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Hannes Meyer

Autor(en): [s.n.]

Objekttyp: Obituary

Zeitschrift: Das Werk : Architektur und Kunst = L'oeuvre : architecture et art

Band (Jahr): 41 (1954)

Heft 10

PDF erstellt am: 28.09.2021

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http://www.e-periodica.ch hundertwende hervor. Nun wirken boren, entstammte er einer Familie, der Schweiz zu planen und zu bauen; Malerei, Architektur, Musik und in der das Bauen seit dem 17. 1919-1923 entstand im Auftrag des Literatur in schönster Weise zusammen. Jahrhundert Tradition war. Sein Vater war Verbandes schweizerischer Konsumvereine Schönberg, Hofmannsthal, Altenberg, Baumeister, sein Großonkel Amadeus das «Freidorf» in Muttenz bei Reinhardt und Loos treten hervor. Merian, ein aus der Bauakademie mit 150 Einfamilienhäusern und Und mit ihnen Kokoschka, der heute Bruchsal hervorgegangener Architekt, einem Genossenschaftshaus. Dieses eben in Salzburg die «Schule des Mitarbeiter von Klenze in München. sollte das kulturelle Zentrum der Sehens» ins Leben gerufen und seinem Einige gute neoklassizistische Bauten Wohngemeinschaft bilden, außerdem späten Schaffen damit die Last eines in Basel zeugen noch heute von Amadeus als genossenschaftliches Seminar der Lehramtes aufgebürdet hat. Die Galerie Merian. Ausbildung des Personals der Welt zeigte eine Auswahl des Schon früh zeigte sich bei Hannes schweizerischen Genossenschaftsbewegung graphischen (Euvres, die von den Anfängen Meyer die Begabung für seinen künftigen dienen. Das Freidorf erforderte einen bis in die letzten Jahre reichte. Es Beruf, die, vereint mit Energie Aufwand von 8% Millionen Franken. fiel auf, daß der Künstler immer und organisatorischem Geschick, sich Die Durchführung des Unternehmens deutlicher eine Wendung zum ausschließlichen zu einer wahren Leidenschaft für das in der unmittelbaren Nachkriegszeit Gebrauch der Farbe vollzieht. Bauen entwickelte und ihn später zu mit dem großen Materialbedarf und Eine Wendung, die nicht immer zu ungewöhnlichen Erfolgen führen sollte. der gehemmten Bauwirtschaft stieß befriedigen vermag: grelle, bisweilen Die Kenntnisse dazu erwarb er sich auf Schwierigkeiten; unsichere Farbakkorde, etwas Tastendes, eigenwillig und zielbewußt.' Bei der überwand sie glänzend. das sich schwer mit der Baufirma Stamm in Basel erlernte er 1926 beteiligte er sich, gemeinsam mit rückhaltlosen Aggressivität der klassischen das Maurerhandwerk, in den Kursen seinem Basler Freund , Werke verträgt. Zusammen mit der Gewerbeschule übte er sich im am internationalen Wettbewerb für Kokoschka zeigte Welz Skulpturen, Zeichnen und Konstruieren. Sein Weg das Völkerbundsgebäude in Genf. Die Reliefs und Zeichnungen des Italieners führte ihn 1909 zunächst nach Berlin. besten Architekten der ganzen Welt Manzü, das pseudo-expressive CEuvre Er praktizierte bei den angesehenen beteiligten sich, es gingen 470 eines Klassizisten, der die und vielbeschäftigten Architekten Projekte ein; der Vorschlag Meyer/Witt- Ausdrucksproblematik Rouaults oder Barlachs Adolf Fröhlich und Emil Schaudt und wer erhielt den 3. Preis. Der nur von ferne erreicht. bildete sich nebenbei weiter. An der Versammlungssaal für 5000 Zuhörer und Um das Panorama voll zu machen, Technischen Hochschule besuchte er Delegierte sollte in akustisch begründeter zeigte man im Museumpavillon des Vorlesungen über Städtebau, an der Eiform aus Eisenbeton errichtet, Mirabellgartens Zeichnungen und Landwirtschaftsakademie Kurse über das Sekretariat in einem 27ge- Gemälde Anton Steinhardts (geschickte Ökonomie und Bodenreform, an der schossigen Hochhaus aus Aluminium Rohrfederimpressionen, deren behende solche über untergebracht werden. Dabei wurde Skizzenhaftigkeit man mit Recht in Stilkunde und formale Gestaltung. 1912 von Überlegungen ausgegangen, die die Nachfolge Rembrandts eingereiht bis 1913 studierte er in England, das heute allgemein gelten; für hat, recht unbefriedigende Gemälde, in auf diesem Gebiet weiter fortgeschritten Verwaltungsbauten ist das Hochhaus mit denen ein bescheidenes Talent war als das übrige Europa, den Vertikalverbindung eine bevorzugte Bauform überfordert wird) und im Künstlerhaus die dortigen Städtebau. Er bekam Einsicht geworden. bereits zur Institution gewordene in die damals noch nicht allgemein Die Jahre 1923-1926 führten Hannes alljährliche Schau moderner österreichischer bekannten und gewürdigten Zusammenhänge Meyer auf Studienreisen in die meisten Kunst, ein überaus buntes Künst- zwischen dem Wohnungswesen Länder Europas. Neben den Versuchen lerkalendarium, das aufs Haar jenen und seinen sozialen Grundlagen. Die und Ergebnissen der neuen Bau- Ausstellungsmenagerien gleicht, deren Beschäftigung mit der menschlichen gesinnung zogen ihn, in Skandinavien Mediokrität heute zum internationalen und kollektiven Seite des Wohnens und Finnland, die Fortschritte des Warenzeichen geworden ist. Die sollte späterhin Art und Richtung Genossenschaftswesens an. Das in Weimar starken Begabungen gingen in der seiner Arbeit bestimmen: Hannes Meyer gegründete, dann nach Menge unter. (So die Radierungen hat sich nie für das individuelle Wohnhaus verlegte «», als Gegenpol der Mikls, die Lithographien Moldovans interessiert, nie ein solches akademischen Ausbildung gedacht, und die schönen, klangreichen abstrakten gebaut. Alle dahingehenden Anträge und berief Hannes Meyer als Meister für Monotypien Hermann Walentas.) Aufträge hat er konsequent Architektur. 1928-1930 wirkte er als Werner Hofmann abgelehnt. Nachfolger von Gropius als Direktor Der Erste Weltkrieg unterbrach seine des Bauhauses. In dieser Tätigkeit, als Auslandstätigkeit; er kehrte in die Fachpädagoge, konnte sich er voll Schweiz zurück und erfüllte seine entfalten. Junge Baubeflissene aus der als Schweizer Soldat. Nachher der auf es Pflicht ganzen Welt, Ausbildung Personlieh war er im Industriegebiet des Rheinlandes einseitig historischer Grundlage an den im Siedlungsbau tätig. Durch Akademien müde, strömten dem Bauhaus die Wohnungsfürsorge der Kruppschen zu. Begeistert nahmen sie an den Hannes Meyer f Unternehmungen und anderer Kursen und Übungen teil. Bautechnik Großindustrien wurden für die und Wohnungswesen wurden In Crocifisso bei , wohin er sieh Belegschaften Wohnsiedlungen erstellt in wissenschaftlich untersucht; die vor einigen Jahren zurückgezogen einem Umfang, wie er damals bei uns Bauhauswerkstätten dienten der hatte, ist Hannes Meyer, Architekt noch nicht vorkam. Seine Erfahrungen praktischhandwerklichen Erziehung; sie wurden und Soziologe von internationalem und sein Glaube an die kollektive zu Forschungszellen für die Bedürfnisse Format, am 19. Juli nach schwerem Gesellschaftsform verschafften ihm die des Arbeiter- und Mittelstandes Leiden gestorben. 1889 in- Basel ge¬ Möglichkeit, die erste große Siedlung und der genossenschaftlichen Produk-

236' tion der Massenprodukte. Durch aus Mexiko, seine Fähigkeiten in der Vorträge, eine Bauhauszeitschrift und Heimat zu verwerten, beide Male ist Wanderausstellungen wurden die Ideen dies an den wenig großzügigen und Resultate in weite Kreise getragen Eigenschaften unseres Landes gescheitert. und in der ganzen Welt verbreitet. Kleinliche Bedenken verhinderten, die Im Wettbewerb für die «Bundesschule» Kenntnisse des erfahrenen Mannes des Allgemeinen Deutschen unserem Bauwesen zugute kommen zu Gewerkschaftsbundes in lassen. erhielt Hannes Meyer den 1. Preis und Nach einem Leben, das von einer anschließend die Ausführung. Der ungeheuren Arbeitsleistung erfüllt war, Bund, der damals 4 '/i Millionen das ihm neben Erfolgen auch viele Mitglieder zahlte, erhielt damit ein Er- Enttäuschungen brachte, hat sich ziehungs- und Ausbildungszentrum Hannes Meyer von seiner beruflichen mit Internat für 120 Erwachsene. Tätigkeit zurückgezogen. Die Liebe Auch mit diesem im Pavillonssystem seiner letzten Jahre in Crocifisso \ errichteten Schulbau ist Hannes Meyer gehörte Frau und Kindern. Wohl ging bahnbrechend vorangegangen. noch manches schöne kunsthandwerkliche Den neuen Machthabern des nahenden Stück aus seiner und Frau Lenas Tausendjährigen Reiches mußten Ziele Werkstätte hervor, aber um Hannes Architekt Hannes Meyer f und Aufbau des Bauhauses zuwider Meyer war es still geworden. Wir Photo: L. Meyer-Bergner, Crocifisso sein. Das Bauhaus nahm ein rasches trauern um den Freund und Kollegen, Ende. Während der Sommerferien den gütigen und allezeit hilfsbereiten 1930 wurde es, in Abwesenheit von Menschen, dem das Letzte versagt Schülern und Meistern, durch den geblieben ist: die Anerkennung durch Magistrat von Dessau geschlossen, der sein Heimatland. p. a. Direktor fristlos entlassen. Hannes Meyer ging, mit anderen westeuropäischen Architekten, nach \\achtablösung in Basels staatlicher Rußland; er half dort mit, die bedeutenden Denkmalnilejjc Bauaufgaben des neuen Sowjetstaates zu lösen. Als bauender Architekt war Wer heute durch die Straßen der Basier er dort tätig, als Experte in wichtigen Altstadt wandert, wo gegenwärtig Baufragen und als Professor für ganze Komplexe alter Häuser modernen Städtebau. Dies war ein ihm zusagendes Wohn- und Geschäftsbauten Arbeitsfeld, dessen Größe seinem weichen müssen - denn der Stadtstaat Tätigkeitsdrang entsprach. Mit Humor Basel hat kein Hinterland zum und Stolz erzählte er später, wie sein Ausweichen -, der weiß, daß hier das Amt Gesellenbrief als Maurer in schwierigen eines staatlichen Denkmalpflegers Lagen oft einen Entscheid mitbestimmen keine beschauliche Angelegenheit ist, half. sondern ein Wächteramt, das höchste Vor dem Zweiten Weltkrieg Aufmerksamkeit verlangt. Von diesem verbrachte er einige Jahre in derSchweiz. Amt, der Leitung der staatlichen Er bearbeitete Projekte, bereitete Denkmalpflege, ist am 1. August 19Ö4 Publikationen vor und baute das Dr. Rudolf Riggenbach zurück- und in «Genossenschaftliche Kinderheim» in den Ruhestand getreten. Mit welcher Wettbewerbsprojekt für das Völkerbundsgebäude Mümliswil im WERK Verve und wieviel persönlichem Einsatz (veröffentlicht in Genf, 1927. III. Preis. Architekten: 7/1953). 1939 berief ihn die Regierung er dies Wächteramt über die Hannes Meyer nnd Hans Wittwer Cardenas nach Mexiko, das als erstes «zurückgebliebenes» Land zielbewußt seine kulturelle Abhängigkeit Bundesschule in Bernau-Berlin, 1930, das repräsentativste Bauwerk Hannes Meyer zu überwinden suchte und dazu viele willige Kräfte einspannte. Er hatte Aufgaben größten Ausmaßes zu bearbeiten: er stellte Pläne auf für den systematischen Ausbau des Erziehungswesens und der vielen Heilbäder des Landes, er schuf die Grundlagen U V für die Erweiterung der sich rasch J vergrößernden Städte, er begutachtete ¦ I und publizierte. Zehn Jahre dauerte seine Tätigkeit in Mexiko, von 1939 bis 1949. Wiederum wurden politische Veränderungen zum Anlaß der Rückkehr in die Schweiz. Zweimal hat Hannes Meyer versucht, nach der Rückkehr aus Rußland und

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