Der Lyrische Stoff Im Zeitalter Der Modernen Restauration
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Der lyrische Stoff im Zeitalter der modernen Restauration Zu einer Theorie und Poetik der stofflichen Stimmung im Werk Max Kommerells, Emil Staigers, Wilhelm Lehmanns und Karl Krolows (1930-1965) Michael Karlsson Pedersen Institut für Kulturwissenschaften, Süddänische Universität Dissertation, September 2016 1 Inhaltsverzeichnis Danksagung…………………………………………………................. 4 Einleitung 1. Lyrik, Stoff, Stimmung……………………………………………….. 6 2. Stoffbezug im Zeitalter der modernen Restauration………………….. 12 3. Aufbau der Arbeit……………………………………………………. 23 Teil I: Stoffontologische Stimmungstheorien Kapitel I: Max Kommerell und der atmende Stoff 1. Eingang……………………………………………………………..... 30 2. Lyrische Stimmung: Betroffenheit, Schwingung, Spiegelung…………. 37 3. Ontologie der Materie 1. Heideggers verschlossene Erde………………………………. 46 2. Kommerells überschreitender Stoff…………………................ 56 4. Zittern und Reflexion: Nietzsches Venedig-Gedicht…………………. 61 5. Die Tradition der Luftgeister 1. Vorbemerkung……………………………………………….. 71 2. Goethes östliche Leichtigkeit………………………………..... 75 3. Jean Pauls Nicht-mehr-Dinge……………………………….... 81 4. Hofmannsthals Dinge im Übergang………………………….. 96 Kapitel II: Emil Staiger und der atmosphärische Stoff 1. Eingang……………………………………………………………..... 105 2. Stil des Stoffes: Poetik und Ontologie………………………................. 115 3. Stil der lyrischen Stimmung: Atmosphärisierender Stoff…………….... 120 4. Die luftige Romantik 1. Vorbemerkung……………………………………………….. 129 2. Brentanos Schaum der Dinge……………………….................. 133 3. Tiecks Phantome……………………………………................ 140 Teil II: Poetiken des lyrischen Stoffes Kapitel III: Wilhelm Lehmann und der klimatische Stoff 1. Eingang……………………………………………………………..... 149 2. Plädoyer der Stoffgebundenheit 1. Kritik der modernen Entstofflichung………………………… 154 2 2. Forderung der Sachlichkeit………………………….................. 160 3. Poetik der sachlichen Leichtigkeit 1. Wachsschutz der Vagheit…………………………………….. 165 2. Wurzel und Schwebe………………………………………..... 169 4. Verflüchtigende Einflüsse 1. Schwebende Romantik: Brentano, Arnim, Fouqué….................. 173 2. Simmels Paradoxie des Schweren und Leichten……………..... 179 5. Klimatische Stoffontologie…………………………………................. 184 Kapitel IV: Karl Krolow und der minimale Stoff 1. Eingang………………………………………………………………. 190 2. Kritische Selbstpositionierung: Die Lehmann-Rezeption 1. Vorbemerkung……………………………………………….. 197 2. Poröse Naturlyrik…………………………………………….. 200 3. Kritik des Detailzwangs und Lob der Schwebe………………. 203 4. Leichtigkeit ohne Sachlichkeit………………………................. 207 3. Poetik einer distanzierten Leichtigkeit 1. Distanz als Stoffbezug………………………………................ 208 2. Problem der Last……………………………………................ 212 3. Risiko des Leicht-Werdens………………………….................. 216 4. Minimale Stoffontologie…………………………………….... 220 4. Minimaler Stoff: Das Gedicht „Pappellaub“ 1. Vorbemerkung……………………………………………….. 222 2. Leichte Bindungen des Sommers…………………………….. 227 3. Luftige Gewalt des Vogels…………………………………..... 230 4. Stoffliches „Ungewicht“ des Rauschens…………………….... 235 Schlussbetrachtungen 1. Zu einer Kontinuität des stofflichen Denkens der Lyrik…….................. 240 2. Stimmung und Gesellschaft; oder, Widerstand gegen Verdinglichung…………………….................. 242 Bibliographie…………………………………………………………… 249 Dansk resume…………………………………………....................... 261 English summery………………………………………….................. 266 3 Danksagung Die vorliegende Dissertation wurde durch ein dreijähriges Stipendium der Süddänischen Universität Odense gefördert. Von den vielen, die auf die eine oder die andere Weise die Entstehung dieser Arbeit gefördert haben, möchte ich an dieser Stelle besonders meinem Doktorvater, Christian Benne, für die Unterstützung während der Arbeit, an der er mit nie nachgelassenem Interesse teilgenommen hat. Ein Höhepunkt unseres gemeinsamen Austauschs war die Kommerell-Tagung in der Villa Vigoni am Comer See, die mir zum ersten Mal erfahren ließ, wie sehr Denken und Vergnügen zusammenhängen können. Danken möchte ich weiterhin meinem zweiten Doktorvater, Anders Engberg-Pedersen, herzlich danken, der sich bereit erklärte, die zweite Hälfte der Betreuung zu übernehmen, und bis zum Schluss meine Arbeit mit großem Interesse unterstützte. Unsere Gespräche haben meinen Blick auf dem Thema immer wieder herausgefordert. Sehr gerne denke ich an die gemeinsame Tagung in NY zurück, die mit der Kunst des Kaffeetrinkens schön einherging. Auch möchte ich mich bei Adam Paulsen bedanken, der seit langem meine Arbeit begleitet hat. Nicht nur die kleine Runde, in der wir uns allwöchentlich über Ökokritik, Ernst Jünger, Naturlyrik und andere gemeinsame Interessen unterhalten haben, sondern auch seine große Begeisterung, Offenheit und Freude haben mir immer wieder geholfen, unterstützt und ermutigt. Danken möchte ich auch Søren Frank, der mich vom Anfang an ermutigt und unterstützt hat und dazu beigetragen hat, meine Arbeit eine institutionelle Verankerung zu geben, indem er mich u.a. in die von ihm und Sten Pultz Moslund geleitete Forschungsgruppe ‚Place and literature‘ (später: ‚Materiality and literature‘) aufgenommen und dadurch meine Arbeit maßgeblich geprägt hat. Ich bedanke mich herzlich bei beiden, die nicht vergessen haben, was es für den Doktoranden bedeutet, von älteren Kollegen einer Forschungsgemeinschaft betreut zu werden. 4 Zwei längere Forschungsaufenthalte war die weitere Arbeit sehr ergiebig. Von großer Bedeutung war meine Aufenthalte an der Stanford University 2013/2014. Robert Pogue Harrison hat mich bei meiner Suche nach luftigen Phänomenen in der Literatur unterstützt. Mit ihm über diesen Themen zu sprechen war eine sehr große Freude, die mich fast verzaubert hat. Auch bin ich Hans Ulrich Gumbrecht sehr dankbar für seine Großzügigkeit sowie erstaunliche Fähigkeit die (latente) Leistung meiner Arbeit schnell zu erkennen. Im März 2015 wurde anhand eines durch das Deutsche Literaturarchiv geförderten Marbach-Stipendiums die Erforschung der Nachlässe Max Kommerells, Wilhelm Lehmanns und Karl Krolows ermöglicht. Die vorzügliche Ruhe der Bibliothek des Literaturarchivs bildete den ersten Rahmen des beginnenden Niederschreibens der Dissertation. Für weitere Anregungen und Hinweise bedanke ich mich weiterhin bei: Heinrich Detering, Anders Ehlers Dam, Friederike Günther, Christoph König, Friederike Knüpling, Marcel Lepper, Dan Ringgaard, Na Schädlich, Hans Dieter Schäfer. Zu guter Letzt danke ich ganz herzlich meinem Bruder und Kollegen Martin Karlsson Pedersen, der mir durch seine sowohl einfühlsame als auch intellektuelle Begleitung immer wieder Mut gemacht hat. Hinter dieser Dissertation steht vornehmlich meine Freundin, Kollegin und tägliche Gesprächspartnerin Marlene Karlsson Marcussen, deren unentbehrliche Unterstützung und Hilfe ich kaum ins Wort zu fassen vermöge. 5 Einleitung 1. Lyrik, Stoff, Stimmung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage nach dem Stand des Stoffes im lyrischen Gedicht. Hierbei melden sich einige begriffliche Schwierigkeiten, die zunächst geklärt werden sollen. Eingangs wird die alte von Aristoteles ausgehende Dichotomie zwischen Stoff (hyle) und Form (eidos) in Erinnerung gerufen. Die Unzulänglichkeit dieser für das abendländische Denken dominierenden Fassung des Stoffes besteht darin, dass Stoff niemals in sich selbst erfasst wird, sondern nur seine Bestimmung durch die Form erhält. Will heißen: „Innerhalb dieser Opposition gelten Stoff und Materie als das Ungeformte (oder Vorgeformte), das seiner Formung harrt. Diese Dichotomie wurde meist in einer hierarchischen Struktur gedacht: Stoff und Materie tragen das Versprechen der Form in sich“ (Naumann, Strässle und Torra- Mattenklott 2006:9). So erlangt der Stoff nur Geltung, wenn er geformt wird und sich in einer Form zeigt. Folgerichtig ist Stoff nur etwas, das unbelebt, passiv und selbstverständlich zur Verfügung steht, um sich für die aktive Formung darzubieten: „Die Selbstverständlichkeit, mit der der Stoff als gegeben vorausgesetzt wurde, hat ihn ideengeschichtlich in Misskredit gebracht gegenüber dem Rätsel der Form, die sich in ihm manifestiert“ (Naumann, Strässle und Torra-Mattenklott 2006:9). Die Privilegierung der Form gegenüber dem Stoff wurde dann, wie Martin Heidegger schon in seinem Vortrag „Der Ursprung des Kunstwerkes“ (1935/36) notierte, als „das Begriffsschema schlechthin für alle Kunsttheorie und Ästhetik“ (Heidegger 2003a:12) vorherrschend. Weiterhin hat Kant in seiner Kritik der Urteilskraft (1790) die grundlegende Koordinate hierzu geliefert, indem – wie Christian Benne pointiert – seine auf das Subjekt gegründete Ästhetik fordert, „von der Stofflichkeit des ästhetischen Gegenstandes abzusehen“ (Benne 2015:53). Insgesamt formuliert die kantische Tradition der Ästhetik dann eine antimaterielle und subjektzentrische Position, wodurch ästhetischer Wert nach seinem 6 Maß an Unkörperlichkeit gemessen wird (vgl. Benne 2015:54). Diese Hierarchisierung des Subjekt über den Stoff setzte sich weiter in der von Kant beeinflussten idealistischen Ästhetik Friedrich Schillers durch, der im zweiundzwanzigsten Brief seiner berühmten „Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen“ (1793/94) formulierte: „Darin also besteht das eigentliche Kunstgeheimnis des Meisters, daß er den Stoff durch die Form vertilgt“ (Schiller 1984:498). Die auf das Allgemeine zielende Form des Geistes muss eine Herrschaft gegenüber dem nur partikulären und einschränkenden Stoff ausüben, um ihn zu überwinden und dadurch „wahre ästhetische Freiheit“ (Schiller