So lautet das etwas am- verschiedener Medienangebote werden anhand putiert annoncierte Thema dieses Readers, der von Fallbeispielen aufgezeigt, beispielsweise auf einen „Expertenworkshop“ des ecmc, des amerikanische Adaptionen französischer Fil- Europäischen Zentrums für Medienkompetenz me, wie Jim McBrides Neuverfilmung „Breath- in Marl, im November 2005 rekurriert. Nein, less“, der Jean-Luc Godards Film „A bout de hieße eigentlich die aufrichtige Antwort, oder souffle“ zur Vorlage nimmt. allenfalls: es kommt darauf an, wie die diversen Im letzten Teil zieht der Autor Bilanz über Kontexte, die Ziele, Normen, Inhalte und Ziel- die Perspektiven der interkulturellen Kommu- gruppen ausfallen, aber auch darauf, ob Medien- nikation. Die Globalisierung stellt auch hier kompetenz als individuelle Fähigkeit, als struk- neue Herausforderungen: Immigration und turelle einer Institution oder eines Systems – wie Multikulturalität zeigen Felder auf, in denen immer sie dann gekennzeichnet und identifiziert Kulturen aufeinander treffen, vermittelnde wird bzw. werden soll –, ob sie als intentionaler Kommunikation aber kaum stattfindet und Zielhorizont, als weitgehend informeller Pro- oft sogar rückläufig ist. Dies gilt gerade für zess oder als testierbare Eigenschaft gesehen Deutschland, das im internationalen Vergleich wird. Dazu geben die hier versammelten sechs nur über eine rudimentäre koloniale Geschich- Beiträge Begründungen, Beispiele und metho- te verfügt. Als Philologe fordert der Autor vor dische Vorschläge, wobei sie sich eher mit all- allem die Einbeziehung von Sprache bei der gemeinen Fragen beschäftigen, mithin selten in Untersuchung von Kulturtransferprozessen das Kernfeld der Medienkompetenz vorstoßen, und Fremdwahrnehmungsmustern in die in- eher methodische Optionen vorschlagen als terkulturelle Forschung. dass sie konkrete Messoperationen vorstellen. Lüsebrink hat ein Werk vorgelegt, das sehr So bleibt die im Vorwort geäußerte Hoffnung

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der NRW-Staatssekretärin Frauke Jacobsen, Programmbereichsleiter in der Erwachsenen- wonach die „Entwicklung von Medienkompe- bildung, stellt zwei Ansätze des lebenslangen tenz dokumentiert, erfasst oder gar gemessen Lernens vor. Medienkompetenz könnte er werden“ (S. 8) müsste, auch von diesem dritten dabei berücksichtigen „im Sinne von Handha- Band der so genannten Reihe „medienkompe- bung“ und „als visuelle Kompetenz im Sinne tenz“ unerfüllt, und die Politik kann weiterhin von Sinndeutung“ (S. 37). Überprüfungen er- euphemistische Phrasen wie „das Medienland folgen als Selbsteinschätzungen anhand von Nordrhein-Westfalen ist zugleich Medienkom- Statements, einschließlich von Medien-Nut- petenzland“ (S. 7) verlaut baren. zungsgewohnheiten und -häufigkeiten. An Am nächsten an der Thematik bleibt der Beispielen aus Österreich, der Schweiz und erste Beitrag von H. Gapski, Prokurist und Norwegen führt K. Haase, Geschäftsführerin Projektleiter des ecmc. Er sichtet zunächst ei- für angewandte Bildungsforschung mbH in nige kurante Versuche, Medienkompetenz zu Bonn, drei Portfoliotechniken zur allgemeinen beschreiben und zu differenzieren – die gibt es Kompetenzdokumentation und -entwicklung allerdings schon seit den 80er und nicht erst seit vor. L. Goertz, Abteilungsleiter beim Esse- den 90er Jahren –, bis er selbst eine eigene Defi- ner Institut für Medien- und Kompetenzfor- nition vorlegt (S. 18): Danach sei „Medienkom- schung, referiert ebenso allgemein über ver- petenz […] die Disposition eines Individuums schiedene Methoden zur Kompetenzmessung oder eines sozialen Systems zur Selbstorgani- in der beruflichen Weiterbildung, wie Selbst- sation im Hinblick darauf, technische Medien und Fremdauskunft per Fragebogen, Grup- effektiv zur Kommunikation einsetzen sowie penbeobachtung und Experteneinschätzung. ihre Wirkungen reflektieren und steuern zu Für die Medienkompetenz schlägt er sechs können, um dadurch die Lebensqualität in Dimensionen als „neues Instrument zur Erfas- der Wissensgesellschaft zu verbessern“. Hier sung von Medienkompetenz“ (S. 69) vor, ohne ist leider nicht der Raum, diese Definition sich freilich um die bisher geführte Debatte zu genauer abzuklopfen, doch der leidig Einge- kümmern (wie es ja Gapski tut). Wirklich neu führte merkt sofort, dass hierbei mit etlichen und hinreichend präzise sind diese Dimensio- semantischen Vagheiten, wenn nicht Leerfor- nen (technische Kompetenz, Inhaltskompe- meln hantiert wird bis hin zu einem pauscha- tenz, Medienwissen, Gestaltungskompetenz, len normativen Anspruch („Lebensqualität Reflexionskompetenz, Verantwortung) daher verbessern“), der sich empirisch kaum einlösen sicherlich nicht, und da sie der Autor zudem lässt. Entsprechend fallen die vorgeschlagenen als Indikatoren für eine „professionelle Me- „Operationalisierungen“ vage aus, sie zählen dienkompetenz“ (S. 71) verstanden wissen will, nur auf, was eventuell möglich wäre, wenn fragt man sich, wie eine amateurhafte, mithin man messen wollte, ohne sich um die konkrete allgemeine Medienkompetenz oder eben eine Umsetzung zu kümmern. Mit Hinweisen auf von Kindern und Jugendlichen aussieht. weitere Verständnisse von Medienkompetenz Die hat vorrangig V. Timmerberg, wissen- und verwandte Leistungsmessungen (wie bei schaftliche Mitarbeiterin bei der Bundesverei- den PISA-Studien), also „ICT literacy“, „me- nigung kultureller Jugendbildung, im Blick; ihr dia literacy“, „information literacy“, „visual geht es um einen „Kompetenznachweis Kultur“, literacy“ bzw. „competence“, auf „Compu- der sich vor allem im „künstlerisch-kreativen ter-“, „Information-“ und/oder gar „Digital- Tun“ von Kindern und Jugendlichen äußern kompetenz“ öffnet der Autor selbst wieder die soll. Medienkompetenz sieht sie daher vorzugs- semantische Spielwiese, so dass er am Ende re- weise von der inhaltlichen Seite und hofft so, sümieren muss: „Die Medienkompetenz, die fit ihre zwangsläufig sehr offenen Verfahren für für die Wissensgesellschaft machen soll, ist ein den Nachweis kultureller Bildung auf die Über- Konstrukt eben dieser (Medien-)Gesellschaft“ prüfung der so gesehenen Medienkompetenz (S. 27). Und definiert, inhaltlich gefüllt, evalu- übertragen zu können. Schließlich beschäftigt iert oder gar gemessen, so muss man hinzufü- sich Dirk Schneckenberg, „project coordinator gen, wird sie jeweils unterschiedlich, aus den of the European eCompetence Initiative“ mit Perspektiven und nach den Interessen derjeni- Kompetenzanforderungen in den Hochschulen gen, die die Konstrukte generieren. aus internationaler Sicht, und zwar mit den E- Solche speziellen Sichtweisen werden in Kompetenzen der Lehrenden wie mit den in- den weiteren Beiträgen umrissen: D. Gnahs, stitutionellen Voraussetzungen von Seiten der

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Hochschulen. Das von ihm vorgestellte Kon- Martin Wessner untersucht in seiner interdis- zept von E-Competence fällt noch recht simpel ziplinär angelegten Dissertation mit Schwer- aus; es ist „the ability to use ICT in teaching and punkt in der Informatik, wie Lernkooperatio- learning in a meaningful way“ (S. 95), weshalb nen in virtuellen Lernumgebungen über Mo- er an komplexeren Modellen noch arbeiten will. dellierungen eines Systems unterstützt werden Die Evaluation der individuellen Kompetenz, können. Das Setting seiner Untersuchung ist die wiederum mit Methoden der Selbst- und ein typisches Fernlernszenario. Es geht ihm um Fremdeinschätzung erreicht werden soll, sieht er örtlich verteiltes Lernen Erwachsener in einer allerdings in einem unmittelbaren Zusammen- virtuellen Lernumgebung mit vorgegebenen hang mit den „standards that are set in specific Lernmaterialien, also um Fernlernkurse an der institutional contexts and conditions“ (S. 104), Universität oder in der Weiterbildung, die Teil- also mit den organisatorischen und sicherlich nehmer zu einem beliebigen Zeitpunkt buchen auch intentionalen Optionen der jeweiligen und individuell durcharbeiten können. Lehr- und Studierumwelten. Der innovative Ansatz seiner Arbeit besteht So schließt sich gewissermaßen der Kreis, darin, dass er die individuellen Lernprozesse selbst wenn das nahe liegende Fazit hier nicht der Fernlernenden durch die Unterstützung gezogen wird: Die intentionale wie inhaltliche punktueller Kooperationen, als kooperative Vielfalt, Spannweite und auch Heterogenität Episoden definiert, auf der Systemebene in schon des Begriffs, erst recht aber des Sachver- unterschiedlicher Form aktiv unterstützen haltes von Medienkompetenz, der sich mit den möchte. Mit der Einführung des Begriffs der technischen Entwicklungen, den soziokultu- kontextuellen Kooperation erweitert er den rellen Umständen und den subjektiven Mög- bislang auf die Produktionsphase von Kursma- lichkeiten ständig ändert, werden es schwerlich terialien eingeschränkten Untersuchungsfokus noch gelingen lassen, Medienkompetenz ein- auf die Modellierung kooperativer Prozesse heitlich und umfassend zu definieren und zu in der Lernphase und deren Verankerung im identifizieren. Wie bei allen anderen pädago- Kursverlauf. Ziel der Arbeit ist die Formulie- gischen Zielhorizonten, Lernfeldern und/oder rung didaktisch begründeter Gestaltungsanfor- individuellen Fähigkeiten darf der Bezug zum derungen zur Modellierung eines solchen Sys- konkreten Subjekt nicht fehlen, weshalb eine tems sowie die Durchführung und Evaluation gemeinsame Definition für Individuen wie für erster Implementierungen in unterschiedlichen soziale Organisationen bzw. Systeme scheitern Kontexten. muss. Wenn sich aber schon die Identifikation Aus einer didaktischen Analyse werden An- der realen Phänomene als recht schwierig her- forderungen an ein System abgeleitet. Übergän- ausstellt bzw. es sich erweist, dass es sich um re- ge zwischen individuellem, synchron koope- flexive Konstrukte handelt, die jene generieren, rativem und asynchron kooperativem Lernen die sie erreichen oder evaluieren wollen, dann sollen sowohl von den Autoren des jeweiligen werden simple Messungen nicht oder allenfalls Kursmaterials als auch von den Lernenden partiell gelingen, dann bedarf es komplexerer und Tutoren flexibel gestaltbar sein. Sowohl und sensiblerer Methoden – nämlich solcher, von den Lernenden ausgelöste, spontane Ko- die den so beschaffenen Untersuchungsberei- operationen als auch von den Kursautoren im chen angemessen sind. Der Band schließt mit Kursmaterial über Lernaufgaben verankerte, einer Aufstellung einschlägiger Projekte. intendierte Kooperationen sollen unterstützt Hans-Dieter Kübler werden. Das System soll die Bildung von Lern- gruppen erleichtern, Kooperationen durch die Vorgabe von Phasen oder Rollen strukturie- Martin Wessner ren sowie durch das Anbieten rollenspezifi- Kontextuelle Kooperation in virtuellen Lern- scher Ressourcen methodische Unterstützung umgebungen leisten. Die Orientierung an Standards von Lernobjekten und Lernumgebungen sowie an Lohmar: Eul, 2005. – 180 S. System- und Plattformunabhängigkeit muss (Schriften zu Kooperations- und Mediensys- die Offenheit eines entsprechenden Systems temen; 8) gewährleisten. ISBN 3-89936-416-3 Aufgrund einer Defizitanalyse aktuell ge- nutzter Systeme, klassifiziert nach unter-

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schiedlichen Ansätzen, entwirft Wessner sei- die zur Bildung selbst organisierter Lerngrup- nen konzeptionellen Ansatz. Für intendierte pen beitragen könnten. Lernende könnten kooperative Episoden leitet er didaktisch be- ihre Position im Kursverlauf, verbunden mit gründete Beschreibungsparameter ab. Bei der aktuellen Fragen, für andere sichtbar machen Erstellung kooperativer Lernaufgaben werden und so Kooperationen anbieten. Aus didakti- diese Parameter, zum Beispiel die Wahl eines scher Sicht wurden in den Evaluationen zum didaktischen Modells, der Gruppengröße, der einen das Problem der Transparenz und Nach- Bearbeitungszeit oder der Werkzeuge und vollziehbarkeit der Modi bei der Bildung von Medien, vom Kursautor eingegeben und vom Lerngruppen, zum anderen die Frage der Fle- System mit bestimmten Ausführungsskripten xibilität in der Steuerung von Kooperationen verknüpft. Über Hyperlinks sind die Skripte aus der Perspektive der Lernenden deutlich. mit der Aufgabenstellung an der vorgesehenen Da es sich um erwachsene Lernende handelt, Stelle im Kursmaterial verankert. ist mit Widerständen seitens der Lernenden bei Aus der Sicht eines Lernenden gestaltet sich einer starr vorgegebenen Strukturierung durch die Systemunterstützung beim Erreichen einer einen Kursautor zu rechnen. Hier wäre ein kooperativen Lernaufgabe folgendermaßen. Strukturierungsvorschlag sinnvoll, der von den Nach Start der Suchanfrage werden zunächst Lernenden übernommen oder bei Bedarf selbst mögliche Kooperationspartner über zur Ver- geändert werden kann. fügung stehende Kommunikationsdienste an- Kritisch anzumerken bleibt, dass in der Ar- gefragt. Bei positiver Antwort wird eine Lern- beit eine Orientierung an lehrerzentrierten In- gruppe gebildet und vom System über die Para- struktionsformen überwiegt, in deren Kontext meter, die mit der Aufgabe gespeichert wurden, die erwähnten didaktischen Probleme zu se- Strukturierungshilfen zur Verfügung gestellt. hen sind. Lerntheoretische, konstruktivistisch Hier kann zum Beispiel ein Brainstorming mit orientierte Überlegungen, zum Beispiel stär- zwei Kooperationspartnern, eine Pro-/Kont- ker selbst organisierte Lernformen, oder eine ra-Diskussion mit einem Partner oder ein kritische Betrachtung der fernlehrtypischen Beratungsgespräch zwischen Lernendem und Rollenaufteilung in Kursautoren, Tutoren und Tutor angelegt sein. Bei allen Beteiligten wird Lernende mit entsprechenden Folgen für die der vom Autor gespeicherte Kommunikati- Lernprozesse werden nicht aufgegriffen. Die- onsdienst gestartet und das Format der Bear- se Orientierung ist durch den Bezug auf das beitung vorgelegt. Das Anlegen eines Formats Berliner Modell des Unterrichts angelegt, ein für eine Bewertungsabfrage des Arbeitsergeb- für den Schulunterricht entwickeltes Modell, nisses oder Gruppenprozesses ist mitgedacht. und bekräftigt in der Entscheidung, Ziel und Die Ergebnisse werden bei allen beteiligten Inhalt als Entscheidungsfelder des Modells aus Gruppenmitgliedern abgespeichert, eventuell der Betrachtung herauszunehmen und sich auf auch eine Anfrage an einen Tutor gestartet, der die Entscheidungsfelder Methode und Medium eine Bewertung durchführen soll. zu konzentrieren. Trotz der lerntheoretisch be- Schwachstellen des Systemkonzepts, das bis- gründeten Kritik bleibt festzustellen, dass Mar- lang nur in Ansätzen im Realbetrieb in Evalua- tin Wessner mit der konzeptionellen Entwick- tionskontexten mit Experten in der Rolle der lung der Unterstützung kooperativer Episoden Lernenden getestet wurde, werden vom Au- durch ein System in virtuellen Lernumgebungen tor aufgegriffen und diskutiert. Sie betreffen ein Ansatz gelungen ist, der einen interessanten sowohl organisatorische als auch didaktische Forschungsbeitrag zur Erweiterung individuel- Fragen, die sich erst in realen Nutzungsszena- ler Lernprozesse in Fernlernkursen leistet. rien stellen werden und die Weiterentwicklung Marianne Merkt eines entsprechenden Systems voraussetzen. So wirft die Organisation von Fernlernkursen die Joan Kristin Bleicher/Bernhard Pörksen Frage nach den erforderlichen Teilnehmerzah- (Hrsg.) len auf, die beim Erreichen einer kooperativen Episode geeignete Kooperationspartner ge- Grenzgänger währleisten können. Auch wenn Wessner eine Formen des New Journalism aktive Unterstützung durch das System favori- siert, wären passive Werkzeuge zur Gruppen- Wiesbaden: VS, 2004. – 443 S. wahrnehmung eine interessante Ergänzung, ISBN 3-531-14096-5

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Genau zehn Jahre nach Einstellung des Maga- Fall die Auseinandersetzung über Schein und zins Tempo kündigt die Süddeutsche Zeitung Realität in den Medien erneut ins Rollen und das Vorhaben des ehemaligen Chefredakteurs ließ einen mancherorts nach wie vor florieren- Markus Peichl an, im November 2006 unter den, vom New Journalism als naiv kritisierten Beteiligung ehemaliger Mitstreiter eine Jubi- Objektivitätsbegriff wiederaufleben. läumsausgabe der Zeitschrift herauszubringen Vor diesem Hintergrund erscheint die in (vgl. Renner, 2006). Diese verstand sich zu ihrer dieser Sammlung geleistete umfangreiche Aus- Zeit als wichtigstes Organ eines erzählerischen einandersetzung mit den „Grenzgängern“, und radikal subjektiven New Journalism in die jenseits des Dualismus von Dichtung und Deutschland, der sich von einem als anachro- Wahrheit agieren, umso wichtiger. Sie eröffnet nistisch empfundenen Informationsjournalis- neue Perspektiven auf einen Journalismus, der mus abzugrenzen versuchte. Obwohl es bei laut Pörksen „eine Reihe von gattungs- und einer einmaligen Ausgabe bleiben soll, könnte erkenntnistheoretischen, wissenschafts- und das publizistische Revival die Debatte um das fachpolitischen Fragen [provoziert], die in der viel diskutierte Verhältnis zwischen Fakten Mediengesellschaft und in der Kommunikati- und Fiktionen und die ambivalente Allianz ons- und Medienwissenschaft der Gegenwart von Journalismus und Literatur wiederauffla- eine besondere Relevanz besitzen“ (19). ckern lassen. Denn – darauf wird in den Bei- Der Band gliedert sich in insgesamt vier Ab- trägen des von Joan Kristin Bleicher und Bern- schnitte. Im Anschluss an die beiden Vorwor- hard Pörksen herausgegebenen Sammelbands te von Bernhard Pörksen („Das Problem der „Grenzgänger“ mehrfach hingewiesen – die Grenze“) und Joan Kristin Bleicher („Inter- Integration literarischer Narrationsmuster in medialität von Journalismus und Literatur“), journalistische Verfahren ist keineswegs neu. in denen einführend über Hybridformen und Sie blickt auf eine lange Tradition zurück, deren Zwitter im Journalismus- und Literaturbetrieb Wurzeln im literarischen Journalismus des 19. und deren inhaltsprägende Bedeutung für die und 20. Jahrhunderts mit seinen Vertretern wie Textwahrnehmung reflektiert wird, stehen im Mark Twain, Ernest Hemingway und Antoine zweiten Teil die theoretischen und historischen de Saint-Exupéry zu verorten sind. Das diesem Hintergründe des New Journalism zur Diskus- Band zugrunde liegende Konzept des New sion. Gleich zu Beginn liefert Hannes Haas in Journalism bezieht sich aber hauptsächlich „Fiktion, Fakt & Fake?“ einen umfassenden auf das Schaffen jener New Yorker Journalis- Überblick über verschiedene Begriffsauslegun- tengruppe, die sich in den 1960er Jahren ei- gen, literarische Vorläufer und gesellschaftliche ner „Symbiose aus klassischer journalistischer Kontexte der „neujournalistischen Bewegung“ Recherche und literarischen Schreibtechniken (46) der 1960er und 1970er Jahre. Als deren in Kombination mit einem spezifischen The- zentrale Verfahren identifiziert Haas in Anleh- men- und Autorenprofil“ (Pörksen: 19) ver- nung an Wolfe „Subjektivität, Interpretation schrieben hatte. Zu dieser Zeit lässt sich eine und Intensivrecherche“, also ein Eintauchen in Verdichtung des Phänomens feststellen, dessen die Story, das über das bloße Sammeln von Da- intensive Präsenz sich nicht nur der Prominenz ten und Fakten hinausgeht und journalistische solch schillernder Figuren wie Tom Wolfe und Qualität durch die Nachvollziehbarkeit der anderer verdankte, sondern auch, worauf Pörk- Zusammenhänge zu gewährleisten versucht. In sen hinweist, der Aktualisierung einer immer „Fakten und/oder Fiktionen“ zeigt der histori- wieder geführten Diskussion um „das Problem sche Abriss von Dieter Roß entlang exemplari- der Grenze“. In Deutschland konnte der New scher Biografien, wie die eines Friedrich Schil- Journalism erst in den 1980er Jahren, vor allem lers oder Heinrich Heines, die Veränderungen mit dem Erscheinen von Tempo, eine institu- des Wechselverhältnisses zwischen literarischer tionelle Verankerung finden. Der Skandal um und journalistischer Produktion. Tom Kummer und die medienwirksame Ent- Ausgehend von der Überlegung, dass Fak- larvung seiner im SZ Magazin erschienenen ten allein nicht ausreichen, um eine Materie gefälschten Interviews brachten ihm spätestens erkenntnisgewinnend zu durchdringen, stellt Ende der 1990er Jahren einen negativen Beige- Elisabeth Klaus in ihrem Beitrag „Jenseits der schmack ein. Auch wenn Kummer selbst seine Grenzen“ die Dichotomie von Fakten und Fälschungen unter dem Begriff des „Border- Fiktionen in Frage. Dass beide aufeinander line-Journalismus“ subsumierte, brachte der bezogen und angewiesen sind, zeigt sich etwa

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daran, dass der lateinische Begriff „fictio“ so ten Charakterstudien dreier polarisierender viel wie „Formung, Bildung und Gestaltung“ Figuren des New Journalism, deren kreatives bedeute (115). Demnach seien die subjektiven Schaffen in den Bezugrahmen eines bestimm- Auslegungen und erzählerischen Eingriffe des ten, selbst definierten Rollenverständnis ge- New Journalism nichts anderes als notwendi- stellt wird. Während für das Werk eines Tom ger und legitimer Bestandteil journalistischer Wolfes die Selbstinszenierung als Provokateur Berichterstattung – zumindest solange, wie sie und Dandy bestimmend war, fügt sich Joan Di- den Leserinnen und Lesern gegenüber expli- dion dem Skript einer leidenden und hypersen- zit offen gelegt werden. Joan Kristin Bleicher siblen Diva, dessen Authentizität vor dem Hin- leistet in ihrem Beitrag „Sex, Drugs & Bücher tergrund der kurz aufeinander folgenden Tode schreiben“ eine systematische Analyse der von Ehemann und Tochter ein neues Ausmaß Grenzgänge zwischen Literatur und Journa- erhalten hat (vgl. Streck, 2006). Als Dritter im lismus. Ihre ausführlichen, anhand prägnanter Bund perfektioniert Hunter S. Thompson die Textbeispiele veranschaulichten Erläuterungen Rolle eines journalistischen Outlaws, dessen zu Erzählperspektiven, Schreibweisen und Drogen- und Waffen-Eskapaden die Richtung Darstellungsmitteln von Literatur, „Popjour- seiner Texte vorgaben. Die Machenschaften nalismus“ (127) und New Journalism thema- von Tom Kummer in ihrer ganzen Bandbrei- tisieren vor allem den Einfluss verschiedener te stellt Günter Reus in seinem Beitrag „Mit Realismuskonzepte, auf die sich die Textstruk- doppelter Zunge“ dar, der sich auch mit ihrer turen beziehen und die Bleicher als Anpassun- diskursiven Verarbeitung in den Medien aus- gen an visuelle Beschreibungsformen versteht. einandersetzt. Kummer taucht aber beiläufig in Aus systemtheoretischer Perspektive nimmt fast allen Beiträgen auf, denn er dient als Kon- sich Niels Werber des Themas an und konzen- trastfigur, um darauf aufmerksam zu machen, triert sich in „Factual Fiction“ insbesondere auf dass der New Journalism sich gerade nicht die Differenzierungsprobleme, die durch den als bewusste Täuschung der Erwartungen des New Journalism aufgeworfen werden, denen Publikums an ein bestimmtes Genre versteht. sich aber dadurch begegnen lasse, dass man sich Dirk Franks Beitrag „Generation Tristesse“, auf ihre gleichermaßen unterhaltende Funktion eine umfassende Werkanalyse der als „Poplite- und den jeweiligen Beitrag zur Herstellung ei- raten“ gefeierten Jungautoren Christian Kracht nes gesellschaftlichen Gedächtnisses besinnt. und Benjamin von Stuckrad-Barre, bildet den Weil New Journalism mit den Persönlichkei- Abschluss dieses Teils. Frank setzt sich dabei ten, die ihn hervorgebracht haben, untrennbar insbesondere mit den Verschränkungen zwi- verbunden ist, widmet sich der dritte Abschnitt schen den Romanthemen und den zum Teil des Bandes den Porträts zentraler, stilprägender stark selbstreferentiellen, nicht-fiktionalen und Verfechter der Gattung. Zu diesen Beiträgen journalistischen Texten auseinander, die die im gehört Hans J. Kleinsteubers „Tom Wolfe und Kontext einer „Gegengegenkultur“ (278) zu der Mythos vom New Journalism“. Nach einer lesenden Schreibstrategien der beiden Autoren ausführlichen Darstellung der journalistischen kennzeichnen. und literarischen Karriere dieser Galionsfigur Im Fokus des vierten und letzten Teils stehen des New Journalism gelangt Kleinsteuber zu einzelne Milieus des New Journalism. In „Die dem ernüchternden Fazit, dass Wolfes Schlüs- Tempojahre“ beschreibt Bernhard Pörksen selrolle im Wesentlichen als das Produkt ge- den publizistischen Werdegang des Magazins, schickter Marketingstrategien zu sehen ist und das während seiner knapp zehnjährigen Exis- seine Bedeutung für das Verständnis des Jour- tenz dem New Journalism ein Zuhause bot, nalismus in den USA überschätzt werde. Wol- und geht vertiefend auf dessen Leitprinzipien fe habe seine Profilierung im New Journalism und Programmatik ein. Ralf Hohlfeld verfolgt nur dafür genutzt, sich im Literaturbetrieb als in „Der schnelle Marsch durch die Institutio- Romanautor zu etablieren; die wahren Grenz- nen“ die Spuren eines deutschen New Jour- überschreitungen zwischen Literatur und nalism und erörtert die wirtschaftlichen und Journalismus verortet Kleinsteuber in anderen publizistischen Voraussetzungen für dessen Genres, wie etwa dem Campus-Roman oder Diffusion in etablierte Printmedien. Im Kon- dem „Medienthriller“. text verschiedener Transformationsprozesse In „Dandy, Diva & Outlaw” liefern Stephan habe sich dieses Konzept zeitweise vor allem Porombka und Hilmar Schmundt die prägnan- in prestigeträchtigen Publikation wie Magazin-

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Beilagen und Supplements wiedergefunden, die gazin proklamiert wurde. Erhellend wäre hier sich den New Journalism-Stil mit dem Ziel des sicherlich gewesen, hätte Neuberger noch wei- Distinktionsgewinns zu Eigen gemacht haben. tere Online-Areale sichtbar werden lassen, in Gianluca Wallisch geht in „Gehetzte Erben, denen sich künftig ein ganz neuer Journalismus hektische Epigonen“ den Ausprägungen des ansiedeln könnte. New Journalism im amerikanischen und eng- In ihrem weiten Spektrum zeichnet die lischen Magazinjournalismus nach, die dessen vorliegende Aufsatzsammlung ein beeindruk- enge Anbindung an Medieninstitutionen deut- kend konturiertes und differenziertes Bild von lich machen. Wo aber einst die Heimat dieses Journalismus, das jenseits von arrivierten Vor- Phänomens zu finden war, haben mittlerweile stellungen über traditionelle Gattungen, Be- aufwändige Visualisierungsstrategien dessen richterstattungsmuster und Nachrichtenwerte Platz übernommen. Die Ausläufer des New ansetzt. Dem Anspruch, den Gegenstand aus Journalism sind als „Spielvariante“ (389) daher verschiedenen Perspektiven interdisziplinär eher in den etablierten tagesaktuellen Medien zu beleuchten, wird der Sammelband durch- zu finden. aus gerecht. Auch wenn die Vorbemerkung auf In den beiden abschließenden Beiträgen wird mögliche Wiederholungen entschuldigend hin- das Konzept des New Journalism in die Welt weist, die Vermeidung einiger Redundanzen im der audiovisuellen und digitalen Medien über- Hinblick auf die Person Tom Wolfe, die Affäre führt – eine Grenzüberschreitung, die insgesamt Tom Kummer oder bezüglich der sich wieder- vielleicht noch etwas stärker in den Blickpunkt holenden Definitionsversuche des New Jour- hätte gestellt werden können. Margret Lünen- nalismus als Gegenkonzept zum so genannten borgs Beitrag „Regime der Wahrheit“ macht Informationsjournalismus hätten der fundier- deutlich, dass das televisuelle Pendant des ten Auseinandersetzung mit dem Phänomen New Journalism in der Docu-Soap zu finden sicherlich nicht geschadet. Eine mögliche Er- sei. Auch wenn das Genre anderen Produkti- weiterung hätte der Band durch die stärkere onsbedingungen unterliegt, weist es aufgrund Integration einer interkulturellen Perspektive seiner gleichermaßen starken Publikumsorien- jenseits der USA, Englands und Deutschlands tierung sowie der für sie typischen Charakteris- erfahren können oder indem er den Blick noch tika wie „Alltagsnähe, zentrale Bedeutung der mehr über die Grenzen des Printjournalismus Protagonisten in ihrem sozialen Kontext, nar- hinaus hätte schweifen lassen. rative Vermittlung sozialer Wirklichkeit mittels Abschließend sei noch kritisch angemerkt, Erzähltechniken fiktionaler Formen“ (410) die dass sich das hier zugrunde liegende Verständ- größte Nähe zu einem erzählerischen und ‚eth- nis von New Journalism durch die Wahl des Ti- nographischen’ Journalismus auf. Christoph tels selbst an den Rand von Journalismus stellt, Neuberger setzt in seinem Beitrag „Grenzgän- anstatt programmatisch einen Platz in der Mitte ger im World Wide Web“ eine Definition von zu beanspruchen. Dabei deuten nicht nur die New Journalism voran, die noch einmal unter- theoretischen Überlegungen von Klaus und die streicht, dass dieses Berichterstattungsmuster Spurensuche von Wallisch an, dass die Formen innerhalb der auch für den Nachrichtenjour- und Ausprägungen des New Journalism längst nalismus geltenden Regeln agiert. Subjektivität zu einem festen Bestandteil des tagesaktuellen bedeute nicht, dass der New Journalism im Informationsjournalismus avanciert sind und erkenntnistheoretischen Sinn gegen eine Ob- keineswegs mehr nur in einem ‚halblegalen’ jektivitätsnorm verstoße oder den Bereich des Grenzgebiet verharren. Geltenden verlasse. Er wage sich vielmehr in Corinna Peil Regionen vor, in denen Erkenntnis schwieriger Literatur: ist als im Informationsjournalismus, weshalb er eine umso intensivere Recherche und Genau- Renner, Kai-Hinrich (2006): Strich und Punkt. igkeit verlange. Neuberger sucht nach Adap- „Tempo“ kehrt zurück – mit einer Jubilä- tionen dieses Stils im Internet, stößt dabei aber umsjubelnummer. In: Süddeutsche Zeitung, lediglich auf Versatzstücke und Verweise und Nr. 230, 06.10.2006, S. 19. nicht auf einen durch die erweiterten techni- Streck, Michael (2006): Schreiben gegen den schen und intertextuellen Möglichkeiten des Schmerz. In: Stern, Nr. 38, S. 228. Internets angeregten „Way New Journalism“, wie er von Joshua Quittner im HotWired-Ma-

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Bettina Hurrelmann/Susanne Becker/Irm- Situationen und Handlungsmuster beschrieben gard Nickel-Bacon werden, auf die hin die gewaltige Datenmenge datenbankgestützt ausgewertet wurden. Lesekindheiten Um die Fülle an Fragedimensionen und ent- Familie und Lesesozialisation im historischen sprechend die Menge der beteiligten Diszipli- Wandel nen angemessen zu berücksichtigen, brauchte es Unter Mitarbeit von Sabine Elias, Gabriele ein Mehrebenen-Modell von Lesesozialisation, von Glasenapp, Özen Odag, Susanne Graf das in dem Band eingangs entfaltet wird. Hier und Corinna Rossbach zeigen sich die Früchte der interdisziplinären Weinheim, München: Juventa, 2006. – 413 S. Zusammenarbeit in dem DFG-Schwerpunkt- programm „Lesesozialisation in der Medienge- ISBN 3-7799-1357-7 sellschaft“, in dessen Rahmen das Projekt über Es ist ein außerordentlich ambitioniertes Pro- sechs Jahre gefördert wurde. Die im Schwer- jekt, dessen Ergebnisse im vorliegenden Band punktprogramm erarbeitete theoretische Rah- präsentiert werden: Für drei historische Epo- mung von Lesesozialisation5 konnte für die chen – die Biedermeierzeit um 1830, die Kai- vorliegende Studie nutzbar gemacht werden serzeit um 1900, den Eintritt in die Medien- und den detaillierteren Analysen der drei his- gesellschaft um 1980 – wird die Lese- bzw. torischen Zeiträume und der Erforschung ih- Mediensozialisation im familiären Rahmen als rer prototypischen Vermittlungssituationen jeweils kultur- und zeitspezifisches Muster der als Theoriegerüst dienen. Die je persönliche Enkulturation der nachwachsenden Generation Lesegeschichte der kindlichen Individuen, so in die Schriftkultur beschrieben und gewisser- die zentrale Annahme der vorliegenden Studie, maßen im Querschnitt miteinander verglichen. entfaltet sich in Interaktion mit Erwachsenen, Es geht also um den Wandel familiärer Lese- vornehmlich der Mutter, innerhalb präformier- sozialisation mittels dreier historischer „Au- ter kultureller Kontexte als soziale Ko-Kon- genblickaufnahmen“. Dafür wurden von der struktion. Auf der gesellschaftlichen Ebene mit Kölner Forschungsgruppe um Bettina Hurrel- ihrer historisch spezifischen Sozialstruktur und mann für jede der drei historischen Situatio- ihrem jeweiligen Mediensystem entsteht eine nen drei Datenquellen im Blick auf familiäre Situationslogik, innerhalb derer sich Familien- kindliche Lesesozialisation ausgeleuchtet: Das kulturen formieren, an die Erziehungsnormen, sind zum einen zeitgenössische Erziehungsrat- Aufgaben, Medien usw. herangetragen werden. geber (etwa 70 pro Epoche), dann die jeweilige Konkrete Familien wählen nach der Logik der Kinderliteratur (etwa ebenso viele Titel), und Selektion daraus aus, woraus wiederum eine schließlich wird auf autobiographische Zeug- binnenfamiliäre Situationslogik entsteht, inner- nisse zurückgegriffen – für die ersten beiden halb derer sich die Interaktionen auf der Ebene Epochen sind das Autobiographien (etwa 100 der Individuen entfalten. Dieses in sich bereits bzw. 220), für die letzte wurden solche Rück- komplexe Mehrebenenmodell der Lesesozia- blicke über Fragebögen an 145 junge Erwach- lisation wird für alle drei Untersuchungszeit- sene, deren Kindheit in die 1980er Jahre fiel, räume sowohl auf die Rekonstruktion von Fa- erhoben. Im Zentrum des Interesses der Studie milienstrukturen als auch auf die spezifischen stehen die Muster der lesesozialisatorischen Muster der familiären Einführung in Lesekul- Interaktionen von Eltern und Kindern in den tur umgelegt und gewissermaßen durchdekli- jeweiligen historischen Zeiträumen auf der niert: Für jeden der Untersuchungszeiträume Basis der Medienangebote sowie der Normen wird zunächst unter Rückgriff auf sozial- und und Aufgaben, die an die Familie herangetra- mentalitätsgeschichtliche, bildungsgeschichtli- gen wurden, und zwar im Blick auf drei Phasen che und kinderliteratur- und medienhistorische der kindlichen Lesesozialisation: der prä- oder Forschung die „Logik der Situation“ beschrie- paraliterarischen Interaktionen mit Kleinkin- ben, also die Makroebene der gesellschaftlichen dern, z. B. dem Vorlesen, Singen, Geschichten- Kultur im Hinblick auf Familie, Geschlechter- Erzählen usw., dann der Alphabetisierung und ordnung, Bildungssystem usw. Im Anschluss schließlich der selbstständigen Kinderlektüre. Im Ergebnis können für bürgerliche bzw. eine 5 Vgl. Groeben, N.; Hurrelmann, B. (Hrsg.): Lese- breite Mittelschicht historisch jeweils differen- sozialisation in der Mediengesellschaft. Ein For- te und doch in einigen Grundzügen konstante schungsüberblick. Weinheim, München: Juventa 2004. 688

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daran werden die Quellen ausgewertet unter eines Kulturmusters entfalten, das sich zu Be- der Perspektive der Familiarität, also mit Blick ginn des 19. Jahrhunderts mit dem Bürgertum auf die Rollenstrukturen, Handlungsmuster, etablierte und zu Beginn des 2. Jahrtausends Erziehungsnormen, Medienoptionen usw., die mit der Differenzierung des Medienangebots die Familienkultur der jeweiligen Epoche cha- von hoher Aktualität ist. rakterisieren. In einem dritten Schritt werden Cornelia Rosebrock die Quellen erneut gesichtet im Hinblick auf die Individualebene der konkreten lesesozia- Bernhard Pörksen lisatorischen Interaktionen, die sie realisieren (sollen) – wobei die Daten jeweils in ihrem Die Beobachtung des Beobachters diskursiven Eigencharakter als normative Eine Erkenntnistheorie der Journalistik Texte (Erziehungsratgeber), literarästhetische Texte (Kinderliteratur) bzw. lebensgeschicht- Konstanz: UVK, 2006. – 362 S. liche Selbstdarstellungen (Autobiographien) ISBN 3-89669-581-9 berücksichtigt und als heterogene miteinander abgeglichen werden. 1. In der Diskussion über die Einführung von Die Studie gewinnt ihre Validität und Re- BA- und MA-Studiengängen, die von ver- spekt einflößende Systematik aus der Strenge, kürzten Studienzeiten und einer forcierten mit der der Theorierahmen expliziert, begrün- Praxisorientierung ausgeht, hat das Thema des det und gefüllt wird. Immer wieder verorten Verhältnisses von Theorie und Praxis, das im sich die einzelnen Kapitel in dem Mehrebe- Journalismus wie in der Journalistik seit jeher nenmodell und seiner komplexen, aber trans- Konjunktur gehabt hat, eine neue Wendung er- parenten Logik. Das bewirkt in der Gesamt- fahren. Kann man sich, so die Frage, intensive architektur des vorliegenden Buches auch Re- Beschäftigung mit Theorien unter dem Zeit- dundanzen und bisweilen Explikationen auf druck der neuen Studiengänge überhaupt noch hohem Abstraktionsgrad, stellt aber doch erst leisten? Die Antwort, die der Autor in diesem den Vergleich der historisch weit auseinander Buch erarbeitet, lautet eindeutig: Man muss sie liegenden mediensozialisatorischen familiären sich leisten, wenn man eine verantwortbare Interaktionen auf solide Füße. Zugleich orien- Journalistenausbildung anbieten will. Um die- tiert diese Systemstrenge den Leser/die Leserin se Antwort plausibel zu machen, konzentriert immer, in welchem Kontext und mit welchem sich das Buch auf zwei Schwerpunkte, und Ziel der vorliegende Abschnitt dem Gesamt- zwar auf eine Erkenntnistheorie der Journalis- kontext zuzuordnen ist. Ihre Faszination ent- tik sowie auf eine Theorie der Journalisten- faltet die Studie im Gegensatz dazu in den an- ausbildung. Als theoretische Referenz dienen regenden und hoch verdichteten Darstellungen dabei Argumentationsangebote, die pauschal von Detailmomenten: Wie sich der häusliche unter dem Label „Konstruktivismus“ zusam- Leseunterricht durch die Mutter um 1830 zu mengefasst werden. vollziehen hatte und wie er sich wohl vollzog, Angesichts der Beobachtung, dass es keine dass um 1900 die literarische Genussfähigkeit einheitliche Theorie des Konstruktivismus gibt, auf der kinderliterarischen Agenda steht und sondern eine Fülle durchaus auch divergieren- wie in den unterschiedlichen Datenquellen – der Ansätze, tut der Autor gut daran, diejeni- Erziehungsratgeber, Kinderliteratur, Autobio- gen Argumentationsstränge zu bestimmen, die graphien – dieser Anspruch an Boden gewinnt, er seinen Überlegungen zugrunde legen will. oder wie das „emanzipatorische Reformpro- Dieses nicht eben leichte Vorhaben gelingt ihm jekt Kinderliteratur“ um 1980 bei aller kultur- deshalb überzeugend, weil er in den letzten revolutionären Rhetorik auf doch in vielerlei Jahren mit allen führenden Vertretern „des“ Hinsicht konventionelle Familienstrukturen Konstruktivismus intensive und in Buchform Eingang fand und die Medienlandschaft der dokumentierte Gespräche geführt hat und damaligen Kinder mit bestimmte. Die Studie ist darüber hinaus die Schriften der Autoren im reich an komprimierten, thematisch konzen- Diskurs des Konstruktivismus genau kennt trierten Unterkapiteln, die anschaulich überra- und einordnen kann. Die Argumentationsvari- schende und beeindruckende Details aus dem ante, für die sich der Autor dann entscheidet, Themengebiet der historischen Lesesozialisa- kennzeichnet er als „diskursiven Konstrukti- tion bieten und in ihrer Summe die Konturen vismus“, den er nicht als neues Paradigma, als

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Denkschule oder Meta-Dogmatismus einord- Expertentum prägt konsequenter Weise seine net, sondern als Spiel mit Beobachtungsvari- Vorschläge für eine kritische Journalistenaus- anzen, die in erster Linie Irritationen erzeugen bildung, die zwei Grundsätze umzusetzen sollen, die sowohl in der Journalistik als auch versucht: die Respektierung jedes einzelnen in der Journalistenausbildung theoretisch und Menschen und den Übergang von einer In- praktisch genutzt werden können und sollen. struktionsdidaktik zu einer Ermöglichungs- 2. Die Denkfiguren konstruktivistischer und Irritationsdidaktik, die sich so weit wie Diskurse, deren sich der Autor bedient, sind möglich an dialogischen Formen orientieren rasch zusammengestellt: Es geht um den soll. Konstruktivistische Dozenten, so der Ver- Übergang von ontologischen Was-Fragen zu fasser, sollen sich an fünf Rollenbildern orien- prozessorientierten Wie-Fragen, um die strik- tieren: am sokratischen Mäeuten, am Modera- te Berücksichtigung des Beobachters, auf den tor, am Forscher bzw. Leiter einer Expedition, alle Aussagen zurückgeführt werden müssen, an der Ironikerin und am Irritationsagenten. In um den dadurch plausiblen Abschied von ab- diesen Rollen sollen sie den angehenden Jour- soluten Wirklichkeits-, Wahrheits- und Wert- nalistinnen Kontingenzbewusstsein vermitteln, vorstellungen, sowie um ein intensives Inter- nicht um ihnen einen Freibrief für Willkür und esse an Differenz, Autologie, Paradoxien und Beliebigkeit auszustellen, sondern um ihnen Selbstreferenz. Akzeptiert man diese Umori- einsichtig zu machen, dass sie angesichts plu- entierung traditionellen realistischen wie idea- raler Wirklichkeitskonstruktionen jedes Ein- listischen Denkens, dann ergeben sich daraus zelnen, die nur durch kulturelle Konventionen erhebliche Konsequenzen für Theorie und Pra- miteinander kompatibel gemacht werden, die xis des Journalismus. Diese reichen von einer Verantwortung für die von ihnen erstellten Me- Sensibilisierung für die Implikate der jeweils dienwirklichkeiten übernehmen müssen. Dazu benutzten Sprache(n) der Journalisten über gehört, dass angehende Journalisten zum einen medienepistemologische Neubewertungen des die epistemologischen Voraussetzungen ihres Verhältnisses von Ereignis und Nachricht, Me- Handelns kennen lernen und die Konsequen- dienwirklichkeit, Gattungen und Ordnungs- zen daraus ziehen; dazu gehört zweitens, dass muster, Objektivität und Authentizität bis zu sie ihr medienspezifisches Handwerkszeug ethischen Sensibilisierungen hinsichtlich der beherrschen lernen; dazu gehört drittens, dass Eigenverantwortung und Entscheidungsfrei- sie die ethischen Paradoxien ihres Handelns heit von Journalisten im Kontext ökonomisch zwischen Wahrheitsanspruch und Kontin- dominierter Redaktionspraxen. genzbewusstsein einzusehen und zu bewälti- Bei der Behandlung all dieser Fragen tritt gen lernen. der Verfasser nicht als Experte mit Wahr- 4. Pörksens Buch überzeugt konstruktivis- heitsanspruch auf, sondern als jemand, der tisch interessierte Leser und Leserinnen und mit seinem Denkstil (sensu L. Fleck) um das wird viele neue Interessenten dieser Denkwei- Interesse seiner Leserinnen wirbt, Denk- und se gewinnen. Der Autor vermittelt zwischen Bebachtungsangebote unterbreitet und das Gegensätzen im Diskurs der Journalistik, weil Für und Wider verschiedener Positionen ohne er die gegnerischen Positionen gelesen hat und Voreingenommenheit diskutiert. Mit dem Ziel, fair behandelt, was man von vielen anderen Handlungsvollzüge in Beobachtungsgegen- Autoren nicht gerade behaupten kann. Er zeigt stände zu transformieren und Handlungsal- sich geduldig im Aushalten von Unwissen, Pa- ternativen sichtbar zu machen (S. 251), löst er radoxien und unbeantworteten bzw. unbeant- den Anspruch ein, der im Titel seines Buches wortbaren Fragen. Hinter seinen Überlegun- enthalten ist: die Beobachtung des Bebachters, gen steht deutlich erkennbar immer die Frage, also die Beobachtung zweiter Ordnung, die un- wozu die theoretischen Überlegungen in der weigerlich die Kontingenz allen Handelns und Praxis führen und ob diese Konsequenzen wis- Kommunizierens visibilisiert, und die gerade senschaftlich und ethisch vertretbar sind. die Bewohner von Medienkulturgesellschaften Ein Buch, kurzum, das zur richtigen Zeit er- als tägliche Erfahrung erleben. scheint und allen angehenden wie allen prakti- 3. Die mit der von ihm vertretenen Er- zierenden Journalisten wie Journalistikerinnen kenntnistheorie verbundene Entscheidung für ohne Einschränkung zu empfehlen ist. Pluralismus, kognitive Autonomie, Prozesso- Siegfried J. Schmidt rientierung, Differenz und Relativierung von

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Ulrike Schwab wieder erwähnt, aber eine theoretische Fundie- rung dieser Problematik bleibt aus. Das ist kein Erzähltext und Spielfilm Zufall. Die Arbeit vermeidet Theoriedebatten Zur Ästhetik und Analyse der Filmadaption absichtlich. Ihr Generalvorwurf an die bishe- Berlin: Lit, 2006. – 388 S. rigen Forschungen zur Adaptionsproblematik, die sie insgesamt stark simplifizierend referiert, (Reihe Geschichte, Zukunft, Kommunikation; lautet, dass in diesen Forschungen „die theo- 4) retische Herleitung alles, der konkrete Befund ISBN 3-8258-9057-0 fast nichts“ bedeute. Eine solche Einschätzung (Zugl.: Halle: Univ., Habil.-Schrift, 2004) übersieht – und das ist ein Mangel dieser Studie –, dass Aussagen über Spielfilme ebenso wie über Das Resümee dieser voluminösen Studie be- Filme nach literarischen Vorlagen ohne theo- ginnt mit dem Satz: „Die vorliegende Arbeit retische Fundierung auf einer rein deskriptiven nahm ihren Weg über diverse Positionen des Ebene verbleiben. Das mag man gerade noch wissenschaftlichen Diskurses.“ Es folgt eine akzeptieren, wenn es um konkrete Fallbeispiele Aufzählung, die nicht alle Themen, die ange- geht, wenn Materialien zusammengetragen und sprochen werden, nennt, die aber gleichwohl ausgewertet werden, aber das führt nicht weit, anzeigt, dass das thematische Spektrum, das wenn man sich einem theoretisch so komplexen die Verfasserin verfolgt hat, äußerst umfang- Problem nähert, wie es das Thema der Adaption reich ist. Die Studie, so heißt es weiter, verhan- nun einmal ist. Das wird z. B. deutlich, wenn die delt „die kommunikationstheoretische These, Verfasserin aus Anleitungen zum Drehbuch- dass sich Information beim Transfer (material) schreiben Regeln für die „dramaturgische Be- transformiert und je kompatible Kommunika- arbeitung des Erzählstoffes“ ableitet. Die ganz tionssysteme bedingt“. In diesen Zusammen- unterschiedlichen Diskurszusammenhänge sol- hang gehört der mediengeschichtliche Aspekt, cher Manuals und der wissenschaftlicher Arbei- dass es sich bei „Erzähltext“ und „Spielfilm“ ten werden nicht reflektiert. Hinzu kommt, dass um „zwei heterogen strukturierte Informati- die Verfasserin aus solchen Manuals Generali- onssysteme“ handelt. Hier greift die Verfas- sierungen ableitet, die für das breite und hete- serin auf Gieseckes grundlegende Studie zur rogene Spektrum an Adaptionen, das es mittler- Einführung des Buchdrucks zurück. weile gibt, nichtssagend werden. Das verweist Es wäre durchaus von Interesse, Erzähltex- auf ein zweites grundlegendes Problem, vor das te und Spielfilme mit dem Ansatz von Michael diese Publikation den Leser stellt. Es geht weder Giesecke zu überprüfen und die Wege und um eine theoretische noch um eine historische auch Grenzen aufzuzeigen, die dieser Ansatz Fragestellung. Es geht auch nicht um eine Sys- absteckt, wenn es um Kinematographie und tematik der Probleme, die mit dem gestellten Buch-Literatur geht. Mit einer solchen Fra- Thema einhergehen, wie die Heterogenität der gestellung könnte man einige grundlegende Diskurse, die angesprochen werden, zeigt. Veränderungen benennen, die zwischen dem Die Verfasserin analysiert im Anschluss an Wechsel von der Manuskript-Kultur zur Gu- ihren Durchgang durch die verschiedenen Dis- tenberg-Galaxis und der Einführung des Kinos kurse drei Filmadaptionen – „The Fallen Idol“ in einer Zeit sich ausdifferenzierender Massen- und zwei Filme nach Theodor Fontanes Roman medien stattfinden. Die Verfasserin geht diesen „Effi Briest“. Hier werden, insgesamt durchaus Weg indes nicht, sie übernimmt Kategorien von konventionell, aber analytisch genauer als in Giesecke, ohne die Relationen und Differenzen den vorangegangenen Kapiteln, die Vorlagen zu reflektieren oder zu problematisieren. und ihre Filme analysiert. Etwas breit geraten In ihrer Liste von Diskursen, die sie im Ver- sind Ausführungen zu Fontane und seinem lauf ihrer Arbeit angesprochen hat, folgen als Roman, die aus der Fontane-Forschung hin- nächste die „rezeptionspsychologische For- länglich bekannt sind. Das gleiche gilt für die schungssicht“ und „die Kontroverse zum Wert Kontextualisierung der beiden Effi-Filme. Hier individuell erschaffener und industriell gefer- muss der Leser manches lesen, was zwar richtig tigter Kunst“. Der letzte Aspekt, der das viel ist, aber in der Sache in diesem Zusammenhang verhandelte Thema der Reproduzierbarkeit wenig differenziert bleiben muss. anspielt, wird zwar – anfangs mit Verweis auf Das Vorhaben, Grundlegendes über Adap- Walter Benjamin und Erwin Panofsky – immer tionen zu sagen, ohne theoretisch zu argumen-

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tieren und ohne ein Abstraktionsniveau anzu- filmwissenschaftliche Debatten der letzten streben, führt zu vielen begrifflichen und argu- Jahrzehnte nicht aufgreift. So bezieht sie sich mentativen Ungenauigkeiten. Ein Beispiel: Für zwar auf die einschlägigen filmwissenschaftli- den Erzähltext, so legt die Autorin fest, hat der chen Studien, z. B. von Biodwell und Thomp- Satz als „der kleinste funktionale Baustein“ zu son, aber weder die Diskussionen, die diese gelten, für den Spielfilm wird „die Einstellung Studien initiiert haben, werden herangezogen als kleinster funktionaler Baustein angenom- noch die Aporien, die mit diesem Ansatz gege- men“. Mit solchen Festlegungen, die nicht wei- ben sind, erwähnt. Der Bezug zu Chatman ist ter diskutiert werden, schiebt die Verfasserin zwar einerseits von großer Bedeutung, bleibt eine in Filmtheorien lange verhandelte Proble- andererseits aber in der Argumentation eher matik einfach beiseite. Die „Taxonomie“ für die peripher. Ein anderer Aspekt kommt hinzu: „systematische Beschreibung von fiktionalen Es heißt zwar an einer Stelle, das Drehbuch sei Charakteren“ führt zu einer Merkmalsliste, die eine „intermediale Textart“, aber die gesamte stark vereinfacht, indem Charaktere z. B. als Diskussion, inwiefern die Adaptionsforschun- „naturalistisch“, „stilisiert“, „kohärent“, „ganz- gen im Kontext intermedialer Fragestellun- heitlich“ oder „komplex“ bestimmt werden. gen situiert und differenziert werden können, Wenn „Kameraführung, Raumdesign, Monta- bleibt hinter dem Horizont dieser Studie. ge, Ton-/Musikbeitrag und Schauspielen“ als Die Autorin erhebt am Ende den Anspruch, „fünf Gestaltungssektoren der (Audio-)Visua- mit ihrem „modellhafte(n) Aufriss von der En- lisierung“ bestimmt werden und festgestellt sembletätigkeit der Erzählinstanzen und Para- wird, dass jeder „Einzelbereich“ eine „eigene meter“ und der Konkretisierung durch „Sach- materiale Grundlage, eine eigene Realisierung wissen zur Produktion“ einen „Arbeitsstand“ und eigene Formprinzipien“ hat, so wäre es präsentiert zu haben, von dem aus „ein anderer angezeigt, auf die Interdependenzen und Rela- Weg der Adaptionsforschung nicht mehr denk- tionen, die hier gleichermaßen zu beobachten bar“ erscheint. Wer so ambitioniert präsentiert, sind, zu verweisen. muss Erwartungen vergleichbarer Art erfüllen. Insgesamt fällt auf, dass die Studie einige Irmela Schneider wichtige medienwissenschaftliche und auch

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AfP 39 (2006) Nr 3 37 (2006) Nr 4 Haimerl, Helmut: Die Sinus-Milieustudie: Knobloch, Hans-Heinrich: Pressefreiheit und Chance für künftige religiöse Kommunikation. Gefahrenabwehr. – S. 301–304 – S. 229–252 Pieroth, Bodo: Pressefreiheit und Gefahrenab- Ebertz, Michael N.: Für eine milieusensible wehr. – S. 305–312 Kommunikationsstrategie. – S. 253–261 Michael, Lothar: Mittelbare Drittwirkung Meuser, Bernhard; Schönberger, Michael: Bü- spezifisch europäischen Verfassungsrechts am cher machen nach Sinus-Milieus. – S. 262–269 Beispiel des Schutzes der Privatsphäre vor der Klinge, Heiko: Mögliche Konsequenzen für die Presse. – S. 313–319 kirchliche Presse. – S. 270–273 Fiedler, Christoph: Schleichende Aushöhlung Detambel, Daniel: Zielgruppenorientierung, Presse- und Meinungsfreiheit durch die Euro- Profilierung und Differenzierung in der katho- päische Union?. – S. 320–326 lischen Hörfunkarbeit. – S. 274–279 Pilters, Michaela: Sinus-Milieus – ein Instru- Communicatio Socialis ment für die Redaktionsarbeit im Fernsehen?. 39 (2006) Nr 2 – S. 280–284 Steppacher, Elvira: Können „Blogs“ den klas- Meier, Klaus: Positionierung der katholischen sischen Journalismus ersetzen?: Zum Struktur- Kirche im Internet. – S. 285–294 wandel durch den „Journalismus der Bürger“. Theobald, Adolf: Mit Sinus zu Jesus? wie die – S. 117–132 Marktforschung der Kirche nützt. – S. 295– Bieger, Eckhard: Religion im digitalen Fernse- 299 hen: technische Entwicklungen und Kriterien für kirchliche Entscheidungen. – S. 133–143 Communication Research Fischer, Ulrich: Was senden die eigentlich?: 33 (2006) Nr 1 kirchliche Fernsehsender in Deutschland. – S. 144–155 Andsager, Julie L. et al: Perceived Similarity of Exemplar Traits and Behavior: Effects on Mes- Roman, Anthony G.: Texting God: SMS and sage Evaluation. – S. 3–18 Religion in the Philippines. – S. 156–166 „Communicators often seek effective messages for Neumann, Veit Konrad André: „Flexible re- attempting to influence People’s behaviors, such as sponse“ der Kirche: das französische Kommu- reducing college students’ drinking. Social cognitive theory suggests that identification with a character or nikationsprojekt des Renouveau catholique. example may increase the likelihood that audiences – S. 167–177 will model behaviour presented in an anti-alcohol message. Exemplars such as those sometimes used Pitsch, Rolf: Literatur lädt zur sozialen Kom- in news stories may elicit desirable modeling. The munikation ein: zur kirchlichen Rezeption von purpose of this experiment was to examine the rela- Joanne K. Rowlings „Harry Potter“. – S. 178– tionships among social desirability and social orien- tation, alcohol consumption, perceived similarity of 186 exemplars, and message effectiveness. An experiment Kopp, Matthias: „Das Gewissen der Menschen exposed 204 university students to magazine mes- sages on tanning in which a demographically similar bilden“: Papst Benedikt XVI. und seine Sicht exemplar’s alcohol consumption and socializing were der Medien. – S. 187–192 manipulated. Perceived similarity of exemplars was positively related to message effectiveness. Messages Benedikt XVI: Die Medien – ein Netzwerk für including alcohol consumption and social situations Kommunikation, Gemeinschaft und Koope- were most effective. Subjects’ drinking and social ori- ration: Botschaft zum 40. Welttag der sozialen entation were positively related to similarity. Gender Kommunikationsmittel. – S. 193–195 and self-reported alcohol consumption were impor- tant variables in discerning perceived similarity and message effectiveness.“

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Vreese, Claes H. de; Boomgaarden, Hajo G.: 33 (2006) Nr 2 Media Message Flows and Interpersonal Com- munication: the Conditional Nature of Effects Vries, Reinout E. de; Hooff, Bart van den; Rid- on Public Opinion. – S. 19–37 der, Jan A. de: Explaining Knowledge Sharing: The Role of Team Communication Styles, Job „This study investigates the differential effects of exposure and attention to news and of interpersonal Satisfaction, and Performance Beliefs. – S. 115– communication on change in public opinion under 135 the condition of one-sided or two-sided information flows. Based on Zaller’s theory of public opinion dy- Fennis, Bob M.; Das, Enny; Pruyn, Ad Th. H.: namics, for less politically sophisticated individuals, Interpersonal Communication and Compli- we expected media to influence changes in opinion ance: The Disrupt-Then-Reframe Technique in under the condition of a one-sided message flow. We further expected politically sophisticated individuals Dyadic Influence Settings. – S. 136–151 to rely more on cues for opinion change stemming „Two field experiments examined the impact of the from interpersonal communication. The study draws Disrupt-Then-Reframe (DTR) technique on compli- on two-wave panel surveys and media content analy- ance. This recently identified technique consists of a ses of television news and national newspapers. The subtle, odd element in a typical scripted request (the results confirmed our hypotheses and showed media disruption) followed by a persuasive phrase (the re- effects for less politically sophisticated individuals framing). The authors argued that its impact is gen- under the condition of a one-sided message flow and eralizable across interpersonal influence situations. In effects of interpersonal communication for politically addition, based on the thought-disruption hypothesis, sophisticated individuals. Media had no effect under the authors expected that disrupting the sales script the condition of a two-sided message flow. The study not only increases the impact of the new reframing concludes with a discussion of the conditionality of but also increases the effectiveness of other persuasive media effects and the moderating role of political so- elements embedded in the influence setting. Study 1 phistication.“ showed that the DTR technique fostered compliance with both commercial and nonprofit sales scripts. The Burleson, Brant R. et al: Chinese Evaluations results of Study 2 replicated this finding and were in of Emotional Support Skills, Goals, and Behav- line with the thought-disruption hypothesis: A fa- iors: An Assessment of Gender-related Similar- miliar brand embedded in a DTR context resulted in more compliance (higher purchase rates) than when ities and Differences. – S. 38–63 paired with a regular sales script.“ Pavitt, Charles et al: Group Communication Gibbs, Jennifer L.; Ellison, Nicole B.; Heino, During Resource Dilemmas: 2. Effects of Har- Rebecca D.: Self- Presentation in Online Per- vest Limit and Reward Asymmetry. – S. 64–91 sonals: The Role of Anticipated Future Interac- Pena, Jorge; Hancock, Jeffrey T.: An Analysis tion, Self-Disclosure, and Perceived Success in of Socioemotional and Task Communication in Internet Dating. – S. 152–177 Online Multiplayer Video Games. – S. 92–109 „This study investigates self-disclosure in the novel „Communication within recreational computer-me- context of online dating relationships. Using a na- diated settings has received less attention than inter- tional random sample of Match.com members (N = action in instrumental and organizational contexts. 349), the authors tested a model of relational goals, The present study compared the socioemotional and self- disclosure, and perceived success in online dating. task-oriented content of 5,826 text messages produced The authors’ findings provide support for social pen- by participants of an online video game. The results etration theory and the social information processing suggest that participants produced significantly more and hyperpersonal perspectives as well as highlight socioemotional than task content. Consistent with the positive effect of anticipated future face-to-face predictions flowing from Social Information Process- interaction on online self-disclosure. The authors find ing Theory, the vast majority of messages were so- that perceived online dating success is predicted by cioemotional and positively valenced, despite the os- four dimensions of self-disclosure (honesty, amount, tensible game objective of fighting other participants. intent, and valence), although honesty has a negative Experience level played an important role in message effect. Furthermore, online dating experience is a production. More experienced participants produced strong predictor of perceived success in online dat- both more positive and fewer negative socioemotion- ing. Additionally, the authors identify predictors of al messages than the less experienced and used more strategic success versus self-presentation success. This specialized language conventions (e.g., emoticons, research extends existing theory on computer-medi- scripted emotes, and abbreviations). The results are ated communication, self-disclosure, and relational discussed in the context of previous research examin- success to the increasingly important arena of mixed- ing the effect of communication medium and inter- mode relationships, in which participants move from action purpose on socioemotional and task message mediated to face-to-face communication.“ production.“ Peter, Jochen; Valkenburg, Patti M.: Adoles- cents’ Exposure to Sexually Explicit Material on the Internet. – S. 178–204 „Drawing on a survey of 745 Dutch adolescents ages 13 to 18, the authors investigated (a) the occurrence and frequency of adolescents’ exposure to sexually 694

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 694694 116.11.20066.11.2006 15:33:0115:33:01 UhrUhr Literatur · Zeitschriftenlese

explicit material on the Internet and (b) the correlates Metzger, Miriam J.: Effects of Site, Vendor, and of this exposure. Seventy-one percent of the male ado- Consumer: Characteristics on Web Sites Trust lescents and 40 % of the female adolescents had been exposed to some kind of online sexually explicit mate- and Disclosure. – S. 155–179 rial in the 6 months prior to the interview. Adolescents „This study examines the role that communication were more likely to be exposed to sexually explicit plays in fostering trust and disclosure in electronic material online if they were male, were high sensa- commerce exchanges. In particular, this research tion seekers, were less satisfied with their lives, were explores how characteristics of online vendors and more sexually interested, used sexual content in other consumers interact with Web site communications to media more often, had a fast Internet connection, and affect consumer behavior online. The study relies on had friends that were predominantly younger. Among two relatively recent models of electronic exchange, male adolescents, a more advanced pubertal status was the Internet consumer trust model and the electronic also associated with more frequent exposure to online exchange model, to examine the effectiveness of cer- sexually explicit material. Among female adolescents, tain trust and assurance mechanisms (i. e. privacy poli- greater sexual experience decreased exposure to online cies and seals), as well as e-tailer reputation and indi- sexually explicit material.“ viduals’ concern for privacy and data security, on trust and disclosure of personal information to commercial Web sites. Results suggest that the vendor character- 33 (2006) Nr 3 istic of reputation is important in influencing e-tailer trust and that the content of privacy assurances do not Pasek, Josh et al: America’s Youth and Commu- affect trust or disclosure. The findings have important nity Engagement: How Use of Mass Media Is implications for both theoretical models of electronic exchange and for firms engaged in electronic com- Related to Civic Activity and Political Aware- merce.“ ness in 14- to 22-Year-Olds. – S. 115–135 Huang, Yi-Hui: Crisis Situations, Communi- „This research examines the role of the mass media in young people’s disengagement from politics. In a na- cation Strategies, and Media Coverage: A Mul- tionally representative telephone survey (N = 1,501), ticase Study Revisiting the Communicative young people (ages 14 to 22) reported their habits for Response Model. – S. 180–204 12 different uses of mass media as well as awareness of current national politics and time spent in civic „This study focuses on the relationships among crisis activities. Following Putnam’s hypothesis about the situations, crisis response strategies, and media cov- beneficial effects of civic ties on political involvement, erage. The author examines four political crisis situa- the authors predict and find that civic activity is posi- tions and the strategies used to manage them; adopts a tively associated with political awareness. Contrary comparative, multicase, holistic research design; uses to Putnam, they find that media use, whether infor- typical content analysis procedures for data analysis; mation or entertainment oriented, facilitates civic en- and applies pattern-matching logic to compare the data gagement, whereas news media are especially effective against a theoretical model, the corporate communi- in promoting political awareness. Although heavy use cative response model. More than 1,220 news articles of media interferes with both political and civic en- covering four political figures’crises are examined. gagement, the overall effect of media use is favorable Results indicate that the use of denial in a commission for each outcome. The results are discussed in regard situation, justification in a standards situation, and to the potentially greater use of the media to build concession in an agreement situation increased posi- community engagement in young people.“ tive media coverage. The results also suggest that for all but the agreement situation, a combination of crisis Cho, Jaeho et al: Cue Convergence: Associative communication strategies was the most effective strat- Effects on Social Intolerance. – S. 136–154 egy to employ. This study has theoretical and practical implications for the symbolic approach in general and „Studies examining the effects of news cues (i. e. labels for crisis communicative responses in particular.“ used to characterize issue domains and social groups) typically fail to consider the possibility that news sto- ries may contain multiple cues that have interactive 33 (2006) Nr 4 effects on audience processing and opinion expres- sion. To test this possibility, the authors conduct a Knobloch, Leanne K.; Solomon, Denise Hau- Web survey-embedded experiment that manipulates features of a news report about civil liberties restric- nani; Theiss, Jennifer A.: The Role of Intimacy tions targeted at Arabs portrayed as either immigrants in the Production and Perception of Relation- or citizens and as either extremists or moderates. Hy- ship Talk Within Courtship. – S. 211–241 potheses predict stronger intercorrelations and faster speed of response among a range of social intolerance Jian, Guowei; Jeffres, Leo W.: Understand- evaluations when respondents encounter the com- ing Employees’ Willingness to Contribute to bination of immigrant and extremist cues. Findings indicate the convergence of immigrant and extrem- Shared Electronic Databases: A Three-Dimen- ist cues not only yield stronger associations between sional Framework. – S. 242–261 group evaluations, social intolerance, immigration Knobloch-Westerwick, Silvia; Hastall, Matthi- opposition, and minority disempowerment but also reduce response latencies. The results across these two as R.: Social Comparison With News Personae: measures provide support for a theory of associative Selective Exposure to News Portrayals of Same- priming via cue convergence.“ Sex and Same-Age Characters. – S. 262–284 „Appeal of personae in news is investigated based on 695

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social comparison theory. Participants (N = 276) of „The purpose of this study is to articulate the con- two age groups browsed through online news while cepts and assumptions of communication infrastruc- selective exposure was unobtrusively logged. Manipu- ture theory (CIT) in its present stage of development lated articles focused on individuals and varied along and validation. As an ecological approach to commu- three within factors: sex and age group of portrayed nication and community, CIT claims that access to individual and story valence. After browsing news, storytelling community resources is a critical factor participants completed a questionnaire including a in civic engagement. When embedded in a neighbor- self- esteem scale. Recipients preferred news on same- hood environment where key community storytellers sex individuals, and young readers favored articles encourage each other to talk about the neighborhood, about same-age characters. Impacts of self-esteem to individual residents are more likely to belong to their positive and negative articles, offering upward and community, to have a strong sense of collective effi- downward comparison opportunities, were medi- cacy, and to participate in civic actions. CIT frame- ated by sex of recipient. Exploratory analyses indi- work offers a way to examine the ecological processes cated that this interaction results from gender-based that concern the effects of communication resources preferences for comparison contexts-social issues for on civic community.“ women and achievement topics for men.“ Pingree, Raymond J.: Decision Structure and Yaros, Ronald A.: Is It the Medium or the Mes- the Problem of Scale in Deliberation. – S. 198– sage?: Structuring Complex News to Enhance 222 Engagement and Situational Understanding by „Deliberation has been limited to small groups be- Nonexperts. – S. 285–309 cause coherence seems to require full reception, mean- „An experimental design, theoretically motivated by ing that all participants receive all messages sent. As- cognitive models of text comprehension, investigates suming that full reception actually leads to coherence effects of structures in complex news on readers (un- ignores fundamental limits of human memory and dergraduate non-science majors) who have little or group processes. Full reception is also not the only no expertise for the content (science and technology). route to coherence because the forms of coherence de- Text from two New York Times stories were modified sired in deliberation are decision specific and because for a proposed explanatory structure building (ESB) all deliberations at least implicitly contain a structure model to enhance reader interest in and comprehen- of subdecisions. Coherent deliberation is plausible at sion of the content. Dependent variables include self- large scales, without full reception, via a theoretical reported situational interest and a deeper situational model called decision-structured deliberation. This understanding of the text as measured by sorting model allows coherent contributions by participants tasks and inference generating questions. A between- who are unaware of large parts of the discussion and subjects field experiment exposed participants (N = may reduce negative effects of limits of memory and 235) to text on a Web page in either the traditional in- group processes on the quality of deliberation.“ verted pyramid or ESB structure. As predicted, when Palazzolo, Edward T. et al: Coevolution of controlling for pretest levels of scientific literacy, the ESB news text significantly enhanced reader interest Communication and Knowledge Networks in and understanding of the content, as compared to the Transactive Memory Systems: Using Compu- original inverted pyramid news stories. Results are tational Models for Theoretical Development. interpreted in the context of enhancing the public un- derstanding of complex news issues.“ – S. 223–250 „This study focuses on the initial conditions of work teams and the impacts of these conditions on the de- Communication Theory velopment of teams’ transactive memory (TM) sys- 16 (2006) Nr 2 tems through computational modeling. TM theory describes the conditions under which team members Dresner, Eli: Davidson’s Philosophy of Com- retrieve and allocate information to accomplish col- lective tasks. Previous research has shown evidence munication. – S. 155–172 for teams developing TM systems over time, but field „Donald Davidson, one of the main figures in 20th- research does not allow for the extensive manipulation century analytic philosophy, can be justifiably de- of initial conditions a team might face when work- scribed as a philosopher of communication. In the ing together; conversely, this experimental research first part of this paper, a key concept in Davidson’s allowed for such manipulations without negatively philosophy – radical interpretation – is presented and impacting the ongoing productivity of organizations. explicated. Then, the second part shows how this Initial knowledge, initial accuracy of expertise rec- notion bears upon key issues and problems in com- ognition, and network size are explored as predictor munication theory. It is argued that Davidson’s ideas variables on the development of a TM system as me- provide support for a constitutive view of communi- diated through communication. System development cation and that his account of the relation between is measured by the degree to which team members communication and social convention promotes the accurately perceive other members’ expertise and the unity of communication as a field of research. The extent to which the system has differentiated its stored final part of the paper discusses the ramifications of knowledge. This study includes theoretically derived radical interpretation for the domain of intercultural propositions tested through a path analysis of com- communication.“ putationally generated data. The analysis validates the five propositions and is consistent with the develop- Kim, Yong-Chan; Ball-Rokeach, Sandra J.: mental mechanisms of TM theory. Three additional Civic Engagement From a Communication In- paths proved to be significant and directly connect the frastructure Perspective. – S. 173–197 initial conditions with the developmental indicators at the end state model.“ 696

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 696696 116.11.20066.11.2006 15:33:0415:33:04 UhrUhr Literatur · Zeitschriftenlese

Communications 22 (2006) Nr 8 31 (2006) Nr 2 Berger, Christian: Softwarelizenzen in der In- Koopmans, Ruud; Pfetsch, Barbara: Obstacles solvenz des Softwarehauses: die Ansätze des or motors of Europeanization?: German media IX. Zivilsenats für insolvenzfeste Softwareli- and the transnationalization of public debate. zenzen als Wegbereiter einer neuen dogmati- – S. 115–138 schen Betrachtung. – S. 505–511 Westerik, Henk et al: Transcending Uses and Gramlich, Ludwig: Die Tätigkeit der Bundes- Gratifications: Media Use as Social Action and netzagentur auf dem Gebiet der Telekommu- the Use of Event History analysis. – S. 139– nikation im Jahre 2005 und im Frühjahr 2006. 154 – S. 518–525 Furnham, Adrian; Price, Marie-Therese: Mem- Schmitz, Peter; Eckhardt, Jens: AGB – Ein- ory for Televised Advertisements as a Function willigung in Werbung: Werbeeinwilligungen in of Program Context, Viewer-Involvement, and AGB im Spiegel des Datenschutz- und Wettbe- Gender. – S. 155–172 werbrechts. – S. 533–538 Sjöberg, Ulrika: „It Took Time to Understand Greek Newspapers“: the Media experience of 22 (2006) Nr 9 Swedish Women in Greece. – S. 173–192 Hoeren, Thomas: Der urheberrechtliche Er- schöpfungsgrundsatz bei der Online-Über- Computer Law Review International tragung von Computerprogrammen. – S. 573– 7 (2006) Nr 4 579 Beardwood, John P.; Alleyne, Andrew C.: The Helmes, Patrick: Wirksamer und effizienter Price of Binary Freedom: the Challenge of Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten Open Hybrid Software. – S. 97–104 in Marktregulierungsverfahren?: eine Untersu- Nordmann, Matthias; Nelles, Karolin: Con- chung der Rechtsbehelfe gegen Entscheidun- sumer Protection Laws vs Growth in M-Com- gen der BNetzA nach verfassungs- und euro- merce. – S. 105–110 parechtlichen Maßstäben. – S. 583–589 Sujecki, Bartosz: Initial Steps Towards an Elec- Ernst, Stefan: Trojanische Pferde und die Te- tronic European Order for Payment Proce- lefonrechnung: Einflussmöglichkeiten von dure. – S. 111–115 Schadsoftware auf den Anscheinsbeweis für die Richtigkeit von Telefonrechnungen. – S. 590– 594 Computer und Recht 22 (2006) Nr 7 Schaar, Oliver: „In-Game-Advertising“: Zuläs- sigkeit und Grenzen nach Europäischem Ge- Redeker, Helmut: Allgemeine Geschäftsbedin- meinschaftsrecht. – S. 619–626 gungen und das neue Schuldrecht: erste Ent- Libertus, Michael; Schneider, Axel: Die Anbie- scheidungen des BGH und ihre Bedeutung für terhaftung bei internetspezifischen Kommuni- Softwareverträge. – S. 433–438 kationsplattformen: Rechtsprechungsansichten Schuster, Fabian: Der Telekommunikations- und -einsichten nach der „Rolex“-Entschei- vertrag (Festnetz, Internet, Mobilfunk): eine dung des BGH. – S. 626–631 Betrachtung des Vertragstyps und kriti- sche Würdigung der BGH-Rechtsprechung. Convergence – S. 444–454 12 (2006) Nr 2 Ulbricht, Johannes: Der Handyklingelton: das Ende der Verwertungsgesellschaften?: eine Ab- Berry, Richard: Will the iPod Kill the Radio sage an das Modell der Doppellizenzierung von Star?: Profiling Podcasting as Radio. – S. 143– Handyklingeltönen. – S. 468–473 162 „The Apple iPod has not only become a „must have” style accessory for the „wirefree” generation but has also revolutionized the way we consume music. At the time of writing, (November 2005) the revolution has already started in the audio world, and has been going for the last 18 months. „Podcasting” allows anyone with a PC to create a „radio” programme and distrib- 697

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ute it freely, through the internet to the portable MP3 semiological approaches to radio speech may have players of subscribers around the world. Podcasting outlived their usefulness. Such approaches cannot ad- not only removes global barriers to reception but, at equately describe the workings of today’s most ambi- a stroke, removes key factors impeding the growth tious radio producers, although they remain dominant of internet radio: its portability, its intimacy and its in both the language of radio production practice and accessibility. This is a scenario where audiences are radio’s critical discourse. An alternative approach, producers, where the technology we already have as- more suited to radio’s digital present and future, is sumes new roles and where audiences, cut off from offered and investigated in this article. Rooted in the traditional media, rediscover their voices.“ critical histories of rhetoric and poetics, this article profiles a radio constructed not as linear narrative but Rudin, Richard: The Development of DAB as a set of palimpsestual and polyvalent opportuni- Digital Radio in the UK: the Battle for Con- ties for interpretation. It borrows the notion of au- trol of New Technology in an Old Medium. ricular figures from the early-modern courtier George Puttenham’s writing to help describe and analyse nu- – S. 163–178 merous permutations of the digital audio editing of „This article examines the cultural, economic and radio speech found in the work of contemporary prac- political pressures and influences that determined the titioners such as Christof Migone, Gregory Whitehe- adoption of the „European“ technical system of dig- ad, John Oswald, Sherre DeLys, Antony Pitts, Bon- ital radio in the UK. Debates over the potential of the nie Greer and Miguel Macias. Ultimately, this article new technology to expand both programming content proposes a new, open-ended taxonomy for the tropes and the range of individuals, companies and organiza- of digital audio editing. This taxonomy expands our tions with access to radio broadcasting were curtailed understanding both of the digital potentials for aural in favour of a bureaucratic and technocratic approach density and montage, and of how the digital audio edit to media policy and a desire by the European Com- activates a novel relationship with a radio audience.“ mission to establish a new product for the consumer electronics market that would be developed and made Neumark, Norie: Different Spaces, Different in Europe. The article shows that the development of Times: Exploring Possibilities for Cross-Plat- the new system resulted in a „forced marriage“ be- form „Radio“. – S. 213–224 tween the BBC and the commercial sector and that the convergence between DAB and other „platforms” „This article investigates cross-platform possibilities has profound implications for the relationship be- for digital audio. It is concerned with ways in which tween public service broadcaster, government and in- cross-platform work can open possibilities for ex- dustry. Furthermore, in order to encourage the larger panded practices and experiences of radio and digital commercial radio groups to commit themselves to audio – rather than with practices of simply digitizing the new technology, they were granted new and un- radio programmes for internet distribution, by down- precedented control over content regulation. This had loading, streaming or Podcasting. These possibilities the effect of further consolidating the hold of domi- are investigated through discussion of a particular case nant interests in the UK radio sector and stifling new study, Checklist for an Armed Robber, which was initiatives and approaches to the medium. Finally, the produced as part of a research collaboration project article analyses the extent to which DAB digital radio between researchers (myself included) from The has succeeded in establishing itself in the UK media University of Technology, Sydney (UTS) and ABC landscape against strong competition from other, con- (Australian Broadcasting Corporation) radio and verging technologies.“ new media. The research initiative, titled Visual-Au- dio: research into cross-media audio drama, aimed to O’Neill, Brian: CBC.ca: Broadcast Sovereignty investigate more effective and engaging dimensions in in a Digital Environment. S. 179–198 cross- media (radio and internet) drama. It also sought to explore how spatial audio might specifically con- „Canadian Broadcasting Corporation (CBC), like figure this dramatic space on the internet in ways that many public broadcasters, has identified the value could in turn affect the space of radio drama.“ of branding their services on the world wide web as a crucial element in the strategy to bring radio into the digital era. Their approach highlights a number of 12 (2006) Nr 3 strategically important issues facing broadcasters in the current environment. The internet, in Canadian Zhang, Lena L.: Behind the „Great Firewall“: terms, is an unregulated space and a not particularly Canadian space. Just as in the terrestrial environment, Decoding China’s Internet Media Policies from broadcasters like CBC have to operate in an environ- the Inside. – S. 271–292 ment dominated by United States-based interests. The „This study examines China’s current internet media regulatory solutions that Canada has previously pur- policy in terms of the nature of the policy, the policy- sued in order to preserve cultural sovereignty may be making process, major forces driving the policy and either inadequate or inappropriate for the new media future trends. Through face-to-face, in-depth inter- environment. Evidence shows that, despite producing views of 19 high-ranking Chinese policymakers, this distinctive and innovative radio content informed by study provides unusual insight on these issues from an public service values, the new media marketplace in inside perspective. A ‘push and control’ internet poli- which internet and other forms of digital radio operate cy suggests that the leadership has relaxed in its ideo- is one in which even significant brands such as CBC logical claims, yet still wants to control online con- will find success difficult.“ tent. China has also shifted the media policymaking Spinelli, Martin: Rhetorical Figures and the process from the Party to government operation. The Party’s road map for economic prosperity has been a Digital Editing of Radio Speech. – S. 199–212 key driving force in this shift and ensures that internet „In the age of authentically digital radio, traditional policy is heading in a positive direction, though it is 698

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not straightforward. Finally, the policymakers’ atti- be developed. In other words, PCTV remains an open tudes toward the new media and value transformation field waiting for leadership to manifest its diffusion.“ have had a significant influence on policy formation. The study proved premises from both communication and development and media dependency theories with Federal Communications Law Journal regard to the case of the internet in China. It is the first 58 (2006) Nr 2 research project of its kind on the topic.“ Jinqiu, Zhao; Xiaoming, Hao; Banerjee, In- Rich, J. Steven: „Brand X“ and the „Wireline drajit: The Diffusion of the Internet and Rural Broadband Report and Order“: the Beginning Development. – S. 293–306 of the End of the Distinction Between Title I „This study explores the applicability of the diffusion and Title II Services. – S. 221–244 of innovations theory to internet development in rural „This Article traces the development of the FCC’s China by examining internet diffusion and usage pat- distinction between „telecommunications services” terns in two rural areas of China’s Gansu Province. Its subject to common carrier services under Title II ethnographic research design allowed the researchers of the 1934 Communications Act and „information to interact with the rural people under study and ob- services” regulated under Title I of the Act from the tain first-hand data on their adoption and usage of the Computer Inquiry line of cases through the Brand X internet. The results show that in the context of rural decision and recent Wireline Broadband Report and China, where the local economy and infrastructure Order. The Author pays particular attention to the can hardly sustain such an advanced technology as Brand X decision and the FCC’s Wireline Broadband the internet, the diffusion and usage of the internet are Order and its implications, suggesting that the Or- determined not much by the will of individuals, but by der may be subject to reversal when it is challenged the change agency. As the weakest social class in terms in court and proposing how the Commission might of their share and control of social resources, Chinese react to a reversal. The Author concludes by applaud- farmers as individuals do not play an important role ing the Commission’s effort to level the playing field in the adoption of the internet, which tends to be the for similar services provided over different platforms result of organizational initiatives.“ despite the remaining challenges and uncertainties fac- ing incumbent local exchange carriers.“ Hofer, Sonya: I Am They: Technological Me- diation, Shifting Conceptions of Identity and Jackson, Charles; Pickholtz, Raymond; Hat- Techno Music. – S. 307–324 field, Dale: Spread Spectrum is Good – But it „The construction of multiple personae by musicians Does Not Obsolete „NBC vs U.S.“!. – S. 245– is a practice that continues to be prevalent: from Ro- 262 bert Schumann, through David Bowie, to recent tech- „The Authors criticize recent statements by leading no artists. In this article I examine the work of one legal commentators suggesting that the development artist who may be music’s most prodigious multiple of spread spectrum has eliminated radio interference and who may be deemed not one, but many different and helped make the underlying legal foundations for artists. Techno-chameleon Uwe Schmidt, aka Señor regulating spectrum obsolete. The Authors provide Coconut, aka Geeez ‘n’ Gosh, is a musician who has a non-technical explanation of how spread spectrum radically intensified the creation of multiple personae works and why it does not have the effect of elimi- and here I situate his work as part of a contemporary nating radio interference. The Authors conclude that technocultural moment; one where recent technolo- new technologies are likely to increase the availability gies have further enabled, destigmatized, and for some of usable spectrum, but they have not wiped out the individuals, made preferable or even necessary, the problem of interference.“ idea of the performed, multiple identity. As such, by enacting certain key concepts of a postmodern and/ or Shiman, Daniel R.: An Economic Approach to posthuman conception of identity, artists like Schmidt the Regulation of Direct Marketing. – S. 321– thus problematize traditional modes of artistic repre- sentation, marketing, and reception that were previ- 360 ously based upon notions of individual authorship.“ „The growing ubiquity of electronic media and the almost total absence of cost in mass distributions of Book, Constance Ledoux; Barnett, Brooke: direct marketing have exacerbated the problem of PCTV: Consumers, Expectancy-Value and the increasing intrusion of direct marketing into the Likely Adoption. – S. 325–340 privacy of citizens. The Author proposes utilization of a microeconomic social welfare analysis to guide „This study examines the potential of PCTV (watch- policymakers in determining what forms of direct ing television on your PC) among consumers. An media should be regulated and what the most effec- intercept field study that included product demon- tive forms of regulation are likely to be. Sending and stration with a convenience sample of US adults was receiving costs provide the key factors in determin- conducted (N = 309). Expectancy-value theory was ing the extent of the „welfare-reducing marketing” used to measure respondents’ interest in PCTV. While and „marketing aversions” but the Author points to a majority had heard of the product, expectations of a number of other factors as well, including impact on what PCTV could provide remained low and as a re- third parties, impact of economic and technological sult, value and subsequent interest was low. As ter- factors, and changes in volume and targeting in tra- restrial broadcasting, cable, telephone, internet com- ditional channels. The Author’s analysis suggests that panies and other programming providers explore the increasing the receiver’s ability to process informa- potential market for PCTV and promote that market, tion by imposing labeling requirements on distribu- the possibility exists that value related to PCTV could tors could increase welfare without having to resort 699

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to the more sweeping and inefficient opt-in or opt- attacks in Madrid (2004), the incidents in Venezuela out programs. Many of these solutions can be effectu- in 2002, and the proliferation of alternative sites on ated by industry and, thus, do not necessarily require the internet. The author tries to demonstrate that in government intervention. In the absence of effective today’s society Another Model of Communication industry-based solutions, the Author contends that a (AMC) is possible and that it may also be effective in complete ban on direct marketing may be required in its objectives. It is a model that radically questions the the electronic media in particular.“ functions of each and every one of the elements that are part of the communication process as we know Taylor, Russ: Rethinking Reform of the FCC: a it today. The article maintains that taking control of Reply to Randolph May. – S. 263–280 the media is not necessary in order to implement this „This brief Article responds to Randolph May’s ar- model. It even states that it would not be desirable for ticle, Recent Developments in Administrative Law this to happen.“ – The FCC’s Tumultuous Year in 2003: An Essay on Trivundza, Ilija Tomanic: Many Voices, one an Opportunity for Institutional Agency Reform, 56 Admin. L. Rev. 1307 (2004). Taylor disputes May’s an- Picture: Photographic Coverage of Foreign ecdotal evidence that the FCC’s poor handling of the News in Slovenian Daily Press (1980, 2004). Triennial Review and the media ownership proceed- – S. 21–40 ings are symptomatic of a broad agency inefficiency that should be remedied by drastically cutting the size „The paper addresses the issues of information de- of the FCC and placing it under the exclusive control pendency and one-way flow of information through of the executive branch to ensure electoral account- an overview of changes in photographic (and textual) ability. Taylor argues that while these suggestions coverage of international news in Slovenian daily may have value, such a rush to action should not be newspaper Delo. The question of the negative repre- premised on anecdotal evidence, but instead must sentation of developing countries is addressed against rest on a more empirical, objective undertaking that the background of the New World Information and would study the FCC’s track record. Furthermore, Communication Order debate that serves as a norma- Taylor points out that there are numerous other av- tive framework of the study. Although international enues for reforming the communications regulatory news agencies are shown to significantly delimit and regime: Congress, states, and international organiza- frame the agenda of international news, author rejects tions. Taylor concludes by analogizing the United the simplistic deterministic notion of dependency and Kingdom’s OFCOM to the FCC proposed by May. emphasises the important role of „indigenous“ gate He argues that though OFCOM’s centralized struc- keeping and editorial decisions in the production of ture and greater accountability have advantages, it also published representations, which he sees as decisively results in a more partisan regulatory process with less shaped by collective identities (professional and na- transparency. Further, the delays and inefficiencies tional) of imagined community the newspaper serves that May criticizes in the FCC may be inherent in any to inform.“ agency decisionmaking that solicits and invites public Zhang, Weiyu: Constructing and Dissemi- comment, regardless of the agency’s structure.“ nating Subaltern Public Discourses in China. Laughner, Nissa; Brown, Justin: Cable Opera- – S. 41–64 tors’ Fifth Amendment Claims Applied to Dig- „What is the democratic potential of the Internet? Us- ital Must-Carry. – S. 281–320 ing subaltern public spheres as the theoretical frame- „This Article addresses the legal and policy implica- work, the Internet is expected to empower the sub- tions of property rights in the digital must-carry issue. ordinated social groups and extend the inclusiveness The Authors review must-carry regulations, present a of democracy. RearWindow to Movies is a Chinese traditional Fifth Amendment analysis of must- carry, online discussion group, which focuses on the topic of address free speech implications of that property- movies. I used this case to answer my research ques- based analysis, and show how property-based claims tion: How does the online discussion group function might influence future cable regulations and policies. as a subaltern public sphere? My research found that The Authors conclude that while the Fifth Amend- the online discussion group supported the concept of ment claims are unlikely to succeed legally, they do subaltern public spheres instead of a unitary public contain significant rhetorical power that can help sphere. The online subaltern public sphere provided a shift public policy in ways favorable to the cable in- safe discursive space for the subaltern public, who was dustry.“ movie fans from the underdeveloped middle class in China. The subaltern public used online spheres to ex- change their opinions and critically debated on issues Javnost that they were interested in. They successfully con- structed their own discourse, which is different from 13 (2006) Nr 2 the market discourse and counteracts the domination of the state discourse. In addition, the impact of these Piscina, Txema Ramirez de la: Another Model discursive practices was disseminated into the offline of Communication Is Possible: Critical Experi- world by various methods. On the one hand, Rear- ences vs. the Market Tyranny. – S. 5-20 Window users took use of social resources including those from the commercial forces to show movies „Along the lines of the alter-globalisation hope that that could not be reached through the official chan- has sprung forth in the social forums of Porto Alegre nels. On the other hand, the interaction with mass and Mumbai among others, the present article analyz- media also helped making the subaltern discourses es the underlying communicative experiences in four more and more audible. However, both methods have phenomena or specific situations: the Zapatista move- their own limitations, which might harm the subaltern ment, the social reaction after the March 11 terrorist public sphere as well.“ 700

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Choi, Yusook; Steiner, Linda; Kim, Sooah: an unbiased estimate of changes in health outcomes Claiming Feminist Space in Korean Cyberter- that can be attributed to exposure to the drama. The analysis is conducted with data from an after-only, ritory. – S. 65–84 cross-sectional survey of 4,492 men and women from „This paper analyses two Korean feminist webzines. the intended audience. The results from propensity We use the two cases to investigate the conditions un- score matching approximate what would be expected der which feminist online media can survive, express from a randomized control group design.“ alternative and feminist voices, and build a feminist community. The research is based on interviews with Mooney, Annabelle: Quality of Life: Question- people involved in the zines’ production, and on naires and Questions. – S. 327–342 qualitative and quantitative analyses of the zines’ con- tents, with particular attention to spaces provided for Higgins, Joan Wharf et al: The Health Buck audience interactions. We conclude that Dalara and Stops Where?: Thematic Framing of Health Unninet play a significant role in enlarging the mean- Discourse to Understand the Context for CVD ingful space for women in virtual world and helping to Prevention. – S. 343–358 build a women’s network that is both technologically sophisticated and politicized but also comfortable „Using a constructed week methodology, we analyzed and familiar. Readers apparently feel bound to one media summaries for the type of health discourse another, with mutual responsibilities and reciprocal (health care delivery, disease-specific prevention, life- duties. But Dalara and Unninet did not escape the style risk factors, public/environmental health disease, constraints imposed on traditional women’s alterna- social determinants of health) portrayed over a 5-year tive media. Time, energy, and money – always limited period as a means of describing the context within resources – remain intractable issues even for online which health staff worked to prevent heart disease in communities.“ one Canadian province. The results reveal that heart disease received very little media coverage, despite provincial health data revealing it to be the leading Journal of Health Communication cause of mortality, morbidity, and health care costs. 11 (2006) Nr 3 Coverage of the health care system dominated the media landscape over the 5-year period. The study findings also suggest that the health discourses in the Yanovitzky, Itzhak: Sensation Seeking and media summaries were represented as primarily the- Alcohol Use by College Students: Examining matic, rather than as episodic narratives, relieving any Multiple Pathways of Effects. – S. 269–280 one level of government as entirely responsible for the health of its constituents. Media advocacy strategies Aloise-Young, Patricia A.; Slater, Michael may be a means to redress the imbalance of health dis- D.; Cruickshank, Courtney C.: Mediators courses presented by the media.“ and Moderators of Magazine Advertisement Effects on Adolescent Cigarette Smoking. 11 (2006) Nr 4 – S. 281–300 „The purpose of the present study is to examine the Noar, Seth M.; Carlyle, Kellie; Cole, Christi: relation between magazine advertising for cigarettes Why Communication Is Crucial: Meta-Analy- and adolescent cigarette smoking. Participants (242 sis of the Relationship Between Safer Sexual adolescents) reported their frequency of reading 46 magazines and their attention to cigarette ads. Rec- Communication and Condom Use. – S. 365– ognition of cigarette ads, passive peer pressure (i.e., 390 normative beliefs), and the smoker image also were „The purpose of this study was to quantitatively assessed. Results indicate that exposure to cigarette synthesize the growing literature on the relationship advertising and recognition of ads augment the effect between safer sexual communication (SSC) among of passive peer pressure on smoking. In addition, a sexual partners and condom use, and to systemati- positive smoker image was associated with attention cally examine a number of conceptual and methodo- to advertising and mediated the relation between at- logical moderators of this relationship. Data from 53 tention and smoking. It is suggested that the effect of articles published in 27 journals met criteria for the magazine ads on adolescents should be considered in study. Fifty-five independent effect sizes coded from policymaking on cigarette advertising.“ samples totaling N = 18,529 were meta-analyzed. Re- Do, Mai P.; Kincaid, D. Lawrence: Impact of sults indicate that the mean sample-size weighted ef- fect size of the SSC-condom use relation was r = .22, an Entertainment-Education Television Drama and a number of conceptual variables were found to on Health Knowledge and Behavior in Bang- moderate this relationship. Specifically, communica- ladesh: an Application of Propensity Score tion about condom use (r = .25) and sexual history (r = .23) had significantly (p < .05) larger effect sizes than Matching. – S. 301–326 communication about safer sex (r = .18). In addition, „Shabuj Chaya is a weekly television drama broadcast SSC measures operationalized differently had signifi- during a 13-week period in Bangladesh in 2000. It used cantly (p < .05) different effect sizes. From largest to an entertainment-education format to increase health smallest, these were behavioral format (r = .29), inten- knowledge and to promote visits to health clinic and tional format (r = .18), and self-efficacy format (r = modern contraceptive use. The purpose of this article .13). Measures that tried to assess persuasion attempts is to demonstrate how a relatively new statistical tech- as compared with informational exchanges were not nique, propensity score matching in conjunction with found to have significantly different effect sizes (p > structural equation modeling, can be used to obtain .05). Further, methodological moderators tended to 701

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be unrelated to effect size. Implications for the future limitations of this instrument, we recommend an ad- study of safer sexual communication as well as the im- ditional checklist for evaluating the cultural sensitivity portance of emphasizing communication skills in HIV of printed cancer information.“ preventive interventions are discussed.“ Lipkus, Isaac M.; Klein, William M. P.: Effects 11 (2006) Nr 5 of Communicating Social Comparison Infor- mation on Risk Perceptions for Colorectal Kelly, Kathleen J. et al: Tobacco Counteradver- Cancer. – S. 391–408 tisements Aimed at Bicultural Mexican Ameri- can Youth: the Impact of Language and Theme. Hoek, Janet; Gendall, Philip: Advertising and – S. 455–476 Obesity: a Behavioral Perspective. – S. 409– 424 „The growing population of Mexican American youth and the increasing smoking rates in this population „Concern over the levels of obesity observed in West- present a considerable public health challenge. To- ern countries has grown as researchers forecast a rapid bacco counteradvertisements have demonstrated growth in the medical care that a progressively more their ability to shape attitudes, behavior, and public obese population will require. As health workers deal policy, but little is known about the most effective with increased incidences of diabetes and other obes- ways to adapt messages aimed at this audience. To ity-related disorders, policymakers have examined explore key variables that can affect success, a study the factors contributing to this problem. In particu- was conducted with 249 Mexican American middle- lar, advertising that promotes high fat and high sugar school youth from a U.S./Mexico border community products to children has come under increasing scru- to examine the effectiveness of language (English, tiny. Advertisers have rejected claims that advertising Spanish, or a combination of English and Spanish) and contributes to obesity by arguing that it cannot coerce theme (secondhand smoke, antitobacco social norms, people into purchasing a product, and does not affect and tobacco industry manipulation) in print tobacco primary demand. This reasoning overlooks the role counteradvertisements. Measures included ad prefer- advertising plays in reinforcing and normalising be- ences, acculturation, and tobacco-related attitudes and havior, however, and it assumes that only direct causal behavior. Results showed that although a large per- links merit regulatory attention. Ehrenberg’s „weak” centage identified with the Mexican American rather theory suggests advertising will support unhealthy than the Anglo American culture and spoke Spanish eating behaviors, while the wide range of sales pro- in selected contexts, readability was greater for ads in motions employed will prompt trial and reward con- English, and participants rated the English ads as most tinued consumption. This article presents an alterna- effective. The social norms counteradvertisement was tive analysis of how marketing contributes to obesity preferred overall. Potential implications for health and uses behavior modification theory to analyse the communication and policy are discussed.“ „fast-food” industry’s promotions. We also review the New Zealand government’s response to obesity Wathen, C. Nadine: Health Information Seek- and suggest policy interventions that would foster ing in Context: How Women Make Decisions healthier eating behaviors.“ Regarding Hormone Replacement Therapy. Friedman, Daniela B.; Hoffmann-Goetz, – S. 477–494 Laurie: Assessment of Cultural Sensitivity of Clarke, Juanne N.; McLellan, Lianne; Hoff- Cancer Information in Ethnic Print Media. man-Goetz, Laurie: The Portrayal of HIV/ – S. 425–448 AIDS in Two Popular African American Maga- „Ethnic minority populations prefer cancer infor- zines. – S. 495–508 mation that is respectful of their customs and beliefs about health and illness. Community newspapers are „Mainstream magazines and other media have been an important source of cancer information for ethnic found to both reflect and influence existing values and groups. Our purpose is to evaluate the cultural sen- beliefs regarding health and medicine. Little is known sitivity of cancer information in mass print media about how media directed toward specific cultural or targeting ethnic minority readership. We assessed other market groups may differ. The present study for cultural sensitivity 27 cancer articles published examined how HIV and AIDS are portrayed within in English-language ethnic newspapers (Jewish, First a specific ethnocultural medium, the two highest cir- Nations, Black/Caribbean, East Indian) in 2000 us- culating magazines directed toward African American ing the Cultural Sensitivity Assessment Tool (CSAT). and African Canadian readers. The portrayal of HIV/ We found that the overall average CSAT score of 27 AIDS from January 1997 to October 2001 in Ebony cancer articles was 2.71. (Scores < 2.50 were classified and Essence magazines was examined through mani- as culturally insensitive.) Articles in First Nations fest and latent content analysis. African American newspapers were more culturally sensitive according people were described paradoxically both as power- to the CSAT , followed by articles in Black/Caribbean less victims in the face of the disease and as members of and Jewish papers. Cancer articles from East Indian a strong and identifiable community of „sisters“ and newspapers had a mean CSAT score of 2.30 and were „brothers“ available to respond to prevent and cope classified as culturally insensitive. Four articles were with the disease. Polarization between Blacks and considered culturally sensitive but did not mention Whites was accomplished by frequent emphasis on the ethnic populations as intended readers or as high-risk higher rates of HIV/AIDS amongst Black Americans. groups for cancer. We found that, using the CSAT Both the church and spirituality were highlighted as measure, overall, cancer articles in ethnic newspapers means of prevention education and coping.“ included in this study were culturally sensitive. Given 702

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 702702 116.11.20066.11.2006 15:33:1415:33:14 UhrUhr Literatur · Zeitschriftenlese

Simon, Christian M. et al: Interpreter Accuracy 1257 studies. It identifies 3 unique features of Chinese and Informed Consent Among Spanishspeak- media economics research, and it concludes that de- spite of challenges, with unique country characteris- ing Families with Cancer. – S. 509–522 tics and great market potential, there is a foreseeable Pirkis, Jane et al: On-Screen Portrayals of prosperous future in the field in the years to come.“ Mental Illness: Extent, Nature, and Impacts. Benlian, Alexander et al: Dissemination of – S. 523–542 Content Reutilization Practices in the German „This article reviews the published literature on the and U.S. Book Publishing Industry. – S. 41–62 extent, nature, and impacts of portrayal of mental ill- „According to researchers and managers in the media ness in fictional films and television programs. The lit- industry, content reutilization represents a promis- erature suggests that on-screen portrayals are frequent ing management concept to reduce production costs and generally negative, and have a cumulative effect on and to generate additional revenue streams. The ar- the public’s perception of people with mental illness ticle compares content reutilization practices of Ger- and on the likelihood of people with mental illness man and U.S. book publishers and explores potential seeking appropriate help. The article concludes that sources of differences in the reutilization behavior. there is a need for the mental health sector and the Presently, almost two out of three publishing com- film and television industries to collaborate to counter panies apply content reutilization as a management negative portrayals of mental illness, and to explore instrument on a global level. In the near future, a the potential for positive portrayals to educate and trend to even higher diffusion rates (up to 75 %) can inform, as well as to entertain.“ be observed. Nevertheless, from a country-specific perspective, significant variances exist regarding the actual and future adoption level. The most significant Journal of Health Communication explanatory factor for the difference in the level of dis- 10 (2005) Nr Supplement 1 semination between Germany and the U.S. represents top management involvement.“ Hesse, Bradford W.: The Health Information Lee, Moonhaeng: Managing a Joint Venture: National Trends Survey (HINTS): Research a Case Study of Participants’ Roles and Con- from the Baseline. – S. 1–190 flicts. – S. 63–78 Das Sonderheft 1, 2006 enthält zahlreiche Artikel über die Umfrageergebnisse von der Health Information „This article explores the relationship between part- National Trends Survey 2006 zum Wissensstand der ners in joint ventures by studying MGM Network’s amerikanischen Bevölkerung zum Thema Krebser- entry into the Korean market. MGM has focused on krankungen, deren Vorbeugung und Heilungsmög- the distribution of films through licensing. Since 2000, lichkeiten. however, it has rapidly extended its business areas by launching library channels in foreign countries. As a part of this expansion strategy, a joint venture com- Journal of Media Business Studies pany MGM Channel Korea was created in early 2002. This study analyzes the management accomplish- 3 (2006) Nr 2 ments and failures of the MGM Channel in Korea to gain understanding of the challenges of managing an McDowell, Walter S.: Confrontation or Con- international joint venture.“ ciliation?: the Plight of Small Media Brands in a Zero Sum Marketplace. – S. 1–22 Journal of Media Economics „Small media brands, operating in a highly competi- tive zero sum marketplace, reach inevitably a strategic 19 (2006) Nr 3 crossroads in which they must decide on confronta- tion or concilliation with larger incumbent brands. Hammerwold, Randi; Solberg, Harry Arne: Frontal assaults may foster the promise of market TV Sports Programs: Who is Willing to Pay to share growth but also provoke serious retaliation. Watch?. – S. 147–162 Conversely, appeasement maneuvers may foster short- term market survival but also stiffle economic growth. „This article investigates the factors that influence the This study offers an alternative strategic framework willingness of TV viewers to pay for watching sports that synthesizes pertinent aspects of niche theory, programs. An empirical survey of Norwegian TV brand equity theory and judo business strategy. Us- viewers revealed that individual winter sports, such as ing the rise of Fox News Channel as a case in point, a biathlon and cross-country skiing, headed the popu- theoretical triad of context, concept and concentration larity list, with soccer coming third. However, it also is proposed for deciding how and when a small media showed that soccer fans were significantly more mo- brand should disrupt the status quo.“ tivated to pay than were fans of other sports. These results provide some explanations to soccer’s revenue Hang, Min: The History and Development of dominance in European sports rights markets.“ Media Economics Research bin China. – S. 23– Lee, Sang-Yong Tom; Fu, W. Wayne: Software- 40 Platform Integration, Incompatibility, and Sys- „The growth of media economics scholarship globally tem-User Switching. – S. 163–192 has increased the need to understand its development both at the international and national levels. This ar- „This article constructs a game-theoretic model to ex- ticle focuses on development of research in China. plore the dynamics of incompatibility and integration Applying a meta-research method, the author reviews in a market for specific system products-base goods, 703

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 703703 116.11.20066.11.2006 15:33:1515:33:15 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

such as platforms, and supplement goods, such as Marcellus, Jane: Woman as Machine: Repre- software. A base-supplement system exhibits a unique sentation of Secretaries in Interwar Magazines. context of product complementarity. A supplement goods producer may choose to make its product in- – S. 101–115 compatible with certain base products, with the goal Cho, Sooyoung: Network News Coverage of of mitigating competition with other supplements or foreclosing the user market for a target base. This ar- Breast Cancer, 1974 to 2003. – S. 116–130 ticle identifies the conditions under which different Dixon, Travis L.: Schemas as Average Concep- strategies with regard to compatibility and integration may be employed in equilibrium. The welfare conse- tions: Skin Tone, Television News Exposure, quences of different strategies are also examined.“ and Culpability Judgments. – S. 131–149 Boyer, M. Martin: The Impact of Media Atten- Pfau, Michael et al: The Effects of Print News tion: Evidence From the Automobile Insurance Photographs of the Casualties of War. – S. 150– Industry. – S. 193–220 168 „This article studies the interaction between media at- Beam, Randal A.: Organizational Goals and tention and corporate pricing behavior in the Ameri- Priorities and the Job Satisfaction of U.S. Jour- can automobile liability insurance market. Theoretical models developed in the economic literature predict nalists. – S. 169–185 that greater media attention (be it electronic or print) Conway, Mike: The Subjective Precision of should reduce prices in the markets and that greater prices in the markets should increase media attention. Computers: A Methodological Comparison Using quarterly data on liability insurance premiums with Human Coding in Content Analysis. for 48 states from 1985 to 1993 – a period that in- – S. 186–200 cludes the great liability insurance crisis in the United States – I test 2 hypotheses that can be derived from the theoretical literature on the economic impact of Kommunikation & Recht the media on the pricing behavior of corporations. Empirical results show automobile liability insurance 9 (2006) Nr 7-8 premiums were lower when media applied pressure on the industry, thus lending support to the theoretical Klett, Alexander R.: Die Entwicklung des Ur- prediction that news media influence corporate pric- heberrechts im Jahr 2005. – S. 297–303 ing behavior.“ „Im Anschluss an den Beitrag des Verfassers zur Ent- wicklung des Urheberrechts im Jahr 2004 in K&R 2005, S.289-294, beleuchtet dieser Beitrag die Ent- Journalism & Mass Communication wicklung des Urheberrechts im Jahr 2005, in welchem Quarterly erneut, wie schon im Vorjahr, keine Änderungen des 83 (2006) Nr 1 Urheberrechtsgesetzes vorgenommen wurden. Die weiterhin ausstehende nächste Urheberrechtsnovelle An, Soontane; Jin, Hyun Seung; Pfau, Michael: (der so genannte „zweite Korb“) wird mittlerweile jedoch noch hitziger diskutiert als in der Vergan- The Effects of Issue Advocacy Advertising on genheit. Zudem hat die höchst- und obergerichtliche Voters’ Candidate Issue Knowledge and Turn- Rechtsprechung zum Urheberrecht auch im Jahr 2005 out. – S. 7–24 erneut zugenommen.“ Drew, Dan; Weaver, David: Voter Learning in Ory, Stephan: Sind Broadcast-TV und IP-TV the 2004 Presidential Election: Did the Media unterschiedliche Nutzungsarten?. – S. 303–307 Matter?. – S. 25–42 Dietlein, Johannes: Rechtsfragen der Über- Fico, Frederick; Freedman, Eric; Love, Brad: gangsweisen Fortgeltung des Sportwetten- Partisan and Structural Balance in Newspaper rechts der Länder. – S. 307–313 Coverage of U.S. Senate Races in 2004 with Fe- „Entgegen ihrer klaren Zielsetzung hat die Sportwet- male Nominees. – S. 43–57 tenentscheidung des BVerfG vom 28.3.2006 bislang nur teilweise zu der erwünschten Rechtsklarheit im Hoffman, Lindsay H.: Is Internet Content Dif- Umgang mit privaten Sportwettanbietern und -ver- ferent after All?: a Content Analysis of Mobi- mittlern geführt. Der Verfasser nimmt die ersten fach- gerichtlichen Entscheidungen nach Verkündung der lizing Information in Online and Print News- bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung – na- papers. – S. 58–76 mentlich zur Frage behördlicher Schließungsverfü- gungen gegen illegale Anbieter – zum Anlass, speziell Nichols, Sandra L. et al: Examining the Effects das vom BVerfG statuierte „Übergangsrecht“ näher of Public Journalism on Civil Society from zu beleuchten. „ 1994 to 2002: Organizational Factors, Project Fackler, Stephan: Die normative Kraft des Features, Story Frames, and Citizen Engage- Faktischen: eine kritische Analyse zur Ent- ment. – S. 77–100 scheidung des BVerfG in Sachen Sportwetten. – S. 313–316

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Jandt, Silke; Laue, Philip: Voraussetzungen und tible to aggression, desensitization, and mean world Grenzen der Profilbildung bei Location Based syndrome effects of playing violent video games than they are. The 3rd-person perceptual gaps were greater Services. – S. 316–322 for aggression effects compared to other types and for „Der Mobile Commerce zeichnet sich gegenüber self compared to younger rather than same-age oth- dem Electronic Commerce vor allem durch das neue ers. Finally, the potential of 2 variables-the amount Diensteangebot der standortbezogenen Dienste (Lo- of exposure to video games and the degree of liking cation Based Services – LBS) aus. Da diese zum einen of video games-to impact third-person perceptions is auf den Standort des Nutzers, zum anderen aber auch examined, with findings showing limited support.“ auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sein sollen, benötigt der Anbieter detaillierte Informatio- Armstrong, Cory L.: Revisiting Structural nen über die Nutzer. Die Speicherung einer Vielzahl Pluralism: A Two-Dimensional Conception of personenbezogener Daten einer Person wirft stets Community Power. – S. 287–300 auch die Frage auf, ob es sich dabei bereits um ein Profil handelt. Der Aufsatz will einen Beitrag dazu „This study suggests a revision of the community plu- leisten, die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen ralism model used in mass communication to include und Grenzen der zulässigen Profilbildung im Rahmen a dimension of leadership diversity, which would ex- von LBS aufzuzeigen.“ amine the influence of ethnic leaders within commu- nities, along with the traditional structural indicators. Altenburg, Stephan; Leister, Thomas: Durch- Using confirmatory factor analysis, results indicated brechung des Verbots der Privatnutzung be- that a 2-dimensional model was more appropriate for capturing the dissemination of power within a com- trieblicher TK-Einrichtungen durch Art. 9 munity. Findings and implications for future research Abs. 3 GG?. – S. 322–325 are discussed.“ Hain, Karl-E.: Regulierung in den Zeiten der Chia, Stella C.; Gunther, Albert C.: How Media Konvergenz. – S. 325–337 Contribute to Misperceptions of Social Norms „Mit fortschreitender Medienkonvergenz steigt About Sex. – S. 301–320 der De-/ Reregulierungsdruck im Hinblick auf den „In this study we examined how media contribute Rechts- und Aufsichtsrahmen im Mediensektor. Im to college students’ erroneous perceptions of peer folgenden Beitrag werden die verfassungsrechtlichen norms and the consequences of such misperceptions. Möglichkeiten und Grenzen für eine Umorientierung The data came from a survey of 312 college students. der Medienregulierung in den Zeiten der Konvergenz Results indicate that students believed that their peers ausgelotet. Es wird sich zeigen, dass der Übergang zu were significantly more sexually permissive than was einem rein marktordnungsrechtlichen Regulierungs- actually the case. The data suggested that they formed ansatz für den gesamten Mediensektor aus materiell- such erroneous impressions of peers based in part on verfassungsrechtlichen Gründen und im Aufsichts- their perceptions of media influence on peers. Some bereich eine „große Konvergenzlösung“ für Netze evidence also indicated that these misperceptions pro- und Inhalte aus kompetenzrechtlichen Gründen duced a significant impact on male college students, ausscheiden. Gegenüber dem Kommissions- und dem making them more likely to say they would engage Schwerpunktanstaltsmodell wird als „kleine Kon- in casual sexual activity and engage in it at an earlier vergenzlösung“ eine Ländermedienanstalt präferiert. stage in dating.“ Angesichts des Nebeneinanders von Bundes- und Länder-Aufsichtsakteuren kommt deren effektiver Raney, Arthur A.; Depalma, Anthony J.: The Kooperation (im Vorfeld einer Mischverwaltung) Effect of Viewing Varying Levels and Contexts bei verstärkter Konvergenz große Bedeutung zu. Im Hinblick auf eine mögliche Integration von Netzen of Violent Sports Programming on Enjoyment, und Inhalten ist die Gewährleistung freien und nicht- Mood, and Perceived Violence. – S. 321–338 diskriminierenden Zugangs der content-Anbieter zu „The purpose of this study was to evaluate the rela- den Netzen sowie der Rezipienten zu den contents tionship between the levels and contexts of sports vio- über bestimmte Netze essentiell und müssen auch im lence and viewer enjoyment, mood, and perceptions of Medienrecht bislang nicht verbreitete Techniken wie violence. To this end, 188 participants viewed clips in das unbundling ins regulatorische Kalkül gezogen 1 of 3 viewing conditions: nonviolent play, unscripted werden.“ violent play, and scripted violent play. Findings indi- cated that viewers enjoyed the violent play more than the nonviolent, enjoyed the unscripted violent play Mass Communication & Society more than the scripted, and found the scripted vio- 9 (2006) Nr 3 lent play to be less suspenseful and more violent than the unscripted play. Furthermore, members of the Scharrer, Erica; Leone, Ron: I Know You Are scripted violent play condition reported less positive But What Am I?: Young People’s Perceptions moods after viewing, especially female and nonsports- fan participants. Possible implications of the findings of Varying Types of Video Game Influence. for entertainment researchers are discussed.“ – S. 261–286 Young, Dannagal Goldthwaite: Late-Night „This study examines 3rd-person perception – the idea that individuals think others are more susceptible Comedy and the Salience of the Candidates’ to negative media influence than they are themselves Caricatured Traits in the 2000 Election. – – in the survey responses of 118 6th and 7th graders. S. 339–366 Results show these early adolescents think that others of the same age and younger others are more suscep- „This article examines the effects of exposure to late- 705

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 705705 116.11.20066.11.2006 15:33:1815:33:18 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

night comedy shows on the salience of candidate traits media studies today, especially to the work of Paul prominent in the monologues of late-night comedians Virilio, Friedrich Kittler and others concerned with in the 2000 presidential campaign and assesses the the alliance of war, media and information in modern moderating effects of political knowledge. Logistic society. After some reflections on McLuhan’s ‘mosaic’ regressions predict one’s likelihood of mentioning approach to the media ecology and his view of media caricatured traits as a function of late-night comedy as the extensions of man, I examine three modulations exposure, demographic, political, and media exposure of his most infamous aphorism: the medium is the variables. The results suggest that viewing late-night message; the medium is the massage; and the medium comedy was not directly associated with the salience is the mass-age.“ of the candidates’ most caricatured traits, but among less politically knowledgeable individuals, the salience Lewis, Tania: Seeking health information on of certain caricatured traits did increase at higher levels the Internet: lifestyle choice or a bad attack of of late-night comedy exposure. Across the models, the cyberchondria?. – S. 521–540 salience of caricatured candidate traits was associated with political knowledge and partisanship, suggest- „This article discusses the growing trend towards ‘lay’ ing that even if late-night comedy exposure does not people accessing information about health from the increase the salience of candidate caricatures for the internet. Surveying the major studies of online health population overall, its content is hardly devoid of po- consumption, I argue that this phenomenon can be litical meaning, as these caricatures are on the minds seen as a marker of a broader shift in focus within pub- of political sophisticates.“ lic health discourse and the popular media on health as an individual ‘lifestyle’ issue. Despite this cultural shift, the medical debate over online health consump- Media culture & society tion has been largely negative, viewing the internet as an unruly and unregulated space of mis-information 28 (2006) Nr 4 and lay web users as potential victims of ‘cyberquack- ery’. In contrast to this reductive account, I discuss a Tzanelli, Rodanthi: „Impossible is a fact“: qualitative study I conducted into young people’s use Greek nationalism and international recogni- of the internet for health material that showed they tion in Europe 2004. – S. 483–504 are often highly sceptical consumers of online health material. Furthermore, the study found that the kinds „This article explores the ways in which the ‘nation’ is of health material young people access is informed by discussed in the press. Theoretically, it argues that the issues of social positionality or ‘health habitus’ com- national ‘self’ emerges through dialogue with ‘others’. plicating individualistic notions of lifestyle ‘choice’.“ Reconsidering Anderson’s argument, it suggests that national identity is often the product of international Kim, Eun-Gyoo; Hamilton, James W.: Capitu- recognition that enables the national community to lation to capital?: „OhmyNews“ as alternative ‘imagine’ itself. Contextually, it looks at Greek news- paper commentary following the victory of the Greek media. – S. 541–561 football team in the Euro 2004 tournament. The „This article confronts a foundational problematic Greek national ‘self’ emerged in such commentary in in Western-inflected scholarship on media and de- many ways: first, through the uses of its Christian and mocracy by investigating the emergence, structure, Hellenic heritage that European nations admire; sec- and operation of „OhmyNews“, a Korean primarily ond, through the projection of the ‘Greek nation’ out- online publication that hybridizes features of both wards, as a diasporic community; and, third, through commercial and ostensibly ‘alternative’ media. After the construction of (racist) stereotyping of ‘Greek an analysis informed by the social and historical con- football enemies’ and ‘friends’. The article concludes text of Korean politics, economics, and society of the by examining the role of international praise or criti- past 40 years, the article concludes that OhmyNews cism in the promotion of a Greek political agenda is a unique response to unique enabling conditions, abroad.“ and that its commercial features are inextricably a part of its progressive nature. While the assumed mu- MacDonald, Michael: Empire and communi- tual exclusivity of commercialization and progressive cation: the media wars of Marshall McLuhan. politics should be subjected to critical analysis, the dy- – S. 505–520 namics of neoliberal globalization may still increase the relevance of this Western problematic.“ „From his first reflections on advertising as a ‘magical institution’ in 1952 to his last writings on ‘The Brain Zandberg, Eyal: Critical laughter: humor, pop- and Media’ in 1978, Marshall McLuhan was reproached ular culture and Israeli Holocaust commemo- for his utopian view of media technologies as the ‘ex- tensions of man’ and for his failure to understand the ration. – S. 561–580 new, more formidable rhetorical powers of the electric „This article explores current trends in the repre- mass media. These criticisms are not entirely unjust. sentation of the Holocaust in Israeli popular culture At times McLuhan does seem to view media machines through the analysis of the successful satirical televi- as vehicles of flight into a ‘cosmic harmony’ that ‘trans- sion program ‘The Chamber Quintet’. The article ar- cends space and time’. But for all his ‘delirious tribal gues that the show’s subversive and challenging inter- optimism’ (Baudrillard), McLuhan also understood pretations of traditional Holocaust commemorations, that the global village or ‘global theatre’ has become indicates a major change in the collective memory of a theatre of war, a staging area for ‘colossal violence’ the Holocaust. The article explores the cultural role and ‘maximal conflict’. In order to shed new light on of the show’s sketches relating to Holocaust memory this darker, more radical vision of the mass media set by using three perspectives of analysis. The first is a forth by McLuhan, this article explores his decisive historical-sociological perspective that deals with the – but largely unacknowledged contribution to radical development of Holocaust commemoration in Israel.

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The second perspective deals with the conflict be- Media Perspektiven tween popular cultural practices and the conventions (2006) Nr 6 of Holocaust remembrance. The third perspective deals with the problematic relationship between the Staschen, Björn: Neue Programmformen für content (Holocaust memory) and the form (the genre of humor). Combining these perspectives reveals a einen Medienmarkt im Wandel: „Leben, was dialectical discourse that connects prior voices with sonst?“: eine Themenwoche gegen den Krebs. new modes of Holocaust representation in popular – S. 302-305 culture. The article suggests that the use of the popu- lar medium and the genre of humor undermine the „Mit der Themenwoche Krebs vom 3. bis 9. April program’s content. This process indicates a situation 2006 realisierte die ARD ein bisher einmaliges Pro- of deadlock in collective memory in which new voices grammprojekt. Im Fernsehen, im Hörfunk und im criticize the traditional commemoration but can offer Internet wurden unter dem Motto „Leben – was no alternative and subvert their own criticism.“ sonst?“ in unterschiedlichen Genres eine Woche lang verschiedene Facetten der Volkskrankheit Krebs be- Lee, Chin-Chuan; He, Zhou; Huang, Yu: handelt. Mit einer Mischung aus sachorientierten und „Chinese Party Publicity Inc.“ conglomer- emotionalen Zugängen konnten trotz des schwierigen Themas rund 60 Prozent der Bevölkerung erreicht ated: the case of the Shenzhen Press Group. werden. Björn Staschen berichtet über Idee und Reali- – S. 581–602 sierung der Themenwoche. Ziel war es unter anderem, „The Chinese press, instead of acting purely as a mit der gebündelten Behandlung eines gesellschaftlich state propaganda instrument, now functions as ‘Party und individuell relevanten Themas den Public Value, Publicity Inc.’ – that is, a quasi- business that seeks den besonderen Wert öffentlich- rechtlicher Program- to make huge profits on the one hand and to legiti- me in heutiger Zeit, noch deutlicher herauszustellen. mate the Party mandate by promoting its image on Ferner sollten neue Vermittlungsformen gefunden the other. The accelerated pace of media conglomera- werden, mit denen gesellschaftlich relevante Themen tion following China’s accession to the World Trade auch in Zeiten riesiger Programmauswahl große Auf- Organization has sharpened this trend. This study merksamkeit erzielen können.“ examines the impact of press ecology in Shenzhen, Geese, Stefan; Zubayr, Camille: ARD-The- a national trend- setter for ‘Party Publicity Inc.’, be- fore and after conglomeration. We observe that press menwoche Krebs im Urteil des Publikums: Er- conglomeration has (a) engendered a more centralized gebnisse der Begleitforschung. – S. 306–314 management structure and operation; (b) replaced „Wie wurde die Themenwoche von den Bundesbür- duopolistic competition with market monopoly and gern beurteilt? Nach den Ergebnissen einer repräsen- greater price-fixing abilities; (c) continued to rely on tativen Umfrage im Rahmen der Begleitforschung, state office subscription; (d) dampened journalists’ über die Stefan Geese und Camille Zubayr schreiben, enthusiasm for political reform in favor of economic bewerteten rund 80 Prozent der Bevölkerung die interest; (e) developed a two-tier Publicity Inc. to Schwerpunktwoche mit sehr gut/gut, und 86 Prozent serve both the Party and the market; and (f) provided stimmten zu, dass die ARD mit der Themenwoche an opportunity for overseas expansion. Marketization Krebs einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft does not trigger political reform, but pre-empts pres- geleistet hat. Hervorgehoben wurden ferner die jour- sure for political change. The Party Publicity Inc. in its nalistische Integrität der Beiträge sowie Kompetenz conglomerate form represents a complicitous accom- und Professionalität im Umgang mit dem Thema.“ modation between power and money engineered by a post-Communist bureaucratic-authoritarian regime.“ Heffler, Michael; Möbus, Pamela: Der Werbe- Davis, Aeron: Media effects and the question of markt 2005: Rekordwert beim Bruttoumsatz the rational audience: lessons from the financial – verhaltene Steigerung beim Nettoumsatz. markets. – S. 603–626 – S. 315–322 „This article offers evidence for an alternative perspec- Wild, Christoph: Radiowerbewirkungsfor- tive on the media effects debate. Early work on me- schung in Deutschland: Aufgabenstellung, In- dia influence, be it conservative or critical, assumed a causal link between mass media and mass behaviour. strumente, Befunde. – S. 323–331 In contrast, decades of effects and audience research has established the inadequacy of this ‘strong effects’ paradigm. The main thrust of this counter-research is (2006) Nr 7 the realization that audiences actively consume and use the media for self-serving purposes. The alterna- Weischenberg, Siegfried; Malik, Maja; Scholl, tive perspective offered here comes from a study of Armin: Journalismus in Deutschland 2005: elite fund managers, their communications and de- zentrale Befunde der aktuellen Repräsentativ- cision-making in the London Stock Exchange. The research findings suggest that such individuals do re- befragung deutscher Journalisten. – S. 346–361 spond actively to media, but, collectively, the results „Welches Rollenselbstverständnis haben Journalisten can be both self- defeating and on a mass scale. That heute? Und wie lässt sich dieses in den Medien um- is, individuals do not have to be ignorant nor act ir- setzen? Antworten auf diese Fragen gibt die Studie rationally to contribute to media-instigated, collective „Journalismus in Deutschland 2005“, mit der nach der irrationality.“ Journalistenenquete von 1993 nunmehr zum zweiten Mal repräsentative Daten zum Berufsfeld erhoben wurden. Wie Siegfried Weischenberg, Maja Malik und Armin Scholl berichten, dominiert das Selbst- 707

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verständnis des neutral und präzise informierenden Definition von Jugendlichkeit. Einerseits sind sie Journalisten. Die Kritikfunktion des Journalismus wesentliche Transporteure der neuen Zumutungen unterstreichen mehr als die Hälfte der Befragten, und Unsicherheiten, andererseits tragen Medien und während nur eine Minderheit eine aktive Beeinflus- Medienpraktiken dazu bei, dass Jugend als eigenstän- sung der politischen Agenda anstrebt. Auffallendes dige Lebensphase sichtbar bleibt. In diesem Rahmen Ergebnis im Vergleich zur Vorgängerstudie ist ein ge- bieten sie auch vielfältige Identitätsangebote. Nicht sunkener Zeitaufwand für Recherche, für technische vergessen werden darf dabei aber, dass die Chancen und organisatorische Aufgaben muss hingegen mehr zur Nutzung dieser Angebote sozial strukturiert, das Zeit aufgewendet werden.“ heißt, sozial ungleich verteilt sind.“ Metze-Mangold, Verena; Merkel, Christine M.: Hoffmann, Dagmar: Die Mediennutzung von Magna Charta der internationalen Kulturpoli- Jugendlichen im Visier der sozialwissenschaft- tik: die Unesco-Kulturkonvention vor der Ra- lichen Forschung. – S. 15–21 tifizierung. – S. 362–373 „Medien spielen für Jugendliche eine wichtige Rolle. „Medien haben eine Doppelnatur: Sie sind Ware und In den öffentlichen Debatten werden sie meist jedoch Kulturgut zugleich und als letztere Träger von Wert- nur unter dem Aspekt der Jugendgefährdung disku- vorstellungen und Identität. Somit fallen auch sie unter tiert, nach ihrer alltäglichen Bedeutung für Jugendli- den Schutz der UNESCO-Kulturkonvention, die sich che wird kaum gefragt. Selbst in der wissenschaftlichen zur Zeit im Ratifizierungsprozess befindet. Verena Jugendmedienforschung herrscht Schubladendenken Metze-Mangold und Christine M. Merkel beschrei- vor: Die einen hängen einer kulturpessimistischen ben Ziele und Konflikte im Entstehungsprozess der Perspektive an und können den Medien nichts Posi- Konvention sowie ihre wichtigsten Regelungen. Die tives abgewinnen. Die anderen verfolgen medienkul- Kulturkonvention ist das erste völkerrechtliche Ab- turelle Ansätze, in denen die Potenziale der Medien kommen zur Kulturpolitik und eröffnet den Staaten für Jugendliche betont werden. Um ein angemessenes Perspektiven für eine aktive (auch fördernde) Kultur- Bild der Bedeutung der Medien für Jugendliche zu politik, wobei die Konvention potenziell im Konflikt erhalten, wäre es an der Zeit, sich von diesen „Schub- mit den Liberalisierungs- und Marktöffnungszielen laden“ zu lösen.“ der Welthandelsorganisation (WTO) steht.“ Tillmann, Angela; Vollbrecht, Ralf: Cliquen, Beisch, Natalie; Engel, Bernhard: Wie viele Jugendkultur und Medien. – S. 22–27 Programme nutzen die Fernsehzuschauer?: „In jugendlichen Peergroups haben Medien seit jeher Analysen zum Relevant Set. – S. 374–379 einen hohen Stellenwert, wobei besonders die sozialen und kommunikativen Funktionen von Jugendlichen „Im Fernsehen nimmt die Zahl der empfangbaren geschätzt werden. Während bislang jugendliche Cli- Programme in vielen Ländern im Zuge der Digitalisie- quen und auch die frühen territorial-bezogenen Ju- rung kräftig zu. In Deutschland können derzeit durch- gendkulturen sozial-räumlich eng begrenzt waren, schnittlich 54 Fernsehprogramme empfangen werden. eröffnen die neuen Medien die Bildung überörtlicher Aber wie viele davon nutzen die Zuschauer? Mit dem Gesellungsformen und Gemeinschaftsbildungen. Konzept des Relevant Set gehen Natalie Beisch und Diesen Veränderungen spürt der Beitrag an einigen Bernhard Engel dieser Frage nach. Generell zeigt Beispielen jugendlicher Mediennutzungen und eines sich: Je mehr Programme zu empfangen sind, desto kreativen Mediengebrauchs nach.“ geringer ist die Ausschöpfung dieses Potenzials. Mit dem meistgenutzten Sender wird bereits ein Drittel Müller-Lietzkow, Jörg: Leben in medialen der gesamten Fernsehnutzung abgedeckt, zwei Pro- Welten: E-Sport als Leistungs- und Lernfeld. gramme decken gut 50 Prozent und zehn Programme über 90 Prozent ab. Als führende Sender mit fast glei- – S. 28–33 chen Rangplätzen im Relevant Set positionierten sich „Der nachfolgende Beitrag untersucht vor dem Hin- im Untersuchungszeitraum die öffentlich-rechtlichen tergrund der starken Zunahme der Popularität des Programme Das Erste/ARD und ZDF sowie der Pri- E-Sports bei Jugendlichen in Deutschland die Frage vatsender RTL.“ nach möglichen Transferfeldern, wo neben dem Spiel- element Lernanteile liegen könnten. Dabei wird von Vogel, Andreas: Stagnation auf hohem Niveau: einem wettkampf- beziehungsweise leistungsorien- Daten zum Markt und zur Konzentration der tierten E-Sportverständnis ausgegangen. Dies erlaubt, Publikumspresse in Deutschland im 1. Quartal grundsätzlich auf die Grundlagen der Leistungsmo- 2006. – S. 380–398 tivationspsychologie zurückgehende Gedanken mit in den Kanon der Transferüberlegungen aufnehmen zu können. Am Ende stehen ein Ausblick und drei medien + erziehung Forderungen nach a) verstärkter Forschung, b) Pilot- versuchen im Schulalltag und c) der Ausweitung des 50 (2006) Nr 4 Angebots.“ Lange, Andreas; Schorb, Bernd: Zwischen Ent- Warkus, Hartmut: Medienpädagogik auf der grenzung und Restabilisierung: Medien als Ge- Games Convention?. – S. 34–37 neratoren von Jugend. – S. 8–14 Geffken, Michael: Soap im Handy. – S. 38–43 „Ausgehend von den Entgrenzungs- und Verflüssi- „Medien sind duale Güter: Medienunternehmen ver- gungsphänomenen von Jugend als Generationsgestalt kaufen nicht nur Inhalte an ihre Nutzerinnen und durch den früheren Zugriff der Logik der Qualifi- Nutzer, sondern auch Werbeplatz an ihre Werbekun- zierung und der Arbeitsmarktkonkurrenz stellt sich den. Durch die Veränderungen des Medienverhal- die Frage nach dem Stellenwert der Medien für die 708

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 708708 116.11.20066.11.2006 15:33:2315:33:23 UhrUhr Literatur · Zeitschriftenlese

tens von Kindern und Jugendlichen geraten Verlage Hallaschka, Florian; Jandt, Silke: Standortbe- und Sender unter Druck: je weniger junge Leute sie zogene Dienste im Unternehmen. – S. 436–440 erreichen, desto spärlicher fließen die Werbeeinnah- men. Die Medien suchen nach neuen Wegen, junge „Standortbezogene Dienste oder auch Location Based Zielgruppen für ihre Inhalte zu begeistern. Marketing Services (LBS) werden in Zukunft vermehrt im Ge- und Werbung schichten derweil ihre Ausgaben um: schäftsleben eingesetzt werden. Da diese Dienste eine weniger Anzeigen und TV-Spots, mehr Events und konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses dar- mehr Internet-Aktivitäten.“ stellen und somit sowohl Interessen des Arbeitgebers als auch der Arbeitnehmer betroffen sind, unterliegt die Einführung und Nutzung von standortbezogenen Medien & Zeit Diensten betriebsverfassungs- und datenschutzrecht- 21 (2006) Nr 2 lichen Anforderungen, die im folgenden Beitrag dar- gestellt werden.“ Streeruwitz, Marlene: „Daran weder denken Roßnagel, Alexander: Die Ausgabe sicherer Si- noch erinnern noch erinnert werden“. – S. 4–9 gnaturerstellungseinheiten. – S. 441–445 Wassermann, Heinz P.: So viel(e) Erinne- rung(en): Bemerkungen zur veröffentlichten 9 (2006) Nr 8 Gedenkkultur an der Schnittstelle nationalso- zialistischer Vergangenheit(en) und politischer Altmeppen, Stefan; Kahlen, Christine: IWG Gegenwart(en). S. 10–26 – neue Impulse für den Informationsmarkt: Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz Hein, Dörte: Ein ganz anderer Ansatz?: Leit- über die Weiterverwendung von Informationen fadengespräche mit Webkommunikatoren öffentlicher Stellen. – S. 499–503 von erinnerungskulturellen Internetangeboten. – S. 27–37 Rösler, Hannes: Haftung von Medientausch- börsen und ihrer Nutzer in Nordamerika, Aus- tralien und Europa. – S. 503–511 Medien Wirtschaft 3 (2006) Nr 2 Zagouras, Georgios: Klingeltöne & Co im Abonnement: Vertragsbeziehungen und Kün- Müller-Lietzkow, Jörg; Bouncken, Ricarda B.: digung beim wiederkehrenden Vertrieb von Vertikale Erweiterung der Wertschöpfungsket- Mehrwertdiensten. – S. 511–515 te: das zweischneidige Schwert der Zusammen- Petersen, Jens: Eingriffsbefugnisse nach dem arbeit der Filmwirtschaft mit der Computer- TKG bei Zuwiderhandlungen gegen Dienstean- und Videospielindustrie. – S. 6–19 bieterverpflichtungen. – S. 515–519 Anker, Heinrich: Die Methodik der Nutzungs- Hoenike, Mark; Szodruch, Alexander: Rechts- forschung prägt das Programmangebot: Befra- rahmen innovativer Zahlungssysteme für Mul- gung versus Meter-System in der Radiopubli- timediadienste. – S. 519–527 kumsforschung. – S. 20–31 Kaumanns, Ralf; Siegenheim, Veit A.: Die Zu- 9 (2006) Nr 9 kunft des Radios: neue Perspektiven für ein altes Medium. – S. 32–45 Elsenbast, Wolfgang: Ökonomische Konzepte Elitz, Ernst: Qualitätsmanagement: unausge- zur Regulierung „neuer Märkte“ in der Tele- schöpfte ökonomische Potenziale im öffent- kommunikation. – S. 575–579 lich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. „Hinsichtlich der regulatorischen Behandlung neuer Märkte besteht aktuell eine intensive Debatte, die sich – S. 46–56 vor allem an dem Investitionsvorhaben der Deutschen Telekom AG festmacht, moderne Glasfasernetze zu verlegen, welche die Übertragungsgeschwindigkeit Multimedia und Recht erheblich erhöhen. Diese Netze werden ein sog. 9 (2006) Nr 7 „Triple Play“ ermöglichen, d. h. eine Kombination von Fernsehen, Internetdiensten und Telefon. Die Müller, Ulf: Alternative Adressierungssysteme Deutsche Telekom AG würde gerne für die Investiti- für das Internet: kartellrechtliche Probleme. on von der Regulierung freigestellt werden, was auch – S. 427–432 grundsätzlich nach dem TKG möglich ist. In diesem Artikel wird erörtert, wie „neue Märkte“ zu definie- Schlotter, Clemens Daniel: Mehrwertdienste ren sind und wie bei diesen, so sie regulierungsbedürf- – der Widerspenstigen Zähmung: Auswirkung tig sind, eine dynamische Netzzugangsregulierung umgesetzt werden kann. Dabei wird speziell auf die der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Möglichkeit von „access holidays“, d. h. einem zeit- Abrechnungspraxis und die Geltendmachung weisen Aussetzen der Regulierung, bzw. einer das von Einwendungen. – S. 433–436 Investitionsproblem explizit berücksichtigenden Re- 709

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 709709 116.11.20066.11.2006 15:33:2515:33:25 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

gulierung sowie auf die sog. „ladder-of-investment- in the era of new media: what technological systems theory“ eingegangen. Unterschiede in den Ansätzen have received disproportionate attention, and what werden herausgearbeitet und unter Berücksichtigung new histories of old media might be written.“ neuerer Ergebnisse einige Regulierungsempfehlungen für „neue Märkte“ getroffen.“ Kuipers, Giselinde: The social construction of digital danger: debating, defusing, and inflating Herdegen, Matthias: Freistellung neuer Tele- the moral dangers of online humor and pornog- kommunikationsmärkte von Regulierungsein- raphy. – S. 379–400 griffen: die gesetzliche Steuerung im Lichte des „This article discusses reactions to two forms of Verfassungs- und Europarechts. – S. 580–584 „dangerous” digital entertainment: ethnic humor and Mankowski, Peter: Inanspruchnahme von online pornography. It compares the way in which the dangers of these entertainments are socially con- Mehrwertdiensterufnummern: Vertragsbezie- structed in online discussions by Dutch and American hungen des Kunden zu Teilnehmernetzbetreiber internet users. Ethnic humor is virtually absent and und Mehrwertdiensteanbieter. – S. 585–589 widely considered dangerous on the Dutch part of the internet, but circulates widely on the Anglophone in- Bender, Rolf; Kahlen, Christine: Neues Tele- ternet. Online pornography is considered dangerous mediengesetz verbessert den Rechtsrahmen but mostly manageable by Dutch internet users, but für Neue Dienste und Schutz vor Spam-Mails. has become the subject of moral panic in the United States. The comparisons between the four cases show – S. 590–593 the influence of ,national cultures’ on the transnation- „Die Bundesregierung hat am 14.6.2006 den Entwurf al internet, as well as the mechanisms involved in the eines Gesetzes zur Vereinheitlichung von Vorschrif- social construction of online dangers; they show how ten über bestimmte elektronische Informations- und these concerns can be defused and normalized as well Kommunikationsdienste (Elektronischer-Geschäfts- as inflated and dramatized into moral panic.“ verkehr- Vereinheitlichungsgesetz – ElGVG) verab- schiedet. Kernstück des Gesetzesvorhabens ist das Zhao, Shanyang: Humanoid social robots as Telemediengesetz (TMG). Es ist ein wichtiger Bau- medium of communication. – S. 401–420 stein bei der zukunftsorientierten Fortentwicklung „This article examines the emerging phenomenon of der Medienordnung. Die neuen Regelungen gelten humanoid social robots and human-humanoid in- unabhängig vom Verbreitungsweg der Angebote, sind teractions. A central argument of this article is that entwicklungsoffen ausgestaltet und vereinfachen den humanoid social robots belong to a special type of bestehenden Rechtsrahmen. Die wesentliche Ände- robotic technology used for communicating and in- rung besteht darin, dass künftig nicht mehr zwischen teracting with humans. These robotic entities, which Tele- und Mediendiensten unterschieden wird. Die can be in either mechanical or digital form, are autono- wirtschaftsbezogenen Anforderungen an Telemedi- mous, interactive and humanlike. Some of them are en werden in Zukunft im TMG für alle betroffenen used to interact with humans for utilitarian purposes Angebote einheitlich geregelt, während die inhalts- and others are designed to trigger human emotions. bezogenen Vorschriften in einem neuen Kapitel des Incorporation of such robotic entities into the realm Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien konzen- of social life invariably alters the condition as well as triert werden. Das künftige TMG will zugleich einen the dynamics of human interaction, giving rise to a verbesserten Schutz vor irreführenden Angaben bei synthetic society in which humans co-mingle with hu- E-Mail- Werbung schaffen.“ manoids. More research is needed to investigate the social and cultural impact of this unfolding robotic revolution.“ New media & society 8 (2006) Nr 3 Soukup, Charles: Computer-mediated com- munication as a virtual third place: building Light, Jennifer S.: Facsimile: a forgotten „new Oldenburg’s great good places on the world medium“ from the twentieth century. – S. 355– wide web. – S. 421–440 378 „The sociologist Ray Oldenburg coined the term „Scholars have expressed increasing interest in un- „third place” or „great good places” to describe the derstanding the conceptual and technological roots public spaces used for informal social interaction out- of contemporary new media. Yet, to date, accounts side of the home and workplace. Oldenburg’s con- of the history of media technologies have ignored ceptualization has been used consistently to describe the rise, fall, and transformation of one innovation the communication of computer-mediated contexts whose applications in the first half of the 20th century such as chatrooms and multi user environments. This parallel recent developments in WiFi internet, mobile analysis examines the accuracy, utility and potential telephony, telework, telemedicine, online publishing, pitfalls of Oldenburg’s concept for computer-medi- and video-on-demand. This article introduces schol- ated communication scholarship. Further, it offers the ars to the history of the fax machine, and suggests how necessary conditions for creating viable „virtual” third the technology provides an important comparison places on the world wide web. Finally, it identifies di- point for analyzing technological developments, past rections for continued research as well as theoretical and present. The conclusion explores how position- implications for scholars interested in digital commu- ing this innovation more prominently within the com- nication technologies.“ mon disciplinary wisdom about the rise of new media opens a door for scholars to deliberate about the his- Mackenzie, Adrian: Java: the practical virtual- toriographical boundaries of the ,old media studies’ ity of Internet programming. – S. 441–466 710

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 710710 116.11.20066.11.2006 15:33:2615:33:26 UhrUhr Literatur · Zeitschriftenlese

„The general equation between the virtual and new content and users. The article analyses the modes of media which prevailed during much of the 1990s is operation both for the production of the properties of now openly regarded as untenable. Yet another sense interactivity and usage/production in the activity of of the virtual remains operative in the eventfulness of interactivity. The concept of ‘positioning’ is offered as new media as cultural-technological processes. This a means of moving the debate on from the application article analyses the practices of „the virtual” at work of communication models or the practical develop- in the production, circulation and representation of ment of ‘features’. The article proposes ‘succession the internet programming language and software mapping’ as a methodology that acknowledges the platform, Java. Drawing from recent theories of post- building up of the interactive offer and also the gen- social relationality (Shields, Lister et al., Massumi), it erative capabilities of packages. The concept of the ac- describes slippages in Java that trigger divergent, on- tive user engaged in ‘user production’ i.e. generation is going, generative transformations. Examining the cir- introduced as being of value to academics, practition- culation, interpretations, coding practices, branding ers and those who practice, teach and research.“ and implementation of Java, the article suggests that a notion of practical virtuality as ongoing incomplete- Ribak, Rivka; Rosenthal, Michele: From the ness can help to explain the dynamism of new media as field phone to the mobile phone: a cultural open-ended cultural-technical relationalities.“ biography of the telephone in Kibbutz Y. Gotved, Stine: Time and space in cyber social – S. 551–572 reality. – S. 467–486 „In 1989, years after the majority of Israeli city dwell- „This article synthesizes a range of sociological views ers, the members of Kibbutz Y celebrated the instal- on time and space, and presents a departure point for lation of telephones in their apartments. We trace the future research on cyber social reality. Using basic so- cultural biography of the telephone in Kibbutz Y, ciological categories of culture, structure, and interac- with special emphasis upon the practical and symbolic tion, the cyber social reality is drawn into a matrix transition from public to private telephones, in order that further illustrates the embeddedness in technol- to discuss the role of deliberation in the adoption of ogy, time, and space. The matrix is a theoretically and new technologies. The biographical approach permits empirically grounded tool for exploring, describing, us to discuss parallel developments in the technology, analyzing, and comparing the variety existing within the kibbutz ideology, the society and the interrela- online communities and communication. In the arti- tionships between them. The article argues that even cle, the matrix is illustrated step by step to show its within a community where ideology is transparent, inherent dimensions, and in conclusion it is proposed such as a kibbutz, contradictions and dilemmas in- to be a useful systematic for, on the one hand, ensuring form users’ discourse.“ ethnographically thick descriptions of online social Atton, Chris: Far-right media on the Internet: life, and on the other, comparing the various reality constructions found.“ culture, discourse and power. – S. 573–588 „This study examines the discourse of the British Na- Rodino-Colocino, Michelle: Laboring under tional Party’s (BNP) website. It explores the site as the digital divide. – S. 487– 511 a form of alternative media, focusing on how it in- „First and second wave digital divide research un- volves members and supporters in its discursive con- deremphasizes the digital labor force divide and struction of racism. It finds that the discourses and overestimates the impact of access to and skill in dig- identities produced are played out through a radical ital technology. Such emphasis deprives digital divide reformation of the concepts of power, culture and op- scholarship of its democratizing potential by muting pression. Drawing on the post-colonial notion of the structural critique and recasting the divide as a prob- Other, the BNP seeks to present itself, its activities lem of diffusion. To the extent that it promotes dif- and its members as responses to racism and oppres- fusion over equality, the digital divide debate serves sion that, it argues, are practised by the Other. While marketing rather than socially constructive ends. This this discourse is constructed through the everyday article argues that improved technical training and ac- experiences and attitudes of its members, the hierar- cess cannot overcome the digital labor force divide, chically-determined nature of the site prevents those because gaps in pay, security, and dignity cleave the members from sustained, active involvement in the high-tech job market. Examination of the high-tech construction of their own identities. For this reason, labor force in Seattle demonstrates the need to fore- the study concludes, the BNP’s site is far from the ground the digital labor force divide. Eliminating more open, non-hierarchical practices of ‘progressive’ economic and political disparities requires us to work alternative media.“ through the digital workforce divide rather than labor Chia, Stella C. et al: Mining the Internet pla- underneath it.“ teau: an exploration of the adoption intention of non-users in Singapore. – S. 589–610 8 (2006) Nr 4 „This study examines the factors that affect the inten- tion to adopt the internet among non-users against the Richards, Russell: Users, interactivity and gen- backdrop of an emerging internet plateau. Using data eration. – S. 531–550 from a telephone survey with a representative national sample of non-users in Singapore, this study attempts „This article is, in part, a response to articles for this to understand better what may facilitate or impede Journal by Sally McMillan and Spiro Kiousis. The non-users to adopt the internet in light of the theory article examines the analytical problems caused by of planned behavior. Findings indicate that, in addition the fact that interactivity is both a property and an to demographic factors, attitudes toward the internet activity. It asserts that interactivity is a contextualiz- and perceived control of several internal and external ing facility that mediates between environments and 711

MM&K_04.06_08_Zeitschrif.indd&K_04.06_08_Zeitschrif.indd 711711 116.11.20066.11.2006 15:33:2815:33:28 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

factors are predictive of individuals’ intentions to get ulation, looking particularly at the Content Scramble online in the future. Implications of the findings and System (CSS) encryption system for DVDs and the future research directions are discussed.“ recent ‘broadcast flag’ proposed for digital television. In the name of preventing piracy, these arrangements Olsson, Tobias: Appropriating civic informa- threaten to undermine users’ sense of agency with tion and communication technology: a critical their own technologies.“ study of Swedish ICT policy visions. – S. 611– Arvidsson, Adam: „Quality singles“: internet 628 dating and the work of fantasy. – S. 671–690 „With 71 percent of its households owning comput- „This article builds on a case study of the worldwide ers and having internet access, Sweden is one of the online dating site Match.com to develop a theoreti- world’s leading information and communication cal understanding of the place of communication and technology (ICT) nations. The prevalence of ICT affect in the information economy. Drawing on theo- has inspired the Swedish government to ascribe it as a retical debates, secondary sources, a qualitative survey civic tool, capable of cultivating more active citizen- of dating profiles and an analysis of the features and ship and a stronger democracy. However, despite its affordances of the Match.com site, the article argues lofty intentions, Sweden’s ICT policy has a significant that internet dating seeks to guide the technologically shortcoming: it is uninformed about the everyday enhanced communicative and affective capacities of lives of citizens. This article aims to shed light on ICT internet users to work in ways so that this produces policy through an analysis of the appropriation of the economically valuable content. This is primarily computer and the internet in Swedish working-class achieved through branding, which as a technique of households. Specifically, by drawing on semi- struc- governance that seeks to work ‘from below’ and ‘em- tured interviews, observations and media diaries with power’ users to deploy their freedom in certain par- household respondents, the article critically discusses ticular, pre-programmed ways. The argument is that civic visions in Swedish ICT policy. It concludes with online dating provides a good illustration of how the a recontextualizion of the discussion within an inter- information economy actively subsumes communica- national arena.“ tive action as a form of immaterial labour.“ Park, Han Woo; Thelwall, Mike: Web-science communication in the age of globalization. Political communication – S. 629–650 23 (2006) Nr 2 „The web is important for academic communication and publishing on an international scale, but it is dif- Sparrow, Bartholomew H.: A Research Agenda ficult to assess the extent to which globalization actu- for an Institutional Media. – S. 145–158 ally has occurred. This article examines the connectiv- ity structure of links between university websites in „This article presents a new institutionalism theory of 25 Asian and European countries as a case study of an news rooted in the open-systems approach developed inter-regional and intra- regional web phenomenon. in organizational theory. It argues that news media The five most linked-to universities in each nation- develop standard routines and practices-institutions- state were selected and network analysis techniques in response to three kinds of uncertainty: whether or were used. The results suggested that the UK (and to how they will make a profit, establish their legitimacy, a lesser extent some other European countries) has and find timely information. These routines and prac- a high impact on the formation of link-xmediated tices become taken-for-granted assumptions about academic networks in Asia and Europe. Universities’ how to produce news that span across news organiza- websites in Asia are more heavily connected to Euro- tions to compose an institutional regime of news. It is pean universities than linked to each other. The overall argued that this regime constrains journalists work- findings were indicative of globalization rather than ing within major mainstream media organizations to regionalism, but a better characterization might be produce extraordinarily homogeneous kinds of news. globalization with regional imbalances and individual Directions for future research are suggested.“ high performing countries.“ Cook, Timothy E.: The News Media as a Politi- Gillespie, Tarleton: Designed to „effectively cal Institution: Looking Backward and Look- frustate“: copyright, technology and the agen- ing Forward. – S. 159–172 cy of users. – S. 651–670 „This article presents a new institutionalism approach „Recently, the major US music and movie companies to news grounded in sociological and historical ap- have pursued a dramatic renovation in their approach proaches to new institutionalism and argues that this to copyright enforcement. This shift, from the ‘code’ approach to news production has several advantages. of law to the ‘code’ of software, looks to technologies Among them are that it encourages analysts to see the themselves to regulate or make unavailable those uses news as an outcome of interaction between journalists of content traditionally handled through law. Critics and other political actors, that it allows for variance worry about the ‘compliance’ rules built into such in news coverage around a general tendency toward systems: design mandates for manufacturers indicat- homogeneity in the news, and, finally, that it encour- ing what users can and cannot do under particular ages scholars to examine the full range of news outlets conditions. But these are accompanied by a second in the media universe rather than to concentrate their set of limitations: ‘robustness’ rules. Robustness rules attention on the narrow world of mainstream elite me- obligate manufacturers to build devices such that they dia. This approach is compared and contrasted with prevent tinkering – not only must the technology that offered by Sparrow elsewhere in this issue, and regulate its users, it must be inscrutable to them. This future directions for research are offered.“ article examines this aspect of technical copyright reg- 712

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Kaplan, Richard L.: The News About New In- types of rules implicate one another in the production stitutionalism: Journalism’s Ethic of Objectiv- of news explains why the news can be both homoge- neous and variable at the same time.“ ity. – S. 173–186 „The author discusses the utility of sociology’s new Entman, Robert M.: Punctuating the Homoge- institutionalism (NI) in organizational theory for the neity of Institutionalized News: Abusing Pris- study of journalism and contends that NI remedies oners at Abu Grhaib Versus Killing Civilians at the political and cultural deficits in most existing so- Fallujah. – S. 215–224 cial theories of the news. By highlighting how news organizations and journalists are embedded in broader „This article investigates a central assertion of new fields of news producers and also politics, NI reveals institutionalist approaches to news – that all things both the limits and possibilities that journalism con- being equal news coverage will tend toward homo- fronts as it works to fulfill its ideal role in democratic geneity – in an analysis of news coverage of events in society. This article explicates one version of NI’s ap- Fallujah, Iraq, in April 2004. An index of homogeneity plicability to media studies by focusing on how jour- is developed borrowing from the Herfindahl-Hirsch- nalism is entangled in the conflicts and values of the mann index of market concentration in economics. „political field,“ beyond the more limited domain of Using this index, it is shown that coverage of Fallujah journalism proper. It then considers the relevance of in the major mainstream American news outlets was this theory for explaining turn-of-the-20th-century relatively homogeneous and in this respect apparently transformations in journalism. Between 1865 and differed from the more diverse reporting on Abu 1920, the American press redefined its highest ideals Ghraib. The comparative homogeneity of Fallujah as well as its most mundane organizational practices. news is explained in part using new institutionalist It changed from an avidly partisan press to a sober principles. The author concludes that developing new „objective“ media. NI helps highlight how these institutionalist theory requires more precise concep- transformations in journalism’s mission reflected and tualization and measurement of its key predictions, refracted more overarching shifts in the American po- such as the expectation that major national media litical system.“ usually cover big stories similarly.“ Benson, Rodney: News Media as a „Journalis- Lawrence, Regina G.: Seeing the Whole Board: tic Field“: What Bourdieu Adds to New Insti- New Institutional Analysis of News Content. tutionalism, and Vice Versa. – S. 187–202 – S. 225–230 „Bourdieu’s field theory and the new institutionalism „The author assesses the merits of various new in- of Cook and Sparrow are similar in that they call for stitutional approaches to news presented as part of a a new unit of analysis for journalism studies: between symposium on the subject and suggests that one of the individual news organization and the society as the advantages of these approaches is their effort to a whole, the „mezzo-level“ interorganizational and see the major variables of news production in relation professional environment of the field/institution. to one another and moving in time. However, this Bourdieu’s focus on competition and difference, very sensitivity to interaction and time makes new rooted in processes of cultural and economic class institutionalist explanations complex. In this regard, distinctions both among audiences and cultural pro- of particular importance is the tendency of new insti- ducers, supplements the new institutionalist empha- tutionalist theorists to conflate at least two definitions sis on homogeneity; moreover, Bourdieu’s emphasis of institutions: formal organizations and informal, on a professional or intellectual autonomy (however largely tacit understandings. This article explores the limited) of journalists as a collective body, elided in potential of new institutionalist theory in the context new institutionalist accounts, remains an essential of a brief examination of news coverage of the Abu element of any thorough media analysis. Conversely, Ghraib prison abuse scandal in major mainstream new institutionalists’ greater attention to the state as American newspapers. It shows that the homogene- a partially autonomous influence on the journalistic ity of this coverage can be explained in the context of field helps fill a crucial gap in Bourdieu’s model. Both new institutionalist theory. Suggestions are offered for approaches could be improved by adopting a broader how those interested in new institutionalist explana- view and analyzing effects on news content and form tions of news might move forward.“ of variations in national journalistic fields (and field configurations)-in particular the organizational/spa- tial ecology of journalistic competition, and the cul- Publizistik tural inertia of professional traditions rooted in con- 51 (2006) Nr 3 tingent historical processes of field formation.“ Ryfe, David Michael: The Nature of News Petersen, Thomas: Ein Experiment zur poten- Rules. – S. 203–214 tiellen Wirkung von Gegendarstellungen als Gegengewicht zu einer skandalisierenden Be- „Drawing on new institutionalist theory, this article presents a theory of news rules to explain the curi- richterstattung. – S. 153–167 ous fact that so much of the news looks similar across „Der Beitrag beschreibt ein kontrolliertes Feldexpe- news organizations, yet reporters maintain a great deal riment, mit dem der in der Forschung bisher wenig of autonomy in choosing which stories to report and beachteten Frage nachgegangen wurde, inwieweit how to report them. The theory hinges on a distinc- Gegendarstellungen die Meinungsbildung der Medi- tion between constitutive and regulative rules. Where ennutzer beeinflussen und einen durch die beanstan- constitutive rules tell us what the news is, regulative dete vorangegangene Berichterstattung entstandenen rules tell us how the news ought to be produced. The Eindruck korrigieren können. Die Studie wurde im author argues that a better understanding of how these Januar 2004 durchgeführt. Ihr Anlass war die Affäre 713

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um den damaligen Präsidenten der Bundesanstalt für es wenig aussichtsreich, den Begriff auf eines seiner Arbeit Florian Gerster. Bei einer Repräsentativumfra- vielen miteinander konkurrierenden Verständnisse ge wurde die Gesamtstichprobe von insgesamt rund festzulegen. Stattdessen wird die Frage „Wovon ist die 2000 Befragten in vier in sich repräsentative Teilgrup- Rede, wenn in der (deutschsprachigen) Kommunikati- pen von je 500 Personen unterteilt. Einer Gruppe ons- und Medienwissenschaft von ‘Medium’ die Rede wurde ein Zeitungsartikel präsentiert, der Gerster ist?“ in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt. Auf scharf angriff, zwei Befragtengruppen erhielten un- der Grundlage einer (Bedeutungs-)Analyse der viel- terschiedliche Varianten einer vorgeblich von Gerster fältigen Medienverständnisse und -konzeptionen und verfassten Gegendarstellung zu diesem Artikel. Die deren Systematisierung werden vier kommunikati- vierte Gruppe diente als Kontrollgruppe. Nach der ons- und medienwissenschaftliche Grundverständnis- Vorlage der Texte wurden die Befragten nach ihrer se von ‘Medium’ identifiziert: Medium als Mittel der Einstellung zu Gerster befragt. Die Ergebnisse des Wahrnehmung, Medium als Mittel der Verständigung, Experiments deuten darauf hin, dass die Wirkung ei- Medium als Mittel der Verbreitung sowie Medium als ner Gegendarstellung in ihrer Stärke tatsächlich, wie Form von Kommunikation.“ in der juristischen Literatur angenommen, ungefähr dem Effekt eines einzelnen, gleich langen Zeitungs- Scherer, Helmut et al: So Nah und doch so fern?: artikels entspricht. Sie ist jedoch nicht annähernd in zur Rolle des Nachrichtenfaktors „Nähe“ in der Lage, eine Rufschädigung, die durch eine umfang- der internationalen Tagespresse. – S. 201–224 reiche flankierende Berichterstattung ausgelöst wird, auszugleichen. Detailanalysen zeigen darüber hinaus, „Die Arbeiten von Östgaard (1965) sowie Galtung dass die Gegendarstellung tendenziell nicht zur Bei- und Ruge (1965), die die Nachrichtenauswahl anhand legung der öffentlichen Auseinandersetzung beiträgt, von Nachrichtenfaktoren erklären, bilden einen zen- sondern eher zur Polarisierung der Meinungslager tralen Ansatzpunkt zur Analyse der internationalen und damit zur Verschärfung des Konflikts.“ Berichterstattung und der Identifikation ihrer Ein- flussfaktoren. Unsere Studie knüpft hieran an und Pöttker, Horst: Journalismus als Politik: eine analysiert die Auslandsberichterstattung von Tages- explorative Analyse von NS-Presseanweisun- zeitungen aus 127 Ländern, die in einer Stichwoche Ende September 2004 erhoben wurden. Die Analyse gen der Vorkriegszeit. – S. 168–182 der Einflussfaktoren konzentriert sich auf die für die „Die NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit stehen Auslandsberichterstattung relevanten länderbezo- der Forschung seit einigen Jahren in publizierter Form genen Nachrichtenfaktoren, insbesondere auf den zur Verfügung. Bisher werden sie vor allem punktu- Nachrichtenfaktor „Nähe“. Hierfür werden externe ell als zeitgeschichtliche Quellen genutzt. Hier wer- Daten zu Ländermerkmalen herangezogen, die auf den nun Ergebnisse einer systematischen Analyse verschiedenen Dimensionen Nähe als Merkmal von aus kulturwissenschaftlicher Perspektive präsentiert. Länderbeziehungen spezifizieren. Ökonomische, Untersucht wurde ein künstlicher Monat aus den politische, geographische und sprachliche Nähe Jahren 1933, 1935 und 1937 unter kommunikations- können bei dieser umfassenden Betrachtung des in- historischen Fragestellungen. Ergebnisse: 1. Die Pres- ternationalen Berichterstattungsgeflechts als signifi- seanweisungen dienten weniger der Durchsetzung kante Nachrichtenfaktoren identifiziert werden. Die von NS-Ideologie in der deutschen Bevölkerung als wirtschaftliche Beziehung zwischen zwei Ländern der internationalen Reputation des NS-Regimes und und eine gemeinsame Amtssprache stellen hierbei die der Vermeidung außenpolitischer Konflikte. 2. Sogar stärksten Einflussfaktoren dar. Die zunehmend global nach heutigen Begriffen stand ein erheblicher Teil der ausgerichteten wirtschaftlichen Beziehungen spiegeln nationalsozialistischen Presselenkung im Einklang sich in der Länderauswahl der Auslandsberichterstat- mit journalistischen Standards und Praktiken. 3. Das tung von internationalen Tageszeitungen wider, was gilt erst recht, wenn man die Tradition des deutschen den Schluss nahe legt, dass auch die internationale Gesinnungsjournalismus bis 1945 berücksichtigt. Das Auslandsberichterstattung stärker als bisher dem all- NS-Regime hat zwar mit der Pluralität der politischen gemeinen Trend der Globalisierung unterliegt.“ Richtungen im Journalismus aufgeräumt, gleichzeitig aber an das damalige Selbstverständnis der Journalis- Schweiger, Wolfgang: Transmedialer Nut- ten als politische Publizisten an der Seite des Staats zungsstil und Rezipientenpersönlichkeit: theo- angeknüpft, wodurch Presselenkung und Zensur retische Überlegungen und empirische Hin- plausibel erscheinen mussten. Ob die Affinitäten zwischen Presseanweisungen und journalistischer weise. – S. 290–312 Mentalität mehr für die Geschicklichkeit der natio- „Der Ansatz des transmedialen Nutzungsstils nalsozialistischen Propagandapolitik sprechen oder (TMNS) nimmt individuelle Mediennutzungsstile mehr gegen die Autonomie des deutschen Journalis- an, die sich nicht nur situationsübergreifend, sondern mus bis zu jener Zeit, bleibt weiteren Untersuchungen auch medienübergreifend beobachten lassen. Bisher vorbehalten.“ blieb die Frage nach den Ursachen des TMNS offen. Bekanntlich prägt die Persönlichkeit von Rezipien- Mock, Thomas: Was ist ein Medium?: eine ten ihren Umgang mit Medien. Allerdings hängen Unterscheidung kommunikations- und medi- medienspezifische Nutzungsstile stark von den Ei- enwissenschaftlicher Grundverständnisse eines genschaften des jeweiligen Mediums ab und lassen sich deshalb nur teilweise durch die Rezipientenper- zentralen Begriffs. – S. 183–200 sönlichkeit prognostizieren. Der TMNS als größter „Medium ist neben Kommunikation zentraler Gegen- gemeinsamer Nenner über Mediengattungen hinweg stand der Kommunikations- und Medienwissenschaft. sollte stärker mit der Persönlichkeit korrelieren. Die- Dennoch oder vielmehr gerade deswegen handelt es se Annahme wird anhand einer Befragung von n=382 sich um einen „äußerst unpräzisen und mehrdeutigen Personen überprüft, die neben verschiedenen Medi- Begriff, der zudem über eine klare ‚evaluative Kom- ennutzungsstil- Dimensionen eine Reihe psychologi- ponenz’ verfügt. Vor diesem Hintergrund erscheint scher Persönlichkeitsvariablen erhob. Weitere Analy- 714

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sen identifizieren vier TMNS-Typen, die sich durch über die menschliche Kommunikation in ihren sach- die Faktoren Selektivität und Kontrolle/Planung lichen, sozialen und zeitlichen Dimensionen transpa- unterscheiden und anschaulich durch die erhobenen renter zu machen. Es ist die Ambition dieses Beitrags, Persönlichkeitsvariablen beschreiben lassen. Damit in wissenschaftshistorischer Perspektive Denkprä- wurde eine eindeutige Verbindung zwischen der missen, Schlüsselbegriffe und Theorietendenzen Persönlichkeit eines Rezipienten und seinem TMNS aufzuzeigen, zur Rekonstruktion einer Theorie der nachgewiesen.“ Kommunikationswissenschaft, die sich eignet, Glo- balisierungsprobleme zu untersuchen.“ Marcinkowski, Frank: Warum täuscht sich die Öffentlichkeit über ihre eigene Meinung?: kommunikative und soziokulturelle Ursachen Rundfunk und Geschichte der Fehleinschätzung politischer Mehrheiten. 32 (2006) Nr 1–2 – S. 313–332 Buchloh, Stephan: Fernsehästhetik, Filmkunst „Menschen neigen dazu, ihre eigenen Ansichten und oder Kommerzkino?: das Film/Fernseh-Ab- Verhaltensweisen dem anzupassen, was sie für die mehrheitlich unterstützten Standards ihrer gesell- kommen der Jahre 1974 bis 1990 im Streit der schaftlichen Umwelt halten. Aus diesem Grund sind Interessen. – S. 5–17 Wahrnehmungen der Mehrheitsmeinung ein wichti- ger Faktor bei der Herausbildung individueller und Fuge, Janina: Der „Wellen-Detektiv“ und kollektiver Meinungen, nicht zuletzt im politischen das „Gute in dem Herrn Schwarzhörer“: die Prozess. Zwei theoretische Konzepte analysieren die Schwarzhöreraktionen des Nordwestdeut- Entstehung solcher Wahrnehmungen. Während das Theorem der Schweigespirale den Einfluss der Mas- schen Rundfunks 1951-1954. – S. 18–33 senmedien auf die Wahrnehmung des Meinungsklimas Grünthal, Günther: „Blick in die Zeit“: Do- betont, konzentriert sich die Forschung zur Plurali- stischen Ignoranz auf sozio-kulturelle Bedingungen, kumente zur Geschichte des politischen Pro- die zur Fehlwahrnehmung von Mehrheitsmeinungen gramm angebots am Ende der Weimarer Repub- beitragen. Im vorliegenden Beitrag werden beide lik. – S. 34–48 Konzepte benutzt, um die Wahrnehmung der öffentli- chen Meinung im Vorfeld einer direktdemokratischen Sachabstimmung zu erklären. Die Analyse zeigt, dass Studies in Communication Sciences zutreffende Hinweise von Massenmedien und inter- 5 (2005) Nr 2 personale Kommunikation dann wirkungslos bleiben, wenn die Mehrheit eine politische Position einnimmt, Schulz, Peter J.; Nakamoto, Kent: Enhancing die politisch-kulturell als tabuisiert gilt.“ Health Literacy Through Communication. Scherer, Helmut; Schneider, Beate; Gonser, – S. 1–262 Nicole: „Am Tage schaue ich nicht fern!“: De- Das Themenheft veröffentlich zahlreiche Beiträge terminanten der Mediennutzung älterer Men- zum Thema „Gesundheitskommunikation“. schen. – S. 333–348 „Trotz des zunehmenden Anteils älterer Menschen Zeitschrift für Medienpsychologie an unserer Gesellschaft beschäftigt sich die Medien- wissenschaft selten mit dieser Nutzergruppe. Beste- 18 (2006) Nr 3 hende Studien beschränken sich vielfach nur auf die Betrachtung des kalendarischen Alters und versäu- Nieding, Gerhild et al: Werbung im Fernsehen: men zudem einen theoretischen Zugang. Vorliegende experimentelle Methoden zur Erfassung der Untersuchung greift theoretische Hinweise aus der Verstehensleistung von Kindern. – S. 94–105 Alter(n)sforschung auf, die „Altern“ als mehrdi- mensionalen Prozess beschreibt, und verknüpft sie „In zwei Experimenten wurde der Frage nachgegan- mit nutzerorientierten Perspektiven der Publikums- gen, wie Kinder die Fähigkeit entwickeln, zwischen forschung. Die theoretischen Überlegungen werden Werbung und anderen Programmformaten zu unter- anhand qualitativer Daten nachgezeichnet, die aus scheiden. In der Forschungsliteratur sind bislang im Leitfadeninterviews mit älteren Menschen gewonnen Besonderen zwei Fragen ungeklärt: (1) Ab welchem wurden. Dabei gelingt es, Erwartungen, Bewertungen Alter können Kinder Werbung von Kinderfilmgen- und Ressourcen, die das Medienhandeln in der spezi- res diskriminieren, wenn keine singulären salienten fischen sozialen Lage „Altern“ determinieren, diffe- Merkmale für Werbung vorliegen? (2) Ab wann wird renziert zu erklären.“ das Konzept „Werbung“ spontan zur Klassifikation von Programmformaten benutzt? Zur Beantwortung Rühl, Manfred: Globalisierung der Kommuni- von Frage 1 wurden in einem Experiment mit 5- und kationswissenschaft: Denkprämissen – Schlüs- 8- jährigen Kindern kurze Ausschnitte von Werbe- selbegriffe – Theorienarchitektur. – S. 349–369 clips und Kinderfilmen dargeboten. Die Kinder soll- ten schnellstmöglich mittels Tastendruck zwischen „Die im Ganzen erfolgreiche empirische Forschung den beiden Programmformaten unterscheiden. Bereits konnte das wissenschaftliche Wissen über die Medi- die 5- Jährigen wiesen unter dieser Bedingung überzu- en, das Handeln oder das Verhalten auf mikroanalyti- fällig hohe Trefferquoten auf. Zur Klärung von Frage scher Ebene vermehren. Heute entwirft eine weltweit 2 wurden in einem weiteren Experiment 4-, 6- und operierende Kommunikationskommunität öfter mal 9-Jährige mit einem Oddity-Problem konfrontiert, übergreifende Gesamtkonzeptionen, um das Wissen das eine Konzeptüberprüfung ohne Induktion der zu-

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grunde liegenden konzeptuellen Kategorien zulässt. Maurer, Marcus: Wie Phoenix aus der Asche: Dargeboten wurde ein Werbeclip zusammen mit zwei fünf Gründe, warum Angela Merkel neuer- Kinderfilmen oder ein Kinderfilm zusammen mit zwei Werbeclips. Die Kinder erhielten eine explizite dings so beliebt ist – und es vielleicht nicht lan- Oddity-Instruktion („Eines davon ist Anders“). Be- ge bleibt. S. 131–134 reits die 4-jährigen Kinder waren dazu in der Lage, das Konzept „Werbung“ über dem Zufallsniveau an- zuwenden.“ Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Bock, Michael; Izquierdo, Siracusa Gomez: 50 (2006) Nr 7 Product Placement, Markengedächtnis, Mar- Brauneck, Anja; Brauner, Frank: Optionsver- kenimage (1): Literaturübersicht und ein wei- träge über künftige Werke im Filmbereich. terführendes Experiment. – S. 106–118 – S. 513–522 „Nach den Ergebnissen bisheriger Untersuchungen ist unklar, inwieweit es sich bei dem Product Place- Reinemann, Susanne: DVB-H, DMB und inter- ment um eine effektive Werbemethode handelt. In aktive Fernbedienung: ist der Rundfunk(begriff) einer eigenen Untersuchung mit zwei James-Bond- den neuesten technischen Entwicklungen ge- Filmen haben wir deshalb überprüft, inwieweit die- wachsen?. – S. 523–530 se Methode geeignet ist, das implizite und explizite Markengedächtnis und das Markenimage zu verbes- Hepach, Stefan: Die Rechtsprechung des Bay- sern. Bei der Messung des impliziten Gedächtnisses erischen Verfassungsgerichtshofs seit dem Be- wurden Markenfragmente und Produktkategorien dargeboten, zu denen spontan beliebige Wörter asso- schluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. ziiert werden sollten. Bei der Messung des expliziten Februar 1998 (extra radio): zugleich eine kri- Gedächtnisses sollten die platzierten Marken erinnert tische Anmerkung zur Entscheidung des Bay- werden, und zwar ebenfalls mit Hilfe der Fragmente und Produktkategorien. Außerdem wurde ein Rekog- erischen Verfassungsgerichtshofs vom 30. Mai nitionstest durchgeführt. Das Markenimage wurde 2005 (BayVerfGHE 58, 137ff). – S. 530–535 auf fünf verschiedenen Einstufungsskalen gemessen. Insgesamt blieb das Product Placement jedoch weitge- Klutmann, Albrecht: Tonträgerherstellerrechte hend wirkungslos: Es verbesserte weder die impliziten an vor Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes Markenerinnerungen noch das Markenimage, und die erschienenen Musikaufnahmen. – S. 535–542 expliziten Markenerinnerungen nur wenig.“ Schulze, Gernot: Vermieten von Bestsellern. Rosaen, Sarah F.; Boyson, Aaron R.; Smith, Sta- – S. 543-546 cy L.: Aggression-Related Characteristics and the Selection of Media Violence. – S. 119–130 Handig, Christian: Neuer Wein in alten Schläu- chen des Folgerechts: die geplante Anpassung „In einer Fragebogenstudie mit 341 Teilnehmer/ inne/n (118 männlich, 223 weiblich) wurden fünf aufgrund der europäischen Folgerechts-Richt- aggressionsbezogene Persönlichkeitseigenschaften linie. – S. 546–550 und deren Relation zur Präferenz für gewalthaltige Medienangebote erfasst. Es wurde vermutet, dass die Präferenz für gewalthaltige Medienangebote positiv 50 (2006) Nr 8–9 mit Aggressivität, Impulsivität und sensation seeking und negativ mit Empathie und Schuld korreliert. Gercke, Marco: Die Bedeutung der Störer- Hierarchische Regressionsanalysen ergeben jedoch haftung im Kampf gegen Urheberrechtsver- nur für Aggressivität konsistent hypothesenkonfor- me Ergebnisse: Es zeigen sich signifikante positive letzungen: Möglichkeiten und Grenzen des Beziehungen zwischen Aggressivität und der Häu- auf die Störerhaftung gestützten Vorgehens figkeit des Konsums gewalthaltiger Medienangebote. gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet. Das Geschlecht erweist sich ebenfalls als signifikanter Moderator der Beziehung zwischen sensation seeking, – S. 593–600 Impulsivität, Schuld und dem Konsum gewalthaltiger Hoeren, Thomas; Kalberg, Nadine: Der ame- Medienangebote. Diese Ergebnisse lassen vermuten, rikanische TEACH Act und die deutsche dass gewalthaltige Medienangebote für Frauen einen ganz anderen Wert besitzen als für Männer. Als theo- Schrankenregelung zur „öffentlichen Zugäng- retischer Rahmen der Untersuchung (sowohl bei der lichmachung für Unterricht und Forschung“ Herleitung der Hypothesen als auch bei der Inter- (§52a UrhG) im Vergleich. – S. 600–604 pretation der Befunde) dient die selective exposure- Theorie. Insgesamt legt die vorliegende Studie nahe, Arnold, Hans-Henning; Langhoff, Helge: Feh- dass eine generelle Disposition für Wut, Feindseligkeit lende Beteiligung von privaten Sendeunterneh- und Aggression zwar ein schwacher, aber dennoch der beste Prädikator für die Entscheidung zum Konsum men an der Leerträgervergütung gemäß § 54 gewalthaltiger Medienangebote ist.“ UrhG – ein Fall der Staatshaftung?: zum Er- fordernis der Streichung des § 87 Abs. 4 UrhG aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht. – S. 605–611

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Sattler, Hauke: Das Sakrileg ein Plagiat?: zugl. te ( 137 1 UrhG-E): Schließt die Archive?. ein Beitrag zum Schutz des Werkinhalts nach – S. 620–630 britischem und deutschem Urheberrecht. Hahn, Richard: Anmerkung zu LG Hamburg, – S. 612–619 Urteil vom 10. Februar 2006 – 308 O 793/04. Spindler, Gerald; Heckmann, Jörn: Der rück- – S. 688–688 wirkende Entfall unbekannter Nutzungsrech-

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11 Bibliographien. Lexika. Handbücher 61 Internationale Kommukation 12 Jahrbücher. Geschäftsberichte 62 Europa Kommunikation

21 Kommunikationswissenschaft und -forschung 71 Massenmedien, allgemein 22 Journalismus. Medienberufe 72 Medien Bildung 31 Kommunikation 73 Medien Ökonomie 32 Kommunikationspolitik 74 Medien Recht 33 Lokalkommunikation. Bundesländer 75 Rundfunk 76 Werbung 41 Massenkommunikation Politik 42 Massenkommunikation Gesellschaft 81 Publikum. Mediennutzung 43 Massenkommunikation Kultur 82 Rezeptionsforschung 83 Kinder Jugendliche Medien 51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft 52 Neue Technologien. Multimedia 91 Literatur zu einzelnen Ländern

12 Jahrbücher. Geschäftsberichte 22 Journalismus. Medienberufe ALM Jahrbuch 2005 – Landesmedienanstal- Altmeppen, Klaus-Dieter: Journalismus und ten und privater Rundfunk in Deutschland; Medien als Organisationen: Leistungen, Struk- DLM-Jahrbuch [früher]. – Berlin: Vistas, 2006. turen und Management. – Wiesbaden: VS, – 472 S. 2006. – 290 S. Federal communications commission: twelfth Forster, Klaus: Journalismus im Spannungs- annual report, 2006. – 161 S. feld zwischen Freiheit und Verantwortung: das Forschungsbericht 2005/2006. – Hamburg: Konzept „Public Journalism“ und seine empi- Hans-Bredow-Institut, 2006. – 75 S. rische Relevanz. – Köln: Halem, 2006. – 425 S. Geschäftsbericht 2003. – Hamburg: NDR, Grimmer, Claudia: Journalismus pur: Albtraum 2004. – 146 S. oder Traumjob?. – Wiesbaden: VS, 2006. – 264 S. Geschäftsbericht 2005 / Hamburgische Anstalt Hackenschuh, Katrin; Döbler, Thomas: Der für neue Medien, HAM (Hrsg.). – Hamburg: Tageszeitungsverlag im digitalen Wettbewerb: HAM, 2006. – 51 S. Geschäftsmodelle für das Online-Angebot. – Baden-Baden: Nomos, 2004. – 150 S. (Schrif- Wirtschaftsplan 2006. – Bremen: RB, 2006. ten zur Medienwirtschaft und zum Medienma- – getr. S. nagement; 7) ZDF Jahrbuch 2005 Dokumentation / Zweites Hermes, Sandra: Qualitätsmanagement in Deutsches Fernsehen (Hrsg.). – Mainz: ZDF, Nachrichtenredaktionen. – Köln: Halem, 2006. 2006. – 172 S. – 383 S. Rossi‚ Michael: Frei sprechen in Radio, Fern- 21 Kommunikationswissenschaft und sehen und vor Publikum: Ein Training für Mo- -forschung deratoren und Redner. – Berlin: Econ, 2006. Forschungslogik und -design in der Kommu- – 248 S. nikationswissenschaft Band 2: Anwendungs- Shoemaker, Pamela J.: News around the world: felder in der Kommunikationswissenschaft / content, practitioners and the public. – Lon- Hrsg.: Wirth, Werner; Lauf, Edmund; Fahr, don: Routledge, 2006. – 409 S. Andreas. – Köln: Halem, 2006. – 317 S. Transferqualität: Bedingungen und Voraussetz- Kolb, Steffen: Mediale Thematisierung in Zy- zungen für Effektivität, Effizienz, Erfolg des klen: Theoretischer Entwurf und empirische Wissenstransfers / Hrsg.: Antos, Gerd; Weber, Anwendung. – Köln: Halem, 2005. – 334 S. Tilo. – Berlin: Lang, 2005. – 269 S. (Transfer Wissenschaften; 4) Zeitungsjournalismus: empirische Leserschafts- forschung / Hrsg.: Rager, Günther u. a. – Kon- stanz: UVK, 2006. – 290 S. 718

MM&K_04.06_09_Literaturv.indd&K_04.06_09_Literaturv.indd 718718 116.11.20066.11.2006 15:34:5715:34:57 UhrUhr Literatur · Literaturverzeichnis

23 Publizistische Persönlichkeiten Politik im deutschen Fernsehen: Forschungs- bericht für die Bundeszentrale für politische Thinking with James Carey: essays on Com- Bildung. – Hamburg/München: Manuskript, munications, transportation, history / Hrsg.: 2005. – 216 S. Packer, Jeremy; Robertson, Craig. – Berlin: Lang, 2006. – 234 S. (Intersections in commu- Hoff, Jens: Internet, governance and demo- nications and culture; 15) cracy: democratic transitions from Asian and European perspectives. – Copenhagen: NIAS Pr., 2006. – 146 S. (Nordic proceedings in Asian 31 Kommunikation studies; 7) Kerr, Aphra: The business and cultural of di- Köhler, Tanja: Krisen-PR im Internet: Nut- gital games: gamework/gameplay. – London: zungsmöglichkeiten, Einflussfaktoren und Pro- Sage, 2006. – 177 S. blemfelder. – Wiesbaden: VS, 2006. – 412 S. Konnektivität, Netzwerke und Fluss: Konzep- te gegenwärtiger Medien-, Kommunikations- 43 Massenkommunikation Kultur und Kulturtheorie / Hrsg.: Hepp, Andreas; Krotz, Friedrich; Moores, Shaun. – Wiesbaden: Ludwig-Bölkow-Journalistenpreis 2005; Fest- VS, 2006. – 215 S. schrift / Hrsg.: Kursell, Gregor von. – Mün- chen: EADS, 2006. – 37 S. Media Marx: Ein Handbuch / Hrsg.: Schröter, Jens; Schwering, Gregor; Stäheli, Urs. – Biele- Sensation, Skurrilität und Tabus in den Medien feld: transcript, 2006. – 404 S. (Masse und Me- / Hrsg.: Ganguin, Sonja; Sander, Uwe. – Wies- dium; 4) baden: VS, 2006. – 162 S. Medien der Gesellschaft – Gesellschaft der Me- dien / Hrsg.: Ziemann, Andreas. – Konstanz: 51 Telekommunikation. Informationsgesell- UVK, 2006. – 290 S. schaft Schmidt, Jan: Weblogs: eine kommunikations- Dieke, Alex Kalevi; Schölermann, Sonja: Wett- soziologische Studie. – Konstanz: UVK, 2006. bewerbspolitische Bedeutung des Postleitzah- – 202 S. lensystems. – Bad Honnef: WIK, 2006. – 66 S. (Diskussionsbeiträge WIK; 276) 32 Kommunikationspolitik Marcus, Scott J.: Interconnection in an NGN Environment. – Bad Honnef: WIK, 2006. Derenthal, Birgitta: Medienverantwortung in – 66 S. (Diskussionsbeiträge WIK; 274) christlicher Perspektive: ein Beitrag zu einer praktisch-theologischen Medienethik. – Mün- Schäfer, Ralf G.; Schöbel, Andrej: Incumbents ster: LIT, 2006. – 244 S. (Theologie und Praxis; und ihre Preisstrategien im Telefondienst – eine 29) internationaler Vergleich. – Bad Honnef: WIK, 2006. – 160 S. (Diskussionsbeiträge WIK; 275) 33 Lokalkommunikation. Bundesländer 52 neue Technologien. Multimedia Medienstandort Hamburg – Berlin: 27 Gesprä- che mit Medienexperten über die Frage der Jürgens, Hans W.: Qualitäts- und Zertifizie- Standortentscheidung / Hrsg.: Haji-Aghalar, rungskonzept (Gebrauchstauglichkeit/Usabi- Atussa; Lopez, Ana. – Hamburg: Peermusic, lity) für Dekoder zur Nutzung digitaler Medi- 2005. – 123 S. enangebote. – Kiel: ULR, 2006. – 64 S. (ULR- Schriftenreihe; 24) 41 Massenkommunikation Politik Karstens, Eric: Fernsehen digital: eine Einfüh- rung. – Wiesbaden: VS, 2006. – 233 S. Bildpolitik – Sprachpolitik: Untersuchungen Kohlstedt, Alexander: Neuere Theoriebeiträge zur politischen Kommunikation in der entwi- zur Netzökonomie: Zweiseitige Märkte und ckelnden Demokratie / Hrsg.: Hofmann, Wil- On-net/Off-net-Tarifdifferenzierung. – Bad helm. – Münster: LIT, 2006. – 248 S. (Studien Honnef: WIK, 2006. – 50 S. (Diskussionsbei- zur visuellen Politik; 3) träge WIK; 278) Brosius, Hans-Bernd; Eilders, Christiane; Hof mann, Ole: Analyse der Inszenierung von 719

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Mobile media: content and services for wire- Chalupa, Gustav: Krieg und Medien auf dem lesss communications / Hrsg.: Groebel, Jo; Balkan: sind Journalisten Freiwild?. – Aachen: Noam, Eli M.. – Mahwah: LEA, 2006. – 255 S. K. Fischer, 2006. – 238 S. Playing video games: motives, responses, and Drei mal auf Anfang: Fernsehunterhaltung consequences / Hrsg.: Vorderer, Peter; Bryant, in Deutschland / Hrsg.: Mühl-Benninghaus, Jennings. – London: LEA, 2006. – 464 S. Wolfgang. – Berlin: Vistas, 2005. – 370 S. Trefzger, Jochen: Mobile TV-Launch in Ger- Fußball – Fernsehen – Politik / Hrsg.: Holtz- many – Challenges and Implications. – Köln: Bacha, Christina. – Wiesbaden: VS, 2006. Institut für Rundfunkökonomie, 2006. – 88 S. – 293 S. (Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunk- Gavrilova, Stella: Die Darstellung der UdSSR ökonomie an der Universität zu Köln; 209) und Russlands in der Bild-Zeitung 1985–1999: Understanding digital games / Hrsg.: Rutter, Ja- eine Untersuchung zu Kontinuität und Wandel son; Bryce, Jo. – London: Sage, 2006. – 249 S. deutscher Russlandbilder unter Berücksich- tigung der Zeitungen Die Welt, Süddeutsche 61 internationale Kommunikation Zeitung und Frankfurter Rundschau. – Berlin: Lang, 2005. – 261 S. Im Regulierungsviereck von WTO, EU, Bund Hodenberg, Christina: Konsens und Krise: und Ländern: Rundfunk im Spannungsfeld eine Geschichte der westdeutschen Medienöf- zwischen Kultur und Wirtschaft; Dokumenta- fentlichkeit 1945–1973. – Göttingen: Wallstein tion des Symposions vom Dezember 2005 in Verl., 2006. – 512 S. (Moderne Zeit; 12) Berlin / Hrsg.: Scheithauer, Ingrid; Pitzer, Sissi. – Berlin: Vistas, 2006. – 177 S. (Schriftenreihe Der Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen der Landesmedienanstalten; 34) Rundfunks / Hrsg.: Kops, Manfred. – Münster: Lit, 2005. – 181 S. (Beiträge des Kölner Initia- News in public memory: an international study tivkreises öffentlicher Rundfunk; 2) of media memories across generations / Hrsg.: Volkmer, Ingrid. – Berlin: Lang, 2006. – 307 S. Kulturindustrie reviewed: Ansätze zur kriti- schen Reflexion der Mediengesellschaft / Hrsg.: Becker, Barbara; Wehner, Josef. – Bielfeld: tran- 62 Europa Kommunikation script, 2006. – 292 S. Berkel, Barbara: Konflikt als Motor einer eu- Levine, Michael P.; Smolak, Linda: The preven- ropäischen Öffentlichkeit: eine Inhaltsanalyse tion of eating problems and eating disorders: von Tageszeitungen in Deutschland, Frank- theory, research and practice. – London: LEA, reich, Großbritannien und Österreich. – Wies- 2006. – 468 S. baden: VS, 2006. – 229 S. Medien-Qualitäten: Öffentliche Kommuni- Television 2005; International key facts. – Paris: kation zwischen ökonomischen Kalkül und IP Network, 2005. – 453 S. Sozialverantwortung / Hrsg.: Weischenberg, Siegfried; Loosen, Wiebke; Beuthner, Michael. 71 Massenmedien, allgemein – Konstanz: UVK, 2006. – 480 S. (Schriftenrei- he der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- Andrews, Phil: Sports journalism: a practical und Kommunikation; 33) guide. – London: Sage, 2005. – 180 S. Philipps, Sören: Die Frage der Wiederbewaff- Ballard, James: Terrorism, media, and pub- nung im Hörfunkprogramm des Nordwest- lic policy: the Oklahoma City bombing. deutschen und Süddeutschen Rundfunks von – Cresskill: Hampton Pr., 2005. – 148 S. 1949 bis 1955/56. – Berlin: Weißensee Verl., Branahl, Udo: Justizberichterstattung: eine 2004. – 409 S. (Berliner Beiträge zur Zeitge- Einführung. – Wiesbaden: VS, 2006. – 348 S. schichte; 2) Breckl, Sylvia: Auslandsberichterstattung im Stuber, Andre: Wissenschaft in den Massen- Deutschen Fernsehen über die Dritte Welt am medien: die Darstellung wissenschaftlicher Beispiel von Weltspiegel und Auslandsjournal. Themen im Fernsehen, in Zeitung und in Pu- – Berlin: Frank & Timme, 2006. – 213 S. (Inter- blikumszeitschriften. – Aachen: Shaker, 2005. nationale und interkulturelle Kommunikation; – 207 S. 2)

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Tumber, Howard; Webster, Frank: Journalists BLM-Symposion Medienrecht 2005: 20 Jahre under fire: information war and journalistic private Rundfunkangebote in Bayern: Medien- practices. – London: Sage, 2006. – 187 S. recht im Wandel – Rückblick und Ausblick / Winston, Brian: Messages: free expression, me- Bayerische Landeszentrale für neue Medien dia and the West from Gutenberg to Google. (BLM) (Hrsg.). – München: R. Fischer, 2006. – London: Routledge, 2005. – 430 S. – 90 S. (BLM-Schriftenreihe; 81) Gesetzessammlung: Information, Kommuni- 72 Medien Bildung kation, Medien / Hrsg.: Schulz, Wolfgang. – Hamburg: Hans-Bredow-Institut, 2006. – 197 Hudson, Heather E.: From rural village to glo- S. (Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts; bal village: telecommunications for develop- 16) ment in the information age. – London: LEA, Gounalakis, Georgios: Konvergenz der Medi- 2006. – 179 S. en: Sollte das Recht der Medien harmonisiert New Media – New Teaching Options?! / Hrsg.: werden?. – München: Beck, 2002. – 151 S. (Ver- Linke, Gabriele. – Heidelberg: Univ.-Verl. handlungen des 64. Deutschen Juristentages; 1, Winter, 2006. – 278 S. (anglistik & englischun- Teil C) terricht; 68) Miserre, Thomas: Rundfunk-, Multimedia- und Telekommunikationsrecht: Abgrenzung 73 Medien Ökonomie der Anwendungsbereiche von Art. 5 I 2 GG, Rundfunkstaatsvertrag, Teledienstgesetz, Me- Dewenter, Ralf: Essays on interrelated me- diendienstestaatsvertrag und Telekommuni- dia markets. – Baden-Baden: Nomos, 2004. kationsgesetz. – Berlin: Lang, 2006. – 373 S. – 193 S. (Schriften zur Medienwirtschaft und (Schriften zum Wirtschafts- und Medienrecht, zum Medienmanagement; 9) Steuerrecht und Zivilprozessrecht; 22) Medienrelevante verwandte Märkte in der Nikles, Bruno W.; Roll, Sigmar; Spürck, Dieter: rundfunkrechtlichen Konzentrationskontrolle: Jugendschutzrecht: Kommentar zum Jugend- Auswahl, Messung und Bewertung. Dokumen- schutzgesetz (JuSchG) und zum Jugendmedien- tation des Symposiums der KEK im Oktober schutz-Staatvertrag (JMStV) mit Erläuterungen 2005 in Potsdam. – Berlin: Vistas, 2006. – 400 S. zur Systematik und Praxis des Jugendschutzes. (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten; – Berlin: Luchterhand, 2003. – 344 S. 35) Rothfuchs, Martin: Staatlicher und privater Pflichten der Rundfunkveranstalter zur In- Verbraucherschutz im elektronischen Ge- vestition in die Produktion von Kinofilmen / schäftsverkehr: Ökonomische Grundlagen, Ef- Europäische Audiovisuelle Informationsstelle fektivitätsvergleich und verfassungsrechtliche (Hrsg.). – Baden-Baden: Nomos, 2006. – 135 S. Folgerungen. – Baden-Baden: Nomos, 2006. (IRIS Spezial) – 159 S. (Law and Economics of International Westebbe, Carsten: Bedarfsanalysen von Käu- Telecommunications; 56) fertypen als Grundlage eines Showplanungs- Schulz, Wolfgang; Held, Thorsten: Die Zukunft konzepts im Tele-Shopping. – Köln: Institut der Kontrolle der Meinungsmacht. Gutach- für Rundfunkökonomie, 2006. – 84 S. (Arbeits- ten im Auftrag der Friedrich -Ebert-Stiftung. papiere des Instituts für Rundfunkökonomie – Berlin: Stabsabteilung der Friedrich-Ebert- an der Universität zu Köln; 210) Stiftung, 2006. – 100 S. Wanckel, Endress: Foto- und Bildrecht. – Mün- 74 Medien Recht chen: Beck, 2006. – 346 S. Binzel, Patrick: Frequenzhandel in Deutsch- land und Großbritannien: die rechtliche Aus- 75 Rundfunk gestaltung eines Regulierungsrahmens für die Übertragbarkeit von Frequenznutzungsrech- Am Puls der Zeit – 50 Jahre WDR; Band 1: Die ten. – Baden-Baden: Nomos, 2006. – 303 S. Vorläufer: 1924–1955 / Hrsg.: Katz, Klaus; Le- (Materialien zur interdisziplinären Medienfor- der, Dietrich; Witting-Nöthen, Petra. – Köln: schung; 55) Verl. Kiepenheuer & Witsch, 2006. – 349 S.

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MM&K_04.06_09_Literaturv.indd&K_04.06_09_Literaturv.indd 721721 116.11.20066.11.2006 15:35:0115:35:01 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

Am Puls der Zeit – 50 Jahre WDR; Band 2: Der Quail, Christine M.; Razzano, Kathalene A.: Sender: weltweit nah dran: 1956–1985 / Hrsg.: Vulture Culture: the politics and pedagogy of Katz, Klaus; Leder, Dietrich; Pätzold, Ulrich. daytime television talk shows. – Berlin: Lang, – Köln: Verl. Kiepenheuer & Witsch, 2006. 2005. – 195 S. – 477 S. Schultz, Tanjev: Geschwätz oder Diskurs?: die Am Puls der Zeit – 50 Jahre WDR; Band 3: Der Rationalität politischer Talkshows im Fernse- Sender im Wettbewerb: 1985–2005 / Hrsg.: hen. – Köln: Halem, 2006. – 400 S. Katz, Klaus; Leder, Dietrich; Pätzold, Ulrich. – Köln: Verl. Kiepenheuer & Witsch, 2006. 76 Werbung – 518 S. Braun, Annegret: Frauenalltag und Emanzipati- Wolff, Per-Erik: TV MarkenManagement: on: der Frauenfunk des Bayerischen Rundfunk Strategische und operative Markenführung; in kulturwissenschaftlicher Perspektive (1945 mit Senderfallstudien. – München: R. Fischer, – 1968). – München: Waxmann, 2005. – 378 S. 2006. – 260 S. (Münchener Beiträge zur Volkskunde; 34) Fendler, Susanne; Fendler, Ute: Crime time 81 Publikum. Mediennutzung – prime time – global time: intercultural stud- Sozialer Wandel und Mediennutzung in der ies in crime serials. – Aachen: Shaker, 2004. Bundesrepublik Deutschland / Hrsg.: Hage- – 253 S. nah, Jörg; Meulemann, Heiner. – Berlin: Lit, Haller, Benjamin: Die Zeitschriftenpläne des 2006. – 248 S. (Schriften des Medienwissen- NWDR. – Hamburg: Hans-Bredow-Institut, schaftlichen Lehr- und Forschungszentrums 2005. – 59 S. (Nordwestdeutsche Hefte zur Köln; 1) Rundfunkgeschichte; 4) Hasebrink, Uwe: Hörfunklandschaft in Schles- 82 Rezeptionsforschung wig-Holstein: Bestandsaufnahme 20 Jahre nach Andree, Martin: Archäologie der Medienwir- Einführung der dualen Rundfunkordnung. kung: Faszinationstypen von der Antike bis – Kiel: Schmidt & Klaunig, 2006. – 219 S. heute (Simulation, Spannung, Fiktionalität, (Schriftenreihe der ULR; 25) Authentizität, Unmittelbarkeit, Geheimnis, Hörmann, Stefanie: Die Angleichung öffent- Ursprung). – München: Fink, 2006. – 598 S. lich-rechtlicher und privater Nachrichten unter Kunczik, Michael; Zipfel, Astrid: Gewalt und den Mechanismen des journalistischen Feldes Medien: ein Studienhandbuch. – Köln: Böhlau, am Beispiel ausgewählter Hauptnachrichten im 2006. – 474 S. deutschen Fernsehen. – Aachen: Shaker, 2004. – 294 S. Hurth, Elisabeth: Gute Nacht, John-Boy: Fa- 83 Kinder Jugendliche Medien milien vor und auf dem Bildschirm. – Mainz: Jacobson, Maria: Young people and gendered Matthias-Grünewald-Verl., 2005. – 183 S. media messages. – Göteborg: Nordicom, 2005. Kaschura, Kathrin: Politiker als Prominente: – 66 S. wie nehmen Fernsehzuschauer Politikerauf- markenwelten: marken und ihre macher; 50 tritte in Personality-Talks wahr?: Eine quali- Jahre BRAVO. – München: Werben & Verkau- tative Analyse. – Münster: LIT, 2005. – 173 S. fen, 2006. – 26 S. (Medien & Politik; 28) Mit Pokémon in Harry Potters Welt: Medien Medienmanagement; Band 3: Medienbetriebs- in den Fantasien von Kindern / Hrsg.: Götz, wirtschaftslehre – Marketing / Hrsg.: Alten- Maya. – München: kopaed, 2006. – 460 S. dorfer, Otto; Hilmer, Ludwig. – Wiesbaden: Pérez Sanchez, Rolando: Fernsehen und Zu- VS, 2006. – 403 S. kunftsorientierungen in zwei kulturellen Kon- Neumann-Braun, Klaus; Mikos, Lothar: Vi- texten. Die Bedeutung von Fernsehserien für deoclips und Musikfernsehen: eine problem- die Konstruktion von Zukunftsorientierungen orientierte Kommentierung der aktuellen For- Jugendlicher in Costa Rica und Deutschland. schungsliteratur. – Berlin: Vistas, 2006. – 156 S. – San José: Geheftet, unveröffentl. Manuskript, (Schriftenreihe Medienforschung der Landes- 2001. – 217 S. anstalt für Medien Nordrhein-Westfalen; 52) 722

MM&K_04.06_09_Literaturv.indd&K_04.06_09_Literaturv.indd 722722 116.11.20066.11.2006 15:35:0215:35:02 UhrUhr Literatur · Literaturverzeichnis

91 Literatur zu einzelnen Ländern Media law for journalists: with a foreword by Sir Harold Evans / Hrsg.: Smartt, Ursula. Balcytiene, Aukse: Mass media in Lithuania – London: Sage, 2006. – 326 S. – development, changes, and journalism cul- ture. – Berlin: Vistas, 2006. – 190 S. (European Padivani, Cinzia: A fatal attraction: public tele- journalism review series; 8) vision and politics in Italy. – Lanham: Rowman & Littlefield, 2005. – 285 S. Brenton, J. Malin: American masculinity under Clinton: popular media and the nineties „crisis Politische Kommunikation in der Schweiz / of masculinity“. – Berlin: Lang, 2005. – 208 S. Hrsg.: Donges, Patrick; Jarren, Otfried. – Bern: Haupt, 2005. – 220 S. Hantel, Christoph: Journalistenausbildung in Mosambik. – Berlin: Frank & Timme, 2006. Sterling, Christopher; Bernt, Phyllis W.; Weiss, – 426 S. (Internationale und Interkulturelle Martin: Shaping American telecommunica- Kommunikation; 3) tions: a history of technology, policy, and eco- nomics. – London: LEA, 2006. – 419 S. Krethlow, Carl: Wirtschaftskrieg und Mono- polkapital: das Bild der Europäischen Gemein- Thomas, Amos Owen: Imaginations and bor- schaft in der sowjetischen Presse 1979 bis 1985. derless television: media, culture and politics – Berlin: Lang, 2006. – 281 S. across Asia. – London: Sage, 2005. – 289 S. Krüger, Uwe: Gekaufte Presse in Russland: Po- Vilanilam, John Vergis: Mass communication litische und wirtschaftliche Schleichwerbung in India: a sociological perspective. – London: am Beispiel der Medien in Rostov-na-Donu. Sage, 2005. – 223 S. – Münster: LIT, 2006. – 208 S. Lewis, Glen: Virtual Thailand: the media and cultural politics in Thailand, Malaysia and Sin- gapore. – London: Routledge, 2006. – 227 S.

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MM&K_04.06_09_Literaturv.indd&K_04.06_09_Literaturv.indd 723723 116.11.20066.11.2006 15:35:0415:35:04 UhrUhr English Abstracts

Patrick Donges: The mass media as institutions and their effects on organisations. Perspectives of the neo-institutional approach in organisational studies on commu- nication theory (Medien als Institutionen und ihre Auswirkungen auf Organisatio- nen – Perspektiven des soziologischen Neo-Institutionalismus für die Kommunika- tionswissenschaft), pp. 563–578 While the term “institution” and related theoretical approaches have been discussed widely in other social sciences, in Communication Science such debate is lacking – par- ticularly in the German-speaking community. This article argues for a stronger appli- cation of the neo-institutional approach in organisational studies to communication theory. Essentially, it focuses on the effects of mass media’s existence on organizations. The mass media are conceived as institutions that are enduring systems of rules that a) create normative expectations, b) include mechanisms for their enforcement, c) consti- tute actors and d) have an impact on the perception, preferences and structures of exist- ing organisations. Organisations orientate themselves towards these institutionalised rules since they aspire to legitimacy and support. Accordingly, the effect of mass media on organisations unfolds in processes of coercive isomorphism as well as in the form of pressures stemming mainly from professional actors and mimetic processes. This means that the effect of the mass media on organisations is not an autonomous process. Rather, it is dependent on the perception and interpretation of actors and their negotiations within organisations.

Keywords: institutions, institutionalism, organisations, media effects, organisational communication

Christoph Klimmt / Kerrin Bartels / Helmut Scherer: Communication for the Public Broadcasting Licence Fee. The scare tactics of GEZ are less successful than attempts to convince (Kommunikation für die Rundfunkgebühr. Die Furcht- appelle der Gebühreneinzugszentrale fruchten weniger als Überzeugungsarbeit), pp. 579–598 The broadcasting licence fee collected by the „Gebühreneinzugszentrale“ (GEZ) is the central source of funding for the public broadcasters in Germany. GEZ frequently uses communication measures that highlight the negative consequences for citizens who do not pay licence fees in time (persuasion strategy of scare tactics). In contrast, this paper argues for the benefits of an alternative strategy that emphasises understanding and con- viction as communication goals, which is justified both from a normative and a theoreti- cal perspective. An experiment (N = 313) demonstrates the superiority of such an alter- native strategy among young adults, as a scare tactic was less effective in creating positive attitudes towards the licence fee and the GEZ. Complex interactions between persuasion strategy, formal education, and gender emerged; these warrant further investigation.

Keywords: Public Broadcasting Licence Fee, GEZ, funding for public broadcasting, persuasion, advertising, advertising effects, collective goods, experiment, scare tactic

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MM&K_04.06_10_English_Ab.indd&K_04.06_10_English_Ab.indd 724724 116.11.20066.11.2006 15:36:1215:36:12 UhrUhr English Abstracts

Saskia Böcking: Parental mediation of children’s television usage: The test of a Ger- man-speaking scale and the first results from German-speaking Switzerland (Elter- licher Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung. Test einer deutschsprachigen Skala und erste Befunde für die Deutschschweiz), pp. 599–619 During the past years, parents’ influence on and monitoring of children’s television us- age has been intensely investigated. In international research, three ways of monitoring have been identified as central: active mediation, restrictive mediation, and co-viewing, also known as passive mediation. While in the U.S. and the Netherlands standardised questionnaires exist which can be used to measure these mediation styles, such an in- strument is lacking in German-speaking countries. Additionally, in German-speaking Switzerland, data concerning parental mediation is out-of-date, investigations do not take into account the central mediation styles simultaneously, or assess only their exist- ence or non-existence. Against that background, a German-speaking scale for measuring parental mediation styles is tested. Based on existing questionnaires, active and restric- tive mediation, as well as co-viewing are also identified as important mediation styles for German-speaking Switzerland. Additionally, children’s age proves to be important for parents’ practice of these mediation styles.

Keywords: children’s television usage, parental TV mediation, television education, ac- tive mediation, restrictive mediation, co-viewing, passive mediation

Ragne Kõuts-Klemm: Fragmented Audiences in the Transforming Society of Esto- nia. Tendencies of Media Use (Fragmentierte Publika in der Transformationsgesells- chaft Estlands. Tendenzen der Mediennutzung), pp. 620–636 This article highlights the situation of the Estonian media landscape before and after the country gained its independence, from the content side but particularly from the user perspective. The article shows that after a predominantly uniform media use in Soviet times, when the audience differed simply in its use of either Estonian- or Russian-speak- ing media content, today, a media landscape has been established in which multifarious user groups exist, due to a greater variety of content and altered economic situations for providers and users. An analysis of representative survey data from the Department of Journalism and Communication at the University of Tartu from 2002 and 2005 showed that usage of depends primarily on native language, age, and level of education – although individual media contents show different correlations. There is not only a great digital divide amongst the population, but also, an equally large-scale divide in the usage of traditional media.

Keywords: Estonia, media use, media offerings, social transformation, digital divide

Jörg Hagenah: Potential of the utilisation of Media-Analyses’ TV data for secondary analysis from 1972 until today (Möglichkeiten der Nutzung von Media-Analyse- Fernsehdaten für Sekundäranalysen von 1972 bis heute), pp. 637–653 Having focused on possibilities of the utilisation of Media Analyses’ radio data in M&K 3/2006, this second part presents a document analysis of the questionnaires and code- books concerning the TV inquiry. The programme-specific data that was collected up to

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either 1996 or 1999, refers to the general filter and to the time filter module, and can be used for longitudinal studies without any difficulty. However, the longitudinal utilisa- tion of the frequency module and the time budget, which, since 1987, has covered the whole day and not only between 17.00 and 20.00, is restricted. Furthermore, general TV data referring to the weekly television use, the media use within leisure time, and the general TV time budget are surveyed.

Keywords: television, secondary analysis, longitudinal study, media use, methods

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MM&K_04.06_10_English_Ab.indd&K_04.06_10_English_Ab.indd 726726 116.11.20066.11.2006 15:36:1515:36:15 UhrUhr Autorinnen und Autoren dieses Heftes

Dipl.-Medienwiss. Kerrin B artels, diffferent GmbH, Strategieagentur für Marken und Kommunikation, Falckensteinstraße 49, 10997 Berlin, [email protected]

Prof. Dr. Joan Kristin B leicher, Hans-Bredow-Institut/Institut für Germanistik II, Universität Hamburg, Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, joan.bleicher@uni- hamburg.de

Dipl.-Medienwiss. Saskia B öcking, IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, Universität Zürich, Andreasstr. 15, 8050 Zürich, Schweiz, [email protected]

Prof. Dr. Michel C lement, Institut für Marketing und Medien, Lehrstuhl für Me- dienmanagement, Universität Hamburg, Von-Melle-Park 5, 20146 Hamburg, michel. [email protected]

Dr. Patrick D onges, IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft, und Medienfor- schung, Universität Zürich, Andreasstr. 15, 8050 Zürich, Schweiz, [email protected]. ch

Susanne E ggert, M. A., JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, Redaktion merz – Zeitschrift für Medien und Erziehung, Pfälzer-Wald-Str. 64, 81539 München, [email protected]

Dr. Johannes F romme, Lehrstuhl für Erziehungswissenschaftliche Medienforschung unter Berücksichtigung der Erwachsenen- und Weiterbildung, Zschokkestraße 32, 39104 Magdeburg, [email protected]

Prof. Dr. Ursula G anz-Blättler, Institut Medien und Journalismus, Universität Lu- gano, Via Giuseppe Buffi 13, 6900 Lugano, Schweiz, [email protected]

Dr. Jörg H agenah, Medienwissenschaftliches Lehr- und Forschungszentrum der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Universität zu Köln, Greinstr. 2, 50939 Köln, [email protected]

Dipl.-Ök. Jutta K ehrer, Hamburg Media School, Finkenau 35, 22081 Hamburg, [email protected]

Dr. Nathalie K harina-Welke, Deutsch-russische publizistische Kooperation, Fa- kultät für Journalistik der Staatsuniversität St. Petersburg, Steifensandstraße 6, 14057 Berlin, [email protected]

Prof. Dr. Hans J. K leinsteuber, Institut für Politische Wissenschaft, Institut für Journalistik, Universität Hamburg, Allende-Platz 1, 20146 Hamburg, hjk@sozialwiss. uni-hamburg.de

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Dr. Christoph K limmt, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hochschule für Musik und Theater Hannover, Expo Plaza 12, 30539 Hannover, chri- [email protected]

Dr. Daniela K loock, Sarrazinstr. 8, 12159 Berlin, [email protected]

Ragne K õuts-Klemm, M. A., FB Journalismus und Kommunikation, Universität Tartu, Ülikooli 18, 50090 Tartu, Estland, [email protected]

Dr. Sonja K retzschmar, Institut für Kommunikationswissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Bispinghof 9 –14, 48143 Münster, sonja.kretzschmar@ uni-muenster.de

Prof. Dr. Hans-Dieter K übler, Fakultät Design Medien Information, Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg, Berliner Tor 5, 20099 Hamburg, hans-dieter. [email protected]

Dr. Marianne M erkt, Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung (ehemals IZHD), Fak. 04, Sekt. 3, Vogt-Kölln-Str. 30, Haus E, 22527 Hamburg, marianne.merkt@uni- hamburg.de

Corinna P eil, M. A., Sprache und Kommunikation, Universität Lüneburg, Postfach 2440, 21314 Lüneburg, [email protected]

Prof. Dr. Cornelia R osebrock, Institut für Deutsche Sprache und Literatur, Jo- hann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, Grüneburgplatz 1, 60629 Frankfurt/M., [email protected]

Prof. Dr. Helmut S cherer, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hochschule für Musik und Theater Hannover, Expo Plaza 12, 30539 Hannover, Hel- [email protected]

Prof. Dr. em. Dr. h. c. Siegfried J. S chmidt, Institut für Kommunikationswissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Bispinghof 9 –14, 48143 Münster, sjs3811@ uni-muenster.de

Prof. Dr. Irmela Schneider, Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Universität zu Köln, Meister-Ekkehart-Str. 11, 50937 Köln, irmela.schneider@uni- koeln.de

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MM&K_04.06_11_Autoren.indd&K_04.06_11_Autoren.indd 728728 116.11.20066.11.2006 15:37:1015:37:10 UhrUhr Hinweise für Autorinnen und Autoren

Die wissenschaftliche Vierteljahreszeitschrift „Medien & Kommunikationswissen- schaft“ (bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für Medien- und Kom- munikationswissenschaft“) wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben und redaktionell betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische und empirische Beiträge aus der gesamten Medien- und Kommunikationswissenschaft. Für die Publikation in „Medien & Kommunikationswissenschaft“ kommen wissen- schaftliche Beiträge in Betracht, die: • ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten; • Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder medienprak tischer Relevanz darstellen; • innerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können oder • Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten Problem stellungen systema- tisch und vergleichend zusammenfassen und eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben. Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu publizierten Beiträgen. Stellungnahmen und Erwiderungen, die den in „Medien & Kommunikationswissenschaft“ üblichen inhaltlichen und formalen Standards entspre- chen und geeignet sind, die wissenschaftliche Diskussion zu fördern, werden im nächst- möglichen Heft publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit einer Erwiderung ein. Manuskripte, die zur Publikation in „Medien & Kommunikationswissenschaft“ einge- reicht werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begut- achtungsverfahrens nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden. Im Sinne der Förderung des wissenschaftlichen Diskurses und der kumulativen For- schung sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Bei- trägen besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwen- deten Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur Verfü- gung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraus setzungen für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit, die verwendeten Daten bei wissenschaftlich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils gegebe nen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen. Formalien: • Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung oder per E-Mail zuzu- schicken. • Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Ti- telblätter erfor derlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschrif- ten der Autorinnen und Auto ren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren ent- halten. 729

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• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen Beitrags vermittelt. • Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (55.000 Zeichen) nicht über- schreiten. • Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig be- schrieben und mit ausreichendem Rand versehen sein. • Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift (in Dezi malzählung) versehen sein. • Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen. • Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten: a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden Text – z. B.: ... (Müller, 1990: 37 – 40) ... –, wobei der vollständige bibliographi- sche Nachweis über ein Literaturverzeichnis im An schluss an den Beitrag erfolgt; b) über durchnummerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf der entsprechenden Seite aufgeführt wird. Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entschei- det die Re daktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten. Dem/ der Autor/in wird die Redaktionsentscheidung schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer Ent- scheidung für Überarbeitung, Neu einreichung oder Ablehnung legt die Redaktion die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu wer den die anonymisierten Gutachten, evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsver fahren ist in der Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen; falls die Begutachtung längere Zeit erfordert, werden die Autor/inn/en benachrichtigt. Von jedem Originalbeitrag werden 20 Sonderdrucke kostenlos zur Verfügung gestellt. Weitere Sonderdrucke können bei Rückgabe der Fahnenkorrektur an die Redaktion schriftlich gegen Rech nung bestellt werden. Verlag und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden. Mit der An nahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag von den Autorinnen und Auto- ren alle Rechte, insbe sondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerbli- chen Zwecken im Wege des fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens.

Anschrift der Redaktion: Hans-Bredow-Institut Heimhuder Straße 21, 20148 Hamburg (Tel. 040/45 02 17-41) E-Mail: [email protected]

Medien & Kommunikationswissenschaft Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg ISSN 1615-634X Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2006. Printed in Germany. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich (4 Hefte jährlich), Jahresabonnement 83,–, Jah- res abonnement für Studenten € 49,– (gegen Nachweis), Einzelheft € 24,– jeweils zuzügl. Versandkosten (inkl. MwSt.); Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen; Abbestellungen vierteljährlich zum Jahresende. Zahlung jeweils im Voraus an Nomos Verlagsgesellschaft, Postscheckk. Karlsruhe 73636-751 und Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002 266. Verlag und Anzeigenannahme: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 76520 Baden-Baden, Telefon: (0 72 21) 21 04-0, Telefax: 21 04 27.

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ARTIKEL Saskia Böcking Elterlicher Umgang mit kindlicher Fernsehnutzung. Test einer deutschsprachigen Skala und erste Befun- de für die Deutschschweiz ...... 4/599

Patrick Donges Medien als Institutionen und ihre Auswirkungen auf Organisationen. Perspektiven des soziologischen Neo-Institutionalismus für die Kommunikations- wissenschaft ...... 4/563

Martin Emmer / Angelika Füting / Wer kommuniziert wie über politische Themen? Gerhard Vowe Eine empirisch basierte Typologie individueller po- litischer Kommunikation ...... 2/216

Jörg Hagenah Möglichkeiten der Nutzung von Media-Analyse- Fernsehdaten für Sekundäranalysen von 1972 bis heute ...... 4/637

Jörg Hagenah Möglichkeiten der Nutzung von Media-Analyse- Radiodaten für Sekundäranalysen von 1972 bis heu te ...... 3/457

Wolfgang Hoffmann-Riem Rundfunk als Public Service. Anmerkungen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft öffentlich-- rechtlichen Rundfunks ...... 1/95

Kurt Imhof Mediengesellschaft und Medialisierung ...... 2/191

Nikolaus Jackob Macht und Verantwortung der Kommunikation bei Cicero. Ein historischer Beitrag zum Ethikdiskurs in der Kommunikationswissenschaft ...... 2/237

Kathrin Junghanns / Thomas Hanitzsch Deutsche Auslandskorrespondenten im Profil . . . 3/412

Veronika Karnowski / Thilo von Pape / Zur Diffusion Neuer Medien: Kritische Bestands- Werner Wirth aufnahme aktueller Ansätze und Überlegungen zu einer integrativen Diffusions- und Aneignungs- theorie Neuer Medien ...... 1/56

Christoph Klimmt / Kerrin Bartels / Kommunikation für die Rundfunkgebühr. Die Helmut Scherer Furchtappelle der Gebühreneinzugszentrale fruch- ten weniger als Überzeugungsarbeit ...... 4/579

Ragne Kõuts-Klemm Fragmentierte Publika in der Transformationsgesell- schaft Estlands. Tendenzen der Mediennutzung . . 4/620

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MM&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd 731731 116.11.20066.11.2006 15:39:2315:39:23 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

Henk Erik Meier Die Regulierungskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ...... 2/258

Jutta Milde / Georg Ruhrmann Molekulare Medizin in deutschen TV-Wissen- schaftsmagazinen. Ergebnisse von Journalistenin- terviews und Inhaltsanalysen ...... 3/430

Oliver Quiring / Wolfgang Schweiger Interaktivität – ten years after. Eine Bestandsaufnah- me und ein Analyserahmen ...... 1/5

Ulrich Riehm / Bettina-Johanna Krings Abschied vom „Internet für alle“? Der „blinde Fleck“ in der Diskussion zur digitalen Spaltung . . 1/75

Holger Schramm / Werner Wirth Medien und Emotionen. Bestandsaufnahme eines ver- nachlässigten Forschungsfeldes aus medienpsycho- logischer Perspektive ...... 1/25

Wolfgang Seufert Programmaufwand, Qualität und Wirtschaftlich- keit öffentlich-rechtlicher Rundfunkangebote . . . . 3/365

Jens Wolling / Christoph Kuhlmann Zerstreute Aufmerksamkeit. Empirischer Test eines Erklärungsmodells für die Nebenbeinutzung des Fernsehens ...... 3/386

LITERATUR Reihe „Klassiker der Kommunikations- und Medienwissenschaft heute“

Udo Göttlich Leo Löwenthal: Soziale Theorie der Massenkultur und kritische Kommunikationsforschung. Löwen- thals Medienanalysen und Massenkulturkritik im Kontext der amerikanischen Kommunikationsfor- schung der Nachkriegszeit ...... 1/105

Maren Hartmann Der Kulturkritiker als Flaneur. Walter Benjamin, die Passage und die neuen (Medien-) Technologi- en ...... 2/288

Besprechungen

Joan Kristin Bleicher Abschiede von der Wirklichkeit. Aktuelle Front- linien der medien- bzw. kommunikationswissen- schaftlichen Fernsehforschung seit 2005 – eine Sammelrezension ...... 4/654

Joan Kristin Bleicher Guido Zurstiege: Zwischen Kritik und Faszination. Was wir beobachten, wenn wir die Werbung beob- achten, wie sie die Gesellschaft beobachtet. Köln: Herbert von Halem, 2005 ...... 2/308

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MM&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd 732732 116.11.20066.11.2006 15:39:2715:39:27 UhrUhr Roger Blum Heinz Bonfadelli, Martina Leonarz, Werner A. Mei- er (Hrsg.): Informationsgesellschaft Schweiz. Medi- en, Organisationen und Öffentlichkeit im Wandel. Zürich: Seismo, 2004 ...... 2/311

Michel Clement Christian Scholz (Hrsg.): Handbuch Medienma- nagement. Berlin: Springer, 2006 ...... 4/667

Indira Dupuis Hans-Jörg Trenz: Europa in den Medien. Die eu- ropäische Integration im Spiegel nationaler Öffent- lichkeit. Frankfurt: Campus, 2005 ...... 2/311

Susanne Eggert Emine Uçar-İlbuğa: Fernsehkonsum von türkischen Jugendlichen. Eine empirische Untersuchung im Hamburger Stadtteil Dulsberg. Frankfurt am Main: Lang, 2005 ...... 4/668

Susanne Fengler Gerd Hallenberger / Jörg-Uwe Nieland: Neue Kri- tik der Medienkritik. Werkanalyse, Nutzerservice, Sales Promotion oder Kulturkritik? Köln: Herbert von Halem, 2005 ...... 1/128

Johannes Fromme Christine Feil/Regina Decker/Christoph Gieger: Wie entdecken Kinder das Internet? Beobachtun- gen bei 5- bis 12-jährigen Kindern. Wiesbaden: VS, 2004 ...... 4/670

Ursula Ganz-Blättler Tim Bergfelder: International Adventures. German Popular Cinema and European Co-Productions in the 1960s. New York / Oxford: Berghahn, 2005 . . 4/672

Joachim R. Höflich Michael Feldhaus: Mobile Kommunikation im Fa- miliensystem. Zu den Chancen und Risiken mobiler Kommunikation für das familiale Zusammenleben. Würzburg: Ergon, 2004 ...... 2/313

Dagmar Hoffmann Bertram Scheufele: Sexueller Missbrauch. Medien- darstellung und Medienwirkung. Wiesbaden: VS, 2005 ...... 3/486

Jutta Kehrer Thilo Büsching (Hrsg.): Mediengeschäftsmodelle der Zukunft. Baden-Baden: Nomos, 2005 ...... 4/674

Nathalie Kharina-Welke Viktoria Brunmeier: Das Internet in Russland. Eine Untersuchung zum spannungsreichen Verhältnis von Politik und Runet. München: Fischer, 2005 . . 4/675

Marcus S. Kleiner Rainer Winter (Hrsg.): Medienkultur, Kritik und Demokratie. Der Douglas Kellner-Reader. Köln: Herbert von Halem, 2005 ...... 2/315

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MM&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd 733733 116.11.20066.11.2006 15:39:2815:39:28 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

Hans J. Kleinsteuber Christina Holtz-Bacha: Medienpolitik für Europa. Wiesbaden: VS, 2006 ...... 4/677

Daniela Kloock Joachim Knape (Hrsg.): Medienrhetorik. Tübingen: Attempto Verlag, 2005 ...... 4/678

Steffen Kolb / Steffen Burkhardt Norbert Baumgärtner: Risiko- und Krisenkommu- nikation. Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren, dargestellt am Beispiel der che- mischen Industrie. München: Dr. Hut, 2005 . . . . . 3/488

Sven Kommer Ingrid Paus-Hasebrink / Klaus Neumann-Braun / Uwe Hasebrink / Stefan Aufenanger: Medienkind- heit – Markenkindheit. Untersuchungen zur multi- medialen Verwertung von Markenzeichen für Kin- der. München: Kopaed, 2004 ...... 1/129

Sonja Kretzschmar Hans-Jürgen Lüsebrink: Interkulturelle Kommuni- kation. Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kultur- transfer. Stuttgart: Metzler, 2005 ...... 4/680

Jan Krone Jens Damm/Simona Thomas (Hrsg.): Chinese Cy- berspaces. Technological Changes and Political Ef- fects. London u. New York: Routledge, 2006 . . . . 3/489

Hans-Dieter Kübler Harald Gapski (Hrsg.): Medienkompetenzen mes- sen? Verfahren und Reflexionen zur Erfassung von Schlüsselkompetenzen. Düsseldorf/München: ko- paed, 2006 ...... 4/681

Hans-Dieter Kübler Rudolf Kammerl: Internetbasierte Kommunikati- on und Identitätskonstruktion. Selbstdarstellungen und Regelorientierungen 14- bis 16-jähriger Jugend- licher. Hamburg: Dr. Kovac, 2005 ...... 3/491

Thomas Lietz Klaus Arnold / Christoph Classen (Hrsg.): Zwischen Pop und Propaganda. Radio in der DDR. Berlin: Ch. Links, 2004 ...... 1/131

Maria Löblich Michael Beuthner/Stephan Alexander Weichert (Hrsg.): Die Selbstbeobachtungsfalle. Grenzen und Grenzgänge des Medienjournalismus. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005 ...... 2/317

Ursula Maier-Rabler Roger Silverstone (Ed.): Media, Technology and Everyday Life in Europe. From Information to Communication. Aldershot: Ashgate, 2005 ...... 2/318

Marianne Merkt Martin Wessner: Kontextuelle Kooperation in virtu- ellen Lernumgebungen. Lohmar: Eul, 2005 ...... 4/683

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MM&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd 734734 116.11.20066.11.2006 15:39:2915:39:29 UhrUhr Christina Ortner Allan Brown / Robert G. Picard (Hrsg.): Digital Terrestrial Television in Europe. Mahwah, New Jer- sey/London: Lawrence Erlbaum Assoc. Publishers, 2005 ...... 1/133

Corinna Peil Joan Kristin Bleicher/Bernhard Pörksen (Hrsg.) Grenzgänger: Formen des New Journalism. Wies- baden: VS, 2004 ...... 4/684

Hans Peter Peters Steffen Kolb: Mediale Thematisierung in Zyklen. Theoretischer Entwurf und empirische Anwen- dung. Köln: Herbert von Halem, 2005 ...... 3/493

Ulrich Riehm Mirko Marr: Internetzugang und politische Infor- miertheit. Zur digitalen Spaltung der Gesellschaft. Konstanz: UVK, 2005 ...... 3/497

Cornelia Rosebrock Bettina Hurrelmann/Susanne Becker/Irmgard Ni- ckel-Bacon: Lesekindheiten. Familie und Lesesoziali- sation im historischen Wandel. Weinheim, München: Juventa, 2006 ...... 4/688

Helge Rossen-Stadtfeld Astrid Link: Unternehmensbeteiligungen öffent- lich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Öffentlich- rechtlicher Programmauftrag und privatrechtliche Organisationsformen. Baden-Baden: Nomos Ver- lagsgesellschaft, 2005 ...... 3/500

Siegfried J. Schmidt Bernhard Pörksen: Die Beobachtung des Beobach- ters. Eine Erkenntnistheorie der Journalistik. Kons- tanz: UVK, 2006 ...... 4/689

Rüdiger Schmitt-Beck Werner Wirth / Edmund Lauf / Andreas Fahr (Hrsg.): Forschungslogik und -design in der Kom- munikationswissenschaft. Band 1: Einführung, Pro- blematisierungen und Aspekte der Methodenlogik aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive. Köln: Herbert von Halem, 2004 ...... 1/134

Irmela Schneider Ulrike Schwab: Erzähltext und Spielfilm. Zur Äs- thetik und Analyse der Filmadaption. Berlin: Lit, 2006 ...... 4/691

Monika Suckfüll Holger Schramm: Mood Management durch Musik. Die alltägliche Nutzung von Musik zur Regulie- rung von Stimmungen. Köln: Herbert von Halem, 2005 ...... 1/136

Barbara Thomaß Christa-Maria Ridder / Wolfgang R. Langenbu- cher / Ulrich Saxer / Christian Steininger (Hrsg.): Bausteine einer Theorie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen- schaften, 2005 ...... 2/320 735

MM&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd&K_04.06_12_Jahresinhalt.indd 735735 116.11.20066.11.2006 15:39:3015:39:30 UhrUhr M&K 54. Jahrgang 4/2006

Jörg Ukrow Kristina Hopf: Jugendschutz im Fernsehen. Eine verfassungsrechtliche Prüfung der materiellen Ju- gendschutzbestimmungen. Frankfurt am Main, 2005 ...... 3/503

Andreas Wagenknecht Friedrich Krotz: Neue Theorien entwickeln. Eine Einführung in die Grounded Theory, die Heuristi- sche Sozialforschung und die Ethnographie anhand von Beispielen aus der Kommunikationsforschung. Köln: Herbert von Halem, 2005 ...... 1/137

Stephan Alexander Weichert Kai Hafez: Mythos Globalisierung. Warum die Me- dien nicht grenzenlos sind. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005 ...... 2/322

Stephan Alexander Weichert Günther Rager / Karola Graf-Szczuka / Gregor Hassemer / Stephanie Süper: Zeitungsjournalis- mus. Empirische Leserschaftsforschung. Konstanz, 2006 ...... 3/504

Carsten Winter Andrea Grisold: Kulturindustrie Fernsehen. Zum Wechselverhältnis von Ökonomie und Massenme- dien. Wien: Erhard Löcker Ges.m.b.H., 2004 . . . . 2/324

Reimar Zeh Thomas Horky (Hrsg.): Erfahrungsberichte und Studien zur Fußball-Europameisterschaft. Ham- burg: BoD GmbH, Norderstedt, 2005 ...... 2/327

Zeitschriftenlese ...... 1/139, 2/329, 3/506, 4/693

Literaturverzeichnis ...... 1/162, 2/347, 3/456, 4/718

English abstracts ...... 1/170, 2/352, 3/552, 4/724

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