[t]akte Das Bärenreiter-Magazin

Frühe Oper Francesco Cavalli und Claudio Monteverdi 2I2008 Neues Musiktheater Informationen für und Manfred Trojahn Bühne und Orchester Porträt: Das Ringen um Freiheit Der Schweizer Komponist Dieter Ammann [t]akte

46910

Raffinierte Verzierungen Cavalli kommt wieder „Semiramide va alle stelle!“ e-Moll Monteverdis „L’Orfeo“ im Zum Start der Gesamtausgabe Christoph Willibald Glucks Felix Mendelssohns drittes Urtext seiner Opernwerke erste Oper für Wien Klavierkonzert

Nach „Il ritorno d’Ulisse in pa- Mit seinem Konzept standardi- Christoph Willibald Glucks Ein „neues” Klavierkonzert von tria“ (2007) erscheint nun mit sierter Handlungen schrieb Dramma per musica „La Semi- Felix Mendelssohn! Aus den Claudio Monteverdis „L’Orfeo“ Francesco Cavalli Geschichte, ramide riconosciuta“ nach ei- vorhandenen Skizzen hat Larry die zweite Oper des Italieners der sich im 17. Jahrhundert zu ner Vorlage von Pietro Metas- Todd das in den Jahren zwi- in der Edition Rinaldo Alessan- einem weit über seine Heimat- tasio wird 260 Jahre nach ihrer schen 1842 und 1844 entworfe- drinis. Der Herausgeber führt stadt Venedig hinaus gefrag- Uraufführung im Wiener Burg- ne Konzert in e-Moll rekon- in die Prinzipien seiner Ausga- ten europäischen Opernkom- theater zum ersten Mal wieder struiert und ergänzt. Damit be ein und weist besonders auf ponisten entwickelte. Die auf einer Opernbühne zu erle- steht Pianisten und Orchestern die hochentwickelten Formen neue kritische Cavalli-Edition ben sein, und zwar ab dem ein vollgültiges Werk des Kom- von Deklamation hin, die gro- bei Bärenreiter, in deren erster 18. Oktober im Kleinen Haus ponisten zur Verfügung, das ße Anforderungen an Inter- Serie 14 Bühnenwerke geplant des Mainzer Staatstheaters. einen besonderen Reiz aus der preten stellen. Unterschiede sind, startet mit „Ercole aman- Für die Koproduktion mit der stilistischen Nähe zum be- zu den späteren Opern „Pop- te“. Auf der Folie der Sage vom Hochschule für Musik Mainz rühmten e-Moll-Violinkonzert pea“ und „Ulisse“ sollten liebenden Herkules entspannt wurde der Regisseur Peer Boy- bezieht. Die erste Aufführung dabei beachtet werden. sich eine opulente Handlung, sen gewonnen, die musikali- ist für den 10. Januar 2009 mit die dem Anlass, der Hochzeit sche Leitung liegt in den Hän- Matthias Kirschnereit und zwischen Ludwig XIV. und Ma- den von Michael Millard. dem Sinfonieorchester Basel ria Theresa von Spanien, ange- unter Mario Venzago geplant. messen war.

Portrait Oper / Musiktheater Oper / Musiktheater Neues Musiktheater

Neues von Hugo Distler Raffinierte Verzierungen Vexierbilder der Gewalt Verdi als Wegweiser Entdeckungen im Monteverdis „L’Orfeo“ im Halévys „La Juive“ an der ist keine Sack- Gedenkjahr 15 Urtext 4 Staatsoper Stuttgart 12 gasse. Die Aktualität des Komponisten Giselher Klebe 18 Das Ringen um Freiheit Cavalli kommt wieder „Tosca“ ad fontes Der Schweizer Komponist Zum Start der Gesamtausgabe Puccinis Oper erstmals in Vokalisen der Seele Dieter Ammann 16 seiner Opernwerke 6 einer kritischen Ausgabe 14 Manfred Trojahns „La Grande Magia“ wurde an der Semper- Alchimistische Verwandlungen „Semiramide va alle stelle!“ Wer darf sie spielen? oper in Dresden uraufgeführt20 Der italienische Komponist Christoph Willibald Glucks Streit um eine Melodie im Osvaldo Coluccino 30 erste Oper für Wien 9 Kinderstück von Andreas Tark- e-Moll mann und Eberhard Streul 31 Felix Mendelssohns drittes Mehr als „Carmen“ und „Faust“ Klavierkonzert 10 Die französische Oper zwi- schen Revolution und dem Beginn der Moderne 11

2 [t]akte 2I2008 2I2008

12 16 18 21

Vexierbilder der Gewalt Das Ringen um Freiheit Verdi als Wegweiser Klänge einer Metropole Halévys „La Juive“ an der Der Schweizer Komponist Die Aktualität des Komponis- Beat Furrer lauscht in Istanbul Staatsoper Stuttgart Dieter Ammann ten Giselher Klebe

Die 1835 uraufgeführte, seit Die Werke von Dieter Ammann Giselher Klebes umfangreiches „Into Istanbul“ ist der Auftakt den 1930er-Jahren von den werden ab sofort vom Bären- Bühnenwerk beginnt sich zu zu einem weltumspannenden Bühnen verschwundene und reiter-Verlag verlegt. Nach ei- runden. Dass die Literaturoper Großprojekt, das vom En- erst in jüngster Zeit zaghaft nem Schulmusik- und einem keine Sackgasse ist, zeigt sich semble Modern und dem Sie- wieder gespielte „Jüdin“ Ha- sich daran anschließenden im musikdramatischen Œuvre mens Arts Programm konzi- lévys ist mit ihrem Ineinander Kompositions- und Theoriestu- des 83-jährigen Komponisten. piert wurde und zusammen von christlichem Antijudais- dium, neben einer beachtli- Die Uraufführung von „Chles- mit dem Goethe-Institut mus und jüdischem Märtyrer- chen Karriere als Jazzmusiker takows Wiederkehr“ in Det- durchgeführt wird. Jeweils vier tod angesichts der jüngsten und parallel zu seiner Hoch- mold ist Anlass für ein erstes Komponisten sind in einer der Geschichte noch immer von schulprofessur kam er erst Resümee, das Hans-Klaus Metropolen Dubai, Johannes- höchster Brisanz. Die Staats- spät zum Komponieren. Kürz- Jungheinrich zieht. Dabei burg, Pearl River Delta und oper Stuttgart hat das Stück, lich wurde er mit dem Förder- scheint ein Altersstil auf, der Istanbul zu Gast und kompo- das szenisch wie musikalisch preis der Siemens Kulturstif- die Konstruktivität früherer nieren für das Ensemble höchste Anforderungen an alle tung ausgezeichnet. Über die Werke zugunsten einer glas- Modern. Beat Furrers neue Mitwirkenden stellt, in der ver- Hintergründe seines Schaffens klaren Lakonik hinter sich ge- Ensemblekomposition wird am gangenen Saison herausge- informiert er im Gespräch. lassen hat. 10. Oktober im ersten Konzert bracht – eine Inszenierung, die der Reihe in Frankfurt uraufge- sich der Aktualität des Stoffes führt. auf Aufsehen erregende Weise annähert.

[Premiere] (Deutsche Erstaufführung) -> [[Uraufführung]] ]

Orchester / Ensemble Orchester / Ensemble Orchester / Ensemble Publikationen / Termine

Klänge einer Metropole Werke wie Inseln Mitteilsam und verständlich Neue Bücher 32 Beat Furrer lauscht in Istanbul 21 Mit seinem Orchesterstück Ondřej Kukal und sein „archipel“ setzt Philipp Maintz „Clarinettino“ 27 Neue CDs 33 Fünf Sterne eine geologische Struktur in Andrea Lorenzo Scartazzini Musik um 23 Sieben Himmel Termine (Auswahl) 33 schaut für das Collegium Jonathan Harvey und sein Novum in den Himmel 22 Lied der Lieder neues Chor-Orchesterstück Impressum 36 Matthias Pintschers neue über Engelsnamen 28 Charlotte Seither – aktuell 32 Projekte 24 Mein Leben ohne mich Un-fassbare Töne Eine neue Ensemblekom- Brice Pausets 5. Sinfonie position von Miroslav Srnka 25 wird in Donaueschingen Titelbild: Szenenfoto aus uraufgeführt 29 Manfred Trojahns „La Hörende Augen, sehende Ohren Grande Magia“ in Dresden Der Komponist Vadim Karassi- (Foto: Monika Rittershaus) kov und sein neues Werk 26

[t]akte 2I2008 3 [t]akte

Nach „Il ritorno d’Ulisse in patria” (2007) erscheint nun mit Claudio Monteverdis „L’Orfeo” die zweite der Opern des Italieners in der Edition Rinaldo Ales- Raffinierte Verzierungen sandrinis. Der Herausgeber führt in die Prinzipien Monteverdis „L’Orfeo“ im Urtext seiner Ausgabe ein.

Das verlegerische Schicksal des Orfeo brachte es mit sich, dass entsprechend den zeitgenössischen Gepflogenhei- ten unterschiedliche Ausgaben des Werkes überliefert sind. Die erste stammt aus dem Jahr 1609 und wurde von Amadino in Venedig gedruckt. Sie entstand nach der Uraufführung, die in einem bis heute nicht identifizier- ten Saal des Palazzo Ducale in Mantua im Jahre 1607 stattfand. Die zweite Ausgabe aus dem Jahr 1615 wurde ebenfalls von Amadino gedruckt. Die typographische Einrichtung beider Ausgaben ist absolut identisch, so dass es zunächst keine Unterschie- de zu geben scheint. Eine gründliche Untersuchung of- fenbarte jedoch in der Ausgabe von 1615, dass die Druck- fehler der ersten Edition akkurat beseitigt wurden. Die zweite Ausgabe ist also sehr hilfreich, vor allem für jene Stellen, die auf den ersten Blick trotz ihrer Extravaganz zur manchmal äußerst komplexen Stilistik des Werkes zu gehören scheinen. Es dürfte also nicht schwer fallen, Jean Corot: Orpheus führt Eurydike aus der Unterwelt (1861) diese wenigen Fälle auf eine flüssigere Version zurück- zuführen. rend die beiden letzten Opern vom Kontrast zwischen L’Orfeo stellt ein faszinierendes Modell der Notation einem ausgereiften rezitativischen Stil und einer bereits für Stimmen dar. Monteverdis Genauigkeit beim Aus- expressiven und zusammenhängenden Arien-Form ge- schreiben der Verzierungen ist mit derjenigen vergleich- prägt sind – mit allen daraus folgenden Möglichkeiten bar, die an Bach so häufig kritisiert worden ist. Heute einer deutlichen Flexibilität des Tempos – so ist der Or- kennen wir aus zahlreichen Quellen ein hochinteressan- feo in einem einheitlichen Stil gehalten. Die Zahl der tes und anspruchsvolles Repertoire einer vokalen Ver- Arien ist äußerst reduziert, und Monteverdi wählt den zierungskunst, die über Triller oder Tremoli verschiede- Stil des „recitar cantando“ nicht nur für die meisten Tei- ner Art weit hinausgeht. Im Orfeo sind hochentwickel- le der Oper, sondern auch für die in expressiver und te Formen von Deklamation, von Akzenten und Klang- emotionaler Hinsicht wichtigsten Passagen. Die große kaskaden zu finden; außerdem wird ausgiebig von der Genauigkeit der Notation sowie das Voranschreiten des Antizipation von Noten oder Silben Gebrauch gemacht. Basso continuo, der rhythmisch manchmal sehr elabo- Es handelt sich dabei um sehr raffinierte Abläufe, die riert ist, legen jedoch für eine korrekte Aufführung nahe, im Allgemeinen dem guten Geschmack des Sängers die Minima-Noten, das pulsierende Herz der gesamten überlassen wurden. Warum Monteverdi sie derart prä- Oper, sehr regelmäßig zu dirigieren. zise ausnotiert hat, wissen wir nicht. Von den späteren Wie bei der Ausgabe des Ulisse, so war es auch hier venezianischen Opern wurde diese Präzision der Nota- die Absicht, eine vollständige Notation der Continuo- tion – außer in seltenen Fällen – nicht übernommen. Ich Akkorde anzubieten, und so sind wir auf dieselbe Weise beziehe mich nicht nur auf die beiden Versionen der Arie vorgegangen: Die Anmerkungen des Herausgebers fin- „Possente spirto”, die allein genug Material liefern könn- den sich in Klammern. Beide Ausgaben enthalten nur te, um ein enormes Repertoire an Verzierungen aufzu- sehr wenige Informationen über die originale Beziffe- listen und deren Anwendungsmöglichkeiten darzustel- rung. Diese wenigen Angaben sind außerdem recht kon- len. Die Rolle des Orfeo ist vielmehr insgesamt durch fus und können sich auf unterschiedliche Akkorde be- einen großen Reichtum an Ornamenten charakterisiert. ziehen. Die Continuo-Spieler sollten sich also autorisiert Insbesondere der lange Monolog zu Beginn des fünften fühlen, individuelle Entscheidungen zu treffen. Für die Aktes umfasst Beispiele höchster Qualität und großer empfindliche Periode des Übergangs zwischen moda- Eleganz der Verzierungen. Sie sollten die Aufführungs- ler Harmonik und Tonalität ist es außerdem sehr kom- praxis dieser Oper nachhaltig prägen. Für ihre korrekte pliziert, eine eindimensionale Lösung vorzugeben, vor Ausführung ist es unbedingt notwendig, sich ihre rhyth- allem für die Bezifferung der Akkorde der vierten Stufe. mische Gestaltung genau vorzustellen, die – insofern sie Da Vorzeichen fehlen, bleibt immer ein Zweifel beste- nicht regelmäßig ist – so doch zumindest in den Unter- hen, ob ein Dur- oder ein Moll-Akkord zu bevorzugen teilungen konsequent sein sollte. Viel Verwirrung ist in ist. Die harmonische Analyse des zeitgenössischen Ma- den vergangenen Jahren durch die stilistische Verein- drigalschaffens bildet keine große Hilfe, da dort beide heitlichung der drei Opern Monteverdis entstanden. Der Optionen in annähernd gleicher Anzahl auftreten. Orfeo kann jedoch nicht auf dieselbe Weise behandelt Wenn man die Linie der Stimme im Verhältnis zum und aufgeführt werden wie Poppea und Ulisse. Wäh- analysiert, ergibt sich sehr deutlich, dass die fehlende

4 [t]akte 2I2008 2I2008

Bezifferung nicht notwendigerweise den Einsatz einfa- cher Akkorde rechtfertigt, sondern dass es angebracht L’ORFEO sein kann, in den kadenzierenden Passagen zusammen- FAVOLA IN MUSICA gesetzte Formeln und Akkorde hinzuzufügen. DA CLAUDIO MONTEVERDI Abschnitte, die im Original geschwärzt notiert wa- RAPPRESENTATA IN MANTOVA ren, wurden in moderne Notation aufgelöst. Die aktuel- l’Anno 1607. & nouamente data in luce le Musikwissenschaft hat für diese Fälle mehrere Lösun- AL SERENISSIMO SIGNOR gen vorgeschlagen. Selbstverständlich wird hier nur D. FRANCESCO GONZAGA eine angewandt: diejenige, die aus musikalischer Sicht Prencipe di Mantoua, & di Monferrato, &cc. am überzeugendsten schien. Es ist einfach, aus dem kri- In Venetia Appresso Ricciardo Amadino tischen Apparat auf die originale Notation zu schließen, MDCIX so dass die Musiker sich auch für abweichende Propor- tionen entscheiden können. Die originalen Mensurzei- PERSONAGGI chen wurden erhalten, die Notation ist in den Violin- La Musica Prologo (), Orfeo (tenore), Euridice und Bassschlüssel übertragen worden. (soprano), Choro di Ninfe, e Pastori, [Messaggera (sop- Die Stücke, die in Chiavette notiert waren, wurden rano)], Speranza (soprano), Caronte (basso), Choro di entsprechend der Regel bereits eine Quinte tiefer ange- Spiriti infernali, Proserpina (soprano), Plutone (basso), geben. Im Anhang befinden sich eine alternative Versi- Apollo (tenore) on, die um eine Quarte tiefer transponiert ist, und die Originalversion. STROMENTI Monteverdi hat eine große Fülle von Angaben zur Duoi Gravicembani, Duoi contrabbassi de Viola, Dieci Instrumentation hinterlassen. Diese werden vollstän- Viole da brazzo, Un Arpa doppia, Duoi Violini piccoli dig und in der originalen Form aufgeführt. Ergänzende alla Francese, Duoi [recte: tre] Chitaroni, Duoi Organi Angaben befinden sich in Klammern. Es sei lediglich di legno, Tre bassi da gamba, Quattro [recte: cinque] daran erinnert, dass die Entscheidung für oder gegen Tromboni, Un regale, Duoi Cornetti, Un Flautino alla den Einsatz einiger Instrumente den rhetorischen Re- Vigesima seconda, Un Clarino con tre trombe sordine geln entsprechen sollte. Aus diesem Grund wurde ver- mieden, in den ersten beiden Akten die Verwendung von Herausgeber: Rinaldo Alessandrini Cornetti und Posaunen vorzuschlagen, da diese Instru- Verlag: Bärenreiter. Partitur und Klavierauszug mente mit der Umgebung der Hölle im dritten und vier- käuflich, Aufführungsmaterial leihweise ten Akt verbunden sind. Rinaldo Alessandrini (Übersetzung: Christine Anderson)

Nachrichten

Eine elfbändige Gesamtausgabe der Vokalwerke des schaftsbriefe, Briefwechsel mit bedeutenden Kompo- Barockkomponisten Johann Pachelbel (1653–1706) hat nisten, Musikern, Künstlern und Verlegern. Berühm- der Bärenreiter-Verlag begonnen. Messen, Vokalcon- te Zeitgenossen wie Robert Schumann, Franz Liszt, certi, Magnificats und Arien machen diesen umfang- Richard Wagner, aber auch Johann Wolfgang von Goe- reichen und gehaltvollen Werkkomplex aus. Bis 2013 the, Carl Friedrich Zelter und Alexander von Humboldt werden die Herausgeber Wolfgang Hirschmann, gehörten zu seinen Korrespondenzpartnern. Die bei Thomas Röder und Katharina Larissa Paech die mehr Bärenreiter ab November 2008 erscheinende wissen- als 60 Vokalwerke gesichtet und ediert haben. Bei Wer- schaftlich-kritische Gesamtausgabe erschließt ken, wo dies sinnvoll ist, wird der Verlag Einzelausga- erstmals sämtliche etwa 5.000 bekannten Briefe ben für die Praxis herausgeben und damit die Wieder- Felix Mendelssohn Bartholdys. Die Ausgabe legt quel- entdeckung eines Komponisten möglich machen, der lenkritisch erarbeitete Fassungen der Brieftexte vor, als einer der wichtigsten Schöpfer von Kirchenmusik bringt deren historischen Kontext zur Sprache und um 1700 gilt. kommentiert erklärungsbedürftige Details. Sie ist auf 12 Briefbände und eine CD-ROM für das Gesamtregis- Felix Mendelssohn Bartholdy hat mit großer Stilsi- ter und Ergänzungen angelegt. Der erste Band er- cherheit und Eloquenz eine umfangreiche Korrespon- scheint im November. – Nähere Informationen: denz unterhalten. Familien-, Reise- und Freund- www.baerenreiter.com.

]

[t]akte 2I2008 5 [t]akte

Mit seinem Konzept standardisierter Handlungen schrieb der venezianische Opernkomponist Pietro Cavalli kommt wieder Cavalli Geschichte. Die neue kritische Cavalli- Zum Start der Gesamtausgabe seiner Opernwerke Edition bei Bärenreiter startet mit „Ercole amante“.

Pietro Francesco Cavalli (1602–1676), der sich in der Ka- einer Basslinie, lediglich einigen Streicherstellen für Ri- pelle von San Marco in Venedig vom Chorknaben (1616) tornelle und einem gelegentlichen Accompagnato einer bis zum „Maestro di cappella“( 1668) hochdiente, war der Aria. Herausgeber fügten oft sowohl Streicher- als auch bekannteste Opernkomponist in der Mitte des 17. Jahr- Holz- und Blechbläserpartien hinzu. Eine zweite Auffüh- hunderts. Während seiner Opernkarriere, die sich über rungswelle folgte mit Partituren die, beeinflusst durch die Jahre 1639–1673 erstreckte, schuf er nicht nur annä- die sich entwickelnde „Alte-Musik-Bewegung“, um vie- hernd 30 Werke für venezianische Theater, sondern auch le der Zusätze bereinigt worden waren. Der Notentext etliche Werke für andere wichtige Zentren in Europa wie war aber nach wie vor unzuverlässig, und alle Auffüh- Mailand, Florenz und Paris. Viele der Opern, die ur- rungen waren abhängig von den Vorlieben und dem sprünglich für Venedig geschrieben worden waren, ver- Geschmack des jeweiligen Herausgebers. breiteten sich zudem weit über die italienische Halb- In den vergangenen zehn Jahren wuchs das Interes- insel und darüber hinaus. Obwohl er unzweifelhaft von se des Publikums erneut. Diese Opern werden nun als seiner Verbindung zu Monteverdi profitierte, war Caval- eine unerschlossene Quelle attraktiver neuer Erfahrun- lis spezieller Platz in der Operngeschichte ein Ergebnis gen für das zeitgenössische Opernpublikum betrachtet. eigener Begabung. Als Reaktion auf dieses Interesse und um den Opern- Kurz nach dem Karneval 1637 gründete Cavalli zu- häusern heute zuverlässige Aufführungsmateriale zu- sammen mit einigen Kollegen (einem Librettisten, ei- gänglich zu machen, entstand die Idee, eine Gesamtaus- nem Sänger und einem Choreographen) eine Produkti- gabe der Werke Cavallis herauszugeben. Unter der Fe- onsgesellschaft. Die Gruppe übernahm das Teatro San derführung des Bärenreiter-Verlages ist eine erste Se- Cassiano, wo sie 1639 Cavallis erste Oper, Le nozze di Teti rie, die 14 Opern umfassen wird, auf den Weg gebracht e di Peleo, produzierten. Er brachte noch acht weitere worden. Jede Oper wird nach einheitlichen Editions- Opern in San Cassiano zur Aufführung, bevor er sich zu richtlinien von einem anderen Musikwissenschaftler anderen Theatern orientierte, in denen er seine jährli- herausgegeben. chen Produktionen bis in die späten 1660er-Jahre gerad- Sobald mit Calisto und Ercole amante 2009 der An- linig weiterverfolgte. fang gemacht ist, die beide von Alvaro Torrente heraus- Die Entwicklung der Opernkarriere Cavallis über- gegeben werden, wird ein Werk pro Jahr erscheinen. Die schneidet sich mit einem Zeitraum bemerkenswerten Partituren, die höchsten wissenschaftlichen Ansprü- Wachstums der venezianischen „Opernindustrie“. Das chen genügen, werden Aufführungen durch die Besei- wird an der rasch anwachsenden Zahl von Theatern tigung von Unklarheiten in der Notation, durch Hinzu- sichtbar – von einem (1637), zu zwei (1639), zu drei (1640) fügung von gegebenenfalls notwendigen Instrumental- und schließlich zu vier Theatern (1641) – und dem gleich- stimmen und durch die Vorlage des Textes erleichtern. zeitigen Anstieg der jährlichen Produktion – von einer Ellen Rosand einzigen Oper 1637 bis zum Höchststand von sieben Generalherausgeberin Cavalli Edition Opern 1642, zwei davon aus der Feder Cavallis. In den (Übersetzung: Jutta Weis) frühen 1640er-Jahren wurde die Oper zu einer der Hauptattraktionen des berühmten venezianischen Kar- nevals. Francesco Cavalli In den 1640er-Jahren verstand es das Team Cavalli- Ercole amante (1662). Hrsg. von Álvaro Torrente. Faustini einzigartig, in regelmäßiger Folge Opern her- Opere di Francesco Cavalli. Bärenreiter-Verlag 2010. auszubringen. Um die schnelle Produktion neuer Wer- Aufführungsmaterial vorab erhältlich. ke zu erleichtern, entstand eine Reihe musikalisch-dra- Erste Aufführung nach der Neuedition: 11.1.2009 matischer Konventionen, die ihren Platz innerhalb des Amsterdam. De Nederlandse , Musikalische Kontexts standardisierter Handlungen fanden. Viele Leitung: Ivor Bolton, Inszenierung: David Alden dieser Konventionen haben sich bis zum heutigen Tag Besetzung: Prolog: Cinthia (Sopran*), Tevere (Bass*) in der Oper gehalten. – Oper: Ercole (Bass), Venere (Sopran), Giunone (So- Cavallis historische Bedeutung wird seit dem späten pran), Hyllo (), Iole (Sopran), Paggio (Sopran), 19. Jahrhundert wieder gewürdigt. Aber seine Musik war Deianira (Sopran), Licco (Alt), Pasithea (Sopran*), nur denen zugänglich, die willens und in der Lage wa- Sonno (stumm), Mercurio (Tenor), Nettuno (Bass), ren, sie selbst anhand der handschriftlichen Partituren Eutyro (Bass*), Bussiride (Alt), Clerica (Sopran*), zu transkribieren. Bis in die jüngere Vergangenheit ba- Laomedonte (Tenor*), Bellezza (Sopran*). sierten die meisten Aufführungen auf Editionen, die * Doppelbesetzung möglich, insgesamt erforderlich dem Geschmack eines Publikums entsprechen wollten, 5 Soprane, 1 Alt, 2 Tenöre, 2 Bässe das nicht mit dem relativ kargen Opernstil des 17. Jahr- Orchester: 5 Stimmen hunderts vertraut war. Denn die originalen Partituren bestehen im Wesentlichen aus einer Singstimme und

6 [t]akte 2I2008 2I2008

Ein Held in Liebe Francesco Cavallis „Ercole amante“ in der Neu- edition von Álvaro Torrente

1659 wurde Francesco Cavalli dazu aufgefordert, eine Oper anlässlich der Hochzeit Ludwig XIV. mit der Infan- tin Maria Theresa, Tochter des spanischen Königs Phi- lipp IV. zu komponieren, die nach jahrzehntelangen Kämpfen ein Friedensabkommen zwischen Frankreich und Spanien besiegelte. Der kluge Kopf hinter dieser diplomatischen Übereinkunft war Kardinal Jules Maza- rin, der sich entschloss, das Abkommen und die Hoch- zeit als das aufwendigste Spektakel zu begehen, das jemals in Europa zu sehen war. Da das Ereignis nach Glanz und Pracht verlangte, beauftragte Mazarin den italienischen Architekten Vigarani damit, das außerge- wöhnlichste Theater Europas zu bauen: die „Salle des Machines“ im Palast der Tuilerien, die 7.000 Zuschauer aufnehmen konnte. Unverwechselbare Besonderheiten des Theaters waren die Maschinen, die fantastische op- tische Effekte ermöglichten. Ein großer Nachteil war freilich die katastrophale Akustik. Das Opernlibretto von Abate Francesco Buti basiert Herakles, Deianira und Nessos auf einer attischen Vase aus dem auf einer Kombination von Sophokles’ Trachinerinnen 6. Jahrhundert v. Chr. Louvre, Paris. und Ovids Metamorphosen. Deutlich abweichend vom herkömmlichen venezianischen ist es in fünf bei der Begleitung von Arien, Chören und Rezitativen. statt in drei Akte aufgeteilt, komische Szenen für einfa- Das Werk ist vermutlich nicht nur von den Streicheren- che Charaktere wurden reduziert und umfangreiche sembles des französischen Hofs – Les vingt-quatre vio- kommentierende Chorszenen hinzugefügt. lons und Les petits violons –, sondern wahrscheinlich Herkules’ (Ercoles) leidenschaftliche Liebe zu der jun- auch von Bläsern im Dienste des Sonnenkönigs aufge- gen Iole, Braut seines Sohnes Hyllo, bringt ihn dazu, sei- führt worden. Große Chöre mit sieben oder acht Teilen ne Frau Deianira zu verstoßen und seinen eigenen Sohn kommen im Prolog und der Schlussszene zum Einsatz, ins Gefängnis zu bringen. Iole ruft den Geist ihres Va- während kleinere Ensembles mit kontrastierenden ters Eurytos an, der von Herkules getötet worden war Klangfarben die Handlung betonen und damit eine be- und der alle Opfer des Helden auffordert, dessen Tod zu deutende dramaturgische Funktion übernehmen: der fordern. Um die Liebe ihres Ehemannes zurückzuerlan- Schlummerchor „Dormi, o Sonno dormi“, die Anrufung gen, schickt Deianira ihm ein vom Blut des Zentauren der Unterwelt „Gradisci o Re“, die Verdammung der Geis- Nessos durchtränktes, magisches Gewand, das, wie er ter „Pera, mora il crudel“ oder die religiöse Anrufung von versprochen hat, Ercole vor Untreue bewahren soll. Nicht Juno „Pronuba e casta dea“. Die Oper weist zudem Merk- wissend, dass das Gewand vergiftet ist, gibt Iole es Erco- male auf, die zu Standards der europäischen Oper wur- le während ihrer Hochzeit. Als er es anzieht, verbrennt den: das liebliche Duett der jungen Liebenden Iole und sein Körper. Während Hyllo, der für tot gehalten wird, Hyllo etwa in „Amor, ardor piu raro“ – mit dem komi- wieder auftaucht, erscheint Juno vom Himmel, um zu schen Widerpart von Licco und dem Pagen „Amor chi a verkünden, dass Ercole gerettet und ihn mit Bel- senno in se“ – oder das Lamento der verlassenen Deia- lezza vermählt hat. Die Oper endet mit dem französi- nira „Ahí ch’amarezza“. schen Ercole und der spanischen Bellezza, die im Him- Ungeachtet aller Bemühungen war der Oper kein Er- mel bejubelt und von Sternen und Planeten umkreist folg beschieden, was im Wesentlichen der schlechten werden. Die Oper vermittelt Ludwig, Maria Theresa und Akustik des Theaters zuzuschreiben ist. Nur die Proben- ihrem Hof die moralische Botschaft über die Gefahren arbeiten in Mazarins Palast boten die Möglichkeit, die von Treulosigkeit und Eifersucht. Musik zu genießen, was Cavalli nicht befriedigte. So Cavalli unternahm größte Anstrengungen, um den kehrte er kurze Zeit später mit dem festen Vorhaben wichtigsten Auftrag seines Lebens zu erfüllen. Er be- nach Venedig zurück, nie wieder eine Oper zu kompo- diente sich einer ungewöhnlich großen Zahl von Quel- nieren. Glücklicherweise hat er sein Wort gebrochen. len. Das Orchester nimmt eine führende Rolle ein, so- Álvaro Torrente wohl in den sinfonischen Instrumentalteilen als auch (Übersetzung: Jutta Weis)

]

[t]akte 2I2008 7 DIE GRÖSSTE MUSIK-ENZYKLOPÄDIE DER WELT

EINE ANSCHAFFUNG FÜRS LEBEN

Jetzt vollständig auf rund 25.000 Seiten in 29 Bänden! • Sachteil in 9 Bänden • Register zum Sachteil • Personenteil in 17 Bänden • Register zum Personenteil Jetzt • Supplement mit neuen Personen- und Sachartikeln bestellen! GBR 1100 ‘ 5.645,50 / CHF 9.639,30 NEU: • Register zum Personenteil • Supplement Vorzugs preis für Subskribenten Je Band ‘ 177,90 / CHF 273.– (Ladenpreis ‘ 203,50 / CHF 312.–) Im Musikalienhandel Lieferung durch Bärenreiter

»Eine Enzyklopädie des geballten Wissens. Weltweit beispiellos.«

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

U Weitere Informationen unter www.mgg-online.com.

MGMGG_AnzA4_4c_dt_RZ.inddG_AnzA4_4c_dt_RZ.indd 1 008.05.20088.05.2008 117:49:247:49:24 UUhrhr 2I2008

Glucks „La Semiramide riconosciuta“ nach einer Vor- lage von Pietro Metastasio wird 260 Jahre nach ihrer Uraufführung im Wiener Burgtheater zum ersten Mal „Semiramide va alle stelle!“ wieder auf einer Opernbühne zu erleben sein: ab dem Christoph Willibald Glucks erste Oper für Wien 18. Oktober am Mainzer Staatstheater.

Mitten in Glucks „Wandertruppenjahre“ (1746–1752) fiel ein Ereignis, das seinen weiteren Lebensweg entschei- dend bestimmt hat: sein Debut als Opernkomponist in Wien. Das Datum: 14. Mai 1748. Tags zuvor war der Ge- burtstag der jungen Kaiserin Maria Theresia gefeiert worden. Eine Festaufführung also, für die das „k. k. Hof- theater nächst der Burg“ aufwendig renoviert worden war. Für die Festoper wurde weder bei der Ausstattung – Bühnenbild, Kostüme, Requisiten – noch bei der Ver- pflichtung der mitwirkenden Künstler gespart, man hatte „die besten Stimmen, so man finden können, zu- sammen gesucht“ und aus Italien „die ihrer Action hal- ber sehr renomirte Tesi mit noch einigen anderen Vir- tuosen zu der Orchestre“ engagiert. Vier der sechs be- teiligten Solisten hatten bereits in Italien oder London Babylon. Aus der „Schedelschen Weltchronik“. Nürnberg 1493 unter Glucks Leitung in seinen Opern gesungen, ein be- währtes „Gluck-Ensemble“ also. reichlich klangliche Abwechslung zu schaffen. Interes- Für den dreiunddreißigjährigen Gluck bedeutete der santerweise ist die Hauptrolle der Semiramis eine rela- Kompositionsauftrag Ehre und Herausforderung tiv tief gelagerte Altpartie. Dem Typus der virtuosen zugleich. Die Wahl des der Festoper hatte ganz Kastratenpartie entspricht am ehesten die Rolle des Sci- im Zeichen des Geburtstages der Kaiserin gestanden. talce (Sopran), jene des Ircano zeichnet einen energi- Metastasios „Dramma per musica“ La Semiramide rico- schen Charakter. Die Tenorpartie des Mirteo bevorzugt nosciuta war mit Bedacht bereits bei der Kaiserkrönung gemäßigte Tempi und ist ebenso lyrisch angelegt wie Maria Theresias 1743 in Prag als Festoper in Szene ge- jene der heftig umworbenen Tamiri. Pietro Metastasios setzt worden, in Anspielung auf die „Pragmatische Sank- Bemerkung – „una musica arcivandalica insopportabi- tion“ (die weibliche Erbfolge im Haus Habsburg). Jetzt, le“ – dürfte sich auf manche vom italienischen Ge- im Frühjahr 1748, hatte Metastasios Dramenhandlung schmack abweichende Wendung der Melodik und auf um die in Männerkleidung als „König Ninus“ in Baby- Kühnheiten der Orchesterbehandlung bezogen haben; lon regierende Semiramis noch deutlicher, ja hochak- Gluck beschränkte sich weder auf geschmeidige Kolo- tuell Bezug zur politischen Situation: Bei den gleichzei- raturen noch auf einen gefälligen Orchestersatz. Er ließ tig stattfindenden Friedensverhandlungen in Aachen das Orchestervorspiel zu einigen Arien weg und verzich- ging es um die Anerkennung Maria Theresias als Kaise- tete mitunter auf die Da-capo-Form. Weit vorausbli- rin durch die europäischen Mächte. Kenner dieser bri- ckend, hatte er das Zusammenwirken aller theatrali- sant-problematischen Situation wussten sehr wohl um schen Kräfte im Blick und ließ die engen Grenzen der die Doppelbedeutung des gewählten Operntitels: „rico- italienisch-virtuosen Gesangsoper hinter sich: „Semira- nosciuta“ kann sowohl „wiedererkannt“ als auch „an- mide va alle stelle“, musste selbst der kritische Metas- erkannt“ bedeuten. tasio nach dem Erfolg der Oper eingestehen. Die im Libretto abgedruckte Vorgeschichte und die Gerhard Croll / Thomas Hauschka Handlung der Oper sind verwickelt konstruiert. Ge- trennte Geschwister, alte Freunde, Rivalen und Intrigan- ten begegnen sich – anfangs unerkannt – nach langer Christoph Willibald Gluck Zeit am Hof des babylonischen Königs Ninus (alias Se- Dramma per musica in drei Akten. Libretto von Pietro miramide) wieder, als die am Hof lebende Prinzessin Metastasio Tamiri aus den herbeigeeilten Freiern einen Gatten Hrsg. von Gerhard Croll und Thomas Hauschka wählen soll. Der Königspalast, die legendären Hängen- Sämtliche Werke, Band III/12. Bärenreiter-Verlag. den Gärten der Semiramis und ein malerisches Hafen- Aufführungsmaterial leihweise ambiente bilden die Szenerie. Die aus Afrika, Asien und 16.10.2008: Staatstheater Mainz, Musikalische dem Vorderen Orient stammenden Protagonisten sor- Leitung: Michael Millard, Inszenierung, Bühne und gen mit ihrem Gefolge für ein farbiges Erscheinungs- Kostüme: Peer Boysen bild. Bis zur Entwirrung des Knotens kommt es zu Zwei- Personen: Semiramide (Alt), Mirteo (Tenor), Ircano (So- kampf, Entführung und einem Giftbecher. pran), Scitalce (Sopran), Tamiri (Sopran), Sibari (Sopran) Durch den geschickten Einsatz solistischer Instrumen- Orchester: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Fagotte – 2 Hörner, te, eine Bühnenmusik „d‘istromenti barbari“, durch eine 2 Trompeten – Pauken – Streicher – Cembalo – Büh- Tanzszene, den Chor am Schluss der Oper wusste Gluck nenmusik „istromenti barbari“

]

[t]akte 2I2008 9 [t]akte

Ein „neues” Klavierkonzert von Felix Mendelssohn! Aus den vorhandenen Skizzen hat Larry Todd das e-Moll in den Jahren zwischen 1842 und 1844 entworfene Felix Mendelssohns drittes Klavierkonzert Konzert in e-Moll rekonstruiert und ergänzt.

Mendelssohn erwog ernsthaft zwischen März 1842 und März 1844, ein Klavierkonzert zu schreiben, das genau wie Opus 64 aus drei zusammenhängenden Sätzen be- stehen sollte und für das er außerdem ebenfalls die Ton- art e-Moll gewählt hatte. Die Anregung für diese Kom- position könnte von Edward Buxton stammen, der für den englischen Verlag J. J. Ewer & Co. tätig war. Men- delssohn erwähnt in einem Brief an Buxton vom 5. März 1842 explizit den Gedanken an ein „drittes [Klavier-]Kon- zert“ und fährt fort: „ich plane einen Englandbesuch in diesem Frühjahr und beabsichtige, ein paar Wochen in London zu verbringen, um einige neue Kompositionen zu veröffentlichen, die ich geschrieben habe; ich hoffe, bis dahin ein Konzert zu vollenden, und würde es na- türlich zuerst Ihnen anbieten, sollte dies der Fall sein“ (Brief Mendelssohns an Buxton vom 5. März 1842). Wie wir wissen, wurde aus dieser Idee zu diesem Zeit- punkt nichts; zwei Jahre später jedoch, als er seine ach- te Englandreise plante, schrieb Mendelssohn an seinen Leipziger Verleger Breitkopf & Härtel, „ein Clavier-Con- cert denke ich bis dahin [Mitte April] zu beendigen, und dann möchte ich Sie wohl bitten es abermals in die Welt zu lootsen!“ (Brief Mendelssohns an Breitkopf & Härtel vom 5. März 1844). Obwohl Mendelssohn sein „drittes“ Klavierkonzert für England niemals beendete, hinterließ er einen aus- gedehnten Entwurf für die ersten beiden Sätze und war sich seiner Sache sicher genug, um bereits mehrere Sei- ten einer Orchesterpartitur des ersten Satzes niederzu- im Bass erscheint, gleicht einem frühen Entwurf für sein schreiben. Diese Quellen sind in der Bodleian Library in Schwesterthema in Opus 64. In ähnlicher Weise deutet Oxford erhalten. Im vorliegenden Zusammenhang ist die abgerissene Bewegung des zu Beginn des Klavier- für uns die Tatsache von Bedeutung, dass das Klavier- konzerts stehenden e-Moll-Themas, das – bereichert konzert mit dem Violinkonzert in e-Moll nicht nur die durch den Leitton dis – die absteigende Quarte e-h durch- Tonart, sondern auch ein gewisses Maß an themati- schreitet, auf das Orchestertutti voraus, mit dem der ers- schem Material gemein hat. Besonders auffällig sind die te Satz von Opus 64 endet. offensichtlichen Parallelen zwischen dem zweiten The- Der fragmentarische Entwurf des dritten Klavier- ma des ersten Satzes und dem bekannten zweiten The- konzerts erweist sich als ein eindrucksvolles Bindeglied ma von Opus 64, wo die Bläser die Melodie in G-Dur ein- zwischen dem ursprünglichen Entwurf des Violinkon- führen, während die Solovioline darunter auf der G-Sai- zerts, der Mendelssohn im Juli 1838 keine Ruhe gelas- te einen ausgehaltenen Orgelpunkt spielt. Das G-Dur- sen hatte, und der im September 1844 vollendeten Par- Thema für das Klavierkonzert, das über einem Tremolo titur. Er verwendete also einige im Zusammenhang mit dem Violinkonzert entstandene Einfälle, als er die Ar- beit am Klavierkonzert aufnahm; und als er dieses Pro- Felix Mendelssohn Bartholdy jekt aufgegeben hatte, tauchte das Material schließlich Konzert in e Nr. 3 für Klavier und Orchester in Opus 64 auf. Rekonstruiert und vervollständigt von R. Larry Todd Der bekannte Mendelssohn-Forscher R. Larry Todd Bärenreiter-Verlag 2008. Partitur käuflich, Auffüh- (Duke University) legt für seine Edition Mendelssohns rungsmaterial leihweise Autograph-Particell (Oxford) und eine bei Henschke für Erste Aufführung: 10.1.2009 Bad Kissingen (Festival N. Gade angefertigte Abschrift (Yale University) Winterzauber), Matthias Kirschnereit (Klavier), Sinfo- zugrunde. Mendelssohns Particell hat Todd bis zum Ende nieorchester Basel, Leitung.: Mario Venzago des zweiten Satzes orchestriert (Mendelssohns Particell (auch 11.1.2009, Garmisch-Partenkirchen) beinhaltet Instrumentenangaben) und Todd fügte als US-Premiere: 18.3.2009 New York, Tatiana Goncharo- dritten Satz eine Umarbeitung für Klavier der Solostim- va (Klavier), Lyric Chamber Ensemble me aus Opus 64 hinzu. Douglas Woodfull-Harris

10 [t]akte 2I2008 2I2008

Mit der Editionsreihe „L’Opéra français“ unter- Mehr als „Carmen“ nimmt Bärenreiter eine Ehrenrettung des französi- schen Musiktheaters des 19. Jahrhunderts und öff- und „Faust“ net auf der Basis gesicherter Quellenerkenntnisse Die französische Oper zwischen der Revolution und einen reichen Fundus an Werken, die eine Wieder- dem Beginn der Moderne entdeckung lohnen.

Vom reichhaltigen Repertoire der französischen Oper des 19. Jahrhunderts haben sich nur wenige Werke bis heute auf den Bühnen behauptet: Carmen und Faust sind die bekanntesten. Andere, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert nicht nur die französischen Spielpläne be- herrschten, warten auf ihre Wiederentdeckung. Dies erstaunt umso mehr, als man weiß, wie couragiert und verschiedenartig die Produktionen der Pariser Opern- häuser zu jener Zeit waren. Die Opéra-Comique brach Rekorde zum einen durch die hohe Zahl neuer Werke, aber auch durch die Dichte ihrer Vorstellungen; die Grand Opéra festigte die Karrieren der berühmtesten französischen und ausländischen Sänger; das Théâtre- Lyrique entdeckte junge Komponisten und trug zu ei- ner außergewöhnlichen Diversifikation der Genres bei; die Opéra bouffe und die Operette beherrschten die Bou- levards. Komponisten wie Cherubini, Méhul, Spontini, Boieldieu, Auber, Halévy, Adam, Thomas, Gounod, Lalo, Saint-Saëns, Delibes, Bizet, Chabrier, Massenet u. a. ge- langten zu Weltruhm. Abbildung: Aufführung in der Salle de la rue le Pelletier, Heimat der Nach der Wiederentdeckung der Barockoper in den Pariser Oper von 1821 bis 1873 letzten zwei Jahrzehnten wächst nun auch das Interes- se an diesem zum Teil vernachlässigten Repertoire. Im L’Opéra français Zuge dessen wird der Bärenreiter-Verlag das reiche Kor- Editionsleiter: Paul Prévost pus zu neuem Leben erwecken und hat die Veröffentli- Bärenreiter-Verlag Kassel 2008ff. chung der Reihe L’Opéra français auf die Agenda gesetzt. Sie entsteht nach dem Vorbild der großen Denkmäler- Adolphe Adam: Le Toréador ou L’Accord parfait Ausgaben als kritische Edition der zentralen musikdra- Hrsg. von Paul Prévost (2008) matischen Werke, die in der gesellschaftlich spannen- Aufführungsmaterial bereits leihweise erhältlich den Zeit zwischen der Revolution und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs entstanden sind. Darin sind die Wer- Édouard Lalo: Fiesque ke enthalten, die in musikalischer und dramatischer Hrsg. von Hugh Macdonald (2009) Hinsicht von entscheidender Bedeutung oder charakte- Daniel François Esprit Auber: Le Domino noir ristisch für einen Stil oder eine Gattung sind. Hrsg. von Emmanuel Trombowsky (2010) Die Bände entsprechen gleichermaßen den wissen- Ambroise Thomas: Hamlet schaftlichen Anforderungen einer kritischen Edition als Hrsg. von Hugh Macdonald und Sarah Plummer (2011) auch den praktischen Bedürfnissen der Bühnen und der Ausführenden. Alle bekannten Quellen fließen in die Jules Massenet: Werther Ausgaben ein. Die Ausstattung der Partituren und der Hrsg. von Lesley Wright (2011) Materiale folgt heute gängiger Praxis. Der kritische Be- Emmanuel Chabrier: L’Étoile richt ermöglicht es, den Zustand des Werkes in seinen Hrsg. von Hugh Macdonald (2012) Quellen zu erkennen. Aufführungsmaterial ab Frühjahr 2010 leihweise Jeder Band enthält eine Einleitung des wissenschaft- vorab erhältlich lichen Herausgebers, das Libretto, die Partitur, den kri- Camille Saint-Saëns: Samson et Dalila tischen Bericht zum Notentext und gegebenenfalls An- Hrsg. von Andreas Jacob (2012) hänge. Die entsprechenden Aufführungsmateriale wer- Charles Gounod: Roméo et Juliette den sukzessive erscheinen, Erstaufführungrechte sind Hrsg. von Arnold Jacobshagen (2013) zum Teil noch zu vergeben. Damit wird die Basis ge- schaffen, um das Repertoire gemäß den heutigen An- Charles Gounod: Faust sprüchen in seiner Vielfalt den Theatern wieder zugäng- Hrsg. von Paul Prévost (2013) lich zu machen. BV / Red. Georges Bizet: Carmen Hrsg. von Hervé Lacombe (2014) Die Reihe wird ca. 35 Bände umfassen und zur Subskription angeboten.

]

[t]akte 2I2008 11 [t]akte

Jossi Wieler, Sergio Morabito und Sébastien Rouland haben im März an der Staatsoper Stuttgart Halévys brisante Oper „La Juive“ herausgebracht und aus Vexierbilder der Gewalt dem Stück ein Exempel aktuellen Musiktheaters ge- Halévys „La Juive“ an der Staatsoper Stuttgart macht.

Die 1835 uraufgeführte, seit den 1930er-Jahren von den ler und Sergio Morabito in ihrer weitgehend strichlosen Bühnen verschwundene und erst in jüngster Zeit zag- Inszenierung Halévys kontrastiver Mischung von emo- haft wieder gespielte „Jüdin“ Halévys ist mit ihrem tionalen Affekten und spektakulären Chorszenen. Der Ineinander von christlichem Antijudaismus und jüdi- erste Schock stellte sich ein, als der Vorhang hoch ging. schem Märtyrertod angesichts der jüngsten Geschichte Man fühlte sich ins Laientheater versetzt: links das Por- noch immer von höchster Brisanz. tal einer Kirche – die Handlung spielt 1414 zur Zeit des Die Schwierigkeiten des Umgangs sind im Stück selbst Konstanzer Konzils –, rechts das schmucke Fachwerk- begründet. Halévy und sein Librettist Eugène Scribe ha- haus des jüdischen Goldschmieds Eléazar, dazwischen ben in La Juive nichts Geringeres unternommen, als das ein Platz, der den Blick auf einen Wehrgang freigibt. Ein individuelle Schicksal der Hauptfiguren vor ein Ge- pittoreskes Mittelalter im überdimensionierten Pup- schichtspanorama zu stellen, und das Ganze mit einer penstubenformat, wie das Libretto es andeutet. Doch es amourösen Intrige unterfüttert. Der Jude Eléazar und sein sollte, scheinbar, noch schlimmer kommen. Wenn der Gegenspieler, der katholische Kardinal Brogni, sind dabei Chor nach dem einleitenden „Te Deum“ von der seitli- allerdings nicht Protagonisten eines Ideendramas, son- chen Kulisse auf die Szene strömt und sich die Massen- dern agieren fast ausschließlich als Individuen ihres hysterie aus Jahrmarktstaumel und Judenhass auf Eléa- Schicksals. Verkompliziert wird die das Stück beherr- zar und Rachel entlädt, werden wir zu Zeugen einer far- schende Auseinandersetzung zweier Väter, die benfreudigen Verkleidungsshow, die aus den Alltagsfi- gleichermaßen Täter wie Opfer sind, durch Rachels Lie- guren jene Laienschar macht, die als blindwütiges Kol- besbeziehung zum Reichsfürsten Léopold – ein Doppel- lektiv das grausame Katz-und-Maus-Spiel des antisemi- spiel, dessen Gefühlskatastrophe die Handlung zur tischen Pogroms beginnt. schlimmstmöglichen Wendung treibt. Erst im Augen- Die überrumpelnde Theatralik erinnert an Elias Ca- blick ihrer Hinrichtung, als es zu spät ist, enthüllt Eléa- nettis Beschreibung der Hetzmeute in Masse und Macht zar, dass seine vermeintliche Tochter Rachel in Wahrheit und schreckt selbst vor der Groteske nicht zurück – wenn Brognis Kind ist, das er einst vor dem Feuertod rettete. Neider dem Kaiserdarsteller die Krone und den Purpur- An der Staatsoper Stuttgart (Premiere: 16.3.2008, Mu- mantel herunterreißen oder gleich mehrere Päpste sich sikal. Leitung: Sébastien Rouland) vertrauten Jossi Wie- um den Krummstab balgen.

Pittoreskes Mittelalter im Puppenstubenformat. „La Juive“ in Stuttgart (Fotos: Martin Sigmund)

12 [t]akte 2I2008 2I2008

Schnell wird klar, um was es dem Regieduo Wieler/ Morabito geht: Die Gewalt der Bilder erzeugt Vexierbil- der der Gewalt. Die Voyeure auf beiden Seiten der Ram- pe sind Mitwirkende im Spiel, Zuschauer und Handeln- de zugleich. Beklemmend wird dieses Spiel im Spiel im Schlussakt, wenn der Chor im karnevalesken Alptraum mit Hakennasen, Judenhüten und Taschenlampen erst zur Hetzjagd bläst, dann zum Trauermarsch in schwar- zer Maskierung kofferschleppend und niedergebeugt den endlosen Zug der Juden in die Shoah karikiert – also das Entsetzen zeigt und zugleich mit ihm Spott treibt –, und schließlich den letzten Gang der Verurteilten be- klatscht. Bert Neumann hat die Bilder der fünf Akte auf eine Drehbühne gesetzt, die in den drei Mittelakten mit Lauf- gängen und Treppen versatzstückartig das hintere Ge- stänge des vorderen Szenenaufbaus freigibt – ein Git- terwerk, das die Mechanismen der Handlung freilegt, die Figuren gleichsam skelettiert und damit ihre inne- ren Konflikte nach außen stülpt. Dass dabei auch die Komik – der den starken Mann mimende Schwächling Léopold im weinroten Spießer-Blazer, seine Gattin Eu- doxie als Domina in Reizwäsche, die zum farbenfrohen Kinderkreuzzug umfunktionierte Ballettpantomime – dick aufgetragen wird, ist durchaus im Sinne des Stücks. Betroffenheit entsteht gerade nicht durch eine vor- dergründige Politisierung, sondern durch eine ästheti- sche „Über-Setzung“, die die Position des Zuschauers hier und heute ins Spiel mit einbezieht. Wieler/Morabito trei- ben die antisemitischen Klischees dabei so weit, dass Jahrmarktstaumel und Judenhass uns der Schrecken im Hals stecken bleibt und wir nicht mehr wissen, was Spiel und was Spiel im Spiel ist. Sicht- dung, stimmlich grenzwertig sein: hier muss er wohl bar werden auf diese Weise gerade die seelischen Am- doch so singen, wie er singt! Spielerisch eindrucksvoll, biguitäten und psychischen Grenzsituationen, in die die wenn auch stimmlich unausgeglichen, die junge Rus- Handlung immer wieder die Figuren treibt. Und selbst sin Tatiana Pechnikova als Rachel, grandios in jeder Hin- der veränderte Schluss – Rachel und Eléazar werden sicht Liang Li als Brogni. Glanzvoll schließlich der Stutt- nicht hingerichtet, sondern Eléazar entreißt dem als garter Opernchor: Wie es Wieler/Morabito gelingt, jeden Henker kostümierten Brogni die Pistole und tötet erst Einzelnen als individuell wahrnehmbare (und individu- Rachel und dann sich selbst – fügt sich ins Spiel: Eléa- ell gespielte!) Gestalt zu erfassen und gleichzeitig das zars ungelöster Zwiespalt zwischen unversöhnlichem Kollektiv zur bedrohlichen Masse zu formen, bleibt für Christenhass und väterlicher Liebe wird aufgehoben im jeden, die die Aufführung gesehen hat, unvergesslich. Selbstopfer des zum Tode Verurteilten und der fatalis- Halévys musikalischer Eklektizismus macht es dem tisch liebenden Rachel. Dirigenten nicht leicht, großbögig die Akte zusammen- Aktueller, brennender kann Musiktheater nicht sein, zuhalten. Sébastien Rouland am Pult hat deshalb mit gerade weil jeder direkte Bezug zur weiterschwelenden Nachdruck die einzelnen Facetten hervorgehoben – die Brisanz des Stoffes vermieden wurde. Wer die Inszenie- Melodramatik all’italianità im zweiten und vierten Akt, rung mehrfach gesehen hat, kann überdies bestätigen, die den Lustspielton der Opéra comique streifende Aus- dass die Intensität, mit der alle Beteiligten bei der Sa- einandersetzung zwischen Eudoxie und Léopold im drit- che sind, nicht nachgelassen, sondern noch zugenom- ten Akt, nicht zuletzt die Unerbittlichkeit der Chöre, die men hat. Auch musikalisch hat die Produktion seit der dem Ganzen einen Zug ins Epische gibt und damit auch Premiere hörbar an Gewicht gewonnen. Mag für man- musikalisch die Originalität des Stücks akzentuiert. chen Chris Merritts Eléazar, szenisch ein Fels in der Bran- Uwe Schweikert

]

[t]akte 2I2008 13 [t]akte

Die Verlagsgruppe Hermann veröffentlicht im Rah- men ihrer kritischen Neuausgaben von Bühnenwer- ken nun auch einzelne Opern von Giacomo Puccini. Den Anfang macht „Tosca”, deren Autograph in ei- Tosca ad fontes ner Faksimileausgabe seit Kurzem öffentlich zu- Puccinis Oper erstmals in einer kritischen Ausgabe gänglich ist.

Die genaue Untersuchung des Au- FASSUNG B (1900) tographs von Tosca hat ergeben, – Die zweite Ausgabe des Klavierauszuges, Ricordi, dass viele musikalische Details in Mailand, 30. März 1900 (69.E.2) den Druckausgaben unzureichend – Die Erstausgabe der Partitur, Ricordi, Milano 1900 wiedergegeben wurden und dass (69.E.2A) Puccini in seinem musikalischen Denken dem 20. Jahrhundert viel FASSUNG C (1924) näher war als man es bisher ange- – Zweite Ausgabe der Partitur, Ricordi, Mailand 1924 nommen hat. (69.E.2G) Bis heute gelten selbst in Fachkrei- sen Puccinis Autographe nur als Puccini hat als einer der wenigen großen Komponisten Vorstadien zu Werken, die erst im noch keine Neubewertung durch eine Kritische Neuaus- Druck ihre endgültige Form erhal- gabe erfahren, zum Teil, weil die Werke in ihrer künst- ten haben. Wenngleich Puccinis lerischen Qualität oft unter dem Wert gehandelt wer- Autographe nie für Aufführungen den, der ihnen zusteht, zum Teil weil, so paradox das Giacomo Puccini verwendet worden sind, was auf- klingen mag, er einer der erfolgreichsten Opernkompo- grund der schweren Lesbarkeit von nisten aller Zeiten ist und seine Arbeiten daher auch in Puccinis Handschrift mit unzähligen Korrekturen und veralteten Ausgaben immer noch Erfolg haben. Verwischungen auch kaum möglich wäre, so sind sie doch die erste gültige Version und Vision des Kompo- „Es hängt eng damit zusammen, dass selbst Puccinis nisten, unbeschwert von den Notwendigkeiten des Prak- Verehrer sein Werk lange Zeit nicht so ernst genom- tischen und den Mühen der Realisierung. men haben, wie es gemeint ist. Zwar leiden eigent- Die Genauigkeit seiner Instrumentation, Dynamisie- lich alle Komponisten unter einer schlampigen Inter- rung und Artikulation ist verblüffend, auch verblüffend pretenwillkür, aber im Fall Puccinis übersteigt sie modern. Seine Notierungen, von kleineren Fehlern ab- wohl sogar das gewohnte Maß … Da das so ist, kann gesehen, sind äußerst genau, zuverlässig und uneinge- einstweilen keine Rede davon sein, dass der Kompo- schränkt realisierbar. Darüber hinaus sind gestrichene nist Puccini in all seiner Subtilität wirklich bekannt Stellen in allen drei Akten wieder aufgetaucht, die so wäre. Das liegt allerdings auch daran, dass das für manche Passage im Werk in einem neuen Licht zeigen. seine Opern verfügbare Aufführungsmaterial Die Entschärfungen der Harmonik, Vereinfachungen keineswegs heutigen Ansprüchen genügt.“ (Dieter und Angleichungen in Dynamisierung und Artikulati- Schickling, Puccini. Biografie, Stuttgart 2007, S. 374) on, wie sie in den Druckausgaben zu finden sind, ent- sprechen nicht dem ursprünglichen Willen eines Mu- Es ist an der Zeit, diese Neubewertung mit editori- siktheatergenies, das als Dramaturg mindestens so ver- schen Mitteln zu veranlassen. siert war wie als Komponist. Als erster Band wird im Herbst 2008 die Partitur zur Für die Neuausgabe wurden, neben dem Autograph, Fassung A, der Werkzustand vor der Uraufführung, er- sämtliche authentischen Quellen berücksichtigt. Dank scheinen. Zusätzlich wird ein Klavierauszug, der alle Dieter Schicklings „Catalogue of the Works“ (Bärenrei- Fassungen (ABC) darstellt, vorgelegt. Eine Partituraus- ter 2003), der mit äußerster Gründlichkeit und Über- gabe aller Fassungen (ABC), in simultaner Darstellung, sichtlichkeit alle Werke und Quellen auflistet und be- ist in Vorbereitung. Michael Mautner schreibt, ist der Zugang zu den authentischen Quellen erheblich erleichtert und eine Orientierung hinsichtlich ihrer Authentizität vorweggenommen worden. Giacomo Puccini Sämtliche Quellen wurden erstmals einer kritischen Tosca Bewertung unterzogen, auf Fehler untersucht und nach Hrsg. von Michael Mautner ihrem Stellenwert als Fassungen definiert oder in Fas- Verlagsgruppe Hermann sungen zusammengefasst. Aufführungsmaterial leihweise, Vertrieb: Alkor- Aus den vorliegenden Quellen (Nomenklatur in Klam- Edition mern nach Schickling) ergeben sich drei Fassungen:

FASSUNG A (1899) – Die autographe Partitur, Januar 1898/September 1899 (69.B.1) – Die Erstausgabe des Klavierauszuges, Ricordi, Mailand, November 1899 (69.E.1)

14 [t]akte 2I2008 2I2008

Anlässlich des 100. Geburtstags des Komponisten in diesem Jahr ist sein letztes Werk, die Motetten für Chor und Streicher aus dem fragmentarischen Ora- torium „Die Weltalter“, erschienen. Mit ihnen wird Neues von Hugo Distler die Reihe der in den vergangenen Jahren posthum Entdeckungen im Gedenkjahr veröffentlichten Distler-Werke fortgesetzt.

Als Hugo Distler am 1. November 1942 seinem Leben aus ten Streichersinfonie mit obligatem konzertierendem eigenem Willen ein Ende setzte, hat er eine ganze Reihe Cembalo an. Die Stringenz der Satzfolge und auch die von unveröffentlichten Werken hinterlassen. In den Architektur des gesamten Werkes tritt bei einer kom- letzten Jahren wurde nach diesen Werken, von deren pletten Wiedergabe deutlich hervor. Man darf vermu- Existenz man bis dahin nur Ungefähres wusste, gesucht, ten, dass Distlers Streichung des „Allegro spirituoso e und sie wurden tatsächlich gefunden, anschließend scherzando“ nicht aus musikalischen Gründen geschah, ediert und herausgegeben. Mit der Publikation von Dist- vielmehr dürfte es sich um eine Vorsichtsmaßnahme lers einzigem Werk für die Bühne, der Schauspielmusik aufgrund der impulsiven Vehemenz und der harmoni- zu Ludwig Tiecks Ritter Blaubart (1940), und in diesem schen Avanciertheit gehandelt haben, die die drei Sommer mit der Herausgabe der Vier Motetten aus dem seinerzeit veröffentlichten Sätze bereits an den Rand des fragmentarischen Oratorium Die Weltalter (1942) wird Verdikts der „entarteten Musik“ gebracht hatten. deutlich, dass in seiner letzten Schaffensphase wichti- Michael Töpel ge Projekte entstanden sind. Besonders die Weltalter- Motetten für gemischten Chor und Streichorchester nach einem eigenen Text zeigen eine Weiterführung des Hugo Distler – Ersteditionen existenzialistischen Stils der beiden letzten Motetten Kammerkonzert für Cembalo und elf Solo- aus der Geistlichen Chormusik op. 12. Nirgendwo sonst instrumente (1930–32). Besetzung: 1,1,1,1 – trifft man in seinem Werk eine derart geschärfte, auf die 1,0,0,0 – V I, V II, Va I, Va II, Vc, Kb / ca. 19 Mi- textliche Situation eingehende Harmonik an; in den nuten. Aufführungsmaterial leihweise, Stu- Weltalter-Motetten begegnet man sogar dem Flüstern dienpartitur käuflich des Chores als einem Mittel sublimer, dramatisch ein- Uraufführung: 28.11.1998 in Lübeck: Wiener dringlicher Musikalisierung. Diese zyklisch aufführba- Akademie, Solist und Leitung Martin Hasel- ren vier Vokalwerke, die sich den antiken Elementen böck Erde, Wasser, Luft und Feuer widmen, bereichern das Repertoire und können von gemischten Kammerchören, Allegro spirituoso e scherzando für Cemba- großen Konzertchören oder Kantoreien aufgeführt wer- lo und Streichorchester (Scherzo zum Konzert op. 14) den. Die solistische oder chorische Besetzung der Strei- (1935/36). cher (je zwei Violinen, Violen, Violoncelli und ein Bass) Besetzung: V I, V II, Va, Vc, Kb / ca. 8 Minuten. Auffüh- orientiert sich an der Größe des Chores. rungsmaterial leihweise Die Schauspielmusik zu Tiecks Ritter Blaubart ist viel- teilig angelegt und enthält auch einige opernhafte Musik zu Ludwig Tiecks „Ritter Blaubart“ für klei- Nummern mit Gesang, wobei neben der Gesamtauffüh- nes Orchester (enthält drei Nummern mit Sopran bzw. rung auch ausschließlich die orchestralen Sätze (u. a. vier Tenor und Cembalo) (1940). Ouvertüren) als Suite gespielt werden können. Personen: Agnes, Anne, Brigitte (Sopran, eine Sänge- Ähnlich besetzt ist das dreisätzige Kammerkonzert rin), Leopold (Tenor) für Cembalo und elf Soloinstrumente (1930–32), das in Orchester: Fl (auch Picc), Ob (auch Eh), Hn, Fag – Schlg seinem Duktus an die Kammerkonzerte Paul Hinde- (1) - Str - Cemb / ca. 31 Minuten. Aufführungsmaterial miths erinnert – eine Neuinterpretation des Topos’ der leihweise Brandenburgischen Konzerte Bachs. Mit seiner lebhaf- Uraufführung: 29.9.2002 Neubrandenburg: Neubran- ten Textur stellt das Kammerkonzert eine bemerkens- denburger Philharmonie, Leitung Stefan Malzew werte Bereicherung des relativ schmalen Repertoires an hochrangigen Cembalokonzerten aus der ersten Hälfte Vier Motetten (1. Der Mensch und die Erde / 2. Der des 20. Jahrhunderts dar. Mensch und das Wasser / 3. Der Mensch und die Luft / Die Publikation des „Allegro spirituoso e scherzando“ 4. Der Mensch und das Feuer) aus dem fragmentari- aus dem großen Konzert für Cembalo und Streichorches- schen Oratorium „Die Weltalter“ für gemischten Chor ter op. 14 – ohne Frage Distlers bekanntestes konzertan- (SATB; Teilung in zwei 4-st Chöre und T-Solo a. d. Ch. tes Instrumentalwerk – ermöglicht nun wieder Auffüh- in Nr. 3) und Streicher oder Klavier (1942). Text von rungen des gesamten Werkes in seiner ursprünglich Hugo Distler. intendierten Viersätzigkeit. In der Handschrift steht die- Mindestbesetzung der Streicher: 2 V, 2 Va, 2 Vc, 1 Kb / ser Satz, der die Funktion eines Scherzos einnimmt, an ca. 14 Minuten. Partitur mit Stimmen leihweise, Kla- dritter Stelle zwischen dem traumhaft schönen langsa- vierauszug käuflich men Satz und dem Variationenfinale über Samuel Uraufführung: 24.6.2008 Lübeck: Kammerchor und Scheidts altes Lied „Ei du feiner Reiter“. Mit einer Auf- Mitglieder des Orchesters der Musikhochschule Lü- führungsdauer von etwa 40 Minuten nähert sich das beck, Leitung Gerd Müller-Lorenz Konzert in seiner viersätzigen Gestalt einer ausgedehn-

]

[t]akte 2I2008 15 [t]akte

Die Werke von Dieter Ammann werden ab sofort vom Bärenreiter-Verlag verlegt. Kürzlich wurde er mit dem Förderpreis der Siemens Kulturstiftung Das Ringen um Freiheit ausgezeichnet. Über die Hintergründe seines Schaf- Der Schweizer Komponist Dieter Ammann fens gibt er im Gespräch Auskunft.

takte: Herr Ammann, was sind die wichtigsten Kompo- die ein schnelles Wechselspiel etwa zwischen sehr en- sitionen Ihrer bisherigen Zeit als Komponist? Gab es ergetischen, bewegten und sehr ruhigen Zonen ausprä- Etappen oder Zäsuren? gen, und diese bilden sich jeweils aus äußerst komplex geschichteten Einzelereignissen. Ammann: Ich muss vorausschicken, dass es mir wich- tig ist, einen Personalstil zu formen, natürlich nicht, um Das hängt mit meiner persönlichen Vorliebe beim Ge- sich dann selber zu kopieren, sondern um damit einen stalten von musikalischen Verläufen zusammen. Ich bin Weg in eine selbst gewählte Richtung zu gehen. Es gibt ein ungeduldiger Mensch und mag es, wenn ich über- einige Zäsuren: Die eine war nach den ersten beiden Stü- rascht werde, wenn ich als Hörer in ein Wechselbad von cken, die noch von seriellem Denken geprägt waren, De- musikalischen Zuständen geworfen und mitgerissen velopments (1993) und piece for cello (1994/1998). Bei werde. Mir ist Musik, die mich quasi „anspringt“, lieber dem Cellostück sind die Tonhöhen noch sehr streng be- als solche, bei der ich erst siebzehn Türen öffnen muss, handelt, rhythmisch und klangfarblich bin ich jedoch bevor ich herausfinde, was die Substanz sein könnte, schon intuitiv vorgegangen. Und auch Regard sur les tra- worauf es dem Komponisten ankommt. Das heißt, wenn ditions (1995) ist im Tonhöhenbereich recht erklärbar. ich schreibe, dann immer auch für mich als Hörer, das Danach wird es immer intuitiver. In The Freedom of ist natürlich ein subjektives Verfahren. Jedenfalls hat Speech (1995/96) ist diese Freiheit bereits Programm, diese Neugier und Ungeduld dazu geführt, dass ich, au- obwohl der Titel auch mit dem Tod meines Vaters zu tun ßer in zwei frühen Stücken, aufgehört habe, in langen hat. Hier habe ich zum ersten Mal den bisweilen müh- Verläufen mit einem Material zu arbeiten und dieses in samen Weg gewählt, einen Anfang zu setzen und daraus all seinen Facetten zu beleuchten. Vielmehr ist es so, dass das Folgende zu entwickeln. gewisse Regeln, die ich mir gebe, bisweilen auch nur Dann gibt es für mich Stücke, wo ich persönlich weiter- ganz punktuell wirken. Wenn ich merke, dass ich gerne gekommen bin: Zunächst Gehörte Form – Hommages einen anderen Hörverlauf hätte, nehme ich mir die Frei- (1998). Ich hatte sieben Monate Zeit, in Weimar daran heit und modifiziere oder verlasse das Material. Das war zu arbeiten, das hat sich in den zeitlichen Dimensionen einerseits eine Befreiung, andererseits kann man sich und der klanglichen Elaborierung dieser drei Streichin- nicht hinter der akademischen Kunst der Materialbe- strumente niedergeschlagen. Nächste Schritte sind we- handlung und Beleuchtung verstecken, weil man völ- nig später Violation (1998/99), wo die Beziehung zwi- lig subjektiv für sich entscheiden muss, ob diese Idee, schen Soloinstrumenten und Ensemble thematisiert diese Klangfindung standhält und sich legitimiert. Das wird. Dann kommen drei Orchesterstücke: bei Boost sind extrem subjektiv gefundene Klangvorstellungen, (2000/01) habe ich eindeutig auf Grooves (2000) Bezug die ich dann versuche, in einem dieser Vorstellung genommen, und bei Core (2002) nochmals auf Boost. möglichst adäquatem Material wiederzugeben. Deshalb Schließlich habe ich beim Klaviertrio Après le silence gibt es auch tonale Gebilde bei mir, manchmal Räume, (2004/05) in der Ausdrucksbreite noch auf größere Ex- in denen Dissonanz und Konsonanz unterscheidbar treme hin gearbeitet. Diese Extreme dann unter einen sind, dann aber auch wieder das chromatische Total bis Bogen zu bringen, ohne dass die Musik zerfällt, war für in die Vierteltönigkeit hinein, die ich dann als nochma- mich ein Schritt nach vorne. lige Differenzierung der Chromatik verstehe. Ich finde es spannend, etwas Direktes, Haptisches zu gestalten Sie haben Begriffe benutzt wie Szenenwechsel, also the- und trotzdem musikalische Tiefe im räumlichen Sinn atralische Beschreibungen Ihrer Musik. Viele Komponis- zu schaffen, so dass man bei einem wiederholten Hö- ten nehmen literarische Werke zur Inspiration oder ren Dinge dahinter wahrnehmen kann, die einem beim Werke der bildenden Kunst zur Anregung für die Struk- ersten Mal gar nicht bewusst waren. tur oder emotionale Themen. Haben Sie solche Interes- sen? Sie werden wahrscheinlich oft auf den Jazz angespro- chen. Es ist klar, dass Improvisieren etwas anderes ist Musik ist für mich genau das Medium, das eben keine als Komponieren. Trotzdem wird es ja Bezüge geben. Inhalte außer sich selbst transportieren muss. Ich gehe daher nicht von solchen Anregungen aus. Was ich ver- Über meinen Vater, der Naturwissenschaftler und Leh- suche, ist, meine akustische Vorstellung in eine auch für rer war, ging mein Zugang zur Musik zunächst über das andere sinnvolle oder zumindest anregende Form zu Spielen nach Gehör. Auch heute noch ist für mich die bringen. Das sind immer rein akustische Wahrnehmun- Notation immer ein Umweg. Ich denke, ich habe ein an- gen, immanent musikalische Vorgänge. deres Verhältnis zu rhythmischen Aspekten. Es gab und gibt viel , in der es nie pulsen darf. Ich weiß Sie bilden in Ihrer Musik häufig extreme Spannungs- nicht mehr genau, von welchem Komponisten der Aus- kontraste aus, stellen also Strukturen gegeneinander, spruch stammt, das Problem der neuen Musik sei, dass

16 [t]akte 2I2008 2I2008

Etwas sagen, was andere nicht sagen: Dieter Ammann alles Rubato sei. Zudem spürt man meinen Ursprung als sagen würden. Ich glaube, dass ich da etwas leisten interpretierender Musiker in der Instrumentalbehand- kann, wofür sich eine lebenslange Beschäftigung lohnt. lung. Mir ist wichtig, dass spieltechnisch zwar Grenzen Ich war ja, bis ich dreißig war, nicht Komponist im en- ausgelotet werden, dass die Musik aber immer realisier- geren Sinn, sondern Interpret, Instrumentalist. Natür- bar bleibt. Dabei habe ich gemerkt, dass sich meine In- lich habe ich in Bands Stücke entwickelt, aber das ist tention mit den technischen Möglichkeiten des Instru- etwas ganz anderes als das „akademische Komponie- ments sehr oft trifft, dass ich irgendwie aus dem Instru- ren“. Hier gibt es etwas Eigenständiges, das wirklich et- ment heraus fühle und denke. Ein Wesenszug aus der was von mir enthält, etwas Persönliches. improvisierten Musik ist auch, dass sie fast in jedem Moment dialogisch angelegt ist. Dieses Actio-reactio- Ein kurzer Ausblick: Was sind Ihre nächsten Projekte? Prinzip versuche ich auch in der komponierten Musik zwischen Instrumentalgruppen oder einzelnen Instru- Ich werde in den nächsten Monaten mit der Kompositi- menten zu realisieren, vielleicht wirkt es auch deshalb on meines zweiten Streichquartetts beschäftigt sein. so lebendig. Daneben wird meine Unterrichtstätigkeit an den Mu- sikhochschulen Luzern und Bern viel Zeit und Energie Schließlich eine ganz allgemeine Frage: Müssen Sie absorbieren. Im Frühling 2009 werde ich einer Einla- komponieren? dung Schweizer Festivals les Muséiques als in residence nachkommen und mich dort auch als Mu- Ich habe ja tatsächlich wegen einer Anfrage von außen siker im Freefunk-Bereich präsentieren. Für 2010 steht begonnen zu komponieren. Ich würde niemals ohne eine weitere Einladung eines großen Festivals an. Mit Auftrag schreiben. Aber: Wenn ich komponiere, bin ich dem damit verbundenen Auftragswerk nehme ich mich so damit beschäftigt, dass über Monate ein Stück wie einer kompositorischen Aufgabe an, die ich schon seit ein roter Faden durch mein Leben läuft. Es kann sein, längerer Zeit in mir trage: ein mehrheitlich ruhiges Stück dass ich mich ein Jahr lang mit fünfzehn Minuten Mu- für Orchester zu schreiben, welches fähig sein soll, sich sik beschäftige. Ich bin auch ein Familienmensch, liebe mit meinen beiden Orchesterwerken Boost und Core zu meine Kinder und meine Frau sehr, und unterrichte einer schlüssigen Trilogie zu vereinen. gerne. Aber wenn ich komponiere, kann ich mich mo- Gesprächspartnerin: Marie Luise Maintz natelang in eine Klangwelt begeben, und das brauche ich mittlerweile extrem. Es kommt noch etwas hinzu: Ich habe das Gefühl, dass ich in der komponierten Mu- Informationen zu Biographie und Werken von Dieter sik etwas zu sagen habe, das andere nicht oder anders Ammann unter www.dieterammann.ch.

]

[t]akte 2I2008 17 [t]akte

Giselher Klebes umfangreiches Bühnenwerk be- Verdi als Wegweiser ginnt sich zu runden. Die Uraufführung von Literaturoper ist keine Sackgasse. Die Aktualität „Chlestakows Wiederkehr“ in Detmold ist Anlass für des Komponisten Giselher Klebe ein erstes Resümee.

In einem knappen, kursorischen Aufsatz über Verdi den Begriff „Literaturoper“ in seinem Aufsatz von jegli- („Motivfläche und Motiventwicklung: Dialog und In- cher Abschätzigkeit freihält – sehr im Gegensatz zu Be- strumentalsatz bei Verdi“) macht Carl Dahlhaus, der lu- urteilungen, die, zum Beispiel von rigoros avantgardis- zideste und produktivste deutsche Musikologe des aus- tisch-materialästhetischen Prämissen bewegt oder me- gehenden 20. Jahrhunderts, eine interessante Parallele dienästhetisch motiviert, sich eher in polemischer Ab- namhaft: die Rolle, die die „Motivfläche“ als Orchester- grenzung von Praktiken der „Literaturoper“ definierten. stütze rezitativischer Deklamation nicht nur beim jun- Der „Literaturoper“ haftete ihnen zufolge etwas Konser- gen Verdi spielt, sondern auch noch in der Musikdrama- vatives an; die vermeintlich altmodische „Vertonung“ tik der letzten Jahrzehnte, und Dahlhaus nennt dabei einer Bühnenhandlung stand quer zu Tendenzen etwa ausdrücklich die „sogenannte Literaturoper“. Bei Verdi des „instrumentalen Theaters“, die die musikalischen entstand die „Motivfläche“ (Dahlhaus analysiert sie Aktionen selbst zum theatralischen Gegenstand mach- unter anderem anhand des ersten Rigoletto-Finale, der ten. So wichtig solche von Cage, Kagel und Schnebel me- Entführung Gildas) als ein den trockenen Rezitativduk- thodisch vorangetriebenen Musiktheatertypen waren tus belebendes und dramatisierendes Moment, das (die auch bei , Heiner Goebbels und sogar zugleich der integralen Musikalisierung diente und ihre Spuren hinterließen), so frag- dabei dennoch fähig war, den Pri- würdig wäre es doch, im Sinne eines linearen Fort- mat der Gesangsstimme zu ge- schrittsbegriffs ihre Hegemonie für alle Zukunft zu pos- währleisten. Dieses „Fundament, tulieren. Dem Bewusstsein einer vielsträhnigen Tradi- das die melodische Diskontinuität tion und eines mäandernden Geschichtsverlauf drängt der Gesangsstimmen vor dem Zer- sich die Wahrscheinlichkeit auf, dass auch vorüberge- fall ins Amorphe bewahrt“ (Dahl- hend vernachlässigte oder alternative künstlerische haus), bekommt in den neuen Optionen die Chance einer Neuentdeckung und Neube- Opern zusätzlich die Aufgabe, zwi- wertung haben. „Literaturoper“ muss ja nicht heißen, schen der „durchkomponierten“ dass eine musikdramatische Praxis, um überhaupt erst Gestaltung und der Gliederung in bedeutend zu werden, sich an bedeutende Literatur- „geschlossene“ Formen zu vermit- Lokomotiven anhängt, sie sozusagen vampiristisch aus- teln. Somit bezeichnet die „Motiv- saugt. Ein Streichquartett, das sind selbstverständlich fläche“ (die auch als ein in sich be- vier Musiker in Aktion. Gut und schön, aber man darf wegter, dynamisierter „Klang- sich auch freuen, wenn ein Streichquartett „intime Brie- raum“ beschreibbar ist) ein zentra- fe“ vorträgt oder ein „Dankgebet an die Gottheit in lydi- les musikdramatisches Element, scher Tonart“ anstimmt, wenn es also – sagen wir – so das einen Durchbruch bedeutet für etwas wie einen poetischen, programmatischen, außer- künstlerisch überzeugende „Text- musikalischen „Hallraum“ dabei gibt. Die Oper als Kon- darbietung“ in der Oper einerseits, glomerat aus vielen unterschiedlichen Komponenten für eine ausgleichende Homogeni- braucht sich ihrer Geklittertheit niemals zu schämen; sierung der Musikströme ande- die „Literaturoper“ schon gar nicht. rerseits. Die Motivfläche als ein ord- Namentlich mit seinem Opernœuvre hat Giselher nender und zusammenfassender Klebe einen Werkblock von imponierendem Ausmaß Faktor ist umso wichtiger in einer und Format geschaffen. Fast ausnahmslos verband sich Tonsprache, die, wie diejenige von diese Arbeit mit bedeutenden Stoffen der Weltliteratur, Giselher Klebe, auf die Vorausset- etwa mit Kleist (, 1961), Goethe (Das Märchen zungen der tonalen Funktionshar- von der schönen Lilie, 1968), Schiller (Die Räuber, 1957, monik im Wesentlichen verzichtet. Das Mädchen von Domrémy, 1975) oder Balzac (Die töd- lichen Wünsche, 1959). Bemerkenswert ist Klebes beson- dere Liebe zur österreichisch-ungarischen Sphäre Ödön Kein Anlass zur Scham von Horvaths und seiner intrikaten, künstlichen, dämo- nisierten Folklore (Figaro lässt sich scheiden, 1963, Der Mit seinem Befund berührt Dahl- jüngste Tag, 1980). Aber auch ein pralles Stück irischer haus mithin insbesondere die Pro- Alltagsmythologie (Ein wahrer Held nach J. M. Synge, duktivität Giselher Klebes, der – 1974) fand in Klebe einen geistesverwandten musikdra- neben Hans Werner Henze und Ari- matischen Ausdeuter. bert Reimann – der wichtigste Ver- treter der deutschsprachigen „Lite- raturoper“ nach dem letzten Welt- krieg ist. Es fällt auf, dass Dahlhaus

18 [t]akte 2I2008 2I2008

Vom konstruktiven Komponieren zu glasklarer Lakonik

Die kompositorischen Anfänge des gebürtigen Mann- heimers (Jahrgang 1925) standen im Zeichen der Schön- berg-Schule und eines breiten atonal-zwölftönigen Kon- sens’ in seiner Generation. Damals fühlte sich Klebe durchaus an vorderster Front und betroffen von unver- ständigen oder reaktionären Angriffen auf die aktuelle Musik; so debattierte er schriftlich mit Widersachern wie Friedrich Blume und Erich Doflein und mischte sich in die öffentliche Musikdiskussion ein, was er später kaum noch tat. Unter dem Einfluss des neugierig-undog- matischen weitete sich indes die Perspek- tive eines freilich stets auch stark konstruktivistisch geprägten Komponierens. Der frühe Operneinakter Die Ermordung Cäsars (nach Shakespeare, 1959) gehört zu den „härtesten“, aggressivsten Partituren jener Jahre. Zunehmend wendete Klebe dann eine Zitattechnik an, die den Texturen zu immer reicherer Komplexität ver- half: Insbesondere in die Opern Die Fastnachtsbeichte (nach Carl Zuckmayer, 1983) und Gervaise Macquart (nach Zola, 1995) wurde eine Fülle von heterogenen Materialien bis hin zu Marsch und Volkslied eingearbei- Schweres Durcheinander. Szene aus der Uraufführung von tet und mit dodekaphon-atonalen Strukturen syntheti- „Chlestakows Wiederkehr“ im April 2008 am siert. In seiner jüngsten Oper Chlestakows Wiederkehr (Foto: LT Detmold/Rainer Worms) (nach Gogols Revisor, 2008) erwies sich Klebe als eigen- willig-ingeniöser Librettoschreiber, der die Vorlage noch Zitaten und -Anspielungen. Zweifellos ist es auch Ver- um eine bitter sarkastische Schlusspointe zu bereichern dis (in einem weiteren Sinne christlich geprägte) huma- vermochte. Hierbei hatte ihm seine verstorbene Frau, nistische Grundhaltung, die für den Künstler Giselher Lore Klebe, die geschickte und überzeugende literarische Klebe wegweisend blieb. Mitarbeiterin der früheren Opern, nicht mehr helfen Hans-Klaus Jungheinrich können. Einen wesentlichen Anteil an Klebes Bühnen- werken haben zahlreiche Ballettkompositionen, die auf Anregung von und in Zusammenarbeit mit der Choreo- Giselher Klebe graphin entstanden. Seinen ersten auf- Opern bei Bärenreiter sehenerregenden Erfolg hatte Klebe übrigens 1950 mit einer Orchesterkomposition in Donaueschingen, der Das Märchen von der schönen Lilie. Nach J. W. Zwitschermaschine nach einem berühmten Bildtitel v. Goethe. Schwetzingen 1969 von ; der schweizer Maler gehörte zu Klebes künstlerischen Initiationserlebnissen. Ein wahrer Held. Text nach John Milligton Snyges Bei Chlestakows Wiederkehr fiel die glasklare Lako- Stück „The Playboy of the Western World“. Zürich nik der Diktion auf – das Fehlen von Redseligkeit und 1974 Redundanz ist ja keineswegs die selbstverständliche Das Mädchen aus Domrémy. Nach . Qualität eines jeden Altersstils. Klebe orientierte sich Stuttgart 1976 dabei offensichtlich an Verdis Falstaff und tat gut dar- Das Rendezvous. Libretto nach Michail Sostschenko. an, einen fettfreien, drahtigen Komödienton zu avisie- Hannover 1977 ren. Wie hellsichtig die Verbindungslinie war, die Carl Der Jüngste Tag. Nach dem Schauspiel von Ödon von Dahlhaus von Verdi zum literarischen Operntypus à la Horvath. Mannheim 1980 Klebe zog, zeigt sich nicht nur hier. Verdi gehörte Die Fastnachtsbeichte. Nach einer Erzählung von Carl überhaupt von je zu den Hausgöttern Klebes, und er Zuckmayer. Darmstadt 1983 widmete diesem großen Vorbild bereits 1963 einen Auf- Gervaise Macquart. Nach Emile Zola. Düsseldorf 1995 satz in der Zeitschrift Opernwelt („Verdi als Maß“). Und Chlestakows Wiederkehr. Nach Gogols „Revisor“. Det- sein Konzert für zwei Klaviere mit dem Untertitel Poe- mold 2008 ma drammatico (1999) spickte er mit zahlreichen Verdi-

]

[t]akte 2I2008 19 [t]akte

Ein Komödie mit hoher melancholischer Beimi- schung ist Manfred Trojahns jüngste Oper. Auch wenn (oder gerade weil) der große Zauber nur ein Vokalisen der Seele Taschenspielertrick ist, weist das Geschehen weit Manfred Trojahns „La Grande Magia“ wurde an über die Handlung hinaus. Eine Auswahl aus den der in Dresden uraufgeführt Pressestimmen.

Das Wunderbare an diesem Abend liegt in der glückhaf- sondern ist zudem minutiös in der Inszenierung Albert ten Verquickung von Musik, Text und Bühnengesche- Langs in der Ausstattung Rosalies gespiegelt. hen: Das Fadenscheinige, Feinnervige, zum Teil Neu- Jürgen Otten / Opernwelt Juli 2008 rasthenische der Klänge, in denen momentweise sogar französisches Flair aufblitzt … und des Komponisten ko- Trojahns Musik ist … von einer zagen, zarten, zerbrech- lossales Gespür für das, was man die Vokalisen der lichen Schönheit des Zweifelns und Verzweifelns; ein Seele nennen könnte, findet sich nicht nur in der musi- delikat tiefsinniges Konversationsstück im kunstvollen kalischen Umsetzung durch die fabelhafte Staatskapelle Wechselspiel kreisend wiederkehrender Grundformeln Dresden unter der Leitung von Jonathan Darlington …, und dagegengesetzter, quasi irregulärer Ausbrüche. Salzburger Nachrichten 26.5.2008

Trojahn holt aus dem Ensemble eine erstaunliche Pa- lette von detailliert illustrierenden Klängen heraus, in den lichten Tonketten der Holzbläser spürt man fast tro- cken-salzigen Mittelmeerwind, die Celesta umgibt den traurigen Zauberer mit billigem Glitzerkonfetti und den fortschreitenden Lähmungsprozess der italienischen Großfamilie hört man zu Beginn des zweiten Teils aus dem ergebnislos kreisenden A-cappella-Fugato ebenso heraus wie aus der eingedunkelten Sprödigkeit des kam- mermusikalischen Satzes. Jörg Königsdorf / Süddeutsche Zeitung 29.5.2008

Am Ende wird das Thema des „großen Zaubers“ … als Die Illusion im Käfig. Szene aus „La Grande Magia“ (Foto: Matthias fauler Zauber … entlarvt. Die eigentliche Magie des Creutziger) Stücks aber entsteht im Orchestergraben und in den Ornamenten des Ziergesangs auf der Bühne. Oscar Wil- de hat es auf den Begriff gebracht: Nur flache Menschen urteilen nach dem Schein. Es gibt – musikalisch wie phi- Manfred Trojahn losophisch – viel zu entdecken in diesem intelligenten La Grande Magia. Frei nach Eduardo De Filippos gleich- Werk. Und bisweilen entstehen tatsächlich magische namigem Schauspiel. Libretto von Christian Martin Momente. Wolfgang Sandner / F.A.Z. 13.5.2008 Fuchs Uraufführung: 10.5.2008 Dresden (Sächsische Staats- Mit ihrem parlandoartigen Konversationston changiert oper), Musikalische Leitung: Jonathan Darlington, Trojahns neue Oper zwischen Komödie und Tragödie. Regie: Albert Lang, Bühnenbild: Rosalie Die Musik hat viele eindrucksvolle Momente, vor allem Personen: Marta Di Spelta, eine junge Frau (Sopran), im Lyrischen. Calogero Di Spelta, ihr Mann (Tenor), Matilde Di Spel- Georg Friedrich Kühn / Neue Zürcher Zeitung 16.5.2008 ta, seine verwitwete Mutter (Sopran), Rosa Intrugli, seine Schwester (Sopran), Oreste Intrugli, deren Mann, Calogeros Schwager (Tenor), Marcello Polvero, der Schwager Matildes (Bariton), Gregorio Polvero, der Fehltritt seiner Frau (Tenor), Mariano D’Albino (Bari- Manfred Trojahn – aktuell ton), Otto Marvuglia, ein Zauberer (Bariton), Zaira, sei- ne Frau (Sopran), Arturo Recchia, ein Überlebens- Bei den Londoner „Proms“ in der Royal Albert Hall künstler (Tenor), Amelia, ein krankes Mädchen, an- wurde Manfred Trojahns Orchestration von Franz geblich seine Tochter (Koloratursopran) Schuberts „Bei Dir allein“ op. 95, 2 von Angelika Orchester: 2 Flöten (2. auch Picc), 2 Oboen (2. auch Eng- Kirchschlager (Mezzosopran) und dem Gürzenich Or- lisch Horn), 2 Klarinetten in B (beide auch Bassetthör- chester unter Leitung von Markus Stenz uraufgeführt ner in F), Bassklarinette in B, 2 Fagotte (2. auch Kon- (22.8.08). +++ Eine Neuproduktion der Oper Limonen trafagott) – 2 Hörner in F, 1 Trompete in C, 1 Posaune – aus Sizilien hatte in Berlin an der Universität der Klavier, Celesta, Harmonium (2 Spieler) – Harfe – Pau- Künste Premiere. Die Musikalische Leitung hatte Er- ken, Schlagzeug (1) – Streicher (6 Violinen, 4 Violen, rico Fresis, für die Inszenierung zeichneten Dagny 4 Violoncelli, 2 Kontrabässe) Müller, Karoline Gruber und Manfred Trojahn verant- Verlag: Bärenreiter wortlich (26.6.08).

20 [t]akte 2I2008 2I2008

„Into Istanbul“ ist der Auftakt zu einem weltum- spannenden Großprojekt, das vom Ensemble Mo- dern und dem Siemens Arts Program konzipiert wurde. Beat Furrers neue Ensemblekomposition im Klänge einer Metropole Rahmen dieses Projekts wird am 10. Oktober in Beat Furrer lauscht in Istanbul Frankfurt uraufgeführt.

Mit einer einstimmigen Melodie, die vielfach durch und der dramatischen Wirkung des Unvorhergesehenen spektrale Filter verwandelt wird, als würde man sie in ist schon seit geraumer Zeit in seinen Werken präsent, verschiedenen Räumen hören, arbeitet Beat Furrer in wenn er sie etwa in seiner Oper invocation zur kompo- seiner neuen Komposition Xenos für das Ensemble Mo- sitorischen Initiale für die gesamte Form werden lässt. dern. Von engen metallischen Tönen „wie in einer Blech- Beat Furrer schildert aus Istanbul eindrückliche Erleb- dose“ bis zur weichen Resonanz wie in einem weiten nisse, den Reichtum der osmanischen Kunst im Topka- Raum reicht das Spektrum dieser Verwandlung von pi, wie dort Räume mit Ornamenten und Licht gebaut Grundtönen durch gefilterte Obertonharmonien. Im wurden, oder erzählt von der Gewalt des Gesangs des Verlauf der Zeit präsentiert sich die Melodie zunächst Imam in der Blauen Moschee, der Prediger, Textausdeu- zur Unkenntlichkeit verzerrt und wird erst am Schluss ter, Priester zugleich ist und den Zuhörer mit einer cha- in der Bassflöte identifizierbar. Die Gewalt des Schrei- rismatischen Macht vereinnahmt. Im Konzert des En- ens über eine Barriere hinweg ist die Assoziation, die semble Modern wird seine Komposition neben denen Beat Furrer mit diesem Beginn verbindet. Die Faszinati- von Mark Andre, Samir Odeh-Tamimi und Vladimir Tar- on durch das unkontrollierbare Oszillieren eines Schreis nopolski präsentiert. Marie Luise Maintz

Beat Furrer – aktuell Rückblick FAMA wurde bei den Salzburger Festspielen aufgeführt Ausblick (10.8.08), die Berliner Erstaufführung veranstaltete die Die österreichische Erstaufführung des Klavierkonzerts Deutsche Staatsoper in ihrer Spielstätte Magazin spielt das RSO Wien beim Steirischen Herbst Graz und bei (4.9.2008). +++ Beim Festival Agora in Paris spielte das den Wiener Festwochen 2009. Solist ist Nicolas Hodges Klangforum Wien die Uraufführung von Beat Furrers (4.10.08). +++ Das Münchner Kammerorchester interpre- lotofagos II für zwei Soprane und Ensemble (20.6.08). tiert am 9.10.08 im Prinzregententheater antichesis. +++ Die Uraufführung des Konzerts für Klavier und Es dirigiert Alexander Liebreich. +++ Beat Furrer ist einer Orchester spielte Nicolas Hodges in Köln mit dem Sin- der Komponisten, die an dem Großprojekt „into …”. Kom- fonieorchester des WDR unter der Leitung von Peter positorische Annäherungen an Istanbul, Dubai, Johan- Rundel. Die Fassung für Klavier und Ensemble führte das nesburg und Pearl River Delta des Ensemble Modern und Ensemble Intercontemporain unter Leitung des Kompo- Siemens Arts Program in Zusammenarbeit mit dem Goe- nisten in Paris auf (12.1.08). +++ Die italienische Erstauf- the-Institut mitwirken. Seine neue Ensemblekompositi- führung von canti notturni wurde zusammen mit still on Xenos wird in Frankfurt vom Ensemble Modern ur- vom Orchester der RAI Turin bestritten (28.2.2008). +++ aufgeführt (11.10.2008). +++ Im März 2009 ist Beat Furrer FAMA setzte seine lange Aufführungsserie in Moskau ein Porträt bei der Biennale Salzburg gewidmet, bei dem und Madrid fort. Das Klangforum Wien präsentierte die u. a. das Klavierkonzert und Recitativo durch das En- szenische Fassung beim Jubiläum des Stanislawski The- semble Contrechamps aufgeführt werden (8.3.2009). aters in Moskau, in Madrid spielte das Ensemble Con- trechamps die konzertante Fassung unter Leitung des Foto: tevfikret, www.photocase.de Komponisten (9.2.08).

]

[t]akte 2I2008 21 [t]akte

„Kassiopeia“ wählt Andrea Lorenzo Scartazzini als Titel seiner neuen Komposition für das Collegium Novum Zürich: Sinnbild für sein fünfsätziges Fünf Sterne Ensemblestück sind die fünf Sterne, die zusammen ein Andrea Lorenzo Scartazzini schaut für das „W“ und eines der hellsten Sternbilder am Himmel bil- Collegium Novum in den Himmel den.

Eine Metamorphose, die der Komponist wie einen alchi- mistischen Prozess beschreibt, ist Ausgangspunkt von Kassiopeia, der neuen Ensemblekomposition von An- drea Lorenzo Scartazzini. Im ersten und im fünften Satz wird sein früheres Stück scongiuro in eine jeweils an- dere Stofflichkeit verwandelt. Im fünften ist dies ein Vor- gang des Anreicherns, des Verstärkens von inneren Be- zügen, der klanglichen Verdichtung. Der erste Satz re- duziert das Material auf eine Art Schwarzweißzeich- nung. Mit einem leisen Raunen, einem Wirbel der gro- ßen Trommel über Kontrabasspizzicati, hebt das Stück an und entfaltet dann in Klavier, Perkussion, Violine, Cello und Kontrabass zunächst eine gedämpfte Klang- organisch wuchernd beschreiben würde: wie ein Ge- lichkeit. Doch vollzieht sich eine Steigerung. Ein dreima- wächs, das sich entwickelt und weiterwächst, oder wie liges Neuansetzen dieses geheimnisvollen Beginns eine Musik des Werdens, die durchaus rhapsodisch ge- strukturiert den Ablauf des Satzes, der, wie Scartazzini dacht war. Im Gegensatz dazu fasziniert mich in den sagt, erst am Schluss „zu leuchten oder glitzern“ beginnt. neueren Stücken der Aspekt des Wiederholens. Schön- „Bei der Perkussion habe ich sämtliche klingenden In- berg sagte, dass wir erst Form erkennen können, wenn strumente vermieden, so dass es insgesamt einen tro- eine Gestalt wiederholt wird, das heißt wieder erkannt cken dumpfen, knöchernen Klang ergibt, ähnlich wie werden kann. So findet man seinen Platz in der Musik.“ ein Gerippe, wie ein Kupferstich oder eine Radierung.“ Der Titel des Werks bezieht sich ausschließlich auf das Im fünften Satz wird die dreiteilige Steigerungsform Sternbild und nicht auf die mythologische Figur Kassi- dann in eine rauschhaft-gläserne Klanglichkeit in vol- opeia. Bezugspunkt ist die quasi-symmetrische Erschei- ler Besetzung mit Bläsern und Harfe, sozusagen in eine nung des Sternbilds und die poetische Klangwirkung volle Farbigkeit, gekleidet. „Man könnte dieses Vorge- des Namens, dessen vokalische Abfolge auch in sich hen parallel zu Verfahren in der Malerei sehen, Themen symmetrisch ist (A – I – O – EI – A). „Der Titel soll nicht in anderen Stofflichkeiten zu bearbeiten oder Materia- nur poetisch sein, sondern zugleich auch etwas über die lien immer wieder aufzugreifen.“ formale Gestalt des Stückes ausdrücken; in diesem Fall Um archaische Wirkungsmuster und Klanglichkeiten geht es um fünf Sätze (Gestirne), die zu einem Ganzen geht es in dieser Komposition: „Seit einiger Zeit faszi- finden. Die eng verwandten (bzw. verwandelten) niert mich der rituelle Aspekt von Musik, Formen des Außensätze finden ihre Entsprechung in der Lautfolge Wiederholens. Dieses Interesse steht im Gegensatz zu des Titelworts (zu Beginn und am Schluss ein A), in der meiner früheren musikalischen Sprache, die ich eher als Mitte ein kreisender Satz ohne Anfang und Ende, ein Ru- hepunkt, der einer Zeitlichkeit enthoben ist, passend zu dem kreisenden O. Auch der zweite und der vierte Satz Andrea Lorenzo Scartazzini – aktuell werden Affinitäten aufweisen, dies aber in versteckte- rer Form. Harmonisch finden die mittleren Sätze zu ei- Ausblick ner größeren Weichheit der Klänge, während die Tona- „Nachttief und Mond“ für Countertenor und Violon- lität der Ecksätze expressiv geschärft ist.“ cello wird in Basel als Schweizer Erstaufführung ge- Die Faszination des Archaischen verklammert die sungen und gespielt (21.12.2008). +++ Kassiopeia für jüngeren Stücke Scartazzinis. So komponiert er in scon- Ensemble von Andrea Lorenzo Scartazzini wird in Ba- giuro, auf das sich Kassiopeia bezieht, eine „Beschwö- sel durch das Collegium Novum im Gare du Nord ur- rung“ oder „verhüllt“ in Siegel für Sopran und großes aufgeführt und anschließend in der Tonhalle Zürich Orchester ein orphisches Sonett von Rilke. Mit der Sehn- gespielt. (22./23.1.2009). sucht nach einer bestimmten rituell-kultischen Form von Musik hängt auch sein Interesse am Musiktheater Rückblick zusammen, das per se in einem solch kultartigen Cha- In Basel wurde Siegel für Sopran und Orchester durch rakter besteht. „Mir geht es um narrative Qualitäten in Claudia Barainsky (Sopran) und die Basel Sinfonietta einer dramatisch angelegten, gestalthaften Musik, die unter Leitung von Peter Hirsch uraufgeführt den Zuhörer ergreifen und mitnehmen soll und das Ge- (20.1.2008). Die Deutsche Erstaufführung war am genteil von polierter Oberfläche ist. Siegel zum Beispiel 22.1.2008 in Gütersloh. +++ Das Ensemble Intercon- ist eine differenzierte Partitur mit vielen Schichten und temporain spielte in Paris unter Leitung von Susanna Ebenen, trotzdem war das Ziel nicht eine möglichst kom- Mälkki die Französische Erstaufführung von scon- plexe Ohrenfälligkeit, sondern dass man diese Musik als giuro (24.1.2008). sinnliches Erlebnis aufnimmt. “ Marie Luise Maintz

22 [t]akte 2I2008 2I2008

Philipp Maintz schreibt ein Orchesterstück für seine Werke wie Inseln Heimatstadt Aachen. Das Sinfonieorchester Aachen Mit seinem Orchesterstück „archipel“ setzt Philipp unter der Leitung von Marcus R. Bosch wird es am 22. Maintz eine geologische Struktur in Musik um Oktober zur Uraufführung bringen.

In den musikalischen Umkreis seines neuen Opernpro- jekts MALDOROR, das Philipp Maintz für die Biennale München 2010 komponiert, gehört auch archipel. mu- sik für großes orchester. Der Titel ist Formkonzept und inhaltlicher Wegweiser: „Ein Archipel ist eine Inselgrup- pe, die unter dem Wasser miteinander verbunden ist und deren Höhen herausragen.“ Die „unterirdische“ Ver- bindung ist zum einen der Bezug zum musikalischen Material der Oper, das versucht wird „durchzudeklinie- ren“, ohne es wörtlich vorwegzunehmen: „Um die Oper herum haben sich Stücke gruppiert, die einem offenen Werkbegriff Rechnung tragen.“ Zum anderen ist der Begriff Archipel auch eine Beschreibung der Struktur der Komposition, denn Philipp Maintz konzipiert das Stück als eine Gruppierung separater Teile, deren Fluss und Verzweigung durch vertikale Schnitte an der Oberflä- Unterirdische Verbindungen (Foto: cruisi, www.photocase.de) che unterbrochen sind. „Das Stück hat mehrere Zentren, die zunächst einmal unverbunden sind, von denen aus Variationen und Ableitungen gebildet werden können.“ duktus und die Farbe der Oper hineinzuarbeiten. Dabei In dem Konzept zur Oper MALDOROR ergibt sich die war archipel als Titel eine spontane Idee, die mir gut Spannung des Stoffs aus einer grundlegenden dispara- gefiel, um die Konstruktion des Orchesterstücks zu be- ten Personenkonstellation. Unter dem Pseudonym Lau- schreiben. Dieser Vorgang ist vielleicht reziprok zu mei- tréamont veröffentlichte der französische Dichter Isido- nem früheren Orchesterwerk heftige landschaft mit 16 re Lucien Ducasse (1846–1870) seine Chants de Maldoror, bäumen, bei dem ich sehr früh wusste, wie eine Musik eines der radikalsten Werke der französischen Literatur. zu diesem Titel zu klingen hat.“ Die Eigenschaften von Mit Maldoror schuf er eine Figur als Alter Ego, die das archipel sieht Philipp Maintz vor allem in einer kam- Böse, Zynische, Destruktive in Reinform verkörpert, um mermusikalischen Differenzierung des musikalischen letztlich eine Klage gegen die Schlechtigkeit der Welt zu Satzes in Partien, die zwischen größeren Höhepunkten führen. In ihrem Opernszenario lassen Philipp Maintz „immer wieder das ganze Orchester zusammenstürzen und sein Librettist Thomas Fiedler beide Figuren lassen, bis einzelne Geräusche übrig bleiben.“ einander vermischen und entwickeln den Versuch ei- Marie Luise Maintz nes Psychogramms Lautréamonts, durchkreuzt mit den Schandtaten des Maldoror, wobei vor allem der Dichter als schillernder, abgründiger, schizophrener Charakter Philipp Maintz – aktuell im Vordergrund steht, denn er erschafft jene Figur des Ausblick Bösen, die ihn schließlich tötet. Gegenkonzept dazu ist Philipp Maintz bereitet eine neue Orchesterkompositi- der reflektierende Gesang einer weiblichen Figur, einer on vor: archipel. musik für großes orchester wird in Art Mutter Erde: „Gleich einer Repräsentanz der Unver- seiner Heimatstadt vom Sinfonieorchester Aachen un- gänglichkeit ist sie womöglich der einzige Halt in einer ter der Leitung von Marcus R. Bosch uraufgeführt (22./ grausamen und gottlosen Welt, in der ein triumphieren- 23.10.2008). +++ Bei Musik der Zeit des WDR in Köln wird der Maldoror mit verheerender Konsequenz waltet.“ das Absolut Trio tourbillon. musik für violine, violon- (Thomas Fiedler). In seiner Komposition océan für Sop- cello und klavier zur Uraufführung bringen (22.11.08). ran, großes Ensemble und Live-Elektronik, die im Janu- ar 2008 in Paris vom Ensemble Intercontemporain ur- Rückblick aufgeführt wurde, verwies Philipp Maintz schon auf Das Ensemble Intercontemporain spielte in Paris un- diese Frau, die er als „eine Mischung aus Kassandra und ter Leitung von Beat Furrer die Uraufführung von Königin der Nacht“ imaginiert. océan. musik für sopran, großes ensemble und live- Der musikalische Duktus des fließenden und drama- elektronik mit Marisol Montalvo als Solistin (12.1.08). tisch ausschlagenden Gesangs wird für Philipp Maintz +++ Die italienische Erstaufführung von gelände/ zu einem stilistischen Mittel auch der Orchesterkompo- zeichnung spielte Maria Grazia Bellocchio in Mailand sition. „Das Komponieren für Stimme hat mein bisheri- (15.2.08). +++ Die Ersteinspielung von gelände/zeich- ges Vorgehen, bei der Komposition vorrangig mit Re- nungung. musik für klavier und live-elektronik ist auf chenoperationen und Algorithmen zu arbeiten, einer Porträt-CD des Pianisten Jan Gerdes bei der edi- teilweise aufgelöst. Ich komponiere freier und intuiti- tion zeitklang erschienen. ver, um mich auf diese Weise in Atmosphäre, Sprach-

]

[t]akte 2I2008 23 [t]akte

Matthias Pintschers neue Projekte umfassen eine Chorkomposition für das SWR Vokalensemble und ein Streichquartett. Im Oktober wird „pourquoi l’azur muet“, seine Musik aus dem Musiktheater „L’espace Lied der Lieder dernier“ für Sopran, Mezzosopran und Orchester in Matthias Pintschers neue Projekte London uraufgeführt.

„Ein absolut verdichtetes Kompendium von fast ent- grenzten emotionalen Zuständen“ ist für Matthias Pint- – aktuell scher das „shir ha shirim“, das „Lied der Lieder“, das Ho- Ausblick helied Salomos. „Alle Gesänge erwecken den Eindruck, Matthias Pintschers pourquoi l’azur muet. mu- dass sie keinen Anfang oder kein Ende, keine Mitte ha- sique de „L’espace dernier“ pour soprano, mezzo ben, sondern es gibt einfach Ausdruckszustände, die in et orchestre wird vom BBC sich kreisen.“ Aus dem fünften Gesang stammt der Text, unter Leitung von Kazushi Ono in London uraufge- den Pintscher in seinem A-cappella-Werk für das SWR führt (10.10.08), die Deutsche Erstaufführung spielt Vokalensemble komponiert. Jenes „she-cholat ahavah das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter Krzys- ani“ heißt übersetzt „so krank bin ich vor Liebe“ und ztof Urbanski, Solistinnen sind Anu Komsi und Clau- umreißt für den Komponisten als Kernsatz das Thema dia Mahnke (23.4.09). +++ In Turin dirigiert Mat- des Liebesgesanges. Auch strukturell eröffnet der be- thias Pintscher die italienische Erstaufführung sei- rühmte hebräische Text besondere Perspektiven. „Im ner Fünf Orchesterstücke beim Orchestra Sinfoni- Hebräischen sind Worte wie Inseln, Energieträger, da ca Nazionale della RAI (13./14.11.08). +++ Bei der Mo- alles aus kurzen Wortstämmen abgeleitet wird. Für ei- zartwoche Salzburg werden ein neues Streichquar- nen Musiker oder Komponisten ist das eine Chance, tief tett und ein Werk für Flöte solo uraufgeführt. In- in die Konnotation der Worte hineingehen zu können, terpreten sind das Minguet Quartett und Emmanu- weil man den Fluss, die Wege zwischen den einzelnen el Pahud (26.1.09). +++ Zudem spielt das Mahler Worten, die wie Objekte sind, selber gestalten kann. “ Chamber Orchestra unter Daniel Harding die öster- Jenes Kreisen, Wiederholen und Fortspinnen von Bil- reichische Erstaufführung von Transir. Konzert für dern „vom tiefen Abgrund bis zur Verzückung und Ent- Flöte und Kammerorchester mit Chiara Tonelli als rückung“, das den Text auszeichnet, ist für Pintscher prä- Solistin (1.2.09). +++ Beim Stuttgarter Festival Eclat destiniert für eine chorische Vertonung, weil sich die bestreitet das SWR Vokalensemble die Urauffüh- Erzählperspektive ständig ändert und ein Spiel mit Farb- rung von she-cholat ahavah ani (Shir Ha-Shirim wechseln evoziert. „Erstens kann man sagen, es ist ein V) für 32 Stimmen a cappella (6.2.09). +++ Matthias großer Liebesgesang des Hashem, also Gottes, an sein Pintscher hat den Auftrag erhalten, ein Neues Werk erwähltes Volk Israel, zum anderen ist es auch ein ganz zur Eröffnung der Elbphilharmonie Hamburg zu weltliches Liebeslied. Es sind sozusagen Hochzeitscar- schreiben, das 2011 von den Philharmonikern Ham- mina, wobei die Perspektive des Singenden ständig burg unter der Leitung der Intendantin Simone wechselt, mal Mann, mal Frau, mal die Töchter von Je- Young uraufgeführt wird. +++ In der Spielzeit 2008/ rusalem, so gibt es ständig ein Vexierspiel, von welcher 09 ist Matthias Pintscher als Artist in residence Gast Position gerade gesungen oder gesprochen wird.“ im RSO Spektrum des Radiosinfonieorchesters Für die Behandlung der Stimmen realisiert Pintscher Stuttgart. einen ausschließlich gesungenen Vokalsatz, ohne pho- netisches Aufbrechen des Textes. „Die Abstraktion im Rückblick Klang versuche ich im Tonsatz selbst zu finden, das heißt Pierre Boulez dirigierte die Uraufführung von Osi- hauptsächlich in den Harmonien, im Aussparen, in der ris mit dem Chicago Symphony Orchestra (21.2.08). Perspektive von verschiedenen Lagen, die ich sehr be- Die europäische Erstaufführung spielte das London wusst einsetze, aber auch in einem sehr kammermusi- Symphony Orchestra unter Pierre Boulez in Brüssel kalischen Tonsatz für den Chor: Wie eine Schrift in ei- und London (7/11.5.08). +++ Anders Nyström spielte nem abstrakten Raum. So stelle ich mir vor, dass dieser die Uraufführung von Shining forth for trumpet Text eine Schrift in dem abstrakten Feld des Tonsatzes bei den Wittener Tagen für neue Kammermusik ist.“ (26.4.08). +++ Das London Philharmonic Orchestra Die Formelhaftigkeit der Wortinseln des Hebräischen führte unter Leitung von Vladimir Jurowski to- trifft sich mit seinem Interesse an den Übermalungen wards Osiris in London auf (25.5.08). +++ Die Oper eines Cy Twombly, dessen gleichnamige Bildfolge Pint- Frankfurt präsentierte die deutsche Erstaufführung scher zum Zyklus treatise on the veil inspirierte, zu dem des Musiktheaters L’espace dernier unter Paolo Ca- auch sein neues Streichquartett gehört, das im Januar rignani konzertant in der Alten und in Salzburg uraufgeführt wird. Wie Folien liegen die in der Kölner Philharmonie (17./18.5.08). +++ Bei Kai- Werke dieses Zyklus übereinander, „als ob ein Maler ei- ros ist die neue CD mit en sourdine, tenebrae und nen gleichen Zustand mit verschiedenen Techniken Reflections on Narcissus erschienen, interpretiert immer wieder malt, als ob sich ein Stück aus dem ande- u. a. von Frank Peter Zimmermann, Christophe Des- ren weiterschreibt, aber die gleiche Aussage mit völlig jardins, Truls Mørk und dem Ensemble Intercon- neuen Techniken trägt, mit anderen Materialien, Unter- temporain sowie dem NDR Sinfonieorchester. gründen, Farben, Medien.“ Marie Luise Maintz

24 [t]akte 2I2008 2I2008

Für ihre Familie arrangiert eine junge Frau das Leben nach ihrem Tod. Dem Film „My Life Without Me“ der Regisseurin Isabel Coixet entnimmt Miroslav Srnka Mein Leben ohne mich Texte und Stoff für seine Komposition für Claron Eine neue Ensemblekomposition von McFadden und das Ensemble Intercontemporain, die Miroslav Srnka am 28. November in Paris uraufgeführt wird.

„An den Filmen von Isabel Coixet reizt mich“, sagt Mi- dernswerte Art des Handelns, wie die Frau die Menschen roslav Srnka, „dass sie immer die Grundfragen des Le- zusammensetzt, um ein Leben ohne sie zu gestalten. bens berühren. Sie behandeln zeitgenössische Themen Ann tut Dinge, die man in einer normalen Situation in einfachen Geschichten mit normalen Menschen, moralisch nicht verzeihen würde, um für sich selbst die nicht mit stilisierten Figuren. Ich habe die Regisseurin Stärke zu finden, den anderen das künftige Leben bes- ursprünglich für ein Musiktheaterprojekt kontaktiert, ser zu machen. Es gibt eine fantastische Spannung in suchte dann aber auch einen Text für das neue Stück für dieser Figur, die nicht wie sonst in einer kontrastreichen Claron McFadden und das Ensemble Intercontempo- Hauptfigur aus positiven und negativen Charakterzü- rain.“ gen resultiert. Und diese Spannung findet sich auch in Dramatischer Kernpunkt ist, dass die 23-jährige Ann der Sprache wieder. Zum Beispiel fragt sie, als der Arzt bei ihrer Krebsdiagnose intuitiv entscheidet, ihren zwei ihr mitteilt, dass sie sterben muss, diesen nach einem Töchtern, ihrem Mann und ihrer Mutter nicht zu sagen, Ginger Candy, also einem Ingwerbonbon, und unterhält dass sie bald sterben wird. Stattdessen fügt sie die Kon- sich mit ihm über den Geschmack. Gerade in den Dialo- stellationen für deren Leben nach ihrem Tod zusammen gen von größter narrativer Schlichtheit erfährt man am und schreibt sich Aufgaben auf, die noch in der knap- meisten über die Person.“ Marie Luise Maintz pen Zeit zu erfüllen seien: ihrem Ehemann eine Frau zu finden, die er und die Töchter lieben werden, für die Töch- ter Geburtstagswünsche bis zu deren 18. Lebensjahr auf Tonband aufzunehmen. Sie selbst möchte noch erleben, dass sich ein anderer Mann in sie verliebt. Miroslav Srnka – aktuell Miroslav Srnka beschreibt das Tableau: „Der Film läuft als Handlung mit Dialogen ab, aber eigentlich fin- Ausblick det das gesamte Geschehen in der Hauptfigur Ann statt. Bei den Kasseler Musiktagen wird die Mezzosopranis- Deshalb entnehme ich dem Drehbuch nur Anns Anteile tin Dagmar Pecková die Uraufführung von Miroslav an den Dialogen. Obwohl es also nur eine Sängerin auf Srnkas Dreizehn Liedern nach Postkarten von dem Podium gibt, handelt es sich um kein Monodram: Jurek Becker an seinen Sohn Jonathan singen Dieser Mitteilungscharakter, das Ansprechen eines (31.10.08). Das Quatuor Diotima präsentiert ein Pro- nicht vorhandenen Gesprächspartners, ist für mich zen- gramm mit dem Streichquartett Nr. 3, dem Klavier- tral. Die Texte sind dreischichtig: die Dialog-Ausschnit- quintett „Pouhou vlnou“ und Simple Space für Cel- te im Jetzt, die Monologe über die Vergangenheit und lo solo (1.11.08). +++ Bei dem Eröffnungskonzert des die von Ann auf Band aufgenommenen Wünsche in die neuen Prager Festival Contempuls wird Emanuele Tor- Zukunft, eine Art Vermächtnis: Das wird meine Stimme quati die Uraufführung von ta větší. Eine Variation sein, in dem zukünftigen Leben, das ich meinen liebs- über den Schlussgesang aus Její pastorkyňa (Jenů- ten Menschen jetzt einrichte. Die Sängerin bewegt sich fa) für Klavier spielen (9.11.08). +++ Für das Ensemble zwischen diesen drei Textebenen, die auch klanglich Intercontemporain und die Sopranistin Claron McFad- sehr unterschiedlich gestaltet sind. Daran interessiert den bereitet Miroslav Srnka ein Neues Stück für So- mich die Auseinandersetzung mit verschiedenen Zeit- pran und Ensemble vor (28.11.2008). strukturen, die eigentlich dieses Selbstreflektive der Monologe, das unbewusst Narrative der Dialoge und das jetzt Gesagte, aber in der Zukunft zu Hörende der Wün- Rückblick sche voneinander trennen. Es geht kompositorisch um Das BBC Philharmonic Orchestra führte Reading les- eine musikalische Auseinandersetzung mit der Zeit, die sons unter der Leitung von Cornelius Meister in ei- sich nicht auf etwas Szenisches bezieht. Die Zeit wird von nem Konzert in Manchester auf (17.7.2008). +++ Mit- der Hauptfigur sowohl real erlebt als auch gedanklich glieder des Bayerischen Staatsorchesters spielten die festgehalten und bewusst für die Zukunft konserviert. Uraufführung von Miroslav Srnkas Klavierquintett Die Dramaturgie besteht aus vier musikalischen Kern- „Pouhou vlnou“ in der Pinakothek der Moderne Mün- stücken, die jeweils wichtige dramatische Augenblicke chen (17.4.2008). +++ Reservoirs für großes Ensemble der Geschichte darstellen. stand auf dem Programm des Prager Frühlings mit der Ich finde diese sehr starke Zentralperson faszinie- Ostravská banda unter Petr Kotík (21./23.5.2008). +++ rend. Sie ist eine einfache Putzfrau, mit einer beschei- Das Ensemble Modern unter der Leitung von Matthias denen Lebensweise, kommt aber, obwohl sie nie die Zeit Pintscher spielte die Uraufführung von Les Adieux in hatte, über sich selber zu reflektieren, ganz schnell zu der Alten Oper Frankfurt (28.11.07). Eine weitere Auf- dem Schluss, wie sie den Rest ihres Lebens verbringen führung gab es bei der Eröffnung des Festivals „ultra- soll. Das ist das Thema: diese zugleich manipulative, schall“ in Berlin (20.1.08). aber – wie ich finde – auch verständliche und bewun-

]

[t]akte 2I2008 25 [t]akte

Hörende Augen, Seine Musik wächst aus der Stille heraus und in sie hinein: Vadim Karassikovs neue Ensemble- sehende Ohren komposition „in the flame of the dream“, ein Auf- Der Komponist Vadim Karassikov und sein tragswerk des Klangforums Wien, wird am 5. De- neues Werk zember 2008 in Wien uraufgeführt.

In Ekaterinburg, an der Grenze zum asiatischen Teil dende Parameter seiner Kunst. Hierdurch erfährt das Russlands, wohnt und arbeitet sehr zurückgezogen der Publikum, dass das Auge auch hören und das Ohr auch Komponist Vadim Karassikov. Seinen Werken begegnet sehen kann, beide Sinne wachsen zu einem neuen zu- man selten im Konzertsaal, doch wenn sie aufgeführt sammen, auf ihn ist Karassikovs musikalische Drama- werden, rufen sie Reaktionen von völliger Verblüffung turgie ausgerichtet. Während der Aufführung scheinen bis zu Begeisterung hervor. In minutiöser Differenziert- sich die Ohren und Augen auszudehnen, so dass man heit zeichnet Karassikov seine Partituren, „behaucht“ die als Zuhörer selbst das feinste Knacken des Saalparketts Notenseiten mit einer fragilen Bleistiftkalligraphie, die wahrnimmt, Eigengeräusche des Raumes, mit dem die- auch in Ausstellungen zeitgenössischer Grafik gezeigt se Kunst eine bislang ungehörte Zwiesprache einzuge- werden könnte. Der Vagheit des überaus präzise, doch hen scheint. Die Darbietungen von Karassikovs Werken verletzlich Notierten entspricht die Musik, denn ihr dy- nähern sich auch dank der besonderen Betonung der namischer Level bewegt sich an der Grenze des Hörba- Gestik einer theatralischen Aufführung an, ohne Mu- ren. Wenn man die komplexe Textur des Notierten mit siktheater zu sein. Er selbst bezeichnet seine Komposi- dem klingenden Ergebnis vergleicht, dann wird man tionen in Ermangelung eines hierfür vorgeprägten Be- zunächst überrascht sein, denn der größere Teil bleibt griffs als „stage art“. unhörbar: Karassikovs musikalische Formulierung ent- Für die Ausführenden und ebenso für das Publikum zieht sich jeglicher Konvention. bietet die Begegnung mit seiner Kunst eine Bereiche- Es geht ihm nicht darum, irgendwelche Konventio- rung, zumal man die Gestik als integralen Bestandteil nen durch schlichte Negation zu umgehen, die dann ih- einer Komposition und ihrer Interpretation erfährt. Die- rerseits zu neuen Privatkonventionen würden. Der Kom- ses an sich selbstverständliche, doch nicht immer gegen- ponist verweist stattdessen darauf, dass er in seiner wärtige Bewusstsein für gestisch-musikalische Zusam- Musik eine Art Analogie zu dem erkennt, was uns täg- menhänge dürfte auch bei der Begegnung mit überkom- lich innerlich und äußerlich umgibt. Auch hiervon bleibt menem Repertoire sensibilisierend wirken. Die Auffüh- ein Großteil unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle, rungen seiner Kompositionen wird man vor allem dann ist aber vorhanden und unterschwellig bestimmend. als außergewöhnliche Konzerterfahrungen erleben und Viele der unhörbaren Passagen seiner Musik sind ges- im Gedächtnis behalten, wenn man versucht, sich sei- tisch bedeutsam – etwa durch die Bewegung oder Mi- ner Musik voraussetzungslos hinzugeben, denn in Ka- mik der Interpreten –, andere sind hörbar, treten jedoch rassikovs Werken ist, bis auf die Tatsache, dass sie sehr nicht gestisch hervor: Das Gestische und Nicht-Gesti- leise sind, nichts vorhersehbar. sche, das Hörbare und Unhörbare – jeweils in feinster in the flame of the dream for ensemble heißt Vadim Abstufung und interner Beziehung – bilden entschei- Karassikovs neues, im Auftrag des Klangforums Wien entstehendes Werk. Es besteht aus einzeln aufführba- ren Stücken für je ein Instrument, die vom Duo, Trio, Quartett bis zum Tutti in allen möglichen Varianten kombiniert und gleichzeitig gespielt werden können. Am 5. Dezember 2008 werden die bislang vorliegenden Teile dieses Werks in Wien uraufgeführt werden. Michael Töpel

5.12.2008 Wien (Konzerthaus) Vadim Karassikov in the flame of the dream (Uraufführung) Klangforum Wien Weitere Stücke in diesem Konzert: Matthias Pintscher: Verzeichnete Spur; Salvatore Sciarrino: Le stagioni artificiali (Österr. Erstauffüh- rung), Beat Furrer: Konzert für Klavier und Ensemble (Österr. Erstaufführung) – Solisten: Gunde Jäch- An der Grenze des Hörbaren: Der Beginn von Vadim Karassikovs Micko (Violine), Florian Müller (Klavier). „in the flame of the dream“

26 [t]akte 2I2008

2I2008 Beim Wettbewerb „Prager Frühling“^ 2008 war Mitteilsam diesmal das „Clarinettino“ von Ondrej Kukal eins der Wahlstücke. Das anspruchsvolle, aber für Zuhö- und verständlich rer leicht verständliche Stück ist eine wichtige Ondřej Kukal und sein „Clarinettino“ Repertoireerweiterung für Klarinettisten.

Hand in Hand mit dem Festival „Prager Frühling“ fin- det bereits seit 60 Jahren zeitgleich der Internationale Musikwettbewerb „Prager Frühling“ statt. Seit 1994 ist es Tradition, dass das Festival für jede Wettbewerbska- tegorie eine Komposition bedeutender tschechischer Autoren (z. B. Petr Eben, Karel Husa, Viktor Kalabis, Jan Klusák, Ivana Loudová, Otmar Mácha, Jaroslav Peli- kán …) bestellt und somit die zeitgenössische Musik un- terstützt. Partner dieses Wettbewerbes ist bereits seit ei- nigen Jahren Editio Bärenreiter Praha, die die Wettbe- werbspflichtstücke in ihrer Editionsreihe „Prager Früh- ling“ herausgibt. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Solokompositionen und Kammermusikstücke; in diesem Jahr aber wurde in der Kategorie Klarinette als Wahlstück die Komposition Clarinettino op. 11 (1990) von

Ondřej Kukal ausgewählt.

^ ^ ^ ^ ^

Ondrej Kukal: Clarinettino. Concertino für Jana Lahodná mit dem Prager Kammerorchester beim Wettbewerb Klarinette und Streicher op. 11 „Prager Frühling“ 2008

Der Komponist, Dirigent und Geiger Ondřej Kukal len. Für den Zuhörer ist es mitteilsam und verständlich, (* 1964) zählt zu den herausragendsten Künstlerpersön- für den Interpreten allerdings ziemlich anstrengend. lichkeiten der mittleren Generation in Tschechien. Er Der Autor gesteht selbst, dass er als Geiger dem „Bläser- absolvierte das Prager Konservatorium und die Akade- interpreten“ keine Atem- und Entspannungsmöglich- mie der musischen Künste in Prag. Im Fach Violine ist er keiten gewährt. Technisch gesehen beinhaltet es keine Schüler von Josef Vlach, Komposition studierte er bei Jin- besonders großen Tücken, beim Einüben des Auswen- dřich Feld, Dirigieren bei Vladimír Válek. digspiels aber zeigten sich viele unauffällige Variatio- Kukals Clarinettino erklang 1994 zum ersten Mal nen der ursprünglichen Themen als recht schwer. beim Festival „Junges Podium“ in Karlsbad und wurde Jana Lahodná zu einem beliebten Repertoirestück. Es handelt sich um Trägerin des 3. Preises in der Kategorie Klarinette eine spielerisch virtuose zwölfminütige Kette, fließend als Ganzes ohne Unterteilungen, welche nur durch Tem- pokontraste schnellerer und freierer Teile geschaffen

werden. Durch die gesamte Komposition ziehen sich ein ^ charakteristischer synkopischer Rhythmus und die Ondrej Kukal – Werke bei Editio Bärenreiter Praha mehrmalige Wiederkehr des figurativen Grundthemas Concertino für Klarinette und Streicher „Clarinetti- in unterschiedlichen Variationen. In den langsameren no“ op. 11 (1990) – Solo-Klarinette – Str / 12' Teilen setzt sich neben dem Soloinstrument auch die Danse symphonique für großes Orchester op. 10 Violine ausdrucksvoll durch, und beide Instrumente (1989) – 2 Picc, 2 Eh, 2 Klar, Kfag – 4,3,3,1 – Pk, Xyl, überbieten sich in Kantilenenvorträgen. Der Klarinet- Schlg – Klav – Str / 12’ tenpart erfordert einen technisch sehr versierten Spie- Das Lied eines wahnsinnig gewordenen Soldaten, ler, der Komponist bewahrt aber völlig die traditionelle op. 19 für Bariton und Orchester – Solobariton – Instrumentaltechnik ohne Experimente. Die Komposi- 2,2,2,2 – 2,2,0,0 – Pk, Schlg – Hfe – Str / 21' tion lässt sich auch in kammermusikalischer Fassung Kammersymphonie op. 16 (1999) – Str / 20' mit Begleitung von Streichquartett und Kontrabass in- Konzert für Fagott und Streichorchester „Fagottissi- terpretieren (CD-Aufnahme: Ludmila Peterková, Neues mo“ op. 14 (1998) – Solo-Fagott – Str / 22' Vlach Quartett, MusicVars 1995). EBP Konzert für Violine und Orchester op. 7 (1985) Solo-Violine – 2,2,2,2 – 2,0,0,0 – Pk – Str / 20' Mit der Komposition von Ondřej Kukal kam ich vor etwa Symphonie Nr. 1 „Mit dem Glockenspiel“ op. 15 (1999) einem Jahr in Berührung, als ich sie in einer Aufnahme 2,2,2,2 – 3,3,2,0 – Pk, Schlg – Str / 25' in der Interpretation von Ludmila Peterková hörte, der Verlag: Editio Bärenreiter Praha, Vertrieb D, A, CH: die Komposition gewidmet ist. Das Clarinettino faszi- Alkor-Edition nierte mich durch seine fast jazzartigen Elemente. Das Weitere Information: www.sheetmusic.com Stück ist sehr originell mit vielen tonmalerischen Tei-

]

[t]akte 2I2008 27 [t]akte

Mit „Messages“ hat der Engländer Jonathan Harvey ein Stück für die Berliner Philharmoniker und den Sieben Himmel Rundfunkchor Berlin komponiert, das die himmli- Jonathan Harvey und sein neues Chor-Orchester- schen Sphären der Engel mit dem Apparat eines stück über Engelsnamen großen Orchesters auslotet.

CD-Neuerscheinung

Jonathan Harvey: Timepieces: Tranquil Abiding, Body Mandala, White as Jasmine; Towards a Pure Land, Anu Komsi (Sopran), BBC Scottish Symphony Orchestra, Ilan Volkov, Stefan Solyom, NMC. There is so much to praise on this CD that it’s hard to know where to begin. In reviewing previous recordings I’ve noted that Jonathan Harvey’s music juxtaposes moments of disarming simplicity, of naivety almost, with others of considerable sophistication and intrica- cy … The opening premise of both Tranquil Abiding and Body Mandala are cases in point: in the first, an alterna- tion of two sonorities carries the piece forwards inexo- rably to its conclusion. By contrast, the arc structure of … Towards a pure land engenders considerable discon- Engel im Anflug (Foto: foodmat, www.photocase.de) tinuity. Each piece inhabits its own space. The virtuosi- ty of Harvey’s orchestration is breathtaking … Botschaften von den Engeln Not surprisingly to those familiar with Harvey’s con- cerns, all but one of these pieces explore different facets Von Engeln handeln die Messages, deren Text aus- of spirituality, particularly those drawn from Eastern schließlich aus Engelnamen besteht. Das etwa 25-minü- religions. Perhaps the most immediately involving is tige Werk reiht Anrufungsrituale von über hundert ge- White as Jasmine, based on texts by a 12th-century Hin- flügelten Boten aneinander, die sich in sieben Himmeln du saint. Here, soprano Anu Komsi delivers a superbly bewegen. „Heaven“ nennt Harvey jedenfalls die sieben controlled performance of great vocal beauty. In her first ineinander übergehenden Teile seines Stücks, dessen entry, she is virtually indistinguishable from the sur- ruhig fließende Metren ausschließlich von der Silben- rounding instruments (and it’s satisfying, by the way, zahl des jeweils deklamierten Engelnamens abhängen. to hear singing in which each pitch can be clearly dis- Diese Ausgangsidee wird von den Chören äußerst dif- cerned, vibrato notwithstanding). But the musicianship ferenziert umgesetzt: vom „unhörbar“ eintretenden here transcends questions of technique: all the partici- Summen am Beginn über vielstimmiges Flüstern in pants deserve equal credit for their involvement in a Wellen, klar zäsurierten Wechselgesang, improvisierte richly rewarding project. Gramophone September 2008 Tempogestaltung bis zum ätherisch gehauchten Pianis- simo des Seventh Heaven. Nicht weniger raffiniert ist Four of the five pieces in this impressive selection of die Behandlung des großen Orchesters, das von einer Art Jonathan Harvey’s orchestral pieces deal in different Concertino (Celesta, Cimbalom und zwei Harfen) ange- ways with Harvey’s deep fascination with eastern reli- trieben wird. Auch hier fächert Harvey den Klang auf gions … All are striking, beautifully achieved pieces. und verwandelt die Instrumente beispielsweise nach The Guardian der Anrufung des Erzengels Raphael im Second Heaven in einen großen Flügel, der mit leisen Glissandi, Tremo- Der neue Kasseler Büh- li und Bläser-Atmen auf- und abrauscht. nenkatalog 2008/09 ist Olaf Wilhelmer erschienen und kann ab Bärenreiter · Alkor sofort bei der Alkor-Edition Jonathan Harvey angefordert werden. Auf Messages fast 400 Seiten listet er alle Uraufführung: 29.3.2008 Berlin, Rundfunkchor Berlin, musikalischen Bühnen- Berliner Philharmoniker, Leitung: Reinbert de Leeuw werke auf, die im Vertrieb Besetzung: Picc/AFl, 2, 2 , Eh, 2 BKlar, 2 – 4,3,3,1 – Schlg von Alkor erhältlich sind. KASSELER BÜHNENKATALOG (5) – Cel – Cimbalom – 2 Hfe – Str Systematische Register er- KASSEL CATALOGUE OF STAGE WORKS CATALOGUE KASSEL DES ŒUVRES SCÉNIQUES 2008/09

Aufführungsdauer: 25 Minuten möglichen die Suche nach 1

Verlag: Faber Music, Vertrieb: Alkor-Edition Gattungen,U1+U4 Buhnenkatalog 08_09.indd 1 Stoffen, Libret- 21.08.2008 13:31:42 Uhr Weitere Information: www.fabermusic.com. tisten, literarischen Vorlagen etc.

28 [t]akte 2I2008 2I2008

Mit den Mitteln eines Zooms gestaltet der französi- sche Komponist Brice Pauset sein neues Orchester- Un-fassbare Töne stück. Im Fokus: eine Tänzerin, die zum Mittelpunkt Brice Pausets 5. Sinfonie wird in Donaueschingen eines vieldimensionalen musikalischen Vexierspiels uraufgeführt wird.

Nach seiner Sinfonie Nr. 4 „Der Geograph“, die im März durch die Erfindung eines vom ur- 2007 in der Kölner Philharmonie uraufgeführt wurde, sprünglichen Objekt losgelösten Bil- geht Brice Pauset nun diese Gattung aufs Neue an: Im des); die Unmöglichkeit, Materie darzu- Rahmen der Donaueschinger Musiktage 2008 soll am stellen (außer mittels einer Extremsi- 19. Oktober seine Sinfonie Nr. 5 „Die Tänzerin“ zum ers- tuation: der Explosion). ten Mal erklingen. Der Titel wirft die Frage auf: Um was Wir haben es mit einem Projekt zu für eine Tänzerin mag es sich handeln? „In der ganzen tun, das mit den Grenzbereichen der Sinfonie stellt die Tänzerin den Mittelpunkt der Welt dar. Genres spielt. Die 4. Sinfonie war ein Man muss sich dabei vorstellen, dass die Beobachtung Flirt mit der Gattung des Konzerts: Dem der Tänzerin nicht nur vom Zuschauerraum aus statt- Orchester steht ein Klavier als Haupt- findet, sondern auch von ganz weit weg. Es geht um die- instrument gegenüber. Und die 6. Sin- sen ganz besonderen ästhetischen Reiz, diese ganz be- fonie wird Singstimmen mit einbezie- sondere Empfindung“, erläutert der Komponist. „Die hen. Ihre Uraufführung ist für die Spiel- Tänzerin, um die es hier geht, steht für die zur Kunst zeit 2009/10 in München geplant (Chor gewordene Bewegung eines Körpers; das ist ein Sinn- und Orchester des Bayerischen Rund- bild, das für alle Tänzerinnen gilt, und ein Symbol.“ funks, Experimentalstudio Freiburg). Brice Pauset sucht sich über eine auf die Spitze ge- Neun Sinfonien als Zielvorgabe? Tief gründende Poesie. Brice Pauset triebene prosaische Haltung Materialien mit einer tief „Nein,“ antwortet der Komponist, (Foto: C. Daguet, Editions Henry Lemoine) gründenden Poesie, es handelt sich jedoch keineswegs „nach der 6. Sinfonie werde ich dieser um herkömmliche Ballettmusik. Als Basismaterial für Gattung wohl etwas müde sein. Außerdem hätte ich das seine Arbeit wählte er beispielsweise die Geräusche, die Gefühl, in einen Manierismus zu verfallen, in einem Re- entstehen, wenn der Fuß der Tänzerin den Boden be- liquienschrein zu sein. Bei der Arbeit an sinfonischen rührt bzw. wenn sie sich in der Luft dreht, oder das Ra- Werken entwickelt sich meine Tonsprache weiter, und scheln des Stoffes ihres Kostüms. Es sind diese un-fass- ich bekomme dann Lust auf andere Formen, in die ich baren Töne, die den Komponisten interessieren, Töne, das, was ich bei den letzten Arbeiten erworben habe, die man in einem Ballett so deutlich sonst nicht ver- einfließen lassen möchte.“ Benoît Walther nimmt. Doch wie können diese Töne über den Blickwin- kel des Betrachters Aufschluss geben? Genau um diese Frage geht es in dem neuen Werk. Denn natürlich hängt Brice Pauset die Art der Wahrnehmung eines Tänzers vom Standort Sinfonie Nr. 5 „Die Tänzerin“ des Beobachters ab: Je nachdem, wo man sich befindet, Uraufführung: 19.10.2008, Donaueschinger Musikta- ändert sich die Perspektive. Aber von welchem Blickwin- ge, SWR Sinfonierochester Baden-Baden und Freiburg, kel aus ein Zuschauer auch immer einen Tanz betrach- Leitung: tet: Die Bewegung des Körpers ist und bleibt reine Kunst. Orchester: 4 (Picc),3,Eh,3,BKlar,3,Kfag – 4,4,4,1 –2 Pk, Und ohne Rücksicht auf den Blickwinkel des Zuschau- 3 Schlg – Klav – Hfe – Str ers spielt die Musik mit dieser Beständigkeit der ästhe- Aufführungsdauer: ca. 13 Minuten tischen Bewegung, und zwar mit Mitteln des Zooms auf Verlag: Editions Henry Lemoine, Vertrieb: Alkor-Edition die verschiedenen Tonsatzmaterialien, es ist ein Spiel Weitere Information: www.henry-lemoine.com mit den musikalischen Zeitabläufen, mit der Gleichzei- tigkeit verschiedener Taktarten (beispielsweise durch das Übereinanderschichten eines 3/4- und eines 4/4- Taktes) usw. Pausets 5. Sinfonie steht in engem Zusammenhang mit seinen anderen Werken. In erster Linie ist „Die Tän- „takte“ jetzt auch online zerin“ Teil eines Zyklus von drei Sinfonien (Nr. 4, 5 und 6), der in einer Phase komponiert wurde und ein ein- Unter der Internetadresse heitliches Ganzes darstellt. Dabei hat jede dieser Sinfo- www.takte-online.com ist das nien zwar eine ihr ganz eigene Dramaturgie, gleichzei- Bärenreiter-Magazin takte ab tig sind sie jedoch durch eine gemeinsame Thematik sofort auch im Internet erreich- miteinander verbunden: durch den Begriff der Unmög- bar. Neben den Artikeln aus den lichkeit. In Der Geograph ist es die Unmöglichkeit, die letzten Heften finden sich dort Welt darzustellen (es sei denn durch die Schaffung von auch aktuelle Aufführungster- Rastern, die in der Aufführung vom Klavier fixiert und mine. Ein takte-Newsletter vom Orchester ausgefüllt werden); die Unmöglichkeit, ergänzt das Internetangebot. die ästhetische Bewegung darzustellen (es sei denn

]

[t]akte 2I2008 29 [t]akte

Ausufernde Üppigkeit ist seine Sache nicht. Die Re- duktion auf das Wesentliche ist eher Osvaldo Coluc- Alchimistische cinos Maxime. Ein Porträt des Komponisten, der spät zum Komponieren kam, nachdem er in der Li- Verwandlungen teratur seines Heimatlandes bereits einen bekann- Der italienische Komponist Osvaldo Coluccino ten Namen hatte.

Osvaldo Coluccino (* 1963) bezeichnet Absum, eine elek- troakustische Komposition aus dem Jahr 1999, als sein erstes Werk oder auch Quale velo (2000/01) für En- semble. Das bedeutet jedoch nicht, dass er erst im Alter von 36 Jahren begonnen hätte zu komponieren, sondern es ist die Konsequenz künstlerischer Entscheidungen, ei- ner Suche, die in ihrem Verlauf einen Fall für sich dar- stellt. Von 1989 bis 2003 widmete sich Coluccino gänz- lich der literarischen Arbeit, schrieb Gedichte, Prosa und Verstragödien, denen von Kritikern und Wissenschaft- lern Interesse und Bewunderung entgegengebracht wurde. Bereits in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre begann er autodidaktisch, sich mit Musik zu beschäfti- gen und zu komponieren. Heute sieht er seine literari- schen Erfahrungen als abgeschlossen an und ist ein Komponist, der keinen Grund sieht, sich an seine Früh- werke zu erinnern. Sein Werkkatalog enthält Komposi- tionen, deren eigenständige kompromisslose Ästhetik von Anfang an fertig ausgeprägt erscheint. Ein Weg zum Verständnis dieser plötzlich eingetretenen reifen Eigen- Suche nach dem Wesen des Klangs: Osvaldo Coluccino ständigkeit und extremen Strenge in Coluccinos Musik führt über die Beschäftigung mit seinem literarischen ten Nono und mit Feldman verglichen worden ist. Mit Schaffen. Zu einer solchen Perspektive lädt eine Beob- diesem Vergleich treten jedoch die Unterschiede nur achtung des Musikwissenschaftlers und Komponisten deutlicher hervor. Insbesondere gibt es keine Ähnlich- Ramón Montes de Oca ein, der anlässlich der Auffüh- keiten zu den enorm gedehnten Tempi und dem Quasi- rung des Bläserquintetts Diffratta aria (2002) beim Fes- Minimalismus des späten Feldman, denn Coluccino be- tival Cervantino 2004 in Guanajato/Mexiko über Coluc- hält stets die Kontrolle über seine Formverläufe, und cino schrieb: Knappheit entsteht bei ihm aus einem Bedürfnis nach Konzentration auf das Wesentliche. Deshalb auch lotet „Wenn man über die musikalische Ästhetik dieses er den Klang innerhalb eines dynamischen Bereiches wichtigen italienischen Künstlers spricht, muss man aus, der nur sehr selten das Mezzopiano übersteigt, so unbedingt auf seine bemerkenswerte dichterische dass magische Wirkungen entstehen, ein Effekt der al- Sprache verweisen, denn Osvaldo Coluccino war chimistischen Verwandlung seines ausgedünnten, aus- zunächst ein großartiger Dichter und hat sich danach getrockneten Tonsatzes. Daraus entstehen verborgene in einen Komponisten herausragender neuer Musik Spannungen, festgehalten in einer Unbeweglichkeit, die verwandelt. Wir kennen das Interesse des Dichters für jedoch unvorhersehbaren und unkonventionellen das Wort, das aus der Stille entspringt, und wir ken- Formverläufen nicht im Wege steht. Manchmal spielen nen ebenso das Interesse des Komponisten für die seine poetischen Titel auf diese Formen an. Ich denke Stille, die sich aus dem Klang erhebt. Diesem intimen, beispielsweise an den Verlauf von Voce d’orlo (2006) vagen und kargen Klang, den der Künstler, abgeklärt oder an die Spreizung, die von der Kombination zweier wie ein Alchimist, in Reflexe aus Farben, Tonhöhen, Wörter suggeriert wird, die mit Geburt und Tod verbun- Timbres, Wörtern und Stillen verwandelt, die ins den sind: Gamete stele (2007). Die Spreizung zwischen Nichts zurückkehren.“ der Weichheit des Gallerts und der Härte des Steins drückt sich hier mit konzentrierter, jedoch anti-rhetori- Coluccino schreibt äußerst ausgewogen, bedachtsam, scher Dichte aus und führt zu einem sanfteren Ergeb- konzentriert auf das Wesentliche und definiert präzise nis. Die Negation von Without Witness (2004) scheint jedes Detail, so als ob von der Wahl jeder Tonhöhe, jedes schließlich nach dem Wesen des Klanges zu suchen und Intervalls, jeder Klangfarbe das Gelingen des Ganzen lädt den Komponisten ebenso wie den Hörer ein, loszu- abhinge. Die so definierten Klangobjekte sind in Stille lassen: das eigene Ego, die Schwere des Ichs. eingesenkt, in einen statischen, geheimnisvollen Raum, Paolo Petazzi in dem die Bewegung des Alltäglichen aufgehoben ist. (Übersetzung: Christine Anderson) Es überrascht nicht, dass er Maler schätzt, die Objekte darstellen, die von Stille umgeben sind: Piero della Fran- cesca, Cézanne, Morandi. Es sind die angehaltene Zeit Information: Die Kompositionen von Osvaldo Colucci- und der statische Raum, für die Coluccino mit dem spä- no erscheinen bei RAI Trade (Vertrieb: Alkor-Edition)

30 [t]akte 2I2008 2I2008

Streit, Flucht und Rückkehr: Viel geschieht im neuen Kinderkonzertstück „Die verlorene Melodie“ von Wer darf sie spielen? Andreas Tarkmann und Eberhard Streul. Wer will, Streit um eine Melodie im Kinderstück von Andreas kann sogar eine Botschaft daraus lesen. Die Urauf- Tarkmann und Eberhard Streul führung in Ludwigshafen war ein großer Erfolg. takte: „Die verlorene Melodie“ ist Ihre erste Zusammen- Diese Botschaft ist nur ein Teilaspekt des Stücks und ich arbeit mit dem Theaterautor Eberhard Streul, mit dem finde es nicht schlimm, wenn andere Seiten des Gesamt- Sie die Liebe zum Kabarett verbindet. Wie kam es nun zu stücks sie vielleicht verdrängen. Für viele junge Kinder dieser ersten Begegnung? ist es wahrscheinlich der erste Konzertbesuch und die allererste Begegnung mit einem Orchester: Da gibt es Tarkmann: Trotz unseres teilweise ähnlichen Betäti- ungeheuer viel Interessantes zu sehen und zu hören … gungsfelds war die Begegnung mit Eberhard Streul kein Zufall, sondern fand auf Vorschlag der Alkor-Edition „Die verlorene Melodie“ geht von der klassischen Konzert- statt. Eberhard Streul suchte nämlich einen Komponis- situation aus. Das junge Publikum wird nur gelegentlich ten für einen Text, den er schon vor Jahren für ein Kin- vom Erzähler angesprochen, der aus dem Stück heraus derkonzert geschrieben hatte. Fragen formuliert, bei denen es unter anderem um die Was hat Sie an seinem Text besonders gereizt? Identifizierung von Instrumenten geht. Welchen Stellen- wert räumen Sie diesem Kinderkonzertstück in der Nach- Auf jeden Fall ist es schön, eine Geschichte zu vertonen, folge von „Peter und der Wolf“ ein im Vergleich zu Kon- die noch keiner kennt. Das erhöht natürlich die Neugier zepten, bei denen Kinder und Jugendliche von Anfang an und Spannung bei den jungen Zuhörern. Dann spielt die und in einem größeren Maß in die Erarbeitung eines neu- Geschichte in einer sehr „musikalischen Welt“: Ein zer- en Stückes und dessen Aufführung integriert werden? streuter Komponist schreibt eine Melodie, die durch Zufall in einem Orchester landet und um die von den Ich denke, dass beide Konzertmodelle ihre Berechtigung verschiedenen Instrumenten heftigst gestritten wird. haben und dass Kinder auch mit beiden konfrontiert Um die Melodie zu schützen, reißt eine kleine Geige mit werden sollten. Natürlich ist es wichtig, dass sie aus ei- ihr aus. Geige und Melodie erleben einige merkwürdi- ner passiven Konsumentenrolle herausgeholt werden ge Abenteuer und werden schließlich von der resoluten und dass die Konzerte im wahrsten Sinne des Wortes Großmutter, der Bassgeige, ins geläuterte Orchester zu- „begreifbarer“ werden. Auf der anderen Seite sollten rückgeholt. Kinder auch lernen, eine gewisse Zeit konzentriert zu- So eine Geschichte ist für einen Komponisten natür- zuhören. Ich glaube, diese Konzentrationsfähigkeit soll- lich eine reizvolle Aufgabe, weil er hier alle Register zie- ten wir den Kindern auch zutrauen und sie fördern. In hen kann. Überhaupt fand ich Streuls Geschichte auf An- diesem Sinne ist ein Stück wie Die verlorene Melodie hieb originell und witzig, sprachlich sehr pointiert und ein guter Einstieg. geistreich, ohne die kindliche Ebene zu vernachlässigen. Takte: Verraten Sie uns zum Abschluss noch Ihre nächs- So können die Kinder zwar eine Menge über Musik und ten Projekte? Instrumente erfahren, werden aber nicht offensichtlich „belehrt“. Nachdem ich letztes Jahr mit meiner ersten Kinderoper Haben Sie den Wortlaut eins zu eins übernommen? La belle au bois dormant (Dornröschen) in der Philhar- monie Essen einen schönen Erfolg hatte, komponiere ich Der Originaltext ist im Hinblick auf eine melodramati- nun für das Theater Aachen als Kinderoper den Räuber sche Vertonung geschrieben. So waren keine nennens- Hotzenplotz (Uraufführung April 2009). In der Tonhalle werten Änderungen nötig. Wir haben lediglich das mu- Düsseldorf wird 2009 ein weiteres Kinderstück von mir sikdramaturgische Gerüst zusammen abgesprochen: uraufgeführt, darüber hinaus arbeiten Eberhard Streul wann, wo und wie viel Musik an bestimmten Textstel- und ich schon an etwas Neuem, aber mehr darf darüber len erklingen soll. Ansonsten hat mir der Autor dankens- noch nicht verraten werden. werterweise keine Vorschriften gemacht. Fragen: Redaktion An welche Altersgruppe wendet sich „Die verlorene Me- lodie“ und wie war die Resonanz bei der Uraufführung im Frühjahr in Ludwigshafen? Andreas N. Tarkmann Wir schlagen das Stück für Kinder ab fünf Jahren vor. Es Die verlorene Melodie. Ein Konzertstück für Kinder ist ganz bewusst für die jüngeren Kinder geschrieben für Sprecher und Orchester mit einer Geschichte von und wurde von ihnen begeistert aufgenommen. Aber von Eberhard Streul nicht nur von diesen: Eltern und Orchestermitglieder Besetzung: Sprecher – Orchester: 2,2,2,2 – 2,2,1,1 – waren genauso angetan. Schlg (1) – Str Aufführungsdauer: ca. 30 Minuten Die Geschichte wendet sich letztlich gegen den Egoismus Verlag: Cecilia Music Concept GmbH Verlag Köln, und plädiert für das gemeinschaftsstiftende Band des Vertrieb: Alkor-Edition Musizierens.

]

[t]akte 2I2008 31 [t]akte

Neue Bücher Charlotte Seither – aktuell

Andreas Waczkat: Ge- org Friedrich Händel. Charlotte Seither – aktuell Der Messias. Bärenrei- ter Werkeinführung Ausblick 2008. 146 Seiten. € 14,95 Charlotte Seither ist von Kul- / CHF 26.90. turstaatsminister Bernd Wie gelang es Hän- Neumann mit dem Stipendi- del, eine solch zün- um der Deutschen Akade- dende Komposition mie Rom aus- zu schaffen? Welche gezeichnet worden und wird Botschaften wurden 2009 einen einjährigen Sti- für die Zuhörer da- pendienaufenthalt in Rom mals transportiert, verbringen. +++ Gustav Rivinius (Violoncello) und wo setzten Händel Eduard Brunner (Klarinette) werden bei den Tagen und sein Librettist Charles Jen- für Interpretation und Aufführungspraxis Neuer nens die Akzente? Andreas Musik in Saarbrücken ein neues Auftragswerk für Waczkat erläutert diese und Klarinette und Violoncello von Charlotte Seither weitere Fragen in drei Schritten. zur Uraufführung bringen (15.10.08). +++ Der Ein erster Teil widmet sich der Deutschlandfunk Köln widmet der Komponistin ein Entstehung des Werkes und ausführliches Rundfunkportrait (18.10.08). dem Libretto. Der zweite Teil untersucht Satz für Satz Text Rückblick und Musik. Abschließend skiz- Im August 2008 war Charlotte Seither als Return- ziert Waczkat die Wirkungs- Resident bei der Akademie Schloss Solitude Stutt- und Rezeptionsgeschichte des gart zu Gast. +++ Vom Goethe-Institut Santiago de Messias. Praktische Hinweise Chile wurde Charlotte Seither als Guest Composer zu den verschiedenen Fassun- zum Festival Música Contemporánea eingeladen gen und Editionen des Werks (31.7.–10.8.08). +++ In Krefeld kam das neue Orches- runden die Einführung ab. terstück Essays of Shadow and Truth als Auftrags- werk der Niederrheinischen Sinfoniker unter der Ingo Schultz: Viktor Ullmann. Leben und Werk. Bären- Leitung von Graham Jackson zur Uraufführung. reiter-Verlag/Verlag J. B. Metzler 2008. 280 Seiten. € 29,95 Zitate aus Pressekritiken: „Eine halbe Stunde lang / CHF 46.00. entfachen die Niederrheinischen Sinfoniker einen Eine umfassende Darstellung von Viktor Ullmanns Le- akustischen Sturm, der aufschreckt, verblüfft, fas- ben und Schaffen (1898–1944) von den prägenden Ein- ziniert. Seithers Orchesterwerk überzeugt “ (West- drücken seiner Jugend in Teschen und Wien über die deutsche Zeitung), „so weit durchdifferenzierte nach dem Ersten Weltkrieg ansetzende Laufbahn als Klänge wünschte man sich öfter. Viel Beifall für Kapellmeister und Komponist in Prag bis hin zu den Werk und Orchesterleistung“ (Rheinische Post) letzten großen Werken, die er den Lebensverhältnissen (29.4.08). +++ Beim Forum Neue Musik des Deutsch- in Theresienstadt abgerungen hat. In den analytischen landfunks Köln wurde das Auftragswerk never real, Abschnitten entsteht das Bild eines Komponisten, des- always true für Akkordeon solo von Margit Kern ur- sen unverwechselbare „Handschrift“ sich in differen- aufgeführt (5.4.2008). +++ An der Universität Olden- zierter Harmonik, unkonventioneller Kontrapunktik burg standen ihre Werke im Rahmen eines Portrait- und eigenwilliger Rätselhaftigkeit zeigt. konzertes im Mittelpunkt (13.6.08). +++ Nach Auf- führungen in Osnabrück und München ist die Pro- Jörg Konrad: Miles Davis. Die Geschichte seiner Musik. duktion ihres Musiktheaterwerks Der helle Rand Bärenreiter-Verlag 2008. 202 Seiten. € 19,95 / CHF 35.90. von Furcht und Erwachen mit acht weiteren Auf- Kein Musiker hat den modernen Jazz stärker geprägt führungen am Staatstheater Kassel zu Ende gegan- und verändert als Miles Davis. In chronologischer Folge gen. +++ In seiner Rundfunkreihe „Hear and Now“ und in Form eines übersichtlichen Handbuchs porträ- stellte BBC London die Werke Music for orchestra, tiert Jörg Konrad 86 Alben, an denen der Trompeter be- Gran passo und All’aperto vor, die mit dem BBC teiligt war. Aber auch wichtige persönliche Umstände Symphony Orchestra London, Mark Knoop, Klavier von Davis’ Leben bringt Konrad ans Tageslicht und setzt und den BBC Singers London zur Aufführung ge- sie in Beziehung zu dem musikalischen Kosmos, den kommen waren (31.5.08). Miles Davis kreiert hat.

32 [t]akte 2I2008 2I2008

Termine (Auswahl) Neue CDs Oktober 2008 Oktober 2008

3.10.2008 Heidelberg (Premiere) 8.10.2008 Paris (Théâtre des Wolfgang Amadeus Mozart: Champs-Elysées) (Premiere) La clemenza di Tito Jean-Baptiste Lully: Armide Musikal. Leitung: Cornelius Chœur et Orchestre Les Arts Meister, Inszenierung: Christian Florissants, Musikal. Leitung: Sedelmayer William Christie, Inszenierung: Robert Carsen 3.10.2008 St. Pölten (Premiere) Wolfgang Amadeus Mozart: 8.10.2008 Ravensburg / 9.10.2008 Die Entführung aus dem Serail München / 14.10.2008 Meran Freiburger Barockorchester, Beat Furrer: antichesis Musikal. Leitung: Attilio Münchner Kammerorchester, Cremonesi, Inszenierung: Leitung: Alexander Liebreich Joachim Schloemer 10.10.2008 London 3.10.2008 Wien (Konzerthaus) –> Matthias Pintscher: pourquoi Champs-Elysées, Leitung: Beat Furrer: Antichesis l’azur muet. Musique de Philippe Herreweghe. Harmonia Klangforum Wien, Leitung: Beat „L’espace dernier“ pour soprano, Georg Friedrich Händel: mundi Furrer mezzosoprano et orchestre Amadigi di Gaula Reinhard Schwarz-Schilling: (Uraufführung) Al Ayre Español, Leitung: Introduktion und Fuge; 3.10.2008 Utrecht Claudia Barainsky (Sopran), Eduardo López Banzo. Ambroisie Symphonie in C Georg Friedrich Händel: L’Allegro, Claudia Mahnke (Mezzosopran), Georg Friedrich Händel: Tolomeo Staatskapelle Weimar, Leitung: il Penseroso ed il Moderato BBC Symphony Orchestra, Il Complesso Barocco, Leitung: José Serebrier. Naxos Radio Kamer Filharmonie, Leitung: Kazushi Ono Alan Curtis. Deutsche Leitung: Kenneth Montgomery Hugo Distler: Grammmophon 11.10.2008 Kiel (Premiere) Konzert für Cembalo und 4.10.2008 Tübingen Georg Friedrich Händel: Alcina Christoph Willibald Gluck: Ezio Streicher op. 14; Schauspielmusik Franz Schubert: Die Zauberharfe Leitung: Eduardo López Banzo, Orchester der Ludwigsburger zu Ritter Blaubart Tübinger Ärzteorchester, Leitung: Inszenierung Silvana Schröder Schlossfestspiele, Leitung: Neubrandenburger Philhar- Norbert Kirchmann Michael Hofstetter. Oehms monie, Leitung: Stefan Malzew. 11.10.2008 Frankfurt Klassik Center Kassel 4.10.2008 Graz –> Beat Furrer: Xenos für Ensemble Joseph Haydn: Beat Furrer: Konzert für Klavier Rudolf Kelterborn: Pieces 1–6 (Uraufführung) Die sieben letzten Worte unseres und Orchester (Österr. Erstauff.) See Siang Wong. Guild Ensemble Modern, Leitung: Alejo Erlösers am Kreuze Nicolas Hodges (Klavier), Radio- Pérez Camerata Salzburg, Leitung: Sir Salvatore Sciarrino: Symphonierorchester Wien, Roger Norrington. ORF Storie di altre storie Leitung: Pascal Rophé 11.10.2008 Lyon (Premiere) Teodoro Anzellotti (Akkordeon), Hector Berlioz: Wolfgang Amadeus Mozart: WDR Sinfonieorchester Köln, 4.10.2008 Leipzig (Premiere) L’Enfance du Christ La clemenza di Tito Leitung: Kazushi Ono. Winter & Johann Strauß: Eine Nacht in London Symphony Orchestra, Musikal. Leitung: Jérémie Rohrer, Winter Venedig Leitung: Sir Colin Davis. LSO Live Inszenierung: Georges Musikal. Leitung: Roland Seif- Lavaudant Beat Furrer: Begehren Anton Bruckner: farth, Inszenierung: Julia Riegel Petra Hoffmann (Sopran), Johann Sinfonie Nr. 3 (Fassung 1873) 11.10.2008 Freiburg (Premiere) Leutgeb (Erzähler), Vokalensemble Radio-Sinfonieorchester 5.10.2008 Zürich (Premiere) Wolfgang Amadeus Mozart: NOVA, ensemble recherche, Stuttgart des SWR, Leitung: Sir Ludwig van Beethoven: Fidelio Lucio Silla Musikal. Leitung: Beat Furrer, Roger Norrington. SWR Hänssler Musikal. Leitung: Bernard Musikal. Leitung: Patrick Peire, Inszenierung/Choreographie: Haitink, Inszenierung: Katharina Inszenierung: Ludger Engels Anton Bruckner: Reinhild Hoffmann. Kairos (DVD) Thalbach Sinfonie Nr. 4 (Urfassung 1874) Manfred Trojahn: 14.10.2008 Wien, Theater an der Philharmoniker Hamburg, Berceuse für Orchester 6.10.2008 Lille / 21.10. Paris Wien (Premiere) Leitung: Simone Young. Oehms Radiosinfonieorchester Stuttgart Théâter des Champs-Elysées Christoph Willibald Gluck: des SWR, Leitung: George Wolfgang Amadeus Mozart: Orfeo ed Euridice Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 9 Alexander Albrecht Le nozze di Figaro Freiburger Barockorchester, Sinfonieorchester Aachen, Auf: Musik in Deutschland Le Concert d’Astrée, Musikal. Musikal. Leitung: René Jacobs, Leitung: Marcus Bosch. Coviello 1950–2000. Orchesterstücke Leitung: Emmanuelle Haïm, Inszenierung: Stephen Lawless Anton Bruckner: Messe f-Moll 1975–2000. RCA/Deutscher Inszenierung: Jean-François RIAS Kammerchor, Orchestre des Musikrat Sivadier

[t]akte 2I2008 33 [t]akte

Termine (Auswahl) Oktober 2008 Oktober 2008Oktober 2008 November 2008

14.10.2008 Genf (Premiere) 18.10.2008 Luzern (Premiere] 25.10.2008 Prag (Premiere) 1.11.2008 Kassel (Musiktage) Hector Berlioz: Giuseppe Gazzaniga: Wolfgang Amadeus Mozart: Miroslav Srnka: Pouhou vlnou; La damnation de Faust Don Giovanni La finta giardiniera Streichquartett; Simple space Musikal. Leitung: John Nelson, Musikal. Leitung: Andrew Musikal. Leitung: Tomas Netopil, Aurélien Richard (Klavier), Inszenierung: Olivier Py Dunscombo, Inszenierung: Inszenierung: Ursel Herrmann, Diotima Quatuor Dominique Mentha Karl-Ernst Herrmann 15.10.2008 Wien 2.11.2008 Detmold (Premiere) Rudolf Kelterborn: Four Pieces 19.10.2008 Hannover 25.10.2008 Nürnberg Christoph Willibald Gluck: for Four Players (Österr. Erstauff.) –> Charlotte Seither: Scusi für Leoš Janáček: Taras Bulba Orfeo ed Euridice Collegium Novum Zürich Tenorblockflöte und Klavier Nürnberger Symphoniker, Musikal. Leitung: Jörg (Uraufführung) Leitung: Berhard Gueller Pitschmann, Inszenierung: 15.10.2008 Saarbrücken Ulrike Volkhardt (Tenorblock- Kay Metzger –> Charlotte Seither: Neues Werk flöte), Darlen Bakke (Klavier) 29.10.2008 Paris (Uraufführung) Matthias Pintscher: 6.11.2008 Zürich (Tage für Neue Eduard Brunner (Klarinette), 19.10.2008 Genf (Premiere) Hérodiade-Fragmente Musik) Gustav Rivinius (Violoncello), Jacques Offenbach: Marisol Montalvo (Sopran); Beat Furrer: Canti notturni Adrian Oetiker (Klavier) Les contes d’Hoffmann Orchestre de Paris, Leitung: (Schweiz. Erstaufführung) Musikal. Leitung: Patrick Davin, Tonhalle-Orchester Zürich, 16.10.2008 Mainz (Premiere) Inszenierung: Olivier Py Leitung: David Zinman Christoph Willibald Gluck: 30.10.2008 Postdam (Premiere) La Semiramide riconosciuta 22./23.10.2008 Aachen Georg Friedrich Händel: Alcina 6.11.2008 London (Premiere) Musikal. Leitung: Michael –> Philipp Maintz: archipel. Musik Musikal. Leitung: Andrea Christoph Willibald Gluck: Millard, Inszenierung: Peer für großes Orchester (Urauffüh- Marcon, Inszenierung: Ingo La rencontre imprévue Boysen rung) Kerkhoff Guildhall School of Music, Sinfonieorchester Aachen, Musikal. Leitung: Nicholas Kok, 17.10.2008 Berlin (Premiere) Leitung: Marcus R. Bosch 30.10.2008 München Inszenierung: Stephen Medcalf Christoph Willibald Gluck: Bohuslav Martinů: Legende aus Le Cinesi 23.10.2008 Hokutopia (Japan) dem Rauch des Kartoffelkrautes 6.11.2008 Kassel (Musiktage) Universität der Künste, Musikal. Joseph Haydn: Orlando paladino Chor des Bayerischen Rundfunks, Manfred Trojahn: 6 Préludes Leitung: Igor Budinstein, Les Boréades, Musikal. Leitung: Münchner Rundfunkorchester, Clemens Berg (Klavier) Inszenierung: Dagny Müller Ryo Terakado Leitung: Ulf Schirmer 7.11.2008 Tokyo (Premiere) 17.10.2008 Tours (Premiere) 23.10.2008 New York (La MaMa 30.10.2008 Kassel (Musiktage) Wolfgang Amadeus Mozart: Joseph Haydn: Armida Theatre) Manfred Trojahn: Die Zauberflöte Musikal. Leitung: Jean-Yves Charlotte Seither: One-woman- Ariosi für Sopran, Bassett- Nissay Theatre Orchestra, Ossonce, Inszenierung: Gilles opera (USA-Erstaufführung) klarinette und Orchester Musikal. Leitung: Toshiyuki Bouillon Cornelia Melian (Stimme), Regie: Christiane Iven (Sopran), Sabine Kamioka Judy Wilson Meyer (Klarinette), hr-Sinfonie- 17.10.2008 Liège (Premiere) orchester, Leitung: Lothar 8.11.2008 Kassel (Musiktage) Christoph Willibald Gluck: 25.10.2008 Köln Zagrosek Ernst Krenek: Lamentatio Paride ed Elena Beat Furrer: Aria Jeremiae prophetae Musikal. Leitung: Filippo Maria Donatienne Michel-Sansac 31.10.2008 Wien Vocalensemble Kassel, Martin Lü- Bressan, Inszenierung: Andrea (Sopran), Ensemble dissonART, Beat Furrer: Konzert für Klavier cker (Orgel), Leitung: Eckhard Manz Cigni Leitung: Beat Furrer und Orchester Nicolas Hodges (Klavier), Radio- 9.11.2008 Prag 18.10.2008 Oslo 25.10.2008 Kassel (Premiere) Symphonierorchester Wien, –> Miroslav Srnka: ta větší. Eine Wolfgang Amadeus Mozart: Wolfgang Amadeus Mozart: Leitung: Emilio Pomarico Variation über den Schluss- La clemenza di Tito Don Giovanni gesang aus Její pastorkyňa Musikal. Leitung: Rinaldo Musikal. Leitung: Marco Comin, 31.10.2008 Kassel (Musiktage) (Jenufa) (Uraufführung) Alessandrini, Inszenierung: Peter Inszenierung: Volker Schmalöer –> Miroslav Srnka: Dreizehn Lieder Emanuele Torquati (Klavier) Konwitschny für mittlere Stimme und Klavier 25.10.2008 Bologna nach Postkarten von Jurek 13.11.2008 Zürich, St. Peter (Premiere) 18.10.2008 Nürnberg (Premiere) Hector Berlioz: Te Deum Becker an seine Sohn Jonathan Christoph Willibald Gluck: Orfeo Hector Berlioz: Benvenuto Cellini Orchestra Mozart, Leitung: (*1990) (Uraufführung) ed Euridice Musikal. Leitung: Guido Claudio Abbado Dagmar Pecková (Mezzosopran), Vocalino Chor, Symphonisches Johannes Rumstadt, Inszenie- N. N. (Klavier) Orchester Zürich, Musikal. rung: Laura Scozzi Leitung: Beat Dähler, Inszenie- rung: Serge Honegger

34 [t]akte 2I2008 2I2008

November 2008 Dezember 2008 November 2008 Dezember 2008 Dezember 2008 Januar 2009

13./14.11.2008 Turin 22.11.2008 Schönebeck 5.12.2008 Wien 20.12.08 Nürnberg (Premiere) Matthias Pintscher: Fünf Thomas Daniel Schlee: –> Vadim Karassikov: in the flame Wolfgang Amadeus Mozart: Orchesterstücke (Ital. Erstauff.) Quia tu es Deus of the dream (Uraufführung); Die Entführung aus dem Serail Orchestra Sinfonica Nazionale Mitteldeutsche Kammer- Matthias Pintscher: Verzeichnete Musikal. Leitung: Christof Prick, della RAI, Leitung: Matthias philharmonie, Leitung: Christian Spur; Salvatore Sciarrino: Le Inszenierung: Andreas Baesler Pintscher Simonis stagioni artificiali (Österr. Erstauff.) Gunde Jäch-Micko (Violine), 21.12.2008 Basel 16.11.2008 Kassel (Musiktage) 22.11.2008 Köln (WDR – „Musik Florian Müller (Klavier) Klang- –> Andrea Lorenzo Scartazzini: Manfred Trojahn: Die kleinen der Zeit“) forum Wien, Leitung: Matthias Nachttief und Mond für Coun- Lieder. Gesänge auf Texte von –> Philipp Maintz: tourbillon. Musik Pintscher tertenor und Violoncello Heinrich Heine; Dir zur Feier. für Violine, Violoncello und (Uraufführung) Lieder auf Texte von Rainer Klavier (Uraufführung); Rudolf 6.12.2008 Leslie Leon (Stimme), Fernando Maria Rilke Kelterborn: Moments musicaux (Premiere) Caida Greco (Violoncello) Silvia Weiss (Sopran), Karola absolut trio Wolfgang Amadeus Mozart: Theill (Klavier) Die Entführung aus dem Serail 8./11.1.2009 Luleå (Schweden) 22.11.2008 Bad Segeberg Musikal. Leitung: Georg Mark, Wolfgang Amadeus Mozart: 19.11.2008 Monte Carlo (Premiere) Johannes Driessler: Dein Reich Inszenierung: Marianne Clement Don Giovanni (konzertant) Wolfgang Amadeus Mozart: komme Mahler Chamber Orchestra, Die Zauberflöte Segeberger Sinfonieorchester, 6.12.2008 Düsseldorf (Premiere) Leitung: Daniel Harding Musikal. Leitung: Philippe Auguin, Leitung: Andreas Johannes Antonin Dvořák: Rusalka 11.1.2009 Amsterdam (Premiere) Inszenierung: Jean-Louis Grinda Maurer-Büntjen Musikal. Leitung: John Fiore, Francesco Cavalli: Ercole amante Inszenierung: Jiři Nekvasil Musikal. Leitung: Ivor Bolton, 20.11.2008 Kassel (Musiktage) 22.11.2008 Doorwerth (NL) Inszenierung: David Alden Manfred Trojahn: Klavierquartett Christoph Willibald Gluck/Hector 7.12.2008 Münster Ingolf Turban (Violine), Barbara Berlioz: Orphée et Euridice Matthias Pintscher: 10.1.2009 Bad Kissingen Turban (Viola), Sebastian Hess Osterbeeks Kamerkoor, Leitung: Devant une neige –> Felix Mendelssohn Bartholdy: (Violoncello); Siegfried Mauser Annelis Boone Sinfonieorchester Münster, Konzert in e Nr. 3 für Klavier und (Klavier) Leitung: Erich Wächter Orchester (Uraufführung) 22.11.2008 Passau (Premiere) Matthias Kirschnereit (Klavier), 20.11.2008 Ferrara (Premiere) Wolfgang Amadeus Mozart: 10.12.08 Winterthur (Premiere) Sinfonieorchester Basel, Leitung: Ludwig van Beethoven: Fidelio La clemenza di Tito Georg Friedrich Händel: Mario Venzago Musikal. Leitung: Claudio Abba- Musikal. Leitung: Basil H. E. Acis and Galathea (auch 11.1. Garmisch-Partenkirchen) do, Inszenierung: Chris Kraus Coleman, Inszenierung: Wolfram Musikkollegium Winterthur, J. Starczewski Leitung: Maurice Steger 15./16.1.2009 Philadelphia 21.11.2008 Toulouse (Premiere) Matthias Pintscher: Osiris Wolfgang Amadeus Mozart: 28.11.2008 Helsinki (Premiere) 12.12.2008 Genf (Premiere) Philadelphia Orchestra, Leitung: Le nozze di Figaro Wolfgang Amadeus Mozart: Johann Strauss: Die Fledermaus Christoph Eschenbach Musikal. Leitung: Marco Così fan tutte Musikal. Leitung: Thomas Rösner, (auch 29.1. Gran Canaria, Armiliato, Inszenierung: Marco Musikal. Leitung: Kari Tikka, Inszenierung: Uwe Eric Laufen- 10.2. Luxemburg) Arturo Marelli Inszenierung: Guy Joosten berg 17.1.2009 Bilbao (Premiere) 21.11.2008 Vitoria (Spanien, 28.11.2008 Paris (Cité de la 12.12.2008 Amsterdam Georg Friedrich Händel: Giulio Premiere) Musique) Jorge E. López: Blue Cliffs Cesare Wolfgang Amadeus Mozart: –> Miroslav Srnka: Neues Stück Asko Schönberg Ensemble, Musikal. Leitung: Eduardo López Idomeneo (konz.) nach Texten und Stoff des Films Leitung: Emilio Pomarico Banzo, Inszenierung: Yannis RIAS Kammerchor, Freiburger Ba- „My Life Without Me“ von Isabel Kokkos rockorchester, Leitung: René Jacobs Coixet (Uraufführung) 16.12.2008 Sevilla 18.1.2009 Salzburg, Landes- (auch 23.11. Valladolid, 25.11. Köln, Claron McFadden (Sopran), Joseph Haydn: Lo Speziale theater (Premiere) 27.11. Brüssel, 29.11. Paris) Ensemble Intercontemporain, Orquesta Sinfónica de Sevilla, Benjamin Britten: Death in Venice Leitung: David Robertson Musikal. Leitung: Santiago Musikal. Leitung: Kai Röhrig, 22.11.2008 Sevilla Serrate, Inszenierung: Patrick Inszenierung: Steven Medcalf Georg Friedrich Händel: Giulio 5.12.08 Brüssel (Premiere) Mailler Cesare Antonin Dvořák: Rusalka 18.1.2009 Nizza (Premiere) Orquesta barroca de Sevilla, Musikal. Leitung: Adam Fischer, 17.12.2008 Lyon (Premiere) Jacques Offenbach: Les contes Musikal. Leitung: Andreas Inszenierung: Stefan Herheim Johann Strauss: Die Fledermaus d’Hoffmann Spering, Inszenierung: Herbert Musikal. Leitung: Emmanuel Musikal. Leitung: Emmanuel Wernicke Krivine, Inszenierung: Peter Joel-Hornak, Inszenierung: Langdal Paul-Emile Fourny

[t]akte 2I2008 35 [t]akte

Termine (Auswahl) Januar 2009 Januar / Februar 2009März 2009 März 2009

23.1.2009 Zürich 30.1.2009 Hannover (Premiere) 1.3.2009 Zürich (Premiere) 18.3.2009 New York –> Andrea Lorenzo Scartazzini: Wolfgang Amadeus Mozart: Joseph Haydn: La fedeltà premiata Felix Mendelssohn Bartholdy: Kassiopeia für Ensemble Idomeneo Musikal. Leitung: Adam Fischer, Konzert in e Nr. 3 für Klavier und (Uraufführung) Musikal. Leitung: Martin Inszenierung: Jens-Daniel Herzog Orchester (USA-Erstauff.) Collegium Novum Zürich, Haselböck, Inszenierung:Philipp Tatiana Goncharova (Klavier), Leitung: Pablo Heras Casado Himmelmann 7.3.2009 Augsburg (Premiere) Lyric Chamber Ensemble Wolfgang Amadeus Mozart: 23.1.2009 Köln (Premiere) 31.1.2009 Leipzig (Premiere) Die Zauberflöte 20.3.2009 Lübeck (Premiere) Luigi Cherubini: Wolfgang Amadeus Mozart: Musikal. Leitung: Kevin John Othmar Schoeck: Penthesilea Ali Baba und die 40 Räuber Don Giovanni Edusei, Inszenierung: Marcel Musikal. Leitung: Philippe Bach, Musikal. Leitung: N. N., Inszenie- Musikal. Leitung: Sébastien Keller Inszenierung:Alexander Schulin rung: Eike Ecker Rouland, Inszenierung: Werner Schroeter 7.3.2009 Chemnitz (Premiere) 20./22.3.2009 Berlin 24.1.2009 Wien, Volksoper Charles Gounod: Faust Joseph Haydn: Orlando Paladino (Premiere) 1.2.2009 Salzburg (Mozartwoche) Musikal. Leitung: Daniel Marlow, (konz.) Ernst Krenek: Kehraus um Matthias Pintscher: transir Inszenierung: Jacob Peters- Berliner Philharmoniker, Leitung: St. Stephan Chiara Tonelli (Flöte), Mahler Messer Nikolaus Harnoncourt Musikal. Leitung: N. N., Inszenie- Chamber Orchestra, Leitung: rung: Michael Scheidl Daniel Harding 7.3.2009 Salzburg (Biennale) 21.3.2008 Amsterdam(Premiere) Beat Furrer: spur für Klavier und Joseph Haydn: Orlando Paladino 26.1.2009 Salzburg (Mozartwoche) 6.2.2009 Stuttgart (Eclat) Streichquintett Radio Kamer Filharmonie, –> Matthias Pintscher: Study IV for –> Matthias Pintscher: she-cholat Per Rundberg (Klavier), stadler Leitung: Alessandro de Marchi Treatise on the Veil for String ahavah ani (Shir Ha-Shirim V) quartett Quartet (Uraufführung); für 32 Stimmen a cappella 29.3.2009 Aachen (Premiere) –> Matthias Pintscher: Neues Werk (Uraufführung) 8.3.2009 Salzburg (Biennale) Wolfgang Amadeus Mozart: für Flöte solo (Uraufführung): SWR Vokalensemble, Leitung: Beat Furrer: Recitativo für Lucio Silla Study III for Treatise on the Veil Rupert Huber Stimme und großes Ensemble; Musikal. Leitung: Marcus R. Bosch, for Violin solo; Janusgesicht für Konzert für Klavier und Orchester Inszenierung: Ludger Engels Viola und Violoncello; Svelto für 14.2.2009 Gießen (Premiere) Nicolas Hodges (Klavier), Violine, Violoncello und Klavier Joseph Haydn: Orlando Paladino Ensemble Contrechamps, 29./31.3.2009 Avignon, Théâtre Minguet Quartett, Alexander Musikal. Leitung: Carlos Spierer, Leitung: Beat Furrer d’Avignon et des Pays de Lonquich (Klavier), Emmanuel Inszenierung: Julia Riegel Vaucluse (Premiere) Pahud (Flöte) 15.3.2009 Antwerpen (Premiere) Wolfgang Amadeus Mozart: 7.2.2009 Münster (Premiere) Wolfgang Amadeus Mozart: La clemenza di Tito 29.1.2009 Salzburg (Mozartwoche) Wolfgang Amadeus Mozart: Così fan tutte Musikal. Leitung: Jonathan Matthias Pintscher: Le nozze di Figaro Musikal. Leitung: Attilio Schiffmann, Inszenierung: Alain Verzeichnete Spur Musikal. Leitung: Fabrizio Cremonesi, Inszenierung: Guy Garichot Ensemble Intercontemporain, Ventura, Inszenierung: Wolfgang Joosten Leitung: Pierre Boulez Quetes

Impressum Internet Tel.: 0561 / 3105-288/289 Promotion: www.takte-online.com Fax: 0561 / 3 77 55 [t]akte E-Mail: Dr. Ulrich Etscheit Das Bärenreiter-Magazin Graphik-Design: [email protected] Leitung Promotion Bühne take off – media services www.alkor-edition.com und Orchester Redaktion: christowzik + scheuch Tel.: 0561 / 3105-290 Johannes Mundry www.takeoff-ks.de Editio Bärenreiter Praha Fax: 0561 / 318 06 82 Bärenreiter-Verlag Jana Urbanová, E-Mail: etscheit.alkor Heinrich-Schütz-Allee 35 E-Mail: [email protected] @baerenreiter.com D - 34131 Kassel Kontakt Miroslav Srnka Dr. Marie Luise Maintz Tel.: 0561 / 3105-154 [email protected] Projektleitung Neue Musik Fax: 0561 / 3105-310 Bestellungen Leihmaterial: Tel.: ++420 274 0019 11 Tel.: 0561 / 3105-139 [email protected] www.sheetmusic.cz Alkor-Edition Fax: 0561 / 3105-310 Erscheinen: 2 x jährlich Heinrich-Schütz-Allee 35 E-Mail: maintz@ kostenlos D - 34131 Kassel baerenreiter.com

(SPA 51/05)

36 [t]akte 2I2008