Inhalt: Herausgeber Deutscher Verein für gute nachbarschaft liche DIE WORTE DES CHEF REDAKTEURS Beziehungen KARLOWITZ Auswegslos ...... 2

21205 Sremski Karlovci, BOTSCFATER ZOBEL IN SOMBOR Patrijarha Rajačića 30 Besuch der Stadt Sombor...... 3 tel/fax: 381.21.881707 Begrüssungswort von Frau Melanija Grubljesic...... 3 e-mail: [email protected] conto : 340-27018-65 Die Probleme bei der Gründung des Nationalrates – die Worte des Herren Boris Masic, des Vorsitzenders des Deutschen Vereins ADAM BERENC, Chef Redakteur : Stjepan A. Seder aus Apatin...... 4 Europa, europäische Werte und EU - Einigungsprozess als Redaktionsekretär Unterrichtsgegenstand, Rede des Botscafters Andreas Zobel an Mirko Sebić die Studenten der Pedagogischen Hochschule...... 5 Art Direktor JUGENDPARLAMENT IN NOVI SAD Andi Olah Die Tagung des EU-Jugendparlament in Novi Sad...... 8 Redaktion: Rede Herrn Andreas Zobel des Botschafters BR Deutschland in Serbien...... 9 Stefan Barth GESTERN, HEUTE ... Helmut Frisch Dr Vladimir Gajger Gedenken an Opfer, Stjepan A. Seder...... 11 Zdravko Huber Rede Herrn König vor der Gedenkstäte...... 11 Bogdan Ibrajter Vesela Laloš Interview mit dem Herrn Boris Masic, Stjepan A. Seder...... 12 Robert Lahr Postament wartet das Denkmal, Stjepan A. Seder...... 13 Plamenka - Rozina Vuletić Gedenkfeier in Rudolfsgnad (Knićanin), Stjepan A. Seder...... 14 Dr Zoran Žiletić Bilder aus meiner Kindheit, Hilda Banski...... 16 Druckerei VI GUGELHUPFFEST Maxima – Petrovaradin, Vladana Desnice 13 Entgegen der Tradition und den Bräuchen, Stjepan A. Seder...... 19 Tel: +381 (0)216433512 Rund Tafel Wahrheit, Halbwahrheit, Unwahrheit, Dragi Bugarčić...... 20 Aufl age 500 primeraka Bewusstsein und Gewissen gegenüber der Kultur der Wojwodina – Deutschen, September 2007. Prof. dr. Dragoljub Živković...... 21

Preiss 150 dinara Presse in Serbien über die Donauschwaben 4 € 1992-2000, Zlatoje Martinov...... 23 Medien im Versönungprozess der Serben und der Donauschwaben, Slobodan Mirić...... 30 CIP ISSN - 1451-5202 Recht auf die Heimat, Stjepan A. Seder...... 32 COBISS. SR-ID 20042895 Mitteilung an die Öffentlichkeit...... 35 WIEDER IN DER HEIMAT Fenster izlazi zahvaljujući podršci Sekretarijata za obrazovanjei kulturu IV AP Deutscher Folkloreabend, S.A. Weißkopf...... 36 Vojvodine i prilozima čitalaca. Rückkehr der Hausherren, Dobrila Boba Knezevich...... 37 Fenster erscheint mit fi nanzieller Unterstützung des HILFE DER HEIMAT Kulturministerium IV AP Geschenk an die Heimat, Stjepan A. Seder...... 40 und Geldbeintragen der Leser. Interview mit Vladimir Hercegovac, Maschinentechniker, Stjepan A. Seder...... 43 Prilozi autora potpisani imenom ne moraju izražavati mišljenje redakcije i izdavača Nach sechs Monaten, Stjepan A. Seder...... 43 Namentlich gekennzeichnete Beiträge DIE ERINERUNNGEN geben nicht unbedingt die Meinung des Sieger, Stjepan A. Seder...... 44 Herausgebers wieder WO SIND SIE, WAS MACHEN SIE? Copyright: KARLOWITZ Unbeachtet und unerkannt, Stjepan A. Seder...... 47 Sprüchwörter und Redensarten der Donauschwaben DURCHLESEN SIE hat Herr Stefan Barth Totenliste aus dem Vernichtungslager Knicanin/Rudolfsgnad veranstalten. Josef Elter...... 52 WORTE DES REDAKTEUREN Auswegslos

ie deutsche Nationalminderheit bemüht in Beziehungsfragen zwischen ihrem Heimatland sich bereits seit vier Jahren ihren Minder- und dem Land, in dem sie leben, aufzuklären, diese Dheitenrat zu gründen. Und wie weit ist man Beziehungen mit dem Gastgeberland zu pfl egen, um gekommen? Offi zielle Angaben gibt es nicht, aber auf diese Weise für die Minderheiten das Aufrech- unoffi zielle Informationen, die die Runde machen, terhalten ihrer Kultur, Tradition, Sprache, Auskunft, nach denen man behauptet, dass ein Antrag für die Bildung … zu ermöglichen. Unternehmung notwendiger Schritte bezüglich der Tatsache ist, dass die Deutsche Botschaft in Belgrad Gründung eines Nationalrates gestellt ist. Nach keinen Zuständigen für ihre Minderheit hat, wie es diesen Informationen wurde der Antrag von nicht andre nationale Minderheiten in Serbien haben. Der berechtigten Personen, unvollständig gestellt und Hauptgrund ist das nicht bestehen eines National- es geschah ohne Wissen der anderen Akreure dieser rates. Genau deswegen hätte die Botschaft in Belgrad Aktivitäten und.... Verfahren dieser Art, die offensi- ihrer nationalen Minderheit in Serbien beim Gründen chtlich eine Zusammenarbeit meiden können nicht des Nationalrates helfen sollen. Dann wüsste man zum gewünschten Ziel führen. an wen die Botschaft ihre Vorschläge, Meinungen, Die deutsche Nationalminderheit ist klein, in der Einwende, Hilfe etc. richten kann. In so einem Fall ganzen Wojwodina verstreut, ohne jeglicher Inter- würde es einen Vertreter der nationalen Minderheit aktionen und insbesondere unaufgeklärt. Auf diese geben, der als Kontaktperson bei Angelegenheiten Weise sind sie von jeglicher Teilnahme an einer mit der Botschaft zuständig ist. Und so lange die Nationalratswahl ausgeschlossen. Ihre Vertreter, deutsche Minderheit ihren Nationalrat nicht grün- die von deutschen Vereinigungen delegiert wurden, det, werden sich in ihrem Namen vereinzelte, die haben die Erwartungen und das erwünschte Ziel, sich zuständig dafür halten, an die Botschaft wen- Ratsgründung, nicht erreicht. Mit diesem unverant- den. Dieses Vorgehen kann unharmonisch werden, wortlichen Verhalten der Vertreter ist am meisten die oft auch widersprüchlich oder kontraproduktiv und deutsche nationale Minderheit betroffen. aber auch vielleicht böswillig. Hätte die Deutsche Botschaft in Belgrad ihrer Mind- Die bisherige Zusammenarbeit der Botschaft in Bel- erheit Hilfe leisten können und sollen, wenn es sich grad mit der deutschen Nationalminderheit in Ser- um die Wahl des Nationalrates handelt? Unserer bien-Wojwodina beschränkt sich allein auf ein Tref- Meinung nach, konnte sie und hätte es tun sollen. fen des Botschafters, zum Mandatsbeginn, mit den Vielleicht ist die Botschaft der Meinung, dass die Vertretern Deutscher Vereinigungen. Dieses Einzel- deutsche Nationalminderheit in Serbien keinen Na- treffen kann weder dem Botschafter eine Grundin- tionalrat benötigt? formationen über den Zustand, um den er sich küm- Seit Jahrhunderten besitzen Staaten ihre Vertretun- mern soll, der nationalen Minderheiten liefern, noch gen im Ausland – Botschaften, Diplomatien höch- können seine Berater den Nationalrat ersetzten. sten Ranges. Die Aufgabe dieser Botschaften ist Im Falle der ermöglichten, gesetzlichen Gründ- es mit dem Gastgeberland unmittelbar zu kommu- ung der Nationalminderheiten seitens Serbien, mit nizieren, vor Ort notwendige Informationen über gewissen Amtsbereichen, welche die Gleichsetzung das Gastgeberland zu erhalten, Informationen über von Minderheiten und Rechtsschutz ermöglichen, das eigene Land zu geben, und auf diese Weise eine was ihnen auch der Verfassung nach und zivilrech- Beziehung zu ihm aufzubauen. Eine der Aufgaben tlich zustehen, ist das Uninteresse der Botschaft für der Botschaft ist es ebenfalls, Verbindung zu den das Schaffen dieser Bedingungen gegenüber der Na- Angehörigen der nationalen Minderheit, die außer- tionalminderheit, die ihr die Verwirklichung dieser halb ihrer Heimat leben, aufrecht zu erhalten, sie Rechte ermöglichen würde, unerklärbar. 2 BOTSCHAFTER ZOBEL IN SOMBOR Besuch der Stadt Sombor

eutscher Botschafter in Serbien, Herr An- Im weiterm Text übertragen wir die Begüßungsrede dreas Zobel wurde seitens des Bürgermeis- von Frau Melanija Grublješić, die Interpretation von Dters, Herrn dr. Slavković eingeladen am Herrn Boris Mašić, des Präsidenten des deutschen 28. März Sombor zu besuchen. Der Besuchwurde vom Botschafter dank der Offenherzigkeit , guter Arbeit der lokalen Selbstverwaltung und der de- mokratischen Behörde abgestattet. Bei dieser Gelegenheit besuchte Herr Zobel, ne- ben geschäftlichen Treffen mit dem Gemei- ndepräsidenten, mit Hernn Slovaković und den Stadtfunktionćren, auch die Stadtgalerie von Mi- lan Konjović und traff sich mit Angehörigen der deutschen Nationalminderheit aus Sombor und der Umgebung, mit denen er sich freundschaftlich un- terhielt. Herr Zobel hielt auch eine Vorlesung den Student- en und Professoren der Fakultät für Pädagogik, in Botschafter Herr Andreas Zobel welcher er auf die Wichtigkeit und den Vorteil der und Bürgermeister Herr dr. Jovan Slavković Angehörigkeit zu Europa weiste, wie auch auf die Tatsache, dass sie, also die jungen Menschen nach Vereins „ADAM BERENC“ aus Apatin und die dem Weg suchen sollten, den Serbien in der Zuku- Rede von Herrn Zobel vor den Studenten und Pro- nft geht. Nach der Vorlesung führte er auch offenes fessoren der Fakultät für Pädagogik. Gespräch mit den Studenten. Begrüssungswort von Frau Melanija Grubljesic

ehr Geehrte Exzellenz, Dr. Andreas Zobel, Minderheit in Ihren Brückenfunktion darstellen zu Botschafter der Bundes Republik Deutsch- können. Dies möchten wir Ihnen in einer Pawer- Sland, point-Präsentation vorstellen. sehr geehrter Herr Bürgermeister der Stadt Sombor, In der Hoffnung dazu auch weiterhin beitragen Herr Dr. Yohan Slavkovic, zu können, unterstützt die deutsche Minderheit in Ich begrüße Sie im Namen der deutschen Minderhe- dieser Region besonders stark die Gründung eines it und im Namen der drei deutschen Verein Sombor, deutschen Nationalrates. Auch darüber möchten wir Apatin, Hodjak. Ihnen berichten. Die drei Vereine entfalten seit 10 Jahren ein reges Sie sind der erste deutsche Botschafter, der die kulturelles und humanitäres Leben und bereichern deutsche Minderheit hier im Bezirk Sombor besucht. damit diese Region. Dadurch entstehen viele Brück- Darüber freuen uns sehr, auch auf die anschließende en zu den Nachbarländern und den deutschsprachi- Begegnung beim Büffet. gen Raum. Wir freuen uns über die Gelegenheit, unsere deutsche Herzlichen Dank!

Da Heim ist da, auch wen’s hinter’m Ofen ist.

3 BOTSCHAFTER ZOBEL IN SOMBOR Die Probleme bei der Gründung des Nationalrates - die Worte des Herren Boris Masic, des Vorsitzenders des Deutschen Vereins ADAM BERENC, aus Apatin hre Exzelenz, Herr Dr. Andreas Zobel, sehr jetzt 1300 Stimmen gesammelt. Sombor mit Umge- geehrter Herr Bürgermeister Jovan Slavkov- bung fast 900 Stimmen, Apatin 300 Stimmen und Iic, sehr geehrte Damen und Herren, Odzaci über 100 Stimmen. Das ergibt 13 Elek- Seit 4 Jahren versucht die deutsche Minderheit toren. Der Verein in Apatin hat nach dem Gesetz ihre politische Vertretung in Serbien in Form eines die Möglichkeit noch einen Elektoren direkt aus deutschen Nationalrat zu gründen. Zu diesem Zweck dem Verein zu geben. Das ergibt insgesamt 14 der wurde eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet. benötigten 30 Elektoren zur Gründung des Nation- In der Zwischenzeit sind neue Vereine gegründet alrates. worden und die Arbeit ist leichter geworden. Die So kommen aus dem Kreis West Backa fast die deutsche Minderheit ist auf verschie- denen Ebenen zusammengewach- sen. Im vergangenen Jahr kamen die Ver- eine in ihrer Bestrebung, den Na- tionalrat zu gründen, nicht weiter. Das war der Grund für eine neue ge- meinsame Initiative der beiden Ver- eine aus Sombor und Apatin. Diese Vereine hatten zum Ziel, dass alle Vereine gleichberechtigt im Rahmen dieser Arbeitsgruppe vertreten sind. Auf der letzter Sitzung in Feketic (Februar 2007) wurde dann auch die Arbeitsgruppe vervollständigt. Jetzt haben alle deutsche Vereine in der Wojwodina darin ihre Vertreter. Es sind jetzt an diesem Prozess 11 Ver- Herr Boris Mašić eine aktiv beteiligt. Nach der letzter Zählung haben wir genug Stimmen Hälfte aller Elektoren. Grund dafür liegt in der Tat- zusammen, um einen Nationalrat zu gründen. Jetzt sache, dass in diesem Teil der Wojwodina noch die bleibt der Arbeitsgruppe nur die technische Bear- meisten Deutschen leben. beitung dieses Materials. Die nächste Sitzung der Wir alle hoffen, dass auf der nächsten Sitzung in Arbeitsgruppe fi ndet am 14. April in Feketic statt. Feketic endlich alle Unterschriften – und Elektoren- Dort müssen die Vereine alle ihre Stimmen zusam- listen zusammengebracht werden und das die erste menfügen. Versammlung der Elektoren in absehbarer Zeit statt- Die Vereine Apatin, Sombor und Odzaci haben bis fi ndet.

Es ist so ausgegangen wie auf’s Matze Hocheit, der Letzte hat kein Löffel g’habt.

4 BOTSCHAFTER ZOBEL IN SOMBOR Europa, europäische Werte und EU-Einigungsprozess als Unterrichtsgegenstand Vortrag vor Lehramtstudenten in Sombor am 28.03.2007

ehr geehrte Damen und Herren, erwerben können, um Europa zu verstehen und als Ich freue mich sehr, heute bei Ihnen zu sein. Wähler verantwortlich mitzuentscheiden, wenn es SWir wollen diskutieren über die europäische um Europa geht. Perspektive der Region und dieses Landes. Und es Bevor ich auf Europa im Unterricht eingehe, er- geht um die Rolle, die das Erziehungswesen in die- lauben Sie mir bitte, mich der historischen Ent- sen Debatten spielt, weil es – neben dem Elternhaus wicklung der europäischen Einigung zuzuwenden – der wichtigste Einfl uss für die geistige Entwick- und der Bedeutung dieses Prozesse für Ihr Land, für lung der kommenden Generation ist. Serbien: Dass ich heute in Sombor einen Diskussionsbeitrag Es ist nur wenige Tage her, dass wir in Berlin; Rom dazu leisten kann, freut mich besonders. Denn Som- und anderen europäischen Hauptstädten, auch in bor liegt in einer Region, die durch die Vielfalt ihrer Belgrad, den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Bevölkerung (22 Gruppen) zu den europäischsten Römischen Verträge gefeiert haben. Dieses Ereignis überhaupt gehört – und sozusagen ein Spiegelbild im Jahr 1957 ist der Start des europäischen Eini- Europas im Kleinen darstellt. Und in der Weltoffen- gungswerkes, das sich in den Jahrzehnten danach heit, Pluralität und Toleranz besondere Bedeutung zur Europäischen Union mit 27 Mitgliedstaaten mit haben. knapp 500 Millionen Einwohnern weiterentwickelt Im Zentrum meiner Ausführungen steht die Rolle, hat. die Europa künftig für das Erziehungs- und Bil- Die Geschichte dieser Einigung, die noch nicht ab- dungswesen in Serbien spielen sollte. Denn die geschlossen ist, ist ein großartiger Erfolg auf einem europäische Integration kann nur angestrebt und Kontinent, der über Jahrhunderte von Kriegen zer- erreicht werden, wenn sie einhergeht mit der Ver- rissen wurde. Europa ist für uns zu aller erst Frie- mittlung und Vertiefung von Kenntnissen über Eu- denssicherung in einer komplexer werdenden Welt. ropa bei seinen Bürgern. Grundlage dieses Prozesses war die Schaffung einer Dies ist übrigens nicht nur für Serbien wichtig, das europäischen Wettbewerbsordnung und schließlich noch keine Erfahrung mit der europäischen Integra- eines einheitlichen Binnenmarktes, in dem sich die tion hat, sondern auch für die neuen und alten Mit- Wirtschaftskraft der europäischen Staaten weit bess- gliedstaaten der Europäischen Union: Viele Miss- er entfalten konnte, als in der Vergangenheit mit ihren verständnisse und Vorurteile entstehen dadurch, Zollschranken und nationalen Restriktionen. Auch dass die Menschen zu wenig wissen über das, was diese Wohlstandsentwicklung ist eine stabilisieren- auf europäischer Ebene, in Brüssel, aber auch von der und den Frieden sichernder Faktor. Die EU ist ihren nationalen Regierung bezogen auf Europa jedoch mehr als das: Sie ist eine Wertegemeinschaft, entschieden wird. Dieser Mangel an Transparenz verbunden durch den Respekt für Demokratie und liegt teilweise in der Verantwortung europäischer Menschenrechte, für Minderheitenschutz und die Institutionen, aber eben nur teilweise. Entfaltungsfreiheit des Individuums. EU = Garant Sie sind nicht allein schuld daran. Genauso besteht für Frieden, Freiheit, Stabilität und Wohlstand. eine Pfl icht der nationalen Regierungen, der Bev- Was bedeutet die europäische Integration für Ser- ölkerung ehrlich und deutlich diese Entscheidung- bien? Der Europäische Rat bekräftigte bei seinem sprozesse zu erläutern, ebenso wie sie dafür sorgen Treffen in Thessaloniki im Juni 2003, dass die eu- sollten, dass junge Menschen in der Schule und Er- ropäische Perspektive der westlichen Balkanstaaten wachsene in entsprechenden Fortbildungseinrich- uneingeschränkt und wirksam unterstützt werden tungen sowie über die Medien genügend Kenntnisse würde. Anfang 2004 präsentierte die Kommission 5 BOTSCHAFTER ZOBEL IN SOMBOR ihr Partnerschaftsprogramm für Serbien. Daraus ent- aten ist. Wir sollten uns wieder an die Anfänge der wickelten sich später die Ende 2005 begonnen Ver- europäischen Einigung erinnern, als die Menschen handlungen über das Stabilisierungs- und Assoziier- nach zwei grauenhaften und verheerenden Kriegen ungsabkommen, das bekannte SAA. Mittlerweile innerhalb von gut 30 Jahren angetrieben wurden von sind diese Verhandlungen – wie vorher angekündigt ihrer Sehnsucht nach Frieden. Gelegentlich wird - ausgesetzt, weil die Zusammenarbeit der serbisch- en Regierung mit dem Kriegsverbrechtribunal in Den Haag nicht ausreichend war. Meine Hoffnung ist es, dass sehr bald eine stabile neue Regierung diese Zusammenarbeit vervollständigt und danach das SAA rasch abgeschlossen werden kann. Dann bestünde die Aussicht auf den Kandidatenstatus und – so alles gut geht wenige Jahre später – den Bei- tritt. Europa ist also ein sehr konkretes Angebot, das in historisch gesehen sehr kurzer Zeit umgesetzt werden kann, wenn Serbien das will. Ich glaube, dass Serbien heute vor einer historischen Entscheid- ung steht. Es gibt zwei denkbare Möglichkeiten, wie Botshafter Andreas Zobel mi den Angehörigen der Serbien sich entscheiden wird. deutschen Minderheit Die erste Option lehnt die europäische Integration ab. Sie begründet das mit der Angst der Serben, ihre diese Idee sehr griffi g so formuliert: Europa ist „vor Identität zu verlieren. Statt dessen wird ein „3. Weg“ allem und nach wie vor eine Friedensbotschaft. Ge- zwischen den Welten mit RUS vorgeschlagen: Kon- hen Sie auf einen Dorffriedhof, schauen Sie sich die sequenz: Ausschluß von Europa und vom Wohlstand Gräber aus den Weltkriegen an, und Sie wissen, was und Stabilität. Und: Viele junge Serben würden dann ich meine.“ So der LUX-Premier Juncker. wohl das Land verlassen und woanders ihr Glück Diese Friedensbotschaft, so wie sie beispielhaft im suchen. deutsch-französischen oder deutsch-polnischen Ver- Die andere Option ist der Weg in die Gemeinschaft hältnis zu vernehmen ist, richtet sich genauso an den europäischer Staaten, die sich in freier Selbstbestim- Balkan und seine Völker. Auch nach den Referen- mung und mit demokratischer Legitimation in der den in Frankreich und den Niederlanden gilt diese EU zusammengeschlossen haben. Niemand wird in Botschaft weiter. Die Ablehnung des Verfassungs- die EU gezwungen. Wer sich selbst genug ist oder vertrages war keine Ablehnung der europäischen glaubt, andere Optionen des friedlichen Zusammen- Einigung, sondern eine Warnung an die Politik, das lebens mit den Nachbarn und in wirtschaftlicher Tempo nicht zu überziehen, die Menschen immer Prosperität zu haben, der bleibt eben Nachbar der wieder vom europäischen Projekt zu überzeugen und EU, ohne ihr Mitglied zu sein. als übermäßig empfundene Verpfl ichtungen zu ver- Ob dies die künftige Stellung Serbiens in Europa meiden. Diese Vorbehalte müssen sehr ernst genom- sein wird, stelle ich anheim. Aber vielleicht sollte men werden. Heute beruht die Erweiterungspolitik die Frage, ob Serbien den europäischen Weg gehen auf dem Grundsatz der Konsolidierung. Das bedeu- soll, erweitert werden um die Frage, welche Ziele tet, dass wir zwar sehr vorsichtig sind im Hinblick wir überhaupt mit Europa verbinden. auf neue Verpfl ichtungen, an den bestehenden Ver- Wir sollten bei der Suche nach einer Antwort nicht pfl ichtungen, gerade auch gegenüber den Ländern stehenbleiben bei Strukturhilfen und Entwicklung- Südosteuropas, aber festhalten. sprogrammen, so wichtig sie für die betroffenen Län- Klar aber: Beide müssen aufnahmefähig sein, die der sind. Letztlich sind wirtschaftliche und entwick- EU und die Länder, die aufgenommen werden wol- lungspolitische Aspekte kein Selbstzweck, sondern len. Der Europäische Rat, d. h. .... Reg. Chefs, von Teil des großen Projektes Europa, dessen Sinn und Kopenhagen hat 1993 die Kriterien defi niert, die Be- Ziel in der Diskussion um die Erweiterung oder den itrittsanwärter erfüllen müssen und die wirtschaftli- Verfassungsvertrag manchmal aus dem Blick ger- che und fi nanzielle, aber auch institutionelle und 6 BOTSCHAFTER ZOBEL IN SOMBOR demokratische Kriterien umfassen. Institutionelle idealisierte Vergangenheit sein, von der manche Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ord- träumen, eine leuchtendes Mittelalter, das so nie nung sowie die Wahrung der Menschenrechte - was existierte, sondern ein balkanischer Alptraum mit Achtung und Schutz von Minderheiten einschließt - Korruption, Gewalt und organisierter Kriminalität, eine funktionsfähige Marktwirtschaft, die Fähigkeit, mit Rechtsunsicherheit und Willkürherrschaft, wo dem Wettbewerbsdruck innerhalb des EU-Binnen- für Geld alles zu haben sein wird ohne Rücksicht marktes standzuhalten, und schließlich die Fähig- auf menschliche Werte, wo Tycoone mit zusam- keit, sich die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden mengeraubtem Vermögen die Richtlinien der Politik Verpfl ichtungen und Ziele zu eigen zu machen - dies bestimmen und die Menschen, die sich eine bessere alles sind die Aufgaben, die erfüllt werden müs- Zukunft vorstellen, die Flucht ergreifen werden, wie sen. Aber keine Sorge: Auch als EU-Mitglied wird in den 90er Jahren geschehen. Serbien das Recht haben, in Cyrilica zu schreiben Die entscheidende Frage ist also nicht, ob Europa und Kajmak und Rakia zu produzieren. „Einheit in Serbien will, sondern ob Serbien Europa will. Mir Vielfalt“, bleibt ein wesentlicher Grundsatz des eu- scheint, dass diese Frage noch immer nicht voll- ropäischen Einigungsprozesses, wie er sich in den ständig entschieden ist. Die europäische Perspektive fünf Jahrzehnten der Gemeinsamkeit bewährt hat. Serbiens hängt von Serbien ab, und allein die Serben Das Besondere und Friedensstiftende an der EU ist, sind ihres Glückes Schmied. Niemand kann – und dass bei aller Entschlossenheit zur Durchsetzung ei- wird – ihnen diese Entscheidung abnehmen. gener nationaler Interessen in Brüssel ein täglicher Um so größer ist die Bedeutung der Vermittlung von friedlicher Interessenausgleich am Verhandlung- Kenntnissen über Europa für die jetzige und die kom- stisch stattfi ndet, der von den so arg gescholtenen mende Generation: Serbien hat heute die vielleicht „Euro-Bürokraten“ vorbereitet und vermittelt wird. einmalige Chance, sich für die europäische Option Wobei deren Gesamtzahl übrigens der der Bedien- zu entscheiden. Dies bedeutet nicht Aufgabe der na- steten einer einzigen größeren deutschen Stadt ent- tionalen Identität, sondern ein Ende der nationalist- spricht. ischen Irrwege, so wie es auch in anderen Regionen Die europäische Perspektive des Balkans umfasst Europas die Voraussetzung für Stabilität war, dass aber auch eine Entfl echtung alter Konfl ikte, die sich verfeindete Nachbarn einen Weg des Ausgleichs, der über lange Zeit entwickelt und verfestigt haben, und Verständigung und der guten Nachbarschaft fanden. von denen manche glauben, sie seien auf Dauer an- Diese historischen Beispiele der jungen Generation gelegt. Es gibt für solche Dauerkonfl ikte Beispiele nahe zu bringen, dabei die fremde und auch die ei- aus anderen Regionen, aber der Balkan ist davon be- gene Geschichte vorbehaltlos, kritisch und ohne Il- sonders heimgesucht worden. Konfl ikte lassen sich lusionen in den Blick zu nehmen, das ist die große nicht immer vermeiden, denn Interessengegensätze Aufgabe, vor der das Erziehungswesen in Serbien sind in der Natur der Menschen angelegt. Was sich heute steht. Die Einführung eines gemeinsamen Ge- vermeiden lässt, ist die gewaltsame Austragung von schichtsbuches für alle Staaten der Region (so wie es Konfl ikten, indem sich die Beteiligten einem Re- jetzt ein gemeinsames Geschichtsbuch in Deutsch- gelwerk unterordnen und die vorgeschriebenen Ver- land und Frankreich gibt) wäre ein großartiger fahren einhalten. Schritt gewesen, der jedoch aus politischen Gründen Was bedeutet dies für Serbien heute? (bisher) leider (noch) nicht gegangen wurde. Die Führungskräfte in Politik und Medien, in Bil- Umso mehr appelliere ich an Sie, wo immer Sie dung und Erziehung, in der Verwaltung und bei die Möglichkeit haben, jungen Menschen die eu- den Gerichten, bei den Sicherheitsorganen und in ropäische Einigung nahezubringen, ihre Geschichte, der Wirtschaft müssen ihrer Verantwortung gere- ihre historischen Voraussetzungen sowie das heutige cht werden und die junge Demokratie in Serbien System der EU. Versuchen Sie, die Jugendlichen zu gemeinsam stärken. Wenn jetzt nicht entschieden motivieren, sich ernsthaft mit dieser Thematik au- vorwärtsgegangen wird, alter Ballast abgeworfen seinanderzusetzen, die so wichtig für die Zukunft wird, eine entschlossene Strategie für das Serbien des Landes ist. Und drängen Sie darauf, dass das der Zukunft in Europa entwickelt wird, dann besteht Schulsystem in Serbien auf Europa eingeht und den die Gefahr, dass Serbien zurücksinkt in den Balkan Schülern Anreize schafft, zum Beispiel durch ent- der Vergangenheit. Allerdings wird dies nicht die sprechende Aufsatzwettbewerbe. Andere Länder,

7 BOTSCHAFTER ZOBEL IN SOMBOR auch Deutschland, haben damit gute Erfahrungen Ich sehe darin auch eine Chance für Sie in Serbien: gemacht. Lernen Sie die europäische Einigung kennen für Wer an Frieden und Wohlstand über lange Zeit ge- sich selbst und für die künftige Generation, vermit- wohnt ist, wer in einem freiheitlichen Rechtsstaat teln Sie ein realistisches, auch kritisches Bild von seine Persönlichkeit entfalten kann, der lebt in der Europa. Aber weisen Sie genauso auf die enormen Gefahr, dass er die Grundlagen seiner Entwicklung Leistungen hin, die Europäer der ersten Stunde und vergisst oder dass er sie für selbstverständlich nim- ihre Nachfolger in 50 Jahren vollbracht haben: Auf mt. Die in den letzte Jahren der EU beigetretenen Versöhnung zwischen früheren Feinden, auf Über- Länder, die sich noch sehr gut an Diktatur und Un- windung jahrhundertealter Gräben, auf die Einheit recht erinnern, wissen besser als die alten Mitglied- in Vielfalt, auf den Respekt vor dem Anderen, auf staaten, dass all dies leider überhaupt nicht selbst- die Fähigkeit zum Kompromiss und auf die Achtung verständlich ist. In der Begegnung mit ihnen können des Rechts. All das ist Europa, und es lohnt sich für daher auch die älteren Mitglieder viel über die Grun- junge Menschen, es zu erfahren um demnächst selbst dlagen der EU neu lernen. daran mitzuwirken.

JUGENDPARLAMENT IN NOVI SAD DieTagung des EU - Jugendparlament in Novi Sad Veranstaltung des Instituts für Auslandbeziehungen 139 Jugnedlichen aus allen Teilen der Wojwodina in Kooperatzion mit: teilgenommen. Deutsche Botschaft Belgrad, Die Arbeit wurde in drei Tage aufgeteilt und orga- Regierung und Parlament der Autonomen Provinz nisiert: Freitag, Samstag und Vojvodina, Sonntag, und zwar wie Arbeit in einer Plenarsitzung OSZE Mission in Serbien, vertretung der Eu- und wie Arbeit in ropäischen Kommission in Serbien, Kommissionen. Zentrale für politische Bildung des Landes Baden Das Jugendparlament eröffnete Herr Bojan Pajtić, – Würtenberg, President der Regierung in Forschungsgruppe Jugend und Europa. der Wojwodina und wünschte ihm erfolgreiche Ar- Für die Teilnahme am Jugendparlament meldeten beit, mit folgenden Worten: sich und haben auch daran hre Exzellenz, Um Europa zu verstehen, müsst ihr es auch erlebt liebe europäische Freunde, haben. Mit anderen Europäern Freundschaften zu Isehr geehrte Jungen und Mädchen, ange- schließen, zu reisen, Prinzipien und Werten beizup- sehene Mitglieder des Jugend-Europaparlamentes, fl ichten. Unsere Aufgabe als Politiker ist es euch die diese Wochen werden Sie erneut sehen, das Europa Tür zu Europa ganz und für immer zu öffnen. Ihr Frieden und Toleranz, Rechte eines Einzelnen und müsst eins wissen: Euer Leben liegt in euren Hän- aller Bürger bedeutet. Um anderen zu trauen, müsst den. Wenn ihr, genau so wie alle anderen Jugendli- ihr zunächst sich selber vertrauen. chen, alles und sofort haben wollt – dann gebt euer Mit dem Spiel wird euch klar werden, dass die eu- Bestes und fangt gleich damit an. Bildet euch, stellt ropäischen Prinzipien nicht auf die leichte Schulter Bedingungen und Werte auf, gründet die Welt nach zu nehmen sind. Anhand der Simulation werdet ihr eueren Wertvorstellungen. erfahren, dass man nichts simulieren kann. Weder Die heutige Versammlung ist von den angesehensten die Freiheit oder die Demokratie noch die Entwick- politischen und kultivierten Einrichtungen initiiert lung. Vor allem euer Recht Europäer zu sein. und gegründet worden. Sie fi ndet in der Wojwodina Kämpft um dieses Recht. Spielt, aber sorgt dafür, – Provinz der Republik Serbien, Europaregion und dass niemand euer Schicksal und eure europäische Teil der Euroregion DKMT, statt. Wojwodina wurde Zukunft verspielt. von Europa erschaffen – Menschen aus ganz Europa 8 JUGENDPARLAMENT IN NOVI SAD siedelten sich dort an. Sie wird so lange existieren, teineinander. Ich bedanke mich recht herzlich bei so lange ihre Bürger diese Tatsache schätzen und die allen die es ermöglicht haben, dass ihr bei der so Tradition pfl egen werden. Wojwodina ist der rich- genannten europäischen Parlamentsveranstaltung tige Ort für alle europäischen Initiativen. Wojwvo- dieses Wochenende mitspielen könnt. Macht euere dina ist das Ergebnis der europäischen Initiative. Hausaufgaben, denn diese Vorstellung wird bald Meine lieben jungen Europaparlamentarier, eure Realität sein. ich wünsche euch viel Erfolg und ein schönes Mi- Rechnet damit. Rede Herrn Andreas Zobel des Botschafters BR Deutschland in Den Teilnemrn des Jugendparlamentes Menschen in Serbien (aber sicher nicht nur hier) wandte sich Herr Andreas Zobel, der Botschafter wissen viel zu wenig über die Europäische Union. BR Deutschland in Serbien.Die Worte von Herrn Aber gerade für Sie, die am Anfang des Zobel wurden mit Stürmischen Bifall angenomen. Lebensweges stehen, ist es besonders wichtig, Seine rede begann Herr Zobel mit volgenden dass Sie ein realistisches Bild vom Funktionieren Worten: dieser Gemeinschaft mit Namen Europäische Sehr geehrter Herr Vizepräsident, Herr Union bekommen.Dazu scheint mir eine Ministerpräsident, Simulation der europäischen Institutionen und Exzellenzen, liebe Frau Seiler-Albring,liebe Entscheidungsprozesse, wie sie in den nächsten Teilnehmer des EU-Jugendparlaments, meine Da- zwei Tagen hier ablaufen wird, besonders geeignet men und Herren : zu sein. Denn bei einer solchen Veranstaltung vor zwei Monaten feierten wir in den Mitgliedstaaten müssen Sie sich viel intensiver mit der Thematik der Europäischen Union, aber auch in Belgrad, den auseinandersetzen als in einem Seminar oder einer 50. Jahrestag der Römischen Verträge. 1957 war Konferenz mit „Frontalunterricht“. Nutzen Sie diese damit der Grundstein für die europäische Einigung Möglichkeit! Sie werden es sicher nicht bereuen. gelegt worden. Aber erst seit 1979 werden die Ich hoffe sehr, dass im EU-Jugendparlament von Abgeordneten des Europäischen Parlaments Novi Sad engagierte Debatten geführt werden, die direkt gewählt, so dass die Gemeinschaft seitdem gleichzeitig einüben, Respekt vor der Meinung auch größere demokratische Legitimation Andersdenkender zu wahren. Das ist ja leider nicht erhielt. Dies zeigt, dass man sich manchmal in in jedem Parlament der Fall – aber natürlich gibt es Geduld üben muss in Europa und anderswo, bis im Parlament der Wojwodina den entsprechenden Dinge entscheidungsreif sind. Gerade jungen Respekt, und insbesondere gilt dies für die hier Menschen fällt dies naturgemäß schwer. Und ich anwesenden Politiker. hoffe, dass die Menschen in Serbien nicht allzu lange Lassen Sie mich kurz auf die Rolle eingehen, warten müssen, bis der Einigungsprozess auch sie die Europa künftig für Serbien spielen kann: Es einbezieht. Anfang dieser Woche ist ja ein wichtiger ist wesentliches Ziel der deutschen Außenpolitik Schritt in diese Richtung gemacht worden, dem nun mitzuhelfen, Serbien an die Europäische Union hoffentlich bald weitere Schritte folgen werden.Als heranzuführen und dem Land die Möglichkeit zu ich gefragt wurde, ob ich die Schirmherrschaft eröffnen, sich in die Union zu integrieren. über das EU-Jugendparlament in Novi Sad Daher ist die Annäherung an die EU, neben übernehmen wolle, habe ich spontan zugesagt. unserem bilateralen Kultur- und Wirtschaftsaustausch, Ich halte diese Veranstaltung für wichtig, weil sie auch der wichtigste Teil der bilateralen Beziehungen die EU für junge Menschen erlebbar macht, die zwischen Deutschland und Serbien. in Zukunft Stellung beziehen sollen zu Europa Die europäische Integration kann – wie und zu Serbiens Weg in Richtung EU, bislang ich schon vorher sagte - nur erreicht werden, wenn jedoch ein eher abstraktes Verhältnis zu dieser den europäischen Bürgerinnen und Bürgern mehr Gemeinschaft von mittlerweile 27 Staaten haben. Kenntnisse über das Funktionieren der EU Dabei ist eines der Hauptprobleme: Viele jungen vermittelt werden. Für Sie alle wird es entscheidend 9 JUGENDPARLAMENT IN NOVI SAD sein, über die EU und ihre Aufgaben, über ihre Erleichterungsabkommen vereinbart wurde. Dies Arbeitsweise, aber gerade auch über ihre geistigen muß nun in den nächsten Monaten von den 27 Grundlagen soviel wie möglich zu erfahren. Mitgliedstaaten gebilligt werden, so dass es noch Dies ist übrigens nicht nur für Serbien wichtig, vor Jahresende in Kraft treten kann. Auch daran das noch wenig Erfahrung mit der europäischen zeigt sich, welche Chancen und Möglichkeiten mit Integration hat, sondern auch für die neuen und die einer demokratischen pro-europäischen Regierung alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union: Viele in Serbien verbunden sind. Missverständnisse und Vorurteile entstehen dadurch, Besonders hervorheben möchte ich, dass an dass die Menschen zu wenig wissen über das, was diesem EU-Jugendparlament in Novi Sad nicht nur auf europäischer Ebene, in Brüssel, aber auch von Jugendliche aus ganz Serbien teilnehmen, sondern ihren nationalen Regierungen bezogen auf Europa auch aus Kroatien, Ungarn, Rumänien und entschieden wird. Deutschland. Schon dadurch hat dieses Wochenende Dieser Mangel an Transparenz liegt den Charakter einer wirklich europäischen teilweise in der Verantwortung europäischer Begegnung. Institutionen, die zu lange glaubten, dass sich die Ich freue mich sehr, dass Deutschland „Erfolgsgeschichte Europa“ schon selbst legitimieren bei der Vorbereitung und Durchführung des EU- werde, und es daher versäumten, den europäischen Jugendparlaments eine tragende Rolle spielen Bürgerinnen und Bürgern ihre Entscheidungen zu konnte. Das deutsche Außenministerium hat vermitteln. zu Finanzierung und Organisation substanziell Genauso besteht aber auch eine Pfl icht der beigetragen. Die Gesamtkoordination liegt beim ifa, nationalen Regierungen in den Mitgliedstaaten, dem deutschen Institut für Auslandsbeziehungen in den Bürgern klar und deutlich die europäischen Stuttgart. Entscheidungsprozesse zu erläutern, die eigene Es freut mich besonders, dass die ifa- Rolle dabei zu verdeutlichen und sich nicht von Präsidentin Frau Staatsministerin a.D. Seiler- eigenem Versagen oder eigener Zögerlichkeit durch Albring heute mit uns ist. Des Weiteren hat sich das Schuldzuweisungen an Brüsseler Institutionen Bundesland Baden-Württemberg stark engagiert, „reinzuwaschen“ versuchen. Die Nationalstaaten fi nanziell wie organisatorisch. müssen ihrerseits viel stärker als bisher für das Nicht zuletzt gilt mein Dank auch den gemeinsame „Projekt Europa“ werben und dafür anderen Kooperationspartnern, dem Parlament sorgen, dass junge Menschen in der Schule und der Autonomen Provinz Wojwodina, in dessen Erwachsene in Fortbildungseinrichtungen und Räumen das EU-Jugendparlament stattfi ndet, und Medien genügend Kenntnisse erwerben können, um den Vertretungen von OSZE und EU-Kommission Europa zu verstehen und als Wähler verantwortlich in Belgrad, die ebenfalls maßgeblich zum Gelingen mitzuentscheiden, wenn es um europäische Fragen des Projekts beigetragen haben. geht.Deutschland hat im ersten Halbjahr 2007 die Ganz besonders danke ich natürlich Ihnen, EU-Ratspräsidentschaft inne und vertritt damit den Teilnehmern des Jugendparlaments, für Ihr die Europäische Union nach außen. In Serbien Engagement. nutzen wir die Ratspräsidentschaft gerade auch Dass Sie für ein Wochenende nach Novi Sad zur Förderung von Jugendprojekten. Wir glauben, gekommen sind, um sich mit Europa zu beschäftigen, dass wir damit in die Zukunft Serbiens investieren. ist für mich ein Zeichen, wie stark junge Menschen U. a. bringen wir – zusammen mit der serbischen aus Serbien und den Nachbarländern an die Europäischen Bewegung - mit dem Programm europäische Einigung glauben. Ich will Sie alle „Willkommen in Deutschland“ 200 serbische darin bestärken. Denn Europa lohnt sich, auch Schüler und Studenten nach Deutschland, wo sie wenn es manchmal schwierig ist – wie ich Ihnen aus das politische System und die Lebenswirklichkeit langjähriger Beschäftigung mit dem Thema sagen eines wichtigen EU-Mitgliedes kennengelernt kann. Ich wünsche Ihnen intensive und angeregte haben bzw. noch kennenlernen können. Debatten und selbstverständlich einen angenehmen In diesem Zusammenhang ist es auch besonders und unterhaltsamen Aufenthalt in Novi Sad auch wichtig, dass vor zwei Tagen in Brüssel zwischen außerhalb des Jugendparlaments. Serbien und der EU-Kommission ein Visa- Vielen Dank 10 GESTERN, HEUTE ... Gedenken an Opfer amstag, der 19. Mai 2007. Zehn Uhr und 15 von Sombor, Dr. Jovan Slavković, der allen schuld- Minuten. Es herrscht Stille. Vizepräsident los Verunglückten die Ehre erwies und äußerte die Sdes Dachverband der Donauschwaben Hans Erwartungen, dass diese Zeiten hinter uns sind und Supritz und Bürgermeister der Gemeinde Sombor dass uns in der Zukunft gemeinsames Leben erwar- Dr. Jovan Slavković, enthüllen die Gedenktafel am tet, so wie Wojwodiner jahrhundertelang gelebt hat- Haustor des Kronić-Palastes in Sombor und deck- ten. Bei dem Festakt, dem Akt der Enthüllung der Geden- ktafel, waren neben Verträtern des Vollzugsrates der AP Vojvodina und der Lokalregierung, mehr als ei- nhundert Menschen anwesend. Das sind Menschen, deren Verwandte, Freunde oder Nachbarn in diesem Palast den Verbrechen zum Opfer fi elen. Haupsächlich sind es Menschen aus Sombor, aber auch aus Odžaci, Apatin und den umliegenden Dör- fern: Stanišić, Riđica, Gakovo, Kruševlje, Kolut, ... Die Gedenktafel wurde von Priestern der Römisch- katholischen und der Serbisch-ortodoxen Kirche eingeweiht. Und das ihre dem Gott, aber auch den Menschen zugedenktes Gebeten, war mit Reue und Bitte durchwebt, dass sich so etwas niemals wie- Die Enthüllung der Gedenktafel derholt. en eine bescheidene, aber schöne Gedenktafel nach dem Zweiten Weltkrieg ab. Nach diesem Geschehen durchbrach ein Applaus von ungefähr einhundert Anwesenden. Auf die Initiative des Dachverbandes der Donaus- chwaben brachte die Gemeinde Sombor zusam- men mit dem Dachverband der Donauschwaben die Gedenktafel an. In diesem Gebäude wurde vielen geurteilt und viele sind nur wegen ihrer Na- tionalangehörigkeit, politischen Überzeugungen oder wegen der materiellen Lage verunglückt. Die Gedenktafel ist auf Serbisch, Deutsch, Ungarisch und Kroatisch geschrieben. An die Anwesenden wandte sich Gemeindepräsident Die Teilnehmer der Enthülung der Gedenktafel Rede Herrn König vor der Gedenkstäte ehr geehrter Herr Oberbürgermeister, zeuge wie mein Vateram 2.11.1944 auf Grund einer verehrte Vertreter der Stadt Sombor und Be- falschen Beschuldigung verhaftet wurde. Zuerst kam Shdrden, verehrte Geistlichkeit, liebe Gaste er nach Hodschag in das Gefangnis, im Dezember und Hinterbliebene der Opfer! 1944 wurde er in dieses Haus, den Kronics-Palast, Meine Geschwister und ich mussten uber 60 Jahre uberstellt, wo er misshandelt und ermordet wurde. warten bis eine Gedenkstätte fur die Opfer der Ver- Meine Mutter, die 7 Geschwister und ich wussten brechen, die in diesem Hause von 1944 bis 1945 nicht was mit unserem Vater passiert war. Auch ich geschehen sind, errichtet wird. Ich war Augen- wurde im Marz 1945 im Alter von 14 Jahren nach

11 GESTERN, HEUTE ... Sornbor in das Lager an der Bezdaner Strafi e einge- Stadt Sombor, ich mochte mich als Hinterbliebener liefert, dort war der furchtbare Kommandant Raiko, herzlich dafur bedanken, dass Sie es ermoglicht ha- der uns alle gepeinigt hat. Am 31. Marz 1945 wurde ben, an diesem Haus des Grauens eine Gedenktafel meine ganze Familie und Verwandten nach Gakowa anzubringen, damit die unschuldigen Opfer nicht deportiert, wo 11 Angehorige durch Hunger und der Vergessenheit anheim fallen. Krankheit gestorben sind. Meine Familie hat von Lieber Vater, wir deine Kinder haben dich nicht ver- 1944 bis 1946 16 unschuldige Personen verloren. gessen. Sehr geehrter Hr. Burgermeister und Vertreter der Interview mit dem Herrn Boris Masic

Herr Mašić, Sie kommen aus Apatin und waren bei Wie bewerten Sie diesen Akt? der Enthüllung der Gedenktafel im Kronić-Palast in Sombor. Was hat dazu beigetragen, dass Sie zu Diese Tat hat auf würdevolle Weise allen auf diesem diesem festlichen Akt kommen? Ort Verunglückten Ehre erwiesen.

Im Dezember 1944 wurden aus Apatin 70 Männer in Glauben Sie, dass man dieses Geständnis, dass der „Intelligenz“ genannten Aktion auf einem Last- während des Krieges und unmittelbar nach seinem kraftwagen fortgeschleppt. Unter denen war auch Ende auch unschuldige Menschen verunglückten, mein Großvater Jozef Probst. Gefangen wurden früher ablegen konnte? alle Männer, auf welche die neue Behörde stoßte und die sich überzeugt von eigener Unschuld nicht Es konnte immer früher sein, aber es ist nie zu spät versteckt hatten. Die gefangenen Männer wurden die Ehre allen Unschuldigen und ohne Gericht ver- in das Kronić-Palast fortgebracht und dort überaus unglückten Bürgern unabhängig von ihrer nation- brutal gequält. Nach dem Foltern wurden sie in den alen und gläubigen Angehörigkeit zu erweisen. Kellerräumen des Palastes ermordet, indem auf sie aus automatischen Schnellfeuer-Waffen geschossen Erwarten sie, dass nach diesem Beispiel in Sombor wurde. Danach wurden sie in den Massengräbern auch andere Orte in der Wojwodina, wo es auch begraben und diese befi nden sich dort, wo heute der unschuldig Verunglückte gab, handeln ? Hauptbahnhof in Sombor ist. Man schätzt, dass im Kronić-Palast nahezu 700 un- Nach Meinung einiger Kritiker auch solcher Proz- schuldige Männer und Frauen ums Leben Kamen- esse, ist diese Komemorationen das Aufreißen alter Fast niemand, der gefangen und in den „Kronić“ Wunden, aber ich denke, dass es keinen Weg in Palast gebracht wurde, kam lebendig aus diesem die europäische Zukunft ohne Ehrenerweisung ge- Gebäude. Noch einige Mitglieder unserer Familie genüber jedem unschuldigen Opfer gibt. Egal von wie auch unser Verwandter, Rechtsanwalt Scheib aus welcher Hand dieses Opfer verunglückte. Gerade Sombor, wurde hier mit seiner Frau auf grausamste wegen den Nachfahren und deren gemeinsamer Weise ermordet. Gerade aus persönlichen Gründen Zukunft ist es wichtig alle unschuldigen Opfer zu und als President des deutschen Vereins „Adam rehabilitieren und alle Orte ihrer Folterung und Ver- Berenz“ aus Apatin, bin ich gekommen, um unseren nichtung zu kennzeichnen, damit solche grausamen Märtyrern die gebührende Ehre zu erweisen. Geschehen nie wieder vorkommen. S.A.S.

Wer viel erbt, ist bald reich.

Was man sich verheratet, braucht man sich nicht erwirtschaften.

12 GESTERN, HEUTE ... Postament wartet das Denkmal Stjepan A. Seder ie Vereinigung der Nachfahren der ser- Nach schweren Kämpfen haben die bischen Befreiungskriege von 1912- deutschen Truppen Smederevo besetzt und einige D1918 und Verehrer von Kovin haben mit Hunderte serbischer Soldaten gefangen genommen. außergewöhnlichem Engagement des Präsidenten Es gab viele Verwundete. Herr Milan Divac, Rentner und ehemaliger Bürger- Alle in Gefangenschaft genommenen ser- meister, eine recht humane Aktion in Gang gesetzt. bischen Soldaten wurden nach Kovin gebracht. Die Am städtischen Friedhof befi ndet sich nähmlich ein verwundeten Kriegsgefangenen wurden gemeinsam etwas größeres Grundstück mit Einzel- oder Mas- sengräbern der Kämpfer, die in den Kämpfen um Smederevo 1915 gefallen sind. Diese Information an sich erregt keine besondere Aufmerksamkeit des Lesers, außer wenn dieser erfährt, dass es sich um einen Friedhof handelt, auf dem gefallene Soldaten beider Seiten gemeinsam begraben liegen. Dieser Friedhof ist nach Beendigung der Kämpfe um Smederevo 1915 entstanden. Die Kämpfe wurden zwischen der XI deutschen Armee und der III serbischen Armee ausgetragen. Der Kommandant der XI deutschen Armee war General Galwitz. An der Schlacht waren die VI und XXV Di- vision beteiligt, die zum III Armmekorps gehörten. Der Kommandant der serbischen Armee war Gen- eral Sturm. An der Schlacht waren Drinska Division und VIII Artillerieregiment beteiligt. Am 6.Oktober begannen die Kämpfe durch die deutsche Artillerie vom linken Donauufer. Die deutschen Kräfte haben am 8./9.Oktober einen Brückenkopf über die Donau errichtet um beide Divisionen auf die andere Seite bringen zu können. Die XXV Division hat als Ziel Smederevo und die VI das Dorf Lipe, wo eine Schlacht mit großen Ver- lusten auf beiden Seiten geführt wurde. mit den verwundeten Deutschen in ein improvisiertes Krankenhaus, ehemaliges Kasino, untergebracht. Bis Ende 1915 starben alle schwer verwundeten Serben und wurden gemeinsam mit verstorbenen oder ge- fallenen deutschen Kämpfern auf dem Friedhof von Kovin – das Grundstück, das bereits zu Beginn er- wähnt wurde – begraben. Nach den vorhandenen Unterlagen liegen 195 deutsche und 305 serbische Kämpfer auf die- sem Grundstück begraben. In Wirklichkeit ist mit großer Wahrscheinlichkeit von einer viel höheren Zahl auszugehen, da aus sieben Grabplatten nicht nachvollziehbar ist, wie viele Kämpfer dort beerdigt

13 GESTERN, HEUTE ... Soldaten bekannt. Schließlich wurde das gesamte Grundstück umgegraben, Torf drüber verstreut und Rasen gesät. Am Grundstücksrand sind Bäume wie z.B. Tuja Pyramiden, Birken, Zypressen und Trauerweiden gepfl anzt worden. Fußgän- gerwege wurden gebaut, Buchstaben der 60 Grabsteine erneuert und die Grabsteine selber durch das Einsetzten von Armaturen befes- tigt Der Grundgedanke dieser Vereinigung ist, den hier auf dem Grundstück des Friedhofes von Kovin beerdigten und im Tode vereinig- ten Kämpfern ein gemeinsames Denkmal aufzustellen. In diesem Sinne hat sich die Vereinigung an mehrere Stellen gewandt und wurden und auf welcher Seite sie kämpften. sie hat die nötige Hilfe bekommen, auch wenn es Auf diesem Grundstück, mit einer Fläche sich um wenige Organisationen handelt. Das sind von 5000 m², befi nden sich 60 Grabtafeln mit Namen das landschaftliche Institut für Bildung und Kul- deutscher Kämpfer. Dort, wo die serbischen Kämp- tur, das Institut für Schutz von Kulturgräbern aus fer begraben liegen, stehen keine Namen sondern Pančevo und das Ministerium für soziale Politik der nur die Zahl der Toten. Das kann so erklärt werden, serbischen Landesregierung. dass der deutschen Kriegsmacht keine Identität der Mit diesen erhaltenen Mitteln sind alle aufgeführten Verstorbene vorlag und sie somit nur Angaben über Tätigkeiten wie das Aufräumen des Grundstücks und die Anzahl der Beerdigten machten. der Gräber, sowie die Aufstellung des Grundsteins Die Existenz dieses Friedhofes wurde erst für das Denkmal ausgeführt worden. Das Errichten bei der Erkundung kleinerer Standorte im Jahre dieses Denkmals verlief nach einem Idealplan, den 1996 entdeckt. Der gesamte Friedhof, auf dem ver- das Projekthaus „ASING“ aus Pančevo vorgeschla- wachsene Bäume und Wildwuchs herrschten, war gen und ausgearbeitet hat. unzugänglich. Diese Aktion ist ein Musterbeispiel und ver- Die Vereinigung setzte die Gemeindebe- dient jegliche Annerkennung und einen dicken Lob hörde von dieser Entdeckung in Kenntnis und sie und Dank an die Aktivisten. Es ist jedem einzelnen kümmerte sich um die Säuberung, die Feststellung selbst überlassen, sein Bestmögliches zu tun und zu der Flächengröße und die genaue Zahl der Beerdig- leisten. Jede Hilfe ist willkommen, sowohl seitens ten. Erst nach dieser Aufräumaktion wurde eine der Republik oder der Institutionen als auch seitens genauere Zahl der Grabsteine und die der beerdigten eines Einzelnen. Gedenkfeier in Rudolfsgnad Stjepan A. Seder

n Rudolfsgnade wurde am Mittwoch den 29. der Vereinigung der ehemaligen Gefangenen dieses August eine Gedenkfeier unschuldigen Op- Konzentrationslagers und seitens der Gemeinde aus Ifern des Konzentrationslagers für Deutsche Knicanin abgehalten. An der Gedenkfeier nehmen in der Nachkriegszeit gehalten. Über 12.000 Gefan- Vertreter der deutschen und der österreichischen gene starben infolge von Krankheiten, Hunger und Botschaft teil. Vertreter des Ausführungsrates der Kälte, hauptsächlich Ältere, Frauen und Kinder. Wojwodina und der Gemeinde sind auch Die Gedenkfeier wird traditionsgemäß vom Herrn gegenwärtig. An der Gedenkfeier nimmt auch Herr Lorenz Baron, ehemaliger Bewohner und Gefan- Hans Supritz, Stellvertreter des Donauschwäbischen gener des Konzentrationslagers in Rudolfsgnade, von Dachverbandes, mit seiner Mutter und Ehefrau teil.

14 GESTERN, HEUTE ... ebenfalls an die Anwesenden und erinnerte mit gewählter Wortwahl an all das Schrecken der ehe- maligen Konzentrationslager, er sprach auch in der Hoffnung, dass diese Tage längst der Vergangen- heit angehören, und dass wir uns der Zukunft und der jungen Generation widmen sollen. An Hand der Beispiele der ehemaligen Konzentrationslager müssen wir unsere Jugend zur Toleranz und Men- schlichkeit erziehen. Die Messe hat Herr Jakob Pfeifer, Pfarrer aus Odžak, im Andenken an alle Verstorbenen dieses Konzen- trationslagers gehalten. Nach der Messe waren die Anwesenden zur Einwei- Mehrere Dutzend Menschen waren ebenfalls hung des Neuaufgestellten Denkmales in unmittel- bei dieser Gedenkfeier zugegen. Sie stammen barer Nähe der Kapelle eingeladen. Das Denkmal hauptsächlich aus Deutschland, ehemalige Bewoh- ner der Nachbarschaftsorte bzw. ehemalige Über- lebende des Konzentrationslagers. Viele kommen aus der Wojwodina, fast ausschließlich Angehörige der deutschen Nationalminderheit. Auch die Vertreter des Deutschen Vereins für gute nachbarschaftliche Beziehungen KARLOWITZ, Sremski Karlovci, und die des Deutschen Vereins Betschkerek, Zrenjanin, nehmen teil. Sie kamen um an die unschuldigen Op- fer zu gedenken. Herr Lorenz Baron begrüßte die Anwesenden und bedankte sich für ihren Besuch. Herr Hans Supritz, ehemaliger Gefangener des Konzentrationslagers in Bački Jarak, wandte sich

weihte Pfarrer Jakob Pfeifer ein und hinterher wur- den Kränze beigelegt. Das Denkmal ist in der nähe des Massengrabes, in dem mehr als drei Tausend verstorbene Gefangene des Konzentrationslagers beerdigt liegen, aufgestellt worden. Nach der Gedenkfeier und der Denkmaleinweihung haben die Anwesenden das Denkmal für Opfer des Konzentrationslagers besucht, am Ort unweit des Dorfes selbst. Aus Platzmangel werden auf dem örtlichen Friedhof

15 GESTERN, HEUTE ... seit 1946 keine Beerdigungen mehr durchgeführt. letic an die Anwesenden und erinnerte an die Ak- Die Führung des Konzentrationslagers entschied, tivitäten, bei denen er persönlich teilgenommen hat, dass das Beerdigen auf dem leichten Hügel neben bei der Denkmalaufstellung. dem Dorf fortgesetzt wird. An dieser Stelle, Boden- Nach der Rede des Herrn Žiletić haben die Vertreter fl äche ca. 3.500 m², wurden über acht Tausend ver- der Gemeinde alle Anwesenden ins Kulturheim storbene Häftlinge des Konzentrationslagers beer- zum Mittagessen eingeladen, wo ein kulturelles digt. Unterhaltungsprogramm der Vereinigung der Vor dem Denkmal wandte sich Prof. dr. Zoran Zi- kulturellen Künstlerfreunde aufgeführt wird. Bilder aus meinerKindheit von Hilda Banski Einleitung or 50 Jahren, im April 1948, zwei Wochen Augen hin. vor Ostern, kamen wir nach Kikinda. Un- Soldaten stossen uns zurück. Sie schreien etwas. Vsere Tante, Maria Walter, holte uns aus dem Ich verstehe nichts. Grossi und Oma fl üstern: “Nach Lager. Hansi und ich (später auch Grossi) fanden ein Russland!” warmes Heim bei Marisch-Tante und Jani-Onkel. Erst viel später verstand ich, dass sie Mama nach Diese Bilder aus meiner Kindheit widme ich zur Er- innerung an diese edlen Leute und meine Grossi. Ich bin in Hetin (Jugoslawien, Vojvodina) am 21. Mai 1940 als zweites Kind meiner Eltern, Karl Kas- par Oster und Gisella (geb. Wisinger) geboren. Ich habe zwei Brüder, Hansi und Helmuth. Mein Vater ist als deutscher Soldat im Jahre 1944 gefallen. Mei- ne Mutter wurde nach Russland (Donbass) im Jahre 1944 verschleppt. Wir Kinder kamen mit unseren Grosseltern in ein Lager. Zwischen 1944-1948 waren wir, Hansi und ich, im Lager in Hetin, Haifeld, Mollydorf, Rudolf- sgnade, Gakovo und Zerne. Alle Orte liegen in der Vojvodina. Hilda Banski geb. Oster Wärterhaus an der Bega - 1943 Sonnenschein, Spatzengezwitscher. Es ist ein warm- er Mittag an dem Begaufer. Aus dem Rundfunk klingen Lieder: “Vor der Laterne, vor dem grossen Tor...”, “Erika...”, “Wenn wir fahren gegen Enge- land... “ Frau HildaBanski mit der Tochter Dröhnender Lärm! Am blauen Himmel erscheinen Russland zur Arbeit in der Kohlengrube von Don- silberne Flieger. Sie fl iegen in Formationen von vier. bass brachten. Erst nach vierzehn Jahren sah ich “Oh, mein liewer Gott, wu wird’s bombardiert?”, Mama in Deutschland wieder. sagt die Grossi. Hansi und ich verstanden nichts Sidi - 1944 davon. Die Sommeridylle war vorbei. Otta, Grossi, Hansi und ich sitzen beim Tisch in un- Milchhalle - Kikinda 1944 serem Haus in Hetin . Es gibt Grenadiermarsch zum Es friert mich. In der Halle sind viele Frauen. Die Mittagsmahl. Mama ist auch da. Von der Gasse Geschrei... Sie lassen uns nicht zu ihr. Mama weint. Hansi weint Sidi bellt. auch. Helmuth und ich schauen mit aufgerissenen Wir stürzen durch die Tür hinaus. Soldaten mit

16 GESTERN, HEUTE ... Gewehr stürzen in den Hof. auch Grossi und Oma. Wir Kinder mussten uns Sie schreien. setzen und zuschauen. Markeitsch befahl seinen Sidi bellt. Begleitern, die Frauen mit Korbatschen zu schla- “Ruhe!”, ruft Otta. gen. Bei jedem Hieb jammerten die Frauen, und wir Sidi zieht sich zurück. schrien und weinten. Ein Knall. Sidi fl iegt gegen den Zaun. Haifeld - 1945 Geheul, Blut... Grossi schickte Hansi und mich auf das Feld, Klee Hansi und ich weinen. Wir wollen zu unserer zu zupfen zum Spinatkochen. schwarz-weissen Sidi. Es war ein sonniger Tag. Schmetterlinge fl ogen. Ich Grossi und Otta halten uns zurück. lief ihnen nach. Nie wieder hatten wir ein Mittagsmahl zu Hause in Ich stolperte. Erstarrt fi el mein Blick auf zwei Hetin. Leichen. Es waren zwei Buben, etwa 12 bis 13 Jahre alt. Sie lagen erschossen vor meinen Füssen. Der eine hatte etwas Erde in seiner verkrampften, bluti- gen Hand. Ich konnte mich nicht rühren. Das erste Mal sah ich den Tod. Hansi nahm mich an der Hand und zog mich weg. Rippenfellentzündung - Mollydorf 1946 Eine kleine Stube. Ich liege auf einem Strohbett. Frauen sitzen und beten. “Sie stirbt! Der Atem ist ganz schwach.” Ich höre alles, aber ich kann mich nicht rühren. “Sie glauben, dass ich nicht mehr lebe”, denke ich. Mit letzter Kraft öffne ich die Augen. “Es schaut ja!”, höre ich Grossi. “Hans, Hans, ’s Kind lebt!” Ich und Grossi besiegten die Rippenfellentzündung ohne Arzt und Medikamente. An den Rippen hatte ich eine offene Wunde. Aus meinem Mund fi elen alle Zähne raus. Das Mundfl eisch faulte. Grossi machte mir Umschläge von Kopf bis zu den Füssen. Von drei Bohnenkernen kochte sie mir Sup- pe. Ich musste wieder gehen lernen. Hansi griff mir un- ter die Arme und machte mit mir Schritt für Schritt. Frau Hilda Banski mit den Gatten Rudolfsgnade - Knicanin 1946 Hetin - 1944 Es regnet. Auf den Strohbetten sitzen Frauen. Sie Lager im Hockelhaus. Rimai Pischta (er war grosser sind alle mager. Aus ihren Augen hängt der Hunger. Knecht bei uns) brachte Honig und andere Lebens- Sie erzählen. mittel. Alles gab er über den Zaun. Er erzählte Grossi Ich sitze in der Ecke und höre zu. Sie reden über etwas auf Ungarisch. Später hörte ich, als Grossi zu Kuchenrezepte. Eine spricht davon, wie man die Otta sagte: “Sie haben Fed’r Palz erwischt. Aus dem besten Würste macht. Strohschobel haben sie ihn rausgezogen und an den “Würste?! Ach was! Warum davon reden? Nie Wagen gebunden. So musste er hinter dem Wagen wieder werden wir Würste essen. Gerst’l, immer laufen, bis er tot zusammenbrach.” nur Gerst’l, und die nicht genug. Das ist unser Es- Markeitsch - Hetin 1944 sen”, dachte ich, aber kein Laut kommt aus meinem “Der Markeitsch kommt!”, ging es durch das Lager Mund. (vor diesem Partisanen zitterten alle). In einer Kotarka fanden wir Spielzeug: eine Spit- Er befahl, dass sich die Frauen niederlegen mussten, zenbluse für die Puppe, Teppiche für das Puppenz- mit dem Gesicht auf der Erde. Unter ihnen waren immer und ein Armband - eine gewöhnliche Kette,

17 GESTERN, HEUTE ... aber für mich war das ein grosser Schatz. Ich tat sie eine Waschmulde. Die Kinder sangen: “Marjane, um mein Handgelenk, krabbelte auf einen Erdhügel Marjane, cabarjak se vije...” Ich weinte. an dem Theissufer und bildete mir ein, dass ich ein Drei Dinar - Zerne 1948 König war. Meine Untertanen waren die Bäume. Hansi kam aus dem Dorf. Er ging betteln. Man gab Viehwagon ihm drei Dinar (das bedeutete drei Kilogramm Brot). Wir sind in Viehwagons zusammengepresst. Den Ich wartete auf ihn zum Spielen. ganzen Tag fahren wir. Hansi musste zuerst auf das Klo (das war eine La- Wir haben Hunger. Das Stücklein Kukuruzbrot ha- trine mit Strohwänden). Ich ging mit. Als Hansi ben wir schon längst gegessen. Jetzt gibt es nur noch seine Hosen runterzog, fi elen die drei Dinar raus. Wasser zu trinken. Den einen Dinar fanden wir gleich, aber die anderen Längst ist schon die schmutzige Theiss hinter uns. zwei suchten wir umsonst. Die Räder klappern eintönig. Da sagte ich: “Wir müssen beten, so wie uns Grossi Ein Weib beginnt zu singen: gelehrt hat!” Ich begann: ”Jesus, Maria und Josef “Belgrad ist a’ schöne Stadt, im Himmel steh’ uns bei.” Kaum hatte ich aus- Kukuruz, Kned’l und nicht satt...” gesprochen, sah Hansi in der Ecke der Laterne den Strohhalm - Gakovo 1947 zweiten Dinar, und ich erblickte den dritten. Er stak In Gakovo waren wir in einem deutschen Haus ein- im Stroh. quartiert. Wir 15 waren in einem Zimmer. In dem Marisch-Tante anderen Zimmer lebte der Hausherr. “Hildi, Hansi, schaut, wer ist da!”, höre ich Grossi Aus der Küche ging man in die Zimmer. Auf dem rufen. “Marisch-Tante ist da!” gebauten Herd stand öfter etwas Essen, das vom Mit Angst schaue ich auf die kleine Frau. Sie hat Hausherrn übriggeblieben war. Ich stahl oft von dem liebe blaue Augen und ein blau-rot-gestreiftes Tuch Essen. Es waren geröstete Kartoffeln. Mit den Hän- auf dem Kopf. Von dem Wagen holt sie einen Sack den nahm ich einige Stücke und ass sie gierig. Da herunter. Der Sack ist grösser als ich. “Ich habe euch sah ich zwei Strohhalme. Ich schmiss sie raus. Essen gebracht.” Der Hausherr wusste, dass jemand an den Kartoffeln Die Grossi macht den Sack auf - Brot, Wurst, gewesen war. Er machte grossen Lärm. Die Stro- Schinken, Lekvàr kommen heraus. Ich kann meinen hhalme waren Zeichen gewesen. Augen nicht trauen. Ich muss auf die Strasse laufen, Otta - Gakovo 1947 Hansi abzuwarten. Otta, Hansi und ich liegen auf den Strohbetten. In der Mitte der Strasse, eine Ecke entfernt, mit ei- Grossi ist im “Krankenhaus”. Sie hat Wasser in den nem Bettelsack auf der Schulter, mager und zerfetzt, Füssen. kommt Hansi. Mit Ungeduld warte ich auf ihn. Wir Ich wache auf. Mit meiner Hand suche ich Otta. Er- haben nun ja viel zum Essen. schrocken ziehe ich sie zurück. Kikinda - 1948 (zwei Wochen vor Ostern) Otta ist kalt. Eine Ratte springt von ihm runter. Er Grossi sagte zu Marisch-Tante, dass sie uns aus dem hat keine Ferse mehr. Lager nehmen kann. Sie machte das. Otta ist in der Nacht neben mir gestorben. Er ist ver- Wir sitzen auf dem Wagen. Der Kutscher war Kekez, hungert. der Nachbar von Marisch-Tante. Stumm halten wir Hansi zieht die Leiche in einem Karren zu dem Sam- uns an den Händen. Grossi konnte nicht mit uns. melgrab. Otta wird hineingeworfen und mit Kalk “Bald sind wir zu Hause”, sagte Marisch-Tante. übergossen. “Wie, zu Hause, das ist ja doch nicht Hetin?!”, Kinderheim - Gakovo 1947 dachte ich. Weil Otta gestorben war und Grossi im “Kranken- Wir fahren vor einem hohen Schornstein vorbei und haus” lag, kamen wir in ein Kinderheim. Da waren in die Strassen hinein. Die Häuser sind gross, in serbische und deutsche Kinder. Die Erzieher waren manchen sind grosse Fensterauslagen. Serben. “Hoo!” - Die Pferde bleiben stehen. Hansi und ich hielten uns immer an den Händen; wir “Wir sind da.” schliefen auch nebeneinander. Ein schönes Haus, schöner Spiegel, echte Betten, Eines Tages straften sie Hansi (warum, das weiss ich Stühle und Tisch, auch ein Schemel. Gutes Essen - nicht). Die Erzieher warfen ihn in den Keller, unter in meinem Herz doch Angst. Hansi ist bei mir, aber 18 GESTERN, HEUTE ... Grossi ist nicht da. Was wird Jani-Onkel sagen? tern im Jahre 1946 nach Rumänien gefl ohen. Wir sitzen auf dem Schemel. Wir hören die Tür im Meine Mutter arbeitete bis 1950 in Russland, in der Vorzimmer. Marisch-Tante eilt hinaus. Wir hören ein Kohlengrube von Donbass. In demselben Jahr kam Gespräch. Verstehen können wir nichts (sie sprechen Mutter nach Deutschland. Sie heiratete Peter Fisch- ungarisch). Vor Angst drücke ich Hansis Hand. er, und so bekamen wir noch einen Bruder und eine Die Tür öffnete sich und ein gütiges, lachendes Ge- Schwester. sicht kam herein - Jani-Onkel stand da. Mein Herz Im Jahre 1952 fand uns Mutter mit Hilfe des Roten pochte nicht mehr so fürchterlich, und der Druck in Kreuzes und wollte uns zu sich nehmen. Hansi und Hansis Hand liess nach. ich wollten nicht ohne Grossi nach Deutschland. Nachwort Wir hatten bei Marisch-Tante und Jani-Onkel ein Im August des Jahres 1949 wurde das Lager auf- warmes Heim mit viel Liebe gefunden. gelöst. So kam auch Grossi nach Kikinda zur Mar- Mutter sah ich wieder im Jahre 1958. Helmuth kam isch-Tante. zu Mutter nach Deutschland im Jahre 1960. Hansi Später haben wir erfahren, dass unser Vater im Jahre sah Mutter das erstemal nach dem Lager im Jahre 1944 als deutscher Soldat bei Krusevac in Serbien 1969, als er 32 Jahre alt war, und sein Sohn Robert gefallen ist. so alt war (7 Jahre) wie Hansi, als man Mutter nach Mein Bruder Helmuth ist mit den anderen Grossel- Russland zur Arbeit deportierte.

GUGELKUPFFEST Entgegen der tradition und den Bräuchen Stjepan A. Seder ie deutsche Verein für gute nachbarschaftli- schied zu den bisherigen, war das diesjährige Fest che Beziehungen KARLOWITZ veranstalt- als eine ganztägige Veranstaltung mit einem Aus- Dete am 30.Juni die VI Guglhupf-Festspiele. stellungs- und Messebereich organisiert. Auf dem Die Guglhupf-Festpiele fi nden immer am letzten Plateau mitten in der Fußgängerzone stellten be- Wochenende im Juni statt. Diese kulturelle Mani- reits seit den frühen Morgenstunden über 30 Aus- festation hat mehrere Veranstaltungen. Kern der Ve- steller ihre Produkte aus. Zu sehen und kaufen gab ranstaltung ist jedoch der Wettkampf im Zubereiten es Guglhupf, Karlovački Bermet und Produkte alter von Guglhupf. Guglhupf ist ein Kuchen nach altem Berufe, am zahlreichsten vertreten waren Weberei- Rezept. Er wurde von unseren Großmüttern geback- en, Kräuterpfl anzen und Bücher. en und war ein Leckerbissen für Groß und Klein. Im Rahmen der diesjährigen Festspiele ist Nun rückt KARLOWITZ diesen Kuchen wieder ins ein PUBLIZISTENTREFFEN organisiert worden. Rampenlicht, so dass er bereits zum Markenzeichen Die Teilnehmer stellten ihre Neuheiten vor und man der Vereinigung, aber auch der Stadt geworden ist. diskutierte über die Thematik im Bezug auf das Heutzutage kommt der Kuchen, in Sremski Karlo- Forschen und Schreiben über die deutsche National- vci, fast in allen Haushalten auf den Tisch. Die Ver- minderheit in Serbien. Am Ende dieses Treffens ist einsmitgliederinnen sind zu waren Meisterinnen im ein Beschluss für die Öffentlichkeit verfasst worden. Zubereiten dieses Kuchens geworden. Regelmäßig Dieser weist auf die Problematik des Schreibens stellen sie ihn auf zahlreichen Ausstellungen – Mes- über das Leben der Zugehörigkeit deutscher Mind- sen für Speisen und Spezialitäten aus. Gewöhnlich erheit in Serbien nach dem II. Weltkrieg hin. kann man in der Urlaubssaison die Vereinsmitglie- Die städtische Galerie diente als Treffpunkt der, verkleidet in ihrer Nationalkleidung, beim Aus- der Verehrer von antiken Büchern und Keramik- stellen und Verkauf des Kuchens im Zentrum von fi guren, welche die Menschen in serbischer Nation- Sremski Karlovci sehen. alkleidung darstellen. Die diesjährigen Guglhupf-Festspiele sind Die Guglhupf-Austtellung, bei der man glei- von der Größe und Bedeutung nach die besten und chzeitig am Wettbewerb um den besten Guglhupf erfolgreichsten Festspiele dieser Art. Im Unter- teilnahm, wurde um 14 Uhr im Gebäude des Karlo-

19 GUGELKUPFFEST vac Gymnasiums eröffnet. Die diesjährige Festver- Form, gestiftet von der BK Universität für Handel anstaltung hat mit 50 registrierten Ausstellern den und Bankwesen. alten Rekord von 39 gebrochen. Im Abendprogramm fand auf dem PALTEAU vor Die Sieger des Guglhupf-Wettbewerbs hat dem städtischen Touristeninformationszentrum eine ein Expertenteam unter absoluter Geheimhaltung Modeschau mit Volkstrachten aus Wojwodina und der Guglhupfhersteller ausgewählt. Ntionalkleidern statt. Zum Abschluss haben Mit- Den ersten Platz gewann „Omas Guglhupf“ glieder einer Volkstanzgruppe drei deutsche Nation- der Ausstellerin Margit Hadzaljic aus Muzlje. Als altänze, unter der Koreographie unserer Mitgliederin Preis dafür erhielt sie einen vom Kurort Kanjiža Zirica Tadić, aufgeführt. gestifteten Die Festspiele wurden mit dem Theaterstück Aufenthalt im Kurort Kanjiža für zwei Personen. „SELBSTMORD BEI SELBSVERTEIDIGUNG Der zweite Platz wurde für den Guglhupf oder RETTER“, mit Mirjana Ojdanić als Autor und „Guglhupf mit Schokolade“ an die Ausstellerin Dina Regisseur und Marko Marković als Hauptdarsteller, Dukić aus Novi Sad verliehen. Sie gewann einen beendet. Mixer, gestiftet von der BK Universität für Handel Schätzungsweise 2.000 Interessenten haben und Bankwesen. die Festspiele besucht. Dafür spricht auch die Tat- Der dritte Platz wurde für den Buntgugelk- sache, dass den ganzen Tag über alle Plätze der Gas- upf an ide Ausstellerin Zlatica Ugljanin Jerenic twirtschaften und Cafes besetzt waren. aus Rakovac verliehen. Sie gewan eine Gugelkupf- WAHRHEIT, HALBWAHRHEIT, UNWAHRHEIT Dragi Bugarčić ersammlungen, wie dieses Publizistentref- und erhoben wurde. Diese Geschichte wird jedoch fen im malerischen und üppigen Sremski von subjektiven Entscheidungen, Beschlüssen, Lö- VKarlovci, sind für die Verdeutlichung von sungen und anderen bürokratischen, nicht vollstän- guten und schlechten, spekulativen und gemeinen, dig überprüften „amtlichen“ Dokumenten beglei- wahren und unwahren Vorurteilen gegenüber den tet. Deutschen, unseren Mitbewohnern und Nachbarn, Diese Dokumente, wie das zwingende und „alles von großer Bedeutung. Das Schicksal der Deutschen wissende“ Gesetz, ähneln sogenannten ein- in der Wojwodina bzw. der Wojwodina-Deutschen fl ussreichen Einzelpersonen und mächtigen ist in den vergangenen dreiundsechzig Jahren in Gruppierungen,welche über mehrere Jahrzehnte hiesigen politischen Erklärungen mehr unklar und hinweg fest vom Bestehen der deutschen Nation, verwickelt, als dass es die Realität verlange. Als ob oder der deutschen Minderheit leugnen und sie diese der historischen Schönferberei ähnelnde GE- auch missachten. SCHICHTE in einer oder mehreren Kabinetten ent- Es durfte weder geschrieben noch öffentlich über worfen wurde. die Deutschen geredet werden, d.h. über deren Ver- Einzig und allein die Objektivität ist wesentlich treibung, das Leiden aus dem Jahre 1944 und der und maßgebend, die jedoch von den Medien weit- darauf folgenden Jahre, als sie von ihrem Familien- erhin auf naive Art und Weise unberücksichtigt und besitz vertrieben und durch neue Besitzer ersetzt geschickt gemieden oder banatisch genannt: aus- wurden. Sogar auf der Straße habe ich niemanden gespielt wird. Diese Geschichte oder die schlechte Deutsch sprechen gehört, außer im Haus meines Rhapsodie ist voll mit politischen, besser gesagt Freundes Anton Blesa, der heute in Deutschland mit quasipolitischen Erläuterungen von roten und unweit vom Rhein wohnt und in den Schulen, wo rot-schwarzen Parteien, welche jahrzehnte lang die Deutsch unterrichtet wurde. Dies war ein bedeu- Herrschaft hatten oder haben es immer noch und tendes Zugeständnis seitens der Volksherrschaft. zwar in nicht gerade unwichtigen Segmenten in der Ich spreche von meiner Erfahrung aus meinem Region von Wojwodina, welche sich auf jahrhun- Geburtsort Vršac, welcher bis zum II Weltkrieg in dertlangem, multikulturellem Modell entwickelte eine serbische und eine deutsche Gegend aufgeteilt

20 GUGELKUPFFEST war, im Ganzen aber eine schöne Stadt bildete. In wird, veröffentlicht. Noch auffälliger ist es, dass den Stadtgassen sprach man ganz frei verschiedene zwischen diesen so genannten „Polemikern“, die Sprachen. Eine dieser Sprachen wurde nun seltener den deutschen Leidensweg abstreiten, überwiegend öffentlich gesprochen. Die erste Zeitung, die über das solche vertreten sind, die anscheinend für diese Art deutsche Exodus aus Vršac und der Nachbarschafts- von Äußerungen verpfl ichtet worden sind und damit dörfern sowie über Massengräber des Stadtgebietes einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Näm- von Šinteraj, war nur in mündlicher Form. Es wurde lich, bemerkbar ist die Spur und der Geruch einer augesprochen, aber man bangte entdeckt zu werden. bei der Bevölkerung unbeliebten Agentur oder Or- Allein die Sprache ist das schreckliche und wert- ganisation. „Polemiker“ wissen mehr als nur die volle Medium, das alle Grenzen überschreitet. So Wahrheit und das tragen sie selbstbewusst und ver- wurde auch die Geschichte aus den Jahren 1944 und heißungsvoll heraus. So ist in einigen Texten sogar 1945 bewahrt, obwohl jahrzehntelang weder ein zu lesen, dass die Deutschen, dank der Entscheid- einziges jugoslawisches noch ein Medium aus Woj- ung der millitärischen Führungsmacht, sich selber wodina, weder schriftlich noch elektronisch, darüber aus ihren Häusern vertrieben, in Lager eingesperrt berichtet hat. Lange wurde die Wahrheit über diese haben und über die Grenzen gefl üchtet sind, was schrecklichen Ereignisse unter den Tisch gekehrt, die Spitze einer gut eingespielten „journalistischen“ als ob sich diese nie in unserer Nachbarschaft ereig- und „polemischen“ Geschmacklosigkeit ist. Wenn net hätten und mit der Vertreibung der Menschen die es nicht schrecklich wäre, wäre es einzigartig. Die Wahrheit und das schlechte Gewissen aus der Welt unwiderlegbare Wahrheit, liegt in Händen bzw. in geschaffen wurde. Das ist die dunkle Wahrheit die den Zeichenfedern der Publizisten oder auf den seit Jahren die schönen Stadt Vršac und ihre Mitbe- Computertastaturen der Journalisten. Die Wahrheit wohner überschattet. ist keine Scham. In der klugen Welt heißt es, dass Es ist nicht zu übersehen, dass in letzter Zeit nicht Lügen Schande ist. nur die Medien über das Leiden der Wojwodina- In meiner kurzen Darlegung habe ich mich bemüht, Deutschen berichten, sondern auch dokumentarische in mir den Publizisten und den Romanschreiber aus- und belletristische Bücher zu diesen Ereignissen zugleichen, so dass der Text etwas aus dem üblichen herausgegeben werden. Den Medien wird endlich Klischeerahmen fällt. ein wenig die Tür zur Objektivität und Wahrheit Nun, eines ist sicher. Die Verbrechen der Deutschen, geöffnet, Wahrheit über die Vergangenheit, welche der Nazis und der Besatzungsmächte anderer Nation- diese Region belastet. alitäten, sowie auch deren Mittäter im Königreich Jedoch werden diese Artikel in Rubriken wie Jugoslawien sind aufgeklärt. Aber Verbrechen an z.B. „Unter uns“, „Briefe“, „Zuschauerbriefe“ den Deutschen, den Staatsbürgern des Königreichs oder in ähnlichen Randgebieten, bzw. in solchen, Jugoslawien und deren Vertreibung aus diesen Be- in denen Meinungskampf angeblich ausgetragen reichen ist in feiges Staatsschweigen gehüllt. BEWUSSTSEIN UND GEWISSEN GEGENÜBER DER KULTUR DER WOJWODINA-DEUTSCHEN Prof. dr. Dragoljub Živković

is zum Jahre 1944 gab es über 500.000 dert, dass es heutzutage eben zu Verständigung- Deutsche oder Schwaben, so nannten sie sproblemen kommen kann, da die Gesprächspartner Bsich selber, im Königreich Jugoslawien. für ein Wort unterschiedliche Defi nition haben, so Wörter wie „Deutscher“ bzw. „Schwabe“ haben dass es von Kultur eines Gespräches keine Rede nicht völlig die gleiche Bedeutung. Es wäre sehr sein kann. Aber, dies ist ein spezyfi sches Thema vorteilhaft die Gemeinsamkeit und den Unterschied und müsste tief greifender analysier werden. zwischen diesen beiden Bezeichnungen festzustel- Bis 1944 waren die Deutschen, also die len. Unsere Sprachkultur hat sich dermaßen geän- am zahlreichsten vertretene nationale Gemeinschaft

21 GUGELKUPFFEST in Jugoslawien. Das galt auch für Wojwodina, wo sich zu einer lebensfrohen Gemeinschaft, wo jeder mehr als 300.000 nach der offi ziellen Landesstatis- Einzelne seine Nationalität und Kultur frei ausleben tik lebten. Da stellt sich die Frage, was zwischen konnte und in das Ganze ebenfalls integriert war. 1944 und 1948 bzw. 1950 mit ihnen geschah, wenn Damit bewies man, dass das multikulturelle Zusam- die Zahl auf etwa 8.000 schrumpfte. Das ist keine menleben ein großes Reichtum einer Gegend ist. einfache ideologische Frage und auch kein Vergnü- Über diesen Reichtum an Kulturvielfalt gen der politischen Historiker, die auf Grundlage schreibt man wie auch in den letzten Jahrhunderten des verbreiteten Irrtums Anhänger der „schwarz- heute immer noch. Sehr engagierte Forscher und weißen“ Wahrheit fi nden, und die alle Völker in Autoren beschäftigen sich mit diesem Thema. Ein nur zwei Gruppen teilen: das Genozidvolk und das wissenschaftliches Nachforschungsprojekt sollte Befreiungsvolk. Eine auf diesen Grundlagen aufge- unbedingt folgendes Thema ausarbeiten: Die Kul- baute „Wahrheit“ setzt Grundsteine für Lügen, Hass, turmischung von Serben und Deutsche, Ungarn Konfl ikte, neue Kriege und bringt Unheil über Mit- und Rumänen, etc. während ihrer jahrhundertlangen bürger. Auf der anderen Seite dieser „Geschichte“ Zusammenarbeit. gibt es die echte Wahrheit, die nur schwer den Leu- Nur auf diese Art und Weise könnte man genau ten zu vermitteln ist. Diese Wahrheit bewahrt jedoch feststellen, welchen Reichtum das multikulturelle die Menschen, die große Taten vollbracht haben, vor Zusammenleben für den Einzelnen und die Gemein- dem Vergessen. schaft mit sich bringt. Ich persönlich bin ein wenig Es soll auch erwähnt werden, dass die Woj- skeptisch gegenüber den partiellen Nachforschun- wodina-Deutschen ein Teil von den Austroungarn gen und partiellen Wahrheiten. Wir brauchen eine geschaffene Militärbevölkerung sind. Diese diente Wahrheit vom Gesamtbild. Die Kultur der Woj- der Abwehr des mächtigen Reiches von möglichen wodina-Deutschen, die sich über Jahrhunderte ent- Auseinadersetzungen mit dem türkischen Imperi- wickelt hat, ist nicht nur für die Deutschen, sondern ums. auch für die Serben, Ungarn, Rumänen, etc. von Neben den Deutschen, die systematisch aus dem großer Bedeutung. Die Kultur war nie eine persön- Landesinneren umgezogen und in die Gebiete der liche Mitgift oder Eigentum welches in die Höhlen Militärgrenze besiedelt wurden, wurden Serben, des Unbekannten verschwindet. Im Gegenteil. Die die von der türkischen Invasion fl üchteten, Rumän- Kultur ist die wichtigste Mission im menschlichen en, Slowaken, Russen, Russinen, Tschechen, Un- Entwicklungsprozess. Derjenige, der sich fortbilden, garn und andere ebenfalls angesiedelt. So entstand sich geistlich weiter entwickeln will, hat nicht nur Wojwodina. Hier mussten die Menschen Sümp- Bescheid zu wissen was in seiner Umgebung ge- fe, Sumpfl andschaften und Heiden für die Land- schieht, sondern auch weltweit. Ich bin tief davon wirtschaft und Viehzucht herrichten. Das geschah überzeugt, dass es ohne die hellenische Zivilisation unter strenger Planvorgabe seitens der kaiserlichen und ohne die deutsche Kultur aus dem 17. und 18 Verwaltungsbehörde, wie z.B. Siedlungen errich- Jhd. auch keine Philosophie, Wissenschaft, Kunst ten, Handel und Handwerk entwickeln, Schulen und und Kultur europa- und weltweit nicht geben würde. Krankenhäuser bauen, Organisationen für Kultur Daher ist es Pfl icht jedes einzelnen, mit dem Kultur- und Kunst aufbauen, sich bestimmten Berufsgrup- paradies aller Menschen vertraut zu sein. pen wie Weinbau, Imkerei und Seidenzucht wid- Es ist eine alberne Bestrebung vorhanden, men und aufziehen von Unterhaltungs- und Sport- dass man durch Vergessen und Verneinung mancher veranstaltungen. Also pfl egte man in Wojwodina Kulturen, insbesondere der Deutschen in Wojwodi- bereits seit Jahrhunderten ein Kulturreichtum, wo na, die Kultur sich nach varvarischer Art aneignet die Menschen gemeinsam lebten und miteinander ar- und sie ohne Bewusstsein und ohne Gewissen be- beiteten. Diese Besonderheit machte die Bewohner nutzen um so schlimme Geheimnisse und Vorfälle zu von Wojwodina zum fortgeschrittensten Volk dieses vertuschen. Zu glauben, dass die Geschichte, die der Teils von Europa. Dieses Volk wurde früh ein Teil Sieger vorgibt, von langer Dauer ist, ist ein Irrtum. der Mittelalterlichen Kultur, mit der es eine reiche Sie kann den momentanen Interessen des Siegers di- Kommunikation hatte, aber gleichzeitig bewahrte es enen und den Samen des Irrtums säen. Viele Men- auch eigene Besonderheit. schen werden diesen Samen leicht zu sich nehmen Und nicht nur das. Wojwodina selber entwickelte und sich an die Lügen fest halten, als ob sie die 22 GUGELKUPFFEST grüßten Wahrheiten seien. Die echte Wahrheit wird den ist. mit der Zeit auf die Oberfl äche erscheinen und sich Ohne die Würde hat es keinen Sinn zu leben. Viel- langsam ins Bewusstsein der Bewohner vordringen. leicht ist es höchste Zeit wichtige Kulturereignisse Was wirklich geschah, wird sich letztendlich dann vor dem Vergessen zu bewahren. Nicht nur die der zeigen. Wenn das Schlechte das Gute besiegt, geht Deutschen, sondern auch die der Serben, Ungarn, mit der Zeit das Propagandamaterial aus und das Rumänen, Slowaken, etc. in Wojwodina. Diese Er- führt zum Scheitern. eignisse sollten als Grundstein für neue Beziehun- Also, das Kulturschicksal der Wojwodina- gen zwischen den Menschen und Völkern dienen. Deutschen ist ein umfassendes und wichtiges The- Wenn wir das nicht zum jetzigen Zeitpunkt machen ma, insbesondere als die Deutschen in Wojwodina ist es nur schwer zu glauben, dass es jemand anderes auf mysteriöse, unterschiedliche Art und Weise hei- tun wird. Der zwischenmenschliche Streit entsteht matlos wurden und ohne ihren Besitz und Rechte da aus dem Unwissen der Völkerkultur, aus falschem standen. Sie verloren ihr Leben in den Konzentra- Bewusstsein gegenüber anderen Menschen und aus tionslagern des neuen Jugoslawiens, als sie alle zu narzistischer Überzeugung, dass nur das „Unsere“ Verbrechern und Mördern verurteilt wurden und als wertvoll und am besten ist. Man sollte sich nur damit jegliche Spur sorgfältig ausgelöscht wurde. Das ist befassen und nur das achten. Die Entwicklung der nicht nur ein deutsches Thema, sonder auch ein ser- Zivilisation eines Menschen oder Volkes misst man bisches, ungarisches, rumänisches und ein Thema heute am besten daran, wie und auf welche Weise über uns alle. Damit kann bewiesen werden, dass die echte kulturelle Wahrheit angenommen wird. So die Menschen ihr Bewusstsein und Gewissen nicht wird man Europäer und ein Weltmensch, so wird das verloren haben, dass sie im ursprünglichen Sinne eigene Kulturreich bewahrt und vertrieben. tapfer sind und dass die menschliche Würde vorhan- PRESSE IN SERBIEN ÜBER DIE DONAUSCHWABEN 1992-2000 Zlatoje Martinov EINLEITUNG

s ist unmöglich eindeutig über die Donaus- sogar bis zum Anfang der 60er Jahren dauerte. chwaben zu reden wie über ein Thema mit Aber, wenn die Rede von der Beziehung der ser- Edem sich die serbische Presse beschäftige. bischen Presse gegenüber den einheimischen Hauptsächlich wegen zwei hypothetischen Fragen. Deutschen während der Milošević-Herrschaft ist, Eerstens: auf welche Presse – die staatliche oder die folgt die Tabuisierung der historischen Vergangen- unabhängige – richten wir unsere Aufmerksamkeit heit und der Fragen, zu denen es aufgrund der En- und zweites: in welchem gesellschaftlich-politisch- thüllung der Wahrheit kommen würde seitens der em Moment wir das innerhalb des mit der Über- vom Regime streng konrollierten Presse als Haupt- schrift defi niertem Zeitabschnitt machen, und das ist folgerung. Fragen bezüglich der Leiden in den La- die Zeit der Herrschaft des Regimes von Milošević. gern, Vertreiben und Gewalt gegenübr der lokalen Genauso muss man die negative Einstellung der Schwaben wurden hauptsächlich verschwiegen. gesamten jugoslawischen kommunistischen Presse Das Regime von Milošević musste unwillig die Ein- gegenüber der Donauschwaben vom Jahre 1945 führung des Mehrparteiensystems und das Formie- bis zu heutigem Tage im Auge behalten. Diese ren von zahreichen Nichtregierungsorganisationen Presse hat, ohne irgendwelche Ausnahme, allen ju- erlauben, um sich wenigstens irgendwelche de- goslawischen Deutschen einen Sptempel der kollek- mokratische Legitimität in der einheimischen wie tiven Schuld aufgedrückt. Somit rechtfertigte man auch in der fremden Öffentlichkeit zu besorgen. Da die Abführung in die Konzentrationslager (1944- fi ng auch die Detabuisierung vieler Fragen an und 1948 ), wie auch den ethnischen Exsodus, welcher somit auch die Frage der Donaushwaben. 23 GUGELKUPFFEST Im Vortreten einzelner, hauptsächlich nichtparteili- von Milošević losgerissene Presse schrieb konstant chen Intellektuellen und auch Organisationen, die und folgerichtig affi rmativ über unsere ehemaligen für diese Materie Interesse zeigten, sah die Behörde deutschen Landsleute und deren Presse große Gefahr. Indem sie sich mit alten und abgewetzten Flosk- 1. Regimepresse. eln über Außenfeinde bedienten, was so typisch Zwei Haupttageszeitungen waren für das Milošević- für jedes totalitaristische Regime ist - und das von Regime eine Stütze: Milošević war eins davon - versuchte man die ser- Belgrader „ Politika“ und besonders ihre lakaienhaft bische Öffentlichkeit zu überzeugen, dass Schwa- gehorsame ben, und zwar alle Schwaben das Schicksal der jüngere Schwester „Politika ekspres“. Neben dem Verschleppung in die Konzentrationlager und der berufl ich dienenden serbischen Radio-Fernsehen, Vertreibung aus ihren Häußern völlig verdient erzeugten diese Tageszeitungen eine Hassrede auf hatten. allen Bereichen des Gesellschaftslebens. Wenn es Die wenigen Inellektuellen und Demokraten in Ser- dann im Interesse des Regimes nötig war neue “Ver- bien wurden freimütig von der Presse, die in Oppo- räter des serbischen Volkes” und „fremde Söldner“ sition gegen Milošević stand, unterstützt. Aber die zu suchen, fand man sie in einer kleinen Gruppe Presse konnte am Anfang wegen der beschränkten von unabhängigen Intellektuellen, die den Dialog medischen Reichweite und der ständigen Verbote über geschichtliche Versöhnung der Serben und der und Störungen seitens des Regimes leider keinen Deutschen befürworteten. ernsteren Einfl uss auf die Formierung der öffentli- Nach der politischen Verständigung Milošević-Vens chen Meinung ausüben. in Athen im Mai 1993 bezüglich des Kriegsstreites Dieser Einfl uss kam besonders nach 1998 und nach in Bosnien und Herzegovina und nach der Ableh- den großen Protesten der einheimischen und der nung der Verständigung seitens der bosnischen Ser- weltlichen Medienöffentlichkeit zum Ausdruck ben, gewann Milošević in Augen der demokratisch- und zwar wegen der drakonischen Gesetzgebung en Öffentlichkeit im Westen große politische Punkte bezüglich des Informierens und dessen Folgen, die und wurde sogar als „Friedensfaktor auf dem Bal- es verursacht hatte. kan“ verkündet. In Übereinstimmung mit solchen Wir haben hervorgehoben, dass für die Analyse der Entschlüssen der internationalen Gemeinschaft, Beziehungen der serbischen Presse gegenüber der lo- mildert Milošević seine Diktatur und Gewalt im kalen Deutschen auch der gewisse gesellschaftliche Lande und die Regimepresse schreibt in wesentlich und politische Moment von Bedeutung ist. Während versöhnlicheren Tönen über den Westen, manchmal der zwölfjährigen Herrschaft, gab es Zeitabschnitte sogar mit Symphatie. mit stärkerem und auch schwächerem Regimedruck So wurde es möglich, dass zu Beginn des Jahres auf die demokratische Institutionen in Entstehung. 1994 die Initiative von Prof. Friedrich Binder aus Immer wenn das Regime aus dem Grund eigener Tübbingen und des serbischen ortodoxen Priesters Erhaltung die Weltöffentlichkeit davon überzeugen Slobodan Miljević in zentraler Belgrader Regime- wollte, das es die Rechte und Freiheiten der Bürger zeitung „Politika“ (03.03.1994) erschien. Es ging nicht fesseln will, bekamen die Medien den Auftrag um das Bedürfnis nach serbisch-deutschem Dialog affi rmativ über demokratische Errungenschaften des und Versöhnung. Die Überschrift lautete: „Stimme Westens zu schreiben. In diesem Kontext schrieben der Wojwodina-Deutschen“ und der Untertitel manchmal auch die staatlichen Medien, wenn nicht „Serbicher Priester will die Landsleute mit den ver- positiv, dann wenigstens neutral über die Frage der triebenen Wojwodina-Deutschen versöhnen”. Wojwodina-Deutschen. Den Text schrieb in München Reimond Weibl. Die Und umgekehrt, als die Beziehungen mit der Welt Hauptintonation des Textes ist dermaßen positiv, sich anspannten, schloss die große Medienkam- dass es wegen der kommenden Ereignisse in Serbi- pagne gegen “weltliche Machthaber” auch den en, wie auch wegen der politischen Medienhetze, die Ausbau einer großen Schweigewand bezüglich des im Herbst und in all den kommenden Jahren gegen historischen Schicksals der Wojwodina-Schwaben Fühsprecher der Idee von der serbisch-deutschen mit ein, und nicht selten war auch negatives Sch- Versöhnung geführt wird, gerade zu unglaublich reiben über sie anwesend. Nur die vom Einfl uss scheint . 24 GUGELKUPFFEST Miljević war an der serbischen Seite die passende apsoluter Gleichgültigkeit für diese Fragen, machte Persönlcihkeit, welche zwischen Serben und den die Zeitung. “Politika” im Frühling 1997 bezüglich Wojwodina-Deutschen vermittelte. Der vierzigjäh- des Erscheinens der neuen Zeitungsnummer “Histo- rige Theologe wuchs in Futog (Bačka ) auf, wo über rische Läufe” des Institutes für neuere Geschichte 60% der Einwohner Deutsche waren. Seine Eltern in Belgrad, den Artikel “Warum wurden Deutsche erzählten ihm über das gemeinsame Leben dieser aus Wojwodina vertrieben” (12.04.1997) bekannt. zwei ethnischen Gemeinschaften zu beiderseitigem Indem er die per Internet bekanntgemachte Arbeit Wohl. Als unmittelbarer Anlass für die Anregung des Historikers Zoran Janjetović „Beziehungen der solcher Initiative diente Miljević die Besichtigung Serben und der Deutschen in Wojwodina (XVII-XX des Fiedhofs in Ulm. vek) darstellte, apostrophiert der Journalist diejeni- Dort machte man ihn auf das erneuerte Denkmal der gen Teile, welche dem Regime wohltun. jugoslawischen gefangenen Soldaten aufmerksam, Es hieß also, dass es “in Jugoslawien kein Massen- und so kam er zusammen mit seinen deutschen lynch der Deutschen gab, wie in Tschechien und Freunden auf die Idee auch den Deutschen es zu Polen. Die Deutschen begrüßten 1941 okkupator- ermöglichen, die Gräber ihrer Vorfahren in Serbi- ishe Truppen mit Begeisterung und in Banat formi- en besuchen zu können. Die Deutschen sollen die erte man die verrufene Division „Prinz Eugen“ , die Möglichkeit haben, diese Gräber aufrechtzuerhalten, nicht nur in unserem Lande, sondern in ganz Europa, was ein alter Traum der in Deutschland, Österreich ihre Hände mit Blut beschmutzte.” und in anderen europäischen Ländern lebenden Woj- “Politika” Journalist betont zwar im Untertitel die wodina-Deutschen ist. Meinung von Janjetović, dass die „Extremisten Die „Politik” führt unter anderem im Text an, wie beider Völker meist verantwortlich für das Vertreiben „der Gemeindepresident der Stadtversammlung der Deutschen aus Jugoslawien Ende des II Welt- von Bačka Palanka (50.000 Einwohner) ein Ver- krieges sind.“ Janjetović führte nach Meinung des ständniszeichen zeigte, was Milošević Hoffnung „Politika“ Darstellers in seiner Arbeit an, dass die verlieh. Diese Gemeinde hat vor, ein Haus den Woj- Gründe des Vertreibens der Wojwodina-Deutschen wodina-Deutschen zu geben und da würden sie ihre weder nationalistisch noch ideologisch waren. Sie Golgatha dokumentieren.“ Das wird in der „Politik” entstanden aus „ agrarischer Überbevölkerung der und überhaupt in diesem Zeitungsverlagshaus der passiven Regionen von Jugoslawien und aus dem erste und auch der letzte korrekt geschriebene Text Wunsch des kommunistischen Regimes von Jo- zum Thema der Lokalschwaben sein. sip Broz Tito, Partizanen an sich fester zu binden. Schon der nächste Text, der in drei Wochen folgte Partizanen, die vor allem aus den Gebieten, welche (28.März), versuchte die schrecklichen Bedingun- am meisten Kolonisten für Wojwodina gaben, stam- gen, in denen 1944 Wojwodina-Deutsche gefan- men.“ gen wurden, zu negieren. Der Journalist Slobodan Die Darstellung vermittelte keinen adäquaten Sinn Kljakić schreibt nämlich unter anderem: „Die Sit- der wissenschaftlcihen Arbeit von Janjetović. Teil- uation in diesen Lagern war durchaus kein `bar- weise geschah das wegen der möglichen Informa- barisches Genozid`, wie sie von Friedrich Bindler, tionsmängel hinsichtlich der verwickelten histo- dem Funktionär der Vereinigung der Donauschwa- rischen Problematik, oder, was wahrscheinlicher ist, ben defi niert wird. Die Zeit, in der Sammelzentren durch das bewusste Apostrophieren von einen und organisiert wurden, zeigt, dass auf diese Weise die der völligen Vernachlässigung von anderen Tat- Angehörigen der deutschen Nationalminderheit sachen. Sogar solcher Text rief Polemik zwischen von der möglichen Vertreibung, hauptsächlich in dem Historiker Janjetović und den patriotisch inspi- den Monaten als der Krieg noch dauerte, beschützt rierten Lesern hervor. Die „Politik” vermittelte die wurden.“ Kljakić erwähnte sogar in seinem Artikel, Polemik mehr oder wenig korrekt. dass „ die Nahrung drei Mal gekocht wurde....“ und Zuerst meldete sich am 18. April der Leser Slobodan dass „...alle Meschen, die in die Lager kamen, einen Filipović aus Belgrad mit seinem Text unter dem Fragebogen freiwillig ausfüllten, und somit selbst Titel „Volksdeutsche und der Zweite Weltkrieg“. den Entschluss brachten, ob sie nach Deutschland In diesem Text stürzte er sich auf die Janjetović’ oder nach Österreich wollten.“ Stellungnahmen bezüglich der beiderseitigen Nach drei Jahren des hartnäckigen Schweigens und Schuld – der serbischen und der deutschen - und für

25 GUGELKUPFFEST ihn waren sie zu relativierend. Danach meldete sich mit dem historika Janjetović mitgeteilt. Obwohl am 25. April auch Ljubomir Marković aus Feketić der Hauptinhalt des Artikels relativ akzeptabel ist, mit dem Artikel „Freiwilliges Weggehen der Volks- sollen die von der Redaktion vorbereiteten Über- deutschen“. schriften und Unterüberschriften wie auch Zwisch- Die Hauptintonation des Artikels ist schon mit der enüberschriften den durchschnittlichem und dem Überschrift betont und da wird Janjetović wohl- uninformierten Leser auf das letztendlich doch wollende Beziehung zu den Wojwodina-Deutschen verdiente Schicksal der Wojwodina-Schwaben hin- übel genommen. weisen. Eine Unterstützung bekam Janjetović aber vom Les- Nämlich, nach der Hauptüberschrift “Gründe des er Todor Djurić aus Neusatz in einem Text mit fol- Verunglückens der Banat-Deutschen nach dem gendem Titel: „Nicht alle Deutschen sind gleich”. Zweiten Weltkrieg” folgt, zuerst eine überaus ten- Im Artikel, der teilweise auch emotiv ist, setzt sich denziöse Überschrift “Auf die Seite des Drittens Djurić dafür ein, dass unsere Geschichte endlich den Reiches getreten und teilten dessen Schicksal”, Ausdruck „Vertreibung der Deutschen“ anstatt des danach einige aus dem Kontext von Janjentović’ Euphemismus „Evakuation“ oder „Weggehen“ d.h. Worten hervorgebrachte Unterüberschrift mit mehr „das Verschwinden aus diesen Gebieten“ annimmt. als klarer Botschaft über das Schicksal der Woj- Er erzählt über das korrekte gemeinsame Leben der wodina-Deutschen: Schwaben und Serben im Dorf Banatski Brestovac. „Historiker Zoran Janjetović sagt, dass die Organi- Djurić betont, dass nach dem Vertreiben die Schwa- sation dieser deutschen, ethnischen Gruppe in der ben in der neuen Heimat zu den Bürgern der zweiten Wojwodina schon nach dem Zweitem Weltkrieg nach Reihe zählten. Die Worte dieses analytischen Les- dem nazistischen Musterbild“, „SS-Männer und an- ers verdienen größere Aufmerksamkeit. Trotz der dere Schudige rechtzeitig evakuiert“, “Deutsche in bekannten starren chauvinistischen Einstellung und Polen, Tschechoslowakei betroffen durch gleiches dem abweisendem Verhalten gegenüber dem Nich- Schicksal..“ serbischen, wurden diese Worte ja schließlich von Wenn die Rede von den Zwischenüberschriften der Milošević’ „Politik“ nicht zensuiert. „Diesen im Artikel ist, sind sie so selektiert, dass sie beim Schwaben wurde, weder vom Hitler noch von der fl üchtigem Lesen entweder den Eindruck der apso- letzten Behörde in Deutschland und in Österreich, luten Kollaboration der einheimischen Schwaben fast nichts anerkannt. Sie wurden nicht bemitleidet mit Hitler-Deutschland (“Hilfe aus Berlin”) her- und denen wurde auch nicht geholfen.“ vorufen und das sie wegen ihrer Einstelung aus Im Gegenteil! Sie mussten sich noch am Anfang un- allen Staaten, in denen sie als Nationalminderheit ter sich befreunden. Es wurden Klubs formiert und lebten, vertrieben wurden, oder dass diese Zwisch- von denen sind die meisten auch heute noch aktiv. enüberschrift beim von Janjetović positiver Anfüh- Zum Beispiel in Siegburg, zwischen Köln und rung einiger Beispiele, aus denen man sieht, dass Bonn, ist der Klub der Wojwodina-Schwaben aus Schwaben im Kriege den Serben geholfen haben, Prigrevica und Apatin aktiv. Die Leute teffen sich um dessen Exekution wie z.B. die vom Bürgermeis- jeden Monat und singen unter anderen Liedern auch ter vom Zemun Hans Moser, zu verhindern- den das alte Hochzeitslied: Eindruck der Allgemeinheit und Unbestimmtheit „Savio se preko šora lanac, ide lola i peva bećarac.” hervorrufen („Bürgermeister von Zemun“). ( “Es hat sich die Kette über die Straße gebogen; Also, diejenigen, die nur Haupüberschriften, Über- der Lump kommt und singt…”) schriften, Zwischenüberschriften und Unterüber- Am Ende liest der Leser Djurić einen rationellen schrift (und solche Leser- Zeitungsredakteure wis- und effektiven Beschluss: „Ich schreibe das nicht, sen das gut- gibt es wirklich viele) gewinnen einen um die Rückkehr der Deutschen hervorzurufen, und ganz anderen Eindruck, als diejenigen, die den gan- auch nicht um sie zu rechtvertigen oder wegen der zen Text genau durchlesen. Dem zufolge können (Un)Taten im Kriege sie zu beschuldigen, sondern wir uns von dem Eindruck nicht losreißen, dass die nur als Nachweis über Leute und vergangene Zeiten, “Politik” mit historisch genauen und korrekten Ein- zwecks der Wahrheit.“ Ungefähr einen Monat später stellungen der Historiker manipuliert hat, indem sie in der Nummer vom 19. Mai 1997, werden in der einige bewusst slektiert und andere wieder teilweise „Politika“ etwas längere Auszüge des Gespräches oder völlig verschwiegen hat. 26 GUGELKUPFFEST Nachdem im Februar 1994 in Pančevo der Bana- Worte des Hauptideologen und Akademikers Mi- tische Forum das Zentrum für die Dokumentation hajlo Marković, unter der Überschrift „ Keine Versö- über die Wojwodina-Deutschen gegründet worden nung” übermittelte. ist, rufte das gleich negative Reaktionen zuerst in der Aufgezählt wurden, neben vielen anderen, auch die Lokalöffentlichkeit und danach auch in der breiteren “Volksdeutschen im Rahmen des Kulturbundes”, Öffentlichkeit hervor. Das Fernsehen Pančevo, dam- ohne Unterschied, ob es sich um nazistisch orien- als unter der Milošević-Kontrolle, erlaubt sich mit tierte Menschen und um die, die wirklich Untaten xenophobischem Hass den Ruf zum Lynch, welchen begangen handelte, oder um mit patriotischer Eufo- die Gemeindeorganisation der jugoslawischen rie betäubten Landwirten und Handwerker, die unter Linken Partei (JUL) an der Pressekonferenz an die dem Zwang der angeborenen Verhältnisse dem Hit- Öffentlichkeit übertrug. ler folgten und dabei auch dachten, dass die ihrem Apostrophiert ist der Direktor des Zentrums, der Volk und den Brüdern aus dem Vaterland helfen. Unterschreiber dieser Zeilen, der für die “Taten Außerdem, ein halbes Jahrhundert später, machten der Verräter und der Spione zu Nutzen der fremden die der Eroberungspolitik von Milošević folgenden Mächte verurteilt wurde. Demnach wurden, nach bosnischen und kroatischen Serben ähnlichen Fe- der Meinung der lokalen Funktionäre der JUL-Par- hler, und doch kämpfen wir um zu beweisen, dass tei ,“Bedingungen fürs Zuführen von Matrinov den nicht alle Serben schuldig sind, sondern nur die, die zuständigen Behörden erzielt.” wirklich kriegerische Untaten begangen, und das (20.Oktober 1994). “Politika ekspres” übernimmt sind Menschen mit Vor- und Nachnamen. den Staffelstab für den Angriff auf die Idee, dass man über die mächtige Frage, und die Frage des 2. Unabhängige Presse Schicksals der Wojwodina-Deutschen ist zweifellos Solange die Presse unter der Regimekontrolle solcheine, überhaupt redet. eine echte Schweigewand bezüglich der Frage der So wird im kurzen Kommentar dieser Zeitung mit Donauschwaben ausbaute und von sich nur selten der Überschrift “Den Schwaben -Pardon” (13.Mai hören ließ, und zwar nur dann wenn sie, abhängig 1994), die neben der “Politik” auch immer die Ein- von der vom Machtführer erteilten Aufgabe, dieje- stellungen der regierenden Garnitur gehalten hatte, nigen, die sich für die Frage interessieren hat zu ver- Folgendes gesagt: “Unlängst wurde in Pančevo das urteilten, oder wenn sie euphemistisch anfi eng über Zentrum für die Dokumentation über die Banat- dieses Thema zu sprechen, indem sie die Sachen der- Deutschen, die hier bis 1944 lebten, gegründet. maßen revitalisierte, dass es für das Regime keine Initiatoren dieses ganz merkwürdigen und unnöti- Gefahr darstellte, widmete die unabhängige Presse gen Zentrums möchten, laut ihrer Behauptung, diesem Thema echte und würdige Aufmerksamkeit. die Deutschen aus Banat, die so genannten Volks- Solange die Presse unter der Regimekontrolle deutsche in die “realen historischen Rahmen” set- eine echte Schweigewand bezüglich der Frage der zen. Donauschwaben ausbaute und von sich nur selten Sie haben die Absicht und das Ziel eine riesige Zahl hören ließ, widmete die unabhängige Presse diesem der einheimischen Schwaben, die angeblich keine Thema echte und würdige Aufmerksamkeit. Die Untaten und keine Massaker begangen hatten, zu Regimepresse ließ nur dann von sich hören, wenn rehabilitieren. Indem Zlatoje Martinov, Direktor des sie abhängig von der vom Machtführer erteilten Zentrums die These betont, dass die einheimischen Aufgabe diejenigen, die sich für die Frage interess- Deutschen keine “ dunklen Hitlers Verbrecher” sind, ieren erurteilen sollte, oder wenn sie euphemistisch versucht er eigentlich in eigenem Namen und im anfi eng über dieses Thema zu sprechen, indem sie Namen des Banatischen Forums sich den Volks- die Sachen dermaßen revitalisierte, dass es für das deutschen, an denen das angeblich risiege, histo- Regime keine Gefahr darstellte. rische Unrecht vollbracht wurde, zu entschuldigen . Von den bekannten Medien schrieben über das Ja, was denn für eine Rehabilitation! Thema in den 90er Jahren die Belgrader Zeitung Nach einem Jahr (am 12, Mai 1995) “Politika “Duga”, “Borba”, seit 1996 “Naša borba”, “Danas”, ekspres” charakterisierte klar die Typologie und Neusatzer “Nezavisni”, “Kjniževne novine”, Lokal- Gruppierung der “Kollaboration und des Landesver- presse wie “Velika Kikinda” , “Kula” aus Vrbas und rates, indem sie die andere.

27 GUGELKUPFFEST Im Sommer 1994 trat die völlig am Rande stehende die Wojwodina-Deutschen werden in der unabhän- Frage der Wojwodina-Deutschen in den Fokus der gigen Presse zufriedenstellend begleitet. Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit, und zwar So gibt schon im Herbst der Belgrader NIN die hauptächlich dank der Aktivitäten des Zentrums für Ausage von Zlatoje Martinov, dem Direktor des die Dokumentation über die Wojwodina-Deutschen Zentrums (mit Foto) bekannt, dass „man den Be- aus Pančevo, aber auch schon damals formierter ser- darf hat,der Wahrheit in die Augen zu schauen, dass bisch-deutscher Gesellschaft aus Belgrad. die jugoslawische, kommunistische Behörde auf Die unabhängigen Medien gaben dem Prozess der grausame Weise die ethnische Säuberung der Woj- Detabuisierung der deutschen Fragen einen starken wodina-Schwaben ausführte...,ohne irgendwelche und unmessbaren Beitrag. So machte der Mitarbeiter echte Gründe anzuführen, sondern nur mit der Welle der Revue “Duga” im Sommer 1994, im “Deutsche der antideutschen Lust in Europa am Ende des die Serbisch sprechen” benanntem Text und in der Zweiten Weltkrieges.“ Haupüberschrift (NIN, 21.Oktober 1994) “Prof. Filip Binder aus Budisava bei Novi Sad: Einige Tage vorher informierte die Tageszeitung Mein Herz ist noch in Serbien” das Gespräch mit „Borba“ ebenfalls über die Tätigkeit des Zentrums, Herrn Binder, Professor aus Tübingen bekannt: indem sie die Ausagen derer Oberhäupter über „ das „ Ich lebte mit den Serben. Mein Herz ist auch jetzt Bedürfnis nach analytischen und kritischen Zugang dort! Wir alle erwarten, dass sich Jugolawien vom zur Vertreibungsfrage der Deutschen aus der Woj- Gesetzt, mit welchen die Deutschen ´44 und ´45 be- wodina und Banat korrekt übermittelte, und nicht straft sind, distanziert. Denen wurde das ganze Hab einfach die Einstellung des Regimes wiederholte, und Gut entnommen, Staatsangehörigkeit und alle dass die einheimichen Deutschen auschließlich Ver- weiteren menschlichen Rechte…...Die Serben sa- brecher und Mitäter des Okkupators waren“. gen mit Recht, dass Deutschland nun antiserbisch (“BORBA“, 19. Oktober 1994) orientiert ist. Aber wir, die Donauschwaben wissen Die Zeitung „Nezavisni“ aus Novi Sad machte zwei- am besten wer die Serben sind. Wer sie sind und wie mal einen Teil der Dokumentation (Zeugenaussagen) sie sind. Wir lebten mit den Serben in guten nach- aus dem Fond des Zentrums für Dokumentation über baschaftlichen Beziehungen. Ich z.B. hatte nur ser- die Wojwodina-Deutschen (9.-16.07.1994) bekannt, bische Freunde. Ich schtritt mich mit den Deutschen, und auch den Text von Zlatoje Martinov “Land als aber nie mit den Serben.... Religion, Heimatland und Poesie“, wo er die his- Was möchten die Donauschwaben? Es ist auch torische Darstellung der Ansiedlung der deutschen wichtig, was die Serben möchten, aber ich denke, Bevölkerung auf dem Wojwodina-Gebiet im 18. und dass wir darüber reden müssen, was unser gemeins- im 19. Jahrhundert (Nr. 53 von 1.-8.07.1994) gibt. ames Interrese ist. Wir müssen einen Dialog führen. „Vršačka kula“ (Nr. 351 von 03.06.1997) gibt das Wir, die Donauschwaben haben in Deutschland Interview mit Zlatoje Martinov, in welchem er auf gewisse Einfl üsse. die Angriffe einiger Böswilligen erwidert, bekannt. Ich habe sogar persönliche Kontakte mit Kanzler Sie behaupten, dass das Banatische Forum die Kohl.....Wir können diesen Einfl uss in der Richtung Deutschen zurück nach Wojwodina bringen möchte realisiern, in der wir der deutschen Öffentlcihkeit und dass sie die Nachfahren ehemalliger Kolonisten zeigen, das die Serben ein verständnisvolles und aus den deutschen Häußern hinausjagen möchten: gutes Volk sind…..” „Während unsere jungen Leute vor fremden Gleich nach dem Text von Stefanović, erscheint in Botschaften eine Reihe bilden, natürlich vor der der „Duga“ ein neuer Text versorgt mit Ziffern über deutschen auch, um Auswandervisen und andere die Lager im ehemaligen Jugoslawien. Das ist das Visen zu bekommen, und um für immer diesen erste Mal, dass das serbische Leserpublikum so Chaos und das Elend zu verlassen, macht das Re- präzis über das Bestehen der Lager und über deren gime den Leuten Angst, dass die Deutschen zurück- Funktionieren, benachrichtigt wurde. kommen. Wenn Sie ein Deutscher wären, würden Das blieb in der demokratischen Öffentlichkeit nicht Sie nach Serbien zurückkommen, ins Elend, Geld- ohne Echo und brachte viele zum Überlegen. mangel und in Ungewissheit, in welcher sogar das Die Aktivitäten des Banatischen Forums aus Pančevo menschliche Grundrecht nicht garantiert ist – das und dessen Zentrum für die Demokratisation über Recht auf das Leben? Aber das leidenschaftliche 28 GUGELKUPFFEST Hineintauchen in die Lügen ruft bei einfachen Men- Das laute Getöse machte eine kleinere Gruppe der schen eine Projektion der verfälschten Wirklichkeit, serbischen “Nationalpatrioten“. Stereotyp über die äußere Gefährlichkeit. Dieses Im affi rmativen Bericht von dieser Vorlesung deutete Stereotyp ist durch das häufi ge Wiederholen schon der Berichterstatter von “Naša borba“ aus Neusatz, zu einer kleinen Mythosstruktur geworden, eine Art Jan Briz, mit der Überschrift “Offenes Gespräch der Mythologeme des politikanischen Kitsches. über die Vergangenheit wegen der Belehrung für die Unser Ziel ist es, die kulturellen Beziehungen Zukunft“ den Lesern an, das solche Gespräche ein zwischen den Serben und den Deutschen zu er- wichtiger Beitrag für die Zerstörung einer der am forschen. Wir möchten dazu beitragen, dass die längsten dauernden Tabu-Themen in der neueren historischen Unrechte richtig gestellt werden und Vergangenheit ist, und dass die auch für die Vesöh- dass es zu einer Art von Versöhnung kommt. Das ist nung mit den Donauschwaben den Weg festtreten. unser Ziel , und nichts weiter.“ Siniša Jakonić, Publizist und Journalist aus Kikinda, Die Gesellschaft für die serbisch-deutsche Zusam- gab auch einen großen Beitrag für den Tabubruch menarbeit aus Belgrad setzt sich im Rahmen ihrer bezüglich des tragischen Schicksals der einhei- Aktivitäten für die gegenseitige Versöhnung der mischen Schwaben. Serben und deren ehemaligen deutschen Mitbürger Er gab mehrere affi rmative Texte über dieses Thema ein. Anlässlich der Versöhnung organisierte sie der Zeitung aus Kragujevac “Pogledi” (1991 i 1995), verschiedene Manifestationen, welche durch die in der Belgrader Wochenzeitung “Balkan ekspres” unabhängige Presse regelmäßig registriert wurden, (1992), Neusatzer Revue „Nezavisni” (1994), in der haptsächlich die regelmäßigen kommemorativen „Velika Kikinda“ (1998) und in der Belgrader Zei- Begegnungen im banatischem Dorf Knićanin, das tung „Danas“ (1999). (14-15. März 1998) ein Lager für die Deutschen war, wo Tausende von BESCHLUSS Menschen hingerichtet wurden. Wie es zu bemerken ist, war das Schreiben über Danach ersehnten sich die Zeitungen “Danas” und das Schicksal der Wojwodina-Deutschen in der au- “Bliz”. Die letzte gab am 7. Januar eine ausführliche tokratischen Milošević-Herrschaft überhaupt nicht und erschütternde Reportagebekannt. Eine Report- wünschenswert, und für Autoren solcher Texte war age über das Verunglücken der deutschen Zivilisten es sogar gefährlich. Die staatlische Presse wich in Knićanin in der Zeit von 1944 – 1948 mit der diesem Thema, immer wenn es möglich war, aus Überschrift “Sünden des Reiches büßten Kinder und wenn sie dazu gezwungen wurden darüber zu und Greise“. Ebenso machte diese Zeitung auch das schreiben, dann machten sie das mit negativer Ko- Interview mit damaligen Vorsitzenden der Gesell- notation. Als man aber dem Regime in der Welt schaft für deutsch-serbische Freundschaft, Prof. Dr. irgendwelche demokratische Legimität besorgen Zoran Žiletić bekannt, usw. sollte, schrieben diese Medien über die Frage der “Književne novine” publizierten wohlwollend in Wojwodina-Deutschen mit großer Dosis Euphemis- drei Fortsetzungen Anfang 1994 den Text von Pro- mus und relativisiertendie historischen Ereignisse fessor Žiletić über die Ansiedlung der Donauschwa- und die unwiderlegbaren Untaten gegenüber der ben am Gebiet der heutigen Wojwodina. Die außer- deutschen Ziwilbevölkerung. ordentlich besuchte Vorlesung über das Schicksal Die Unabhängigen Medien brachten aber im Rah- der Wojwodina-Deutschen nach dem Zweiten Welt- men allgemeiner Strategie des Widerstandes gegen krieg, die am 12. März 1998 in Neusatz im großen das Milošević-Regime gern das delikate Thema Saal des Wojwodina-Klubs der damalige Direktor ins Rampenlicht, inbezogan das Thema der eth- des Zentrums für Dokumentation über die Woj- nischen Säuberung der Wojwodina-Deutschen aus wodina-Deutschen, Zlatoje Martinov hielt, gewann diesen Gegenden. Denen dankend konnten die de- die Aufmerksamkeit der unabhängingen Medien. mokratischen Intellektuellen serbischer Herkunft Regimemedien, inbezogen die Neusatzer Tag- ihre Einstellungen äußern und mithilfe dieser, die eszeitung “Dnevnik” schwiegen völlig über die- serbische öffentliche Meinung versuchen ernshafter ses Ereignis. Über das Ereignis, das am Ende der zu animieren, damit man über dieses nicht leicht zu Diskussion,welche der Vorlesung folgte und wegen übersehendes Thema anfängt ernshafter nachzuden- der großen Aufregung ganz nah einem Izident war, ken. ja darüber schrieb der “Bliz” und die “Naša borba“.

29 GUGELKUPFFEST MEDIEN IM VERSÖHNUNGPROZESS DER SERBEN UND DER DONAUSCHWABEN Slobodan Mirić

or nur einem Jahrzehnt war die heutige feindseligen Empfang der Gastgeber, verfolgt durch Situation der Beziehungen zwischen den verschiedene Dienst und Spione. Deswegen konnte VDonauschwaben, den ehemaligen Bürgern man von den jugoslawischen Bürgern, hauptsächlich von Odžaci und den heutigen, welche haupsächlich von den weniger informierten und alphabetisierten Serben sind, unvorstellbar. Der vorgängige Satz kann Menschen, Menschen die ebenfalls ihre Richtstätte ein politischer Urteil sein, aber es ist vor allem eine und ihr Golgotha wegen den Deutschen hatten, Zivilisationsmaßname. In diesem Bačka-Städchen, schwer eine andere Einstellung erwarten. in Odžaci wurde ein Mahnmal errichtet zum Geden- Diese Haltung änderte auch das zahlreiche Wegzie- ken an die Schwaben, die im Oktober 1944 ermordet hen der serbischen Staatsbürger wegen so genannter wurden. Das Denkmal hat seine Ruhe. Niemand be- befristeter Arbeit nach Deutschland nicht. Auch nach schädigt es, niemand sagt, dass es feindlich gesinnt dem Treffen von Tito und Brandt kümmerte sich ist, es kommen Besucher, zünden Kerzen an und le- keiner um die Aufl ockerung der zwischenmenschli- gen Blumen nieder. Hier möchte ich vor allem den chen Beziehungen. Die Deutschen wurden bei den Wandel und seine Bewirkung erklären. Protokollen und Konventionen außen vorgelassen. In diesem vor dem Zweitem Weltkrieg größtenteils Vorreiter darin waren Intellektuelle und vereinzelte schwäbischen Städchen (über 90 %), wurde nach Medien. Bis heute ist mir unklar geblieben, warum dem Krieg noch eine kriegerische Vernunftslosig- der serbische Staat und Deutschland an dem Befrei- keit begangen. Diese Menschen, die diese Untat an ungsprozess von der unglücklichen Vergangenheit der Zivilbevölkerung ausführten, trugen Uniformen so wenig teilgenommen haben. Sie überließen diese der neuen Armee und das bedeutete, dass sie die Be- Last mehr oder weniger anderen, aber nach den hörde, die nie davor abschreckte, die Zivilbevöler- Büchern, Sendungen und Zeitungsartikeln, örtlichen ung, Frauen, Kinder und alte Menschen zu töten, Behörden und Vereinigungen, mit mehr oder weni- darstellten und das hieß, dass sie wirklich ihr ange- ger Verspätung, brachten sie ihren soliden Beitrag hörten. Also, die Deutschen, die 1944 in Odžaci bli- ein. eben, denn sie dachten ja, dass sie unschuldig sind, Persönlich habe ich geglaubt, dass es sich um einen erlebten das Schicksal aller Gedemütigten in bisheri- Zivilisationsprozess handelt, und dass die Versöh- gen Kriegen: die Kollektivschuld, das Erschießen, nung sogar ohne den Regierungswillen stattfi nden Konzentrationslager, Konfi skation des Eigen- wird, weil die Zeit Ende des letzten und Anfang die- tums.... All dies erfuhr man schrittweise in Odžaci ses Jahrhunderts, dank neuem europäischen Klima „der neuen Zeit“, denn viele junge und ältere, aber und neuer Kommunikation, dafür reif war. Doch es nicht auch uninformierte Menschen wusstan früher musste auch diesen Prozess vorher geben. die ganze Wahrheit nicht. Es musste so viel passieren, damit die Deutschen Bei den Kolonisten herrschte die Überzeugung, aus der deutschen Stadt Moosburg, etwa 50 km die der Staat auch anreizte, dass die Schwaben von München entfernt, so wie jeder andere auch die Absicht haben zurückzukeren und ihre Häußer ihre Heimat in Odžaci besuchen kommen. Ist viel- und ihr Land zurückhaben wollen. Warum es so leicht übertrieben gesagt, aber sie wären schon sehr war, wissen nur die Machthaber, wahrscheinlich gern gesehene Gäste, doch viele haben verstanden, werden auch solche Erreignisse zum Werkzeug der dass sie nicht rechtmäßig behandelt wurden und sie Herrschaftsstruktur. bestehen darauf dies zu ändern. Moosburg ist eine Bis zum Jahr 2000 kamen die aus Odžaci ge- Stadt in Bayern mit ca. 14.000 Einwohnern. Nach fl üchteten und vertriebenen Schwaben, wie auch ihre den Worten von Peter Blaha, nach dem Zweiten Nachfolger inkognito in ihre Stadt. Sie bäumten sich Weltkrieg hatte Moosburg 6000 Einwohner, auch auf, um ihre Höfe und Häußer zu sehen, stoßten auf als die Deutschen aus Odžaci ca. 2600, herzogen. 30 GUGELKUPFFEST Die Ansiedler gründeten in Moosburg ein Heimat- Veröffentlichung des Buches sprach man darüber museum, ihren Klub und brachten eine Zeitung in und es gab kaum negative Schlagzeilen, und wenn Bewegung und somit waren Bedingungen für die doch, sind sie schnell verstummt. Errichtung eines Zentrums für die Verfolgten und Zu diesem Zeitpunkt erschienen bereits mehrere Ar- Flüchtlinge aus Odžaci geschaffen worden. Alle tikel in den Zeitungen über den Besuch der Donaus- Zeitungsmitarbeiter waren deutsche. Sie schrieben chwaben oder der Donauschwaben in einigen über Erinnerungen, verschickten Nachrichten, Aus- Ortschaften. Im Fernsehen wurden Diskussionen künfte, Kundmachungen und dabei standen Odžaci darüber geführt. Von großer Bedeutung waren der immer im Mittelpunkt. Das Museum, der Klub und Schriftsteller Ivan Ivanji und der Professor Ziletić, die Zeitung sind Institutionen die auch heute noch in als die Autoritätspersonen mit großem Verdienst für Gang sind, wobei die Bewohnerzahl der Deutschen die Aufl ockerung der Fragen zu gefallenen Donaus- aus Odžaci in Moosburg auf ganze 160 gesunken ist. chwaben standen. Der Professor war auch bei mir zu Es ist erstaunlich, wie diese Menschen zwei Leben Gast und sprach in einer Fernsehsendung, die in der nebeneinander führten, ein wahres in Deutschland, örtlichen Gemeinde von sehr vielen gesehen wurde. in dem sie nach ihrem deutschen Arbeitsfl eiß lebten, Hinterher folgten Auftritte im Fernsehen von Odžaci und dieses andere Leben, geistliche, das nur aus Er- bei Peter Blaha, Deutscher aus Ulm, in den 60ern innerungen an die alte Heimat besteht. beliebter Fußballer von „Tekstilas“ in Odžaci Die Als im Winter 2001 die Vereinigung der Donaus- Auswahl an Medienleuten war gut. Professor Ziletić, chwaben in Odžaci gegründet wurde, war ich als mit der Autorität eines angesehen Professor der Ger- Journalist anwesend und sah die große Angst, die manistik, mit ganz klarem Engagement bei Fragen sich bei den Menschen über die Jahre hinweg gesa- bezüglich der Deutschen und Blaha, wurden dazu mmelt hatte. Anstatt jetzt schrittweise Demokratie ausgewählt sich operativ um dieses Thema zu küm- zu spüren, kulminierte einfach die Angst, und man mern. Blach kennt die Serben und dem vertrauen sollte noch einen letzten Schritt wagen, um Teil die- auch die Deutschen, da im Massengrab von Odžaci ser Demokratieprozesse zu werden. Die Menschen sein Vater und sein Bruder begraben liegen, Die Idee, kamen ins Schwitzten und Zitterten während ihrer ein Denkmal auf dem Massengrab in Odžaci zu er- Rede vor Angst. Über ihr Leiden wusste ich viel und richten, wurde von der örtlichen Öffentlichkeit als habe mich damals entschlossen, ihnen zu helfen. Ich etwas Selbstverständliches aufgenommen. Moos- hatte bereits über einige Geschichten geschrieben, burg, die Vereinigung der Deutschen aus Odžaci: die im Radio oder Fernsehen gebracht wurden und „Das wäre ohne das Wissen der Öffentlichkeit nie man musste nur noch das Begonnene fortsetzten. möglich gewesen“. Unterstützung bekam ich von den Gründern der Demnach kam es zur Besinnung der Bewohner von Vereinigung Stevan Müller, Tonie Glanz und Josip Odžaci gegenüber den Deutschen durch die Unter- Sujer. Ich bin kein Held, aber ich habe verstanden stützung einiger Medien und vereinzelten Engage- was ich mache, als mir ein bekannter Professor von ments. Die Zeit war absolut reif, dass es mit etwas einem Gymnasium sagte: „Du arbeitest immer al- gutem Willen und mentaler Anstrengung zur Ände- lein gegen dich selber“. Ich dachte das Recht zu ha- rung zwischen zwei Nationen, zwei Städten kommt, ben, ohne Angst und Komplexe das Buch der übrig dass die heute in Odžaci lebenden Menschen auch gebliebenen Erinnerungen zu öffnen. Dieses Recht, die andere Seite der Geschichte erfahren, und dass dachte ich, habe ich, und weil mein Verhältnis zum sie sie stillschweigend oder bewusst annehmen. Bei Land und ihrer Geschichte auch auf meiner persön- der Denkmaleröffnung waren neben den Deutschen lichen Legitimation basiert: Als Kämpfer der ser- aus Deutschland und Odžaci auch viele andere da. bischen Wehrmacht waren meine Großväter Opfer Blaha teilte mir mit überrascht zu sein, dass einige des Ersten Weltkrieges und der Vater war Partisan. seiner Schulfreunde, über die er dachte nicht hinter Anhand dieses persönlichen „Familienbuches“ ist ihm zu stehen, auch gekommen waren. Die Men- mir die ganze Sinnlosigkeit der Kriege, in denen schen die hier sitzen, haben es auch verdient. sich das Verunglücken unschuldiger Personen stän- Die Deutschen aus Moosburg oder aus einer anderen dig wiederholt, egal ob sie gewinnen oder verlieren, Stadt in Deutschland, kommen seit 2000 nicht mit bewusst geworden. Für den Journalisten war es nur einem schlechten Gefühl ihr Heimatort Odžaci, ein ein Thema, über das man schreiben muss. Bei der anderes Ort aus ihrer Jugend oder ihre Vorfahren zu

31 GUGELKUPFFEST besuchen, im Gegenteil, sie kommen wie in jeden Seite die Serben, wie gegenüber jemandem, den es anderen Ort in Europa. Man kann ruhig sagen, dass nichts angeht, es unpassend und nicht notwendig ist sich Odžaci und Moosburg versöhnt haben, die ehe- und auf der anderen Seite die Deutschen, auch wenn maligen und die jetzigen Einwohner von Odžaci. sie gelitten haben, entweder sie denken es ist zu spät Das war ein langer Prozess und so lange Vereinzelte oder dass auch sie ein Teil der Menschheit sind, ins- dieses Problem nicht angepackt hätten, wäre es nur besondere der Politik, die viele Jahre marginalisiert schwer vorstellbar, dass die Politiker ihre Wähler- wurden. Wenn das nicht falsch wäre, würden wir stimmen riskiert hätten und Schöpfer dieses Versöh- heute nicht hier sitzen. Die Arbeit habe ich nicht aus nungsprozesses und der Geradestellung der Un- persönlichem Interesse gemacht und ich habe sogar gerechtigkeit gegenüber jetzt einer kleinen Anzahl aufgrund dieses Buches noch Schulden gegenüber von Überlebenden Deutschen gewesen wären. Zum einigen Autoren. Ich glaub, dass das mein Problem Schluss noch ein subjektiver Bericht. und mein Projekt ist. Ich war kein Lobbyist, aber das Dieses Thema habe ich als Mensch und Journal- war Versuch nach Lobnyismus, und ich bin davon ist ausgewählt, mein Bezug zum Thema ist „sie überzeugt, dass im guten Sinne, sowohl für die Ser- glauben“, aber auf eine Art und Weise hatte ich den ben als auch für die Deutschen gemacht zu haben. Eindruck und habe ihn immer noch, dass gegenüber Ich bedanke mich recht herzlich bei den Organisato- dieser Tatsache und gegenüber uns, die etwas damit ren „Der Runde Tisch“, die mir die Erzählung mei- zu tun haben, alle zurückhaltend sind: auf der einen ner Geschichte ermöglicht haben.

RECHT AUF DIE HEIMAT Stjepan A. Seder

ie deutsche Nationalminderheit in der Woj- nach dem Beispiel des Lebens in seiner Heimat. wodina ist heute der Rest des einstmals Mit Hilfe des Kaiserschlosses gründete er Dörfer, Dgrößten und nun rudimentierten Volkes, in deren Zentren sich die Kirche, die Schule und das in der Wojwodina bis vor 60 Jahren lebte. Die- das Kulturheim befanden. Die Dörfer zerschnitt er ses Volk lebte als ein autochthones in der Wojvo- rechtwinklig mit breiten Straßen, planzte Maul- dina mehrere Jahrhunderte. Es hinterließ auf dem beerbäume ein. Maulbeerbäume pfl anzte er ein, um Kultur-, Kunst-, und Literaturbereich, zahlreiche Er- Seidenraupen züchten zu können. Unser Wojwodi- rungenschaften der Zivilisation, hauptsächlich aber na-Deutsche begriff sehr schnell, dass man aus den auf dem Wirtschaftsbereich. Sein Verschwinden von Maulbeeren auch qulitativen und überaus bekannten diesen Gebieten, regt erst seit unlängst besondere Maulbeerschnaps herstellen kann. Wenn man viel Aufmerksamkeit und Interesse der heimischen Wis- Maulbeerschnaps trinkst, bekommt man rote Wan- senschaft und Publizistik an. gen, und am Gesicht erscheint ein breites, lang dau- Der Wojwodina-Deutsche kam in die Panonische erndes Lächeln. Wenn der Maulbeerschnaps gut ist, Ebene anfangs des 18 Jahrhunderts mit dem Ziel das hat man morgen keine Kopfschmerzen. Nur, man Kaiserreich vor den türkischen Angriffen zu vertei- errinerst sich an nichts. digen, aber auch um die sonst ausgeleerte kaiserliche Der kleinere, beleibte Deutsche, luzid und scharf- Kasse vollzumachen. Als er sich in ein Flechthaus sichtig, diente im guten Maße, um die Figur vom neben vielen Pfützen niederließ, die erste Rinne “LALA„ – dem Wojwodina-Bürger zu gestalten, ob- abackerte und den ersten Babyschrei hörte, schlug wohl man eher sagen könnte- Banat-Bürger. Lala, er seine Wurzelnt in die gleiche Panonische Ebene. lebensfroh und überaus einfallsreich, erlaubte seinen Er dachte, dass niemals und niemand ihn daraus he- Gesprächspartnern und zwar beruhigt und großzü- rausreißen wird. gig, über ihn das Bild des dummen und “langsamen” Mit sich brachte er die fortschrittliche westliche Zi- Menschen zu gestalten. Nur einigen fi el es nach vilisation, wie auch die hygienisch-gesundheitlichen kurzer Zeit ein, was ihnen im Gespräch Lala sagte Gewohnheiten, entwickelte Technologie, intensive oder mitteilte. Viehzucht, mehr progressive Landwirtschaft, per- Ein solcher Wojwodina-Deutsche, der auch Lala fekteren Pfl ug, mit dem man die Erde auch aufreißen wurde, erlebte das er doch aus dem Gebiet, wo er konnte.Nach seiner Ankunft kreierte er sein Leben eigentlich lebte, herausgerissen wurde. Der Woj-

32 GUGELKUPFFEST wodina-Deutsche war bei den Streitkräften, gegen und seien es eben auch Angehörigen des gleichen welche die Kräfte der NOB (Volksbefreiungskamp- Volkes. fes) kämpften, engagiert und das reichte nicht. Er Die Lokalbehörden versorgten die Flüchtlinge mit musste beweisen, um den Folgen der AVNOJ-Bes- verfügbarer Unterkunft, aber diese gab es viel zu chlüsse von 21. November 1994 auszuweichen, dass wenig. Im Lande, wo viele Städte mit dem Erd- er im NOV –Volksbefreiungsarmee und mit den ju- boden gleichgemacht wurden, die Verkehrswege goslawischen Partisanentruppen kämpfte, oder dass umgeackert, Fabriken zerstört, Männer in Lager er wenigstens ein Angehöriger der neutralen Staaten abgeschleppt, vertrieben oder in der Gefangenschaft war, und dass er sich nicht gegnerisch während der behalten, war irgendwelche wirtschaftliche Aktiv- Okkupation hielt. ität fast unmöglich. Man konnte keine Arbeit fi nden, Allein die Tatsache, dass zu den SS-Truppen Prinz um sich wenigstens bloße Egsistänz verschaffen zu Eugen nicht freiwillig beitrat, sondern dass er mo- können, und die im Heimatland neu Angekommenen biliert wurde, bedeutete nichts. Denn, Banat gehörte verlangten ja auch nichts Weiteres. in der Zeit des II Weltkrieges dem Reich. Im Banat Die Leute blieben ohne Heimatland, denn ihr Re- wickelte sich das Leben relativ normal ab. Die cht darauf wurde ihnen entnommen. Sie hatten auch Wirtschaft funktionierte, ebenso die staatlichen Insti- kein Recht auf ihr altes Heimatland. Es wurde ihnen tutionen, wie auch Schulen und Ambulanzen. Wenn nicht gewährt. Ihre Heimatsgenossen haben es ihnen der Staat funktioniert, dann führt er Represion durch weggenommen. Das tat mehr weh als die Wegnahme und sanktioniert Ungehorsamkeit. Egal wo er lebt, des Rechtes auf ihre Heimat. der Deutsche ist immer diszipliniert. Er lernte, dass Sie begriffen schenll, dass sie während ihres Lebens man den Staat respektieren und ihm auch gehorchen in ihr Heimatland, aus dem sie vertrieben wurden, muss. Daher auch sein weit bekannter Spruch: „Ord- nicht zurückkommen werden können. Es wurde ih- nung, Arbeit und Ruhe“. Deswegen nen klar, dass sie weder zurückkommen können, war es auch ganz normal, dass der Deutsche seinem noch ihre Heimat besuchen können. Die aus ihren Staat gehorchte und sich einer Einladung oder ei- Heimatland vertriebenen Menschen mussten mehr nem Befehl Folge leistete. Da es schlimme Zeiten als fünf Jahrzehnte darauf warten, um in ihre Hei- waren, durfte man den Militärdienst nicht ablehnen. mat zu kommen und willkommen zu heißen und Es folge die zwangläufi ge Mobilisation und der Ost- dass man sie, ohne Zweifel in ihre Wohlgesinnheit, front. Aber, die neue Obrigkeit wollte diese Tatsache ihr Geburtshaus besuchen lässt. Sie möchten durch nicht berücksichtigen. die Gasse, wo sie als Kinder spielten, spazieren oder Daraus folgt, dass die Wojwodina-Deutschen ohne dass sie sich unter den Maulbeerbaum oder Nuss- ihre Heimat blieben. Ein Teil von ihnen brachte sich baum wie einstmals setzen. vor dem Kriegsereignissen in Sicherheit und die Ihre Lage und das üble Schicksal wahrnehmend, anderen blieben dort, wo sie sich am Kriegsende brachten sie Kraft auf, um es auch stoisch zu ertra- auch befanden. Nur Frauen, Kinder und Greise gen, wie vom Gott zugeteilt, und um für ihre Verfol- erwarteten das Kriegsende in ihren Häußern. Greise, ger Verzeihung zu fi nden. Die aus ihren Heimatland Frauen und Kinder wurden aus ihren Häußern ver- vertiebenen Deutschen teilen in ihrer Proklamation trieben und in Lager fotrgeschleppt. Viele von ihnen von 5. August 1950 mit: kehrten nie wieder zurück und viele von denen, die „Wir, die aus dem Heimatland Vertriebenen ver- zurück aus den Konzentrationslagern kamen, nutz- zichten auf jegliche Rache und Vergeltung. Unser ten die erste Gelegenheit um in ihr altes, längst ver- Entschluss ist das lichterfüllte Denkmal des endlo- gessenes Heimatland zu kehren. sens Leidens der Menschheit, haupsächlich in den Ihre Rückkehr in das neue Milieu ist überhaupt nicht letzten zehn Jahren.“ willkommen. Ihre Landsleute aus dem Heimatland „Wir werden mit allen Mächten jede Unternehm- warteten auf sie, leider nicht mit weit ausgebreiteten ung, die zur Verwirklichung der Europaeinigung Händen, auch nicht gastfreundlich und ohne Be- führt unterstützen, wo alle Völker ohne Angst und willkommung. Entarmt und rechtlos stellten sie of- Gewalt leben werden.“ fensichtlich eine Gefahr für Bürger des verwüsteten „Wir haben unser Heimatland verloren. Menschen und zerstörten Landes. Der Hunger des Gastgebers ohne Heimat sind Fremde auf der Erde. Der Gott war zu groß, um etwas mit den Flüchtlingen zu teilen hat allen Menschen eine Heimat angeordnet.Die

33 GUGELKUPFFEST Menschen die mit Gewalt von ihrer Heimat get- Okkupationsmächte ausführten, lebten die Woj- rennt sind, sind seelisch getötet. Uns wurde dieses wodina-Deutschen bis zum Ende des Zweiten Welt- Schicksal erteilt und wir haben es überlebt. Deswe- krieges unter der Last der kollektiven Schuld. Sie gen fühlen wir uns gerufen zu verlangen, dass das alleine können sich von dieser Last nicht befreien Recht auf die Heimat, wie das vom Gott geschenke und niemand anders versucht es auch. Bis jetzt , menschliche Grundrecht, allen anerkannt und ver- ließ kein Mensch vermuten, dass es bei dieser Frage wirklicht wird.“ wenigstens Platz zun Überlegen gäbe. Niemand. Der Staat, “neuer” deutscher Staat, der Flüchtlinge Nicht mal die saatlichen Intitutionen, weder die aus dem Heimatland annahm, erkannte die ganze Institute für Geschichtserforschung, noch die Ser- Schuld für die Untaten, die in ihrem Namen während bische Wissenschaftakademie, Juristenverein, auch des Zweiten Weltkrieges vollbracht wurden. Obwohl nicht die Serbische Ortodoxe Kirche. Eine ehren- das Erkennen der eigenen Schuld die ausgeführten würdige Ausnahme stellt eine größere Zahl der ser- Verbrechen nicht rechtfertigen kann, tut die Tat- bischen Publizisten, die dieses Phänomen erforschen sache “wohl“. Angenehm ist die Tatsache, dass der und darüber auch schreiben. Doch, ihre Stimme ist Staat es schaffte eigene Hochmut und Eitelkeit zu zu schwach, als das man es im lauten Schweigen überragen und dass er der Welt mitteilt, dass dieser bezüglich der Ungerechtigkeit das einem auf Volke Staat nicht derselbe ist, dass er die übrigen Staaten angetan wurde, hören könnte. Dieses Volk lebte als „mit anderen Augen sieht“ und dass er mit anderen ein autochtones mehrere Jahrhunderte auf diesen Staaten kooperieren und mit Liebe leben möchte. Gebieten. Dieses Schweigen wurde zusätzlich durch In diesem Lichte soll man die Geste vom Presi- kriegerische Aufschreie in unlängst beendeten Krie- dent des BRD Willy Brandt und seine Entschuldi- gen betont, in Kämpfen für die besten Positionen gung den jüdischen und anderen Völkern, die Opfer in angefangenen Transitionsprozessen oder in der dieses Regimes während des Zweiten Weltkrieges Entgegensetzung dergleichen. waren, sehen. Diese Entschuldigung stellt, vor al- Die Republik Serbien engagierte alle ihre Poteniale lem, ein Zugeständnis dar, dass das Regime des (Politik, Lobbysten, Spitzenfachleute u.a.), als ge- Dritten Reiches Untaten vollbrachte, danach stellt gen sie seitens der Rebublik Bosnien und Herzegov- dieses Zugeständnis auch Reue für vollbrachte Un- ina eine Anklage für Genozid erhoben wurde. Als taten dar, und zuletzt, dieses Zugeständnis ist auch Haupargument betonte sie ständig, dass das Volk ein Versprechen, in Namen des deutschen Staates nicht schuldtragend sein kann. Schuldig sind immer und allen deutschne Männern und Frauen, egal wo Einzelpersonen mit Namen und Nachnamen, die die sie sich befi nden, dass in Zukunft keine Verbrechen Verbrechen in eigenem Namen ausführten und nicht mehr vollbracht werden. in Namen des serbischen Volkes. Aber, auch dann Unser Staat setzte bis jetzt diese Fragen, die im To- unternahm Serbien nichts, um im Einklang mit ihrer ben der allgemeinen Mühsal verloren gingen, nicht Verteidigung die Last der Kollektivschuld von den in Bewegung. Wojwodina-Deutschen zu beseitigen. Einige dieser Probleme sind gewiss auch Probleme Das Parlament der AP Vojvodina, als ein Parlament der Versöhnung und der Toleranz, wie auch das Ein- jahrhundertlanger multinationalen Gemeinschaft, setzen der Nationalminderheit für den Tabubruch brachte die Resolution über das Nichtanerkennen bezüglich der unzugänglichen und unerforschten der Kollektivschuld, indem sie alle bösartige Folgen Dokumente aus der Vergangenheit, hauptsächlich der Kundgebung der Wojwodina-Deutschen als Ver- aus der Zeit des II Weltkrieges und das Aufhören der brechenstäter im Zweiten Weltkreig. traditionellen, allgemein akzeptierten Beschuldi- Doch, in der allgemeinen Finsterniss kommt ein ein gung der deutschen Nationalminderheit für das gan- kleiner Hoffnungsstrahl. ze Verbrechen und Unheil, das den anheimischen Die Resolution geht von der Tatsache aus, dass das Bürgern passierte. Zu den Problemen zählt auch die Prinzip der kollektiven Schuld unverbindlich mit den Beseitigung von der Kvalifi kation der Schuld des demokratischen Prinzipen und den Wertprinzipen der Volkes für all diese Untaten, denn aus ihrer Perspe- Menschheit ist und ruft auf, die kollektiv schuldigen ktive können sie auf eine bessere, unmittelbare und Menschen zu befreien, die vertriebenen zu rehabili- andere Art und Weise begriffen werden. tieren, die unschuldig beklagten und die unschuldig Für schuldig erklärt wegen all den Untaten, die die verunglückten Menachen auch zu befreien. 34 GUGELKUPFFEST Mit dieser Resolution ist die Schweigewand, mit Kollektivschuld und über die Ereignisse nach dem welcher das Verunglücken der Deutschen von 1944 zweiten Weltkrieg, immer mehr ändert. Die Woj- bis 1948 tabuisiert wurde, zerschlagen. Zum ersten wodina-Behörde spielte in diesem Prozess eine Mal nahmen die Vertreter der offi ziellen Staatsor- Pionierrolle. Die Staatsorgane und Behördeinsti- gane der Wojwodina am Gedenktag der Verunglück- tutionen in unserem Lande unterstützten nur ver- ten, unserer Deutschen, zusammen mit Vertretern der einzelt Initiativen, die aus Wojwodina kamen, oder Daonauschwaben teil. Symbolhaft zeigt die Behörde stellten sich taub. in der Wojwodina, dass unschuldige Menschen ver- Leider ist die Behörde der Nachkriegszeit, auch unglückten und dass sie bereit ist das Problem des nicht die aktuelle, nicht bereit aktiv die Initiativen, Verunglückens der Deutschen aus einer anderen die aus Wojwodina kommen zu unterstützen, sollten Perspektive zu sehen. es aber, denn in der Wojwodina leben mehr als 20 Die Resolution setzte ein Prozess in Bewegung, Nationalgemeinschaften und alle Erfahrungen des in welchem sich das schwarz-weiße Bild über den Gemeinsamlebens, gute wie schleche, sind gerade Zweiten Weltkrieg und über die Teilnahme der dort konzentriert. Wojwodina-Deutschen daran, somit auch über ihre

Aus technischen Gründen konten wir nicht die Rede von Herrn Prof. dr. Zoran Ziletic und Herrn Bosko Paukovic herausgeben.

Im Rahmen der traditonellen Manifestation der Gugelhupffest, und in der Organisation des deutschen Vereins für gute nachbarschaftliche Beziehungen KARLOWITZ aus Sremski Karlowzi, wurde auch in diesem Jahr der Runde Tisch organisiert. Es nahmen daran mehrere meist bekannte serbische Publizisten teil, die über die deutsche Nationalminderheit in Serbien, in der Wojwodina schreiben und diese auch er- forschen. Der Runde Tisch, der in diesem Jahr dem Thema “Donauschwaben in den serbischen Medien” gewidmet ist, nahm zusammen mit eminenten Fachleuten aus diesem Bereich Folgendes an: MITTEILUNG AN DIE ÖFFENTLICHKEIT

1. Komplexe Frage bezüglich des Schicksals der Die Unabhängigen Medien brachten aber im Rah- Wojwodina-Deutschen nach dem Zweitem Welt- men allgemeiner Strategie des Widerstandes gegen krieg stellen in unserer breitesten Öffentlichkeit das Milošević-Regime gern das delikate Thema ins ein Thema, über das man unwillig spricht, dar. Zur Rampenlicht, inbezogan das Thema der ethnischen Titos Zeiten war es unmöglich über diese Thema- Säuberung der Wojwodina-Deutschen aus dieser Ge- tik zu schreiben. Zur Zeit der Milošević- Herrschaft genden. Denen dankend konnten die demokratisch- wird es doch dann möglich, aber nicht auch wün- en Intellektuellen serbischer Herkunft ihre Einstel- schenswert, so dass es für Autoren solcher Texte lungen äußern und mithilfe dieser, die serbische nicht gerade ungefährlich war. Die Staatsmedien sind öffentliche Meinung versuchen zu animieren, damit dieser Sache aus dem Wege gegangen und wenn sie man über dieses nicht leicht zu übersehendes Thema dazu gezwungen wurden darüber zu schreiben, dann anfängt ernshafter nachzudenken. haben sie das mit negativer Konotation gemacht. Als man aber dem Regime in der Welt irgendwelche de- 2. Es ist zwar in den letzten Jahren gewisser mokratische Legimität besorgen sollte, haben Me- Fortschrit im medischen Sinne erkennbar, aber das dien über die Frage der Wojwodina-Deutschen mit ist für die wesentliche Verständnis dieses Problems großer Dosis Euphemisus geschrieben immer noch ungenügend. und haben die historische Ereignisse und die unwid- erlegbaren Untaten gegenüber der deutschen Ziwil- 3. Das Verbrechen hat keine Nation. Es gibt weder bevölkerung relativisiert. Verbrechevölker noch Genozidvolk, sondern nur 35 GUGELKUPFFEST Genozidregime. Deshalb setzen sich Teilnehmer des dafür einsetzen, dass man auch andere Themen Runden Tisches energisch dafür ein, dass man dem bezüglich der serbisch-deutschen Beziehungen in Verbrecherphänomen gegenüber den Lokaldeutschen der Wojwodina erforscht, wie z.B. die wichtigen in der Zeit 1944-1948 wie auch gegenüber den Ser- wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen, die ben und anderen Völkern in der Zeit der deutschen interaktiv- kulturellen Einfl üsse und auf dieser Ba- Okupation 1941-1945 vorurteilslos und forscherisch sis das gegenseitige Durchweben der Kulturen. So objektiv antritt. Nur auf diese Weise wird die poli- wird das ganze Phänomen demistifi ziert und auf tische und quasipatriotische Manipulation bezüglcih ihn wird neues Licht geworfen. Das wird nicht nur der Opferzahl verhindert und der Versöhnungsproz- zur Verständnis der historischen Vergangenheit der ess wird gewisser sein. Völker, die Jahrhunfderte zusammen lebten und ar- beiteten, führen, es wird auch eine Anregung dafür 4. Obwohl inmitten aller Nationalgemein- geben, dass man die Gegenwart und das Bedürfnis schaften in der Wojwodina namhafte Widerstände nach der Pfl ege des gemeinsamen Lebens und die im Bezug auf die Forschug der Untaten aus dem volle Multikultur in der nationalreichen Wojwodina zweitem Weltkrieg zum Erschein kommen, schon in Serbien besser versteht. allein die Tatsache, dass sich Forsher deutscher wie Sremski Karlowzi, den 30. Juni 2007 auch serbischer Nationalität gleichermaßen schon Teilnehmer: über ein Jahrzehnt mit der Frage des Verbrechens 1. Prof. Dr. Zoran Žiletić gegenüber den Wojwodina-Deutschen befassen, ist 2. Prof. Dr. Dragoljub Živković ermutigend. Das ist der Beweis, dass man sich mit 3. Stjepan Seder dem Verbrechen ohne nationalen, politischen, re- 4. Mirko Sebić ligiösen, ideologichen oder irgend welchen anderen 5. Zlatoje Martinov Vorurteilen auseinandersetzt. 6. Dragi Bugarčić 7. Božidar Pauković 5. Teilnehmer des Runden Tisches werden sich 8. Slobodan Mirić

WIEDER IN DER HEIMAT Deutscher Folkloreabend S. A. Weßkopf

n den Räumen des slowakischen Klubhauses wurden und die heute noch von unseren Mitgliedern in Bačka Palanka stellten sich am 11. April bei Vorführungen und Auftritten getragen werden. Idie Folkloremitglieder des Ensembels Steyer Hauptsächlich unterscheidet sich diese Tracht von aus Deutschland vor. Diese Gruppe von 40 Mitglie- allen anderen durch das große Tuch, das über die dern tanzt nicht nur sondern bildet auch ein kleines Schultern gelegt getragen, vorne an der Brust über- aber hochqualitatives Orkester. Sie führten uns Tän- kreuzt und hinten am Rücken oder auf der Hüfte ge- ze und Lieder aus Schwaben, aber auch aus einigen bunden wird. Regionen der Wojwodina vor, wie sie damals, als Das Tanzensemble ist professionell und ist neben noch die Deutschen dort lebten, gespielt wurden. dem Eingespieltsein auch durch sehr gute Technik Zusätzlich zu den Tanzaufführungen wurden auch jedes Einzelnen gekennzeichnet. Den besonderen Trachten aus verschiedenen Regionen vorgezeigt. Reiz liefert die Tatsache, dass manche Tanzmitglie- So sahen wir auch Trachten aus einigen Woj- der nicht älter als sieben – acht Jahre sind ( das trifft wodinaregionen. Auf die Mitglieder des Deutschen bei drei der Kinder zu), manche aber schon sechzig Vereines für gute nachbarschaftliche Beziehun- bzw. siebzig sind. Trotz dieses Altersunterschiedes gen KARLOWITZ hinterließen Trachten aus dem wirkt der Verband sehr homogen und es ist offen- rumänischen Banat den stärksten Eindruck. Sie äh- sichtlich, dass sie in dieser Aufstellung bereits län- nelt sehr denen, die in Sremski Karlovci getragen gere Zeit auftreten. Auch die kleine Bühne konnte

36 WIEDER IN DER HEIMAT sie nicht daran hindern, ihre ganze Kunst, ihr Wis- Osijek und aus vielen anderen Orten. Am Vortag trat sen und Können unter Beweis zu stellen. Auch wenn das Ensembel in Sombor auf, so dass Besucher aus deshalb einige Tänze nicht von allen Mitgliedern Nordvojvodina an diesem Abend nicht teilnahmen. zusammen ausgeführt werden konnten, was si- Wie das Publikum das Konzert erlebte, konnte am cherlich den guten Eindruck etwas verminderte. besten am langem Applaus beim Empfang und Dieser Abend wurde durch die Teilnahme bei der Verabschiedung der Ausführer, gemessen von Hr. Josef Jerger, dem Vorsitzenden des Welt- werden. dachverbandes der Donauschwaben, zusätzlich be- Die Geschichte wäre nicht vollständig, wenn wir reichert. Er leitete die Konferenz. In dem Zusam- nicht ein paar Worte zum Gastgeber „Bački Forum“ menhang stellte er nationale Trachten, über die wir aus Tovariševo, bzw. dem waren Gastgeber Glisi schon berichtet haben vor, sowie Lieder und Tänze Mihajlov, sagen würden. Herr Mihajlov hat mit der der deutschen nationalen Minderheit der Vorkrieg- Organisation des Raumes, mit den Mitteln und der szeit aus denen er pesönlich einige Zeilen rezitierte. Ausstattung zum Erfolg dieses Ereignisses maßge- Mit welchem Talent und mit wie viel Liebe er diese bend beigetragen. Er war ein echter Gastgeber so- Gedichte vorgetragen hat, bewies der Applaus der wohl den Folkloreteilnehmern als auch den Gästen hinterher folgte. gegenüber, und veranstaltete auch eine Cocktailpar- Dieser Abend war auch ein sehr guter Anlass für ein ty nach der Aufführung. So konnten sich die Leute Treffen und gegenseitiges Kennenlernen der „hei- noch besser gegenseitig kennen lernen, Adressen mischen“ Deutschen. Die Mehrheit des zahlreich er- austauschen und neue Treffen ausmachen. schienenen Publikums – der Raum war so voll, das Es ist schade, dass es der erste Auftritt eines kün- ein Teil der Besucher stehen mussten – machten die stlerischen Esembles aus Deutschland war, aber Deutschen aus. Neben den deutschen Gastgebern hoffentlich nicht der Letzte. Wir hoffen, dass noch aus Bačka Palanka, kamen auch Deutsche aus Srem- weitere Ensembel in Vršac, Pančevo, Sremski Kar- ski Karlovci, Sremska Mitrovica, Odžak, Novi Sad, lovci, Sremska Mitrovic folgen werden. Rückkehr der Hausherren Dobrila Boba Knežević

m 17. September 2006. Sander/Hauche Mühle ist heruntergekommen, - aber “Es ist Sonntag. sie hält weiter stand. ADie Zeit vor dem Mittagessen. Vor sich sehen sie den hohen Turm der Bulkeser Vom neuen Weg bei der Tscharda biegen zwei Busse Kirche, die der Enkel von Herrn Johann Sander, und einige Pkws links in das Dorf mit zwei Namen, Margarethas Sohn Bernd Sander, versuchte zu er- ab. neuern. Bulkes? Maglić? Zuerst werden sie von den heutigen Bewohnern des Alle sind aufgeregt. Dorfes empfangen, von den tüchtigen Leuten, die Viele haben von Tränen getrübte Augen. Sie erin- hierher gebracht wurden, - viele haben zwangsweise nern sich an ihre Kindheit und Jugend. die Häuser ihrer Vorfahren verlassen müssen. Sie erinnern sich auch an die plötzliche Abfahrt - an Sie sind nun für immer hier, um alle, die ins Dorf ihre Verfolgung (Vertreibung). kommen, willkommen zu heißen. Es geschah vor über 60 Jahren, bei ihrem letzten Sie kamen aus unterschiedlichen südlichen Bal- Aufenthalt im Dorf. kangebieten: Sie sind zaghaft. Wohin sollen sie schauen? Opa Nikola aus Moravatal, Janis aus Griechenland, Es gibt keine schönen Weinberge, keine Ziegel- Trivuna spielte neben Una, Stojanka aus Mazedo- brennerei, keine Hanffabrik, keine Salasche mehr. nien, Filip aus Dalmatien, Katica aus dem Norden Sie sehen, dass links noch immer die Grundlöcher der Batschka, Novak aus Herzegowina, der kleine sind, die sie an die Sommertage der Kindheit erin- Milan wurde in Maglić geboren, ... nern. Die schöne Schülerin der Mittelschule Fräulein

37 WIEDER IN DER HEIMAT Nada aus dem Haus Nr. 146 begrüßt als Erste die barn - Handwerkers GRASSes, EISEMANNs, ankommenden Gäste. SCHMIDTs, WEISSENBACHs, LANGs, GREI- Zum ersten Mal steht heute das ehemalige Fräulein FENSTEINSs, WAHLs, KENDLs, NEBERs, SCHREINER, jetzt Margaretha DEGEN mit ihren JELCHOS, ... beiden Kindern Johann und Margaretha neben ihr. Sie warten, um den alten Friedhof gemeinsam zu Sie sind im selben Haus aufgewachsen. betreten. Jede zu ihrer Zeit. Bald beginnt das Gebet. Während die Busse sie durch die Straßen ihrer Kind- Das erste nach so vielen Jahren daheim in Bulkes. heit und Jugend fahren, sind die Reisenden sehr auf- Frau Maria BECK aus dem Haus Nr. 119 ist mit ihrer geregt, sie sehen, dass ihre heutigen Bulkeser Nach- Tochter und ihrem Enkel Kristian im Bus. barn vor ihren Häusern stehen oder sie sitzen auf Sie erlebte diesen Tag. den Bänkchen, - warten auf sie mit Geduld. Ihre Augen glänzen. Vor Tränen ... Die ersten drei Kleinen von WAHLs sind mit Maria Während die Busse langsam fahren, verwandeln und Theresia KEMPF. Bei ihnen sind auch die drei sich ihre zweiundneunzig Jahre in ein Mädchen, das Katarinas aus 400a und Anna und Dorotea aus 206 b auf den Straßen von Maglić - ihres Bulkes spielt. und Herr Jakob FREY aus 292. In den Händen hält sie ein Buch, das sie selbst ge- An der Ecke steht der Dorfschornsteinfeger mit schrieben hat. Sie möchte sich bei den Bewohnern seiner Familie. ihres Dorfes bedanken, die geholfen haben, die kle- Sie fahren an Haus Nummer 396 vorbei. Im Bus ine Gerda, Erna, Peter, Horst, Johanna, Margaretha, befi ndet sich keiner der KLEINs. Die WEBERs aus Maria, BERNHARDT und die anderen Kinder aus 391 fehlen, die WEISSENBACHs aus 332 auch. diesem Dorf nicht zu vergessen. Die Busse sind bereits bis zur Erste Gasse gefahren. Während die Kinder aus der neuen Schule in Maglić Sie fahren in Richtung Friedhof. Willkommenslieder sangen, dachte sie an die Lehrer Die Familie des Kaufmanns Fritz BECK wartet vor Karl KENDL, Tobias POLSTER, Karl BRUNNER ihrem Haus. Sie würden gerne in ihr Haus hineinge- und an Jakob HOFFMANN. hen, aber in diesem leben inzwischen einige andere Auch an Eugenie, Käthe, Julchen, Mathilde/Hilde Leute. Sie wollen sie nicht stören. und Erna BRUNNER und Katharina, die Kindergärt- Es ist Mittag. nerinnen des Bulkeser Kindergartens. Auch an ihre Zeit zum Mittagessen in ihrem schönen Dorf Bul- Helferin Elisabeth KLAUS. kes. Sie möchte, dass auch DUŠAN und Milan und Am Haus des früheren Bulkeser Arztes Dr. SANDER Vinka und Dragan und Slobodan und Sladjana und (Titos Partisanen haben ihn zusammen mit anderen Žarko ihr Buch und alle geschriebenen Bücher über Bulkesern am 17. November 1944 im Akazienwald die Menschen dieses schönen Dorfes vorlesen, … von Palanka erschossen) spielen die Kinder Volley- und all denjenigen, die sie mit einem aufrichtigen ball auf dem heutigen Pausenhof der Schule. Willkommensgruß empfangen haben. Sie weiß, dass INGE, der Liebling des Arztes, und ihr Mann Hein- sie sich besser verstehen, wenn sie die Wahrheit über rich aus der Familie STEPHAN kommen schon sie und ihr Golgatha erfahren. lange Zeit immer mit dem Wunsch nach Maglic, die Sie hat sich dazu entschlossen, ihr Buch DUŠAN zwei Dörfer zu versöhnen, ihnen schöne Geschich- zu schenken, dem Menschen, der sich darum be- ten über das Dorf ihrer Kindheit zu erzählen und müht hat, dass sie sich so fühlen, als ob sie in ihr dazu beizutragen, dass die gegenwärtigen Bewohner Heim kamen, - dass sie wieder in ihr Dorf Bulkes stolz darauf sind hier zu wohnen. kommen und ihre große Kirche betreten sowie für Am Eingang zum alten Bulkeser Friedhof warten alle eine Gedenkfeier abhalten, die in den Lagern die RAPPs mit ihren Cousinen, die DEGENs aus Jarek, Palanka, Rudolfsgnad, Gakowa, Vrdnik, Fili- der Zweiten Gasse und MAHLERs aus der Letzten pova, Kruschiwil, Mitrowitz, …, in den russischen Gasse. Da sitzt auch die Familie WERLE. In der Bergwerken Antrazit und Toschkowka, im serbisch- Batschka sagt man, dass sie Bauern sind. Seit sie in en Bor, dem Lager 1026, Sneschnoe, … geblieben das Lager gebracht wurden, waren sie nicht in ihrem sind. Dorf, um entlang der Ackerfurchen zu gehen. Sie beten für jeden von ihnen, der auf dem Weg ohne Unweit von ihnen stehen die Cousinen und Nach- Rückkehr geblieben ist. 38 WIEDER IN DER HEIMAT Herr Heinrich HOFFMANN befand sich nicht unter 8.5.1945) geboren (und ist am 17.1.1946 in Jarek den Reisenden im Bus. Mit Liebe und dem Versöh- gestorben). nungswunsch ist er mehrmals ins Dorf seiner Vor- Auch Herr und Frau HOFFMANN, die sich mitsamt fahren gekommen. Zusammen mit seinen Freunden der sechsmonatigen Brigitte an den Händen halten, und Herrn Peter DEGEN, bekannt als WENDLs Pe- sind hier. Auch in Jarek konnten sie nicht ohne ein- ter, ein Mann von großem Herz, der sich bis zu sei- ander leben. Sie waren elf Tage (im Sterben) get- nem Lebensende darum bemühte, die zwei Völker rennt. aus dem Dorf mit zwei Namen zu versöhnen. Herr Peter und Anna KLAUS stehen neben ihnen. Sie fuhren auch an Haus Nr. 6 vorbei - dem Haus der Bei ihnen stehen die BIEBERs aus Haus Nr. 46, Familie DEGEN, in dem Peter geboren ist. dann die BINDERs aus Nr. 182 in der Hauptgasse. Vielen tut es Leid, dass er nicht miterleben konnte, Der kummererfüllte Herr HÄHNEL Peter HNr. 197 unter ihnen zu sein. wartet auf seine Frau Elisabeth und seine Tochter Sie irren sich natürlich. Christine, die beide aus Antrazit kommen. Der Apostel sagt: “ Die Liebe hält lange aus, sie ist Apotheker Christian HARTMANN (wurde am 17. gnädig ...” (I Kor, 13.4). November 1944 von Titos Partisanen im Akazien- Erinnerung: wald von Palanka erschossen) HNr. 213 ist mit sein- Während die Gäste der gegenwärtigen Maglic Be- er liebsten Ehefrau Christine hier. Beide schauen li- wohner die Kirche betreten, begleitet sie der unsi- ebevoll auf ihre einzige Tochter Helga. Sie warteten chtbare Blick des Pfarrers Karl ELICKER auf all lange darauf, bis sie auf die Welt kam. Sie war erst die toten Bulkeser, - die ausgestorbenen Familien, fünf Jahre alt, als sie in das Lager Jarek gebracht die plötzlich aus der Erinnerung hierher zurückkom- wurde. men und jetzt in diesem Augenblick wie lebendig in Alle wollen sich ausruhen. Maglic gegenwärtig sind: Sie wissen, dass ihre Bulkeser wieder kommen und Neben ihm steht Frau Maria BAUER aus Haus Nr. auch ihre Jüngsten mitbringen. 468. Sie ist froh, weil ihr lieber Ehemann Samuel Sie warten mit dem Vorsitzenden ihrer Vereinigung, BAUER aus Antrazit, aus dem fernen Russland Herrn Franz aus dem Haus JUNG. nach dem Krieg zurückkam. Ihre Tochter, die kleine Herr Karl WEBER ist ihnen bei der Erkennung des Magdalena, hält in Erinnerung an Jarek die Hände Dorfes ihrer Vorfahren behilfl ich. ihrer sechsjährigen Brüder, den Zwillingen Samuel Während der Bus von der Haupt - Gasse in Richtung und Heinrich, fest. Sie wollte sie behüten. Es gelang neues Maglićer Schwimmbad auf der ihr nicht. Hutweide abbiegt, denkt das ehemalige Mädchen Auch die Liebe der Mutter half dabei nicht, - die (Anm.: Die Autorin dieses Reiseberichts.), das in kleinen Zwillinge sind im Lager Jarek gestorben. Maglić aufgewachsen ist, an sein heutiges Haus in Fritz BECK HNr. 31 aus der Ersten Gasse traf sich Belgrad. Sie lebte im Bulkeser Haus Nr.142 von heute ebenfalls mit den Seinen. Heinrich und Katharina Hähnel.” Auch Franz JUGENHEIMER HNr. 112 aus der “Sie ist heute froh. Einer ihrer Wünsche ist in Erfül- Haupt Gasse ist mit den Seinen vereint. Er fand sie lung gegangen. in Jarek. Nur auf die kleine Elisabeth warteten alle. Sie weiß, dass jener Augenblick nahe ist, an dem Sie kam vom Norden der Batschka, aus dem Lager die Wahrheit über das ehemalige Bulkes und dessen Gakovo. Bewohner ans Licht kommen wird. Sie glaubt, dass Katarina BIEBER aus Nr. 448 kam vom Donez- sich dessen ehemalige und gegenwärtige Bewohner becken. endlich versöhnen werden: die tüchtigen Leute aus Friedrich GLAS Junior HNr. 382 hat seine Bulkes- Bulkes mit den tüchtigen Leuten aus Maglić. Bewohner seit seinem letzten Geburtstag am 9. April Sie wird einige von ihnen durch Gotteshilfe kennen 1941 nicht gesehen (an diesem Tag wurde er im YU- lernen. Sie wird sie darum bitten, sich gemeinsam Feldzug bei Nisch ermordet). Er kam aus Niš an. darum zu bemühen, dass dieses Dorf dasselbe wird, Herr Chistian GERHOLDT HNr. 221 liebkost mit wie es früher war: unser schönes Dorf Bulkes. seinen schwieligen Landwirthänden den achtmonati- Auf diese Weise kann sie auch die Antwort auf die gen GERHOLDT, Susanes Sohn. Sein jüngster En- vielen Fragen fi nden, die sie sich selbst gestellt hat, kel war nie in Bulkes - er wurde im Lager Jarek (am als sie in den Maglićer Straßen spielte, das Alphabet

39 WIEDER IN DER HEIMAT bei der gutmütigen Lehrerin Nada lernte, zum Bahn- Warum ist niemand da, der Blumen auf die Gräber hof ging, um Gäste abzuholen, Rad fuhr oder Was- legt? ser aus dem Wasserhahn im Zentrum bei der Kirche In ihrer kindlichen Unbedenklichkeit wollte sie die holte. Begrabenen erfreuen. Sie dachte, dass sie froh sind, Dann fragte sie sich hin und wieder: wer sind die wenn sie ihnen Veilchen schenkt. Leute, die in der schönen Bulkeser Kirche beteten, Sie fragt sich inzwischen, wer ihre Nachfahren sind? wer lebte in den Häusern? Warum sind alle aus dem Wo sie nun sind? Was sie über dieses schöne Dorf Dorf verschwunden? wissen? Haben ihre Vorfahren sie gelehrt, dieses Wie sahen die Augenblicke vor ihrer Abfahrt aus? Dorf so zu lieben, wie sie es taten? Wer hat sie von hier abgefahren? Lieben sie es wirklich? Warum? Könnt ihr Bulkes - Maglić lieben?” Sie fragte sich, wessen schöne Denkmäler sich auf Anm.: Die Autorin hat die ersten Buchstaben in Bul- dem Friedhof befi nden? kes/Maglić gelernt.

HILFE DER HEIMAT Geschenk an die Heimat Stjepan A. Seder

n einem schönen Wintertag, 07. Februar ein Kombi–mobile Arbeitsstätte, und auch mehrere 2007, versammelten sich in den frühen Vor- Maschinen. Amittagstunden zahlreiche Gäste im Kabinett Herr Gottfried Wagner ist ein ehemaliger Bewohner des Bürgermeisters in Titel. Anlass war ein Geschenk von Titel, ein Nachkriegsfl üchtling, der in seine alte im Wert von über 50.000 €, die der ehemalige und Heimat Deutschland zurückgekehrt ist. Sein Titel hat er aber nicht vergessen und er sehnte sich schon immer den Rest seines Lebens dort zu verbringen. Er zog nach Titel um und lebt jetzt dort. Herr Wagner beschloss seine Arbeitsstätte, die bei voller Kapazitätsauslastung mehr als 20 Mitarbeiter be- schäftigte, seinem Geburt- sort zu schenken. Er selber will die erste Generation der arbeitslosen Bürger aus Titel unterrichten. Die Gemeinde hat diesen Vorschlag des Herrn Wag- ner genehmigt und mit der Schule eine Vereinbarung getroffen, so wird im Rah- men der Schule eine freiwil- zukünftige Einwohner von Titel, Herr Gottfried lige Umschulung den Jungs möglich gemacht, die Wagner feierlich überreichte. Das Geschenk ist eine am Schluss ein anerkanntes Zertifi kat ausgehändigt mit Geräten komplett ausgestattete Arbeitsstätte für bekommen werden. Verlegung von Gas- und Wasserleitungen und In- Der Bürgermeister der Gemeinde Titel, Herr Mili- stallation von Heizungen. Teil des Geschenkes ist voje Petrović, betonte vor den anwesenden Gästen, 40 HILFE DER HEIMAT wie wichtig diese Stiftung des Herrn Wagner für die darüber, dass Menschen unterschiedlicher National- ganze Gemeinde und die Stadt selbst ist. Besonderer itäten gut und in Frieden miteinander leben können. Dank geht an Herrn Wagner, aber auch an Frau Hil- So wie die Tatsache, dass Pfarrer Parabucki seiner degard Gutenkunst, Leiterin der evangelischen men- orthodoxen und Herr Wagner seiner evangelischen schlichen Organisation für Baden Würtenberg und Kirche sehr nahe standen. Herr Wagner wurde in an ihren Stellvertreter Herrn Huber Schönau, die dieser Kirche getauft. auch mitgestiftet haben. Frau Gutenkunst sagte auch – Herr Wagners Kirche Der Bürgermeister verdeutlichte in seiner kurzen steht immer noch, auch wenn sie hinfällig ist, meine Rede die Bedeutung dieses Geschenkes für die Sen- Kirche in Šajkaška wo ich geboren wurde und die kung der Arbeitslosigkeit, denn in der Gemeinde Kirche des Herrn Šena, gebürtig aus Kać, stehen sind sehr viele junge Menschen arbeitslos und ha- nicht mehr. Diese Kirche in Titel ist für uns Drei ben keine Berufsausbildung. Durch die Umschul- zum Symbol unserer evangelischen Kirchen gewor- ung werden sie sich Fachwissen im Bereich der den. Wir wissen, dass es hier keine evangelische Ge- Gas - und Wasserverlegung und Heizungsinstalla- meinde gibt, aber wir denken, dass man aus dieser tion aneignen. Geplant ist, die Stadt an Gas anzus- Kirche eine Art Touristikzentrum für alle Gläubige chließen und somit soll es arbeit für die Fachkräfte schaffen kann, wo die Menschen hinein gehen und geben. dort beten können. Die hier lebenden evangelistisch- - Im Büro für nationale Minderheiten AP Vojvodina en Slowaken benötigen auch eine Kirche. Das alles in Novi Sad habe ich gestern die Broschüre „Wie spricht für die Wiederherstellung der Kirche. Das gut kennen wir uns“ erhalten. Ich war beruhigt und sind ausreichende Gründe damit die Menschen an erfreut dass diese Broschüre unsere älteren Mitbürg- diesem Ort zum Seelenfrieden fi nden. Wir werden er erwähnt. Herr Gottfried Wagner ist ein lebendes alles in unserer Macht stehende tun und bitten die Beispiel dafür. Laut Frau Hildegard Gutenkunst hat Gemeinde uns so weit wie möglich zu helfen, unter- Herr Wagner mit seiner Aktion ein Stein zum rollen strich Frau Gutenkunst am Ende ihrer Rede. gebracht, der keinen Halt machen wird sondern mit In seiner Rede an die Anwesenden, sagte Herr Schön, weiteren Aktionen zu rechnen ist. dass alle Drei, Frau Gutenkunst, Herr Wagner und Die Menschen werden immer älter und dessen sind er selbst – in der Wojwodina geboren wurden, und wir uns alle bewusst. Wir alle können viel von ih- dass sie nicht so recht wissen, wo ihre Heimat ist. nen lernen und deshalb sind wir besonders auf Herrn Hier, wo sie geboren wurden oder dort, wo sie heute Wagner und sein Geschenk sehr stolz. Solche Leute leben. wie ihn brauchen wir. Herr Wagner ist auf das Heimatland seiner Jugend Frau Gutenkunst sprach von einem Erlebnis aus sehr stolz und er will den jungen Bewohnern dort Herrn Wagners Kindheit: aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung helf- - Eines Tages beobachtete Herr Wagner wie sich en. Er allein hatte diese Idee und es war seine Ents- ein Storch in seinem Nest auf dem Kirchendach cheidung, wobei wir ihn unterstützt haben. verstrickte und er betet zum Herrn, dem Storch zu Eine korrekte Zusammenarbeit mit den Bewohnern helfen. Es machte ihn traurig den Storch so qualvoll dieser Gemeinde herzustellen, ist für uns von größter verenden zu sehen, was offensichtlich geschehen Bedeutung. Vor vielen Jahrzehnten lebten hier zahl- würde, falls ihm keiner helfen würde. Er ging zu reiche ethnische Gruppen ohne Probleme. In den Djordje Parabucka, orthodoxer Pfarrer. Herr Wag- letzten 60 Jahren waren wir aufgrund des Krieges ner und sein Vater kletterten auf das Kirchendach, und der Ideologie getrennt worden. Diese verlorene doch sie kamen an den Storch nicht ran. Die einzige Zeit wollen wir nachholen und neue zwischenmen- Lösung war, sich aus dem Turm mit dem gesam- schliche Beziehungen herstellen. Dieses Projekt soll ten Körper auf das Dach zu strecken. Während sein dem gemeinsamen Miteinander auf den ehemaligen Vater das tat, hielt Herr Wagner ihn an den Füssen Gebieten Jugoslawiens helfen. fest. Sie schafften es. Sie befreiten den Storch. Auch Es hat lange gedauert bis wir alle notwendigen Mit- der Pfarrer Parabucka war über den Ausgang dieser tel hatten, die wir für die Verwirklichung dieses Pro- Aktion glücklich. jektes benötigen. Damit der Zug, den Herr Wagner Diese Geschichte sagt nicht nur viel über die Bezie- aufgestellt hat, auch am Zielort sicher ankommt, hung zur Natur und zu den Tieren aus, sondern auch müssen wir ihn gemeinsam auf die Schienen le-

41 HILFE DER HEIMAT gen. Der erste Schritt ist, dass die Jungs umgeschult Dieses Projekt erfüllt Bedingungen beider Bereiche. werden und eine Arbeit in ihrem neuen Beruf fi n- Das wichtigste ist es Arbeitsplätze zu schaffen. Be- den. Genauso wichtig ist auch das Erhalten der Ar- herrschen sie einst den Einbau – Ausbau dieser In- beitsstätte auch nach der ersten Generation. Wer die stallation, dann stoßen sie auch auf die Energie. Ich Leitung der Arbeitsstätte später übernehmen wird, wünsche Euch viel Erfolg und bedanke mich für die ist Vereinbarungssache zwischen Herrn Wagner und Einladung. der Schulverwaltung. Dafür gibt es noch keine Mit- Laut Frau Jadranka Peštin, Schulleiterin, kann kaum tel, aber das wird die deutsche Seite zur Verfügung noch etwas schief gehen, da hinter diesem Projekt stellen. In Deutschland wird bei Misserfolgen ein eine gute Idee und eine ernsthafte Initiative steht. Einzelner verantwortlich gemacht, bei Erfolgen aber Ich bin außerordentlich glücklich und zufrieden, alle gemeinsam gelobt. Ich möchte das ganze um- dass unsere Schule an diesem Projekt teilnimmt. Es drehen und sage, wenn wir mit diesem Projekt Er- ist ein ernstes Projekt mit konkreten Aktivitäten, das folg haben, dann insbesondere Dank Herrn Wagner. handfeste Ergebnisse bringen wird. Die Teilnehmer Bei der Verwirklichung dieses Projektes bitte ich um erlernen neue Berufe, die ihnen im Leben weiter- ihre Mithilfe, um Herrn Wagner zu unterstützen und helfen werden. Das sind unsere ehemaligen Schüler, den jungen Menschen eine Change zu geben. die vor vielen Jahren die Schule beendet haben und Ich will noch etwas, was nicht im Zusammenhang mit bereits seit mehreren Jahren bei der Arbeitsuche er- diesem Projekt steht, sagen. Das betrifft die deutsche folglos sind. Die erste praktische Grundaufgabe wird – evangelische Kirche in Titel, die eher einer Ruine die Installation der Heizung in ihrer Arbeitsstätte ähnelt. In dieser Kirche wurde Herr Wagner getauft. sein, was ebenfalls Teil der Stiftung ist, für den ich Einer der Gründe, warum Herr Wagner dieses Ge- mich hierbei besonders bedanke. Wir werden eine schenk gemacht und warum er sich zur Ausbildung der wenigen Schulen sein, die mit Hilfe von Solar- der Schüler angeboten hat, ist dass die Renovier- zellen heizen und heißes Wasser haben werden. ung der Kirche ermöglicht wird. Gemeinsam mit Das Projekt ist in Zusammenarbeit mit dem Büro Frau Gutenkunst werde ich mich um die benötigten für Regionale Bildung zustande gekommen und es Mittel kümmern. Wir wünschen uns eine Kirche in wurden die Schüler ausgesucht, die unsere Schule modernem Sinne, wo alle Religionen ihre Messen mit Erfolg abgeschlossen haben und gutes Theo- halten könnten. Aber die Arbeitsstätte hat Priorität riewissen aus dem Maschinenbereich haben. Somit – erst arbeiten, dann beten. ist praktische Ausbildung Priorität. Nach Abschluss Ich komme von der deutschen Botschaft, setzte Frau der Umschulung wird jeder Schüler ein Diplom Homer fort, freue mich hier zu sein und bin über „Meister in Heizung und Kühlanlagen“ ausgehän- die Eröffnung dieser Schule und Arbeitsstätte für digt bekommen. Sie erhalten auch ein Zertifi kat der die Umschulung junger arbeitsloser Menschen sehr deutschen Handwerkskammer, entspricht der dorti- glücklich. Das ist eine Initiative des Herrn Wagner. gen Berufsausbildung, die es bei uns nicht gibt. Diese Geste, sich Gedanken über die jungen Men- Der Stifter, Herr Gottfried Wagner, bedankte sich schen in Titel zu machen, verdient jeglichen Lob und bei allen für die schönen Worte, Worte voller Dank- Anerkennung. Herrn Wagner hat das Komitee für barkeit und Unterstützung und betonte dass er die- Hilfe der deutschen – evangelischen Kirche, durch sen Moment kaum hat erwarten können, jetzt wo es die innige Unterstützung des Bürgermeisters und gewiss ist, dass sein Projekt startet. Schulleiter sehr viel geholfen. Ich freue mich, dass - Ich bin sehr glücklich, dass endlich die Zeit gekom- es zu dieser Zusammenarbeit kommen wird. Ich bin men ist und wir mit dieser Arbeit und gemeinsamer zur Eröffnung der Arbeitsstätte eingeladen worden, Kraft unser Ziel erreichen werden. Ich habe mich in aber auch um mir ein Bild darüber zu verschaffen, Deutschland mit Umschulungen beschäftigt und bin wie das ganze funktioniert und ob die deutsche davon überzeugt, dass auch diese Jungs hier genau Botschaft zusätzlich zur Verwirklichung dieses Pro- so intelligent sind wie dort, dass sie für die Aktion jektes behilfl ich sein kann. Deutschland gibt viele bereit sind und dass wir die gestellten Ziele erfolg- Hilfeleistungen an Serbien. Seit dem Jahre 2000 hat reich erreichen werden. Herr Wagner beendete seine Deutschland 450 Millionen € an Hilfeleistungen Rede mit den Worten, er akzeptiere keinen Misser- gegeben. Hauptsächlich im Energiebereich und für folg, aber man muss für das gemeinsame Ziel auch die Gründung von Klein- und Grossunternehmen. gemeinsam kämpfen. 42 HILFE DER HEIMAT Interview mit Vladimir Herzegovac, Maschinentechniker

Welche Bedeutung hat diese Umschulung für Sie? denn ich weiß nicht, wie ich eine Familie ohne feste Nach der Umschulung zum Meister im installieren Arbeit und festes Einkommen aushalten könnte. von Wasserleitung, Heizung und Keramik, hoffe ich Ist Titel an Gas angeschlossen? eine Arbeit zu fi nden und mir damit meine Existenz Bis jetzt noch nicht, aber es ist in Planung und genau zu sichern. deswegen hoffen wir Arbeit zu fi nden. Hatten Sie bis jetzt eine Beschäftigung? Was denkst du über diese Idee? Nein, hatte ich nicht, ich bin arbeitslos. Ich hatte Meiner Meinung nach ist es eine außergewöhnliche lediglich wenige monatelange Gelegenheitsjobs, die Idee und ich sehe überhaupt keine Möglichkeit wie nichts mit meinem ausgeübten Beruf zu tun hatten. wir jungen Menschen mit unseren gelernten Berufen Sind Sie verheiratet? eine Arbeit fi nden können, wenn es keine Nachfrage Ich bin nicht verheiratet und das ist auch gut so, nach Fachkräften unseres Profi ls gibt.

Nach sechs Monaten Stjepan A. Seder

echs Monate sind seit der Eröffnung der heizung ins Auge. Herr Wagner erklärt uns, dass sie Agentur für Umschulung junger Menschen sich gerade einen kleinen Überblick darüber ver- Saus Titel vergangen, gestiftet vom Herrn schaffen haben, was sie in den letzten sechs Monat- Gotfried Wagner. Wir haben die Agentur besucht en gemacht haben und was dabei effektiv heraus- und haben mit Herrn Wagner, der gleichzeitig auch gekommen ist. In den Ferien organisierten sie „Tag Kursleiter ist,gesprochen und haben erfahren, was der offenen Tür“. Das ist in Deutschland Brauch, das Ergebnis der bisherigen Arbeit ist. wenn Vertreter der Schule und Gemeinde, die Medi- en und Eltern die Schule besuchen. Dabei zeigen die Schüler, was sie bis dahin gelernt haben und was ih- nen beigebracht wurde. In den vergangenen sechs Monaten zeigten die Kursteilnehmer großes Interesse für ihren neuen Beruf und eigneten sich neues Theoriewissen an, welches sie bei einigen praktisch- en Einsätzen unter Beweis stellten. Bereits nach einer anderthalbigen Praxis, installierten die Kursteil- nehmer unentgeltlich in einem Cafe die Heizung. „Der Inhaber besorgte das Material und für uns war das ein Teil praktischer Übung“, zitiert Herr Wagner. Beim zweiten Job installi- erten sie eine Heizung und warmes Stjepan A. Seder, Gotfried Wagner, Mira Kovacevic bzw. kaltes Wasser in der Schulwerk- In der Agentur trafen wir Herrn Wagner und seinen statt des Schulgebäudes. Assistenten Željko Cetenji. Seine 11 Schüler sind in Herr Wagner und Herr Cetenji weisen vor allem den Ferien. darauf hin, dass den Kursteilnehmer die deutsche Als erstes fällt einem die neu aufgestellte Zentral- Auffassung der Installation beigebracht wird. Die

43 HILFE DER HEIMAT Installation der Wasser- und Abwas- serleitungen beinhaltet das Verle- gen der Fließen und Aufstellen der Sanitäranlagen. Uns wurde ein Mus- terbad als Bespiel der zu verbrin- genden Arbeit vorgeführt. In einem Raum der Agentur, der als Übung- sort für die praktische Ausübung dient, zeigten sie uns anhand eines Musterbades die Umsetzung der Ar- beit. Die Teilnehmer haben das selb- ständig gemacht. Beide Gesprächspartner betonen, dass die deutsche Botschaft beim Ausstatten der Agentur sowie beim Ausbau ihrer Installation im Schul- gebäude geholfen hat. Ohne diese Hilfe wäre die Verwirklichung des Ein Beispil eines Badezimmers Grundgedankens, Umschulung junger Leute die bereits seit mehreren Jahren hält die Beendigung des Wiederaufbaus der Kirche ohne Arbeit ihres Fachs sind, kaum vorstellbar. bis 2010 von großer Bedeutung, weil in diesem Jahr Die Gemeinde Titel sieht eine Einteilung aller der der zweihundertste Jahrestag seit der deutschen An- Gemeinde zugehörigen Orte vor, und dann kann es siedlung in Titel ist. sich nur noch um Tage handeln bis diese Arbeit in Vor nicht all zu langer Zeit wurde die orthodoxe Gang gebracht wird, so dass diese jungen Leute eine Kirche renoviert, zurzeit wird die katholische Kirche längerfristige Arbeit bekommen werden. renoviert und wenn noch die evangelische Kirche Der Wiederaufbau der Kirche hat noch nicht begon- fertig gestellt wird, dann kann Titel auf drei schöne nen. Im Moment wird nach der Finanzquelle ge- Kirchen stolz sein. sucht, diese Arbeit liegt noch vor uns. Herrn Wagner DIE ERINERUNNGEN Sieger Stjepan A. Seder

ch bin zu Besuch bei Ritta Speiser, mit Da mein Vater dem Wunsch und mit der Absicht die Ge- keinen Sohn hat, Ischichte über ihren Vater, dem mehrmaligem und ich mich Rekordträger und jugoslawischem Nationalspieler in früh für Sport, der Junior- und Seniror-Konkurrenz in Gewichthe- mit dem sich ben, zu hören. Als er aufhörte diese Sportart weiter- mein Vater bes- hin aktiv zu treiben, war er mehrere Jahre Bundes- chäftigte hatte, kapitän, d.h. Trainer praktisch bis zu seinem Tode. anfi eng zu inter- Ich bin in Bač geboren. Meine Eltern waren im Bil- essieren und das dungsbereich tätig, mein Vater war Deutschlehrer war Gewichhe- und die Mutter war Russischlehrerin. Ich diplomi- ben, die einzige erte an der Philosophischen Fakultät in Novi Sad, Möglcihkeit ihn Lehrstuhl für Pädagogik. Ich war in meinem Fach zu “erben” und nicht tätig, obwohl ich 1995 Postgraduiertenstudium im Sport zu ble- eingeschrieben hatte. Weil ich ohne Arbeit bin, kom- iben war, dass me ich wieder zurück zu meinem Studium. ich Schiedsrich-

44 DIE ERINERUNNGEN ter werde. Da es für eine Frau nicht üblich war, dass sie Schiedsrichter in dieser Sportart ist, reichte ich einen Anspruch der Europäischen Föderation für Gewichtheben ein, mir zu erlauben die Schied- srichterprüfung abzulegen. Mir wurde dies erlaubt und ich erwarb das Recht mit der internationalen Volljährigkeit die Schied- srichterprüfung zu machen. Die Prüfung bestand ich erfolgreich und zwar im Jahre 1986 vor der ju- goslawischen Bund für Gewichtheben. Nach der ersten bestand ich die zweite und auch die dritte Prüfung. Ich arbeite viel und ich werde auch zu den inter- nationalen Regionalwettkämpfe eingeladen. Heute Erih sa majkom Elizabetom bin ich die einzige Schiedsrichter-Frau mit inter- Mein Vater starb unerwartet und relativ jung. Er war nationaler Bedeutung in Serbien und bin auch die nur 55 Jahre alt. Er bekam einen Gehirnschlag und ernsthaftere Kandidatin für den Erwerb vom Titel nach drei Tagen starb er. Er war gerade vor drei Ta- des internationalen Schiedsrichters I Grades. Für gen aus Israel zurückgekommen und sollte in drei diese Prüfung sind zwei Bedingungen wichtig, und oder vier Tagen nach Griechenland reisen. Fast sein das sind: Eine gewisse Zeit muss ich dem Bereich ganzes Sportleben verbrachte er auf Rädern oder in mit gleicher Titel verbringen und das ich in diesem Zügen und bereiste fast die ganze Welt, besser ge- Beruf Praxis habe. Die Bedungung bezüglich der sagt, diejenige Welt die sich mit Gewichtheben als Zeitperiode fülle ich aus, aber ich war nicht oft- Sportart beschäftigte. Das bezieht sich hauptsächlich mals genung Schiedsrichter an internationalen Wet- auf die Zeit, als er Repräsentationstraienr war. Als tkämpfen. Aus einfachem Hauptgrund: In Serbien meine Schwester 1070 auf die Welt kam, hörte wurden jahrelang keine Internationamwettkämpfe mein Vater praktisch auf, sich mit Gewichtheben organisiert, und die Nachbarländer sind darin weit aktiv zu beschäftigen. fortgeschritten, haupsächlich im Gewichtheben für Erich Speiser ist 1940 in Bač geboren. Er war Frauen, so dass Wettkämpfe bei uns seltener satt- Deutschlehrer von Beruf. Mit Gewichtheben bes- fi nden. chäftigte er sich 16 Jahre lang. Die ganze Zeit in An allen Staatsmeisterschaften und Meisterschaften der HERKULES-Mannschaft aus Bač. Er fi eng mit dem Gewichtheben relativ früh an, eigentlich im Alter, wenn es auch den Jungen erlaubt ist, diese Sportart zu treiben. Das ist das Alter, wenn diese Sportart der physischen Entwicklung keine Folgen hinterlasse kann. Zu dieser Zeit hatte HERKULES schon eine Pleiade ihrer Spitzensportler. Nach der erfolgsreichen Wettkampf-Karriere wid- mete er sich dem Trainer-Beruf. Er war mehrfacher nationaler Rekordträger in der Junior- und Senior- Konkurrenz. In der Junior- und Senior-Konkurrenz stellte er 25 Mal den Nationalrekord auf. Erich Speiser mit jugoslavischer Manschaft Er war mehrfacher Nationalspieler der Wojwodina und auch Nationalspieler von Serbien und Jugos- in der Wojwodina nahm ich als Schiedsrichter teil, lawien. Das erste Mal spielte er im Jahre 1962 in der oft auch als Delegat und Sekretär. Ich war auch als Nationalmannschaft und auch als erster Gewichthe- Funktionär im Verband von Serbien und Montene- ber aus Bačka. gro. Neusatzer DNEVNIK bekannte ihn im Jahre 1962 Wenn Rita von ihrem Vater redet, fängt sie von sei- und 1963 als den besten Gewichtheber der Wojwodi- nem Tod an, da sie unerwartet und plötzlich kam.

45 DIE ERINERUNNGEN na bekannt, reihte ihn unter die 10 besten Sportler verlor er zwischen 20 und 40 Kilogramm. In den der Wojwodina ein, was ein hervorragender Erfolg Pausen, die er zu Hause verbrachte, nahm er wieder ist, wenn man die Entwicklung und Popularität des zu, aber er schaffte es nie sein früheres Gewicht zu Gewichthebens bei uns in Betracht nimmt. Neu- erreichen. satzer MAGYAR SZO machte ihn im Jahre 1963 als Diesem Experiment unterzogen sich insgesamt zehn den besten Gewichtheber in Jugoslawien bekannt. Patienten. Von denen überlebten nur zwei. Mein Nachdem er aufgehört hatte, sich aktiv mit dieser Vater war einer von ihnen, und wir denken, dass es Sportart zu beschäftigen, erwarb Erich Speiser den wegen seines “Sportherzens” ist. Mein Vater hatte Ruf des interantionalen Schiedsrichters I Kategorie. nämlich erweitertes Herz, das eine größere Blut- Den Platz des Nationalselektors, d.h. des Nation- menge pumpen konnte und das es auf diese Weise altrainers wie diese Funktion damals hieß, bekam besser und schneller die Arznei im Körper verteilen er gleich nachdem er 1972 aufhörte sich mit dieser konnte. Aber dieses erweiterte Herz war wahrs- Sportart zu beschäftigen. cheinlich auch die Ursache von seinem zu frühen In dieser Funktion blieb er bis zu seinem Tod. Er Tode, denn er hatte höheren Blutdruck, was wir auch starb im Jahre 1995. Parallel mit dieser Funktion wussten. In einem Moment entriss er sich der Kon- hatte mein Vater auch die Funktion des Haupttrain- trolle und der Tod war unvermeindbar. ers im Gewichtheben-Klub HERKULES in Bač. Mein Vater erreichte während seiner langjährigen Als Nationalkapitän nahm er an der Olympiade in Karriere, einerseits als ein aktiver Wettkämpfer, an- München 1972 teil. derseits als Nationalkapitän zahreiche Erfolge. Über Neben zahlreichen sportlichen Siegen, erkämpfte all das gibt es eine Dokumentation, die bei uns in Erich Speiser auch einen Lebenssieg. Er bekämpfte der Familie aufbewart wird. Aber, es gibt keine Do- den Krebs. Eine Krankheit, welche nur wenige und kumentation darüber und es kann auch keine geben, besondere Menschen besiegen. Nach einer harm- wie gern mein Vater diese Sportart überhaupt hatte. losen Operation eines Auswuchses unter dem re- Wie viel Energie er in die junge Generation einbaute, chten Achsel, zeigte die Analyse nämlich positves wie viel Liebe er diesen jungen Menschen übertrug, Resultat. Das bestätigten auch nachträglichen aus- mit welchem Enthusiasmus er sich mit ihren Prob- ländische Kliniken und auch die VMA - Militärische lemen und Sorgen beschäftigte. Er war aufopfernd Medizinische Akademie. Da er ein bekannter und und seine Kenntnis übertrug er gerne und altruist- anerkannter Sportler der Europäischen Föderation isch ohne darauf Acht zu geben welchem Klub die war, bemühte sich die Europäische Föderation ihm Sportler gehörten. zu helfen und bot ihm ärztliche Behandlung in Paris Von 1996 zu Ehren und gedengen an Erich Speiser, oder in den USA an. Mein Vater nahm die ärztliche der vorstandene Wettkampf der Junioren wächst Behandlung in Paris an. zum Memorial von Erich Spaser, wo den Gewin- Da man den Brennpunkt der Krankheit nicht festel- nern neben der Medaille des Verbandes von Serbi- len konnte, war es auch schwer die Therapy anzu- en, dem Pokal des Verbandes von Wojwodina und weisen. Ärzte schlugen ihm vor, dass er sich einem dem Pokal der Hauptschule „Vuk Karadžić“, wird Heilungsprogramm mit experimentellen Arzneimit- auch den Pokal der Familie Speiser übergeben. Ritta tel untrezieht. Er nahm es an. Die Behandlung be- sagt, dass genügend Zeit, in der dieses Turnier als sand aus einwöchiger Therapie und dreiwochiger memoriell organisiert wird und dass es nun zu einem Pause. Insgesamt vier Therapien. Cup auswachsen kann. Aber darüber entscheidet der Nach jeder Therapie, die Tag und Nacht dauerte, Verband.

Das passt wie die Faust auf’s Auge.

Es sind mehr Tag im Jahr als Bratwürst

46 WO SIND SIE, WAS MACHEN SIE? Unbeachtet und unerkannt Stjepan A. Seder m Garten des Restaurants ZVEZDA in Srbo- Erstklassespieler: Klipa, Vorgic, Debeljacki, Vrat- bran sprach ich mit Josip Pirmajer, dem ehe- njan, Lemic, Togajic. Sie alle waren älter als ich. Imaligem Fußballspieler von Novi Sad, Par- Beispielsweise war Klipa 32 und ich erst 17 Jahre tizan, Vojvodina und Nim Olympic aus Frankreich, alt. Fußballer des Nationalteams. Also spielte ich bereits mit 17 Jahren in Seine Eltern waren Deutsche, die bereits 1944 der ersten Liga. Im Jahre 1961 war ich der jüngste ins Konzentrationslager kamen. In diesem Konzen- Spieler der Liga und einer der Besten im FK Novi trationslager für Deutsche in Trbovlje kam er 1944 Sad. auf die Welt. Man brachte die Familie Pirmajer in Wie kam es dazu, dass Sie für „Partizan“ ein anderes Konzetrationslager, in Zagreb in Sljeme, spielten? und 1947 schließlich ins nächste in Knicanin, wo Zu Partizan wechselte ich 1963 mit 19 seine Schwester im selben Jahr geboren wurde. Jahren. Während meiner Zeit beim FK Novi Sad Bei der Entlassung aus dem Konzentration- wurde „Partizan“ und „Crvena Zvezda“ auf mich slager 1947 wurde die Familie Pirmajer auf das aufmerksam und machten mir Angebote. Zu die- Landgut von ZASTAVA bei Srbobran zugeteilt. Von ser Zeit war „Partizan“ ein militärischer Klub und dort aus siedelten sie sich in Srbobran an, wo der hatte die besseren „Trumpf“ im Ärmel um mich Vater, der als Elektrofachmann geschätzt wurde, Ar- davon zu überzeugen, dass „Partizan“ die richtige beit fand. Wahl für mich ist. So wurde ich im Dezember 1963 Die Mutter äußerte den Wunsch nach zum Fußballspieler von „Partizan“. Der Klub stellte Deutschland –nach Bayern zurückzukehren, dort mir sofort eine Wohnung zur Verfügung und löste stammten ihre Großväter her, doch der Vater wollte damit mein Wohnproblem. Ich wurde zum Mitglied das nicht. Aufgrund der Tatsache, dass er noch rela- tiv jung war, hatte er vor der Rekrutierung Angst. Er mochte die Wehrmacht nicht und ich denke dass er sich nach den schlimmen Kriegserlebnissen fürchtete. Nach Mutters Aussagen, stammte sie aus einer in Deutschland berühmten und großen Fami- lie, die heutzutage weltweit zu fi nden ist. Herr Pirmajer, wie haben Sie mit Fußball- spielen angefangen? Ich war sportlich sehr talentiert, nicht nur im Fußball. Ich spielte Basketball, Handball und Tischtennis mit überdurchschnittlichem Talent. Ich war in all diesen Sportarten sehr erfolgreich. Schließlich entschied ich mich für den Fußball, weil er zu dieser Zeit am populärsten war. Mit dem Fußballspielen habe ich in Srbobran angefangen, wo ich meine festen Trainingszeiten hatte. Ich war körperlich noch zu unreif um in der A-Gruppe mit- spielen zu können. Ich war sechzehn Jahre alt. Mein Talent entdeckte Hugo Rusevljanin, damaliger Direktor vom FK Novi Sad, so dass ich bereits mit sechzehn Jahren nach Novi Sad wech- selte und ein professioneller Spieler im FK Novi Sad wurde. Mein Debütspiel hatte ich 1961 mit 17 Jahren. Zu dieser Zeit spielten in Novi Sad nur Josip Pirmajer und Ivan Ćurković

47 WO SIND SIE, WAS MACHEN SIE? von „Partizan“ und galt als Standard- und nichtaus- Wertvorstellung hatte. Man schätzte ihre Meister- schaften, wie vergleichsweise heute die englischen, italienischen oder spanischen, wo wir von fünf Spiel- en kein einziges gegen ihre beste Mannschaft verlo- ren. Milano besiegten wir 5:2 in Belgrad und gegen Interom spielten wir unentschieden. Die Mannschaft war eingespielt und auf einander abgestimmt, da wir lange zusammen spielten und man wusste genau wer was zu tun hatte. Heute ist das nicht mehr der Fall. Ein neues Team wird jedes, evt. jedes zweite Jahr zusammengestellt. Bei Partizan war ich von allen, von den Spiel- ern, den Trainern und dem Management, besonders gut aufgenommen und hatte überhaupt keine Prob- leme. Was die Journalisten betrifft, sieht die Sache jedoch ganz anders aus. Nicht nur, dass ich nicht ihr Liebling war, sondern sie haben mich maßlos un- terschätzt. Möglicherweise hatte meine Herkunft dabei eine Rolle gespielt. Ich weiß es nicht. Um die Note acht zu bekommen, musste ich das Spiel entscheiden. Ich wurde oft als bester Fußballer eines Spiels verkündet und ausgezeichnet, was aber in den Zeitungen nie erwähnt wurde. Im Championsleage - Finale ernannte man mich als den besten Spieler von Partizan was jedoch die Berichterstatter ver- J. Prmajer Fußballweltspiel mit Hajduk aus Split schwiegen. Damals habe ich überhaupt nicht darauf wechselbarer Spieler auf dem linken Flügel. Ich geachtet, aber heute bin ich mir dessen bewusst. wurde zum Spieler in der bis heute noch stärksten „Partizan“ bedeutete mir alles. Bereits mit Generation von Partizan. Damals spielte Partizan siebzehn Jahren sammelte ich seine Aufkleber und in folgender Zusammensetzung: Soskic, Jusufi , mit 19 spielte ich für diesen Klub. Die meisten Mihajlovic, Becejac, Rasovic, Vasovic, Bajic, Ko- Spiele habe ich in der Zeit gespielt, in der ich bei vacevic, Hasanagic, Galic, Pimajer. Dieses Team „Partizan“ war. Ich war jung, durchtrainiert, in guter spielte im Finale des Championchips. Bis heute ist körperlicher Verfassung, hatte Kondition und war das Championsleage –Finale auch gleichzeitig der kein einziges Mal verletzt oder krank gewesen. größte Erfolg für „Partizan“. Ich habe bei allen neun Spielen der Champions- Das „Partizan“ damals eine recht gute leage mitgespielt. Die vier Jahre die ich bei Parti- Fußballmannschaft war, beweist nicht nur das Fina- zan verbrachte, waren die erfolgreichsten in meiner le der Championsleage sondern auch eine Vielzahl Fußballkarriere. anderer Ergebnisse. Wir spielten gegen die besten Wie kommt es, dass ein so begabtes Team, europäischen Mannschaften. Ich erinnere mich an wie einst „Partizan“ war, nie die Championsleage die Tournee durch Südamerika, als wir in Sao Paolo gewann? mit 3:1 gewannen. Europaweit waren wir berühmt Leider haben wir es nicht geschafft zu ge- und berüchtigt. Bei den Spielen in Griechenland und winnen und mit diesem Sieg den Erfolg zu krönen. der Türkei war nicht einmal daran zu denken, dass Meiner Meinung nach haben wir zum richtigen Zeit- wir eines der Spiele verlieren. Mit den Gegnern hat- punkt die Führung übernommen, leider aber durch ten wir meist ein leichtes Spiel und sie hatten keine zwei Gegenangriffe zwei Tore bekommen. Auch jeg- Chance gegen uns. Unser Fußball war zu dieser Zeit licher Lob seitens der Fachleute für das Spiel kann besser als griechischer und türkischer, was heute weder den Pokal ersetzten noch den Misserfolg re- nicht mehr der Fall ist. Oder beispielsweise unsere chtfertigen. Aber so ist der Fußball. Du spiest besser, Tournee in Deutschland, wo der Fußball eine hohe schaffst Möglichkeiten, hasst aber weniger Tore als 48 WO SIND SIE, WAS MACHEN SIE? der Gegner geschossen und damit auch automatisch verloren. Ference Puskaska, damaliger Direktor von Real, war auch der Meinung, dass „Partizan“ die bessere Mannschaft war, aber… Hätten wir damals dieses Finale gewonnen, was wäre wohl dann aus uns geworden? Wir hätten verlockende Einladungen zu Spielen bekommen, hätten die ganze Welt umreist und vieles gesehen, „Partizan“ wäre fi nanziell besser gestellt und wir wären vielleicht für einen längeren Zeitraum das beste Team in Europa. Durch diesen Sieg hätten wir auch persönlich profi tiert. Wir wären sehr gefragt gewesen und hätten uns zu deutlich besseren Be- dingungen ins Ausland „verkaufen“ können. Doch so!? Mein wohl größter Fehler war es „Partizan“ zu verlassen. In der Fußballsaison von 1968 habe ich am beste gespielt, als dann mein Vertrag auslief. Ich war Kapitän und erster Schütze im Team. Ich war nicht vernünftig und vorsichtig genug. Wäre ich bei „Partizan“ geblieben, hätte ich die mir zur Verfügung gestellte Wohnung behalten können und wäre ohne jeglichen Schaden ins Ausland gewech- Josip Pirmajer und Siniša Mihajlović selt. Ich hätte in der besseren Mannschaft gespielt, ben Brzic, Savic und Radosav ins Ausland gewech- mehr Aufmerksamkeit auf mich gezogen und wahrs- selt. Von keinem der Drei wurde weder die Wohnung cheinlich viel mehr erreicht. Da ich aber „Partizan“ noch die Summe eingefordert. Nur von mir. Ich weiß verlassen habe, musste ich die Wohnung zurückge- nicht warum ich diese Sonderstellung hatte. ben. Zwar habe ich von „Vojvodina“ auch eine Woh- Vujadin Boškov, damaliger Trainer bei „Vojvodi- nung gestellt bekommen, musste diese aber vor dem na“ und mein Freund Ivica Brzic, Mittelfelds der Wechsel ins Ausland zurückgeben. Mannschaft, wussten von meinem Vertragsauslauf Warum sind Sie nach Novi Sad zurückgekehrt? und haben mich überredet zu „Vojvodina“ zu wech- „Vojvodina“ hatte auch eine gute Mannschaft. Zwei seln. Wie ich bereits sagte, es war unvernünftig von Jahre zuvor, also 1966, gewann „Vojvodina“ die mir „Partizan“ zu verlassen. jugoslawische Meisterschaft. Damals spielten Pan- Vor „Vojvodina“ sprach Vujadin Boškov mit mir. telic, Brzic, Sekeres, Trivic, Savic und Radosav, Sein Angebot von 8 Millionen, anstatt der nach alles hochrangige Spieler die gemeinsam die jugo- Vorschriften mir möglichen 10, habe ich abgelehnt. slawische Meisterschaft gewannen. Die Auszahlung der Summe in Raten habe ich akz- Mein Wechsel zu „Vojvodina“ war eine große eptiert. Meiner Anfrage nach einer Wohnung hat er Dummheit. Ich erhielt zwar eine Wohnung, die ich zugestimmt. Ich hatte bereits eine, musste sie aber aber als Bedingung für die Ausstellung eines Zeug- an „Partizan“ wieder zurückgeben. Also bekam ich nisses für den Wechsel in Ausland habe abgeben eine neue Wohnung. müssen. Das war ein ganz und gar unfaires Spiel von Sie waren auch Fußballer der jugoslawischen Na- Vojvodina. Nie zuvor haben sie von einem Spieler tionalmannschaft! die Rückgabe seiner Wohnung verlangt. Neben der Ich habe bereits als Spieler vom FK Novi Sad für Wohnung verlangten sie auch die Rückzahlung von die jugoslawische Nationalmannschaft der junio- zehn Millionen Dinar, die ich wie vereinbart für ren gespielt. Später habe ich auch für die Nation- meinen vierjährigen Vertrag bekommen habe. Das almannschaft bei der Olympiade in Tokio 1964 waren die Bedingungen, um mir das für den Wech- gespielt. Zu dieser Zeit spielten Curkovic, Skoric, sel ins Ausland benötigte Zertifi kat auszustellen. Ich Fazlagic, Miladinovic, Samardjic, Osim und Zam- habe alle Bedingungen erfüllt. Zur gleichen Zeit ha-

49 WO SIND SIE, WAS MACHEN SIE? bata in der Nationalmannschaft. Bei den Spielen der unser Gespräch und unsere Abmachung, die wir bei Mitteleerländer in der Türkei 1971 habe ich eben- meinem Wechsel zu „Vojvodina“ geführt haben, er- falls im jugoslawischen Nationalteam gespielt, als innerte, sagte er, er könne nichts für mich tun. Sein wir Gold gewannen. Kommentar: „Du wirst das verdienen, du bist ein Für die jugoslawische Nationalmannschaft der„A“- guter Spieler“. Auf meine Frage, warum die Rück- Gruppe habe ich nur vier Wettkämpfe ausgetragen. gabe der Wohnung von keinem anderen Spieler, die Auch wenn ich eindeutig der beste Spieler auf dem ebenfalls ins Ausland wechselten, verlangt wurde, linken Flügel war, Dzajic wurde immer bevorzugt. bekam ich zu hören, dass sie leider nicht so ein gutes Der Grund dafür ist wohl meine deutsche Herkunft. Angebot unterschrieben habe wie ich. Vojvodina ist Mit Vollendung des 28. Lebensjahres hatten Sie das mir 10.000 DM für meine Leistungen als Trainer Recht ins Ausland zu einem anderen Fußballklub zu noch schuldig geblieben. Aus diesen Gründen habe ich keinen Kontakt zu „Vojvodina“. Nach dem Championchip-Finale bekam ich ein An- gebot aus Deutschland, doch dieser Wechsel war nach unseren Vorschriften nicht möglich. Sie haben mir sogar angeboten, dort ein Jahr ohne zu spielen zu verbringe, um auf diese Weise automatisch das Recht zum Spielen zu erlangen. Das bedeutete aber, dass ich nach Jugoslawien nicht mehr zurückkeh- ren könnte, was ich persönlich nicht wollte, denn ich war verheiratet und hatte eine Familie. Ich habe nach dem Finale der Championsleag mit 22 Jahren geheiratet. Wohin hat Sie der Weg nach Nim Olympik geführt? Josip Pirmajer empfängt die Medaille von Ivan Hugo Rusevljanin, bei uns ist er einer der besten Curkovic anläßlich des fünfzigen Jahrestages von Fußballvertrauten, hat eine sehr große Rolle in mei- FK Partizan wechseln. nem Leben als Fußballer gespielt. Er brachte mich Ich spielte vier Jahre für „Vojvodina“ und mit Vol- aus Srbobran zum FK Novi Sad und gab mir so die lendung meines 28. Lebensjahres war ich für den Möglichkeit von besseren und größeren Klubs für Wechsel ins Ausland bereit. Ich entschloss mich für die Weiterentwicklung entdeckt zu werden. Nim Olympic. Dort spielte ich drei Jahre und ich Auf seinen Vorschlag hin, kehrte ich 1975 zurück war einer der besten Spieler. Während meiner Zeit und beendete meine Karriere beim FK Novi Sad. platzierte sich Nim Olympic zwischen dem zweiten Beim FK Novi Sad spielte ich weitere zwei Jahre und vierten Tabellenplatz. So zu sagen an der Spi- bevor ich als Trainer anfi ng. tze des französischen Fußballs. Zu dieser Zeit war Ich war für die Pionierspieler beim FK Novi Sad Marsej eindeutig die Nummer Eins und gewann verantwortlich. Insgesamt fünf Jahre trainierte ich mit Skoblarom mehrere Meisterschafften hinterein- verschiedene Gruppen beim FK Novi Sad. ander. Skoblar war auch zwei Mal als bester Schütze In meinem Beruf als Trainer war ich ziemlich erfol- Europas gekürt worden. greich. Ich entdeckte einige Talente und machte aus Leider verlief meine Trennung von „Vojvodina“ ihnen sehr erfolgreiche Fußballer. Der bekannteste nicht sauber. Alle Gespräche bezüglich meines Zer- ist Sinisa Mihajlović. Ich entdeckte und brachte ihn tifi kates für den Wechsel ins Ausland führte ich mit zu Vojvodina. Vujadin Boškov. Er teilte mir mit, dass die Bedin- Ich wechselte vom FK Novi Sad nach Bečej und gung für die Ausstellung des Zertifi kates die Rück- blieb fünf Jahre, dann kam ich zu Vojvodina für gabe der Wohnung und die Rückzahlung der 10 weitere vier Jahre. In Vojvodina verbrachte ich in- Millionen Dinar, die ich für den Wechsel zu „Vo- sgesamt zehn Jahre, sowie als Spieler als auch als jvodina“ und die vier Spieljahre bekommen habe, Trainer und beim FK Novi Sad nur einige Monate ist. Ganz nebenbei sagte er, dass das für mich kein länger. Zwischendurch war ich auch als Trainer bei Problem sein wird, da ich seiner Meinung nach, ein einigen anderen Klubs wie z.B. bei ELAN, wo wir gutes Angebot unterschrieben habe. Als ich ihn an uns aus der schlechtesten Liga bis hin zur serbischen 50 WO SIND SIE, WAS MACHEN SIE? Liga hochgespielt haben, tätig. Beim OFK Beograd sondern dass sie auf der Nationalspielerliste zum war ich für ein Jahr und in Makedonien ein halbes Zeitpunkt des Medaillensieges aufgeführt waren. Jahr Trainer. Das letzte halbe Jahr war ich in Becej, Ich kann zwölf Spiele als jugoslawischer National- musste sie wegen der schlechten fi nanziellen Lage spieler verbuchen, jedoch ohne Medaillengewinn. verlassen. Auch die besten Spieler haben den Klub Ich habe viel mehr für den jugoslawischen Fußball verlassen und mir sind sie einige Gehälter schuldig beigetragen, als manch einer der Spieler, die zusam- geblieben. Aufgrund der Umstände bin ich zurzeit men mit der Mannschaft Medaillen gewonnen ha- ohne Vertrag. ben. Laut Regierung zählen aber nur Medaillen. Der Fußball ist mein Leben und ich werde mich so Herr Pirmajer, haben Sie Hobbys? lange damit befassen, so lange ich dazu im Stande Ein bestimmtes Hobby habe ich nicht. Ich liebe es bin und andere mein Wissen benötigen. mich mit meinen Freunden zu treffen und ab und zu Haben Sie für ihre langjährige Fußballerfahrung spiele ich Billard. Einst habe ich Billard – Karambol irgendwelche gesellschaftlichen Auszeichnungen – ziemlich gut gespielt, doch heute spiele ich deu- erhalten? tlich seltener und dementsprechend hat meine Leis- Ich erhielt mehrere Auszeichnungen, Anerkennun- tung nachgelassen. gen und Dankschreibungen von SOFK, FSJ, Gemei- Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus – vielleicht nden und Fußballklubs – „Partizan“, „Vojvodina“ eine Fußballschule für die Pioniere? und FK Novi Sad – doch die meisten Anerkennun- Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich bin gen bekam ich von „Partizan“. überzeugt, dass ich den Jungs, aufgrund meiner Welchen Arbeitsstatus haben Sie heute? großen Fußballerfahrung und meiner pädagogischen Zurzeit stehe ich unter keinem Vertrag als Trainer, Kenntnissen, vieles beibringen könnte. bin seit Februar dieses Jahres im Ruhestand. Das Fußballschulen für Pioniere sind zurzeit sehr ang- Ruhegeld und Vergütungen aus Trainertätigkeiten esagt und meiner Meinung nach sind sie für die Ge- sind mein gesamtes Kapital. Für den Fall der Fälle sellschaft nützlich und wichtig, aber auch sehr Ge- habe ich etwas auf die hohe Kante gelegt. Ich habe winnbringend. Um so ein Projekt überhaupt starten mehrere offene Forderungen gegen verschiedene zu können, sind bestimmte Vorkehrungen zu treffen, Fußballklubs für die ich als Trainer unter Vertrag die auch mit Kosten verbunden sind. Dieses Geld war. Die Gesamtsumme der Forderungen ist so habe ich aber nicht. Möglich wäre auch eine Zusam- hoch, dass ich mindestens fünf Jahre lang sorglos menarbeit mit einem Fußballklub, aber ich habe leben könnte. mich nie ernsthaft damit befasst. Letzthin hatte Sr- Ich beziehe ca. 200 EUR Rente monatlich, habe aber bobran gute Voraussetzungen dafür, doch jetzt, die in die Rentenversicherung unvergleichbar mehr letzten Jahre, seit dem kaum investiert wird, sind die einbezahlt als Rentner, die nun mehr als das Dop- Fußballplätze im großen Maße heruntergekommen. pelte von mir bekommen. Während meiner Zeit bei In Novi Sad gibt es zwei oder drei Schulen dieser Art „Partizan“ habe ich Gewinnsteuer von 1,5 Millionen und meiner Meinung nach laufen die gut. In einer Dinar bezahl. Zu dieser Zeit hatte mein Vater ein Stadt wie Novi Sad ist so ein Projekt machbar, was Gehalt von 30.000 DIN. Diese 1,5 Millionen Dinar in kleineren Orten nur sehr schwer zu realisieren ist. entsprechen heute meinen 100 Ruhegehältern. Diese Eine Pionierschule ist nur dann sinnvoll, wenn sie Gewinnsteuer habe ich während meiner Gesamt- von mindestens fünfzig Jungs besucht wird, was in dauer bei „Partizan“, d.h. vier Jahre lang, abführen kleineren Ortschaften kaum ausführbar ist. Srbobran müssen. Ich kann einfach nicht verstehen, warum zählt zu einer der ärmsten Gemeinden was zusät- man für die Berechnung meiner Rente nicht all die zlich die Realisierung des Projektes in diesem Ort Jahre, die ich Fußball gespielt und in die Rentenver- erschwert. Zusätzlich ist zu beachten, dass es sich sicherung überdurchschnittlich einbezahlt habe, in um eine Arbeit handelt, bei der man erst nach ei- Betracht gezogen hat. Dazu kommt, dass alle jugos- nigen Jahren Früchte tragen kann. D.h. um aus den lawischen Nationalspieler, die eine Medaille bei der Jungs einen echten Fußballer zu machen, benötigt Weltmeisterschaft bzw. Olympiade gewonnen ha- man mindestens 5-6 Jahre harter und konstanter Ar- ben, Ruhegelder vom Sportverband beziehen. Diese beit. Du übernimmst die gesamte Verantwortung für ist deutlich höher als die meinige. Dabei ist nicht die Jungs, sowohl in sportlichen und fachlichen An- entscheidend, ob sie überhaupt mitgespielt haben, gelegenheiten, als auch in gesundheitlichen, päda-

51 WO SIND SIE, WAS MACHEN SIE? gogischen, erzieherischen… such hier. Die älteren zwei Töchter habe ihr Studium Herr Pirmajer, was können Sie unseren Lesern zum mit Erfolg abgeschlossen, Betriebswirtschaft und Schluss sagen? Jura, währen die jüngste Tochter Absolventin ist. Ich bin ein glücklicher Mann. Ich habe drei Töchter Darauf bin ich sehr stolz und bin ein sehr glückli- und zwei Enkelkinder. Alle der drei Töchter haben cher Mann. ein Universitätsabschluss, bzw. die zwei älteren, die Höchstwahrscheinlich werde ich meine Tochter in Jüngste wird in wenigen Monaten ihre Diplomarbeit Australien besuchen. Ich möchte sehen wie sie leb- schreiben. Die zwei älteren sind glücklich verheira- en, was sie machen und ihnen eventuell beim Haus- tet und haben jeweils ein Kind. einrichten oder ähnlichen helfen. Als Fußballer habe Die eine Tochter lebt in Novi Sad, sie hat eine fün- ich alle Kontinente gesehen außer Australien. Das fjährige Tochter und die andere lebt in Sydney, sie ist ein Grund mehr, meine Tochter zu besuchen. hat einen zweijährigen Sohn und war gerade zu Be-

DURCHLESEN SIE Totenliste aus dem Vernichtungslager Knicanin/Rudolfsgnad

in Verzeichnis mit 855 Namen von 237 vo, Pancevo, Pavlovo, Donja Lastra, Filipovo, To- Männer, 464 Frauen, 71 Knaben und 83 masevac, Orles, Lovcin, Knicanin, Starcevo, Ban. EMädchen, die in der vom 5. November Karlovci, , Futog, , Opovo, Novo 1945 bis 3. März 1948 im Block „Jabuka“ ver- Selo, Sakula, Sv. Hubert, Ban. Despotovac, Uzdin, storben sind ist in letzter Zeit aus einem Nachlass Toroka, Crepaja, Debeljaca, Beograd, Omoljica, aufgetaucht. Die Frau, die diese Liste in deutscher Varjas, Vrsac, Sove, Plosica, Katarina, Secanj, Stali- Sprache aufstellte, war im Block „Jabuka“ für die ra, Klek, Lajkovci, , Lichtenberg, Sekic, Führung der Namenslisten mit Zu- und Abgängen Sarca, Bulkes, Ujvar, Backi Brestovac, Nincicevo, zuständig. Neben dieser Liste von insgesamt 15 DIN B. Novo Selo, B. Dobro Polje, Hetin, Lozan, Pr. Sv. A 4 Seiten sind auch die Durchschriften der Origi- Ivan, Ridjice, Sisak, Bela Zrkva, Kolut, Zemun, Tor- nale vorhanden. Der verstorbenen Landsmännin, die za, Molin, Franzfeld Jarmina und Soltur. diese Listen der Nachwelt erhalten hat gebührt unser Wer meint eine verwandten Person sei in diesem aller Dank. Block des Lagers Knicanin verstorben und nähere Angegeben sind die Namen, Geburtsjahr, Geburtsort Auskunft haben möchte wende sich bitte an: in der Landessprache und Sterbedatum. Josef Jerger, Anebosstr. 7 Die Verstorbenen stammten aus folgenden Orten: 67065 Ludwigsh;Tel.: 0621-575876 Jabuka, Glogonj, Kraljevicevo, , Vojlovica, Fax : 0621-5297822 Dolovo, Jasa Tomic, Mramorak, Hajdusica, Starce- E-Mail:[email protected].

In vorigen Nummer der Zeischrifts FENSTER hat sich ein Fehler eingeschli- chen, im Text Mediaseminare hat Frau Dragana Boos gesagt das die Radio- sendung in der deutsche Sprache in Zrebnjanin von der Groß Betschkerek Verein ermitelt wird, statt das die Sendung von Radio Fedra ausgestrahlt wird.

Wir entschuldigen uns Radio Fedra und der Redaktion.

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53 54 55 Ankunft von Siedlern bei Peterwardein

Bauernhaus 56