Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege ANLIEGEN

NA Zeitschrift fürT NaturschutzUR und angewandte Heft 40(1) Landschaftsökologie 2018 Zum Titelbild

Die Uferschnepfe gehört zu den 9 in Bayern lebenden Wiesenbrüter­ arten. Der bereits 1980 sehr niedrige Bestand von 94 Brutpaaren sank bis 2014/15 auf nur noch 24 Brutpaare. Damit ist die Art in Bayern vom Aussterben bedroht, aber auch global sind starke Rückgänge zu ver­ zeichnen. Als wichtigste Gründe werden in der Auswertung der Wiesen­ brüterkartierung die fortschreitende Entwässerung der Wiesen und ei­ ne zunehmende Störung durch Freizeitnutzung gesehen. Im Rahmen der Wiesenbrüter-Agenda werden die verbliebenen Brutgebiete inten­ siv betreut. Leider gehören alle heimischen Wiesenbrüter seit langem zu den gro­ ßen Verlierern in unserer Kulturlandschaft (siehe unter anderem die Bei­ träge zum Braunkehlchen, zum Nahrungsangebot für Wiesenbrüter und zu den Einflüssen von Wegen und Gehölzen auf Wiesenbrüter in diesem Heft). Seit 2017 werden in Kooperation mit dem Landesamt für Umwelt von der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Land­ schaftspflege Wiesenbrüterberater ausgebildet. Sie unterstützen fach­ lich Landbewirtschafter und helfen, den Lebensraum der Wiesenbrüter zu schützen und zu verbessern (Foto: Manfred Nieveler/piclease). ANLIEGEN NA TUR Zeitschrift für Naturschutz und angewandte Landschaftsökologie

Heft 40(1), 2018 ISSN 1864-0729 ISBN 978-3-944219-34-9

Herausgeber: Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL)

Inhalt

Inhaltsverzeichnis

Artenschutz

5 Managementstrategien für die FFH-Tagfalterart Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II: Stützungsmaßnahmen und Wiederansiedelung (V) Markus Bräu, Robert Völkl und Christian Stettmer 13 Die letzte Population des Alpen-Knorpellattichs in Deutschland: Gefährdungsanalyse und Förderung der Art (K) Romy Harzer und Johannes Kollmann 17 Wie gelingt die Wiederansiedlung der Deutschen Tamariske? (K) Stefanie Riehl und Andreas Zehm 21 Amphibienschutz in Rohstoffgewinnungsstätten (N) Paul-Bastian Nagel 22 Nahrungsangebot für Wiesenbrüter im Königsauer Moos – Erfassungen zur Arthropodenfauna und Invertebratenvorkommen (N) Margarete Siering 23 Toleranz von Wiesenbrütern gegenüber Gehölzdichten, Schilfbeständen und Wegen (N) Margarete Siering 24 Künstliche Sitz- und Singwarten als Artenhilfsmaßnahme für das Braunkehlchen (Saxicola rubetra – N) Margarete Siering 26 Umfangreiche Studie bescheinigt Natura 2000 entscheidenden Beitrag zum Schutz europäischer Vögel und anderer Tiergruppen (N) Monika Offenberger 27 Neue Studien zu Outdoor-Aktivitäten und der Fluchtdistanz von Vögeln (N) Gerti Fluhr-Meyer Waldnaturschutz

29 100 Jahre Kampf gegen den Borkenkäfer (K) Mareike Kortmann, Jörg Müller und Simon Thorn 33 Der Weg zur Eiche führt durch die Dunkelheit ans Licht (K) Elmar Pfau 37 Wie der Borkenkäfer geeignete Habitate für die Mopsfledermaus schafft (N) Mareike Kortmann, Johanna Hurst und Robert Brinkmann Landschaftsplanung und -pflege

39 Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz (V) Steffen Boch, Christian Ginzler, Benedikt R. Schmidt, Angéline Bedolla, Klaus Ecker, Ulrich Graf, Helen Küchler, Meinrad Küchler, Rolf Holderegger und Ariel Bergamini 49 Aufbau eines Ökokontos für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in Oberbayern (V) Ulrike Pröbstl-Haider, Ulrich Ammer und Christina Pröbstl 57 Leitlinien einer erfolgreichen Gewässerrestaurierung (V) Jürgen Geist und Joachim Pander 61 Mikroorganismen: Ökosystemfunktionen und Naturschutz (K) Bernhard Hoiss 65 Fauna Indicativa – Lebensraumbewertung anhand der Insektenfauna (K) Jeannine Klaiber 69 EU verbietet Pestizid-Einsatz auf Ökologischen Vorrangflächen (N) Monika Offenberger 71 Europäische Studie: Biodiversität profitiert kaum von Ökologischen Vorrangflächen (N) Monika Offenberger 73 Friedhöfe – Oasen für Pflanzen und Tiere (N) Johanna Schnellinger

(V) = Vollartikel; (K) = Kurzartikel; (N) = Notiz.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 3

Inhalt

Recht und Verwaltung

75 Aktuelles zum Naturschutz- und Bauplanungsrecht (V) Peter Fischer-Hüftle 83 Umweltverträglichkeitsprüfung – Herausforderungen und Lösungsansätze (K) Paul-Bastian Nagel 87 Die neue Drohnen-Verordnung und der Naturschutz (N) Gerti Fluhr-Meyer Mensch und Natur

89 Laufener Landweizen: Eine Regionalsorte für eine naturgerechte Landwirtschaft und faire Wertschöpfung (V) Wolfram Adelmann, Selina Eschenbach, Leonie Freilinger, Andreas Schwaighofer und Peter Loreth 95 Das BISA-Projekt – Biodiversität im Schulalltag (V) Thomas Gerl, Johannes Almer und Astrid Gerl 101 Wettbewerb Naturschutzpartner Landwirt 2018 (N) Johanna Schnellinger 102 Erfahrungslernen mit lebenden Ameisen zeigt bessere Lernerfolge und höheres Umweltbewusstsein (N) Wolfram Adelmann und Maria Mihaela Antofie Neues im Internet

103 Smartphones geben Auskunft über aktuelle Vogelbestände vor Ort (N) Kilian Wasmer 104 Projekt „Netzwerk Artenkenntnis“ Artenvielfalt entdecken – Artenkenntnis fördern (N) Emanuel Boas Steffani 105 Fundus agri-cultura alpina – eine neue Online-Enzyklopädie sammelt Wissen über traditionelle Landwirtschaft im Alpenraum (N) Bettina Burkart-Aicher 106 Das Netzwerk Renaturierung – jetzt mit Internetauftritt (N) Albin Blaschka

107 Literatur und Informationsangebote (Rezensionen)

Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege

113 Neue Mitarbeiter 115 Publikationen der ANL

118 Impressum

4 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Artenschutz

Abbildung 1 Das europaweit bedrohte Moor-Wiesenvögelchen hat in Deutsch- land nur noch ein Vorkommen. Daher wurde ein mehrjähriges Forschungsprojekt durchgeführt, um dieses durch gezielte Maßnahmen zu stützen und die Basis für Wieder­ansiedelungsversuche zu liefern (alle Fotos: Markus Bräu).

Markus Bräu, Robert Völkl und Christian Stettmer Managementstrategien für die FFH-Tagfalterart Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II: Stützungsmaßnahmen und Wiederansiedelung

Das Moor-Wiesenvögelchen (Coenonympha oedippus) gehört zu den am stärksten bedrohten Tagfalter­ arten Europas. Bayern beherbergt das letzte deutsche Vorkommen der Art. Seit seiner Wieder­ent­de­ ckung im Jahre 1996 wurden verschiedenste Maßnahmen ergriffen, um die Habitate wiederherzustellen beziehungsweise zu vergrößern und das ursprünglich individuenschwache und verwundbare Vorkom­ men zu stabilisieren. Das be­gleitende Monitoring zeigte zunächst jedoch keinen ausreichenden Erfolg. Erst die Umsetzung der in einem Forschungsprojekt der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschafts­pflege (ANL) gewonnenen Erkenntnisse führten zu einer Stabilisierung und Vergrößerung der Population: Mehrere geeignete Wiesenbereiche mit reichem Vorkommen der dort essenziellen Wirtspflanze (Hirse-Segge/Carex panicea) wurden wegen der Empfindlichkeit gegenüber Mahd fortan davon ausgenommen. Dadurch wurde eine Streuanreicherung begünstigt und die Entwicklung einer heterogenen Vegetationsstruktur ermöglicht. Beide Faktoren hatten sich als substanziell für diese Art erwiesen. Auf Flächen mit hohem Schilfdruck wirkte sich hohe Mahd während der Flugzeit positiv aus, da sie die Schilfdichte reduzierte, ohne die Entwicklung der Präimaginalstadien zu gefährden. Ein großer Erfolg des Projekts ist die effiziente Ex Situ-Zucht mit ihrem hohen Output an Individuen. Mit diesen Zuchttieren konnte die nach mehreren Anläufen geglückte Wieder­begründung einer Po- pulation in einem ehemaligen Vorkommensgebiet erreicht werden.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 5 M. Bräu et al.: Managementstrategien für die Tagfalterart Artenschutz Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II

1. Einleitung 2. Stützung des bestehenden Das Moor-Wiesenvögelchen hat in Bayern bezie- Vorkommens hungsweise Deutschland nur in einem Gebiet 2.1_ Ausgangssituation und Habitatpflege überlebt. Aus Gründen des Schutzes vor mögli­ Das Vorkommen verteilte sich zum Zeitpunkt sei- chen Sammelaktivitäten können kei­ne genaueren ner Wiederentdeckung auf drei nah beieinander- Ortsangaben gemacht werden. liegende Habitatflächen geringer Größe. Sie wer- Coenonympha oedippus ist nicht nur die seltenste den im Folgenden als HA, HB und HC bezeichnet. Tagfalterart Deutschlands, sondern auch europa- Die mit zirka 0,27 ha kleinste Fläche ist HA. weit gefährdet (van Swaay et al. 2010). Sie wurde Die höher gelegenen Teile des kleinreliefier­ten daher in die Anhänge II und IV der Fauna-Flora-­ ehemaligen Torfstichs zeigen eine starke Tendenz Habitat-Richtlinie (92/43/EEC, European Commu- zur Verbuschung. Zur Offenhaltung waren Entbu- nities 1992) aufgenommen. Für das einzige ver- schungsaktionen notwendig, die aber stets nur bliebene deutsche Vorkommen wird seit dessen auf Teilflächen nach Bedarf erfolgten. Wieder­entdeckung im Jahre 1996 im Auftrag der Regierung von Oberbayern die Bestandsgröße Auf den ursprünglich bereits besiedelten Berei­ regelmäßig erhoben. Isolierte und kleine Popula- chen der Habitatflächen HB und HC des Vorkom- tionen wie die von C. oedippus unterliegen schon mens wurden bis heute keinerlei Maßnahmen alleine durch natürliche Einflüsse wie Witterungs- durchgeführt, da die hier vorhandene Streufilz­ extreme (wie zum Beispiel Hagelschlag) prinzi­ decke stärkere Verbuschung weitgehend verhin- piell einem hohen Ausster­berisiko. Deshalb sind dert und seit 1996 keine wesentliche Veränderung aktive Schutzmaßnahmen für diese Art dringend erkennbar ist. nötig. Die Fläche HB umfasst zirka 0,49 ha und ist im In diesem Beitrag stellen wir vor, wie die in einem Südteil nur locker mit Büschen durchsetzt, wäh- Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse zur rend zirka ein Drittel der Fläche im Norden stärker Ökologie des Moor-Wiesenvögelchens (Bräu et al. verbuscht ist. Da dieser Bereich im Frühjahr regel- 2016) zur Stützung des anfangs individuenschwa- mäßig überstaut wird, ist er als Habitat von unter- Abbildung 2 Typischer chen Vorkommens erfolgreich genutzt wurden. geordneter Bedeutung und es wurde auch dort Habitats ­au ­schnitt (Flä- Weiterhin berichten wir über die Versuche zur auf Entbu­schungs­maßnahmen verzichtet. che HB) mit teils abge- Wieder­ansiedelung der Art in weiteren Gebieten. Die Habitatfläche HC ist mit 0,42 ha ähnlich groß storbenen Büschen zur wie HB, jedoch vor allem im Ostteil deut­lich tro- Flugzeit. ckener und am Rand dichter verschilft. 2.2 Erweiterung der Habitate Bereits unmittelbar nach der Wiederentdeckung der Art wurden erste Maßnahmen zur Habitat­ erweiterung eingeleitet. Gemäß dem Habitatma- nagementkonzept von Bräu & Schwibinger (1998) wurden verbuschte Bereiche im direkten Zusam- menhang zu den besiedelten Flächen durch Gehölzentnahme geöffnet (Erweiterungsbereiche der Haupthabitatflächen). Neophyten wie Goldrute und Indisches Springkraut wurden in den Folge- jahren durch selektive zweimalige Mahd bekämpft. In einem durch Düngung degradierten Streifen am Westrand der Fläche HB erfolgte eine jährliche Herbstmahd zur Aushagerung. Weiterhin wurden drei in geringer Entfernung zu den Habitaten liegende verbuschte Streuwiesen- relikte entbuscht und einer jährlichen Mahd un- terzogen. Eine Zuwanderung zu die­sen sollte durch die Schaffung von Lücken in den dazwi- schenliegenden, geschlossenen Gebüschriegeln ermöglicht werden. Zwischen HB und HC befand sich eine Brachfläche mit reichem Vorkommen von Hirse-Segge, die zur Aushagerung und

6 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 M. Bräu et al.: Managementstrategien für die Tagfalterart Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II Artenschutz

Schilfrückdrängung zweischürig gemäht wurde. auf als unbehandelte Flächen. Hinzu kommt, dass Zwei weitere, zwischen den Habitaten liegende durch die Schilfmahd während der Flug­perio­de Feuchtgrünlandparzellen, wurden extensiviert. auch die Altschilfhalme entfernt werden und die Falter, wie im Zuge des Monitorings zu beobach- Nachdem erste wichtige Ergebnisse des Forschungs­ ten, ungehindert und bereitwillig in die Mahdver- projektes zu den Ansprüchen von C. oedippus vor- suchsflächen einfliegen. lagen (Bräu et al. 2010), wurden gezielt Teilberei­che der potenziellen Habitate mit nur mäßiger Verschil­ 2.4_ Monitoring fung brachgelegt. So sollten sich eine heterogene Bereits 1997 wurde im Auftrag der Regierung von Struk ­tur der Krautschicht und eine Streuschicht als Oberbayern mit Monitoring-Untersuchungen zur wesentliche Elemente der Entwicklungshabitate Überwachung der Bestandsentwicklung und des des Moor-Wiesenvögelchen entwickeln (Bräu et al. Erfolges ergriffener Maßnahmen und Habitat­ 2016). Da die Raupen lange aktiv bleiben, können erweiterungen begonnen. Seither wurden min- auch bei einer Mahd im Herbst Verluste auftreten. destens dreimal jährlich entlang von Schleifen- Je nach Bedarf werden die Habitaterweiterungs- transekten alle Falter gezählt. Durch die mehrfa­che flächen daher rotierend beziehungsweise in mehr­ Begehung sollte versucht werden, das jeweilige jährigen Intervallen gemäht. Flugmaximum möglichst gut zu treffen, um maxi- 2.3_ Mahdversuche male Vergleichbarkeit zu erzielen. In Teilbereichen der potenziellen Habitate mit 2.5_ Erfolg der Habitatpflege starker Verschilfungstendenz musste ein anderer und -erweiterung/ Weg gefunden werden, da zu dichtes Schilf eine Populationsentwicklung Besiedelung verhindert. Dazu wurden seit 2009 Im Entdeckungsjahr 1996 wurden maximal 39 versuchsweise Flächen mit verschiedenen Mahd- Falter gezählt. 1999 waren es sogar nur zwischen varianten eingerichtet und wissenschaftlich be- 20 und 29 Falter. Die Populationsentwicklung gleitet. zeigte zunächst bei mehr oder weniger starken Um die Dichte des Schilfes zu reduzieren, wurde Schwankungen nur einen mäßigen Positivtrend. es nach der von Marschalek et al. (2008) beschrie­ Niedrige Falterzahlen können durch Stark­regen benen Methode zur Flugzeit Ende Juni/Anfang oder anhaltende Schlechtwetterphasen in der Juli kniehoch gemäht. Durch den hohen Schnitt kritischen Zeit des Falterschlupfs (zum Beispiel in (zirka 30–40 cm über Flur) mit einem Freischnei- den Jahren 2004, 2011 und 2015) erklärt werden. der mit Messerblatt wird die Fläche für eiablage- Während dieser Phasen zieht sich die Flugzeit willige Weibchen besser zugänglich. Zugleich auseinander: Die zuerst schlüpfen­den Männchen können durch den hohen Schnitt eventuell be- sterben bereits wieder ab, bevor der Großteil der reits abgelegte Eier, die meist in 20–30 cm Höhe Weibchen geschlüpft ist. Damit ist es methodisch an Pflanzen geheftet werden, weitgehend ge- schwierig, die maximale Anzahl der Falter zu er- schont werden. mitteln. Negativen Ein­fluss dürften in einigen Fäl- len auch ungüns­tige Witterungsverhältnisse im Zwischen den Haupthabitatflächen HB und HC Frühjahr sowie eine längere Schlecht­wetter­ sowie in den zuvor durch jährliche Mahd rückent- perio ­de zur Eiablagezeit im Jahr davor genommen wickelten Streifen westlich HB und östlich HC haben. wurden jeweils eine Parzelle mit Sommermahd zur Flugzeit sowie eine angrenzende Referenz- Langanhaltende, warm-sonnige Witterung wie parzelle ohne Mahd eingerichtet. Im erstgenann- 2003 und von 2005 bis 2007 führten dagegen zu ten Bereich wurde eine zusätzliche Parzelle ein deutlich höheren Falterzahlen. zweites Mal im Herbst gemäht, um zu testen, ob Erst nachdem sich durch die auf Basis der For­ diese zusätzlich durchgeführte, kniehohe Mahd schungsergebnisse seit 2009 eingelei­te­ten Maß- das Schilf noch effektiver zurückdrängt. nahmen der Brachlegung und hohen Schilfmahd Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlos- auf zusätzli­chen Flächen geeignete Habitate ent- sen, ihre Ergebnisse in Bezug auf die Schilfschwä- wickelten, stellte sich ein durchschlagender Erfolg chung sollen daher gegebenenfalls an anderer ein. Auch 2015 lag trotz schlechter Witterungsver- Stelle ausführlicher präsentiert werden. Es zeigt hältnisse das Zählergebnis noch auf dem Niveau sich jedoch bereits, dass durch eine Sommer- früherer Spitzenwerte. mahd die Schilf­dich­te wirksam reduziert werden Die Zunahme zeigt deutlich den Erfolg der Maß- kann. Gemähte Probeflächen wiesen eine ge­ nahmen, zumal schon seit 2011 stets Individuen ringe ­re Halmdichte und Wuchshöhe des Schilfs von C. oedippus in den ab 2009 zusätzlich entwi-

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 7 M. Bräu et al.: Managementstrategien für die Tagfalterart Artenschutz Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II

Abbildung 3 Entwick- lung der Falterzahlen während des 21-jährigen Moni ­toringzeitraums. Der Wert für das Ge­samt­ gebiet enthält zusätzlich die außerhalb der drei Haupthabitatflächen (HA, HB, HC) gesichteten Indi- viduen.

ckelten potenziellen Habita­ten (Mahdversuchsflä- sammen mit den bereits zu Anfang entbuschten chen und brachgelegte Flächen) beobachtet Erweiterungsbereichen der Haupthabitatflächen wurden. In den Jahren 2016 und 2017 waren es (in Abbildung 3 nicht separat bilanziert), die Ge- dann sogar 43 beziehungsweise 51 Falter, die auf samtpopulation ganz wesentlich. Flächen außerhalb der drei Haupthabitatbereiche Abbildung 4 flogen. Darunter auch frische, sehr wahrschein­lich 3. Wiederansiedelungsversuche Stäbchen mit daran be- dort geschlüpfte Falter. Diese stützen damit, zu- 3.1_ Suche nach festigter, gut getarnter Wiederansiedelungsgebieten und Puppe. Ausbringung von Zuchttieren Trotz der erfolgreichen Stabilisierung der ursprüng­ lichen Population schien es zur Risiko­streuung sehr wichtig, weite­re Vorkommen zu begründen. 2009 wurde daher mit der Recherche nach po- tenziellen Wiederansiedelungsgebieten (mit his­ torisch belegten Vorkommen) begonnen. Es wurden Feuchtgebiete gesucht, in denen mög­ lichst großflächig beziehungsweise auf eng be- nachbarten Teilflä­ chen eine hohe Dichte winter- grüner Raupennahrungspflanzen als Grundvoraus­ setzung vorhanden war. Weite­re Aspekte waren Windschutz (um Verluste durch Verdriften oder Abwanderung zu minimieren), geringe Verschil- fungstendenz und die Möglichkeit, durch Mahd- verzicht den Aufbau der notwendigen Streuschicht zu ermöglichen. Potenziell geeignete Flächen wurden nur in zwei von fünf Zielgebieten gefunden, in denen teils zahlreiche Einzelflächen begutachtet wurden. Da der Versuch der Ansiedelung in einem Gebiet fehlschlug (wohl auch aufgrund hoher Präda- torendichte) wurden hier keine weiteren Bemü- hungen zur Wiederansiedelung durchgeführt. Zur Ausbringung wurden in Ex Situ-Freilandzuch- ten (detaillierte Beschreibung siehe Bräu et al. 2016) Tiere in größerer Menge herangezogen (ver­ gleiche Tabelle 1). Stängel oder Grasblätter mit

8 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 M. Bräu et al.: Managementstrategien für die Tagfalterart Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II Artenschutz

Abbildungen 5 und 6 Es wurden Flugkäfige angehefteten Puppen aus der Zucht wurden mit schon im Herkunftsgebiet Ei­ablageverhalten errichtet, um die Eier dünnem, plastik­ummanteltem Draht an hölzer­nen und sollten den restlichen Eivorrat im Zielge- legenden Weibchen Grillstäbchen befestigt. Diese wurden in geeig- biet ablegen. 2014 und 2017 wurden auch gezielt in optimal ge­ eig­ne­ten Teilen der Flä­ neten Flächen gut verborgen und in geschützter große Raupen ausgebracht (sowie einzelne in che zu konze ntrieren. Position in Grashorste gesteckt. der Zucht bereits geschlüpfte Männchen), um eine stärkere Ortsbindung zu erreichen. 2011 zeigte sich, dass Flugkäfige als Methode zur Ausbringung am besten geeignet sind, um die 3.2_ Ergebnis der Geschlechterfindung und Paarung zu erhöhen Wiederansiedelungsversuche und Diskussion und die Weibchen zur Eiablage in besonders güns­ tige Teilbereiche der Flächen zu bringen. Die Flug­ Beim ersten Wiederansiedelungsversuch 2010 schlüpfte ein großer Teil der insgesamt 57 ausge- käfige aus feiner Gaze wurden bodenschlüssig brachten Puppen (Bräu & Völkl 2010). Bei einer über vertäute Pfos­ten gespannt. Kontrolle wurden später 11 Falter gefunden, davon Zusätzlich wurden 2013 zwei Weibchen in das Wie­ 4 Weibchen. Im Folgejahr konnten aber keine deransiedelungsgebiet transferiert. Diese zeig­ten Falter von C. oedippus mehr gefunden werden.

Jahr Gebiet Ausgebracht Methode Maximale Anzahl Falter Tabelle 1 Übersicht (Nachkommen) über Wiederansiede- 2010 Zielgebiet 1 57 Puppen Freie Ausbringung lungsversuche und deren Ergebnisse. 2011 Zielgebiet 1 41 Puppen Flugkäfige (20 Puppen) 0 Freie Ausbringung (21 Puppen) 2012 Zielgebiet 1 15 Puppen Flugkäfige 11 Zielgebiet 2 65 Puppen 0 2013 Zielgebiet 1 2 Weibchen Freie Ausbringung 1 2014 Zielgebiet 1 20 Raupen Flugkäfige 2 69 Puppen 3 Falter 2015 Zielgebiet 1 keine 9 2016 Zielgebiet 1 keine 25 2017 Zielgebiet 1 30 Raupen Flugkäfige 35 67 Puppen 1 Falter

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 9 M. Bräu et al.: Managementstrategien für die Tagfalterart Artenschutz Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II

Vorkommen war begründet und damit die Wie- dereinbürgerung von C. oedippus­ im Zielgebiet geglückt! Um die nun zweite bundesdeutsche Population zu stützen und genetisch zu stabilisieren, wurde 2016 die Zucht wiederaufgenommen. Aus den Eiern von zwei, dem Ursprungsgebiet entnomme­ nen Weibchen konnten 97 Puppen und Raupen gezüchtet werden. Diese sowie ein bereits ge- schlüpfter Falter wurden in insgesamt drei Flug­ käfigen ausgebracht. Ein weiteres Monitoring der Entwicklung ist geplant.

4. Fazit und Ausblick Die besondere naturschutzfachliche Priorität und Schutzverantwortung erfordert besonde­re Bemü- hungen um den Erhalt der Art. Das hier vorgestellte ANL-Forschungsprojekt legte die Grundlage für die erfolgreiche Stützung des letzten deutschen Vorkommens des Moor-Wiesen­ vögelchens. Weitere Habitaterweiterungen gestal­ ten sich jedoch schwierig, da die meisten Flächen Abbildung 7 Erfolg! im Umfeld zu trocken sind und vielfach irreversi- Jungraupe von C. oedip­ bel verändert wurden. Wo die hydrologischen pus an Davall-Segge (Ca­ Die nachfolgende Ausbringung 2011 mit geänder­ Verhältnisse die Wiederherstellung geeigne­ter rex davalliana) im Wie- ter Methode in einem Flugkäfig war erfolgreich: Vegetation erlauben, sind lange Zeiträume der deransiedelungsgebiet. Nach dem Abbau des Flugkäfigs konnte vor der Aushagerung erforderlich. Durch Mahd mit aus- Überwinterung eine Jungraupe an der wie C. pa­ reichend hohem Schnitthorizont können aber nicea wintergrünen Davall-Segge (Carex davallia­ Bereiche mit starker Verschilfungs­tendenz wieder na) fressend gefunden werden (siehe Abbildung 7). für C. oedippus nutzbar gemacht werden. Weitere Kontrollen Anfang April nach der Über- Inwieweit damit ausreichend stabile Vegetations- winterung und Mitte Mai vor der Verpuppungs- bestände geschaffen wer­den können, die struktu- phase erbrachten ebenfalls Raupenfunde. rell und hinsichtlich der Artenkomposition eine Zur Flugperiode 2012 wurden insgesamt 11 Falter Habitateignung für das Moor-Wiesenvögelchen von C. oedippus gefunden, die im Wie­deransiee ­d ­ besitzen, bedarf weiterer Beobachtung. lungsgebiet ihre gesamte Entwick­lung durchlaufen Ein bedeutender Schritt für die langfristige Si- hatten. cherung von C. oedippus war die nach einigen 2013 dann ein Rückschlag. Es konnte nur ein ein- Anläufen erfolgreiche Wiederbegründung einer ziger Falter beobachtet werden. Deshalb wurden Population. Dadurch ergibt sich eine wichtige zwei weibliche Falter als potenzielle „Kolonisato­ Risikostreuung. Ein Problem sind möglicherweise ren“ freigesetzt. 2014 konnten je­doch auch nur die nicht ganz optimalen (weil zu trockenen) zwei Falter gefunden werden, die sich offenbar Lebensraumbedingun­gen im Wiederansiede- aus deren Eiern entwickelt hatten. lungsgebiet, die sich im gleichzeitigen Vorkom- men des weniger feuchtigkeitsliebenden Schorn- Im selben Jahr wurden dann alle Kräfte gebündelt, steinfegers (Aphantopus hyperantus) zeigen (im um mit einer möglichst großen Zahl von Zucht- Unterschied zum ursprünglichen Vorkommen). tieren im Folgejahr ausreichende Falterdichten für Es besteht derzeit jedoch große Hoffnung, dass Partnerfindung und Paarung zu erzielen. 69 Pup- eine dauerhafte Etablierung gelingt. pen, 20 Raupen und zwei bereits geschlüpfte Fal- ter wurden in vier Flug­käfigen ausgebracht. Damit Für die Wiederansiedelungserfolge von Tagfaltern gelang der Durchbruch: Während der Flugzeit liegen sehr unterschiedliche Erfahrun­gen vor. 2015 wurden im Maximum immerhin neun Falter Beispiele für erfolgreiche Wiedereinbürgerungs- gefunden. 2016 waren es ohne weitere Freisetzung projekte betreffen etwa den Thymian-Ameisen- im Vorjahr 25 Falter, die gezählt wer­den konnten bläuling (Phengaris arion) in England (Thomas 1995) und im Jahr 2017 sogar 35. Ein selbsterhaltendes sowie den Hellen und Dunklen Wiesenknopf-­

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Ameisenbläuling (P. teleius beziehungsweise Ebenso danken wir der für das Wiedereinbür­ge­rungs­ P. nausithous) in den Niederlanden (Wynhoff 2001). gebiet zuständigen unteren Naturschutz­behörde für Die Wiederansiedelungen des Apollofalters (Par­ die stete Bereitschaft zur Koopera­ tion. nasius apollo) in Tschechien (Kudrna et al. 1994) Ohne die finanzielle Unterstützung durch die Baye- sowie des Hochmoorgelblings (Colias palaeno) in rische Akademie für Naturschutz und Landschafts- der hessischen Rhön (Kudrna 1992) scheiterten pflege (ANL) und die Regierung von Oberbayern wä- dagegen. Gemischt ist bis­lang auch die Bilanz der ren Forschung und Monitoring nie möglich gewesen. Wiederansiedelungs­versuche von Tagfalterarten im Besonderer Dank gebührt den Vertretern dieser In­ stitutionen, Herrn Dieter Pasch sowie Herrn Roland Bundesland Brandenburg. Beim Abbiss-Schecken- Weid und Frau Stefanie Federl. Der Regierung von falter (Euphydryas aurinia) sind nach Kretschmer et Oberbayern sei auch für die unkomplizierte Erteilung al. (2016) zehn Jahre nach der Erstansiedelung zwei der erforderlichen Genehmigungen für die Entnahme stabile Populationen vorhanden, zwei Versuche von Faltern beziehungsweise die Ausbringung von blieben von vorneherein erfolglos. In drei der sie- Individuen bei den Wiederansiedelungsversuchen ben Gebiete hielten sich die wieder angesiedelten gedankt. Vorkommen fünf bis sechs Jahre, dann gelang aber Dr. Matthias Dolek übernahm dankenswerterweise die kein Nachweis mehr. Vom Hellen Wiesenknopf- kritische Durchsicht des Manuskripts. Ameisenbläuling gibt es laut Kretschmer nach sechs Jahren eine stabile Population (URL 1). Literatur Generell stellt sich immer die Frage nach der lang­ Bräu, M. & Schwibinger, M. (1998): Habitatmanage- fristigen Überlebensfähigkeit von neu gegründe- mentkonzept – Ergebnisse 1997 und 1998 – Unver- ten Populationen. öffentl. Gutachten des Büros ifuplan i. A. der Regie­ Oates & Warren (1990) zeigten für Großbritannien, rung von Oberbayern: 40 S. dass dort die meisten neu begründeten Populati- Bräu, M. & Völkl, R. (2010): Wiedereinbürgerungsver- onen verschiedener Tagfalterarten innerhalb von such des Verschollenen Wiesenvögelchens (Coeno­ fünf Jahren wieder er­loschen sind. Wiederansie- nympha oedippus). – Unveröffentl. Gutachten des delungsversuche sind nur dann erfolgreich, wenn Büros für ökologische Gutach­ten Dipl.-Ing. Markus sämtliche Habitatanforderungen auf ausreichen­ Bräu i. A. der Regierung von Oberbayern: 12 S. der Fläche erfüllt sind. Beim extrem spezialisierten Bräu, M., Dolek, M. & Stettmer, C. (2010): Habitat re­ Moor-Wiesenvögelchen kommt erschwerend qui­rements, larval development and food prefe- hinzu, dass die Eiablage relativ unselektiv auch in rences of the German population of the False Ring- Bereichen erfolgt, in denen eine erfolgreiche Ent- let Coenonympha oedippus (Fabricius, 1787) (Lepi- wicklung nicht möglich ist. Ob für die besonders doptera: Nymphalidae). – Research on the ecologi- standortkonservative Art C. oedippus noch weite­ cal needs to develop management tools, Oedippus re Gebiete für Wiederansiedelungsversuche ge- 26: 41–51. eignet sind, ist fraglich. Das im Rahmen des Pro- Bräu, M., Völkl, R. & Stettmer, C. (2016): Forschung zur jekts gewonnene „Know-how“ zur Zucht von Entwicklung von Managementstrategien für die C. oedippus kann aber auch weiterhin zur Bestands­ FFH-Tagfalterart Moor-Wiesenvögelchen (Coeno­ stützung der rezenten Populationen bei extre- nympha oedippus) in Bayern – Teil I – Forschungsre- sultate zur Ökologie. – ANLiegen Natur 38/1; men stochastischen Ereignissen genutzt werden. www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/ Die entwickelten Methoden zur Zucht und Aus- an38107braeu_et_al_2016_moorwiesenvoegel bringung machen es darüber hinaus möglich, chen.pdf. weitere Wiederansiedelungsversuche zu unter- nehmen, sollten geeignete Gebiete gefunden Kretschmer, H., Salpeter, H. & Gelbrecht, J. (2016): Ergebnisse zur Wiederansiedelung des Goldenen werden. Scheckenfalters (Euphydryas aurinia Rottemburg, 1775) in Brandenburg – eine Bilanz nach zehn Jah- Danksagung ren. – Märkische Ent. Nachr. 17(2): 219–238. Für die Umsetzung von Pflegemaßnahmen im ur- Kudrna, O. (1992): Ein Plan für die Wiederherstellung sprünglichen Vorkommensgebiet sei den zuständi- der Rhopalozönose des NSG Rotes Moor in der gen Mitarbeitern der lokalen unteren Naturschutz­ hessischen Rhön. – oedippus 5: 1–32. behörde herzlich gedankt, sie hatten stets ein offenes Ohr für Modifikationen und spezielle Wünsche. Kudrna, O., Lukasek, J. & Slavik, B. (1994): Zur erfolg- Sie nehmen sich alljährlich Zeit für Absprachen vor reichen Wiederansiedelung von Parnassius apollo Ort und setzen diese um. (Linnaeus, 1758) in Tschechien – oedippus 9: 1–37.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 11 M. Bräu et al.: Managementstrategien für die Tagfalterart Artenschutz Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II

Marschalek, H., Neugebauer, K. & Sturm, P. (2008): Thomas, J. A. (1995): The ecology and conservation of Schilffrühmahd als Pflegemaßnahme zur Wieder- Maculinea arion and other European species of lar- herstellung verbrachter Streuwiesen. – Natur und ge blue butterfly. – In:P ullin, A. S. (ed.): Ecology Landschaft 83(6): 273–279. and Conservation of Butterflies, London, UK, Chap- man & Hall: 180–197. Oates, M. R. & Warren, M. S. (1990): A review of butter- fly introductions in Britain an Ireland. – Report of URL 1: www.orion-berlin.de/verein/protokolle/ the Joint Committee for the Conser­vation of British 130611.htm, Protokoll der gemeinsamen Versamm- , Hants, Higher Ansty. lung von FG Entomologie Berlin und ORION im Na- turkundemuseum vom 11.06.2013.

Van Swaay, C. A. M., Cuttelod, A., Collins, S., Maes, D., Munguira López, M., Šašič, M., Settele, J., Verovnik, R., Verstrael, T., Warren, M., Wiemers, M. & Wynhoff, I. (2010): European Red List of Butterflies. – Publica- Autoren tions Office of the European Union, Luxembourg. Markus Bräu, Wynhoff, I. (2001): At home on foreign mea­dows – Jahrgang 1961. the reintroduction of two Maculinea butterfly spe- Studium der Landespflege an der Technischen Uni- cies. – Doctoral Thesis, Department of Environ- versität München-Weihenstephan mit Schwerpunkt mental Sciences, Tropical Nature Conservation and Landschaftsökologie. Von 1988–1990 Projekt­bear­ Vertebrate Ecology Group, Wageningen Agricultu- bei­ter und Projektleiter beim Alpeninstitut München. ral University: 236 pp. 1993–2006 gutachterliche Tätigkeit als Gesellschaf- ter des Planungsbüros ifuplan sowie anschließend bis heu­te als „Büro für ökologische Gutachten Dipl.-­Ing. Markus Bräu“ mit tierökologischem Ar­ beits­schwerpunkt. Seit 1996 zusätzlich Angestellter der Landeshauptstadt München, Referat für Gesund­ heit und Umwelt, Hauptabteilung Umwelt, Abtei- lung Umweltvorsorge, Auf­gabenbereich Biodiversi- tätsschutz. Büro für ökologische Gutachten +49 89 14904788 [email protected]

Robert Völkl (Freiberufliche Nebentätigkeit) + 49 8093 904397 Zitiervorschlag [email protected] Bräu, M., Völkl, R. & Stettmer, C. (2018): Entwicklung Dr. Christian Stettmer von Managementstrategien für die FFH-­Tag­fal­ter­ Bayerische Akademie für Naturschutz art Moor-Wiesenvögelchen in Bayern – Teil II: und Landschaftspflege (ANL) Stützungsmaßnahmen und Wieder­ansiedelung – +49 8682 8963-50 ANLiegen Natur 40(1): 5–12, Laufen; www.anl. [email protected] bayern.de/publikationen.

12 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Artenschutz

Romy Harzer und Johannes Kollmann Die letzte Population des Alpen-Knorpellattichs in Deutschland: Gefährdungsanalyse und Förderung der Art

Von den ehemals zahlreichen Vorkommen des Alpen-Knorpellattichs (Chondrilla chondrillo­ides) an den bayerischen Wildflüssen ist heute nur noch eine Population im „Friedergries“ übrig geblieben. Zur Planung entsprechender Schutzmaßnahmen müssen der Zustand der Population und die Ursa- chen des Rückgangs der Art bekannt sein. Im Jahr 2015 bestand die Population aus mehr als 1.100 In- dividuen in unterschiedlichen Vegetationstypen, wobei eine Verjüngung hauptsächlich bei geringer Vegetationsdeckung auftrat; Samengröße und Keimung waren günstig. Damit scheint die Population nicht in einem Aussterbestrudel gefangen zu sein und dürfte bei passender Habitatdynamik in den kommenden Jahren überdauern.

1. Hintergrund te erfolg­te die Aufnahme in Erhaltungskulturen der Botani­schen Gärten München und Regensburg, Abbildung 1 Der Das BfN-Hotspot-Projekt „Alpenflusslandschaften – Alpen-Knorpellattich wo Samen gelagert und Pflanzen im Freiland Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze“ unter ist in Bayern vom herangezogen werden (AG Erhaltungskulturen Leitung des WWF führt verschiedene Vorhaben Aussterben bedroht zu Schutz und Wiederansiedlung gefährdeter Wild­ 2016). Die Populationsstärke der Art im Frieder- (alle Fotos: Romy flussarten durch, unter anderem auch zum Alpen-­ Harzer). Knorpellattich (Chondrilla chondrilloides, Abbil- dung 1), der in Bayern vom Aussterben bedroht ist (RL BY 1; Tranter 2015). Das Verbreitungsgebiet in Deutschland beschränkt sich aktuell auf die Fläche des Friedergries. Das Friedergries ist ein wasserführender Schwemmfächer im Ammerge- birge unweit der deutsch-österreichischen Grenze (Abbildung 2). Aufgrund der wenig veränderten Ökosystemdynamik und des geringen mensch- lichen Einflusses stellt das Gebiet einen wichtigen Rückzugsraum für gefährdete Pflanzen- und Tier- arten dar (Kortenhaus 1987). Im Friedergries kommt es bei Stark­regenereignissen zu sehr hohen Abflüssen, die große Mengen Kies und Geröll ab­ tragen und an anderer Stelle wieder anlagern. Die Dynamik des unregelmäßigen Vergehens und Entstehens von Kiesstandorten ist an den meisten Flüssen in Bayern durch die Regulierung der Ab- flüsse und den Geschieberückhalt durch Wehre verhindert. Auch der Raum für diese Prozesse wird durch seitliche Uferverbauungen stark einge- schränkt. Standorte für den Alpen-Knorpellattich, wie das Nebeneinander größerer Kiesflächen un- terschiedlichen Alters, sind in Bayern kaum mehr zu finden. Der Alpen-Knorpellattich wird in der Prioritäten- liste für den botanischen Artenschutz in Bayern geführt (Wo­schée 2009). Auf Grundlage dieser Lis­

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 13 B. Harzer und J. Kollmann: Artenschutz Die letzte Population des Alpen-Knorpellattichs in Deutschland

2. Gefährdungsanalyse Im Untersuchungsgebiet konnten im Sommer 2015 insgesamt 1.154 Exemplare des Alpen-Knorpellat- tichs gefunden werden (Abbildung 3). Die Popu- lationsgröße liegt somit außerhalb des Bereichs, in dem demografische Schwankungen zu einem dras­ tischen Rückgang führen. Bei dieser Individuenzahl spielen auch genetische Drift und Inzuchtdepres- sion eine untergeordnete Rolle (Primack 1993). Neben der absoluten Größe ist auch der Anteil an sich fortpflanzender Individuen entscheidend für das Überleben der Population. Von allen Exempla­ ren des Alpen-Knorpellattichs hatten 20 % Blüten be­ ziehungsweise Früchte und rund 20 % waren Jung- pflanzen (Rosettendurchmesser kleiner als 5 cm). Weiterhin wurde überprüft, ob die Regeneration der Population durch schlechte Samenqualität be­ einträchtigt sein könnte. Allerdings waren weder die Samengröße noch die Keimfähigkeit (90 % Kei­ mung) geringer als bei Sammlungen der Botani­ Abbildung 2 Blick von Norden auf das Frieder- schen Gärten oder einer Population vom Tiroler gries, welches zirka 10 km gries wurde 2009 auf 60 bis 70 Individuen ge- Lech. Die Kei­mung erfolgte ohne weitere Behand­ östlich von Garmisch- schätzt, was ein erhebli­ches Aussterberisiko für lungen innerhalb von fünf Tagen. Die Samen waren Partenkirchen im Ammer­ die Art in Deutschland bedeuten würde (Walen- auch nach einem Jahr im Kühlschrank noch voll gebirge (47°29’29.2‘‘N; towski & Zehm 2010). Nicht nur die natürliche Dy- keimfähig; eine Dormanz konnte nicht festgestellt 10°57’04.8‘‘O) gelegen ist. namik des Lebensraums, auch po­pulationsinterne werden. In Hinblick auf die Samenqualität gibt es folglich keine Einschränkungen bei der Vitalität der Das Gebiet liegt auf rund Prozesse, wie Inzuchtdepression oder geringer Restpopulation. Da die für die Regeneration be- 900 m ü. NN und umfasst Reproduktionserfolg, könnten zu einem raschen zirka 65 ha. nötigten offenen Stand­orte mit initialer Vegetation Verschwinden führen. Als Grundlage für Maßnah- in größerem Umfang zur Verfügung stehen, als men zu Schutz und Wiederansiedlung der Art wur­ bisher von der Art genutzt, könnte sich die Popu- Abbildung 3 de daher der Gefährdungsgrad der ver­blie­be­nen lation in den nächsten Jahren sogar vergrößern. Vorkommen des Alpen-­ Population ermittelt und wichtige Erfahrungs­ Die gute Keimfähigkeit der Samen, die hohe Vita- Knorpellattichs im Frie­der­ werte zu Standortansprüchen und Kultivierung lität und unspezifischen Substrat­ansprüche der gries im Juli 2015 (Luftbild: ©Bay ­erische Vermes- gesammelt (Harzer 2015). Keimlinge dürften eine erfolgreiche Reproduktion sungsverwaltung 2012). in den vorhandenen Habitaten sichern. Stöcklin & Bäumler (1996) untersuchten die Aus- breitungsdistanz alpiner Pionierarten und stellten auch für Schirm­fliegersamen eine Reichweite von nur 0 bis 10 Metern fest – größere Entfernungen waren selten. Möglicherweise ist auch für den Al- pen-Knorpellattich die Menge und Ausbreitungs- distanz der Samen der verbreitungsbegrenzende Faktor, während ein einziges Störungsereignis mehrere Individuengruppen zerstören kann. Eine vollständige Auslöschung der Population ist aber eher unwahrscheinlich, da sich viele Pflanzen in fortgeschrittenen Sukzessionsstadien auf höheren Terrassen befinden. Solange die natürliche Dyna- mik im Gebiet erhalten bleibt und ständig neue Stand­orte geschaffen werden, kann daher nicht von einem akuten Aussterberisiko der Population im Friedergries ausgegangen werden.

3. Förderung der Art Flussabschnitte mit ausgedehnten frühen und mittleren Sukzessionsstadien auf Kalkschotter sind

14 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 B. Harzer und J. Kollmann: Die letzte Population des Alpen-Knorpellattichs in Deutschland Artenschutz

Standort-Steckbrief des Alpen-Knorpellattichs Lage Flussabschnitte mit ausreichend breiter Aue, Umlagerungsbereichen und verschiedenen Sukzessionsstadien. Substrat Lockerer Kalkschotter, grobe Oberfläche für Keimung. Mittel-/Grobkies 30 bis 35 %; Feinsedimente weniger als 10 % (hält die Feuchtigkeit im Sommer). Vegetationsdeckung Für Etablierung von Jungpflanzen 5 bis 50 %, bei adulten Pflanzen bis 80 % Deckung. Begleiter Campanula cochleariifolia, Dryas octopetala, Petasites paradoxus, Salix eleagnos und Tolpis staticifolia sowie die Insekten Bryodema tuberculata und Formica selysi. Abbildung 4 Lage und Vegetationsstruktur des Hauptwuchsortes im Friedergries (links), Oberfläche mit lockerem Kalkschotter (Mitte) und Bodenprofil mit sehr lockerem, heterogenem Substrat (rechts).

geeignete Standorte zur Wiederansiedlung der Art. Da die Wiederansiedlung des Alpen-Knorpellattichs Im besten Fall ist ein breites Spektrum an Sukzes- an den bayerischen Voralpenflü­ ssen an Standorten sionsstadien vorhanden, weil mit einer Ausbringung vorgesehen ist, wo vermutlich keine Population an verschiedenen Orten die Wahrscheinlichkeit der Art mehr existiert, besteht keine Gefahr der geeigneter Habitatbedingungen steigt. Völlig ve- Florenverfälschung durch ortsfremde Genotypen. getationsfreie Gebiete am Bachlauf werden vom Wichtig ist jedoch für eine Wiederansiedlung, die Alpen-Knorpellattich ebenso wenig besiedelt wie ehemaligen Verbreitungsorte und deren Einzugs- dicht bewachsene Bereiche mit einer Strauch- oder gebiete auf das Vorkommen von Reliktpopulatio­ Baumschicht von mehr als 30 % Deckung. Die Ver­ nen zu prüfen. Erst wenn das Vorhandensein des jüngung der Population ist an Bereiche mit hohem Alpen-Knorpellattichs ausgeschlossen ist, kann Anteil offenen Bodens gebunden, ältere Exempla­ ohne Risiko der Verfälschung eine bestimmte Spen­ re hingegen tolerieren Konkurrenz anderer krau- derpopulation ausgewählt werden. Bevor Material tiger Arten oder die Beschattung durch Gehölze. aus der Friedergries-Population gesammelt wird, Hinsichtlich der Substratzusammensetzung zeigt muss deren genetische Vielfalt überprüft wer­den. der Alpen-Knorpellattich bei Keimung und Säm- Sollte diese zu gering ausfallen (auch im Vergleich lingsentwicklung keine Präferenzen. Im Experiment zu anderen Populationen), könnte eine Etablierung beeinflussen weder Nährstoffgehalt noch Boden- an einem anderen Standort misslingen. mikroorganismen das Wachstum der Jungpflanzen. Als besonders wichtig bei der Vermehrung hat Die im Gelände beobachtete Bevorzugung offe­ sich das Anzuchtsubstrat herausgestellt. Bei der ner Habitate lässt sich daher vermutlich auf inter- Verwendung von gesiebtem Sediment aus dem spezifische Konkurrenz um Wasser und Licht in der Untersuchungsgebiet gingen ein Großteil der Jungpflanzenphase der Art zurückführen. Pflanzen im Gewächshaus nach zirka zwei Mona- Für eine sorgfältige Standortauswahl ist es not- ten ein. Der hohe Anteil an kalkhaltigem Fein­ wendig, die Gründe zu kennen, die zu einem Aus- sediment führte bei Bewässerung zu länger an- haltender Nässe im Topf und bei Trockenheit zu sterben des Alpen-Knorpellattichs im ehemaligen einem „Verbacken“ des Substrats. Vermutlich be- Verbreitungsgebiet geführt haben. Erst wenn diese nötigen die Wurzeln des Alpen-Knorpellattichs standortlichen Ursachen beseitigt sind, zum Bei- ausreichend durchlüftete Porenräume, um sich spiel weil geeignete Habitate im Zuge einer Rena- optimal entwickeln zu können. Die Anzucht in turierung neu geschaffen wurden, ist eine Wieder­ Substrat mit Grobsand- und Feinkiesanteilen ver­ ansiedlung sinnvoll. lief er­folgreich und zahlreiche Pflanzen kamen zur Bei der Wahl von Pflanzen für eine Wiederansied- Blüte. Bei lang anhaltender Hitze und Trockenheit lung sind die genetische Vielfalt und lokale Anpas­ starb die oberirdische Biomasse ab, die Pflanze re- sungen der Quell- und Zielpopulationen zu be- generierte sich jedoch aus dem Wurzelkopf rasch rücksichtigen (Vander Mijnsbrugge et al. 2010). und bildete mehrere kleine Rosetten.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 15 B. Harzer und J. Kollmann: Artenschutz Die letzte Population des Alpen-Knorpellattichs in Deutschland

Bei einem Ausbringungsversuch im Friedergries das Überleben der Population auswirken. Sollte überlebten alle 80 Exemplare das Auspflanzen in eine Wieder­ansiedlung in noch naturnahen oder der ersten Vegetationsperiode. Die Pflanzen waren renaturierten Fluss­abschnitten gelingen, so könnte bei der Ausbringung zirka fünf Monate alt und dies als Zeichen einer natürlichen Auenstruktur konnten im Gewächs­haus eine entsprechende oder als Erfolg der ökologischen Aufwertung ge- Wurzelmasse aufbauen. Die Auswahl des Stand- wertet werden. orts hatte keinen Einfluss auf das Überleben oder Mittelfristig kann das Überleben der Art in Bayern Wachstum. Auch auf Flächen mit höhe­rer Vegeta- jedoch nur gesichert werden, wenn es gelingt, tionsdeckung verlief die Etablierung problemlos. mehrere im Austausch stehende Populationen zu Erfolge aus der Aussaat von Samen konnten bisher etablieren. Weitere Funde der Art durch Botaniker noch nicht beobachtet werden. Bei einer Wieder­ wären dabei von größtem Interesse. Mit entspre- ansiedlung ist das Auspflanzen adulter Individuen chenden Bemühungen könnte durch die Wieder­ erfolgversprechend und kann empfohlen werden. ansiedlung des Alpen-Knorpellattichs ein charak- 4. Schlussfolgerungen teristisches Florenelement der bayerischen Alpen- flüsse zurückkehren und ein wichtiger Schritt für Der aktuelle Status der letzten deutschen Popula- den Erhalt der Artenvielfalt gelingen. tion des Alpen-Knorpellattichs ist besser als er- wartet. Sie ist weder durch eine geringe Indivi- Literatur duenzahl noch durch reduzierte Fitness oder zu AG Erhaltungskulturen (= Arbeitsgruppe im Verband wenige potenzielle Habitate akut vom Aussterben Botanischer Gärten, Hrsg., 2016): Chondrilla bedroht. Das größte Risiko geht derzeit von chondrilloides. – www.ex-situ-erhaltung.de/pflanzen einem großen Störungsereignis aus, welches den arten/c/chondrilla-chondrilloides/ (17.04.2016). Hauptwuchsort und somit einen bedeutenden Harzer, R. (2015): Populationsbiologische Untersuchung Teil der Population vernichten könnte. Da man in eines gefährdeten Wildflussspezialisten – Empfeh- die Standortdynamik nicht eingreifen kann, sollte lungen für die Wiederansiedlung des Alpen-Knor- präventiv für eine Erhaltungskultur Samen vom pellattichs (Chondrilla chondrilloides). – Masterarbeit, Hauptwuchsort gesammelt werden, so dass bei TU München. einem Ausfall dieses Bereichs zumindest ein Teil Kortenhaus, W. (1987): Das Naturwaldreservat Frieder- der genetischen Variation bewahrt werden kann. gries. – Jahrb. des Vereins zum Schutz der Bergwelt, München 52: 37–70. Der Alpen-Knorpellattich ist auf intakte Lebens- räume entlang präalpiner Wildflüsse angewiesen, Stöcklin, J. & Bäumler, E. (1996): Seed rain, seedling establishment and clonal growth strategies on a da die Art sich nicht an Sekundärstandorten eta- glacier foreland. – J. Veg. Sci. 7(1): 45–56. bliert. Die Beurteilung des Erfolgs einer Wiederan- siedlung erfordert ein langjähriges Monitoring, Tranter, C. (2015): Hotspot-Projekt „Alpenflussland­ schaf­ten – Vielfalt leben von Ammersee bis Zug- das neben den lokalen Standortbedingungen auch spitze“. – ANLiegen Natur 37(1): 97–101; www.anl. die Populationdynamik erfasst. Im Falle eines Miss­ bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an37102 erfolgs müssen anhand der Dokumentation die tranter_2015_hotspot_projekt.pdf. Faktoren identifiziert werden, die sich negativ auf Vander Mijnsbrugge, K., Bischoff, A. & Smith, B. (2010): A question of origin: Where and how to collect seed for ecological restoration. – Basic and Applied Ecology 11(4): 300 –311. Autorin und Autor Walentowski, H. & Zehm, A. (2010): Reliktische und Romy Harzer M. Sc., endemi­sche Gefäßpflanzen im Waldland Bayern – Jahrgang 1992. eine vegetations­geschichtliche Analyse zur Schwer­ Studium der Biogeowissenschaften (Universität Jena); punktsetzung im botanischen Artenschutz. – Vertiefungs­studium Umwelt­planung und Ingenieur- Tuexenia 30: 59–81. ökologie an der Technischen Universität München. Woschée, R. (2009): Prioritätenliste für den bota- Seit 2016 wissenschaft­liche Mitarbeiterin am Lehrstuhl nischen Artenschutz in Bayern. – Unveröffentlichter für Renaturierungsökologie, Schwerpunkte Popu­ Bericht im Auftrag des Bayerischen Landesamtes lations­biologie und Fließgewässerrenaturierung. für Umwelt, Augsburg. Lehrstuhl für Renaturierungsökologie +49 151 547 306 66 www.roek.wzw.tum.de [email protected] Zitiervorschlag Prof. Dr. Johannes Kollmann Harzer, R. & Kollmann, J. (2018): Die letzte Population des Lehrstuhl für Renaturierungsökologie Alpen-Knorpellattichs in Deutschland: Gefährdungs­ TU München analyse und Förderung der Art – ANLiegen Natur +49 8161 714144 40(1): 13–16, Laufen; www.anl.bayern.de/publika [email protected] tionen.

16 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Artenschutz

Stefanie Riehl und Andreas Zehm Wie gelingt die Wiederansiedlung der Deutschen Tamariske?

Die Deutsche Tamariske (myricaria germanica) gilt als Indikator für naturnahe Abschnitte der Alpen- flüsse. Da nur noch 10 % der nordalpinen Wildflüsse naturnah sind, ist auch die Tamariske sehr selten geworden. In einer Tagung der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) wurden Wege für eine erfolgreiche Wiederansiedlung vorgestellt und diskutiert. Wiederansiedlung kann durch Umsiedelung, Ansaat oder Ausbringen von Stecklingen und Jungpflanzen erfolgen. Die Kenntnis der Populationsgenetik innerhalb des Einzugsgebietes ist dabei Stand der Technik.

Einführung Diese Phasen sind entscheidend für das Überle- Die Deutsche Tamariske ist eine inzwischen sehr ben einer Population (Kudrnovsky, mündlich; Abbildung 1 seltene Charakterart der Wildflüsse und ein Indika- Kudrnovsky 2013; Lener et al. 2013). Die Tamariske Deutsche Tamariske tor für die Funktionsfähigkeit sowie den guten Zu- ist ein Licht- und Rohbodenkeimer, wobei die (Myricaria germanica) an stand des Wildfluss-Ökosystems. Ist die Tamariske Keimfähigkeit nach wenigen Tagen rapide ab- der Halblechmündung in stabilen, reproduzierenden Populationen an nimmt. Keimlinge und Jungpflanzen benötigen im Landkreis Oberallgäu einem Gewässer vorhanden, sind die Bedingun­ (Zehm 2017; alle Fotos: gen meist auch für andere hoch spezialisierte Tier- Andreas Zehm). und Pflanzenarten gut (Zehm, mündlich). Nur 10 % der nordalpinen Wildflüsse sind noch naturnah (Hettrich & Ruff 2011). Beeinträchti- gungen durch gestörte Geschiebe- und Abfluss- verhältnisse, Uferverbauungen oder Staustufen führen häufig zu einer „Rinnenbildung“, bei der sich die Geschiebe-Umlagerung auf geringe Teile des Gewässers beschränkt. Dadurch setzt ein selbstverstärkender Prozess der zunehmenden Eintiefung und Abkopplung der Aue ein (Sitzia et al. 2016). Kiesbänke werden dann nicht mehr – oder zu oft – umgelagert, Gehölze oder Neophy- ten wachsen auf und verdrängen die typische Le- bensgemeinschaft. Dies hat zur Folge, dass in kaum einem anderen Lebensraum in Mitteleu­ropa so viele stark bedrohte Taxa aus allen Organismengruppen zu verzeichnen sind, wie in Wildflussauen. Standortbedingungen und Management Die Tamariske kommt von alpinen Gletschervor- feldern bis auf nahezu Meereshöhe vor. Die Stand­ orte sind sehr variabel: Vorkommen in Grobge- schiebe sind ebenso dokumentiert wie im Fein­ sediment, wo sich besonders viele Jungpflanzen etablieren können. Ebenso unterschiedlich können die Temperaturspektren und die Abflussverhält- nisse im Jahresverlauf oder im Tagesverlauf sein. Während die Pflanze keimt und sich als Jungpflanze etabliert, ist sie besonders empfindlich.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 17 S. Riehl und A. Zehm: Artenschutz Wiederansiedlung der Deutschen Tamariske

einen wassernahen Standort mit feinem Boden- • Ausreichend viele oder große dynamische material und geringer Konkurrenz. Diese finden Renaturierungsabschnitte. So entstehen geeig- sich nahe am Fließgewässer, wo allerdings gleich- nete Standortbedingungen für die unter- zeitig die mechanische Belastung durch Geschie- schiedlichen Lebensphasen. betrieb besonders groß ist. Strukturen wie • Eine hydroökologische Modellierung, um bei Schwemm­holz können elementare Lebensraum- stark veränderter Fließgewässerdynamik eine bestandteile darstellen. So fanden sich bei einem Balance zu finden: Ist der Lauf zu schmal, kann Wiederansiedlungsprojekt im Bundesland Salzburg infolge hoher Fließgeschwindigkeiten die me- im abgelagerten Feindsediment hinter Schwemm­ chanische Belastung im Hochwasserfall zu hoch holz zahlreiche Tamarisken-Keimlinge (Halm 2017). sein. Ist eine Gewässersohle zu breit dimensio- Erst ab einem Alter von rund 2 bis 3 Jahren vertra- niert, reicht die Umlagerungskraft nicht aus, um gen die Pflanzen hohe mechanische Belastungen. Kiesbänke neu zu schaffen. Als konkurrenzschwache Pionierart verschwindet • Da in einem hochdynamischen Gewässer die die Tamariske bei fortschreitender Sukzession, hydrologischen Auswirkungen und die Auswir- sodass sie auf ständig neu entstehende Rohböden kungen auf den Sedimenttransport nicht im- angewiesen ist (Egger et al. 2017). Entscheidend mer sicher prognostiziert werden können, ist ist zudem, dass die Samen immer wieder neue ein adaptives Management empfehlenswert. Wuchsorte erreichen und die Populationen so Selbst nach Erreichen der Projektziele kann es den raumzeitlichen Wechsel zwischen lokalem notwendig werden, nachzusteuern. Aussterben und Wiederbesiedeln überstehen können. Aktuelle Forschungsergebnisse Zusammenfassend ist für ein erfolgreiches Mit Drohnen erhobene Daten werden mit der Management der Tamariske wichtig (Egger, Analyse ehemaliger Vorkommen verschnitten und mündlich): daraus Empfehlungen für optimale Wiederansied- lungsorte abgleitet (Müller et al., mündlich). • Die Wiederherstellung der fließgewässerspezi- Mit Ergebnissen dieser Untersuchung im Rahmen fischen Hydro- und Sedimentdynamik. des Hotspot-Projektes Alpenflusslandschaften • Dazu sind gemeinsame Projekte von Wasser- (Tranter 2015) ist Ende 2017 zu rechnen. wirtschaft, Naturschutz, Betreibern von Wasser- Die Technische Universität München (Schwarz- kraftwerken, Umweltverbänden und der lokalen wälder & Motz, mündlich) untersuchte in einer Abbildung 2 Bevölkerung nötig, die zugleich Hochwasserge- Versuchsrinne unter naturnahen Bedingungen, Vorstellung der Ökologie fahren mindern und/oder eine Renaturierung welchen Einfluss periodische Überflutungen auf der Tamariske am Beispiel beinhalten. die Entwicklung von Tamarisken-Keimlingen ha- eines Vorkommens am Tiroler Lech bei Forchach. ben. Es zeigte sich kein Einfluss auf die Mortalität der Jungpflanzen, aber erst ergänzende Versuche mit älteren Pflanzen und veränderten Durchfluss- bedingungen werden hier abschließende Erkennt­ nisse bringen. Genetische Untersuchungen der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Land- schaft an der Drau, der Isel und am Lech (Wiedmer, mündlich) zeigten, dass die Fluss-Einzugsgebiete der Tamarisken-Populationen genetisch abgrenz- bar sind. Die genetische Vielfalt hängt neben der Biogeografie, der Topografie und der Hydrologie auch von der Besiedlungsgeschichte ab. Für Wie- deransiedlungen sind die lokalen Umweltbedin- gungen, der Genpool und die genetische Variati- on des Bezugsraums zu berücksichtigen (Wiedmer & Schneidegger 2014). Daher sollte das Material für Wiederansiedlungen von zufällig ausgewählten Individuen mehrerer Populationen entlang dessel- ben Fluss-Systems und jeweils über die ganze Po- pulation verteilt gewonnen werden.

18 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 S. Riehl und A. Zehm: Wiederansiedlung der Deutschen Tamariske Artenschutz

Abbildung 3 Teilnehmende der Tama- Ex situ-Kultur Wiederausbringun­gen beerntet werden. Einzige risken-Tagung am 04. Juli Die Vermehrung und Kultivierung von Tamarisken dauerhafte und sichere Dokumentationsformen 2017 an der Halblech-­ Mündung. kann zu verminderter Fitness führen. So können sind die Publikation in einer Fachzeitschrift und ei- sich die Pflanzen etwa an untypische Substrate ne Meldung an die bayerische Artenschutzkartie- oder kleine Pflanzgefäße anpassen. Genetische rung (ASK) des Bayerischen Landesamts für Um- Drift oder Inzucht müssen durch eine passende welt (LfU), die unbedingt erfolgen sollte. Kulturführung verhindert werden (Lauterbach et al. Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit 2015). Im Rahmen des Artenhilfsprogramms Nieder- Der Schutz der Wildflusslandschaft ist als gesell- bayern wurden Tamarisken in einer Straubinger schaftliches Ziel anerkannt (Buchecker & Junker Staudengärtnerei vermehrt und anschließend an 2013). Dennoch gibt es viele widerstreitende Inte- Sekundärstandorten wie Kiesgruben erfolgreich ressen, die bei Schutz- und Wiederherstellungspro- ausgepflanzt. Die Überlebensrate lag durchschnitt- jekten unbedingt einzubeziehen sind (Kangler et al. lich bei 22 %, in Einzelfällen aber auch bei 66 % 2014). Um derartige Planungen gut vorzubereiten, (Scheuerer, mündlich). Die Gefährdungsursachen ist eine intensive Öffentlichkeitsarbeit für die Wild- nach der Auspflanzung sind vielfältig: Trockenfallen, flüsse nötig L( ange, mündlich). Typische Wildfluss­ Überstauung, Erosion, Wildverbiss oder Freizeitnut- arten sind jedoch größtenteils klein, unscheinbar zung. Während im Land Salzburg vor allem mit der und ohne „Kindchenschema“; sie sind also wenig Aussaat von Samen gute Etablierungserfolge erzielt werbewirksam. Trotzdem gelingt es im Hot­spot- wurden (Nowotny, mündlich), sind auch Erfolge mit Projekt „Alpenflusslandschaften“, Menschen für horizontal eingebrachten Stecklingen dokumentiert Wildflüsse und ihre Biodiversität zu begeistern. (Schletterer & Scheiber 2008). Dabei helfen Biodiversitätsbotschafter und Mit- machangebote. Die Bildungsaktivitäten reichen Dokumentation von Wiederansiedlung von Kunstaktionen über Zeitzeugen-Interviews bis Eine gute Dokumentation ist ein zentraler Teil je- hin zu Fotowettbewerben. Das übergeordnete Ziel des Wiederansiedlungsprojekts. Dabei spielen die ist, die Identifikation der Menschen mit „ihren“ Wild­ Angaben, wo künstlich wiederangesiedelt wurde, flüssen zu stärken, die Bedeutung der Wildflüsse zu sowie die Herkunft der Pflanzen eine zentrale Rol- vermitteln und durch eine intensive Zusammenar- le. Nur so können zukünftige genetische Untersu- beit vieler Akteure die naturschutzfachliche Wertig­ chungen richtig interpretiert und gezielt Bestände keit zu erhalten und zu erhöhen (Lange, mündlich; für Erhaltungskulturen oder erneute Tranter 2015).

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 19 S. Riehl und A. Zehm: Artenschutz Wiederansiedlung der Deutschen Tamariske

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Bayerische Akademie für Naturschutz Tranter, C. (2015): Hotspot-Projekt „Alpenflussland- und Landschaftspflege (ANL) schaften – Vielfalt leben von Ammersee bis Zug- +49 8682 8963-51 spitze“. – ANLiegen Natur 37(1): 97–101; [email protected] http://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/ doc/an37102tranter_2015_hotspot_projekt.pdf. Dr. Andreas Zehm, Jahrgang 1970. Wiedmer, A. & Schneidegger, C. (2014): Genetische Un- Nach dem Biologie-Studium und der Koordination tersuchung zur Deutschen Tamariske in Tirol. – eines Forschungsprojektes an der Technischen Uni- Gutachten i. A. d. Tiroler Landesreg., Eidg. For- versität Darmstadt (mit Fokus auf Botanik und Land- schungsanstalt WSL, Birmensdorf: 85 S. schaftspflege), zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit Zehm, A. (2017): Limosella aquatica L., Myricaria germa- des Förderschwerpunktes Sozial-Ökologische For- nica DESV. und Sagina nodosa (L.) FENZL – in der schung des Bundesministerium für Bildung und For- schung. Nach Zwischenstationen bei der Regierung Halblechmündung. – In: Fleischmann, A. Floristische von Schwaben und dem Landesamt für Geoinfor- Kurzmitteilungen; Ber. Bayer. Bot. Ges. 87: 223–224. mation und Landentwicklung sowie (2012–2015) an der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege seit 2015 wieder am Bayerischen Landesamt für Umwelt. Tätigkeitsschwerpunkte sind botanischer Artenschutz und Artenschutzkartierung. Zitiervorschlag Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) Riehl, S. & Zehm, A. (2017): Wie gelingt die Wieder­ Referat 51 – Fachgrundlagen Naturschutz ansiedlung der Deutschen Tamariske? – ANLiegen +49 821 9071-5111 Natur 40(1): 17–20., Laufen; www.anl.bayern.de/ [email protected] publikationen.

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Notizen Artenschutz

Amphibienschutz in Rohstoffgewinnungsstätten

(Paul-Bastian Nagel) Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) arbeitet seit Jahren erfolgreich mit Roh- stoffgewinnungsunternehmen zusammen. Ergebnisse dieser Kooperation sind das „Frankenbündnis“ und der Handlungsleitfaden für Schwaben „Kiesgewinnung und Artenvielfalt“. Mit einem neuen Am- phibien-Projekt wird die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Rohstoffindustrie nun fortgesetzt und bayernweit intensiviert.

Viele Amphibien wie die Kreuzkröte (Bufo calami­ ta) besiedelten früher vor allem Sand- und Kies- bänke oder Überschwemmungstümpel an natür- lich fließenden Gewässern und in Auen. Diese von Natur aus dynamischen und störungsintensiven Lebensräume sind selten geworden. Bei der Ge- winnung von Lehm, Sand, Kies und Gestein kön- nen jedoch wichtige Sekundärlebensräume für Amphibien entstehen. Um diese Sekundärlebens- räume zu schützen und zu fördern, führt der LBV zusammen mit den beiden Rohstoffgewinnungs- verbänden Bayerischer Industrieverband Steine und Erden (BIV) und der Arbeitsgemeinschaft ba- yerischer Bergbau- und Mineralgewinnungsbe- triebe e.V. (ABBM) ein Pilotprojekt unter dem Titel „Management von Lebensräumen FFH-relevanter Amphibienarten in Rohstoffgewinnungsstätten“ durch. Ziel ist es, in 100 Abbaubetrieben in Bayern wäh- rend der fünfjährigen Projektlaufzeit beispielhaft Maßnahmen für Kreuzkröte, Gelbbauchunke und Co. umzusetzen und zu begleiten. Dabei sollen die Lebensraumpotenziale unterschiedlicher Ab- Abbildung LBV-Mitar- baustätten genutzt werden: Lehm-, Sand- und beiter Dr. Andreas von Kiesgruben, Kalkstein-, Basalt-, Diabas- und Gips- gezeigt. So stellt das StMUV einen Entwurf für ei- Lindeiner zeigt den Teil- brüche. Durch die Anlage und Pflege von Laich- nen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem nehmenden während gewässern und angrenzender Habitate können beteiligten Abbauunternehmen und den zustän- des Pressetermins zum die streng geschützten Amphibien selbstständig digen Naturschutzbehörden zur Verfügung, über Projektstart des Amhibien­ zuwandern und bei bekannten Vorkommen die den möglichen artenschutzrechtlichen Konflikten projektes Kaulquappen Populationen gestärkt werden. bereits vorbeugend begegnet werden kann. der streng geschützten Kreuzkröte (Bufo calami­ Die Entwicklung solcher Lebens- und Ruhestätten Bereits zu Beginn des Projektes konnten 28 Unter- ta) in unterschiedlichen kann aber aufgrund der artenschutzrechtlichen nehmen für eine Zusammenarbeit gewonnen wer­ Entwicklungsstadien (Fo- Zugriffsverbote nach § 44 Absatz 1 Bundesnatur- den. Der Projektstart wurde am 9. Juni 2017 in einer to: Paul-Bastian Nagel). schutzgesetz (BNatSchG) eine nicht zumutbare Sandgrube der Firma Andreas Thaler & Co. Kies- rechtliche Einschränkung des Abbaus zur Folge und Sandwerk OHG in Neusäß bei Augsburg haben. Um dennoch die Bildung solcher Ersatzle- gefeiert. In der besichtigten Sandgrube wurden bensstätten zu fördern, hat das Bayerische Staats- bereits erfolgreich Laichhabitate für die Kreuzkröte ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz angelegt (siehe Bild). Durch jährlich neu gesicherte (StMUV) Wege zur rechtssicheren Umsetzung auf- und belassene Steilwände hat sich darüber hinaus

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Artenschutz Notizen

eine große Uferschwalbenkolonie in der Grube über Jahre etabliert. Dr. Christian Barth, Amtschef Mehr im Bayerischen Umweltministerium, Dr. Norbert Bayerischer Rundfunk: www.br.de/nachrichten/ Schäffer, Vorsitzender des LBV, und Oliver Klauser, schwaben/inhalt/naturschutz-lbv-kiesgrube- Vorsitzender der Fachgruppe Sand und Kies vom industrie-112.html. BIV, begrüßten die Anwesenden und betonten Frankenbündnis: http://unterfranken.lbv.de/franken unisono die Notwendigkeit solcher Kooperatio­nen buendnis.html. zum Erhalt der Artenvielfalt. Handlungsleitfaden für Schwaben „Kiesgewinnung und Artenvielfalt“: www.lbv.de/files/user_upload/ Das Projekt wird vom Bayerischen Naturschutz- Dokumente/LBV_Infoblaetter_kostenfrei/Hand fonds gefördert. Koordinator des Projektes und lungsleitfaden-Kiesabbau-Schwaben-LBV_klein- Ansprechpartner ist LBV-Projektmanager Bernd PDF.pdf. Raab, E-Mail: [email protected], Tel. +49 9174 4775-39. Sat1 Bayern: www.sat1.de/regional/bayern/videos/ Über den Pressetermin berichteten unter anderem 1-pilotprojekt-fuer-amphibienschutz-clip. der Bayerische Rundfunk und Sat1 Bayern.

Nahrungsangebot für Wiesenbrüter im Königs­ auer Moos – Erfassungen zur Arthropoden­ Abbildung Durch ver­ fauna und Invertebratenvorkommen schie ­dene Mahdzeitpunk­ te werden kurzrasige und höher gewachsene Wiesenstrukturen mosaik­ (Margarete Siering) Das Königsauer Moos (1.365 ha) im Unteren Isartal, Landkreis Dingolfing-Landau, artig im Königsauer Moos stellt mit derzeit bis zu 66 Brutpaaren eines der wichtigsten Bruthabitate des Großen Brachvogels (Nu­ erhalten. Durch die Diver­ menius arquata) in Bayern dar. Um den Bruterfolg der Großen Brachvögel im Königsauer Moos konstant sität des Wiesenschnitts zu halten und auch zu steigern, muss die Ursache der hohen Verlustrate von Jungvögeln analysiert werden Pflanzen, Insekten, werden. Eine hohe Prädation wird als mögliche Ursache für Jungvogelverluste diskutiert. Aber auch der Spinnen und Mollusken Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Invertebraten als Nahrung für Große Brachvögel wird dabei eine erhalten, die als Nahrung wichtige Rolle zugemessen. für die Wiesenbrüter die- nen können (Foto: Norbert Maczey).

In einem 722 ha großen Teilbereich des Königsauer Mooses finden jährlich Artenhilfsmaßnahmen für den Großen Brachvogel statt. In diesem Untersu- chungsgebiet steigerte sich die Anzahl der Brut- paare in den letzten Jahren enorm (von durch- schnittlich 27 Brutpaaren 2000 bis 2009 auf durch­ schnittlich 57 Brutpaare von 2010 bis 2015). Ein Top-­ Gebiet für den Großen Brachvogel wird neben der Anzahl der Brutpaare durch seinen Bruterfolg definiert. Im Königsauer Moos variiert der Brut­ erfolg von Jahr zu Jahr recht stark (von 0 bis 1,4), sodass sich durchschnittlich in den Jahren 2005 bis 2015 ein jährlicher Bruterfolg von 0,56 flüggen Jungvögeln pro Brutpaar ergibt. Vor diesem Hintergrund wurde 2016 im Königsauer Moos durch das Bayerische Landesamt für Um- welt die Auswirkung unterschiedlicher Grünland- nutzungsformen auf das Nahrungsangebot für Wiesenbrüter untersucht. Ziel der Erfassung ist zu ermitteln, welche Funktionen unterschiedlich be-

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Notizen Artenschutz

wirtschaftete Flächen für die Bewahrung der Bio- Bestandseinbrüche von Invertebraten nach der diversität von Arthropoden haben und wie die Mahd können durch Anlage von Brache- und Früh­ Bewirtschaftung die Abundanz (Häufigkeit) unter- mahdstreifen aufgefangen werden. Diese zeigen schiedlicher Arthropodengruppen über die Brut- hohe Individuendichten und entsprechend hohe periode hinweg beeinflusst. Biomassewerte im Hoch- und Spätsommer. Ins- besondere durch die Anlage von Brachen werden Auf insgesamt 21 Untersuchungsflächen wurden Refugialräume geschaffen, die eine bessere Über- während drei Untersuchungsperioden im Juni, Juli winterung von Invertebraten ermöglichen und und September 2016 Invertebraten mittels Kescher­ deren stärkere Ausbreitung im folgenden Früh- fang und unter Verwendung eines Laubsaugers jahr fördern. Gerade vor der Mahd des Großteils semiquantitativ erfasst. Als für die Bewertung von der Wiesen Mitte Juni kommt den kurzrasigen Grünlandhabitaten sehr gut geeignete Indikator- Frühmahdstreifen eine besondere Bedeutung als gruppen wurde die Artenvielfalt von Zikaden und Flächen mit einem wesentlich besseren Zugang Heuschrecken auf den Untersuchungsflächen er- zur Insektennahrung zu. mittelt. Schnecken und Spinnen haben eine besondere Insgesamt wurden während des Untersuchungs- Bedeutung als Nahrungsquelle für Große Brach- zeitraums im Jahr 2016 mehr als 81.000 Inverte- vögel. Im Königsauer Moos mögen daher gerade braten aus 216 Einzelproben aussortiert. Den größ­ die zahlreich vorhandenen Kleinschnecken (Fami- ten Anteil stellten Zikaden gefolgt von Fliegen, lien Pupillidae und Vertiginidae) als Nahrungsreser- Käfern und Schnecken dar. Die Ergebnisse dieser voir für Große Brachvögel dienen. Im Gegensatz Erfassung zeigen, dass die Bedeutung von Ein- zu den Intensivwiesen, in denen Schnecken kaum zelflächen als Nahrungshabitat für Wiesenbrüter vorhanden sind, weisen gerade Frühmahdstreifen als auch als Lebensraum für Invertebratengemein­ und Extensivflächen hohe Abundanzen auf. schaften mit zunehmender Nutzungsintensität abnimmt, wobei Intensivflächen die geringsten Arten- und Individuenzahlen aufweisen. Diese Er- Mehr gebnisse werden durch die erfassten Biomasse- werte bestätigt. Maczey, N., Siering, M. & Tillmann, T. (2017): Quantifi- zierung des Nahrungsangebotes für Wiesenbrüter Die höchsten Abundanzen (Individuenzahlen) wur­ im Königsauer Moos. – Faunistische Erfassungen den auf Brachen, Frühmahdstreifen und extensiv (Arthropodenfauna). – Bayerisches Landesamt für genutzten Flächen gefunden. VNP-Maßnahmen- Umwelt (Hrsg.): S. 72; www.bestellen.bayern.de/ flächen mit Mahdbeginn ab dem 1. Juli und Inten­ shoplink/lfu_nat_00325.htm. sivwiesen zeigten dagegen niedrigere Werte auf.

Toleranz von Wiesenbrütern gegenüber Gehölzdichten, Schilfbeständen und Wegen

(Margarete Siering) Wiesenbrüter gehören zu den am stärksten gefährdeten Vogelgruppen in Bayern. Gehölzsukzession in Extensivwiesen oder im Rahmen der Landschaftspflege belassene Gehölze sind bedeutende Stör- und Gefährdungsfaktoren für die Wiesenbrüter. Sie schränken den Lebensraum ein und fördern Prädatoren. Um Empfehlungen zu Gehölzdichten in Wiesenbrütergebieten abgeben zu können, wurden Revierkartierungen von Wachtelkönig, Großem Brachvogel, Kiebitz, Bekassine, Braun­ kehlchen und Wiesenpieper aus den fünf bedeutendsten Wiesenbrütergebieten im oberbayerischen Voralpenland (Ampermoos, Ammersee-Süd, Loisach-Kochelsee-Moore, Murnauer Moos und Berge­ner Moos) durch das Bayerische Landesamt für Umwelt analysiert.

Durch Luftbildauswertungen wurden in den je- verschnitten. Gleichermaßen wurde in Bezug auf weiligen Gebieten die Gehölz- und Schilfbestän- Straßen und Wege vorgegangen. Die sechs Ziel- de digitalisiert und mit den Revierdaten im GIS arten der Untersuchung zeigen artspezifisch un-

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Artenschutz Notizen

Abbildung Beispiel für unterschiedliche Sied- lungsdichten und Arten­ spektren in einem der Untersuchungsgebiete. Aufgrund der hohen Ge- hölzdichte westlich des Flusses können sich trotz vergleichbarer Qualität der Streuwiesenlebensräume nur wenige Wiesenbrüter­ arten in geringer Dichte an­siedeln (Foto: Ingo Weiß).

terschiedliches Meideverhalten zu Gehölzbeständen. meisten Arten (zumindest bei Fehlen kleinflächi­ger Die Abstände zwischen Aufenthaltsorten der Vö- Brachestrukturen) wichtige Habitatbestandteile gel beziehungsweise ihren Revierzentren und Ge- bilden, nur Großer Brachvogel und Kiebitz halten hölzbeständen nehmen aber artübergreifend mit hier Abstände ein. Die minimale Distanz zwischen der Höhe und Dichte der Gehölze zu. Wenige kleine den Papierrevierzentren und Straßen beträgt typi- Einzelbüsche im Revier werden von allen Arten noch scherweise 100 bis 300 m, stark frequentierte Wege toleriert beziehungsweise können für Wachtelkö- üben vergleichbare Stör­wirkungen aus. nig, Braunkehlchen und Wiesenpieper bereichern­ de Strukturelemente darstellen. Mit zunehmender Geschlossenheit und Höhe der Gehölze erreicht Mehr das Meideverhalten der untersuchten Wiesenbrü- Weiss, I. (2017): Ermittlung der Toleranzen von Wiesen­ terarten seine maximalen Werte. Die Papierrevier- brütern gegenüber Gehölzdichten, Schilfbestän- zentren aller Arten liegen minimal 100 m, typischer­ den und Wegen in ausgewählten Wiesenbrüterge- weise über 200 m von Hochwald oder Feldgehölzen bieten des Voralpenlandes. – Bayerisches Landes- entfernt. Zu Sukzessionskomplexen und hohen amt für Umwelt (Hrsg.): S. 42; www.bestellen.bayern. Einzelbäumen betragen die Abstände ebenfalls de/shoplink/lfu_nat_00324.htm. mindestens 100 m. Schilfbestände können für die

Künstliche Sitz- und Singwarten als Artenhilfsmaßnahme für das Braunkehlchen (Saxicola rubetra)

(Margarete Siering und Jürgen Feulner) Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) war noch vor wenigen Jahrzehnten in nahezu ganz Europa ein recht häufiger Brutvogel. Seither wurden insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten teils dramatische Bestandseinbrüche um 50 bis 90 % beobachtet (Bastian & Feulner 2015).

In Bayern gilt die Art als „vom Aussterben bedroht“ land seit 1990 sind wichtige Ursachen für diese (Rudolph et al. 2016). Der Rückgang von extensiv dramatische Entwicklung. Ein weiterer essenziel­ bewirtschaftetem, strukturreichem Grünland und ler Faktor ist, dass die verbliebenen Grünland- und der Verlust von 90 % der Brachflächen in Deutsch- Brachestrukturen häufig nur eine mäßige Vertikal-

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Notizen Artenschutz

strukturiertheit aufweisen und dem Braunkehlchen kaum eignen; es eignen sich aber auch die ge- daher häufig nicht genügend Sitz- und Singwarten trockneten Jahrestriebe von verschiedensten bieten (Lossow, von et al. 2015). Gehölzen bis hin zu Obstbaumschnitt. Um dem entgegenzuwirken, werden seit 2014 im • In die Mitte des Warten-Clusters kann man einen Regnitzgrund bei Hof und seit 2015 im Rotmaintal zirka 2–2,5 m langen, dünnen Bambusstock aus- bei Kulmbach in großer Anzahl künstliche Sitz- und bringen, der als überragende Singwarte dient. Singwarten ausgebracht. Der Brutbestand hat sich • Dringend erforderlich ist eine Absprache mit seit Ausbringung der Warten in beiden Gebieten Flächenbewirtschaftern und unterer Natur- deutlich vergrößert. Im Rotmaintal vergrößerte sich schutzbehörde. der Bestand von 2 Brutpaaren in 2014 auf 12 Brut- • Vor der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaf­ paare in 2016. tung werden die Singwarten wieder eingeholt. Die Ergebnisse aus beiden Projektgebieten lassen Rückschlüsse zu, dass Braunkehlchen zumindest kurzfristig verwaiste Brutgebiete bei entsprechen­ der Biotopausstattung wiederbesiedeln können. Im Rotmaintal ließ sich damit binnen weniger Jahre die größte verbliebene Braunkehlchen-Population Oberfrankens 2016 entwickeln. Dabei spielte die Darbietung von Schlüsselreizen in großer Anzahl (übergroßes Angebot an Warten = „Überreizmetho­ de“) vermutlich eine bedeutende Rolle. Die Erfolge der ersten Projektjahre zeigen, dass die Überreizmethode überall in offener Landschaft funktionieren kann. Grundvoraussetzungen sind aber das Vorhandensein eines geeigneten Habi­ tats, ausreichende Nahrungsverfügbarkeit und ei- ne ausreichende Flächengröße. Gebiete, die von Braunkehlchen regelmäßig auf dem Durchzug besucht werden beziehungsweise bis vor kurzem besiedelt waren, sind vermutlich erfolgverspre- chender. Was können lokale Naturschutzgruppen und Landwirte tun, um die Bestände des Braunkehl- chens in Bayern wieder zu stärken? Das Bayeri­ sche Landesamt für Umwelt empfiehlt folgende Abbildung Mit ausge- Maßnahmen: brachten dünnen Bam- • Förderung und Erhalt von Saumbiotopen und busstäben wurden künst­ Brachflächen in der Agrarlandschaft. Mehr liche Singwarten für das Braunkehlchen geschaf- • Unregelmäßiges, mosaikartiges Mähen, Erhalt Feulner, J. (2017): Untersuchung zu Braunkehlchen fen. Die Cluster im Rot- von extensivem Grünland. (Saxicola rubetra) im Rotmaintal bei Kulmbach – Erfolgskontrolle der Artmaßnahme „Künstliche Sitz- maintal wurden im März • Anwendung von Maßnahmen geeigneter Agrar­ und Singwarten“ im Jahr 2016, Bayerisches Landes- 2017 ausgebracht (Foto: umweltprogramme (zum Beispiel Brachestreifen amt für Umwelt (Hrsg.): S. 54; www.bestellen. Jürgen Feulner). am Rand oder in der Mitte des Feldstücks von bayern.de/shoplink/lfu_nat_00323.htm. 5 bis 20 % der Fläche). Bastian, H.-V. & Feulner, J. (2015): Vom Allerweltsvogel • Dichtes Ausbringen der Sitz- und Singwarten in zur Rarität: Ist eine Trendumkehr beim Braunkehl- kreisförmigen Gruppen von zirka 15 m Durch- chen möglich? – Falke 62/10: 12–18. messer (Wartendichte zirka 50–70/100 m2). Lossow, von G. & Rudolph, B.-U. (2015): 35 Jahre Wie- • Ausbringen der Warten noch vor dem Früh- senbrüterschutz in Bayern – Situation, Analyse, jahrszug (bis Anfang April). Bewertung, Perspektiven. – Bayerisches Landesamt • Ausbringung von Bambusstöcken mit einer Län- für Umwelt (Hrsg.): S. 180. ge von etwa 120 cm. Diese erscheinen derzeit Rudolph, B.-U., Schwandner, J. & Fünfstück, H.-J. (2016): am praktikabelsten, weil sie sich einerseits gut Rote Liste und Liste der Brutvögel Bayerns. – Baye- handhaben lassen und gleichzeitig so dünn sind, risches Landesamt für Umwelt (Hrsg.), Augsburg. dass sie sich als Ansitz für Rabenvögel (Corviden)

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Artenschutz Notizen

Umfangreiche Studie bescheinigt Natura 2000 entscheidenden Beitrag zum Schutz europäischer Vögel und anderer Tiergruppen

(Monika Offenberger) Um den länderübergreifenden Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten zu gewährleisten, haben die Mitgliedsstaaten der EU insgesamt 18 Prozent ihrer Landfläche als Schutz- gebiete im Rahmen des Natura 2000-Netzes ausgewiesen. Ein Drittel davon wurde nach der FFH-­ Abbildung Richtlinie wegen ihrer wertvollen Habitate ausgewählt, zwei Drittel gemäß der europäischen Vogel- Der Wiesenpieper (Ant­ schutzrichtlinie zu Vogelschutzgebieten (Special Areas for Conservation, kurz SPA) erklärt. Weitere hus pratensis) kommt in Gebiete gelten nach international anerkannten Kriterien als bedeutend für den Arten- und Biotop- Bayern vor allem im ex- schutz sowie speziell für den Schutz von Vögeln (Important Bird and Biodiversity Areas, kurz IBAs). tensiven Grünland bezie- Eine vergleichende Studie macht deutlich, dass das Natura 2000-Netzwerk mit seinen SPA einen hungsweise in Mooren Großteil der Flächen umfasst, die als IBAs gelten und damit 23 Prozent der Vorkommen von 435 euro- vor. Trotz des Schutzes päischen Vogelarten sowie 25 Prozent der Vorkommen verschiedener Säuger, Reptilien und Amphi- im Rahmen des Natura 2000-Netzes sind die Be- bien sichert. Von einer zusätzlichen Ausweisung bislang nicht geschützter Gebiete insbesondere in stände dieser Art in den Südeuropa könnte ein noch größerer Anteil der betroffenen Arten profitieren. letzten Jahren drama- tisch eingebrochen.

arten nicht ausreichend durch entsprechend aus- gewiesene Gebiete geschützt sind. Ein Team von Wissenschaftlern der Universitäten in Helsinki, Cambridge und Rom unter Leitung der finnischen Geografin Aija Kukkala stellte die in der EU ausge- wiesenen SPAs und IBAs in Bezug zur Verbreitung ausgewählter Tierarten. Dazu erstellte das Team mit Hilfe von Experten bis auf 300 Meter aufgelöste Verbreitungskarten für 435 Vögel, von denen 181 im Anhang I der Vogel- schutzrichtlinie aufgeführt sind, sowie für 179 Säu­ getiere, 138 Reptilien und 85 Amphibien. Außer- dem erfassten die Forscher insgesamt 3.307 IBAs und 4.876 SPAs, die zusammen 14,5 respektive 12,5 Prozent der Landfläche der EU bedecken. Dabei zeigten sich große Überlappungen: 66 Pro- zent der als IBAs eingestuften Flächen sind zu- gleich als SPAs ausgewiesen; 20,3 Prozent der IBAs befinden sich fast vollständig innerhalb von SPAs und nur 24,4 Prozent der IBAs liegen fast vollstän- Die weltweite Ausweisung von Gebieten mit hoher dig außerhalb von SPAs. Gleicht man die Verbrei- Biodiversität und besonderer Bedeutung für Vögel tungsgebiete der ausgewählten Vogelarten mit der geht auf eine Initiative von BirdLife International Lage der Schutzgebiete ab, so zeigen sich kaum in den 1970er-Jahren zurück. Seither hat dieser glo­ Unterschiede zwischen den Schutzgebieten: SPAs bale Verbund aus 120 nationalen Partnerorganisa- (IBAs) decken im Durchschnitt 23 Prozent (25 Pro- tionen mehr als 12.000 Gebiete von herausragen­ zent) der Verbreitungsgebiete einzelner Vogelar­ der Bedeutung für Vögel identifiziert und als IBAs ten und 25 Prozent (28 Prozent) der Verbreitungs- eingestuft. In Europa werden 20 Kriterien zur Eig- gebiete aller anderen betrachteten Tierarten ab. nung als IBAs herangezogen. Zahlreiche wissen- Damit belegt die Studie erstmals, dass sich das SPA-­ schaftliche Untersuchungen bescheinigen dem Netzwerk auf den Landflächen der EU in weiten bestehenden SPA-Netzwerk einen großen Beitrag Teilen mit den nach internationalen Kriterien aus- zum Schutz bedrohter Vogelarten. Andere Studien gewählten IBAs deckt. Außerdem zeigt sie, dass kommen zu einer gegensätzlichen Einschätzung von den IBAs, die ursprünglich wegen ihrer beson­ und beklagen, dass bestimmte europäische Vogel­ deren Bedeutung für Vögel ausgewählt wurden,

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Notizen Artenschutz

darüber hinaus eine relativ große Anzahl von kala ausloten, wie sich das Schutzgebiete-Netzwerk Säugetieren, Reptilien und Amphibien profitiert. möglichst effektiv ausweiten ließe, um die Verbrei­ Als weiteres Ergebnis halten die Autoren fest, dass tungsgebiete gefährdeter Tierarten noch besser die Verbreitungsgebiete als gefährdet eingestufter abzudecken. Ihre Berechnungen zeigen: Mit der Tierarten durch SPAs besser abgedeckt sind als Vergrößerung des SPA-Netzes auf zusätzliche 4,5 die nicht gefährdeter Spezies. Eine Erklärung für Prozent der EU-Landfläche ließen sich 40,4 Pro- diesen Befund könnte die Tatsache liefern, dass zent – also fast das Doppelte von derzeit 22,9 gefährdete Arten in der Regel kleinere Verbrei- Prozent – der Verbreitungsgebiete gefährdeter tungsgebiete haben, die eben deshalb zu einem Vogelarten abdecken und auch ein deutlich hö- größeren Anteil in Schutzgebieten liegen. herer Anteil der Verbreitungsgebiete von Säugern, Reptilien und Amphibien erfassen. Am besten ge- Im Strategischen Plan 2011–2020 für den Erhalt der eignet sind nach Einschätzung der Autoren Ge- Biodiversität haben sich die Vertragsstaaten der biete im Süden der EU sowie an ihren nördlichen Biodiversitätskonvention 20 Kernziele (Aichi Biodi- und östlichen Grenzen. verstity Targets) gesetzt. Eines dieser Ziele besagt, dass bis 2020 mindestens 17 Prozent der Land- und Binnenwassergebiete, insbesondere Gebiete von Mehr besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt Kukkala, A. S. et al. (2016): Coverage of vertebrate und für die Ökosystemleistungen, durch effektiv species distributions by Important Bird and Biodi- und gerecht gemanagte, ökologisch repräsenta- versity Areas and Special Protection Areas in the tive und gut vernetzte Schutzgebietssysteme und European Union. – Biological Conservation 202: andere wirksame gebietsbezogene Erhaltungs- 1–9; www.sciencedirect.com/science/article/pii/ maßnahmen geschützt und in die umgebende S0006320716303135. Landschaft integriert werden muss. Diesem Ziel Der Strategische Plan 2011–2020 für den Erhalt der könnten die EU-Staaten durch die Aufnahme der Biodiversität und die 20 Ziele zu seiner Umsetzung werden vom Bundesamt für Naturschutz online vor- bislang nicht zu Schutzgebieten deklarierten IBAs gestellt: www.bfn.de/themen/biologische-vielfalt/ in das Natura 2000-Netzwerk gerecht werden; da- uebereinkommen-ueber-die-biologische-vielfalt-cbd/ durch würden sich die geschützten Gebiete von instrumente-und-mechanismen-der-cbd/strategischer- derzeit 12,5 auf 17,3 Prozent der Landfläche erhö- plan.html. hen. Darüber hinaus wollte das Team um Aija Kuk-

Neue Studien zu Outdoor-Aktivitäten und der Fluchtdistanz von Vögeln

(Gerti Fluhr-Meyer) Die Fluchtdistanz ist ein beliebtes Maß, um die Auswirkung von Störungen auf Vögel festzustellen. Es handelt sich dabei um die Entfernung, ab der Individuen bei Annäherung von Menschen oder anderen Störfaktoren die Flucht einleiten. Aktuelle Studien haben die Fluchtdistanzen von Vögeln in Reaktion auf menschliche Freizeitaktivitäten untersucht und daraus Empfehlungen zum Schutz und zur Ausweisung von Schutzzonen entwickelt.

Joggen stört Vögel mehr als normales Gehen – vere Fluchtreaktionen (Wegfliegen statt -laufen). das ist das Ergebnis einer australischen Studie. Jogger tauchen schneller im Sichtfeld der Vögel Wissenschaftler verglichen die Auswirkungen von auf und verursachen größeren Lärm als Spazier- Jogging und einfachem Gehen auf die Fluchtdis­ gänger. Die Forscher empfehlen deshalb, nicht nur tanzen von Vögeln auf der Mornington Peninsula, die Art eines eventuell störenden Reizes zu regu- einer Halbinsel 75 km südlich von Melbourne. lieren, sondern auch dessen Geschwindigkeit. Bei acht von zehn untersuchten Vogelarten flogen Auch in einem sogenannten Ramsar-Gebiet, also die Individuen bei der Annäherung von Joggern einem Feuchtgebiet von internationaler Bedeu- früher weg als bei normal gehenden Personen. tung für Watt- und Wasservögel, an der Küste Die Tiere zeigten bei Joggern außerdem intensi­ Nordspaniens wurden Fluchtdistanzen untersucht.

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Artenschutz Notizen

Ziel war, artspezifische Pufferzonen für überwin- folgert der Autor, dass wertvolle Lebensräume ternde Vögel entlang der Routen touristischer von Wasser- und Wattvögeln vor Kitesurfern ge- Boots­touren zur Vogelbeobachtung durch die schützt werden müssten und die Sportart in Wasserläufe im Watt festzulegen. Auf der Grund- Gebieten mit rechtlichem Schutzstatus verboten lage von in den Jahren 2006 bis 2008 und 2012 werden sollte. bis 2015 gemessenen Fluchtdistanzen berechne- Grundsätzlich gilt: Wissenschaftliche Erkenntnisse ten die Wissenschaftler eine generelle Pufferzone zu Fluchtdistanzen sind eine wichtige Grundlage, von 100 m sowie artspezifische Pufferzonen zwi- um Schutzmaßnahmen festzulegen und Schutz- schen 41 und 211 m. zonen auszuweisen. Sie können jedoch nicht ein- Australische Wissenschaftler verglichen den Ein- fach übertragen werden. „Fluchtdistanzen sind art­ fluss von Kanufahren als Freizeitsport und Spazie- spezifisch und hängen von vielen weiteren Fak- rengehen auf die Vogelwelt in Feuchtgebieten toren ab“, sagt Michael Schaad, Mediensprecher Nordwest-Queenslands. Kanufahrer können dort an der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach. in Gebiete vordringen, die für Autofahrer und Fuß­ Entscheidend sind unter anderem die lokalen Ver- gänger unzugänglich sind. Für 13 untersuchte Vo- hältnisse, die Jahreszeit und die Lebensphase (Brut­ gelarten konnten sie zeigen, dass Kanufahrer sich zeit, Revierbildung, Gefiederwechsel und Ähnli­ diesen weiter nähern können als Fußgänger. Ähn- ches). Klar muss auch sein: Flucht ist die stärkste lich wie in der Studie im spanischen Ramsar-Gebiet und auffälligste Art von Vögeln, auf Störun­gen zu (Pufferzone von 100 m für Boote zur Vogelbeo- reagieren. Wenn ein Vogel scheinbar ruhig auf bachtung) errechneten die australischen Forscher seinem Nest sitzen bleibt, bedeutet das nicht, dass einen für Kanufahrer in den Untersuchungsgebie- er unbeeinflusst ist! Auch wenn keine sichtbare ten einzuhaltenden Abstand von etwa 90 Metern. Reaktion erfolgt, können sich Herzschlagraten än- dern oder Stresshormone ausgeschüttet werden. Eine Gesamtschau von 17 bislang veröffentlichten Untersuchungen und Gutachten der Staatlichen Vogelschutzwarte Niedersachsen untersucht den Einfluss von Kitesurfen auf Wasser- und Watvögel. Mehr Die umfangreiche Studie enthält Übersichten über Lethlean, H. et al. (2017): Joggers cause greater avian die Fluchtdistanzen verschiedener Vogelarten zu disturbance than walkers. – Landscape and Urban Kitesurfern und anderen Freizeitaktivitäten. Die Planning 159: 42–47. Ergebnisse zeigen, dass manche Vogelarten allge- McFadden, T. N. et al. (2017): Waterbird responses to mein stark auf Kitesurfer reagieren und schon auf regular passage of a birdwatching tour boat: Impli- große Distanz Alarmverhalten zeigen oder flüchten, cations for wetland management. – Journal for Na- während andere die Sportart selbst in relativ ge- ture Conservation 40: 42–48. ringer Entfernung tolerieren. Grundsätzlich stellt Glover, H. K. et al. (2015): Up the creek with a paddle – Kitesurfen für Vögel, denen die Sportler auf offe­nem avian flight distances from canoes versus walkers. – Wasser begegnen, eine stärkere Störquelle dar, als Wetlands Ecol Manage 23: 775–778. Abbildung Störungen für Vögel, die am Ufer der Gewässer oder im Watt Krüger, T. (2016): Zum Einfluss von Kitesurfen auf Was- durch Freizeitaktivitäten: rasten. Übertroffen wird Kitesurfen hinsichtlich sei- ser- und Watvögel – eine Übersicht. – Informations­ Ein einzelnes Kanu kann ner Störwirkung lediglich von motorbetriebenen, dienst Naturschutz Niedersachsen 1: 3–66. Hunderte von Vögeln schnell fahrenden Booten. Aus den Ergebnissen aufscheuchen (Stephan Trösch).

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Abbildung 1 Der Amei- senbuntkäfer (Thanasimus Mareike Kortmann, Jörg Müller und Simon Thorn formicarius) gehört zu den natürlichen Feinden ver- 100 Jahre Kampf gegen den Borkenkäfer schiedener Borkenkäfer, wie beispielsweise dem Buchdrucker (Ips typo- graphus). Der Name des Ameisenbuntkäfers be- Trotz Gegenmaßnahmen nimmt der jährliche Holzverlust durch Borkenkäfer in Europas Wäldern zu. gründet sich im Ausse- Sogenannte Sanitärhiebe sind zur wichtigsten Gegenmaßnahme der Forstwirtschaft geworden, um hen und Bewegungsab- Ausbrüche des Buchdruckers (Ips typographus) einzudämmen. Sie sind wohl die effizienteste direkte lauf, die einer Waldamei- Kontrollmaßnahme, bringen jedoch gleichzeitig viele negative Folgen für den Naturschutz mit sich. se ähneln (Foto: © Beat Daher wird immer öfter ein nachhaltigerer Umgang mit Störungsflächen und der Einsatz indirekter Wermelinger). Maßnahmen gefordert. Schon vor hundert Jahren untersuchten amerikanische Entomologen, darunter Frank Cooper Craighead, an verschiedenen Fallbeispielen die Effizienz unterschiedlicher Maßnahmen gegen Borkenkäferausbrüche in den Wäldern Nordamerikas. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Effi- zienz vor allem bei direkten Kontrollmaßnahmen durch vielfältige Einflussfaktoren selten zufrieden- stellend und gleichzeitig schwer zu evaluieren ist.

Zwischen 1906 und 1930 wurden in unterschied- sogenannte Riesenbastkäfer (Dendroctonus brevi- lichen Projekten in Nordamerika insgesamt etwa comis) in den Staaten der Pazifikküste (zirka 600 ha) eine Million Dollar für die Borkenkäferbekämpfung sowie in Arizona (zirka 6.500 ha) und der Bergkie- ausgegeben. Das entspricht einem heutigen Ge- fernkäfer (Dendroctonus ponderosae) in den Rocky genwert von etwa 30 Millionen Euro. Da solche Mountains (400.000 ha). Um diese Borkenkäfer zu Maßnahmen schon damals sehr zeit-, kosten- und bekämpfen, wurden befallene Bäume gefällt und arbeitsintensiv waren, sollten in einer Studie von deren Rinde verbrannt, Fangbäume ausgebracht, Frank Cooper Craighead die Ergebnisse dieser aber auch die sogenannte Solar Heat-Methode Projekte kritisch kontrolliert und bewertet werden verwendet, bei der die Käfer in befallenen Stäm- (Craighead et al. 1931). Bekämpft wurden damals men durch Sonneneinstrahlung getötet werden von Staats- und Privatforsten unter anderem der sollten. Einige dieser Methoden sind heute – nicht

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zuletzt auch wegen fataler Folgen für die Umwelt – wie Dreizehenspecht (Picoides tridactylus) oder überholt, jedoch erwähnte Craighead damals schon Mopsfledermaus Barbastella( barbastellus) geschaf­ Strategien, die auch heute noch brandaktuell sind. fen werden (Wesolowski et al. 2005; Kortmann et al. 2017). Holzauge sei wachsam! Eine aktuelle Studie, die sich mit den Auswirkun­ Um Borkenkäferausbrüche möglichst früh zu er- gen verschiedener Maßnahmen gegen Ausbrüche kennen, empfahl Craighead schon vor 100 Jahren, von Dendroctonus ponderosae befasst, kam zu potenziell gefährdete Bestände regelmäßig zu kon­ dem Schluss, dass ein Ausdünnen der Bestände trollieren und dabei auf rotverfärbte Baumkronen die nachhaltigsten Ergebnisse erzielt und gleich- zu achten. Dadurch sollten einsetzende Ausbrüche zeitig am besten die Ökosystemleistungen der frühestmöglich erkannt und nötige Gegenmaß- Wälder erhält (Gillette et al. 2014). Dazu gehören nahmen an den befallenen Bäumen veranlasst unter anderem Speichern von CO , Erhalt eines werden. Im Falle einer Epidemie sollten innerhalb 2 stabilen Wasserregimes sowie Erhalt des Bodens. einer Saison im gesamten Gebiet, wenn möglich, Ein variables Ausdünnen innerhalb der Bestände 100 % der befallenen Bäume behandelt werden. führt zudem zu einer räumlichen Variabilität der Auch heute noch sind das Borkenkäfermonitoring Waldstruktur, was wiederum zur Verbesserung der und die damit verbundenen Sanitärhiebe eines der wichtigsten Instrumente, um Borkenkäferaus- Habitatqualität für viele Arten, wie zum Beispiel brüche zu erkennen und anschließend einzudäm- Singvögel, beiträgt. Zusätzlich entsteht durch die men. Dabei werden Bäume, die befallen sind oder Auflichtung der Bestände ein höheres und vielfäl- waren, gefällt und unbehandelt in der Rinde aus tigeres Vorkommen an sommergrünen Sträuchern, dem Bestand entfernt oder vor Ort entrindet. die unter anderem eine wichtige Nahrungsquelle Solche Sanitärhiebe bringen jedoch einige nega- für viele Taxa darstellen (Wilson & Puettmann tive Konsequenzen für das Ökosystem mit sich. 2007; Verschuyl et al. 2011). Dieses Prinzip lässt sich Der Einsatz schwerer Maschinen beschädigt den auch auf den Buchdrucker anwenden. Die nötige Boden, das Entfernen der Vegetation ändert das Bestandsdichte, die dabei erreicht werden sollte, Wasserregime und fördert invasive Arten (Linden- um positive Auswirkungen auf die Vitalität des Abbildung 2 mayer et al. 2012). Zudem nimmt die Artenvielfalt Bestandes zu erzielen, hängt dabei wiederum stark Ein typisches Bild an einer einiger Taxa nach solchen Eingriffen stark ab. von den lokalen Standortbedingungen sowie der amerikanischen Kiefer (Pi- Vor allem an Totholz gebundene Arten sind davon Baumartenzusammensetzung ab (Abbildung 2). nus sp.), die sich durch betroffen (Thorn et al. 2017). Durch das Belassen Durch das in Mitteleuropa geringe Vorkommen starkes Harzen gegen den befallener Bäume im Wald können dagegen na- ungemanagter Forstbestände sind wissenschaft- Befall von Borkenkäfern türliche Feinde des Buchdruckers gefördert wer- liche Analysen zu Einflüssen verschiedener wald- der Gattung Dendroctonus baulicher Faktoren auf natürliche Störungen je- schützen (Foto: © Simon den (Abbildung 1) und Habitate für seltene Arten Thorn). doch eine Seltenheit (Senf & Seidl 2017). Um die Notwendigkeit von Sanitärhieben und die damit verbundene Störung des Ökosystems dagegen so gering wie möglich zu halten, ist es ratsam, vermehrt auf solche indirekten Maßnah- men wie das Ausdünnen der Bestände zu setzen. Auch hier sollten jedoch die forstlichen Eingriffe so schonend wie möglich durchgeführt werden, um eine Beschädigung des Bodens sowie des restlichen Bestandes möglichst zu vermeiden (Gillette et al. 2014).

Kleine Käfer, große Wälder Wie der Befall eines Bestandes abläuft, hängt nicht nur von der Käferpopulation vor Ort ab, sondern wird zudem maßgeblich von vielen zum Teil groß­ räumigeren Faktoren beeinflusst. Dazu gehören klimatische Faktoren und der Zustand der umge- benden Bestände. Für ein erfolgreiches Manage- ment ist es daher von großer Bedeutung, ganze Regionen und nicht nur einzelne Bestände zu be- rücksichtigen, wie auch die damaligen Wissen-

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Abbildung 3 Im Gegen- schaftler in Amerika bemerkten. Die Aktualität lyse der Wirksamkeit verschiedener gängiger Me- satz zu Wirtschaftswäldern verzichten Nationalparks dieser Empfehlung wird von einer neueren Studie thoden zur Borkenkäferbekämpfung durchzuführen. auf jegliche Eingriffe unterstützt, in der Rupert Seidl und Kollegen zei- Grund dafür ist, dass die Waldbesitzer per Gesetz während und nach na- gen konnten, dass die Borkenkäferausbrüche im dazu verpflichtet sind, sämtliche vom Buchdru­cker türlichen Störungen. Im Nationalpark Bayerischer Wald maßgeblich von befallenen Bäume zu entfernen (Abbildung 3). Nationalpark Bayerischer großklimatischen Bedingungen in der Umgebung Damals wie heute verhindert dieses Vorgehen je- Wald sind dadurch große des Nationalparks abhängen (Seidl et al. 2015). doch eine unkomplizierte und direkte Erfolgskon- Flächen entstanden, die trolle der durchgeführten Bekämpfungsmaßnah­ unter anderem durch Außer Kontrolle men. Bis heute ist unklar, welche Faktoren den Rück­ Auflichtung und Totholz­ Craighead musste im Laufe seiner Beobachtun­ gang von Populationen des Buchdruckers steuern. anreicherung Habitate für gen verschiedener Projekte feststellen, dass kaum viele seltene Arten bieten Daten vorlagen, ob nach Abschluss eines Projekts Im Gegensatz zum Buchdrucker ist der amerika- (Foto: © Simon Thorn). ein erneuter Befall aufgetreten war oder ob die nische Dendroctonus frontalis wissenschaftlich sehr Maßnahmen, wie erwünscht, längerfristig zum intensiv untersucht worden und kann effizient Rückgang der Käferpopulationen geführt hatten. bekämpft werden. Vor allem das Ausdünnen der Zudem wurden damals in Amerika keine ausrei- Bestände entsprechend der lokalen Bedingungen chenden Kontrollflächen festgelegt, also Flächen, und Baumarten wird erfolgreich eingesetzt, um auf denen keine Gegenmaßnahmen durchgeführt die Vitalität der Bestände zu optimieren und die wurden. Durch ihr Fehlen konnte damals der Ein- Anfälligkeit gegenüber Borkenkäferausbrüchen zu fluss der eigentlichen Bekämpfungsmaßnahme minimieren (Coulson & Klepzig 2011). gegenüber diversen anderen Umweltfaktoren oftmals kaum ermittelt werden – die direkte Er- Fazit folgskontrolle war also nicht möglich. Schon vor 100 Jahren mussten Forstentomologen Auch heute noch macht der Mangel an Kontroll- bei dem Versuch einer Auswertung von Borken- flächen es nahezu unmöglich, eine handfeste Ana­ käferbekämpfungsmaßnahmen feststellen, dass

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zahlreiche Probleme dieses Vorhaben erschweren. Craighead, F. C., Miller, J. M., Evenden, J. C. & Keen, F. P. Der Mangel an Daten, die ungeklärte Wirkung na- (1931): Control work against bark in western türlicher Einflussfaktoren, die unterschiedlichen forests and an appraisal of its results. – Journal of Zielsetzungen in den einzelnen Gebieten, aber Forestry 29(7): 1001–1018. vor allem der Mangel an Kontrollflächen erlaub­ten Gillette, N. E., Wood, D. L., Hines, S. J., Runyon, J. B. & kaum evidenzbasierte Empfehlungen für ein zu- Negro, F. (2014): The Once and Future Forest: Con- künftiges effizienteres Management von Borken- sequences of Mountain Pine Treatment De- cisions. – Forest Science 60: 527–538. käferausbrüchen. Durch den voranschreitenden Klimawandel und den damit einhergehenden Kortmann, M., Hurst, J., Brinkmann, R., Heurich, M., Anstieg der Ausmaße solcher Ausbrüche wird die Silveyra Gonzalez, R., Müller, J. et al. (2017): Beauty and the beast: how a bat utilizes forests shaped by Effizienz des Managements jedoch immer bedeu- outbreaks of an pest. – Conservation: tender. Obwohl der Buchdrucker in Europa heut- 1–10. zutage zu den am besten untersuchten Forst­in­sek­ Lindenmayer, D. B., Burton, P. J. & Franklin, J. F. (2012): ten zählt und Managementmaßnahmen über die Salvage logging and its ecological consequences. – Jahrzehnte kontinuierlich verbessert wurden, sollte 1st edn. Island Press. auch hier in Erwägung gezogen werden, in Zu- Seidl, R., Müller, J., Hothorn, T., Bässler, C., Heurich, kunft vermehrt auf wissenschaftsbasierte indirekte M. & Kautz, M. (2015): Small beetle, large-scale Kontrollmaßnahmen wie Ausdünnen zu setzen drivers: how regional and landscape factors affect (Vega & Hofstetter 2014). Der Einsatz von Kontroll­ outbreaks of the European spruce bark beetle. – flächen, auf denen auf direkte Maßnahmen ver- Journal of Applied Ecology.

zichtet wird, würde zudem erlauben, die Methoden Senf, C. & Seidl, R. (2017): Natural disturbances are spa- zu optimieren und bestehende Wissenslücken zu tially diverse but temporally synchronized across füllen. temperate forest landscapes in Europe. – Global Change Biology: 1–11.

Literatur Thorn, S., Bässler, C., Burton, P. J., Cahall, R. E., Camp- bell astro Coulson, R. N. & Klepzig, K. (2011): Southern pine , J. L., C , J. et al. (2017): Impacts of salvage beetle II. – Southern Research Station, 200 W.T., logging on biodiversity – a meta-analysis. – Journal Weaver Blvd., Asheville, NC 28804. of Applied Ecology, in press. Vega, F. E. & Hofstetter, R. W. (Eds., 2014): Bark beetles: biology and ecology of native and invasive species. – Academic Press.

Verschuyl, J., Riffell, S., Miller, D. & Wigley, T. B. (2011): Autorin und Autoren Forest Ecology and Management Biodiversity re- Mareike Kortmann, sponse to intensive biomass production from forest Jahrgang 1992. thinning in North American forests – A meta-analy- Bachelorstudium der Biologie in Kiel und anschlie- sis. – Forest Ecology and Management 261: 221–232. ßendes Masterstudium Wildtierökologie und Wild- Wesolowski, T., Zeszczewik, D. & Rowinski, P. (2005): tiermanagement in Wien. Seit 2017 Doktorandin an Effects of Forest Management on Three-toed Wood­ der Ökologischen Station Fabrikschleichach der pecker Picoides tridactylus Distribution in the Biało- Universität Würzburg. Arbeitsschwerpunkte sind wieża Forest (NE ): Conservation Implica- natürliche Störungen und Naturschutzkonzepte in tions. – Acta Ornithologica 40: 53–60. Wäldern. Wilson, D. S. & Puettmann, K. J. (2007): Density mana­ Forschungsstation Fabrikschleichach gement and biodiversity in young Douglas-fir forests: der Universität Würzburg Challenges of managing across scales. – Forest +49 931 3188740 Ecology and Management 246: 123–134. [email protected]

Prof. Dr. Jörg Müller, Jahrgang 1973. Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald +49 8552 9600 179 [email protected] Dr. Simon Thorn, Zitiervorschlag Jahrgang 1988. Forschungsstation Fabrikschleichach der Kortmann, M., Müller, J. & Thorn, S. (2018): 100 Jah- Universität Würzburg re Kampf gegen den Borkenkäfer – ANLiegen +49 931 3183057 Natur 40(1): 29–32, Laufen; www.anl.bayern.de/ [email protected] publikationen.

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Abbildung 1 Unter Alteichen hat ein Elmar Pfau Unterstand aus Schatt­ laubholz von Winterlinde Der Weg zur Eiche führt durch und Hainbuche das Keim­bett bereitet. Junge die Dunkelheit ans Licht Eichen keimen darin in hoher Dichte (alle Fotos: Elmar Pfau).

Die Erhaltung von Eichenwäldern ist von hohem naturschutzfachlichen und landeskulturellen Stellen­ wert. Bedeutung erfährt diese Aufgabe durch die Verpflichtung zur Erhaltung von Eichen-Lebensraum­ typen im Zuge der Umsetzung von Natura 2000. Die Verjüngung der Eichenwälder gestaltet sich al­ lerdings oft schwierig und die Bestandsentwicklung führt in vielen Fällen hin zu anderen Baumarten. Ein günstiger Weg der Erneuerung der Eichen-Lebensraumtypen führt über ein unkonventionelles Zwischenziel: Einen Unterstand aus lebensraumtypischen Schattbaumarten. Das zeigen Praxiserfah­ rungen aus dem Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet „Vorderer Steigerwald mit Schwanberg“.

1. Die Herausforderung der Verjüngung der Eiche sowie die im Eichenwald vorkommen­ von Eichenwäldern den Habitate der Arten der Fauna-Flora-Habitat-­ Eichenwälder bieten vielfältige, wertvolle Habita­ Richtlinie (FFH-RL) und der Vogelschutzrichtlinie te für zahlreiche geschützte Arten, darunter (VS-RL) zu erhalten. Schirmarten im europäischen Netz Natura 2000 Die aktuelle Verbreitung der Eichenwälder in Bay­ wie Hirschkäfer, Mittelspecht und Halsbandschnäp­ ern ist vielfach Folge der bis ins Mittelalter zurück­ per. Als „Waldlabkraut-„ oder „Sternmieren-Eichen-­ gehenden Mittelwaldwirtschaft. Inzwischen werden Hainbuchenwald“ sind sie selbst geschützte Le­ viele Eichenwälder aber nicht mehr nach dieser bensraumtypen (LRT 9160 und 9170). Die Bundes­ Tradition bewirtschaftet. Damit entfällt die Einwir­ republik Deutschland hat sich verpflichtet, diese kung, die die Herrschaft der Eiche vielerorts be­ Eichen-Lebensraumtypen, ihre Fläche, die Anteile gründet hat. In der neuen Waldgeneration ist die

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Baumart nicht mehr so stark vertreten. Das wirft Hat sich der Keimling erfolgreich etabliert, steht die dringende Frage auf, wie die ererbten Eichen­ meist schon Verjüngung anderer Baumarten bereit: bestände erhalten und insbesondere erfolgreich Esche, Bergahorn, Rotbuche und Hainbuche su­ verjüngt werden können. chen ihre Chance und sie wachsen meist schneller als die jungen Eichen. Die Natur stellt die Weiche also zunächst in eine andere Richtung – weg von der Baumart Eiche (Abbildung 2). Um die Anteile der Baumart dennoch zu erhalten, werden aufwendige Bemühungen zur Pflege un­ ternommen. Wissenschaftler suchen derweil nach Einflussfaktoren für den Erfolg der Verjüngung von Eichenbeständen. Ein Blick in die bis heute erhal­ tenen Mittelwälder im Vorderen Steigerwald kann hier von Nutzen sein.

3. Durch die Dunkelheit ans Licht Für die Verjüngung der Eiche werden zu Recht lichte Verhältnisse als Voraussetzung angesehen, offenbar spielt aber auch Dunkelheit eine wich­ tige Rolle: Im Mittelwald bilden Winterlinde und Hainbuche oft ein dichtes Unterholz. Dort kann man am Boden beobachten, dass eine neue Ge­ neration von Eichen anfangs ausgesprochen gute Abbildung 2 Ein häufi­ Keimungsbedingungen findet (siehe Abbildung 1). ges Bild im Eichenwald: 2. Hürden auf dem Weg zur Im tiefen Schatten sind die Sämlinge erst einmal Die Entwicklung geht im erfolgreichen Eichenverjüngung durch Gras und folglich durch Mäusefraß kaum Augenblick hin zu ande­ gefährdet. Früher nannte man das auch „Ammen­ Bei der Verjüngung von Eichenbeständen gibt es ren Baumarten wie Esche, wirkung“. Rotbuche, Hainbuche viele Hürden: Schon die Keimlinge sind großen oder Bergahorn. Gefahren ausgesetzt – nicht nur durch Wildverbiss. Unter den Winterlinden und Hainbuchen ist es zu Die lichten Kronen der Alteichen lassen viel Licht dunkel für Verjüngungspflanzen anderer Baum­ arten. Wenn die Sämlinge der Eiche jetzt Licht Abbildung 3 auf den Boden, was die Entwicklung einer üppigen Die Verjün­gung von Ei­ Grasschicht fördert. Diese bedrängt die Jungpflan­ erhalten, sind sie nicht von Beginn an der Konkur­ chenbeständen ist ein­ zen und zieht eine hohe Mäusepopulation nach renz von Verjüngungspflanzen anderer Baumarten facher, wenn man zuerst sich, die wiederum die jungen Eichen schädigt. ausgesetzt, die sich bereits etabliert haben. günstige Ausgangsbedin­ „Gras – Maus – Aus“ sagen die Förster dazu. Noch besser als im Mittelwald, in dem ein erheb­ gungen schafft. licher Teil der Eichenverjüngung über den Stock­ ausschlag und nicht über Keimlinge erfolgt, lässt ungünstige günstige sich diese Erfahrung in den ehemaligen Mittel­ Verjüngungsbedingungen Verjüngungsbedingungen wäldern nutzen, die in Hochwald überführt wurden. Denn hier kann es von Vorteil sein, nicht den di­ rekten Weg zu einer neuen Eichengeneration zu beschreiten, sondern zuerst verjüngungsfreund­ liche Bedingungen zu schaffen. Die Abbildung 3 zeigt schlaglichtartig die Eckpunkte dieser Vorge­ hensweise. Bei dem Versuch, die Eiche zu verjüngen, stehen andere Baumarten, wie Eschen oder Hainbuchen, Schattlaubholz Keimlinge nach häufig schon bereit und überholen diese in ihrem unter Alteichen Eichenmast Wachstum (Abbildung 3, links oben). Hier wäre es aufwendig und oft wenig erfolgversprechend, ge­ gen die Wuchsüberlegenheit der anderen Baum­ arten anzukämpfen – vorteilhafter ist es, sich diese dienstbar zu machen. Statt sie als Widersacher zu betrachten, fördert man die Hainbuchen und Winterlinden und lässt

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sie getrost die Eichen überholen und überwach­ sen – mit dem Ziel einer dichten Baumschicht, die aber noch nicht fruktifiziert. Dieser gewünschte Schattenspender ist – etwas Geduld vorausge­ Abbildung 4 Mit den setzt – einfach zu bekommen: Werden die Begleit­ richtigen Zwischenschrit­ baumarten der Eiche nach und nach entnommen, ten ist der Weg zu einer mit den Starken beginnend, entsteht im Laufe der erfolgreichen Eichenver­ Zeit ein gleichförmiger Unterstand (Abbildung 3, jüngung leichter. links unten). Dieser schafft die gewünschten Kei­ mungsbedingungen für die nachfolgende Eichen­ generation. Ein Vorzug ist dabei die Ausnutzung von natür­ Nach dem Aufschlag einer Mast wird die Saat auf­ lichen Prozessen. Womöglich ähnelt der Ablauf gehen (Abbildung 3, rechts unten). Unter den den Verjüngungsvorgängen in Naturwäldern mit standörtlichen Bedingungen im Vorderen Steiger­ Eiche: Etwa, wenn dort durch den Fall eines Alt­ wald überleben die Keimlinge – anders als andern­ baumes eine Lücke in einen dichten Unterstand orts – einige Jahre im Schatten. Auf den Zwei­ geschlagen wird, die von Eichenkeimlingen ge­ schichtböden im Keuper durchdringt die Trauben­ nutzt werden kann. Hier wird diese Situation durch eiche bereits im Jahr der Keimung mit ihrer Primär­ den Eingriff in die Unterschicht nachgeahmt. wurzel die schluffig-lehmige Auflage von 30 bis Das ist auch geboten, denn wegen ihrer hohen 40 cm und erreicht die darunterliegende Tonschicht. Lebensdauer mögen seltene Konstellationen in Sämlinge sind unter diesen Bedingungen optimal manchem Naturwald für eine Beteiligung der mit Wasser und Nährstoffen versorgt und kommen Baumart ausreichen – zur Erhaltung der Lebens­ deshalb einige Jahre mit weniger Licht zurecht raumtypen, mit ihren in der Regel anthropogen (Albrecht 2017, mündliche Mitteilung). Der beschat­ erhöhten Eichenanteilen, kann die Verjüngung der tende Unterstand hat jetzt seine Funktion erfüllt Eiche aber nicht dem Zufall überlassen werden. und kann, ähnlich dem Unterholz im Mittelwald, entnommen werden. Er ist – in der Sprache des 4. Hainbuche und Winterlinde – Fußballs ausgedrückt – in die Abseitsfalle geraten. Heilkräuter für den Eichenwald In den Mittelwäldern im Vorderen Steigerwald fehlt Eine neue Generation junger Eichen kann ihren das dienende Schattlaubholz teilweise. Dort ist Wettlauf unter günstigeren Voraussetzungen be­ Geduld nötig, bis es eingewandert ist und Erfolg ginnen (Abbildung 3, rechts oben): Gras und Mäuse versprechende Bedingungen für eine Verjüngung haben an Bedrohlichkeit verloren und die Prämis­ der Eichen geschaffen sind. Hainbuchen und se bei der Verjüngung von Eichenbeständen, nach Winterlinden können hier aktiv gefördert werden. der die Verjüngung anderer Baumarten immer Die Etablierung des Unterstandes braucht mög­ schon vorhanden ist, trifft nicht mehr zu. Häufig licherweise längere Zeit – die man bei der Eiche werden allerdings die Hainbuchen, Winterlinden allerdings hat. Die Reproduktionskapazität der und Feldahorne Stockausschläge ausbilden, die Baumart muss derweil erhalten bleiben – die Alt­ die Eichenverjüngung bedrängen. Diese müssen eichen sollten daher möglichst noch belassen im Zuge der Jungwuchspflege entnommen wer­ werden. den. Auch eine Grasschicht kann sich rasch ein­ stellen, wenn die Verjüngungspflanzen plötzlich Auch Begleitbaumarten wie Feldahorn, Elsbeere freigestellt werden – eine schrittweise Auflichtung und Feldulme sind als Schattenspender geeignet. empfiehlt sich daher. Falls die Verjüngung der Eiche Bestände, die von Esche unterwandert sind, neigen nicht erfolgreich ist, lässt sich der Versuch auch dagegen dazu, eine dichte Grasschicht auszubil­ dank der Stockausschlagfähigkeit der lebensraum­ den und bieten damit schlechte Voraussetzungen typischen Baumarten leicht wiederholen, wenn für die Entwicklung von Eichen-Keimlingen. Alteichen als Samenbäume verblieben sind. Der geschicktere Weg zur neuen Generation führt in diesem Fall über einen Umweg, den Unterstand Im Blickpunkt steht bei dieser Vorgehensweise die aus dienendem Schattlaubholz: Hainbuche und Identifizierung von Flächen mit aussichtsreichen Winterlinde – Heilkräuter für den Eichenwald! Ausgangsbedingungen für eine Verjüngung der Eichen. Wo sie gegeben sind, kann hoffnungsvoll Gelingt das mit der Rotbuche ebenso wie mit verjüngt werden. Auf der überwiegenden Fläche Hainbuche & Co.? Ökologische Unterschiede die­ wird das nicht der Fall sein, dort muss man die ser Baumarten dürften hier weniger bedeutend optimalen Bedingungen – rechtzeitig vor dem sein, eher psychologische und ökonomi­sche: Verjüngungsgang – herbeiführen, indem man das Aus der Mittelwaldwirtschaft ist man die Entnahme Schattlaubholz belässt und fördert. von Brennholz in Form von Linden- und Hainbu­

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chen-Stangen gewohnt. Bei der Rotbuche steht Strukturreichtum der Eichenwälder auch nach dieser eher die Werterwartung des Buchen-­Stamm­ Aufgabe der alten Bewirtschaftungsweise bei der holzes entgegen. Allerdings bildet die Rotbuche Verjüngung der Bestände zu erhalten. unter den klimatischen und standörtlichen Bedin­ Das FFH-Gebiet „Vorderer Steigerwald mit Schwan­ gungen des Vorderen Steigerwaldes nur selten berg“ weist in Deutschland mit über 6.200 ha die Stockausschläge. größte Fläche an Eichen-Lebensraumtypen auf. Der Zwischenschritt eines Schattlaubholz-Unter­ Der größere Teil davon befindet sich mittlerweile standes hat weitere Vorzüge: Sind weniger Mit­ in Überführung in Hochwald. Die Mortalität der bewerber anderer Baumarten im Spiel, reicht den jungen Eichen ist ausgesprochen hoch – man fin­ jungen Eichen ein geringeres Lichtangebot für det ein gewaltiges Verjüngungspotenzial, aber den Verjüngungserfolg. Daher können mehr Alt­ nur verhältnismäßig geringen Verjüngungserfolg. eichen belassen werden. So bleiben der Struktur­ Maßgeblich für diese negative Entwicklung sind reichtum des Bestandes und die Faunentraditionen neben dem selektiven Wildverbiss die beschriebe­ besser erhalten. Als ausgeprägte Schattbaumarten nen Faktoren der Lichtkonkurrenz und die Benach­ beeinflussen Hainbuche und Winterlinde auch das teiligung der Eiche gegenüber raschwüchsigeren Bestandsklima positiv, sie mildern Temperaturex­ Begleitbaumarten. Zur Erhaltung der Lebensräume treme und dienen so dem Schutz vor biotischen ist die bessere Ausnutzung und Förderung des Gefährdungen durch Schmetterlinge der Eichen- vorhandenen Potenzials nötig. Die hier beschriebe­ F ­raßgesellschaft. ne Vorgehensweise hat Eingang in den Manage­ mentplan für das FFH-Gebiet gefunden (AELF Uf- 5. FFH-Management zur Erhaltung von fenheim). Eichen-Lebensräumen Dabei musste auch der Konflikt mit den Habitat­ Um der Konkurrenz der Rotbuche entwachsen zu ansprüchen von lichtbedürftigen FFH-Schmetter­ können, benötigt die Verjüngung der Eiche aus­ lingsarten Beachtung finden, die im Gebiet vorkom­ reichend Licht – die Förster wurden nicht nur im men. Kleiner Maivogel, Goldener Scheckenfalter Spessart von dieser Erfahrung geprägt. Die Eichen­ und Heckenwollafter benötigen lichte Bereiche. wälder im Spessart entsprechen allerdings über­ Im FFH-Managementplan für den Vorderen Steiger­ wiegend nicht einem FFH-Lebensraumtyp. wald wurde daher in den Habitaten beziehungs­ Anders als im Spessart – wo die standörtlichen weise den Maßnahmenflächen für diese Schmet­ Voraussetzungen für diese Bewirtschaftungsweise terlingsarten von dem Ziel der Förderung von fehlen – wurden Eichen-Lebensraumtypen früher Schattlaubholz abgesehen. oftmals als Mittelwald bewirtschaftet. Dieser bie­ Winterlinde und Hainbuche sind ebenso Haupt­ tet wiederkehrend lichte Phasen, die für die Betei­ baumarten des Lebensraumtyps, eine Fläche be­ ligung der Baumart Voraussetzung sind. hält daher ihre Eigenschaft als FFH-Lebensraum­ Mittelwälder sind gleichzeitig ausgesprochen typ, wenn sie unter wenigen Eichen den Bestand strukturreich. Ein wichtiger Grund für die hohe prägen. Solange noch Alteichen als Samenbäume Artenvielfalt im Mittelwald liegt in den Habitaten vorhanden sind, muss man in einem zeitweiligen an den Alteichen. Die Verjüngung von Eichenwäl­ Unterstand von Hainbuche und Winterlinde kei­ dern geht also trotz des Lichtbedarfs der Baumart nesfalls eine Wegentwick­lung vom Lebensraum­ nicht grundsätzlich mit einem weitgehenden Ver­ typ sehen, sondern man kann darin eine Chance lust des Strukturreichtums einher. Es gilt, diesen zu dessen Erneuerung erkennen.

Literatur AELF Uffenheim (= Amt für Ernährung, Landwirt- Autor schaft und Forsten Uffenheim; Hrsg., 2017): Mana­ gementplan für das FFH-Gebiet 6327-371 „Vorderer Elmar Pfau, Steigerwald mit Schwanberg“. Jahrgang 1971. Studium von „Wald und Forstwirtschaft“ an der Fachhochschule Weihenstephan. Ab 2009 im Dienst der Bayerischen Forstverwaltung. Seit 2010 im Re­ gionalen Kartierteam Mittelfranken für die Erstellung von FFH-Managementplänen zuständig. Zitiervorschlag Amt für Ernährung, Landwirtschaft Pfau, E. (2018): Der Weg zur Eiche führt durch die und Forsten Ansbach Dunkelheit ans Licht – ANLiegen Natur 40(1): + 49 9851 5777 46 33–36, Laufen; www.anl.bayern.de/publikatio [email protected] nen.

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Abbildung Borkenkäferfläche im Nationalpark Bayerischer Wald. Durch das Abster­ Wie der Borkenkäfer geeignete Habitate für ben der Fichten entsteht eine deutliche Auflich­ die Mopsfledermaus schafft tung der Bestände, die Nachtfalter und andere Insekten für die Mopsfle­ dermaus zugänglicher (Mareike Kortmann, Johanna Hurst & Robert Brinkmann) Aktuelle Untersuchungen im Nationalpark macht. Die Fichten zeigen Bayerischer Wald haben gezeigt, dass durch Borkenkäferbefall abgestorbene Fichten ideale Habitate charakteristische Rinden­ für die Mopsfledermaus Barbastella( barbastellus) bieten. Die Auflichtung der Bestände, die damit ein­ taschen, unter denen hergeht, schafft zudem geeignete Jagdgebiete. An den toten Fichten bilden sich durch abplatzende Wochenstuben der Mops­ Rinde sogenannte Rindentaschen, die als Wochenstuben genutzt werden. In starken Befallsjahren fledermaus gefunden kommt es immer wieder vor, dass einzelne Bäume oder Baumgruppen bei der Waldpflege übersehen wurden (Foto: Freiburger werden, die als Biotopbäume im Bestand verbleiben können. Die Ergebnisse erschienen in der Fach­ Institut für angewandte Tierökologie). zeitschrift „Animal Conservation“ (Kortmann et al. 2017).

Seit über drei Jahrzenten dürfen Borkenkäfer in Anfängen noch relativ unklar, bestätigte sich durch der Kernzone des Nationalparks Bayerischer Wald die Forschung im Park jedoch mehr und mehr, ehemalige Wirtschaftswälder in die Wildnis der dass Borkenkäferflächen Teil natürlicher Prozesse Zukunft umwandeln. Ermöglicht hat dies das Motto sind, durch die viele Tier- und Pflanzenarten Le­ des Nationalparks „Natur Natur sein lassen“. Waren bensraum gewinnen. Vor allem Totholzbewohner, die Folgen solcher Borkenkäferausbrüche in den wie seltene Käfer und Pilze, zählen zu den Gewin­

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 37

Waldnaturschutz Notizen

nern auf den offenen, lichtdurchfluteten Flächen. Ausfliegen beobachtet werden. Wochenstuben Im Gegensatz dazu ist die Reaktion von Arten, die der Mopsfledermaus wurden in diesem Projekt nicht direkt an Totholz gebunden sind, oft deut­ ausnahmslos unter Rindenschuppen von Fichten lich schwerer vorhersehbar. gefunden, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefal­ len waren. Die Mopsfledermaus Barbastella( barbastellus) ist eine europaweit geschützte Fledermausart, die Zudem suchten sich die Tiere Bäume als Quartier Wälder von Italien bis Finnland bewohnt. Diese, aus, die von vitalen, unbefallenen Fichten umge­ auf den Fang von Nachtfaltern spezialisierte Fle­ ben waren. Da Muttertiere während der Aufzucht dermausart, zieht ihre Jungen in Quartieren auf, ihres Nachwuchses sehr sensibel sind, könnte ih­ die vor allem tote Bäume bereitstellen. Im Gegen­ nen die Deckung dieser Bäume in der Dämme­ satz zu vielen anderen Arten nutzt Sie dafür aller­ rung als Schutz gegen natürliche Feinde wie dem dings keine alten Spechthöhlen, sondern bezieht Waldkauz dienen. Kleine Inseln abgestorbener Fich­ Quartiere unter abstehender Rinde. ten in sonst vitalen Beständen scheinen daher be­ sonders gut geeignete Quartiermöglichkeiten für Hohe Jagdaktivität auf Käferflächen die Mopsfledermaus zu bieten. Im Durchschnitt Auf Borkenkäferflächen im Nationalpark Bayeri­scher waren die Fichten mit Wochenstuben zudem deut­ Wald wurde nun von Mitarbeitern des National­ lich dicker als Nachbarbäume. Ihr Brusthöhen­ parks in Zusammenarbeit mit dem Freiburger In­ durchmesser lag im Durchschnitt bei etwa 60 cm stitut für angewandte Tierökologie und durch gegenüber den etwa 45 cm der Vergleichsbäume. Förderung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) Dies bestätigt die Bedeutung von dicken, alten untersucht, wie die Mopsfledermaus auf Änderun­ Bäumen für den Naturschutz – nicht nur für Holz­ gen in der Waldstruktur reagiert. Dafür wurden die bewohner wie Käfer und Pilze. Jagdaktivität sowie die Wahl von Quartieren für die Aufzucht der Jungtiere, sogenannte Wochen­ Praxishinweise stuben, untersucht. Auch außerhalb von Schutzgebieten bietet es sich daher an, auf die Räumung einzelner befallener Die Jagdaktivität der Mopsfledermäuse wurde mit Bäume zu verzichten. Dies bietet sich in der Praxis Hilfe von „Batcordern“ ermittelt, die Fledermaus­ vor allem für die bereits abgestorbenen Bäume an, rufe automatisch während der ganzen Nacht auf­ bei denen der Befall übersehen wurde und die Bor­ zeichnen. Die Anzahl der aufgezeichneten Rufe kenkäfer bereits ausgeflogen sind. Üblicherweise wurde dabei als Indiz für die Jagdaktivität genom­ werden diese Bäume bei Waldpflegemaßnahmen men. Insgesamt wurden Batcorder über 10 Näch­ aufgearbeitet. An den belassenen, abgestorbenen te an insgesamt 119 Probestellen aufgestellt. Sie Bäumen entwickeln sich relativ schnell Rinden­ zeichneten dabei 1.857 Rufe der Mopsfledermaus schuppen als wichtige Strukturen für die Mops­ auf. Im Vergleich mit der Waldstruktur konnte ge­ fledermaus. Diese Maßnahme hilft auch anderen zeigt werden, dass die Mopsfledermäuse in Bor­ Fledermausarten, wie zum Beispiel der Bartfleder­ kenkäferflächen eine höhere Jagdaktivität haben. maus (Myotis brandtii), die ebenfalls Quartiere hin­ Das scheint vor allem an der Auflichtung zu liegen, ter abstehender Rinde nutzen. die der Mopsfledermaus mehr Beute verschafft.

Wochenstuben an abgestorbenen Fichten Mehr Im Laufe der Studie konnten zudem sechs weib­ Kortmann, M., Hurst, J., Brinkmann, R., Heurich, M., liche Tiere mit Sendern ausgestattet werden. Silveyra González, R., Müller, J. & Thorn, S. (2017): Durch anschließende Telemetrie wurden 16 ver­ Beauty and the beast: how a bat utilizes forests schiedene Bäume ausfindig gemacht, die Wochen­ shaped by outbreaks of an insect pest. – Animal stuben enthielten. Diese Bäume lagen zwischen Conservation, Volume21, Issue1, February 2018: wenigen Metern bis zu einem Kilometer auseinan­ Pages 21–30; https://zslpublications.onlinelibrary. der. Während der Abenddämmerung konnten an wiley.com/doi/abs/10.1111/acv.12359. den einzelnen Quartieren bis zu 21 Individuen beim

38 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Landschaftsplanung und -pflege

Abbildung 1 Hochmoor von nationa- Steffen Boch, Christian Ginzler, Benedikt R. Schmidt, Angéline Bedolla, Klaus Ecker, ler Bedeutung im Kanton Ulrich Graf, Helen Küchler, Meinrad Küchler, Rolf Holderegger und Ariel Bergamini St. Gallen (Foto: Ariel Bergamini). Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz

Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre große biologische Vielfalt zu schützen und den Lebensraumver- lust und das Aussterben bedrohter Arten zu unterbinden. Deshalb hat die Schweiz unter anderem seit Beginn der 1990er-Jahre rund 6.000 »Objekte von nationaler Bedeutung« ausgewiesen, darunter Hoch- und Flachmoore, Trockenwiesen und -weiden (TWW), Auen und Amphibienlaichgebiete. Die Wirkungs­ kontrolle Biotopschutz ist ein 2011 langfristig angelegtes Programm zum Monitoring dieser Lebens- räume. Luftbildanalysen und Felderhebungen bilden die Datengrundlage, um Veränderungen in den Biotopen von nationaler Bedeutung aufzuzeigen und die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen zu kontrollieren. Analysen zeigen, dass Moore und TWW zunehmend verbuschen, Moore trockener und nährstoffreicher werden und die lokale Anzahl der Amphibienarten abnimmt. Um diesen Trend, und damit den Lebensraum- und Artenverlust aufzuhalten, sollten die Schutzbemühungen auf nationaler Ebene möglichst rasch verstärkt werden.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 39 Landschaftsplanung S. Boch et al.: Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm und -pflege zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz

Biodiversitätspolitischer Hintergrund und ihre Reaktionsfähigkeit gegenüber Verände- Der Erhalt der natürlichen Vielfalt von Lebensräu- rungen zu fördern (Bafu 2012). Der Aktionsplan zu men sowie der Schutz bedrohter Arten sind in der dieser Strategie folgte schließlich 2017. Dieser zielt Bundesverfassung der Schweiz verankert. Durch zum einen auf direkte Maßnahmen zum Schutz die Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention der Biodiversität ab (zum Beispiel Verbesserung in Rio 1992 sowie des Aichi-Nagoya Protokolls der der ökologischen Infrastruktur zur Vernetzung, internationalen Biodiversitätskonvention (Con­ Lebensraum- und Artenschutz). Zum anderen soll vention of Biological Diversity) 2010, verpflichtete die Biodiversitätspolitik in verschiedenen Politik- sich die Schweiz vertraglich, diese Biodiversität zu bereichen verankert werden (zum Beispiel Land- schützen, bis 2020 den Lebensraumverlust und wirtschaft, Raumplanung, Verkehr, wirtschaftliche das Aussterben bedrohter Arten zu unterbinden Entwicklung). Darüber hinaus ist es Ziel, die poli- und die Erhaltungssituation insbesondere der am tischen Entscheidungsträger und die Öffentlich- stärksten bedrohten Arten zu verbessern. keit dafür zu sensibilisieren, wie wichtig die Biodi- versität als Lebensgrundlage ist (Bafu 2017c). Seit 1900 geht die Biodiversität in der Schweiz Trotz dieser Bemühungen und dem verlangsam- auf lokalem, regionalem und nationalem Niveau ten Rückgang einiger Arten in den vergangenen schleichend, aber stetig zurück. Viele wertvolle zwei Jahrzehnten stuft die OECD im dritten Um- Lebensräume gehen ganz verloren oder ihre Qua- weltprüfbericht den Zustand der Biodiversität in lität nimmt ab. Die Aufgabe oder Intensivierung der Landwirtschaft, das Wachstum von Siedlun­gen der Schweiz noch immer als unbefriedigend ein. und der Verkehrsinfrastruktur sind die Ursachen. Dies unter anderem, weil verschiedene politische Hinzu kommen Veränderungen von Umwelt­ Ziele noch nicht umgesetzt wurden und der Le- bedingungen, hervorgerufen durch Schadstoff­ bensraumverlust, die Fragmentierung der Land- belastungen und Störungen des Wasserhaushalts schaft, die Verschmutzung sowie die Eingriffe in durch Entwässerungen von Feuchtgebieten und Wasserläufe weiterhin fortschreiten und die ein- Begradigungen von Flüssen (Lachat et al. 2010). gesetzten finanziellen Mittel zum Schutz von Der Rückgang der Biodiversität konnte bis heute Ökosystemen und Arten nicht ausreichen (Oecd nicht gestoppt werden. Knapp 50 % der 235 in 2017; Bafu 2017a). der Schweiz vorkommenden Lebensraumtypen gelten bereits als bedroht (Delarze et al. 2016). Biotope von nationaler Bedeutung Von den 10.350 in den Schweizer Roten Listen be- Um wertvolle Lebensräume und die Artenvielfalt werteten Arten aus 27 verschiedenen Organismen­ zu erhalten, hat die Schweiz in den vergangenen gruppen wurden 36 % einer Gefährdungskatego- Jahrzehnten einige Anstrengungen unternom- rie zugeteilt, weitere 10 % gelten als potenziell men. Auf nationaler Ebene wurden beispielsweise gefährdet. Dieser Wert liegt deutlich über dem seit Beginn der 1990er-Jahre rund 6.000 Objekte Durchschnitt der OECD-Länder (Organisation for von nationaler Bedeutung ausgewiesen, darunter Economic Co-operation and Development). Hoch- und Übergangsmoore (Grünig et al. 1986), Populationen seltener und spezialisierter Arten Flachmoore (Broggi 1990), Trockenwiesen und werden immer kleiner, mehr und mehr isoliert -weiden (Eggenberg et al. 2001), Auen (Teuscher et oder verschwinden komplett. Sie werden oft von al. 1995; Thielen et al. 2002) und Amphibienlaich- bereits häufigen, anspruchslosen Arten ersetzt, gebiete (Ryser 2002). Für diese Gebiete bestehen die sich immer weiter ausbreiten. Durch diese Schutzziele und Entwicklungsmaßnah­men, die großräumige Homogenisierung schwindet die in biotopspezifischen Verordnungen fest­gelegt typische Artenzusammensetzung und damit die sind. Nach einer kürzlich durchgeführten Revisi- Einzigartigkeit wertvoller Lebensräume (Bafu 2017a). on der Verordnung über den Schutz der Biotope Die Schweiz hat im vergangenen Jahrzehnt hohe und Moorlandschaften von nationaler Bedeu- Ausgaben im Umweltbereich getätigt. Beispiels- tung wurden unter anderem weitere 814 Objekte weise wurde im Landwirtschaftssektor ein großer in die Inventare aufgenommen und die Grenzen Teil der Direktzahlungen an Leistungen zum Schutz bestehender Objekte angepasst. Dadurch erhöhte der Biodiversität und der Landschaft geknüpft. sich die Gesamtfläche der Biotope von nationaler Des Weiteren wurden Moore durch Wiederver- Bedeutung von etwa 1,8 % auf 2,2 % der Landes- nässung regeneriert und im Rahmen der Fließge- fläche (Bafu 2017b). Dennoch wird das globale wässerrevision 2011 Fließgewässer renaturiert. Ziel, 17 % der Landesfläche bis 2020 unter Schutz Auf politischer Ebene verabschiedete der Bundes- zu stellen, bei weitem nicht erfüllt. Bislang sind in rat 2012 eine nationale Biodiversitätsstrategie. der Schweiz auf nationaler Ebene nur 6,2 % der Darin sind die Ziele formuliert, die Biodiversität Landesfläche als Schutzgebiete ausgewiesen und Ökosystemleistungen langfristig zu erhalten (Oecd 2017).

40 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 S. Boch et al.: Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm Landschaftsplanung zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz und -pflege

Biodiversitätsmonitoring in der Schweiz lich wird auf 1.450 jeweils zehn Quadratmeter Für viele Taxa existieren zwar Angaben zur Gefähr- großen Flächen die Diversität von Gefäßpflanzen, dung, jedoch sind kaum verlässliche Angaben zu Moosen und Schnecken erfasst. Hinzu kommt ein Trends und Entwicklungen ihrer Verbreitung, Po- Messnetz zur Überwachung der Gewässerinsek- pulationsgröße und den Gründen der Gefährdung ten, das rund 570 Gewässerstrecken umfasst verfügbar, weder auf nationaler noch auf interna- (Koordinationsstelle Bdm 2014). tionaler Ebene (vergleiche Pimm et al. 2014; Bafu (3) Mit Hilfe des Monitoringprogramms Arten und 2017a). Um diese Lücke zu schließen, bedarf es Lebensräume Landwirtschaft (ALL-EMA) wird die langfristig angelegter Programme zur Erfassung Entwicklung der Vielfalt von Pflanzen und Lebens­ und Überwachung der Biodiversität, im Rahmen räumen in der landwirtschaftlich geprägten Kul- derer kontinuierlich standardisierte Daten zu turlandschaft genauer verfolgt. Die Erhebung von Zustand und Entwicklung der Artenvielfalt, Ver- Daten zu mittelhäufigen Lebensräumen steht im breitung und Populationsgrößen sowie zu ver- Mittelpunkt. Diese sind für die Umweltziele Land- schiedenen Umwelt- und Landnutzungsvariablen wirtschaft von großer Bedeutung, werden aber von erhoben werden. den übrigen bestehenden Monitoringprogram- Monitoring der biologischen Vielfalt und die Ver- men der Schweiz nur unzureichend abgebildet. netzung mit anderen Umweltbeobachtungspro- Das Programm wurde 2015 gestartet und basiert grammen ist ein Auftrag gemäß der Verordnung auf dem BDM-Raster, aus dem 170 der ein Qua- über den Natur- und Heimatschutz, verpflichtender dratkilometer großen Flächen ausgewählt wurden. Teil der Biodiversitätskonvention von Rio im Jahr In jedem Quadratkilometer werden die Lebens- 1992 und somit ein wichtiger Punkt der Biodiver- räume, Lebensraumstrukturen und die Pflanzen- sitätsstrategie der Schweiz (Bafu 2012, 2017c). Der arten auf zirka 30 zehn Quadratmeter großen deutliche Ausbau des Biodiversitätsmonitorings Flächen alle fünf Jahre erfasst (www.all-ema.ch). im letzten Jahrzehnt wird lobend von der OECD (4) Die Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz erwähnt (Oecd 2017). Spezifisch auf die Überwa- chung der Biodiversität und der Lebensräume in (WBS) ist ein langfristig angelegtes Programm zum der Schweiz ausgerichtet sind vier Monitoring­ Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung. programme, die sich durch ihre unterschiedlichen Das Projekt wird im Folgenden detailliert beschrie­ Ziele ergänzen. Sie spiegeln verschiedene räumli­ ben. che und zeitliche Aspekte der Vielfalt verschiede­ner Taxa entlang wichtiger Gradienten (Topografie, Die Wirkungskontrolle Biotopschutz Klima, Geologie, Landnutzungsintensität) auf Schweiz (WBS) Landesebene wider. Das Synthese-Potenzial für Die WBS ist ein Monitoringprogramm, das 2011 die Analyse der in den Programmen erhobenen vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und der WSL Daten ist somit groß. Dies sowohl aus wissen- (Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, schaftlicher Sicht, als auch für die Umsetzung der Schnee und Landschaft) gestartet wurde. Das Pro­ gewonnenen Einsichten in Bereichen der Um- gramm löste das Vorgängerprojekt «Wirkungs- weltpolitik und des praktischen Naturschutzes. kontrolle Moorschutz» ab (Klaus 2007) und wurde (1) Die Roten Listen enthalten Angaben zum Ge- auf weitere Biotoptypen ausgeweitet. Mittels flo- fährdungsstatus von Arten, der sich aus dem Ent- ristischer und faunistischer Felderhebungen so- wicklungstrend von Populationen und der Größe wie Luftbildanalysen wird untersucht, ob sich die des Verbreitungsgebietes ergibt. Artvorkommen Auen, Flachmoore und Hochmoore, Amphibien- und Populationsveränderungen werden fortlau- laichgebiete sowie Trockenwiesen und -weiden fend erfasst und die Roten Listen nach einer ge- (TWW) von nationaler Bedeutung gemäß ihren wissen Zeitspanne neu aufgelegt. Bislang ist etwa Schutzzielen entwickeln und in ihrer Fläche und ein Viertel der 46.000 in der Schweiz bekannten Qualität erhalten bleiben. Die WBS beschäftigt sich Arten bewertet (Bafu 2017a). also mit den schönsten und/oder gefährdetsten Lebensräumen der Schweiz. (2) Das Biodiversitäts-Monitoring Schweiz (BDM) wurde 2001 etabliert. Der Fokus dieses Programms Bei den Felderhebungen werden detaillierte Daten liegt auf den langfristigen Effekten von Umwelt- zur Vegetation (in TWW, Mooren und Auen) und veränderungen auf die Entwicklung der Biodiver- zu Amphibienvorkommen (in Amphibienlaichge- sität in der Normallandschaft der Schweiz. Auf ei­ bieten) auf einer Stichprobe der heute knapp nem regelmäßigen Raster wird die Biodiversität 6.000 Objekte von nationaler Bedeutung erhoben. von Gefäßpflanzen, Vögeln und Tagfaltern in Anhand von Luftbildern werden die Veränderun­gen Landschaften und Lebensräumen auf 450 ein sämtlicher Objekte von nationaler Bedeutung Quadratkilometer großen Flächen erfasst. Zusätz- analysiert.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 41 Landschaftsplanung S. Boch et al.: Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm und -pflege zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz

Ein Erhebungszyklus dauert sechs Jahre. Die Jah- für Landestopografie swisstopo gescannt und resstichproben der Feldaufnahmen und der Luft- räumlich orientiert. Sie stehen für die WBS als bildanalysen umfassen ein zufällig ausgewähltes Stereo-­Luftbildpaare zur Verfügung. Die Auflösung Sechstel aller Stichprobenobjekte. Der erste Erhe- am Boden beträgt ungefähr 30 cm. Der aktuelle bungszyklus endete 2017 (jener des Amphibien- Zustand sämtlicher Biotope wird hingegen an- monitorings bereits 2016), die zweite Phase star- hand von digitalen Farb-Infrarot-Stereo-Luftbild- tet 2018 (Amphibienmonitoring 2017). Durch die- streifen der swisstopo beurteilt. Die Bodenauflö- ses langfristig angelegte Monitoring wird in den sung liegt hier zwischen 25 cm und 50 cm. nächsten Jahren eine kontinuierliche Zeitreihe Um die Zustände und Veränderungen zwischen von standardisierten Daten aufgebaut. Verände- historischen und aktuellen Luftbildern in den Ob- rungen können auf verschiedenen räumlichen jekten räumlich differenziert auswerten zu können Ebenen analysiert werden, nämlich auf der natio- (zum Beispiel sind Objektränder stärker von Ver- nalen Ebene, auf der Ebene von biogeografischen änderungen betroffen als Kernflächen), wurde ein Regionen und auf Objektebene. Werden negative Raster mit einer Maschenweite von 50 m x 50 m Trends festgestellt (zum Beispiel Verbuschung, über die Objekte gelegt. Innerhalb dieser Raster- Veränderungen der Artenzusammensetzung), zellen werden die prozentuale Bedeckung von können gegebenenfalls Maßnahmen ergriffen Gehölzen, die Art der Gehölze (zum Beispiel Ein- werden, um diesen Trends entgegenzuwirken. zelbaum, lineare Gehölzstrukturen, Baumgruppen), Während Ergebnisse zu generellen Trends der die prozentuale Bedeckung durch Offenboden, Biodiversität vom Bundesamt für Umwelt kommu­ die prozentuale Bedeckung durch Wasser sowie niziert werden, ist es Angelegenheit der Kantone, das Vorkommen von Infrastrukturelementen visuell Maßnahmen auf Objektebene zu ergreifen. geschätzt. Die Merkmale richten sich nach den Möglichkeiten der visuellen Interpretierbarkeit der Im Folgenden werden die drei Module Luftbild­ alten Schwarz-Weiß-Luftbilder. Während Vege­ analyse, Vegetation und Amphibienlaichgebiete tationstypen anhand dieses Bildmaterials nur der WBS mit Beispielen vorläufiger Ergebnisse aus schwierig unterschieden werden können, lassen der ersten Projektphase vorgestellt. sich Strukturen hingegen gut erkennen. Insgesamt fünf Interpretinnen und Interpreten werden ein- Fernerkundung gesetzt, um diese Merkmale für jede Rasterzelle Im Teilprojekt Fernerkundung werden digitale zu schätzen (Abbildung 2). Diese Rasterinterpreta- Abbildung 2 Beispiel Stereoluftbilder eingesetzt, um den Zustand und tion wird auf Amphibienlaichgebiete, Flachmoore, einer Rasterinterpretation die Veränderungen in Biotopen nationaler Bedeu- Hochmoore und TWW angewendet. Das Raster in Flach- und Hochmoo­ tung zu messen. Veränderungen seit der Inventa- ist so ausgerichtet, dass eine Verknüpfung mit ren im Kanton Schwyz. risierung der Biotope in den 1990er-Jahren werden Daten aus anderen Monitoringprogrammen, wie Die prozentuale Bede- quantifiziert, indem historische Schwarz-Weiß-Luft­ dem Schweizerischen Landesforstinventar (LFI), ckung der Gehölze wird bilder mit aktuellen Luftbildern verglichen werden. der Arealstatistik Schweiz (AREA), ALL-EMA und für jede Rasterzelle ge- Die historischen Luftbilder wurden am Bundesamt BDM, möglich ist. Bei Auen von nationaler Bedeu- schätzt (Swissimage © 2015 swisstopo).

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Abbildung 3 Kartierung von Habitat- tung werden nicht Raster interpretiert, sondern zu vertreten sein. Deshalb wurde eine gewichtete klassen in Auen von na­ Habitatklassen wie Wasser und unterschiedliche und balancierte Stichprobe von rund 800 Objek­ten tionaler Bedeutung Waldtypen erfasst (Details in Abbildung 3). aus den Trockenwiesen- und weiden, Hoch- und (Eggrank-Thurspitz; Flachmooren sowie Auen von nationaler Bedeu- Kantone Schaffhausen Ergebnisse Fernerkundung tung gezogen (Tillé & Ecker 2014). und Zürich; Swissimage © 2015 swisstopo). Auswertungen der Daten zu Flachmooren von Innerhalb jedes Objektes wurde eine möglichst nationaler Bedeutung zeigen einen mittleren Ge- einheitliche Anzahl von Daueruntersuchungsflä- hölzbedeckungsgrad von 13,6 %. Objekte in tief- chen ausgewählt. Die Auswahl erfolgte zufällig, eren Lagen (< 1.500 m ü.M.) weisen eine größere jedoch wurden Teilobjekte mit seltenen Vegetati- Gehölzbedeckung auf (16,3 %) als höher gelegene onstypen höher gewichtet. Dadurch wird gewähr­ Objekte (6,9 %). Allerdings nahm die Gehölzbede- leistet, dass auch in seltenen Vegetationstypen ckung in den letzten 20 Jahren in höheren Lagen genügend Flächen ausgewählt werden. (+ 1,1 % pro Jahr) etwas stärker zu als in tieferen Lagen (+ 0,9 % pro Jahr). Auch bei den TWW ist Mittels GPS werden die Zentren dieser ausgewähl­ eine generelle Zunahme der Gehölzbedeckung ten Flächen im Feld lokalisiert und das Zentrum feststellbar. permanent mit einer Boden-Magnetsonde mar- kiert. Dadurch ist die Aufnahme der exakt gleichen Auf Grundlage der bei der Luftbildinterpretation Fläche bei der Folgeerhebung in sechs Jahren erfassten Merkmale und deren Veränderung wurde möglich. Insgesamt war auf knapp einem Zehntel zudem ein Online-Früherkennungssystem eta- der Untersuchungsflächen aus bestimmten Grün- bliert. In diesem System werden alle Objekte auf- den keine Vegetationsaufnahme möglich (zum grund ihrer Veränderungen und ihres Zustandes Beispiel Unzugänglichkeit). Diese wurden nach anhand eines einfachen Ampelsystems bewertet. einem standardisierten Verfahren durch neue Dies ermöglicht dem BAFU und den Kantonen, Flächen ersetzt. das Ausmaß der Veränderung in den einzelnen Objekten zu erkennen (zum Beispiel Veränderung Die Untersuchungsflächen sind jeweils 10 m2 groß Gehölzbedeckung), Prioritäten zu setzen und ge- und kreisförmig (1,78 m Radius; Abbildungen 4, 5, gebenenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen. 6, 7), entsprechend den Methoden des BDM und von ALL-EMA. In jedem dieser Kreise werden alle Vegetation Gefäßpflanzen und deren Deckung getrennt nach Über die Artenzusammensetzung und den Arten- Kraut-, Strauch- und Baumschicht erfasst. In Moo­ reichtum der Vegetation ist es möglich, Verände- ren werden außerdem die vorkommenden Moos­ rungen der Lebensräume über die Zeit festzustellen arten gesammelt und von Moosexperten nach- und zu quantifizieren. In den Untersuchungsflächen bestimmt. In Auen-Objekten werden zusätzlich die sollten alle sechs biogeografischen Regionen der Gehölzarten ab 50 cm Höhe und deren Deckung Schweiz (Abbildung 8), die unterschiedlichen Ve- auf einer 200 m2 großen, kreisförmigen Fläche zur getationstypen, die verschiedenen Größenklassen besseren Ansprache der Gehölzvegetation erfasst der Objekte und die verschiedenen Höhenlagen (Flächenzentrum identisch zu 10 m2-Flächen).

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 43 Landschaftsplanung S. Boch et al.: Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm und -pflege zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz

A) B)

C) D)

Abbildung 4 Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung decken die unterschied- lichsten Vegetationstypen ab. Von A) Steppenrasen im Kanton Wallis, über subal- Abbildung 5 Auen bilden die dynamisch­ste und pine und alpine Rasen und Zwergstrauch­heiden heterogenste Gruppe der Biotope von nationaler B) am Furkapass im Kanton Uri, C) in der Region Bedeutung. Von Untersuchungsflächen inmitten Viamala im Kanton Graubünden und D) im Binntal von Flüssen über unterschiedliche Waldtypen und im Kanton Wallis. Offenland­ökosysteme bis hin zu alpinen Schwemm­ Zu sehen sind jeweils die kreisförmig ab­gesteckten ebenen am Fuße von Gletschern. 10 m2 großen Untersuchungsflächen (Fotos A, B, D: Zu sehen sind jeweils die kreisförmig abgesteck- Steffen Boch, Foto C: Angéline Bedolla). ten 10 m2 großen Untersuchungsflächen in A) einer alpinen Aue im Kanton Graubünden und B) in einem Erlen­bruch­wald im Kanton Waadt (Foto A: Angéline ­Bedolla, Foto B: Steffen Boch).

A)

B)

44 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 S. Boch et al.: Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm Landschaftsplanung zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz und -pflege

Abbildung 6 Flachmoor mit vielen Sauergräsern. Zu sehen ist Abbildung 7 Hochmoor von nationaler Bedeutung im Kan- eine kreisförmig abgesteckte 10 m2 große Untersuchungsfläche ton St. Gallen. Zu sehen ist eine kreisförmig abgesteckte 10 m2 (Foto: Steffen Boch). große Untersuchungsfläche (Foto: Angéline Bedolla).

Da die erhobenen Daten an die nationalen Daten- erste Trends analysiert werden. Dabei fokussieren und Informationszentren der Schweizer Flora (Info wir auf eine Reihe von Indikatoren, die sowohl Flora) und der Schweizer Moose (swissbryophytes) über Ursachen von Veränderungen der Lebens- weitergeleitet werden, können diese direkt bei räume (zum Beispiel mittlere ökologische Zeiger- einer Revision der Roten Listen der gefährdeten werte), als auch über den Naturschutzwert und Gefäßpflanzenarten und der Moose der Schweiz die Biodiversität der Objekte (zum Beispiel Ver­ verwendet werden. änderungen der Diversität naturschutzrelevanter Arten) Auskunft geben sollen. Erste Analysen Ergebnisse Vegetation zeigen beispielsweise, dass die Moore weiterhin Die TWW (Abbildung 4) waren in unserer Stich- trockener und nährstoffreicher werden B( ergamini probe mit einer Anzahl von durchschnittlich 36,5 et al. 2016). Gefäßpflanzenarten (± 11,8 Standardabweichung; Auch die Zustandsdaten aus dem ersten Erhe- N = 2818) pro 10 m2 der artenreichste Biotoptyp, bungszyklus sind aus wissenschaftlicher Sicht gefolgt von den Flachmooren (Abbildung 6; 23,7 bereits enorm wertvoll. Fragestellungen zu den ± 13,0; N = 1115), den Auen (Abbildung 5; 14,6 Mustern der Artenvielfalt und -zusammensetzung, ± 10,8; N = 2096) und den Hochmooren (Abbil- der funktionellen Diversität sowie zu möglichen dung 7; 11,8 ± 7,8; N = 601). Dieses Verhältnis der Gefahren für die Diversität auf unterschiedlichen mittleren Artenzahlen zwischen den Biotoptypen räumlichen und zeitlichen Ebenen können damit bestätigt sich auch innerhalb der biogeografi­schen bearbeitet werden. Die im Feld erhobenen Struk- Regionen. Die Artendichte der Gefäßpflanzen ist in den Alpen jedoch tendenziell höher als im Mit- tur- und Nutzungsdaten sowie vorhandene Daten telland (Abbildung 8). Die mit 86 Arten höchste zu Klima, Geologie und Topografie können heran- Anzahl von Gefäßpflanzen fanden wir in einer ge- gezogen werden, um gefundene Muster zu erklä- mähten Blaugrashalde im Kanton Uri auf knapp ren. Auch aktuelle Fernerkundungsdaten (zum 1.900 m ü. M. Beispiel aus dem Copernicus-Programm der ESA) bieten ein großes Potenzial, um Erklärungen für Hochmoore sind zwar arm an Gefäßpflanzen, die Diversitätsmuster zu finden. Die Synthese der beherbergen aber generell eine leicht höhere Vegetationsdaten aus den drei komplementären 2 Anzahl von Moosarten (6,9 ± 4,3 pro 10 m ) als Monitoringprojekten (WBS, BDM, ALL-EMA) ist Flachmoore (5,2 ± 3,9). Die moosartenreichste aufgrund der gleichen Aufnahmemethodik im Untersuchungsfläche war mit 27 verschiedenen Feld möglich. Sie wird damit einen repräsentati­ 2 Arten auf 10 m in einem Hochmoor im Kanton ven Überblick zu verschiedenen Offenlandöko­ Luzern zu finden. systemen (Normallandschaft, landwirtschaftlich Durch die Integration älterer Vegetationsaufnah- geprägtes Kulturland, Biotope von nationaler Be- men in den nun abgeschlossenen Datensatz der deutung) der Schweiz entlang von Gradienten Ersterhebung (vor allem für Moore), können bereits (Klima, Geologie, Landnutzungsintensität) liefern.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 45 Landschaftsplanung S. Boch et al.: Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm und -pflege zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz

Abbildung 8 Mittlere Artenzahlen der Gefäß­ pflanzen in 10 2m großen Noch interessanter werden die Synthesemöglich- über alle Regionen und Höhenlagen der Schweiz Untersuchungsflächen keiten natürlich, wenn weitere Erhebungszyklen zerstreut, während die Wanderobjekte vor allem von (A) Trockenwiesen abgeschlossen sind. im Schweizer Flachland liegen (Borgula et al. und -weiden, (B) Auen, 1994). (C) Flachmooren und (D) Amphibienlaichgebiete Hochmooren, getrennt Zur Beurteilung der Gefährdung und der Entwick- In der Schweiz stehen 959 Amphibienlaichgebie­ nach den sechs biogeo- lung der Populationen wurden im Rahmen der grafischen Regionen der te von nationaler Bedeutung (Weiher, Teiche, Auen, Erhebungen der Roten Liste der Amphibien 124 Schweiz. Abbaugebiete und andere) mit einer Gesamtflä- national wichtige Objekte untersucht (Schmidt & che von 11.346 ha unter Schutz. Davon sind 835 Zumbach 2005). Für die Wirkungskontrolle wurden als „ortsfeste“ Objekte und 94 als Wanderobjekte diese Objekte übernommen, die Stichprobengröße (in den meisten Fällen Kiesgruben und andere jedoch auf 200 ortsfeste Objekte und 40 Wander- Abbaugebiete) klassifiziert. Es gelten also 7,5 % objekte erweitert. Die Anzahl der zusätzlich aus- der 12.671 bekannten Amphibienlaichgebiete der gewählten Objekte variiert zwischen den bio­ Schweiz als Objekte von nationaler Bedeutung. geografischen Regionen. Sie richtet sich nach der Die Auswahl dieser Objekte beruht auf einem be- Gesamtanzahl der in der jeweiligen Region vor- rechneten Wert, für welchen die Seltenheit der kommenden Objekte. Dadurch wurden auch Am- vorkommenden Arten und die Populationsgrößen phibienlaichgebiete in den artenärmeren Landes- berücksichtigt wurden. Die ortsfesten Objekte sind teilen in die Stichprobe aufgenommen.

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Pro Jahr werden 40 Objekte untersucht. Die Feld- methodik folgt jener der Roten Liste (Schmidt & Zumbach 2005). Dabei werden Objekte im Tiefland vier Mal untersucht (je ein Besuch in den Mo­na­ ten März, April, Mai und Juni). Hochgelegene Ob- jekte werden hingegen nur zwei Mal pro Jahr be- gangen (je nach Höhenlage in den Monaten April, Mai oder Juni), weil nur früh laichende Arten zu erwarten sind. Während der nachts stattfinden­ den Feldarbeit werden alle Lebensstadien der vorkommenden Amphibienarten (Laich, Larven, Juvenile, Adulte, rufende Männchen) gezählt. Zu- sätzlich wird das Vorkommen von Fischen notiert. Die Daten erlauben es, das Vorkommen der Arten und deren Populationsgrößenklasse zu schätzen. Die erhobenen Daten werden in der Datenbank der Koordinationsstelle für Amphibien- & Reptili- enschutz Schweiz (karch) gespeichert und bei der Revision der Roten Liste der gefährdeten Amphi- bien weiterverwendet. Gegenwärtig läuft ein Test, ob die Erfassung der Amphibien durch den Einsatz von Umwelt-DNA-­ Abbildung 9 Methoden ergänzt werden soll (Schmidt & Grünig Die Boxplots zeigen die 2017). Umwelt-DNA kann helfen, die Erfassung die Anstrengungen der Schweiz in Sachen Natur- Artenzahlen in den Am- schwer nachweisbarer Arten, wie Teich- und Kamm­ schutz wirksam sind oder nicht. phibienlaichgebieten von molch (Lissotriton vulgaris und Triturus cristatus) zu nationaler Bedeutung verbessern. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit den Dank zur Zeit der Erarbeitung verwendeten genetischen Markern vier Arten- des Inventars der Amphi- gruppen von Wasserfröschen der Gattung Pelo- Wir danken dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) für die Finanzierung des Projektes, den Kantonen für Zu- bienlaichgebiete von phylax bestimmt werden können: die einheimische nationaler Bedeutung Artengruppe (P. lessonae, P. esculentus) und drei gangsberechtigungen zu den Schutzgebieten, Glenn Litsios (BAFU) für seine Kommentare zum Manuskript (Entwurf IANB 1994) und Artenkomplexe invasiver Pelophylax-Arten. sowie allen Feldmitarbeitern und Luftbildinterpreten. während der ersten Pha- se der WBS (2011–2014). Ergebnisse Amphibien Literatur Die Kreuze zeigen den Da bereits Daten zur Zahl der Amphibienarten in Mittelwert an. Bergamini, A. et al. (2016): Die Wirkungskontrolle Bio- den untersuchten Objekten aus den 1990er-Jahren topschutz Schweiz (WBS) in der Routinephase. – vorlagen, die im Rahmen der Inventarisierung der Natur + Landschaft Inside 2016(1): 21–24. Objekte erhoben wurden, können bereits erste Trends aufgezeigt werden. Diese vorläufigen Re- Borgula, A. et al. (1994): Inventar der Amphibienlaich- sultate zeigen, dass in den letzten 20 Jahren jedes gebiete von nationaler Bedeutung: Schlussbericht. – BUWAL, Bern: 76 S. Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung im Durchschnitt eine Art verloren hat (Abbildung 9). Bafu (= Bundesamt für Umwelt, 2012): Strategie Bio­ Meist sind es stark gefährdete Arten (Rote Liste diversität Schweiz. – BAFU, Bern: 89 S. Kategorie EN), deren Populationen erloschen sind Bafu (= Bundesamt für Umwelt, 2017a): Biodiversität (Bergamini et al. 2016; Bafu 2017a). in der Schweiz: Zustand und Entwicklung. Ergeb- nisse des Überwachungssystems im Bereich Biodi- Schlussfolgerungen und Ausblick versität. – BAFU, Bern: 60 S. Obwohl im Rahmen der WBS bereits seit 2011 Da- Bafu (= Bundesamt für Umwelt, 2017b): Revision der ten gesammelt werden, steht dieses Monitoring- Verordnungen über den Schutz der Biotope und programm immer noch am Anfang. Erste Analy- Moorlandschaften von nationaler Bedeutung. – BAFU, Bern: 13 S. sen zu Zustand und Veränderungen der Biotope von nationaler Bedeutung der Schweiz können Bafu (= Bundesamt für Umwelt, 2017c): Aktionsplan jedoch mit den erhobenen Daten schon durch- des Bundesrates – Aktionsplan Strategie Biodiversi- geführt werden. In den kommenden Jahren wird tät Schweiz. – BAFU, Bern: 50 S. mit den gewonnenen Daten der WBS, des BDM Broggi, M. F. (1990): Inventar der Flachmoore von na- und des All-EMA die umfassende Analyse von tionaler Bedeutung. – BUWAL, Bern: 52 S. Biodiversitätsveränderungen und deren Ursachen Delarze, R. et al. (2016): Rote Liste der Lebensräume in der Schweiz möglich. Dies wird aufzeigen, ob der Schweiz. – BAFU, Bern: 33 S.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 47 Landschaftsplanung S. Boch et al.: Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm und -pflege zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz

Eggenberg, S. et al. (2001): Kartierung und Bewertung Pimm et al. (2014): The biodiversity of species and their der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Be- rates of extinction, distribution, and protection. – deutung. Technischer Bericht. – BUWAL, Bern: 252 S. Science 344: 1246752. Grünig, A. et al. (1986): Die Hoch- und Übergangsmoore Ryser, J. (2002): Bundesinventar der Amphibienlaich- der Schweiz. – Eidgenössische Anstalt für das forst- gebiete von nationaler Bedeutung. Vollzugshilfe. – liche Versuchswesen, Birmensdorf: 62 S. BUWAL, Bern: 75 S. Klaus, G. (Red., 2007): Zustand und Entwicklung der Schmidt B. R. & Zumbach S. (2005): Rote Liste der ge- Moore in der Schweiz. Ergebnisse der Erfolgskon- fährdeten Amphibien der Schweiz. – BUWAL, Bern: trolle Moorschutz. – Umwelt-Zustand Nr. 0730, 48 S. BAFU, Bern: 97 S. Schmidt, B. R. & Grünig, C. R. (2017): Einsatz von eDNA Koordinationsstelle BDM (= Koordinationsstelle im Amphibien-Monitoring. – WSL Berichte 60: 57–62. Bio­diversitäts-Monitoring Schweiz, 2014): Biodiver- Teuscher, F. et al. (1995): Vollzugshilfe zur Auenverord- sitätsmonitoring Schweiz BDM. Beschreibung der nung. – BUWAL, Bern: 43 S. Methoden und Indikatoren. – BAFU, Bern: 104 S. Thielen, R. et al. (2002): 2. Ergänzung des Bundes­ Lachat, T. et al. (2010): Der Wandel der Biodiversität in inventars der Auengebiete von nationaler Bedeu- der Schweiz seit 1900. Haben wir die Talsohle er- tung. Technischer Bericht. – BUWAL, Bern: 84 S. reicht? – Haupt, Bern: 435 S. Tillé, Y. & Ecker K. (2014). Complex national sampling Oecd (= Organisation for Economic Co-operation and design for long-term monitoring of protected dry Development, 2017): OECD Environmental performan­ grasslands in Switzerland. – Environ. Ecol. Stat. 21: ce reviews: Switzerland 2017. – OECD, Paris: 219 S. 453–476.

Autoren und Autorinnen Ulrich Graf Steffen Boch, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee Jahrgang 1976. und Landschaft WSL Studium der Umweltwissenschaften in Lüneburg. [email protected] Danach Dissertation an den Universitäten Potsdam Helen Küchler und Bern im Fachbereich Pflanzenökologie von 2007 Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee bis 2011. Wissenschaftlicher Assistent am Institut für und Landschaft WSL Pflanzenwissenschaften der Universität Bern von [email protected] 2011 bis 2017. Seitdem wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Meinrad Küchler Schnee und Landschaft (WSL). Mitarbeiter im WBS-Modul Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee Vegetation. Arbeitsschwerpunkte: Diversitätsmuster und Landschaft WSL von Pflanzen, Moosen und Flechten. [email protected] Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee Rolf Holderegger und Landschaft WSL [email protected] Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee +41 44 739 2420 und Landschaft WSL [email protected] Christian Ginzler Ariel Bergamini Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee [email protected] und Landschaft WSL [email protected] Benedikt Schmidt Info fauna karch, Neuchâtel und Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften, Universität Zürich, Schweiz [email protected] Angéline Bedolla Zitiervorschlag Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL Boch, S., Ginzler, C., Schmidt, B. R., Bedolla, A., Ecker, [email protected] K., Graf, U., Küchler, H., Küchler, M., Holderegger, R., & Bergamini, A. (2018): Wirkt der Schutz von Bio- Klaus Ecker topen? Ein Programm zum Monitoring der Biotope Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee von nationaler Bedeutung in der Schweiz. – und Landschaft WSL ANLiegen Natur 40(1): 39–48, Laufen; www.anl. [email protected] bayern.de/publikationen.

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Abbildung 1 Umbau reiner, strukturarmer Ulrike Pröbstl-Haider, Ulrich Ammer und Christina Pröbstl Fichte durch Voranbau von Buche und Tanne Aufbau eines Ökokontos für einen land- und (Foto: Ulrich Ammer). forstwirtschaftlichen Betrieb in Oberbayern

Im Prinzip sollte der Aufbau eines Ökokontos für einen aktiven land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb ganz einfach sein, denn zum Umgang mit baurechtlichen Ökokonten gibt es in Bayern inzwischen viel Erfahrung. Die Anwendung der bereits im Jahre 2013 in Kraft getretenen Bayerischen Kompensations­ verordnung (BayKompV) für den Aufbau naturschutzrechtlicher Ökokonten und die Berücksichtigung betrieblicher Belange bei gewerblichen Ökokonten stellen in der Praxis jedoch eine planerische He- rausforderung dar. Die BayKompV lässt einerseits viel Interpretationsraum für eine fachgerechte An- wendung zu. Andererseits führen die Wünsche und Anforderungen des Betriebs bei Beachtung der fachlichen Vorgaben zu neuen Fragestellungen. Der Beitrag beschreibt die grundsätzliche Vorgehens­ weise, bezogen auf ein naturschutzrechtliches Ökokonto, sowie die Besonderheiten aus betrieblicher Sicht und erläutert dies an einem Fallbeispiel.

1. Einleitung, Grundlagen und die Bereitstellung von Ausgleichs- und Ersatzflä- Anerkennung von Ökokontoflächen chen für Eingriffsvorhaben deutlich erleichtert. Das Instrument des Ökokontos wurde eingeführt, Das Ökokonto folgt dabei der Idee, dass frühzeitig um durch die vorzeitige Sicherung von Flächen geplante und durchgeführte Ausgleichsmaßnah­ und Maßnahmen eine flexible und effiziente -Vor men die Wirksamkeit von Ausgleichsmaßnahmen habensplanung und -umsetzung zu ermöglichen. erhöhen und generell dazu beitragen, die Leis­ Den Vorhabens- und Planungsträgern wird dadurch tungsfähigkeit des Naturhaushaltes trotz der Be-

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 49 Landschaftsplanung U. Pröbstl-Haider et al.: Aufbau eines Ökokontos und -pflege für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in Oberbayern

einträchtigungen zu erhalten (Busse et al. 2013). Leistungsfähigkeit, fachliche Qualifikation und Zu- Ziel der bayerischen Naturschutzverwaltung ist es, verlässigkeit bietet (LfU 2017). dass in Zukunft Ökokontoflächen und -maßnah- Während Gewinnerzielungsabsicht und Dauer- men durch gewerbliche Betreiber im größeren haftigkeit eher nachvollzieh- und messbar sind, Umfang angeboten werden (LfU 2017). sind die Anforderungen an eine ordnungsgemä­ Die rechtlichen Grundlagen für die Entwicklung ße Aufgabenerfüllung schwieriger zu beurteilen. von Ökokonten für Eingriffe im Rahmen des Na- Hier muss der Antragsteller „hinsichtlich der Leis­ turschutzrechts finden sich im Bundesnatur- tungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fachkompe- schutzgesetz (BNatSchG) in den §§ 14 ff., im Baye- tenz gewährleisten, dass die angebotenen Leis- rischen Naturschutzgesetz (BayNatSchG) in Art. 8 tungen den rechtlichen und naturschutzfachli­ Abs. 1 und 2 und in der Bayerischen Kompensa­ chen Anforderungen entsprechen beziehungs- tionsverordnung (BayKompV) in den §§ 13 ff. weise diesen entsprechend durchgeführt werden“ (LfU 2017). Dies kann durch Nachweise im Bereich Für den gewerblichen Betrieb eines Ökokontos der langfristigen Qualitätssicherung, der finanziel­ ist zunächst die Anforderung des Art. 8 Abs. 1 len und steuerlichen Unbedenklichkeit, der tech- BayNatSchG besonders relevant. Danach bestätigt nischen Mindestausstattung und der Beschäfti- die untere Naturschutzbehörde im Benehmen gung einschlägiger Mitarbeiter beziehungsweise mit der betroffenen Fachbehörde die grundsätz- durch die Kooperation mit einschlägigen Fachbü- liche Eignung der Fläche und der vorgesehenen ros erreicht werden, um alle Aspekte, von der Im- vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mobilienwirtschaft über den Naturschutz bis zur nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Darüber hinaus rechtlichen Beratung abdecken zu können. muss ein gewerblicher Betreiber insbesondere die nachfolgenden rechtlichen Anforderungen erfüllen: Vom Landesamt für Umwelt (LfU) anerkannte ge- werbliche Ökokontobetreiber müssen darüber hi- •  Anerkennung der gewerblichen Betreibung naus die Anzeigepflicht gemäß § 14 Gewerbeord- eines Ökokontos (§ 13 Abs. 3 BayKompV) nung erfüllen (LfU 2017). Derzeit gibt es in Bayern •  Ökokontomaßnahmen (§ 14 BayKompV) 14 anerkannte Ökokontobetreiber (Stand: Dezember •  Aufnahme in das Ökoflächenkataster 2017), zu denen neben großen staatlichen Betrie- (§ 15 BayKompV) ben, wie den Bayerischen Staatsforsten oder der •  Abbuchung aus dem Ökokonto Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, auch re- (§ 16 BayKompV) gionale Stiftungen, überwiegend jedoch spezielle •  Handelbarkeit (§ 17 BayKompV) Agenturen, gehören. Weiterhin wird ein Ökokonto von einem regelmäßig eingreifenden Abbau-Be- Wie in der Begründung zu § 13 Abs. 3 BayKompV trieb geführt und zwei zertifizierte Ökokonten sind ausgeführt, ist ein gesondertes staatliches Aner- offensichtlich Teil eines Landnutzungsbetriebs. kennungsverfahren erforderlich, um „[…] den Ein- Nicht bei allen anerkannten Ökokontobetreibern griffsverursacher und den Vollzugsbehörden ein ist eine eindeutige Zuordnung zu Tätigkeitsschwer­ gewisses Maß an Sicherheit zu geben, dass die punkten möglich. Maßnahmen und Flächen auch den fachlichen Anforderungen entsprechen […]“. Die Vorausset- Die erfolgreiche Anerkennung ermöglicht die zungen für die Anerkennung sowie Informatio­nen Aufnahme der Flächen in das Ökoflächenkataster. zur Antragstellung sind in den Hinweisen zum Nach § 15 Abs. 1 BayKompV wird eine Fläche in das Vollzug des § 13 Abs. 3 BayKompV zusammenge- Ökoflächenkataster eingetragen, wenn eine Bestä­ stellt (LfU 2017). Danach muss bei einem gewerb- tigung nach Art. 8 Abs. 1 BayNatSchG vorliegt und lichen Ökokontobetreiber die Tätigkeit auf Dauer sowohl der Maßnahmenträger als auch der Eigen- angelegt sein, selbstständig ausgeübt sowie mit tümer der Fläche schriftlich zugestimmt haben. Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden. Schließlich ist in Bezug auf die Handelbarkeit die Das Kriterium der Dauerhaftigkeit ist erfüllt, wenn Vorgabe des § 17 Abs. 1 BayKompV für den gewerb­ die Betätigung eine Wiederholungs- und Fortset- lichen Betreiber hervorzuheben, wonach bei Ver- zungsabsicht erkennen lässt und nicht nur gele- äußerung einer ins Ökokonto eingestellten Fläche gentlich erfolgt (Ziekow 2010, vergleiche § 10 der Eigentumsübergang der unteren Naturschutz­ Rn. 12). Das heißt, es sollen nicht nur kurzfristig behörde anzuzeigen ist. Bei Übertragung ledig- Flächen besessen oder angekauft, mit Maßnahmen lich der Wertpunkte auf einen Dritten, ist nach § 17 aufgewertet oder vermarktet werden (LfU 2017). Abs. 2 S. 1 BayKompV erforderlich, dass die Aus- Nach § 13 Abs. 3 S. 2 BayKompV wird die Anerken- gleichs- und Ersatzmaßnahme ab dem Zeitpunkt nung für die gewerbliche Betreibung erteilt, wenn ihrer Abbuchung gemäß § 11 Abs. 2 BayKompV der Bewerber hinreichende Gewähr für seine rechtlich gesichert ist.

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Entfallen die Voraussetzungen, kann die Anerken- sich durch die Aufnahme ins Ökokonto auch die nung nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht Wiedereinführung einer extensiven Pflege, wie gemäß Art. 49 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsver- etwa von Streuwiesen, Magerrasen oder Nieder- fahrensgesetz (BayVwVfG) widerrufen werden. moorflächen, die zuzuwachsen drohen, lohnen. Insgesamt kann dadurch in einem landwirtschaft- 2. Auswahl der Flächen und Bewertung lichen Betrieb wesentlich zum effizienten Mana­ der Maßnahmen gement beigetragen werden. Liegt ein Betrieb in 2.1_ Grundsätze und Vorgehensweise aus Natura 2000-Gebieten, sind auch dort Maßnahmen betrieblicher Sicht möglich, sofern diese über die verpflichtenden Der Aufbau eines Ökokontos setzt sich aus verschie­ Maßnahmen hinausgehen (siehe § 9 Abs. 3 Nr. 2a BayKompV). Insgesamt sollte das Konzept ökolo- denen Aufgabenstellungen zusammen. Eine Vor- gische und ökonomische Aspekte integriert be- gabe enthält § 14 Abs. 2 BayKompV, wonach die rücksichtigen. Maßnahme eine Aufwertung von mindestens 15.000 Wertpunkten erbringen oder die Ökokon- Grundsätze tenfläche grundsätzlich mindestens 2.000 2m Grundsätzlich sollten folgende Aspekte bei der umfassen muss. Auswahl von Maßnahmen für das Ökokonto durch den Betreiber berücksichtigt werden (ver- Aus betrieblicher Sicht ist der regionale Bedarf an gleiche BayKompV 2014; Busse et al. 2013; Louis Kompensationsflächen mit entscheidend, damit 2004; LUBW 2002): die durchgeführten Maßnahmen in absehbarer Zeit •  Die Flächen müssen ökologisch aufwertbar sein refinanziert werden können. Allerdings können (das heißt aufwertungsbedürftig und -fähig). die als Ökokonto vorgesehenen Flächen, solange Beispielsweise müssen Aufwertungen von Wald­ sie noch nicht abgebucht wurden, jederzeit aus beständen über die Vorgaben von Forst­einrich­ dem Ökoflächenkataster herausgenommen und tungswerken, Betriebsgutachten oder forst- ihr Ausgangszustand wiederhergestellt werden fachliche Gutachten (zum Beispiel im Privatwald) (siehe § 15 Abs. 4 BayKompV). Dies reduziert das hinausgehen (vergleiche § 2 S. 1 Abs. 1 Nr. 1 betriebliche Risiko. BayKompV). Um zu vermeiden, dass Ausgleichsflächen isoliert • Die Flächen dürfen nicht bereits Ausgleichsflächen in der Landschaft angelegt werden, sollte weiter- sein (vergleiche § 2 S. Abs. 1 Nr. 3 BayKompV) hin ein ganzheitliches Konzept unter Beachtung oder durch andere Eingriffe bedroht werden oder zuvor in ihrem Wert gemindert sein. des Biotopverbundes, der Ziele und Grundsätze der Landschaftsplanung sowie von Synergieeffekten • Es werden nur Ausgleichsmaßnahmen anerkannt, die nicht mit staatlichen Förderprogrammen in Schutzgebieten angelegt werden. Nach § 13 durchgeführt wurden (vergleiche § 2 S. Abs. 1 Abs. 2 BayKompV sollen Ökokonten vorzugsweise Nr 4 BayKompV). Ungeeignet sind auch Maß- in der in § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 festgelegten Gebiets­ nahmen, die von EU, Bund oder Land gefördert kulisse entstehen. Im Rahmen des Ökokontos werden und die Freiwilligkeit als Förderbedin- können auch Maßnahmen zur Verbesserung des gung zur Voraussetzung haben. Grundwasserschutzes, der Aufbau von Retentions­ •  Es besteht keine Anerkennung von in der Ver- räumen, die Entwicklung von Pufferzonen um gangenheit durchgeführten Maßnahmen (siehe geschützte Lebensräume, aber auch Belange der detaillierte Regelung in § 15 Abs. 5 BayKompV). Erholungsvorsorge, des Arten- oder Klimaschutzes •  Die Aufwertungsmaßnahmen müssen im Ein- mit umgesetzt werden. Ein Ökokonto als Teil eines klang mit gesetzlichen Grundlagen (zum Beispiel land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ermöglicht Waldgesetz, Wasserrechtliche Vorgaben) sein. es, Bereiche, die wenig oder keine Erträge bringen, •  Die Maßnahmen müssen ohne anderweitige jedoch ein hohes naturschutzfachliches Potenzial rechtliche Verpflichtung durchgeführt werden. haben, einer anderen Verwertung zuzuführen. • Ungeeignet sind weiterhin Maßnahmen des Dadurch kann Zusatzeinkommen generiert wer- technischen Umweltschutzes, die nicht zu einer den und ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung und gleichzeitigen naturschutzfachlichen Aufwer- Förderung spezifischer Lebensraumtypen geleis­ tung führen. tet werden. • Die Verbesserungsmaßnahmen dürfen den Aus betrieblicher Sicht können auch gezielt Flächen Programmen und Plänen nach §§ 10 und 11 (wie Torfstiche, gewässerbegleitende Wiesenstrei- BNatSchG nicht widersprechen. fen oder Moorwälder) durch Nutzungsreduktion •  Weiterhin sind agrarstrukturelle Belange (ver- aufgewertet werden und Konflikte mit verschie- gleiche § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG) gesondert zu denen Nutzungsansprüchen (zum Beispiel Ge- prüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Maß­ wässerschutz) gelöst werden. Umgekehrt kann nahmen auf mehr als drei Hektar land- oder

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Abbildung 2 Die früh- zeitige Abstimmung von Flächen und Maßnahmen forstwirtschaftliche Fläche beziehungsweise Refinanzierbare Kosten mit den Fachbehörden auf überdurchschnittlich ertragreichen Böden Für einen landwirtschaftlichen Betrieb, der die Aus­ ist unabdingbar (eigene vorgesehen sind. gleichsflächen regelmäßig pflegt und Maßnahmen Darstellung). • Die Maßnahmen sollten sich aus Gesamtkon- durchführt, ist entscheidend, die entstehenden zepten, wie dem kommunalen Landschaftsplan, Kosten durch den Eingriffsverursacher refinanzie- dem Arten- und Biotopschutzprogramm, Fauna- ren zu können. Folgende Kosten können grund- Flora-Habitat (FFH)-­Managementplänen oder sätzlich refinanziert werden und sollten daher de- Ähnlichem ableiten. tailliert erfasst werden: • Die Flächen sollten größeren Flächenkomplexen Die Kosten für angehören und kein unzusammenhängendes Mosaik von Einzelflächen darstellen. • die Planung der Ausgleichsmaßnahmen, • den Grunderwerb, die sonstige dingliche Siche- Für die detaillierte Entwicklung von Maßnahmen rung oder die Bereitstellung der Flächen, bietet § 14 Abs. 1 BayKompV eine Hilfestellung und verweist auf eine Liste tauglicher – jedoch • die Herstellung der Maßnahme (zum Beispiel nicht abschließender – Ökokontomaßnahmen Erdbau, Pflanzun­gen) sowie (vergleiche Anlage 4.1 Spalte 6 und Anlage 4.2 • die Entwicklung beziehungswei­se Pflege der Spalte 5). In Anlage 4.1 werden Maßnahmenvor- Ausgleichsfläche bis zum Erreichen der ange- schläge für folgende Biotoptypen aufgeführt: strebten ökologischen Funktion (Entwicklungs- Quellen und Gewässer, feuchte bis frische Offen- ziel). landstandorte, Gehölzbiotope und Wälder, trocke­ Ablauf ne und nährstoffarme Offenlandbiotope sowie Sonderstandorte. Ackerlebensräume sind nicht als Abbildung 2 fasst die wesentlichen Ablaufschritte Öko­kontomaßnahmen vorgesehen. Weiterhin kön­ zusammen. Der Antrag auf Anerkennung eines nen auch Maßnahmen zum Schutz des Bodens, Ökokontos ist bei der unteren Naturschutzbehörde des Wassers, von Klima und Luft sowie des Land- zu stellen. Diese prüft die Unterlagen, bestätigt schaftsbildes anerkannt werden (Vorschläge dazu die ausgewählten Maßnahmen und gibt diese ins enthält Anlage 4.2). Ökoflächenkataster ein.

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Abbildung 3 Rena­ turierung und Wieder- vernässung von ehema- ligen Moorstandorten (Foto: Ulrich Ammer).

2.2_ Auswahl geeigneter Standorte und stand um mehr oder weniger reine und struktur- naturschutzfachlicher Leitbilder arme Fichtenbestände (meist mittleren Alters), die anhand eines Beispielbetriebes sich durch Einbringung von Tanne und Laubholz Um die Möglichkeiten der Umsetzung naturschutz­ deutlich an die natürliche Waldgesell­schaft des fachlicher Leitbilder unter Berücksichtigung wirt- Asperulo Fagetum (Buchen-­Tannen-Fichten- schaftlicher Interessen im Rahmen der Ökokonto- Mischbestände, LRT 9130 nach Handbuch der Le- planung deutlich zu machen, soll die Aufwertung bensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie der BayKompV für einen land- und forstwirtschaft­ in Bayern 03/2010) heranführen lassen und damit lichen Betrieb beispielhaft dargestellt werden. erheblich über die forstfachlichen Ziele der guten Der Betrieb liegt in der Drumlinlandschaft des fachlichen Praxis hinaus gehen. südlichen Oberbayerns, die durch einen kleinräu- Maßnahmen in Pflegebeständen: In Pflege­ migen Wechsel von Hoch- und Niedermoorkom- beständen, in denen bereits ausreichend Misch- plexen in den Senken bis hin zu Magerstandorten baumarten vorhanden sind, kann durch gezielte und trockenen Buchenwäldern auf den Rücken Pflege- beziehungsweise Durchforstungseingriffe der Moränenhügel geprägt ist. Um diese Land- das – in der Regel fichtendominierte – Baumarten­ schaft auch wirtschaftlich produktiv zu machen, verhältnis zugunsten naturnäherer, laubholz­rei­che­­ wurde bereits vor über 100 Jahren begonnen, rer Bestände verändert werden. durch Drainagen die Moorflächen trocken zu le- Entwicklung seltener/gefährdeter Waldgesell- gen, um Fichten anpflanzen zu können oder um schaften: Auf weiten Flächen des Niedermoors produktivere Grünlandstandorte zu erreichen. stocken aktuell mehr oder weniger reine Fichten- Aus heutiger Sicht sind die daraus entwickelten bestände, nachdem in der Vergangenheit Entwäs­ Standorte land- und forstwirtschaftlich von gerin- serungsgräben die Standorte fichtenfähig gemacht ger Produktivität und daher aus betrieblicher Sicht haben. Diese Flächen nach Verschluss der Gräben gut für eine Renaturierung und als Ökokonto ge- in Erlenbruchwälder umzuwandeln, die wieder dem eignet. Mit im Umfeld angrenzenden FFH-Lebens­ natürlichen Standort entsprechen, ist eines der räumen tragen die Ökokontoflächen zum Biotop­ wichtigen Ziele des Ökokontos. verbund bei und fördern die im Arten- und Bio- Anlage, Entwicklung und Pflege von Struk- topschutzprogramm des Landkreises genannten turen, die für den Arten- und Biotopschutz seltenen Arten. Vor diesem Hintergrund wurden bedeutend sind (Altholzinseln, Biotopbäume, für insgesamt 56 ha Wald, Grünland und Moorflä- Moorrandwälder) und Sicherung bisher be- chen folgende Maßnahmentypen untersucht und wirtschafteter Waldbestände (Prozessschutz- bewertet: flächen): Hierher gehören Bestände, Baumindivi- Maßnahmen in Verjüngungsbeständen: Dabei duen und Bereiche, die eine besondere Bedeutung handelt es sich im Wesentlichen im Ausgangszu- für geschützte und seltene Arten in den Feucht­

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lebensräumen wie Kreuzotter, Biber, Spechte, Arbeitshilfe ausführt, ist jeweils eine Orientierung Fledermäuse und Baumpilze haben. Diese Lebens­ an regionalen Referenzzuständen entsprechen­der räume sollen ungestört und dauerhaft erhalten natürlicher beziehungsweise naturnaher Waldge- bleiben. Durch den Nutzungsverzicht kann hier sellschaften erforderlich. Die PIK-Arbeitshilfe defi- eine Aufwertung erzielt werden. niert hierfür Mindestanforderungen, führt die je nach Maßnahme erreichbaren Biotop- und Nut- Extensivierung von Grünlandflächen: Im Mosaik zungstypen der Biotopwertliste auf und weist auf zwischen Waldflächen und Mooren sind extensiv mögliche Zielarten hin. Zu den maßnahmenspezi­ genutzte Grünlandflächen zu finden, die von der fischen Mindestanforderungen für den Waldumbau relativ trockenen Magerwiese über feuchte Nass- zählen auch hier die dauerhafte Steigerung des wiesen bis zur Streuwiese reichen. Gezielte Maß- Laubholzanteils, des Laubmischholzanteils oder nahmen (zweimalige Mahd mit Abfuhr des Mäh- des Anteils der Weißtanne in Pflege- und Verjün- gutes und Verzicht auf Düngung) können diese gungsbeständen sowie bei Umbau- und Unter- bislang intensiver genutzten und daher eher ar- baumaßnahmen. Allerdings ist zu beachten, dass tenarmen Flächen deutlich aufwerten. eine Maßnahme im Wald nur anerkannt werden Renaturierung von Moorflächen: Hierzu zählen kann, wenn diese über die Anforderungen an eine Bereiche mit ehemaligen Handtorfstichen, die zur sachgemäße (legal definiert in Art. 4 Nr. 1 BayWaldG) Gewinnung von Brenntorf dienten, degradierte oder vorbildliche Waldbewirtschaftung im Sinne Flächen durch Abplaggen von Heidekraut und des BayWaldG hinausgeht. Das bedeutet, dass der Torfmoosen als Einstreu, Grünlandnutzung auf geplante Zustand gegenüber Vorgaben von Forst­ Nieder- und Hochmoorflächen beziehungsweise einrichtung, von Forstbetriebsgutachten im öffent­ Aufforstungen mit Fichte auf entwässerten Moor- lichen Wald beziehungsweise von fachgutachter- standorten. Maßnahmen bestehen hier in einem lichen Einschätzungen im Privatwald hinausgehen Verschluss der Grabensysteme oder Aufstau durch muss. Für den Ökokontobetreiber wurden die aus­ Dammkonstruktionen mit Holzeinbauten. gewählten naturschutzfachlichen Zielsetzun­gen, die mit dem Betrieb abgestimmt waren, mit den Naturnahe Gestaltung von Stillgewässern: maßnahmenspezifischen Mindestanforderungen Am Nordrand des Filzes gelegene Stillgewässer für die Schaffung von Offenlandlebensräumen bilden ein Biberbiotop. Hier sind ergänzende und für die Aufwertungen auf Waldstandorten Pflanzungen von Weichlaubgehölzen notwendig, abgeglichen und dafür der Kompensationsumfang nachdem sich der Biber bereits an einer stärkeren gemäß § 8 BayKompV über Wertpunkte ermittelt. Buche zu schaffen macht. Nicht flächenbezogen bewertbare Merkmale und 2.3_ Erläuterungen zur Bewertung der Ausprägungen des Schutzgutes Arten und Lebens­ Kompensationsmaßnahmen anhand räume werden gemäß Anlage 2.1 (§ 4 Abs. 3 S. 1 der Biotop- und Nutzungstypen im Nr. 2 BayKompV) verbal argumentativ bewertet. Beispielbetrieb Weiterhin wurden für jede Maßnahme Zielarten aufgeführt. Für die Kompensation im Wald ist insbesondere die vom LfU 2014 herausgegebene „Arbeitshilfe 3. Durchführung der Kartierung und Tabelle 1 Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnah­ Ergebnisse Übersicht und Gesamt­ men (PIK)“ (PIK-Arbeitshilfe) zu beachten. Wie die ergebnis (LfU, Jede für eine Einbuchung ins Ökokonto vorgese- Stand 20.12.2017). hene Fläche wurde begangen und im Wald eine fachgutachterliche Einschätzung durch das Amt Maßnahmentyp Flächengröße für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten (AELF) in ha über die Anforderungen an eine sachgemäße Waldbewirtschaftung (gute fachliche Praxis nach Waldbauliche Maßnahmen in Verjüngungsbeständen 16,14 Waldgesetz) vorgenommen. Waldbauliche Maßnahmen in Pflegebeständen 3,60 Ausgangszustand sowie gegebenenfalls der forst- Entwicklung seltener/gefährdeter Waldgesellschaften 17,76 fachliche Mindeststandard und die Zielvorstellung Anlage, Entwicklung und Pflege von Strukturen, die für den Arten- 7,85 (mit Angabe der Maßnahmen zur Zielerreichung) und Biotopschutz bedeutend sind (Altholzinseln, Biotopbäume, wurden in einem Erhebungsbogen für jede ein- Moorrandwälder) und Sicherung bisher bewirtschafteter Waldbe­ zelne Parzelle festgehalten. Ferner wurden für je- stände (Prozessschutzflächen) de Fläche ein Lageplan mit Flächenabgrenzung Extensivierung von Grünlandflächen 6,58 und eine Fotodokumentation des aktuellen Zu- Renaturierung von Moorflächen 4,00 standes erstellt. Insgesamt konnten nach der be- Naturnahe Gestaltung von Stillgewässern 0,44 schriebenen Methode für den Betrieb die in Tabel­ le 1 zusammengestellten Ergebnisse erzielt werden. Gesamtfläche 56,37 Sie zeigt auch die Aufteilung auf die verschiede­nen Anerkannte Wertpunkte nach BayKompV 1.905.800 Maßnahmentypen.

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Insgesamt ergeben sich basierend auf den Vorga- d) Entsprechend den Vorgaben wurden auch die ben der Bayerischen Kompensationsverordnung landwirtschaftlichen Standortseigenschaften sowie nach der vorliegenden Bestandsbeschrei- berücksichtigt und keine Flächen eingebucht, bung und den mit den zuständigen Fachbehör- die für die landwirtschaftliche Produktion von den abgestimmten Bewertungen die Wertpunkte durchschnittlicher oder höherer Wertigkeit für das gewerbliche Ökokonto des Land- und wären. Alle Maßnahmen wurden mit dem AELF Forstwirts. abgestimmt. 4. Diskussion 4.3_ Agrarstrukturelle Belange 4.1_ Berücksichtigung wertvoller Beiträge Das Fallbeispiel eines landwirtschaftlichen Betriebs durch Prozessschutz als Ökokontobetreiber ist insgesamt positiv und zeigt eine Win-Win-Situation aus ökonomischer Aus der Sicht des Betriebs war es entscheidend, und ökologischer Hinsicht. Dieses positive Beispiel dass auch ein dauerhafter Nutzungsverzicht ho- kann aber sicher nicht 1:1 auf andere Betreiber- noriert wird. Dieser ist für ein land- und forstwirt- schaftliches Unternehmen – anders als der pro- modelle übertragen werden. Betrachtet man die duktionsintegrierte Ausgleich – der größtmögli­che aktuell abrufbaren Kompensationsflächen ande- Beitrag zugunsten des Naturschutzes. Die ersten rer Anbieter, insbesondere der Flächenagenturen, Berechnungen ergaben jedoch, dass die bisheri­ge die den größten Anteil der neuen gewerblichen Anwendung der BaykompV (siehe auch Pröbstl-­ Ökokonten stellen, dann sind solche Lösungen Haider & Ammer 2017) diese Aspekte – im Gegen- eher die Ausnahme als die Regel. Es fehlt nicht nur satz zu einer Ökokontobeurteilung nach dem der Flächenzusammenhang, sondern auch ein Leitfaden – nicht angemessen berücksichtigt. ganzheitliches Konzept, und unterscheidet sich Daher wurde, in Absprache mit der unteren Natur­ damit ganz wesentlich von den bestehenden schutzbehörde, die Methode angepasst. Wir sind kommunalen Ökokonten. Dort, wo unmittelbar der Auffassung, dass sich gerade im Hinblick auf Grundstücke im Internet angesehen werden kön- die zu stärkenden Zielarten der Region diese Än- nen, dominieren Einzelgrundstücke in räumlicher derung naturschutzfachlich mehr als rechtfertigen Trennung. Ein Aufwertungskonzept, das im vorlie- lässt und gleichzeitig die Bemühungen des Land- genden Fall besonderen naturschutz- und forst- beziehungsweise Forstwirts angemessen hono- fachlichen Sachverstand erforderte (zur Moorren- riert. Hier wäre zu prüfen, ob in Zukunft Leitfäden aturierung wurde ein zusätzliches Fachgutachten und Arbeitshilfen diesen Aspekt aufnehmen. eingeholt), ist bei den Agenturen zumeist nicht erkenntlich; es werden in der Regel Ausgleichs- 4.2_ Ganzheitliches Konzept maßnahmen auf intensiv landwirtschaftlich ge- Insgesamt ist das Ergebnis, nicht nur für den land- nutzten Flächen (zum Beispiel Aufforstung von und forstwirtschaftlichen Betrieb in ökologisch Ackerflächen) angeboten. besonders sensibler Lage, sondern auch für den Naturschutz im Landkreis ein Gewinn. Dies hat Neben den naturschutzfachlichen Aspekten sind folgende Gründe: daher in Zukunft vor allem auch agrarstrukturelle a) Nachdem die Flächen alle einem Eigentümer Belange gesondert zu prüfen. Sind in ausgewähl- gehören und Teil eines Betriebes sind, liegen ten Räumen mehrere Agenturen tätig, sind im sie relativ nahe beieinander. Dadurch sind die Hinblick auf die bereits vielerorts deutlich gestie- Flächen gegenüber äußeren Störeinwirkungen genen Pachtpreise und die Interessen der pro­ gut geschützt, bieten Lebensraum für Arten duzierenden Landwirte auch Summeneffekte zu mit größeren Aktionsradien und leisten im Zu- beachten. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, sammenhang mit angrenzenden FFH-Gebieten dass einzelne Agenturen ein sogenanntes „Rund- einen wichtigen Beitrag zum Biotopverbund. um-sorglos-Paket“ anbieten, das alle Leistungen, b) Der Eigentümer verfügt über die für eine opti- von der Akquise der Fläche über die Umsetzung male Pflege erforderlichen land- und forstwirt- der Kompensationsmaßnahmen bis zur Sicher- schaftlichen Geräte und ist mit den Bewirt- stellung des Entwicklungsziels, umfasst. Viele schaftungsanforderungen im Detail vertraut. Agenturen sind aktiv auf der Suche nach Acker- Er gewährleistet durch die aktive Einbindung und Grünlandflächen und entwickeln in diesem in die Maßnahmenentwicklung auch eine sach- Zusammenhang auch neue Geschäftsmodelle. gerechte Umsetzung. Eine Vergabe von Pflege- So wird unter anderem den Landwirten angebo- leistungen an Dritte ist nicht erforderlich. ten, das für den Ausgleich verkaufte Land an- c) Offenland und Waldflächen wurden naturschutz­ schließend langfristig wieder zurück zu pachten fachlich im Verbund analysiert und entwickelt (angeboten wird ein Zeitraum von bis zu 25 Jah- und nicht getrennt betrachtet. ren oder mehr). Ein Pachtvertrag regelt dann eine

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extensive Bewirtschaftung der Grünlandflächen. LfU (= Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2017): Die Entwicklungen zeigen, dass sich die Rahmen- Vollzug der Bayerischen Kompensationsverord- bedingungen für die Landwirtschaft durch die nung (BaykompV). – Hinweise zur Anerkennung gewerblichen Betreiber ändern und dass durch von gewerblichen Ökokontobetreibern, Merkblatt Stand Juli 2017, Augsburg: 6 S. den neuen Markt auch neue Geschäftsmodelle entstehen. Es erscheint wichtig, die Entwicklun­ Louis, W. (2004): Rechtliche Grenzen der räumlichen, gen und Auswirkungen aus naturschutzfachlicher, funktionalen und zeitlichen Entkoppelung von Eingriff und Kompensation (Flächenpool und Öko- agrar- und forstpolitischer Hinsicht kritisch zu be- konto) in Natur und Recht. – Volume 26, Issue 11: gleiten. pp 714–719.

L UBW (= Landesanstalt für Umweltschutz Baden-­ Literatur Württemberg Fachdienst Naturschutz, 2002): Busse, J., Dirnberger, F., Pröbstl-Haider, U. & Schmid, W. Naturschutz-Praxis Eingriffsregelung. – Merkblatt 3, (2013): Die Umweltprüfung in der Gemeinde. – Karlsruhe: 4 S. 2. Auflage, München Pröbstl-Haider, U. & Ammer, U. (2017): Verwendung LfU & LWF (= Bayerisches Landesamt für Umwelt & von kommunalen Wäldern für den Aufbau eines Bayerische Landesanstalt für Wald und Forst- Ökokontos – Aktueller Stand und neue Herausfor- wirtschaft, 2010): Handbuch der Lebensraum- derung durch die Kompensationsverordnung am typen nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-­ Beispiel Bayern. – In: Naturschutz und Landschafts- Richtlinie in Bayern. – 03/2010. planung 49(5): 164–172.

LfU (= Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2014): StMUV (= Bayerisches Staatsministerium für Umwelt Bayerische Kompensationsverordnung (BayKompV). – und Verbraucherschutz, 2013): Begründung zur Arbeitshilfe Produktintegrierte Kompensations- Bayerischen Kompensationsverordnung. – www. maßnahmen (PIK), Augsburg. stmuv.bayern.de/themen/naturschutz/eingriffs regelungen/bay_komp_vo/doc/begruendung_ baykomp_vo_2013_09_13.pdf.

StMUV (= Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, 2015): Fachbroschüre Autorinnen und Autor „Naturschutzrechtliche Kompensation: Ziele und Ulrike Pröbstl-Haider, Umsetzung der BayKompV“. – München. Jahrgang 1960. StMUV, StMELF & StMI (= Staatministerium für Um- Univ. Prof. Dr. agr. habil. Dr. rer silv. Ulrike Pröbstl-Haider welt und Verbraucherschutz, Staatsministerium ist Universitätsprofessorin am Institut für Landschafts­ für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten & entwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung Staatministerium des Innern, für Bau und Verkehr; an der Universität für Bodenkultur in Wien. Sie leitet 2013): Hinweise zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnah- seit 1988 auch die Arbeitsgruppe für Landnutzungs- men im Wald für Eingriffe in Natur und Landschaft planung in Etting/Polling, Bayern. Spezielle Forschungs­ nach dem Naturschutzrecht. schwerpunkte im Naturschutz sind neben der Ein- griffsregelung die Klimawandelanpassung im Bereich Bayerisches Staatsregierung (2013): Verordnung über der Landnutzung sowie die Auswirkungen von Er­ die Kompensation von Eingriffen in Natur und Land­ holung und Tourismus auf die Umwelt. schaft – Bayerische Kompensationsverordnung (BayKompV). – Bayerisches Gesetz- und Verord- Institut für Landschaftsentwicklung, nungsblatt Nr. 15/2013, 791-1-4-UG, in Kraft getreten Erholungs- und Naturschutzplanung am 01. September 2014, München. an der Universität für Bodenkultur in Wien [email protected] Ziekow, J. (2010): Öffentliches Wirtschaftsrecht. – +43 1 47654 85317 2. Auflage, München.

Prof. em. Dr. Ulrich Ammer Arbeitsgruppe für Landnutzungsplanung in Etting/Polling [email protected] +49 8801 669 Zitiervorschlag Christina Pröbstl Pröbstl-Haider, U., Ammer, U. & Pröbstl, C. (2018): Arbeitsgruppe für Landnutzungsplanung Aufbau eines Ökokontos für einen land- und forst- in Etting/Polling wirtschaftlichen Betrieb in Oberbayern. – ANLiegen [email protected] Natur 40(1): 49–56, Laufen; www.anl.bayern.de/ +49 8802 91091 publikationen.

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Jürgen Geist und Joachim Pander Leitlinien einer erfolgreichen Gewässerrestaurierung

Die Restaurierung von Gewässerökosystemen gewinnt im Kontext der Europäischen Wasserrahmen- richtlinie und des Biodiversitätsschutzes zunehmend an Bedeutung. Erfolgreiche Projekte zeichnen sich durch ein planvolles Vorgehen aus, das sieben Schritte beinhaltet: Definition der Schutzziele, Bestimmung des Status quo, Identifikation von Defiziten, Priorisierung und Entscheidung zu Renatu- rierungsmaßnahmen, deren Durchführung, gefolgt von einer Evaluierung mit adaptivem Management und der Kommunikation beziehungsweise Veröffentlichung der Ergebnisse. Ein systematisch-­ evidenzbasiertes Vorgehen bildet die Basis für eine objektive Bewertung von Restaurierungspro- jekten. Gerade auch aus Projekten, bei denen die angestrebten Ziele nicht oder nur teilweise erreicht werden, können wichtige Lehren gezogen werden.

Intakte Gewässerlebensräume sind für den Erhalt verbesserte Kläranlagentechnik und Ringkanalisa­ der Biodiversität von entscheidender Bedeutung. tionen wurden punktuelle Nährstoffeinträge und Gerade in dicht besiedelten Regionen wie Mittel­ damit Eutrophierungsprozesse reduziert. Die Was­ europa wurden Gewässer nach menschlichen Be­ serqualität konnte so erheblich verbessert werden. dürfnissen umgeformt. Sie entsprechen heute nur Durch Rauchgasentschwefelung und schwefelfreie in wenigen Fällen dem natürlichen Zustand. Kraftstoffe gelang es, das Problem der Versaue­ Flusskorrekturen mit Laufverkürzungen und Ent­ rung weitestgehend in den Griff zu bekommen. koppelungen der Gewässer von ihren Auen sind Große Herausforderungen liegen derzeit vor allem hierfür markante Beispiele. Diese Lebensraumver­ in der bei Fließgewässern defizitären Gewässer­ änderungen resultieren im Rückgang aquatischer struktur, veränderten Abflussregimen, der Habitat­ Biodiversität und im hohen Anteil vieler Gewässer­ fragmentierung und Verschlammung. Auch der lebewesen auf den Roten Listen. Insbesondere Klimawandel und invasive Arten, die vielerorts zu Spezialisten, Wanderfische und Arten, die an nähr­ neuartigen Lebensgemeinschaften führen, stellen stoffarme Fließgewässer mit intakter Kiessohle den Gewässerschutz vor große Herausforderungen. angepasst sind, gelten als besonders gefährdet. Im Gewässerschutz gilt ein einfacher Grundsatz: Auch Arten wie die heimischen Großmuscheln, Erhaltung geht vor Restaurierung. Meist ist es die einen komplexen Entwicklungszyklus mit einer deutlich kosteneffizienter und wirkungsvoller, parasitären Phase an einem Wirtsfisch besitzen, intakte Habitate zu schützen, als degradierte Ha­ sind rückläufig. bitate zu restaurieren. „Schutz“ beziehungsweise Im europäischen Gewässerschutz sollen die Struk­ „Erhaltung“ sind dabei keinesfalls statisch gemeint. turen, Funktionen und Ökosystemdienstleis­tun­gen Denn gerade Fließgewässer als dynamische Sys­ von Gewässern durch Restaurierungen verbessert teme erfordern in der Regel einen Prozessschutz, werden. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie zum Beispiel den Erhalt natürlicher Abflussregime. verfolgt das Ziel, bis spätestens 2027 einen „guten Eine Restaurierung oder Renaturierung bemüht ökologischen Zustand“ beziehungsweise ein „gutes sich hingegen um die Wiederherstellung bestimm­ ökologisches Potenzial“ der Gewässer zu erreichen. ter Bedingungen. Dazu zählen Maßnahmen wie Im Zuge der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie wer­ Strukturverbesserungen, Laufverlängerungen, den besonders bedeutsame Arten und Habitate Wiedervernetzungen mit der Aue oder auch die über ein Verschlechterungsverbot geschützt. Wiederherstellung der fischökologischen Durch­ Ziel ist auch hier ein „guter Erhaltungszustand“ gängigkeit (Abbildung 1). der Arten und Lebensräume. Beide Richtlinien Häufig fehlt jedoch der Nachweis, inwie­weit die greifen damit eng ineinander. umgesetzten Maßnahmen im Hinblick auf die Res­ In vielerlei Hinsicht konnten im Gewässerschutz be­ tau­rierungsziele erfolgreich sind. Dadurch man­ reits wichtige Fortschritte erzielt werden: Durch gelt es an belastba­ren Erfahrungswer­ten und es

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(BACI-Design) folgend, muss ein Monitoring so an­ gelegt sein, dass eine ähnliche und repräsentative Anzahl von Stellen zu unterschiedlichen Zeitpunk­ ten vor und nach der Maßnahmendurchführung miteinander verglichen werden. Die aufzunehmen­ den Variablen (zum Beispiel physikochemische Bedingungen, Artenspektren, Populationsdichten, demografische Strukturen) richten sich nach den vorher formulierten Schutz- und Restaurierungs­ zielen. Gerade im Fall stark degradierter Systeme kann es sinnvoll sein, zusätzlich auch intakte Refe­ renzgewässer, die dem Leitbild entsprechen, bei der Beprobung mit einzubeziehen.

3. Identifikation von Defiziten Durch den Vergleich des Ist-Zustands mit dem Referenzzustand können die wesentlichen Defizite identifiziert werden, die durch die Restaurierungs­ maßnahme behoben werden sollen. Akute und punktuelle Probleme, wie die Verschmutzung durch Punktquellen, lassen sich meist leichter er­ fassen und beheben als diffuse und chronische Abbildung 1 Typische Beispiele für Maßnahmen zur Restaurierung Probleme wie der Eintrag von Feinsediment und von Fließgewässern: (A) Sub­strat­ wird die wichtige Chance vergeben, bei die Kolmation der Gewässersohle. Oftmals be­ res ­taurierung zur För­de­rung kies­lai­ der Maß­nahmenumsetzung nachzusteu­ schränkt sich die Problemanalyse auf die jeweils chen ­­der Fischarten, (B) Struktur­ver­ ern. Erfolgreiche Schutz- und Restaurie­ im Fokus stehende Gewässerstrecke. Weit sinnvol­ besserung­ zur Erhöhung der Habi­ rungskonzepte zeich­nen sich daher durch ler ist es, intakte Referenzgewässer oder -strecken tatdiversität, (C) Wiederherstellung ein systematisches und evidenzbasiertes einzubeziehen. Sofern Projekte auf konkrete Ziel­ der fischökologischen Durch­gän­ Vorgehen aus (Abbildung 2). Es beinhaltet arten fokussiert sind, empfiehlt es sich, die Defizite gigkeit, beispielsweise durch Um­ folgen­de sieben Schritte: in den einzelnen Stufen des Lebenszyklus diffe­ gehungsgewässer, (D) Einbringen ren­ziert zu betrachten. von Totholz­ als Unterstand und 1. Definieren der Schutz-/ Juvenilhabitat für Fische (Fotos: Restaurierungsziele 4. Priorisierung und Entscheidung zu TUM-Aquatische Systembiologie). Auch wenn sich dieser erste Punkt banal Maßnahmen anhört, so gibt es nicht wenige Restau­ Gerade vor dem Hintergrund begrenzter Finanzie­ rierungsprojekte, die es versäumen, vor rungsmöglichkeiten sollte stets eine Priorisierung Maßnahmenbeginn ein konkretes Leitbild als Ziel möglicher Maßnahmen erfolgen, die auf Basis des für die Restaurierung zu definieren. Generell soll­ vorhandenen Fachwissens (Literaturrecherche) er­ ten lang- und kurzfristige Ziele unterschieden und folgt und bei der die Interessen der verschiede­nen eine Zieldefinition auf unterschiedlichen Ebenen Akteure, Entscheidungsträger und Mittelgeber vorgenommen werden. Sollen Populationen, berücksichtigt werden. In diesem Stadium sollten Arten, Lebensgemeinschaften oder bestimmte zudem mögliche Zielkonflikte (zum Beispiel meh­ Ökosystemfunktionen wiederhergestellt werden? rere schützenswerte Arten mit unterschiedlichen Je klarer die Zieldefinition, umso leichter die Er­ Habitatansprüchen) identifiziert und bei der Prio­ folgskontrolle. Eine Zieldefinition beschränkt sich risierung berücksichtigt werden. Neben der Pla­ in der Regel nicht auf biologisch-ökologische nung der Zeitskala (Aktionsplan) ist es unerlässlich, Ziele, sondern schließt technische und sozioöko­ klare Verantwortlichkeiten zu benennen, Risiken nomische Aspekte (zum Beispiel Freizeit- und Er­ zu identifizieren und auf veränderte Rahmenbe­ holungswert) mit ein. dingungen mit Alternativplanungen zu reagieren.

2. Bestimmung des „Status quo“ 5. Durchführung der Maßnahmen Nach der Festlegung der Schutz- und Restaurie­ Der eigentlichen Maßnahmendurchführung wird rungsziele ist es unerlässlich, den Vorherzustand meist die größte Bedeutung beigemessen und (Referenzzustand) zu erheben, da sich nur so der nicht wenige Restaurierungsprojekte beschränken Effekt der Maßnahme bewerten lässt. Aus Grün­ sich nur darauf, ohne die unerlässlichen Schritte den der Vergleichbarkeit, idealerweise einem so­ vor und nach der Maßnahme zu beachten. Bei der genannten „Before-After-Control-Impact-Design“ Maßnahmendurchführung gilt stets der Grund­

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satz der Risikovermeidung und Risikostreuung. Bestimmte Maßnahmen, wie die Substratlockerung in Fließgewässern zur Laichplatzsanierung für kieslaichende Fischarten (Abbildung 1 A), können auch negative Effekte, zum Beispiel auf die unter­ halb liegenden Bereiche, haben. Sinnvoll ist es, die Maßnahme zunächst zu erproben und in ihrer Wirkung zu untersuchen, bevor sie in größeren Bereichen des Gewässers zur Anwendung kommt.

6. Evaluierung und adaptives Management Auf eine Evaluierung des Projektes kann in der Re­ gel nur dann verzichtet werden, wenn entspre­ chende Maßnahmen im gleichen Gewässertyp bereits erfolgreich erprobt sind. Dies trifft derzeit jedoch nur auf sehr wenige Maßnahmen zu. Ent­ scheidend für eine Evaluierung ist der Bezug auf Abbildung 2 die in Schritt 1 definierten Schutz- und Restaurie­ Sieben Schritte für ein rungsziele und der Vergleich mit dem Vorherzu­ systematisches Vorgehen bei Restaurierungsmaß­ stand und/oder dem Referenzzustand (Schritt 2). nahmen. In jedem Fall muss sich die Evaluierung an den Lebenszyklen der beteiligten Zielarten orientieren und eine mögliche Saisonalität mit einbeziehen. Neben biologisch-ökologischen Aspekten sollten gestalten. Gerade Aspekte, die nicht wie geplant auch bei der Evaluierung technische und sozioö­ funktioniert haben, sollten daher ebenfalls offen konomische Faktoren (zum Beispiel Kosten-Nutzen-­ berichtet werden. Effizienz, Annahme durch die Bevölkerung) be­ Trotz der bereits umfangreichen Investitionen in die rücksichtigt werden. Auf Basis der Evaluierung Gewässerrestaurierung haben sich die gewünsch­ kann im Rahmen eines adaptiven Managements ten Erfolge einer Verbesserung des ökologischen (Abbildung 2) nachjustiert werden, um den Erfolg Zustands gemäß Wasserrahmenrichtlinie vielerorts der Maßnahme zu steigern. So kann beispielsweise noch nicht eingestellt. Als Ursachen hierfür wer­ nach einer Evaluierung mehrerer kleinräumig er­ den eine Überlagerung der Restaurierungseffekte probter Alternativmaßnahmen die wirkungsvollste durch andere Faktoren (Wasserchemie, Klimawan­ Restaurierungsoption für die großräumige Um­ del, Neobiota, Prädation), zu kurze Zeiträume des setzung identifiziert und angewendet werden. Monitorings für eine abschließende Bewertung, 7. Kommunikation, Austausch und Defizite in der Untersuchungsmethodik und ein Publikation unzureichender Kenntnisstand bezüglich der Wir­ kung durchgeführter Maßnahmen diskutiert. Diese Je nach Projektart und -umfang bieten sich ver­ Situation sollte keinesfalls dazu führen, weitere schiedene Möglichkeiten zur Veröffentlichung und Diskussion der Ergebnisse an: Für die Wissenschaft Anstrengungen zur Gewässerrestaurierung zu steht meist die Publikation in internationalen Zeit­ unterlassen. Vielmehr sollten durch ein systematisch-­ schriften im Fokus, bei der die Ergebnisse vor Ver­ evidenzbasiertes Vorgehen praktizierte Maßnah­ öffentlichung in einem peer review-Prozess inter­ men kritisch überprüft und die wirksamsten Maß­ national begutachtet werden. Daneben gibt es eine nahmen identifiziert und umgesetzt werden. Das Vielzahl deutschsprachiger Fachzeitschriften, die Argument, dass Maßnahmen immer individuell Veröffentlichung im Internet, als Projektbroschüre, und einzelfallbezogen ausgestaltet werden müs­ die Vorstellung auf Tagungen und Workshops und sen, greift dabei nur eingeschränkt. Zwar ist eine vieles mehr. Die Kommunikation der Ergebnisse, Anpassung an die jeweiligen lokalen Verhältnisse gleich auf welchem Weg, ist dabei vor allem für zu­ immer erforderlich, allerdings können durch über­ künftige Projekte von entscheidender Bedeutung. geordnete Vergleiche und systematische Metastu­ Auch wenn verständlicherweise die Tendenz vor­ dien grundlegende Wirkungsweisen und Effekt­ herrscht, Erfolge höher zu werten als Misserfolge, stärken der Maßnahmen ermittelt werden, die für so sind beide Ergebnisse gleichermaßen bedeu­ die Einzelfallplanung wichtige Entscheidungshilfen tend, um Restaurierungen in Zukunft effektiver zu liefern.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 59 Landschaftsplanung J. Geist und J. Pander: und -pflege Leitlinien einer erfolgreichen Gewässerrestaurierung

Weiterführende Literatur Mueller, M., Pander, J. & Geist, J. (2014a): A new tool vollständiges Verzeichnis siehe: www.fisch.wzw.tum.de for assessment and monitoring of community and ecosystem change based on multivariate abun­ Auerswald, K. & Geist, J. (in press): Extent and causes of siltation in a headwater stream bed: catchment dance data integration from different taxonomic soil erosion is less important than internal stream groups. – Environmental Systems Research 3; 12: processes. – Land Degradation and Development. DOI: 10.1186/2193-2697-3-12. Mueller, M., Pander, J. & Geist, J. (2014b): The ecological Geist, J. (2011): Integrative freshwater ecology and bio­ diversity conservation. – Ecological Indicators 11; value of stream restoration measures: an evaluation 1507–1516. on ecosystem and target species scale. – Ecological Engineering 62: 129–139. Geist, J. (2014): Trends and Directions in Water Quality and Habitat Management in the Context of the Eu­ Pander, J. & Geist, J. (2010): Seasonal and spatial bank ropean Water Framework Directive. – Fisheries 39: habitat use by fish in highly altered rivers – a com­ 219–220. parision of four different restoration measures. – Ecology of Freshwater Fish 19: 127–138. Geist, J. (2015): Seven steps towards improving fresh­ water conservation. – Aquatic Conservation: Ma­ Pander, J. & Geist, J. (2013): Ecological indicators for rine and Freshwater Ecosystems 25: 447–453. stream restoration success. – Ecological Indicators 30: 106 –118. Geist, J. & Hawkins, S. J. (2016): Habitat recovery and restoration in aquatic ecosystems: Current progress Pander, J., Mueller, M. & Geist, J. (2013): Ecological and future challenges. – Aquatic Conservation: functions of fish bypass channels in streams: migra­ Marine and Freshwater Ecosystems 26: 942–962. tion corridor and habitat for reophilic species. – River Research and Applications 29: 441–450. Mueller, M., Pander, J. & Geist, J. (2013): Taxonomic sufficiency in freshwater ecosystems: effects of ta­ Pander, J., Mueller, M. & Geist, J. (2015): A comparison xonomic resolution, functional traits, and data of four stream substratum restoration techniques transformation. – Freshwater Science 32: 762–778. concerning interstitial conditions and downstream effects. – River Research and Applications 31: 239– 255.

Pander, J., Mueller, M. & Geist, J. (2015): Succession of fish diversity after reconnecting a large floodplain Autoren to the upper Danube River. – Ecological Enginee­ Prof. Dr. Jürgen Geist, ring 75: 41–50. Jahrgang 1977. Pander, J. & Geist, J. (2016): Can fish habitat restoration Studium der Agrarwissenschaften/Agrarbiologie, for rheophilic species in highly modified rivers be Promotion in Ökologie und Genetik, Postdoktorand sustainable in the long run? – Ecological Enginee­ an der University of California, USA, Habilitation in ring 88: 28–38. Aquatischer Ökologie. Seit 2010 Ordinarius des Pander, J., Mueller, M., Sacher, M. & Geist, J. (2016): Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie der The role of life history traits and habitat characte­ Technischen Universität München und Leiter der ristics in the colonisation of a secondary floodplain Limnologischen Station Iffeldorf. by neobiota and indigenous macroinvertebrate Technische Universität München species. – Hydrobiologia 772: 229–245. +49 8161 713767 Pander, J., Mueller, M., Knott, J., Egg, L. & Geist, J. [email protected] (2017): Is it Worth the Money? The Functionality of Engineered Shallow Stream Banks as Habitat for Ju­ Dr. Joachim Pander, venile Fishes in Heavily Modified Water Bodies. – Jahrgang 1968. River Research and Applications 33: 63–72. Studium der Landschaftsplanung, ab 1996 Büro Böhm und Pander Landschaftsarchitektur mit Schwerpunkt Fließgewässerentwicklung, Promotion im Bereich Fließgewässerrenaturierung. Seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der Technischen Uni­ Zitiervorschlag ver ­sität München. Geist, J. & Pander, J. (2018): Leitlinien einer erfolg­ Technische Universität München reichen Gewässerrestaurierung – ANLiegen Natur +49 8161 712169 40(1): 57–60, Laufen; www.anl.bayern.de/publika [email protected] tionen.

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Abbildung 1 Aufnahme einer gemisch­ Bernhard Hoiss ten Kultur von Bakterien mit dem Rasterelektro­ nenmikroskop (Foto: Mikroorganismen: Ökosystemfunktionen Andreas Kappler/Eye of und Naturschutz Science, Meckes).

Mikroorganismen sind die häufigsten, vielfältigsten und funktional wichtigsten Organismen der Erde (Shoemaker et al. 2017). Sie spielen eine zentrale Rolle für fast alle Funktionen im Ökosystem. So beein- flussen sie die menschliche, aber auch die pflanzliche Gesundheit, sind verantwortlich für wichtige Stoffkreisläufe oder fördern die Produktivität von Ökosystemen. Dabei können die Funktionen meist nur im Zusammenspiel mehrerer unterschiedlicher Arten oder Gilden wahrgenommen werden. Zusammensetzung und Vielfalt der Mikroorganismen spielen eine wichtige Rolle, um die vielfältigen Ökosystemfunktionen aufrechtzuerhalten. Einige Untersuchungen zeigen, dass sie sehr empfindlich auf Umwelteinflüsse reagieren. Daher sollten Mikroorganismen in der Ökosystemforschung und im Naturschutz eine wichtigere Rolle spielen, als dies bisher der Fall war.

Mikroorganismen bilden keine einheitliche syste­ flussfaktoren für die Diversität von Mikroorganis­ matische Gruppe, sondern umfassen mikroskopisch men in vielen Bereichen noch unbekannt oder kleine ein- bis wenigzellige Lebewesen aus unter­ spekulativ (Shoemaker et al. 2017). Wir kennen schiedlichen Gruppen. Dazu gehören Bakterien, noch nicht einmal einen Bruchteil der mikrobiel­ Archaea, einzellige Pilze, Mikroalgen und Protozo­ len Arten. Kürzlich wurde in einer Studie die An­ en. Lange wurden Mikroorganismen sowohl in der zahl der weltweit existierenden Arten auf etwa eine Biodiversitätsforschung als auch im praktischen Billion hochgerechnet (Locey & Lennon 2016). Naturschutz kaum beachtet. So sind auch die Ein­ Davon sind aktuell nur rund 16.000 Bakterienarten

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beschrieben. Weniger als 10.000.000 Arten wurden Ein Beispiel, wie frei lebende Mikroorganismen die bis 2016 anhand von Gensequenzen katalogisiert menschliche Gesundheit beeinflussen können, sind (Locey & Lennon 2016). Um Arten von Bakterien Cyanobakterien in Seen. In den letzten 100 Jahren und ihre Eigenschaften abzugrenzen, werden sie fand hier eine Homogenisierung der Artenzusam­ klassischerweise in Kulturmedien verschiedenster mensetzung zwischen verschiedenen Seen in der Art gezogen. Das ist zeitaufwendig und die meis­ Schweiz statt (Monchamp et al. 2017). Das heißt, ten Arten lassen sich nur schwierig oder gar nicht die Artengemeinschaften in den Seen werden sich Abbildung 2 Cyano­ kultivieren. Aufgrund neuer genetischer Methoden immer ähnlicher. Der Anteil seltener Arten geht bakterien, die durch den (next generation sequencing, kurz NGS) gibt es kontinuierlich zurück, während einige Arten immer Wind an einem Gewäs­ jedoch seit ein paar Jahren immer mehr Daten und häufiger werden und die Artengemeinschaften serrand konzentriert Erkenntnisse zu ökologischen Funktionen, Biodi­ dominieren. Unter diesen Cyanobakterien finden wurden. Durch zu viele versitäts- und Abundanzmustern von Mikroorga­ Nährstoffe kann es in sich besonders viele mit für den Menschen toxi­ Stillgewässern zu einer nismen und den Auswirkungen von Umwelt- oder schen Stoffwechselprodukten. Ähnlich wie bei vie­ Blaualgenblüte kommen. Nutzungsänderungen auf diese Muster. NGS er­ len tiefgreifenden Veränderungen im Makrobiom Dann wird die Menge möglicht die gleichzeitige Erfassung von Teilen sehen die Autoren der Studie die Gründe für ihre dieser Bakterien so groß, des Genoms vieler Individuen. Über eine Analyse Beobachtungen zum einen in steigenden Tempe­ dass sie auch makrosko­ der Ähnlichkeit der untersuchten DNA-Sequenzen raturen und zum anderen in der Überdüngung pisch sichtbar werden. werden sogenannte OTUs (operative taxonomi­ der Gewässer (Monchamp et al. 2017). Da einige Arten Toxine sche Einheiten) ermittelt. Das Pendant für Arten produzieren, sollte man im Bereich der Mikroorganismen. Anhand dieser Funktion, Zusammensetzung und hier nicht mehr baden OTUs lässt sich dann auch die „Artenvielfalt“ oder wichtige Einflussfaktoren gehen (Foto: Christian Fi­ Diversität des Mikrobioms errechnen. Mikroorganismen haben eine Vielzahl an essen­ scher, CC BY-SA 3.0 via ziellen Funktionen, etwa bei der Bereitstellung von Wikimedia Commons). Nährstoffen oder in den Stoffkreisläufen der wich­ tigsten Elemente (Bender et al. 2016). Dabei über­ lappen sich die Funktionen der einzelnen Arten von Bakterien und Pilzen und führen so zu sehr komplexen Systemen. Von diesem Zusammen­ spiel vieler Arten hängt etwa das Gleichgewicht zwischen Abbau von organischem Material und der Festlegung von Kohlenstoff im Waldboden ab (Lladó et al. 2017). Extreme Trockenzeiten, verlän­ gerte Vegetationsperioden oder erhöhte Stickstoff­ einträge verändern die Zusammensetzung und die Diversität der Mikroorganismen. Wie stark der Einfluss verschiedener Umweltparameter auf das Mikrobiom ist, zeigt auch eine Studie, die im Rah­ men des Projektes „Biodiversitäts-Exploratorien“ in Deutschland durchgeführt wurde (Richter et al. 2018). Die mikrobielle Biomasse und auch die Zu­ sammensetzung der Artengemeinschaft im Wald­ boden wurde hier vor allem von Umgebungs­ variablen wie der Feuchtigkeit, der Bodenstruktur, dem Verhältnis von Kohlenstoff zu Stickstoff, aber auch der Bodenreaktion bestimmt. Veränderun­ gen in diesen Parametern können wiederum dra­ matische Änderungen in den Kohlenstoffflüssen Menschliche Gesundheit in den Böden mit globalen Auswirkungen verur­ sachen. So verringert etwa zusätzlicher Stickstoff Eine wichtige Argumentationshilfe für den Natur­ in Waldböden den mikrobiellen Abbau der orga­ schutz sind die Ökosystemleistungen von einzel­ nischen Bodenbestandteile (Lladó et al. 2017). nen Arten(gruppen) oder Lebensräumen für den Menschen. Die menschliche Gesundheit spielt da­ In ungenutzten Ökosystemen stellen stickstoff­ bei eine wichtige Rolle. Direkte Auswirkungen von fixierende Bakterien 95 % des pflanzenverfüg­ Diversität auf die Gesundheit sind jedoch schwie­ baren Stickstoffs bereit. Doch ändert sich die rig nachzuweisen. Am besten gelingt dies für die Diversität und Aktivität der stickstofffixierenden innerliche mikrobielle Diversität (Hough 2014). Bakterien dramatisch nach Stickstoffeinträgen

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(Lladó et al. 2017). Generell zeigen mehrere Studien, dass mehr verfügbarer Stickstoff die Biomasse so­ wohl von Pilzen als auch von Bakterien um bis zu 50 % reduziert und auch die Diversität dieser Ar­ tengruppen sinkt (Lladó et al. 2017). Die intensive landwirtschaftliche Nutzung von Böden reduziert auch die Vielfalt der im Boden lebenden Organis­ men beziehungsweise der funktionellen Gruppen und führt zu vereinfachten Nahrungsnetzen (Bender et al. 2016). In solchen intensiv genutzten Böden ist die Vielfalt der Mikroorganismen teilwei­ se so niedrig, dass auch die Aktivität in zentralen Stoffwechselvorgängen eingeschränkt ist (Bender et al. 2016). Besonders unter Stress, etwa ausge­ löst durch extreme Wetterbedingungen, funktio­ nieren die Nahrungsnetze im Boden dann nicht mehr. Darunter kann dann auch die Produktivität der angebauten Pflanzen leiden. Eine Möglichkeit, die derzeit diskutiert und teil­ Abbildung 3 weise schon angewandt wird, ist die ökologische Die Thek­amöben der Intensivierung von Böden (Bender et al. 2016). beeinflusst wird, legt eine Studie aus Kanada na­ Gattung Euglypha zählen So sollen etwa Pflanzensorten eingesetzt werden, he (Laforest-Lapointe et al. 2017). Die Diversität zu den häufigen Bewoh­ die in der Lage sind, das Mikrobiom in ihrem Wur­ von Mikroorganismen auf den Blättern der Bäume nern in Waldböden. zelbereich zu beeinflussen. Bei der Saat bezie­ hängt deutlich von der Diversität der Bäume in der Sie gehören zu den Pro­ hungsweise Zucht von Pflanzen können dann tisten und haben im Ge­ näheren Umgebung ab. Unabhängig von der funktionelle Bakterien mit ausgebracht werden. gensatz zu den Bakterien Werden etwa Sojabohnen gemeinsam mit stick­ pflanzlichen Vielfalt scheint wiederum die mikro­ einen Zellkern (Foto: stofffixierenden Bakterien angesät, so kann auf bielle Diversität den Biomassezuwachs junger Eugen Lehle/http:// eine zusätzliche Düngung komplett verzichtet Bäume zu fördern. Grund dafür könnte eine er­ bodenlabor.de (CC BY-SA werden (Bender et al. 2016). höhte Resistenz der Bäume gegenüber Patho­ 3.0 via Wikimedia Com genen oder auch eine erhöhte Stickstofffixierung mons). Wenn die pflanzliche Diversität zunimmt, dann durch die Bakterien auf den Blättern sein (Lafo- steigt die Biomasse von Mikroorganismen im rest-Lapointe et al. 2017). Boden und die Zusammensetzung ändert sich. Dies zeigt das inzwischen seit mehr als 15 Jahren Sogar der Bestäubungsvorgang von Pflanzen wird laufende Jena-Experiment (Weisser et al. 2017). von Mikroorganismen beeinflusst. In einem Ver­ Damit wird deutlich, dass Änderungen der oberir­ such mit Hummeln zeigte sich, dass diese Blüten dischen Diversität auch die Prozesse im Boden bevorzugten, auf denen die Dichte der Bakterien stark beeinflussen. Im Experiment war beispielsweise die Produktion von fungiziden Substanzen im Boden durch Mikroorganismen dort am höchsten, wo auch die Abbildung 4 Eine Artenvielfalt der Pflanzen am Erdhummel streckt ihren höchsten war. Die erhöhte Pro­ Rüssel aus, um Nektar aus duktion von Fungiziden kann wie­ dem tiefen Kelch des Ler­ derum eine erhöhte Resistenz der chensporns zu saugen. Pflanzengesellschaft gegenüber Dieser Reflex wird immer Krankheitserregern mit sich brin­ dann ausgelöst, wenn gen. Ein weiterer Beitrag der Mi­ die Antennen Kontakt kroorganismen für nachhaltige mit Zuckerwasser haben. und umweltfreundliche Land­ Wenn sich darin allerdings wirtschaft. zu viele Bakterien tum­ meln, dann unterbleibt Dass die Produktivität von Bäumen der Reflex und die Blüte auch von der Diversität oberir­ wird auch nicht bestäubt disch lebender Mikroorganismen (Foto: Bernhard Hoiß).

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möglichst gering war (Junker et al. 2014). Bakte­ Literatur rien können auf diesem Wege also die Fortpflan­ Bender, S. F., Wagg, C. & van der Heijden, M. G. A. zung von Pflanzen negativ beeinflussen. Offen ist, (2016): An Underground Revolution: Biodiversity welche Faktoren die Dichte der Bakterien in Blü­ and Soil Ecological Engineering for Agricultural ten beeinflussen. Sustainability. – Trends in Ecology & Evolution 31(6): 440–452.

Fazit Hough, R. L. (2014): Biodiversity and human health: Die Forschung zur Biodiversität und Funktion von evidence for causality? – Biodiversity and Conser­ Mikroorganismen steht noch am Anfang. Nach wie vation 23(2): 267–288. vor gibt es viel Forschungsbedarf, um etwa auch Junker, R. R., Romeike, T., Keller, A. & Langen, D. (2014): für Mikroorganismen die wichtigsten „ökologi­ Density-dependent negative responses by bumb­ schen Regeln“ zu untersuchen. Trotzdem lassen lebees to bacteria isolated from flowers. – Apidolo­ die ersten Erkenntnisse erahnen, wie zentral ihre gie 45(4): 467–477. Rolle ist. Sie sind die unsichtbaren Regulatoren Laforest-Lapointe, I., Paquette, A., Messier, C. & Kem- der makroökologischen Welt. Veränderungen in bel, S. W. (2017): Leaf bacterial diversity mediates der Umwelt geben sie verstärkt an Pflanzen und plant diversity and ecosystem function relations­ hips. – Nature 546(7656): 145–147. Tiere weiter. Ihre essenziellen Funktionen für das Ökosystem müssen dringend erhalten bleiben. Lladó, S., López-Mondéjar, R. & Baldrian, P. (2017): Einige der vorgestellten Beispiele zeigen, wie eng Forest Soil Bacteria: Diversity, Involvement in Ecosys­ tem Processes, and Response to Global Change. – Makrobiom und Mikrobiom voneinander abhän­ Microbiology and molecular biology reviews: gen und miteinander interagieren. Der mensch­ MMBR 81(2). liche Einfluss auf Nährstoffe, aber auch auf den Locey, K. J. & Lennon, J. T. (2016): Scaling laws predict Feuchtigkeitshaushalt, haben beispielsweise auch global microbial diversity. – Proceedings of the Na­ großen Einfluss auf die Mikroorganismen und die tional Academy of Sciences 113(21): 5970–5975. von ihnen maßgeblich aufrechterhaltenen Stoff­ kreisläufe. Als unglaublich diverser und funktional Monchamp, M.-E., Spaak, P., Domaizon, I., Dubois, N., Bouffard, D. & Pomati, F. (2017): Homogenization of wohl wichtigster Bestandteil der Natur sollten lake cyanobacterial communities over a century of Mikroorganismen in der Naturschutzarbeit daher climate change and eutrophication. – Nature Eco­ stets mitgedacht werden. So wäre es beispiels­ logy & Evolution 2: 317–324. weise denkbar, bei der Anlage von Ausgleichsflä­ Richter, A., Schöning, I., Kahl, T., Bauhus, J. & Ruess, L. chen nicht nur Pflanzen anzusäen, sondern auch (2018): Regional environmental conditions shape für den Lebensraum typische Mikroorganismen microbial community structure stronger than local über entsprechende Wasser- oder Bodenproben forest management intensity. – Forest Ecology and zu übertragen. Die Entwicklung und Anwendung Management 409: 250–259. solcher Methoden steht allerdings noch am Anfang. Shoemaker, W. R., Locey, K. J. & Lennon, J. T. (2017): A macroecological theory of microbial biodiversity. – Nature Ecology & Evolution 1(5): 0107.

Weisser, W. W., Roscher, C., Meyer, S. T., Ebeling, A., Luo, Autor G., Allan, E. et al. (2017): Biodiversity effects on eco­ system functioning in a 15-year grassland experi­ Bernhard Hoiß, ment: Patterns, mechanisms, and open questions. – Jahrgang 1981. Basic and Applied Ecology 23: 1–73. Studium der Biologie in Regensburg. Nach kurzer Zeit in einem Planungsbüro Pro­motion und wissen­ schaft­licher Mitarbeiter an den Universitäten Bayreuth und Würzburg zum Themen­komplex Pflanzen- Bestäu­ber-Interaktionen. Anschlie­ßend bei der Regierung von Schwaben als Biodiversitäts­ beauftragter beschäftigt. Seit 2016 an der ANL mit den Schwerpunkten Biodiversität und Öffentlich­ keitsarbeit. Bayerische Akademie für Naturschutz Zitiervorschlag und Landschaftspflege (ANL) Hoiss, B. (2018): Mikroorganismen: Ökosystemfunkti­ +49 8682 8963-53 onen und Naturschutz. – ANLiegen Natur 40(1): [email protected] 61–64, Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen.

64 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Landschaftsplanung und -pflege

Abbildung 1 Auen, Hoch- und Übergangs- Jeannine Klaiber moore, Flachmoore, Tro- ckenwiesen und -weiden sowie Amphibienlaich- Fauna Indicativa – Lebensraumbewertung gebiete sind schützens- werte Lebensräume und anhand der Insektenfauna in den nationalen Biotop­ inventaren der Schweiz enthalten. Mit Hilfe der Fauna Indicativa können Die Fauna Indicativa ist eine tabellarische Zusammenstellung der ökologischen Präferenzen und bio- diese und weitere Lebens­ logischen Eigenschaften aller in der Schweiz einheimischen Libellen-, Heuschrecken-, Laufkäfer- und räume transparent und Tagfalterarten. Mit diesem Werkzeug können Insekten einfacher für die Beschreibung von Zustand nachvollziehbar anhand und Veränderung von Lebensräumen in der Schweiz eingesetzt werden. Die Fauna Indicativa bietet der Insektenfauna beur- die Möglichkeit, Indikatoren zu Naturschutzwert, Qualität, Strukturen und abiotischen Faktoren eines teilt werden (Foto: Kurt Lebensraumes auszuarbeiten. Die Fauna Indicativa ist online kostenlos verfügbar. Zwahlen; CC-BY-SA-3.0).

Ausgangslage Die in solchen Werken enthaltenen ökologischen Bei der Auswertung von Vegetationserhebungen Zeigerwerte ebnen den Weg für eine transparen­ sind Zeigerwerte und die auf ihnen beruhende te und nachvollziehbare Beurteilung von Zustand Lebensraumbeurteilung seit langem in der Natur- und Veränderung von Lebensräumen (Diekmann schutzpraxis verankert. Die Zeigerwerte von Ellen­ 2003). Weitere ökologische Charakteristika sowie berg werden oft und äußerst erfolgreich für die zusätzliche biologische Eigenschaften der Arten, Gefäßpflanzen (auch für Moose und Flechten) zum Beispiel zum Konkurrenzverhalten oder zum Mitteleuropas verwendet (Ellenberg et al. 1991; Fortpflanzungssystem, wie sie in der Flora indicativa Ellenberg & Leuschner 2010). In der Schweiz wird (Landolt et al. 2010) festgehalten sind, ermöglichen die nationale Entsprechung, die Flora indicativa, zudem tiefergehende Analysen bezüglich funkti- standardmäßig angewandt (Landolt et al. 2010). onaler Merkmale der Artengemeinschaften.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 65 Landschaftsplanung J. Klaiber: Fauna Indicativa – und -pflege Lebensraumbewertung anhand der Insektenfauna

Neben der Erfassung der Vegetation können mit • Ein regelmäßiges Vorkommen in und eine ge- faunistischen Daten komplementäre Aussagen be­ wisse Bindung an die Biotope von nationaler züglich der Dynamik und der Strukturen von Le- Bedeutung. bensräumen getroffen werden. Insekten reagieren • Wissen über deren Ökologie, Verhalten und schneller auf Änderungen im Lebensraum und Verbreitung ist ausreichend vorhanden. unterliegen auch Einflüssen, welche für die Vege- • Methoden zur standardisierten Erhebung im tation nicht relevant sind. Für Insekten lag bisher Feld (Artenlisten, Abundanzlisten) sind bekannt. kein einheitliches Beurteilungswerk vergleichbar • Artkenner der jeweiligen Insektengruppen sind mit dem Zeigerwertsystem der Pflanzen vor. in der Schweiz verfügbar. Daher waren solche Lebensraumbeurteilungen und tiefergehende Analysen aufgrund der Insek- Aufgrund von Literatur und Expertenbefragun­gen tenfauna bisher nur schwer möglich. Die neu ent- wurden vorerst vier Insektengruppen zur Bearbei- wickelte Fauna Indicativa bietet nun dafür eine tung für die Fauna Indicativa ausgewählt: Libellen, hilfreiche Arbeitsgrundlage. Mit ihrer Hilfe kann Tagfalter, Heuschrecken und Laufkäfer (Abbildung 2; Bergamini et al. 2016). der Zustand und die Veränderung von Lebens- räumen transparent und nachvollziehbar anhand Datengrundlage und Qualitätssicherung der Insektenfauna beurteilt werden. Die Fauna Indicativa ist eine Zusammenstellung Bearbeitete Insektengruppen des verfügbaren Wissens und beinhaltet Angaben zu den ökologischen Präferenzen und biologi­ Natürliche oder naturnahe Lebensräume sind schen Eigenschaften der Arten der vier oben ge- besonders durch Flächen- und Qualitätsverluste nannten Insektengruppen (Klaiber et al. 2017). bedroht. Mit dem Ziel der langfristigen Erhaltung Dieser Zusammenstellung liegt eine umfassende dieser Lebensräume schuf die Schweiz die natio- Informationsrecherche zugrunde. Die Datengrund­ nalen Biotopinventare. Für fünf Lebensräume sind lage besteht meist aus Fachliteratur (zum Beispiel nationale Biotopinventare in Kraft: Hoch- und Baur & Roesti 2006; Lepidopteren-Arbeitsgruppe Über­gangsmoore, Flachmoore, Trockenwiesen 1987, 1997; Luka et al. 2009; Sonderegger 2005; und -weiden, Auen sowie Amphibienlaichgebiete Abbildung 2 Wildermuth et al. 2005) und den Einschätzungen (BAFU 2015). Die vier be­arbeiteten In- von 13 Experten. In einigen Fällen basieren die sektengruppen: Libellen, Die in der Fauna Indicativa bearbeiteten Insekten- Angaben auch auf Informationen aus Datenbanken Heuschrecken, Laufkäfer gruppen wurden aufgrund ihrer potenziellen (zum Beispiel Homburg et al. 2014; Öko-Fauna-Da- und Tagfalter (Leucorrhi- Aussagekraft für das Monitoring der Lebensräume tenbank 2015) oder auf Fund- und/oder Erhebungs­ nia dubia, Foto: Hansruedi innerhalb dieser Biotopinventare der Schweiz daten des nationalen Datenzentrums für Tier- Wildermuth. Stethophyma ausgewählt. Folgende Faktoren mussten für die fundortdaten der Schweiz (info fauna – Centre grossum, Foto: Christian Aufnahme der Insektengruppen in die Fauna Indi- Suisse de Cartographie de la Faune (CSCF), Roesti. Nebria livida, cativa gegeben sein: Neuchâtel). Macu ­linea arion, Fotos: Yannick Chittaro).

66 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 J. Klaiber: Fauna Indicativa – Landschaftsplanung Lebensraumbewertung anhand der Insektenfauna und -pflege

Abbildung 3 Entstehungsprozess der Fauna Indicativa: Ent- wicklungsschritte und involvierte Expertinnen und Experten.

Die gesammelten Informationen wurden zu ver- Anwendbarkeit in der Praxis schiedenen Parametern (Merkmalen) gruppiert Die in der Fauna Indicativa enthaltenen Informati- und in Form einer Excel-Tabelle je Insektengrup- onen sind Grundlage für ökofaunistische Auswer- pe zusammengestellt. Diese Excel-Tabellen tungen und die Erarbeitung von Indikatoren für das werden durch erklärende Begleittexte zu den in Monitoring. Die Fauna Indicativa bietet die Mög- der Tabelle aufgeführten Parametern ergänzt. lichkeit, Indikatoren zu Naturschutzwert, Qualität, Die Angaben in diesen Parametertabellen gelten Strukturen und abiotischen Faktoren eines Lebens­ spezifisch für Vorkommen der behandelten Arten raumes auszuarbeiten. Entsprechende Indikations­ in der Schweiz. werte können oftmals direkt durch Mittelwertbe- Um eine gute Qualität der Fauna Indicativa zu ge- rechnungen der in der Fauna Indicativa aufgeführ­ währleisten, wurden die Parametertabellen sowie ten Parameter und der Einträge pro Art berechnet die Begleittexte in einem zweistufigen Begutach- werden. So können Veränderungen der Fauna ein­ tungsprozess von Expertinnen und Experten jeder fach und nachvollziehbar ökologisch und natur- Insektengruppe überprüft (Abbildung 3). schutzfachlich interpretiert und mögliche Ursachen Die gewählten Parameter sind auf die jeweilige In­ für diese Veränderungen aufgezeigt werden. sektengruppe zugeschnitten und widerspiegeln Auswertungen sind insbesondere dann sinnvoll, die unterschiedlichen ökologischen Einflussfakto­ wenn Organismen eines Gebietes wiederholt ren, welche auf die Arten einer Insektengruppe während verschiedener Jahre erfasst und die Ver- einwirken. Die Verwendung anderer Organismen- änderungen über die Zeit betrachtet werden. gruppen könnte daher zu abweichenden Beurtei- Bezug der Fauna Indicativa lungen von Lebensräumen führen. Oft wird in der Fauna Indicativa zwischen Parametern unterschie- Die Fauna Indicativa mit den Tabellen und den er- den, die für Larven beziehungsweise Adulten gel- klärenden Texten ist frei zugänglich. Da die Para­ ten. Die Tabellen umfassen für die Libellen, Heu- metertabellen digital als Excel-Tabellen zur Verfü- schrecken, Laufkäfer und Tagfalter total 26, 26, 19, gung stehen, sind die Informationen einfach und respektive 25 Parameter. Sie umfassen biologi­sche unkompliziert verfügbar und leicht für statistische Eigenschaften (zum Beispiel morphologische In- Auswertungen, zum Beispiel im Statistikprogramm formationen wie Körpergröße oder Flügelform), R (R Core Team 2016), nutzbar. Die Parametertabel­ ökologische Präferenzen (zum Beispiel Tempera- len können über info fauna – CSCF digital bezogen tur- und Feuchtepräferenz, Zugehörigkeit zu öko- werden (www.cscf.ch/cscf/de/home/wissen logischen Gilden), Informationen bezüglich Phäno­ schaftliche-aktivitaten/fauna-indicativa.html). logie (zum Beispiel Schlupfzeitpunkt, Entwicklungs­ dauer), Parameter zu den Lebensräumen wie Ve- Ausblick getationsform, Gewässertrophie, Gewässerdynamik Die nun vorliegende Fauna Indicativa ist ein erster oder Sukzessionsstadium sowie Informationen zur Schritt: Die Parametertabellen sollen in Zukunft Verbreitung der Arten. Die Angaben für Präferen­ verbessert und ergänzt sowie um weitere taxono- zen und Eigenschaften werden meist als Zahlen mische Gruppen erweitert werden. Angestrebt angegeben und entweder als skalierte Werte oder wird ein der Flora indicativa für Pflanzen L( andolt als Ja-/Nein-Entscheide aufgeführt. Weitere Eigen­ et al. 2010) gleichwertiges Werkzeug für den Natur­ schaften (zum Beispiel Phagietyp, Überwinterungs­ schutz und die ökofaunistische Forschung von In- stadium) werden mittels Buchstaben codiert. sekten. Mit Hilfe der Fauna Indicativa ausgearbeite-

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 67 Landschaftsplanung J. Klaiber: Fauna Indicativa – und -pflege Lebensraumbewertung anhand der Insektenfauna

te Indikatoren sollten außerdem in der direkten Diekmann, M. (2003): Species indicator values as an Anwendung geprüft und noch genauer auf ihre important tool in applied plant ecology – a review. – Eignung zur Beschreibung von Zustand und Ver- Basic Appl. Ecol. 4: 493–506. änderung von Lebensräumen hin untersucht wer- Ellenberg, H. & Leuschner, C. (2010): Vegetation Mit- den. Neben einem Werkzeug für ökofaunistische teleuropas mit den Alpen. – UTB, Stuttgart. Auswertungen und den Naturschutz ist die Fauna Ellenberg, H., Weber, H. E., Düll, R., Wirth, V., Werner, Indicativa auch ein Nachschlagewerk, welches den W. & Paulissen, D. (1991): Zeigerwerte von Pflanzen aktuellen Kenntnisstand zu den vier Insektengrup­ in Mitteleuropa. – Scripta Geobot. 18: 1–248. pen widerspiegelt. Homburg, K., Homburg, H., Schäfer, F., Schuldt, A. & Ich möchte alle Faunistiker dazu einladen, selbst Assmann, T. (2014): Carabids.org – a dynamic online database of species traits (Coleopte- die Initiative zu ergreifen und die Fauna Indicativa ra, Carabidae). – Insect Conserv. Divers. 7: 195–205. als Grundlage, Inspiration und Ausgangspunkt zur Erarbeitung lokaler vergleichbarer Werke zu nut- Klaiber, J., Altermatt, F., Birrer, S., Chittaro, Y., Dzi- ock, F., Gonseth, Y., Hoess, R., Keller, D., Küchler, zen, sowie die Fauna Indicativa auch um weitere H., Luka, H., Manzke, U., Müller, A., Pfeifer, M. A., Insektengruppen zu ergänzen, weiter auszubauen Roesti, C., Schneider, K., Schlegel, J., Sonderegger, und zu verbessern. P., Walter, T., Holderegger, R. & Bergamini, A. (2017): Fauna Indicativa. – WSL Berichte 54: 1–198.

Danksagung Landolt, E., Bäumler, B., Erhardt, A., Hegg, O., Klölzli, Die Fauna Indicativa wurde mit finanzieller Unterstüt- F., Lämmler, W., Nobis, M., Rudmann-Maurer, K., zung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) im Rahmen Schweingruber, F. H., Theurillat, J., Urmi, E., Vust, M. der Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz WBS & Wohlgemuth, T. (2010): Flora indicativa. – Haupt, realisiert. Dank gebührt auch den beiden Begleitgrup­ Bern. pen der WBS, Sarah Pearson und Glenn Litsios (BAFU) Lepidopteren-Arbeitsgruppe (1987): Tagfalter und ihre für die Unterstützung des Projektes. Lebensräume. Arten – Gefährdung – Schutz. – Band 1, Schweizerischer Bund für Naturschutz, Basel. Literatur Lepidopteren-Arbeitsgruppe (1997): Schmetterlinge BA FU (= Bundesamt für Umwelt, Hrsg, 2015): Biotop­ und ihre Lebensräume. Arten – Gefährdung – inventare und Moorlandschaften im Portrait. – BAFU, Schutz. – Band 2, Schweizerischer Bund für Natur- Bern. schutz, Basel.

Bergamini, A., Ginzler, C., Schmidt, B. R., Küchler, M. & Luka, H., Marggi, W., Huber, C., Gonseth, Y. & Nagel, P. Holderegger, R. (2016): Die Wirkungskontrolle Bio- (2009): Carabidae, Ecology – Atlas. – Fauna Helv. 24: topschutz Schweiz (WBS) in der Routinephase. – 1– 677. N+L Inside 2: 21–24. Öko-Fauna-Datenbank (2015): Öko-Fauna-Datenbank. – Baur, B., Baur, H., Roesti, C. & Roesti, D. (2006): Die Stand 18.03.2015, Info fauna, CSCF und Agroscope, Heuschrecken der Schweiz. – Haupt, Bern. Neuchâtel.

R Core Team (2016): R: A language and environment for statistical computing. – R Foundation for Sta- tistical Computing, Vienna. Autorin Sonderegger, P. (2005): Die Erebien der Schweiz. – Peter Sonderegger, Brügg bei Biel. Jeannine Klaiber, Jahrgang 1984. Wildermuth, H., Gonseth Y. & Maibach A. (2005): Odo- Studium der Biologie mit Vertiefung in Ökologie & nata: Die Libellen der Schweiz. – Fauna Helv. 12: 1–398. Evolution und Promotion in Entomologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Durchführung von Arten-Monitorings bei Butterfly Con­ servation Ltd. England (2014–2015). Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Eidgenössi­schen Forschungsanstalt WSL (2015–2017). Mitarbeiterin im Planungs- und Na- turschutzamt des Kantons Schaffhausen. Vorstands- mitglied der Entomologischen Gesellschaft Zürich. Zitiervorschlag Planungs- und Naturschutzamt Klaiber, J. (2018): Fauna Indicativa – Lebensraumbe- des Kantons Schaffhausen wertung anhand der Insektenfauna. – ANLiegen [email protected] Natur 40(1): 65–68, Laufen; www.anl.bayern.de/ +41 52 632 74 59 publikationen.

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Abbildung Auf ökolo- gischen Vorrangflächen ist unter bestimmten Voraussetzungen auch EU verbietet Pestizid-Einsatz auf eine landwirtschaftliche Nutzung zulässig, zum Ökologischen Vorrangflächen Beispiel der Anbau von Sojabohnen (Foto: pixa- bay).

(Monika Offenberger) Am 14. Juni 2017 stimmte das Europaparlament mehrheitlich für ein Verbot von Pestiziden auf ökologischen Vorrangflächen. Damit stellt sich das Plenum gegen das Votum seines Agrarausschusses, der den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beim Anbau von Leguminosen im Rah­ men des Greenings befürwortet hatte. Während Naturschutzverbände die Entscheidung begrüßen, warnen Vertreter der Landwirte vor einer Trendwende beim neuerdings boomenden Anbau heimi­ scher Eiweißpflanzen.

Um den besorgniserregenden Rückgang der Bio- Neuanpflanzung von Hecken oder Bäumen nutzen diversität zu stoppen, gelten in der Europäischen oder als Pufferstreifen zu Gewässern und konven- Union seit 2015 sogenannte Greening-Auflagen. tionell bebauten Flächen belassen. Unter bestimm­ Demnach können Landwirte nur dann EU-Direkt- ten Voraussetzungen ist auch eine landwirtschaft- zahlungen beantragen, wenn sie drei Vorgaben liche Nutzung ausgewiesener ÖVF zulässig, zum erfüllen: Sie müssen Dauergrünland erhalten, eine Beispiel der Anbau von Zwischenfrüchten und Fruchtfolge der angebauten Kulturpflanzen ge- von Leguminosen. Besonders die Kultur von kör- währleisten und mindestens fünf Prozent ihrer nerhaltigen Hülsenfrüchten – allen voran Lupinen, Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen (ÖVF) Ackerbohnen, Erbsen und Soja – hat seit Einfüh- bereitstellen. Zur Gestaltung dieser ÖVF haben die rung des Greenings enorm zugenommen: Die An­ Landwirte verschiedene Optionen: Sie können die baufläche stieg von 2014 bis 2016 in allen 28 EU-­ Flächen brachliegen lassen, zum Erhalt oder zur Mitgliedsländern um 75 Prozent, in Deutschland

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sogar um 117 Prozent. Um wirtschaftliche Erträge Sie fördern die Fruchtbarkeit des Bodens, weil sie zu erzielen, werden die Hülsenfrüchte auf den ÖVF ihn mittels symbiontischer Bakterien mit Stickstoff mit Herbiziden behandelt. Diese Praxis hat das EU-­ anreichern. Ihre Blüten dienen als Nektarquelle für Parlament nun untersagt. Umweltschützer begrü- Bienen und viele andere Bestäuber-Insekten. ßen diese Entscheidung. „Glyphosat und Co. ha- Dazu kommt, dass in Deutschland ausschließlich ben auf diesen Flächen nichts zu suchen. Das ist Sorten angebaut werden dürfen, die nicht gen- ein längst überfälliger erster Schritt in die richtige technisch verändert wurden. „Natürlich ist ein Lu- Richtung“, kommentiert Leif Miller, Bundesge- pinenfeld besser als ein Maisfeld“, betont Dr. Heinz schäftsführer des NABU, den Beschluss. Sedlmeier, Geschäftsführer des LBV München, „aber es sollte nicht auf den wenigen ÖVF wach- Kritik an dem generellen Herbizid-Verbot auf ÖVF sen. Denn wenn ich eine ‚ökologische Vorrangflä- kommt sowohl vom Deutschen Bauernverband, che’ vorschreibe, dann sagt schon der Name, dass als auch von der Union zur Förderung von Öl- und hier die Ökologie im Vordergrund stehen muss. Proteinpflanzen e.V. (UFOP). „Damit wird die histo- Und mit Pestiziden greife ich eben massiv in öko- rische Chance zum Ausbau der heimischen Eiweiß­ logische Zusammenhänge ein und schade damit erzeugung vertan“, sagt UFOP-Referentin Dr. Manu­ dem ganzen Ökosystem, von den Bodenlebewe- ela Specht und konstatiert: „Vor dem Greening sen über die Insekten bis hin zu den Vögeln“. Der wurden in Deutschland etwa 90.000 Hektar Pro- Naturschützer warnt davor, den übergeordneten teinpflanzen angebaut – bei einer gesamten Zweck der ÖVF aus den Augen zu verlieren: „Die Ackerlandfläche von 12 Millionen Hektar. Das zeigt ÖVF haben – ebenso wie Naturschutzgebiete und schon, wie wenig wettbewerbsfähig diese Kultu­ verschiedene Instrumente des Artenschutzes – ren sind. Wir brauchen aber mehr Eiweiß­pflanzen das Ziel, einen möglichst großen Teil der Biodiver- für eine nachhaltige Landwirtschaft. Doch heute sität in Europa zu erhalten. Mit ein paar Lupinen- findet ihr Anbau auf 95 Prozent der Ackerflächen feldern ist für dieses Ziel wenig erreicht.“ Die För- nicht satt, weil die Landwirte mit Winterraps, derung von Eiweißpflanzen sei eine „ganz andere Winterweizen oder Mais pro Hektar deutlich mehr Baustelle“, so Sedlmeier. Einnahmen erzielen als mit Leguminosen“. Die UFOP habe sich erhofft, dass die Hülsenfrüchte zunächst Das Pestizid-Verbot für ÖVF könnte den gerade erst in einem geschützten Bereich wie den ÖVF außer einsetzenden Boom der heimischen Leguminosen Konkurrenz zu einträglicheren Kulturen Fuß fassen stoppen. „Die Europäische Kommission ist nun und sich derweil ein Markt für heimische Hülsen- gefordert, zielführende und praxistaugliche Maß- früchte etablieren hätte können. Sobald dieses nahmen für den heimischen Eiweißpflanzenanbau Ziel erreicht sei, könnten die Landwirte diese Vor- zu ergreifen“, fordert der Deutsche Bauernverband rangflächen verlassen und auf konventionelle (DBV). Konkrete Vorschläge hat der Verband bisher Ackerflächen umsteigen. nicht gemacht. Eine von den Grünen favorisierte Eiweißprämie, wie sie zum Beispiel der französi­ Tatsächlich sei diese Entwicklung teilweise schon schen Staat seinen Landwirten zahlt, hält Manuela in Gang gekommen, betont die UFOP-Sprecherin Specht für eine mögliche Alternative. „Doch die und nennt einige Beispiele: So habe etwa die Stader wird nicht kommen“, ist UFOP-Referentin überzeugt: Saatzucht eG auf Basis heimischer Ackerbohnen „Denn sie kostet Geld und ist weder von der Bun- eine gentechnikfreie Futtermischung für Milchkühe desregierung, noch von den Bundesländern, noch entwickelt, die ganz auf importierte Leguminosen vom Deutschen Bauernverband gewollt. verzichtet. Und die Emsland Group, die über Euro- pas größte kartoffelverarbeitende Stärkefabrik verfügt, habe seit dem Greening auch vermehrt Erbsen zu Stärke und Protein verarbeitet und da- Mehr zu rund die Hälfte der hiesigen Erbsenernte abge- Merkblatt des Deutschen Bauernverbandes zum An- nommen. „Es hätte jetzt die Möglichkeit bestanden, bau von Eiweißpflanzen auf ökologischen Vorrang- über diese ÖVF einen Einstieg in die Wertschöp- flächen: http://media.repro-mayr.de/79/670079.pdf. fungsketten zu bekommen“, glaubt Manuela Specht. Pressemeldung des NABU zum Pestizidverbot auf ÖVF: Durch das Pestizidverbot auf diesen Flächen sei www.nabu.de/news/2017/06/22606.html. diese Entwicklung nun gefährdet. Grundsätzlich Stellungnahme der UFOP zum Pestizidverbot auf ÖVF: begrüßen auch Vertreter der Naturschutzverbände www.ufop.de/presse/aktuelle-pressemitteilungen/ den Anbau von Leguminosen. Denn Hülsenfrüchte ep-greening-verordnung/. spielen eine wichtige Rolle im Naturhaushalt.

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Europäische Studie: Biodiversität profitiert kaum von Ökologischen Vorrangflächen

(Monika Offenberger) Ökologische Vorrangflächen, kurz ÖVF, sollen im Rahmen des Greenings dem alarmierenden Rückgang der Agro-Biodiversität entgegenwirken. Zur Umsetzung haben die Land­ wirte zahlreiche Optionen, etwa die Anlage von Blühstreifen, den Erhalt von Landschaftselementen oder eine besonders umweltschonende Bewirtschaftung. Ein internationales Team von Wissenschaft­ lern untersuchte die Effizienz der möglichen ÖVF-Optionen seit Einführung des Greenings 2015. Das Fazit: In der EU wurden seither nur auf einem Viertel der ÖVF Optionen umgesetzt, die nachweislich der Biodiversität zugutekommen; in Deutschland ist der Anteil noch geringer.

Der dramatische Artenrückgang in der Agrarland- können, nämlich Landschaftselemente, Blühstrei- schaft sowie anhaltend hohe Nährstoffeinträge in fen und Brachen. Die anderen sieben Optionen Abbildung Böden und Gewässer mahnen eine stärkere Öko- leisten keinen signifikanten Beitrag zur Agrobio­ Untersaaten, wie hier beim Maisanbau, können logisierung der Landwirtschaft an. Als Konsequenz diversität.“ zwar die Bodenerosion hat die EU-Kommission mit der Reform der Ge- Die Ökologen mussten ihre Einschätzung nicht nur vermindern, sind jedoch meinsamen Agrarpolitik eine „grünere“ 1. Säule anhand eigener Expertise begründen, sondern aus Expertensicht irrele- bei der Förderung von Landwirten beschlossen. auch durch einschlägige wissenschaftliche Studien vant für die Förderung Ein Teil der Direktzahlungen ist seit dem 1. Januar belegen. Parallel zur Expertenbefragung wurden von Biodiversität (Foto: 2015 an Bewirtschaftungsmethoden gebunden, Volker Prasuhn/Wikime- die den Klima- und Umweltschutz fördern. Im Fo- dia Commons). kus stehen drei Handlungsfelder: Die Landwirte sind verpflichtet, eine Fruchtfolge einzuhalten, Dauergrünland zu erhalten sowie auf mindestens fünf Prozent ihrer Ackerflächen ökologische Vor- rangflächen bereitzustellen. Insbesondere die ÖVF sollen der heimischen Fauna und Flora zugute- kommen. Wie wirksam diese Greening-Maßnahme für den Artenschutz tatsächlich ist, wurde in einer europaweiten Studie untersucht.

Nur drei von zehn ÖVF-Maßnahmen fördern die Artenvielfalt Dazu hat ein interdisziplinäres Team aus 16 For- schungsinstituten die Umsetzung der ÖVF in den 28 Mitgliedsstaaten der EU erfasst und ihren Nut- zen für die Artenvielfalt bewertet. Das EU-Regel- werk gibt den Landwirten für ÖVF zehn verschie- dene Maßnahmen zur Auswahl, die unterschiedlich gewichtet werden. „Wir wollten wissen, was diese Optionen für den Artenschutz bewirken“, sagt Se- bastian Lakner vom Lehrstuhl für Agrarpolitik der Universität Göttingen, der an der Studie mitgewirkt hat. Insgesamt 310 Biodiversitätsforscher in ganz Europa wurden um ihre Einschätzung gebeten, wie geeignet die unterschiedlichen ÖVF-Maßnah- men für den Artenschutz sind. 88 Experten haben sich an der Umfrage beteiligt. „Die Kollegen muss­ ten für jede Maßnahme ein Ranking vornehmen, von sehr effektiv bis gar nicht effektiv. Dabei kam heraus, dass nur drei ÖVF-Maßnahmen effektiv sein

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 71 Landschaftsplanung und -pflege Notizen

Daten erhoben, welche ÖVF-Maßnahmen in den und zugleich ökonomisch sinnvolle Optionen um­ Mitgliedsstaaten der EU seit 1. Januar 2015 zur An- gesetzt werden, klagt der Forscher und demons- wendung kamen. Das Ergebnis ist ernüchternd: triert dies am Beispiel Pufferstreifen: „Eigentlich ist In vielen Ländern wird nur ein Teil der zehn mög- das eine der einfachsten ÖVF-Maßnahmen, weil lichen Optionen angeboten; nur 17 Staaten erken- man da sehr wenig Fläche hergeben muss. nen Blühstreifen als ÖVF an. Die drei effektiven In Bayern und anderen Bundesländern kann man Maßnahmen – Brache, Blühstreifen und Land- diese Greening-Maßnahme auch noch mit einer schaftselemente – werden innerhalb der EU ledig­ Prämie aus dem Agrarumweltprogramm kombi- lich auf 25 % der ÖVF und in Deutschland nur auf nieren und so für dieselbe Fläche mehr Geld be- 20 % der ÖVF genutzt. Bayern liegt mit 14,2 % ar- kommen“. Trotz des wirtschaftlichen Vorteils wird tenschutzrelevanter ÖVF-Maßnahmen sogar noch diese Option jedoch kaum gewählt. Verschiedene unter dem bundesweiten Durchschnitt. Zu den Befragungen von Praktikern zeigen, dass die recht­ besonders häufig genutzten, aber aus Experten- lichen Vorgaben für die effektiven Maßnahmen sicht für die Biodiversität irrelevanten Optionen zu kompliziert sind. So darf ein Blühstreifen als gehört der Anbau von Zwischenfrüchten und Un- ÖVF maximal zehn Meter breit sein, als AUP muss tersaaten: Sie machen EU-weit 28 %, in Deutsch- er aber mindestens sechs Meter breit sein. „Nun land 68 % und in Bayern sogar 72 % der ÖVF aus. ist aber ein Ackerrand nicht immer total gerade, Obwohl die EU-Länder insgesamt auf mehr als 14 % schon gar nicht, wenn er an ein Gewässer grenzt. ihrer Ackerflächen ÖVF geschaffen und damit die Trotzdem muss überall die geforderte Breite prä- 5 %-Vorgabe der Kommission mehr als erfüllt ha- zise eingehalten werden. Wenn die Abweichung ben, profitiert die Biodiversität davon kaum. irgendwo mehr als 20 % beträgt, kann nicht nur die Greening-Prämie aberkannt werden, sondern Agrarumweltmaßnahmen sinnvoller auch die komplette Direktzahlung für den gesam­ als ÖVF ten Schlag und für die ganze Finanzperiode von Sebastian Lakner hält diese Entwicklung für einen sieben Jahren. Das ist absurd“, kritisiert Lakner. ökologischen Irrweg und zudem für eine Ver- Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, schwendung von Steuergeldern: „Die Landwirte dass das Regelwerk zum Greening verbesserungs- bekommen im Rahmen des Greenings je nach würdig und -fähig ist. „Es gibt einige Stellschrau- Berechnungsmethode zirka 800 Euro pro Hektar ben, an denen noch gedreht werden kann“, sagt für ÖVF-Maßnahmen, obwohl der Großteil dieser Sebastian Lakner: „Wenn wir wirklich die Biodiver- Flächen nicht dem Artenschutz zugutekommt. sität auf unseren landwirtschaftlichen Flächen Dagegen bringt eine typische Agrarumweltmaß- fördern wollen, sollten wir die bürokratischen nahme auf dem Ackerland nur 500 bis 700 Euro Vorgaben­ für Blühstreifen deutlich vereinfachen. pro Hektar ein, im Grünland sind die Prämien noch Insgesamt wäre es für Landwirte und Steuerzah- etwas niedriger. Da wird also eine unspezifische ler und nicht zuletzt für die Natur weitaus sinn- Maßnahme, die für die Biodiversität irrelevant ist, voller, die Greening-Gelder in die existierenden deutlich höher honoriert als eine aufwendige Maß­ Agrarumweltprogramme zu investieren.“ nahme wie etwa der gezielte Schutz von Reb­hüh­ nern auf dem Acker“. Einen weiteren Schwach- punkt sieht der Göttinger Ökonom bei den Land- schaftselementen. Zwar tragen auch sie effektiv Mehr zur Artenvielfalt bei. „Für eine Greening-Prämie Pe´er, G. et al. (2017): Adding Some Green to the werden keine neuen Hecken gepflanzt, das ist un- Greening: Improving the EU´s Ecological Focus realistisch. Die bestehenden Hecken werden eben Areas for Biodiversity and Farmers. – Conservation nur als ÖVF gemeldet, aber es entsteht kein Mehr­ Letters 10, doi:10.1111/conl.12333: 517–530; http:// wert“, sagt Sebastian Lakner. onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/conl.12333/full. Lakner, S. et al. (2017): The German Implementation of Das internationale Forschungs-Team richtet sich Greening – Effectiveness, Participation & Policy In- mit seiner Studie in erster Linie an die EU-Kommis­ tegration with the Agri-Environmental Programs. – sion. „Wir wollen keinesfalls die Landwirte kritisie- Contributed Poster to the XV EAAE Congress Towards ren, die sich ja nur im vorgegebenen Rahmen auf Sustainable Agri-Food Systems: Balancing between nachvollziehbare Weise verhalten“, betont Lakner. Markets and Society; http://literatur.thuenen.de/ Falsch gesetzte finanzielle Anreize und bürokra- digbib_extern/dn059227.pdf. tische Hürden würden verhindern, dass ökologisch

72 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Landschaftsplanung Notizen und -pflege

Abbildung Ein Friedhof mit älterem Baumbestand und Grün- Friedhöfe – Oasen für Pflanzen und Tiere flächen zwischen den Gräbern, der bei einer öko ­logisch orientierten Pflege vielen Tieren und (Johanna Schnellinger) Friedhöfe und ihre baulichen Anlagen bieten bei entsprechender Gestaltung Pflanzen geeigneten und Nutzung naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume. Gemeinsam mit dem kirchlichen Verein Lebensraum bieten „Schöpfung bewahren konkret e. V.“ entwickelt die Bayerische Akademie für Naturschutz und Land­ kann (Foto: Barbara schaftspflege (ANL) einen Aktionsplan für geeignete biodiversitätsfördernde Maßnahmen und initiiert Füchtbauer). Best Practice-Beispiele. Führungen und Informationsblätter helfen, die Kirchengemeinden und die Be­ völkerung für das Thema zu sensibilisieren.

Friedhöfe sind in erster Linie Orte der Ruhe. Hier schen Gebäude können wichtige Rückzugsräume finden Besucher die notwendige Stille zur Besin- für viele Arten in Städten und Dörfern sein. Fried- nung und für die Trauer um Verstorbene. Gleich- höfe können so einen Beitrag dazu leisten, die bi- zeitig bieten Friedhöfe bei entsprechender natur- ologische Vielfalt zu erhalten und zu fördern. naher Gestaltung wertvolle Lebensräume für Tiere Das Projekt „Friedhöfe – Oasen für Pflanzen und und Pflanzen. Die Außenanlagen und die histori­ Tiere“ an der ANL entwickelt dazu mit dem evan-

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 73 Landschaftsplanung und -pflege Notizen

gelischen Verein „Schöpfung bewahren konkret e. V.“ spielhaftes Potenzial besitzen, biologische Vielfalt einen Aktionsplan für geeignete und übertrag- zu erhalten und zu fördern. Auf der Grundlage bare biodiversitätsfördernde Maßnahmen auf von Struktur- und Nutzungskartierungen werden Friedhöfen der evangelischen Kirche in Bayern. geeignete Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Beispielsweise können statt Rasenflächen Mager- den Kirchengemeinden und weiteren Kooperati- wiesen durch die Übertragung von Mahdgut an- onspartnern wie Landschaftspflegeverbänden, gelegt oder Öffnungen, Spalten und Nischen an der Kreisfachberatung für Gartenbau und Landes- historischen Gebäuden oder Mauerwerken erhal- pflege oder den ehrenamtlichen Fledermausbera- ten werden. Auch selten gewordene Arten wie tern entwickelt und umgesetzt. Die beteiligten der Schwarzspecht können so auf Friedhöfen Akteure im Zuge der Maßnahmendurchführung wichtige Lebensräume finden und von den Besu- zu sensibilisieren, ist dabei ebenfalls ein wichtiger chern bestaunt werden. Bestandteil des Projekts. Friedhofsbesuchern und Aus einer Liste von mehreren geeigneten Fried- interessierten Bürgern werden Führungen und höfen, die sich in Größe, Lage und Struktur im Schulungen zu vorkommenden Arten und biodi- Siedlungsgebiet, frei verfügbaren Flächen sowie versitätsfördernden Maßnahmen angeboten. Ein durchgeführten Gestaltungsmaßnahmen unter- Faltblatt mit den Praxisbeispielen für Vertreter von scheiden, werden sechs exemplarisch ausge- Kirchengemeinden, kirchliche Umweltbeauftrag- wählt. Entscheidend ist, ob die Kirchengemein- te, Friedhofsbesucher sowie andere Interessierte den im Projekt mitwirken wollen und die Fried- dient ebenso der Bewusstseinsbildung. hofsflächen sowie ihre baulichen Anlagen ein bei-

Abbildung Ungenutzte Wiesen­ flächen auf Friedhöfen bieten Potentiale für eine naturnahe Gestaltung (Foto: Barbara Füchtbauer).

74 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Recht und Verwaltung

Abbildung 1 Umsied­ lungsmaßnahmen zum Peter Fischer-Hüftle Schutz von besonders geschützten Arten wie Aktuelles zum Naturschutz- der Gelbbauchunke (Bombina variegata) kön­ und Bauplanungsrecht nen künftig ohne Aus­ nahmen durchgeführt werden, das Fangverbot greift in diesem Fall nicht (Foto: Stefan Kostyra/ Der Bundesgesetzgeber hat einige maßgebliche Novellierungen, unter anderem im Bundes­ piclease). naturschutzgesetz (BNatSchG), Baugesetzbuch (BauGB) und Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) beschlossen, die für die Anwendungspraxis im Naturschutz besonders relevant sind. Ausgewählte Inhalte und Neuerungen werden in diesem Beitrag vorgestellt und eingeordnet. Erläuterungen und Auslegungshinweise helfen, die neuen Rechtsvorschriften anzuwenden. Der Beitrag basiert auf einem ANL-Seminar zum Thema und fasst die Kerninhalte des Skriptes zusammen.

1. Änderungen im BNatSchG Vom Schutz ausgenommen sind genutzte Höhlen Die für die Naturschutzpraxis in Bayern relevanten und Stollen sowie Maßnahmen, die der Verkehrs­ Änderungen im neuen BNatschG umfassen unter sicherung dienen. Damit soll insbesondere die anderem redaktionelle Klarstellungen, beispiels­ gewerbliche, zum Beispiel bergbauliche und tou­ weise beim Gehölzschutz, und neue Vorschriften ristische Nutzung weiter möglich sein. zum Umgang mit invasiven Arten. Darüber hinaus Nach der Amtlichen Begründung werden Hohl­ wurde das besondere Artenschutzrecht an die räume vor allem aufgrund ihrer Funktion als Biotop ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungs­ für eine höhlentypische Fauna in ihrer Ausprägung gerichts angepasst. als Höhlen oder Stollen geschützt (Bundesrat 2017). 1.1_ Gesetzlicher Biotopschutz Stollen werden nur dann erfasst, wenn sie naturnah Mit § 30 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 BNatSchG sind, sie also nach ihrer Entstehung einer weit­ge­ werden nunmehr auch „Höhlen sowie naturnahe hend natürlichen Entwicklung überlassen wurden Stollen“ als gesetzlich geschützte Biotope definiert. und für den Standort typische Arten aufweisen.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 75 Recht und P. Fischer-Hüftle: Verwaltung Aktuelles zum Naturschutz- und Bauplanungsrecht

Die Begründung weist darauf hin, dass das Bege­ hen von Höhlen und naturnahen Stollen erlaubt bleibt, da hierdurch in der Regel keine Zerstörun­ gen oder sonstige erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne des Gesetzes hervorgerufen werden. Das Störungsverbot des § 44 Absatz 1 Nummer 2 BNatSchG ist zu beachten, wenn Tiere in der Höhle überwintern. Das Betreten von Höhlen und Stol­ len, die Fledermäusen als Winterquartier dienen, regelt § 39 Abs. 6 BNatSchG. 1.2_ Artenschutz – invasive Arten In den neuen §§ 40a bis 40f BNatSchG wird der Umgang mit invasiven Arten geregelt. Damit wur­ de die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 über die Prä­ vention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (= IAS-VO) vom Gesetzgeber umgesetzt. Diese Vorschriften erweitern die Aufgaben der Natur­ schutzbehörden: § 40a BNatSchG beauftragt die zuständigen Be­ hörden, nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen und verhältnismäßigen Maßnahmen zu treffen, um • sicherzustellen, dass insbesondere die EU-Vor­ schriften in Bezug auf invasive Arten eingehal­ ten werden und • die Einbringung oder Ausbreitung von inva­ siven Arten verhindert oder minimiert wird. Er ermächtigt die Behörden zu entsprechenden Anordnungen. Nach § 40e BNatSchG legen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden Managementmaßnahmen fest, um der Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten zu Abbildung 2 Mit der Novelle des BNatSchG begegnen. stehen Höhlen unter Dass Höhlen und naturnahe Stollen nur erfasst sein In welcher Form die Vorschriften in der Verwal­ dem gesetzlichen Bio­ sollen, soweit sie die für den Standort typischen tungspraxis umgesetzt werden können, was mit topschutz – hier ein Tierarten aufweisen, lässt sich dem Wortlaut des verhältnismäßigem Aufwand zu leisten ist und Großes Mausohr (Myotis Gesetzes jedoch nicht entnehmen. Auch der Ge­ wo zentrale Handlungsfelder liegen, ist Gegen­ myotis) im Winterschlaf setzeszweck – Schutz von Lebensräumen geschütz­ stand der derzeitigen Fachdiskussion. an einer Höhlendecke ter Tierarten – führt nicht zwingend zu einer Be­ (Foto: Reinhard Siegel/ schränkung des Schutzes auf aktuell beziehungs­ 1.3_ Artenschutzrechtliche Verbote piclease). weise periodisch genutzte Höhlen. Eine Höhle, Die Anwendung des besonderen Artenschutz­ die bisher nicht als ganzjähriger oder periodischer rechts bei Eingriffen und Vorhaben ist konkretisiert Aufenthaltsort geschützter Tiere dient, kann das worden. So hat insbesondere der § 44 Absatz 5 Potenzial dazu haben. BNatSchG verschiedene Änderungen und Ergän­ zungen erfahren. Wenn die Vorschrift so zu verstehen ist, wie von der Gesetzesbegründung angenommen, hat das 1.3.1 Privilegierung von Eingriffen und zur Konsequenz: Bevor beeinträchtigende Verän­ Vorhaben derungen vorgenommen werden, muss eine Höh­ Wie bisher gelten die Regelungen der Sätze 2 bis le oder ein naturnaher Stollen daraufhin unter­ 5, die das zu prüfende Artenspektrum einschrän­ sucht werden, ob dauernd oder zu bestimmten ken und die Anwendung der Verbotstatbestände Zeiten eine Nutzung als Lebensraum von Tieren erleichtern, für zwei Fallgruppen (Eingriff und Vor­ stattfindet und daher das Beeinträchtigungsver­ haben). Der neue Gesetzeswortlaut verdeutlicht, bot gilt. dass der Eingriff/das Vorhaben ein behördliches

76 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 P. Fischer-Hüftle: Recht und Aktuelles zum Naturschutz- und Bauplanungsrecht Verwaltung

umweltbezogenes Prüfungsverfahren durchlau­ dings kein – dem Bebauungsplan vergleich­ fen haben muss, das auch mögliche Verstöße ge­ bares – vorgeschaltetes Prüfverfahren. Hier gen artenschutzrechtliche Verbote einschließt. muss § 44 BNatSchG allein im bauordnungs­ Die Vermeidung von Beeinträchtigungen wird rechtlichen Verfahren vollzogen werden. Damit hervorgehoben. ist die behördliche Kontrolle etwaiger CEF-Maß­ nahmen gewährleistet. Auf Antrag des Vorhabenträgers hat die für die Er­ § 44 Absatz 5 Satz 1 BNatSchG teilung der Zulassung zuständige Behörde im Be­ Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträch­ nehmen mit der Naturschutzbehörde die Ent­ tigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, scheidungen nach § 15 BNatSchG zu treffen, so­ die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen weit sie der Vermeidung, dem Ausgleich oder oder von einer Behörde durchgeführt werden, so­ dem Ersatz von Schädigungen nach § 19 Absatz 1 wie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 Satz 1 BNatSchG dienen. Dies hat haftungsaus­ gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsver­ schließende Wirkung nach § 19 Absatz 1 Satz 2 bote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. BNatSchG. Der Vorhabenträger kann also wählen, ob die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zur Anwendung kommen soll oder ob er gegebe­ nenfalls ein Haftungsrisiko bei möglichen Um­ Was Vorhaben betrifft, sind folgende Punkte her­ weltschäden in Kauf nehmen will. vorzuheben: Für sonstige Maßnahmen, die weder als Eingriff • Bei einem Bebauungsplan nach §§ 13a, 13b noch als Vorhaben zu qualifizieren sind, gilt § 44 BauGB – der im beschleunigten Verfahren be­ Absatz 5 BNatSchG nicht (siehe aber 1.3.5). schlossen wer­den kann – entfällt zwar die Pflicht zum Ausgleich, unberührt davon bleibt aber 1.3.2 Tötungs- und Verletzungsverbot die Vermeidung oder jedenfalls Minimierung Das Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 44 von Natur- und Landschaftsbeeinträchtigun­ Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG wurde bereits gen. Sie erfordert die Ermittlung des relevanten durch die ständige Rechtsprechung dahingehend Sachverhalts. In diesem Zusammenhang sind konkretisiert, dass sich durch den Eingriff oder das daher auch zu erwartende Konflikte mit arten­ Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für schutzrechtlichen Verboten und entsprechende Individuen der betroffenen Art signifikant erhö­ Lösungsmöglichkeiten zu prüfen. hen muss, ehe der Verbotstatbestand greift. Der • § 29 Abs. 1 BauGB definiert als Vorhaben die Er­ in der Praxis bewährte Signifikanzansatz soll mit richtung, Änderung oder Nutzungsänderung der neuen Regelung in § 44 Absatz 5 BNatSchG einer baulichen Anlage, ferner Aufschüttungen bestätigt werden. und Abgrabungen größeren Umfangs sowie Ausschachtungen und Ablagerungen ein­ schließlich Lagerstätten. Zum Vorhaben gehö­ § 44 Absatz 5 Satz 2 Nummer 1 BNatSchG ren nicht nur die Errichtung des Bauwerks, son­ Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/ dern notwendige Vorarbeiten wie die Freima­ EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten chung des Baufeldes mit Beseitigung des Be­ oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsver­ wuchses. Ist dagegen beispielsweise die ordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt Beseitigung eines Baums nicht Bestandteil sind, liegt ein Verstoß gegen eines Vorhabens, gilt die Eingriffsregelung der 1. das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 §§ 14, 15 BNatSchG (OVG Bautzen, Beschluss Nr. 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch vom 12.12.2012, Aktenzeichen 1 A 881/11). den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und • Bei einem Vorhaben im Geltungsbereich eines Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Bebauungsplans (§§ 30, 33 BauGB), das nach Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträch­ § 18 Absatz 2 Satz 1 BNatSchG nicht der Ein­ tigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich griffsregelung unterliegt, geht der Gesetzgeber anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden davon aus, dass bei Erlass des zugrundelie­ werden kann genden Bebauungsplans die städtebauliche Eingriffsregelung abgearbeitet worden ist und daher von der Möglichkeit des § 44 Absatz 5 Die Regelung vollzieht die bisherige Rechtspre­ BNatSchG Gebrauch gemacht werden kann. chung nach und bringt in der Sache keine Ände­ • Für ein Vorhaben im Innenbereich, das eben­ rung. Der Verwaltungsgerichtshof München geht falls nach § 18 Absatz 2 Satz 1 BNatSchG nicht davon aus, dass sich die Änderung darin erschöpft, der Eingriffsregelung unterliegt, gibt es aller­ „die durch das Bundesverwaltungsgericht in

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 77 Recht und P. Fischer-Hüftle: Verwaltung Aktuelles zum Naturschutz- und Bauplanungsrecht

gefes­tigter Rechtsprechung vorgenommene derlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere Auslegung des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG positiv-­ vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwick­ rechtlich zu verankern und zudem festzuhalten, lungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder dass Tötungs- und Verletzungsrisiken, die unter­ Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen halb der Signifikanzschwelle bleiben, nach Mög­ Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im lichkeit durch die gebotenen, fachlich anerkann­ räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beein­ ten Schutzmaßnahmen vermieden werden müs­ trächtigt werden und diese Beeinträchtigungen sen“ (VGH München, Beschluss vom 27.11.2017, Ak­ unvermeidbar sind tenzeichen 22 CS 17.1574, Randnummer 32 ff.). 1.3.3 Verbot des Nachstellens und Fangens 1.3.4 B eschädigungs- und Zerstörungsverbot Das Verbot des Nachstellens und Fangens nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG ist bisher Weiterhin greift das Beschädigungs- und Zerstö­ bei Eingriffen und Vorhaben nach § 44 Absatz 5 rungsverbot nicht, wenn die ökologische Funktion BNatSchG in der Regel nur dann relevant, wenn der betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten – im Zuge von vorgezogenen Ausgleichsmaßnah­ auch im Wege von vorgezogenen Ausgleichsmaß­ men (sogenannte CEF-Maßnahmen) eine Umsied­ nahmen – im räumlichen Zusammenhang weiter­ lung erforderlich wird oder Vergrämungsmaß­ hin erfüllt wird. Die Gesetzesänderung in § 44 nahmen zum Schutz vor Tötungen durchgeführt Absatz 5 Satz 2 Nummer 3 BNatSchG ist vor allem werden müssen. redaktioneller Art. So wurde unter anderem korri­ giert, dass vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen Die neue Vorschrift erleichtert notwendige und „festgelegt“ statt „festgesetzt“ werden können. unvermeidbare Zugriffe auf wild lebende Tiere Damit ist klargestellt, dass CEF-Maßnahmen bei oder ihre Entwicklungsformen, um Bebauungsplanverfahren auch vertraglich – etwa • sie vor Tötung oder Verletzung oder ihre Ent­ über städtebauliche Verträge – festgelegt werden wicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung können und nicht Gegenstand der Satzung sein oder Zerstörung zu schützen, oder müssen. Der missverständlich verwendete Begriff • die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- „festgesetzt“ wurde daher durch den nicht bau­ oder Ruhestätten im räumlichen Zusammen­ planungsrechtlich belegten Begriff „festgelegt“ hang zu erhalten. ausgetauscht. Für Umsiedlungs- oder Vergrämungsmaßnahmen 1.3.5 Exkurs: Vorgezogener Ausgleich bei die dem Schutz der Tiere dienen, ist daher im Sanierungen Regelfall zukünftig keine Ausnahme nach § 45 Der deutsche Gesetzgeber wählt den Weg, dass Absatz 7 BNatSchG erforderlich. (nur) bei den in § 44 Absatz 5 Satz 1 BNatSchG ge­ In der Gesetzesbegründung wird entscheidend nannten Eingriffen und Vorhaben die Möglichkeit auf eine zeitliche Beschränkung der Maßnahme besteht, das Zerstörungsverbot von Fortpflan­ (zum Beispiel der Zwischenhälterung von Indivi­ zungs- und Ruhestätten durch CEF-Maßnahmen duen) abgestellt. Hierfür gibt es ein einfach zu abzuwenden. In der Praxis gibt es Fälle, die nicht handhabendes Kriterium: Die Tiere müssen spä­ unter § 44 Absatz 5 Satz 1 BNatSchG fallen, in de­ testens zu Beginn der nächstfolgenden Fort­ nen aber ebenfalls CEF-Maßnahmen nützlich pflanzungsperiode wieder in die Natur entlassen wären. Das lässt sich am Beispiel von Baumaßnah­ werden. men im Dachgeschoss eines Hauses darstellen, wenn zum Beispiel eine Ruhestätte von Fleder­ mäusen beeinträchtigt wird und das nicht vermie­ § 44 Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 BNatSchG den werden kann. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/ Der Ausbau eines Dachgeschosses zwecks Wohn­ EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten nutzung ist nicht nur baurechtlich eine Nutzungs­ oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsver­ änderung, sondern auch eine Änderung der ordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt Grundstücksnutzung im Sinne des Eingriffstat­ sind, liegt ein Verstoß gegen bestandes. Sie bildet damit im Außenbereich den 2. das Verbot des Nachstellens und Fangens wild Anknüpfungspunkt für die Eingriffsregelung und lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung damit für die Anwendung des § 44 Absatz 5 BNatSchG. oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Im Innenbereich bildet sie ein Vorhaben nach § 18 Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder Absatz 1 Satz 2 BNatSchG, was ebenfalls zu § 44 ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erfor­ Absatz 5 BNatSchG führt. Die CEF-Maßnahmen

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können im Rahmen der Baugenehmigung festge­ legt werden, ihre behördliche Kontrolle ist gewähr­ leistet. Wird lediglich der Dachstuhl repariert oder er­ neuert, ohne dass damit ein Ausbau verbunden ist, liegt weder der Eingriffstatbestand vor, noch handelt es sich um ein Vorhaben. In diesem Fall ist eine Ausnahme nach § 45 Absatz 7 Satz 1 BNatSchG erforderlich, wobei als Ausnahmegrund ein „erheblicher wirtschaftlicher Schaden“ in Be­ tracht kommt. Zuvor ist aber zu prüfen, ob eine zumutbare Alternative besteht. Das ist der Fall, wenn es geeignete und dem Bauherrn mögliche CEF-Maßnahmen gibt. Weder die Privilegierung noch die Ausnahme stellt dafür ein Verfahren be­ ziehungsweise einen Anknüpfungspunkt bereit. Ein Ausnahmeantrag kann zwar mit der Begrün­ dung abgelehnt werden, dass CEF-Maßnahmen eine geeignete Alternative darstellten, nicht aber mit der Auflage genehmigt werden, bestimmte CEF-Maßnahmen durchzuführen. Auch eine Befrei­ ung nach § 67 Absatz 2 BNatSchG kann in Betracht Abbildung 3 kommen. Die europarechtliche Pflicht zur Alter­ Die erweiterten Beteili­ nativenprüfung gilt jedoch auch für sie, sodass Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts­ gungsrechte nach § 63 dasselbe Problem entsteht. hofes (EuGH) lässt jedoch vermuten, dass die Absatz 2 BNatSchG füh­ In dieser Situation benötigt man ein Verfahren, um jüngsten Änderungen des BNatSchG und des ren dazu, das anerkann­ die sachgerechte Durchführung von CEF-Maß­ UmwRG nicht von langer Dauer sein werden, da ten Naturschutzverbän­ nahmen durch die Behörde kontrollieren zu lassen. sie nicht weitreichend genug sind. In der soge­ den nunmehr auch bei artenschutzrechtlichen Es geht um die Einhaltung der artenschutzrecht­ nannten „Braunbär II“-Entscheidung nimmt der Ausnahmen Gelegenheit lichen Verbotstatbestände und die im Einzelfall EuGH zu Beteiligungs- und Klagerechten der zur Stellungnahme und erforderlichen Maßnahmen, um die Gefahr eines anerkannten Vereinigungen nach der Aarhus-­ Einsicht in die Unterlagen verbotswidrigen Handelns abzuwehren. Wird der Konvention und dem Europarecht Stellung (EuGH, gegeben werden muss. Bauherr dazu angehört, dass die Ablehnung des Urteil vom 08.11.2016, Aktenzeichen C-243/15). Dies betrifft beispielswei­ Ausnahmeantrags beabsichtigt ist, weil CEF-Maß­ Der Bezug auf das innerstaatliche Recht betrifft se auch Allgemeinverfü­ nahmen möglich und zumutbar sind, und ist er nach Ansicht des EuGH nur die Modalitäten der gungen zum Bayeri­schen zu ihrer Durchführung bereit und in der Lage, Öffentlichkeitsbeteiligung, ohne das Recht auf Bibermanagement nach kann die rechtzeitige Durchführung dieser Maß­ Beteiligung in Frage zu stellen. Die Entscheidung, der Artenschutzrechtli­ nahmen Gegenstand einer Anordnung nach § 3 ob ein Beteiligungsrecht der Öffentlichkeit wegen chen Ausnahmeverord­ Absatz 2 BNatSchG sein. Die europarechtlich möglicher erheblicher Auswirkungen auf die nung (AAV; Foto: Klaus geforderte Kontrolle und Überwachung ist damit Umwelt besteht, ist nach Ansicht des EuGH daher Reitmeier/piclease). gewährleistet. Anders als die Ausnahme nach § 45 schon in der Aarhus-Konvention getroffen und Absatz 7 BNatSchG schützt die Anordnung je­ nicht mehr Sache des nationalen Rechts. Nach doch nicht vor möglichen Umweltschäden nach Ansicht des EuGH kommt es darauf an, ob eine § 19 Absatz 1 Satz 2 BNatSchG. Eine analoge An­ Entscheidung impliziert, dass die Behörde vor der wendung dieser Vorschrift liegt aber nahe. Genehmigung mögliche erhebliche Umweltaus­ 1.4_ Beteiligungsrecht anerkannter wirkungen prüft. Ist das der Fall, dann besteht ein Vereinigungen Beteiligungsrecht nach Artikel 6 Absatz 1 Buchsta­ be b) der Aarhus-Konvention. Im entschiedenen Mit der Novellierung des Umweltrechtsbehelfsge­ Fall bejaht der EuGH dies für Entscheidungen im setzes ist die Regelung der Vereinsbeteiligung im Zusammenhang mit der Verträglichkeitsprüfung § 63 Absatz 1 BNatSchG geändert worden. Unter an­ und der Zulassung eines unverträglichen Projekts. derem unterliegen jetzt Zoogenehmigungen und Ausnahmen nach § 45 Absatz 7 Satz 1 BNatSchG Nahe liegt daher insbesondere die Annahme, der Vereinsbeteiligung. Damit werden die Vorga­ dass auch die Entscheidung über eine Ausnahme ben des Europarechts und der Aarhus-Konvention von den artenschutzrechtlichen Verbotstatbe­ umgesetzt. ständen nach § 45 Absatz 7 BNatSchG „impliziert“,

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dass die Behörde vor der Genehmigung einer des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechts­ Tätigkeit prüft, ob diese unter den Umständen akte der Europäischen Union zugelassen werden, des Einzelfalls erhebliche Umweltauswirkungen und haben kann (Schlussanträge der Generalanwältin Nr. 6: Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Kokott im Verfahren C-243/15, Randnummer 77 f.). Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durch­ Dann wäre eine Vereinsbeteiligung auch bei Aus­ führung von Entscheidungen nach den Nummern 1 nahmen durch Einzel-Verwaltungsakt kraft des bis 5, die der Einhaltung umweltbezogener Rechts­ Anwendungsvorrangs des Europarechts erforder­ vorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts lich, also über § 63 Absatz 1 Nummer 4b BNatSchG oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europä­ hinaus. Ein Klagerecht ist in diesem Fall nunmehr ischen Union dienen. ohnehin aufgrund § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Umweltrechtsbehelfsgesetz gegeben. Ist eine Ausnahme vom Tötungsverbot zur Abwehr einer Hervorzuheben ist die Tragweite der oben ge­ Gefahr dringlich, kann die Entscheidung nach nannten Nummer 5. Deren weiter Anwendungs­ Maßgabe von § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bereich führt dazu, dass in einigen Fällen parallele Verwaltungsgerichtsordnung allerdings für sofort beziehungsweise sich überschneidende Klage­ vollziehbar erklärt werden, wenn verhindert wer­ rechte einerseits aus § 64 BNatSchG, andererseits den soll, dass eine mögliche Klage aufschiebende aus § 2 UmwRG bestehen. Denn das Klagerecht Wirkung hat. des UmwRG erfasst auch 1.5_ Klagerecht anerkannter • die Zoogenehmigung (parallel zu § 64 BNatSchG), Vereinigungen • Befreiungen aller Art, also beispielsweise (über Nr. 5: Das Klagerecht nach § 64 BNatSchG wird in § 64 BNatSchG hinaus) auch von den Verboten Absatz 1 auf die Erweiterung der Beteiligungsrech­ einer Landschaftsschutzverordnung, die kein te in § 63 BNatSchG abgestimmt. Anwendungs­ Natura 2000-Gebiet schützt, bereich sind Entscheidungen über Pläne und Pro­ • Ausnahmen vom besonderen Artenschutzrecht gramme im Sinne von § 63 Absatz 2 Nummer 3 nach § 45 Abs. 7 durch Einzel-Verwaltungsakt bis 5 BNatSchG. Rechtsbehelfe im Rahmen von (über § 64 BNatSchG hinaus) und Planfeststellungsverfahren richten sich allein nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Umweltrechtsbe­ • Plangenehmigungen. helfsgesetz. Denn § 64 Absatz 1 BNatSchG ver­ Für die in §§ 63, 64 BNatschG genannten Befreiun­ weist auf § 1 Absatz 3 UmwRG und damit auf die gen und Ausnahmen besteht darüber hinaus ein Klagerechte in § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG. doppel­tes Klagerecht nach UmwRG und BNatschG. Eine bisher nicht bestehende Klagemöglichkeit 2. Änderungen im eröffnet § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 UmwRG Umweltrechtsbehelfsgesetz beispielsweise gegen Ausnahmen vom gesetz­ Das UmwRG wurde an vielen Stellen geändert, lichen Biotopschutz und Baugenehmigungen für um es an das Europarecht, das Völkerrecht und Vorhaben im Außenbereich. die EuGH-Rechtsprechung anzupassen. Aus dem Nach § 7 Absatz 1 Satz 1 UmwRG kann der Adres­ komplizierten Regelwerk werden nur einige wich­ sat eines Verwaltungsakts bei der Behörde bean­ tige Änderungen herausgegriffen, die die Klage­ tragen, dass der Bescheid bestimmten Personen rechte deutlich erweitern: oder klageberechtigten Vereinigungen zugestellt wird, um die Rechtsbehelfsfrist auszulösen.

Klagerechte gibt es gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG 3. Änderungen des BauGB – § 13b nunmehr unter anderem auch gegen folgende Ent­ scheidungen: Für Bebauungspläne der Innenentwicklung mit einer zulässigen Grundfläche von weniger als Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen […], für die […] eine Pflicht zur Durch­ 20.000 m² hat schon § 13a BauGB zur Folge, dass führung einer Strategischen Umweltprüfung beste­ die Gemeinde nicht verpflichtet ist, Ausgleichs­ hen kann; ausgenommen hiervon sind Pläne und maßnahmen festzusetzen oder auf andere Weise Programme, über deren Annahme durch formelles zu gewährleisten. Dies entbindet die Gemeinde Gesetz entschieden wird; aber nicht von der Verpflichtung, planbedingte Nr. 6: Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Eingriffe im Rahmen der Abwägung nach § 1a Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis Absatz 3 zu minimieren (Schrödter 2015, § 13a 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umwelt­ BauGB, Randnummer 38, 48 f.). Die Gemeinde ist bezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, nicht befugt, „freiwillig“ die Eingriffsregelung in

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der Bauleitplanung anzuwenden, wenn sie das Da § 13a Absatz 1 Satz 2 BauGB die Grundfläche beschleunigte Verfahren wählt. nach BauNVO definiert, ist zum Beispiel bei der Ausweisung eines Wohngebiets mit einer Grund­ Mit dem am 13.05.2017 in Kraft getretenen § 13b flächenzahl von 0,4 das beschleunigte Verfahren BauGB erlaubt der Gesetzgeber auch die Einbe­ im Außenbereich somit auf Grundstücksflächen ziehung von Außenbereichsflächen in das beschleu­ nigte Verfahren. § 13a gilt für solche Bebauungs­ bis zu 25.000 m² anwendbar. Öffentliche Verkehrs­ pläne entsprechend unter folgenden Vorausset­ flächen und Gemeinbedarfsflächen kommen zungen: hinzu, denn sie zählen nicht zu den Versiegelungs­ flächen. Die Gesamtfläche der Planung kann da­ • Die Grundfläche beträgt nach der Baunutzungs­ durch auch 40.000 m2 und mehr erreichen. Dies verordnung (BauNVO) weniger als 10.000 m². kann gleichzeitig an verschiedenen Stellen des Dabei sind die Grundflächen mehrere Bebau­ Gemeindegebiets geschehen. ungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang auf­ Die Vorschrift erleichtert die Inanspruchnahme gestellt werden, mitzurechnen (§ 13a Absatz 1 neuer Flächen im Außenbereich für Siedlungs­ Satz 2 BauGB). Diese Voraussetzungen müssen zwecke. Zudem fördert sie die Zersiedlung der zusammen vorliegen. Zwischen mehreren räum­ Landschaft und konterkariert das Ziel, den Flächen­ lich zusammenhängenden Bebauungsplänen verbrauch zu verringern. besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang Die Verfahrensvereinfachungen umfassen un­ jedenfalls dann, wenn sich die Verfahren zur Auf­ ter anderem den Verzicht auf stellung zweier Pläne zeitlich überschneiden. • frühzeitige Beteiligungs- und Anhörungsver­ Ein enger sachlicher Zusammenhang kann sich fahren, aus der identischen Zielsetzung (Bereitstellung von Wohnungen) ergeben. • Umweltprüfung und Umweltbericht, • Es wird die Zulässigkeit von „Wohnnutzungen“ • naturschutzrechtliche Kompensation und die begründet. Der Zweck der Regelung, beschleu­ • die Möglichkeit, den Flächennutzungsplan nigt Wohnraum bereitzustellen, privilegiert nur auch im Nachhinein anzupassen. Gebiete, die ganz überwiegend dem Wohnen Die in § 1a Absatz 3 Satz 1 BauGB genannte Ver­ dienen. Darunter fallen jedenfalls reine und all­ meidung von Natur-und Landschaftsbeeinträchti­ gemeine Wohngebiete (§§ 2–4 BauNVO). Sind gungen entfällt dagegen nicht. Die sonstigen andere Nutzungen in nennenswertem Umfang Vorschriften des Naturschutzrechts sind auch im zulässig, ist § 13b BauGB nicht anwendbar, denn beschleunigten Verfahren zu beachten. Ob die er darf nicht als Vehikel dafür dienen, zum Bei­ Planung in Konflikt mit gesetzlichen Verboten des spiel gewerbliche Nutzungen zu begründen. Biotopschutzes oder Artenschutzes geraten kann, Die in § 4 Absatz 3 BauNVO genannten Nutzun­ ist durch eine fachliche Stellungnahme zu klären. gen sind daher auszuschließen. • Die Flächen müssen sich an im Zusammen- Die planende Gemeinde bleibt auch im beschleu­ hang bebaute Ortsteile anschließen. Eine da­ nigten Verfahren verpflichtet, Belange des Natur­ zwischen verlaufende Ortsstraße ist unschäd­ schutzes und der Landschaftspflege zu ermitteln, lich. Der Ortsteil muss die Merkmale des § 34 zu bewerten und in die Abwägung einzustellen, BauGB haben, seine Nutzungsart ist unerheblich. auch etwa in Bezug auf das Minimierungsgebot Eine Splittersiedlung reicht als Anknüpfungs­ (Schrödter 2015, § 13a, Randnummern 49, 50; VGH punkt nicht aus. München, Urteil vom 18.01.2017, Aktenzeichen 15 N 14.2033). Es entfällt lediglich die Kompensations­ • Das Verfahren zur Aufstellung eines solchen pflicht. Nicht kompensierte erhebliche Beeinträch­ Bebauungsplans kann nur bis zum 31.12.2019 tigungen von Naturhaushalt und Landschaftsbild förmlich eingeleitet werden; der Satzungsbe- sind bei der Abwägung entsprechend zu gewich­ schluss nach § 10 Abs. 1 BauGB ist bis zum ten. Die im Eingriff liegende Beeinträchtigung von 31.12.2021 zu fassen. Natur und Landschaft wiegt schwerer, wenn Ver­ Das beschleunigte Verfahren ist nach § 13a Abs. 1 meidungs- und Kompensationsmaßnahmen un­ Satz 4 und 5 BauGB ausgeschlossen, wenn terbleiben (BVerwG, Urteil vom 31.01.1997, Akten­ • durch den Bebauungsplan die Pflicht zur Durch­ zeichen 4 NB 27.96, in Natur und Recht 1997, S. 543). führung einer Umweltverträglichkeitsprüfung Die durch § 13b BauGB eröffneten Möglichkeiten ausgelöst wird oder entbinden die Gemeinde auch nicht davon, den • Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Vorrang der Innenentwicklung und das Gebot Erhaltungsziele und Schutzzwecke eines Na­ des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden tura 2000-Gebiets bestehen. zu beachten und in die Abwägung einzustellen.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 81 Recht und P. Fischer-Hüftle: Verwaltung Aktuelles zum Naturschutz- und Bauplanungsrecht

Die Gemeinde muss also auch im Verfahren nach Ermittlungs- und Bewertungsmängel sind Verfah­ § 13a und § 13b BauGB die voraussichtlichen Aus­ rensmängel (BVerwG, Beschluss vom 30.06.2014, wirkungen auf die Belange des Naturschutzes Aktenzeichen 4 BN 38/13, in Baurecht 2014, S. 1745). hinreichend prüfen und die Ergebnisse dieser Die unzureichende Ermittlung der Naturschutz­ Prüfung in ihre Abwägungsentscheidung einbe­ belange kann so zu einem materiellen Fehler in ziehen. Ein Ermittlungsdefizit liegt vor, wenn ab­ der Abwägung nach § 1 Absatz 7 BauGB und damit wägungserhebliche Belange in wesentlichen zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen. Punkten nicht zutreffend ermittelt worden sind, Dieser Fehler muss nicht binnen Jahresfrist gerügt der Gemeinderat mithin bei der Abwägungsent­ werden. Er kann auch danach etwa bei einer In­ scheidung einen falschen Sachverhalt zu Grunde zidentkontrolle des Bebauungsplans geltend ge­ gelegt hat (VGH München, Urteil vom 18.01.2017, macht werden. Aktenzeichen 15 N 14.2033). Auch wenn kein Um­ weltbericht erforderlich ist, muss doch eine Dar­ Hinweis stellung der betroffenen Belange des Naturschut­ Der Beitrag basiert auf wesentlichen Inhalten des zes und der Landschaftspflege, der zu erwarten­den Skriptes von RA Peter Fischer-Hüftle für das ANL-­ Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft Seminar „Aktuelles zum Naturschutz- und Baupla­ und mögliche Maßnahmen zu ihrer Vermeidung nungsrecht“, das am 24. Januar 2018 in Regens­ oder Minimierung gegeben werden. burg stattfand. Die Inhalte sind deutlich verkürzt und vereinfacht dargestellt.

Literatur Autor Bundesrat (2017): Gesetzesentwurf der Bundesregie­ Peter Fischer-Hüftle, rung. – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Jahrgang 1946. Bundesnaturschutzgesetzes, Drucksache 168/17, 1973 Verwaltungsgericht Regensburg; 1974 Baye­ vom 17.02.2017; www.umwelt-online.de/PDF risches Staatsministerium des Innern; 1977 Regie­ BR/2017/0168_2D17.pdf. rung der Oberpfalz; 1979 Verwaltungsgericht Re­ Schrödter, W. (Hrsg., 2015): Baugesetzbuch: BauGB. – gensburg, 1992 Vorsitzender Richter, Schwerpunkt Kommentar, 8. Auflage, Nomos-Verlag: 2639 S. seit 1986 Naturschutzrecht; 2003 Lehrauftrag für Naturschutzrecht an der Universität Passau: seit 1978 Veröffentlichungen zum Naturschutzrecht (unter anderem BNatSchG-Kommentar); seit 1979 Mitwirkung an zahlreichen Tagungen und Lehr­ gängen der ANL und in anderen Bundesländern; Mitherausgeber der Zeitschrift „Natur und Recht“; Zitiervorschlag 2001 Umweltmedaille des Freistaats Bayern; seit Fischer-Hüftle, P. (2018): Aktuelles zum Natur­ 2011 Rechtsanwalt. schutz - und Bauplanungsrecht. – ANLiegen +49 941 29797969 Natur 40(1): 75–82, Laufen; www.anl.bayern.de/ [email protected] publikationen.

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Abbildung 1 Während der Fachtagung Paul-Bastian Nagel „UVPG-Novelle 2017: Herausforderungen und Umweltverträglichkeitsprüfung – Lösungsansätze“ vom 7. bis 8. Dezember 2017 in Herausforderungen und Lösungsansätze Laufen wurden aktuelle Themen zur Umweltver- träglichkeitsprüfung vor- gestellt und diskutiert (Fo- to: Paul-Bastian Nagel). Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist ein zentrales Instrument der Umweltvorsorge. Sie stellt sicher, dass die Auswirkungen eines UVP-pflichtigen Vorhabens auf die Umwelt in der Abwägungs- entscheidung und in der Öffentlichkeitsbeteiligung transparent gemacht werden. Nun wurde das nationale UVP-Recht an neue EU-rechtliche Anforderungen und an die Rechtsprechung angepasst. Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) und die UVP-Gesellschaft e.V. luden daher im Dezember 2017 zu einer Fachtagung in Laufen ein. Über 100 Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland diskutierten über die neuen und alten Herausforderungen und Lösungsansätze bei der Anwendung der Umweltverträglichkeitsprüfung.

1. Gesetzesnovellen zusätzlich konkretisierende Verwaltungsvorschrif- Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts ten zur Anwendung des UVP-Gesetzes erarbeitet der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPModG) und im Auftrag des Umweltbundesamtes Arbeits- wurde das UVPG an die UVP-Änderungsrichtlinie blätter für UVP-Berichte in unterschiedlichen Zu- (2014/52/EU) und die ständige Rechtsprechung lassungsverfahren erstellt werden. angepasst. Gleichzeitig wurde die Gelegenheit Die UVP-Änderungsrichtlinie wurde auch im Bau- genutzt, das Gesetz in seiner Struktur zu überar- gesetzbuch (BauGB) umgesetzt. Die dazu verab- beiten und lesefreundlicher auszugestalten. Herr schiedete Novellierung bezieht darüber hinaus Dr. Sangenstedt vom Bundesumweltministerium Außenbereichsflächen in das beschleunigte Ver- kündigte an, dass gemeinsam mit den Ländern fahren der Bebauungsplanung nach § 13b BauGB

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 83 Recht und P.-B. Nagel: Verwaltung Umweltverträglichkeitsprüfung – Herausforderungen und Lösungsansätze

ein, sodass für diese keine Umweltverträglich- 07.11.2013 (C-72/12) die Anforderungen konkreti- keitsprüfung durchzuführen ist. Die Regelung ist siert, wie eine UVP vor dem Hintergrund erwei- nur für Wohnnutzungen vorgesehen. Unklar ist, terter Klagemöglichkeiten von Verbänden und welche Arten der baulichen Nutzung nach der Bürgern durchgeführt werden soll. Dies betrifft Baunutzungsverordnung hierdurch erfasst sind, insbesondere fehlerhafte oder nicht durchgeführ­ da die Kategorie „Wohnnutzung“ hier nicht defi- te Prüfungen der Umweltverträglichkeit. niert ist. Die Anwendung der Vorschrift ist auf Be- bauungspläne für Wohnnutzung mit einer Grund- fläche von weniger als einem Hektar begrenzt. Was ist die UVP? Allerdings handelt es sich hier um die versiegelte Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist ein Fläche für bauliche Anlagen – damit sind je nach zentrales Instrument der Umweltvorsorge und hat Gebietskategorie Baugebiete von bis zu vier Hek- das Ziel, die Auswirkungen von Projekten auf die tar Größe denkbar. Die Vorschrift sieht zusätzlich Umwelt für das Entscheidungsverfahren transpa- vor, dass die Wohnbebauung im unmittelbaren rent zu machen. In der UVP werden die Auswirkun­ Anschluss an bebaute Ortsteile erfolgen muss. gen eines Vorhabens auf die Umwelt ermittelt, Auch welche Voraussetzungen hier gelten, ist nicht beschrieben und bewertet. Die Bewertungsmaß­ Abbildung 2 Das UVP-­ eindeutig formuliert (Bohl 2018, in Vorbereitung). stäbe ergeben sich aus dem jeweiligen Fachrecht, Portal der Länder bietet beispielsweise aus dem Bundesimmissionsschutz- ein großes Potenzial für Die Vorschriften des ebenfalls novellierten Um- gesetz. Die UVP ist kein eigenständiges Verfahren, die Öffentlichkeitsbeteili- welt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) regeln sondern Bestandteil des jeweiligen Zulassungsver- gung bei UVP-pflichti- unter anderem Klagerechte von anerkannten Um- fahrens. Verfahrensträger ist die für die jeweilige gen Vorhaben. Durch weltvereinigungen und Bürgern (Baumann & Lukas Zulassung des Vorhabens zuständige Behörde. räumliche und thema- 2018, in Vorbereitung). Wie relevant das Gesetz Mit der neuen EU-Richtlinie 2014/52/EU zur UVP wur­ tische Abfragen können für die Praxis der UVP ist, zeigen aktuelle höchst­ den nun einige Regelungsbereiche konkretisiert Interessierte­ sich über richterliche Entscheidungen. So wurden mit ei­ und in nationales Recht übersetzt. Dies betrifft ins- die laufen­den Verfahren nem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom besondere die UVP-Vorprüfung (Screening), die zum informieren (Quelle: Ziel hat, die UVP-Pflicht festzustellen, aber auch die www.uvp-verbund.de). Definition und Abgrenzung der Schutzgüter.

2. UVP-Portale Mit der UVP-Änderungsrichtlinie werden die Mit- gliedsstaaten verpflichtet, sogenannte UVP-Porta­le einzurichten. Damit soll insbesondere die Öffent- lichkeitsbeteiligung bei UVP-pflichtigen Vorhaben und der Zugang zu den relevanten verfahrensbe- zogenen Informationen verbessert werden. In Deutschland wurden zwei Portale eingerichtet: Ein zentrales Portal des Bundes, das vom Umwelt- bundesamt verwaltet wird und Verfahrensunter­ lagen im Zuständigkeitsbereich der Bundesbe- hörden listet; und ein gemeinsames Portal der Bundesländer, in denen die sonstigen Verfahren erfasst werden. Beide Datenbanken sind erst seit kurzem online, sodass bisher noch vergleichswei- se wenige Verfahren zu finden sind K( öppel et al. 2018, in Vorbereitung). Die Länder können mit der gemeinsamen Software auch eigene Portale auf- setzen; Niedersachsen hat bereits ein eigenes Portal.

3. Schutzgüter Neben begrifflichen Konkretisierungen bei den Schutzgütern, wie beispielsweise der Integration des Schutzgutes „Tiere und Pflanzen“ in „biologi­ sche Vielfalt“, wurde mit der EU-Richtlinie die Flä-

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che als neues Schutzgut gesondert hervorgeho- ben. Flächenschutz wurde zwar bisher integrativ beim Schutzgut Boden abgehandelt, dies erfolgte aber eher stiefmütterlich (Jacoby & Wiemers 2018, in Vorbereitung). Insbesondere bietet das „neue“ Schutzgut die Chance, den Freiraumschutz stär- ker in den UVP-Berichten zu beleuchten. Überge- ordnete Raumplanungen können so hinsichtlich Flächenbilanzierungen und flächenbezogener Zielvorgaben qualifiziert werden. Unter dem Schutzgut Klima werden nunmehr auch Aspekte des globalen Klimawandels subsu- miert – zum einen die projektbezogenen Auswir- kungen auf den Klimawandel, zum anderen die mit möglichen Extremwetterergebnissen einher- gehenden projektbezogenen Umweltrisiken für andere Schutzgüter (beispielsweise für das Schutz­ gut Boden bei der Lagerung von Giftstoffen). Projektbezogen können die Auswirkungen auf den Klimawandel nur schwer operationalisiert Abbildung 3 Das neue werden und es fehlt an Bewertungsmaßstäben. Schutzgut Fläche bietet Hier wird lediglich in einer Gegenüberstellung 4. Qualität in der UVP die Chance, Belangen der Alternativen eine Einordnung, zum Beispiel Auch wenn die Anwendungspraxis zur UVP in des Freiraumschutzes stärker als bisher in der über die zu erwarteten Emissionswerte, möglich Deutschland grundsätzlich ein hohes Niveau er- UVP Rechnung zu tragen sein. Trotzdem hat der Klimaschutz einen erhöh- reicht, müssen immer wieder Mängel in der Qua- (Foto: Hans-Joachim ten Stellenwert in der Planung erlangt. Dies gilt lität der Berichte und Prüfungen festgestellt wer- Fünfstück/piclease ). vor allem für kleinklimatische Auswirkungen. den. Dies betrifft unter anderem das Schutzgut In dicht besiedelten Räumen sollten Konzepte zum Menschliche Gesundheit, das häufig nicht oder Klimaschutz und zur Klimaanpassung entwickelt unzureichend behandelt wird. Die Umweltfolgen- werden, um Umbau und Neuplanungen im Sied- abschätzung erfolgt zudem zunehmend allein lungsbereich zu optimieren (Wetzel 2017, münd- bilanzorientiert, beispielsweise durch den Einsatz lich). von Geoinformationssystemen. Vorbelastungen Die Erweiterung der Schutzgüter um den Aspekt und kumulative Auswirkungen werden nicht Bevölkerung und menschliche Gesundheit folgt sachgerecht und differenziert erfasst und bewer- der bereits in der Prüfungspraxis zunehmend tet. Die angewandten Methoden sind nicht immer stärkeren Berücksichtigung von negativen Um- dokumentiert und nachvollziehbar. Insbesondere weltauswirkungen auf den Menschen. Weiterhin vorsorgeorientierte Bewertungsmaßstäbe kommen sind Entscheidungsgrundlagen für die Berück- nur selten zum Einsatz. Und das obwohl die UVP sichtigung menschlicher Gesundheit in Planungs- als Vorsorgeinstrument nicht allein die materiell-­ verfahren zu entwickeln (Machtolf 2017, münd- rechtlichen Vorschriften in den Blick nehmen lich). Das Schutzniveau sollte schon bei einer muss, sondern die Umweltfolgen auch jenseits wirksamen Vorsorge und nicht erst bei gesetzlich von Grenzwerten einschätzen und bewerten soll. verbindlichen Grenzwerten ansetzen. Zudem sind Zentraler Bestandteil einer UVP ist der Alternati­ vulnerable Gruppen im Rahmen der UVP beson- venvergleich. Die Auswahl der untersuchten Alter­ ders zu berücksichtigen. Mehrfachbelastungen nativen, die Bewertungsparameter und die Abwä- unterschiedlicher Umweltauswirkungen auf den gung und Gewichtung der Umweltbelange ist Menschen sollten gesondert betrachtet werden. häufig intransparent. Hartlik (2017, mündlich) Außerdem sollten die Gesundheitsämter stärker stellte konkrete Ansatzpunkten für eine bessere in die Verfahren eingebunden werden. Ein Problem Qualität in der UVP-Praxis vor. ist nicht zuletzt, dass diese bisher nur geringe Er- fahrungen in entsprechenden Beteiligungsverfah- 5. Fazit ren haben und so die Belange der Bevölkerung Die UVP-Änderungsrichtlinie (2014/52/EU) und ihre und der menschlichen Gesundheit in der Abwä- Umsetzung in nationales Recht bieten wichtige gungsentscheidung über ein Vorhaben häufig Ansatzpunkte, um die UVP-Praxis zu optimieren, eine untergeordnete Rolle spielen. so beispielsweise die Einführung einer nachträg-

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lichen Kumulationsbetrachtung. Durch den Ge- Links setzgebungsprozess und die jüngere Rechtspre- in Reihenfolge des Vorkommens chung kommt die Umweltvorsorge so wieder Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umwelt- stärker in den Fokus. Dennoch wurde die Chance verträglichkeitsprüfung (UVPModG): www.jurion. verpasst, das Instrument der UVP substanziell de/gesetze/uvpmodg/1/ weiterzuentwickeln, etwa im Bereich der Vorprü- Baugesetzbuch (BauGB): www.gesetze-im-internet. fung oder der Qualitätssicherung. In den Beiträgen de/bbaug/ zur Veranstaltung und der Diskussion konnten Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG): wichtige Handlungsoptionen identifiziert werden, www.gesetze-im-internet.de/umwrg/ um die UVP in der Planungspraxis als zentrales Instrument der Umweltvorsorge noch stärker zu UVP-Portal des Bundes: www.uvp-portal.de/ etablieren und den Belangen des Umweltschutzes UVP-Portal der Bundesländer: www.uvp-verbund.de in den Abwägungsentscheidungen ein stärkeres UVP-Portal des Landes Niedersachsen: https://uvp. Gewicht zu geben. niedersachsen.de/portal/;jsessionid=644FF0 DA4E5C355048C1703B0F8F4430 Hinweis Im ersten Halbjahr 2018 wird in der Zeitschrift UVP-report, herausgegeben von der UVP-Gesell- schaft, ein Themenschwerpunkt mit Beiträgen der Tagung veröffentlicht. Das Heft kann für 19 Euro Veranstaltungsevaluation erworben werden, hinzukommen Mehrwert­ Erstmals wurde eine ANL-Veranstaltung im digita­ steuer und Versandkosten. Bezug über: zentrum@ len Abstimmungsverfahren durchgeführt (Tabelle 1). uvp.de. Die digitale Abstimmung wurde sehr gut angenom- men und zeigt im Vergleich zu Befragungen mit Papierbögen einen deutlich besseren Rücklauf. Die Gesamtbewertung der Veranstaltung fällt über- Autor wiegend „sehr gut“ bis „gut“ aus. Der Teilnehmer- kreis aus ganz Deutschland spiegelt sich auch in Paul-Bastian Nagel, den Angaben zur Anreise wider: 40 % der Teilneh- Jahrgang 1985. Studium der Umweltwissenschaften und Umwelt- menden sind aus über 500 km Entfernung ange- planung in Oldenburg und Berlin. Von 2011 bis 2014 reist. Freitextangaben wurden über Papierbögen Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Um- erfasst. So wurde bei den Verbesserungsvorschlä- weltprüfung und Umweltplanung an der Techni­schen gen vielfach angeregt, mehr Fallbeispiele aufzuneh­ Universität Berlin. In dieser Zeit in Unterstützung für men und einen stärkeren Praxisbezug der Inhalte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz sicherzustellen. und Reaktorsicherheit im Referat Wind­energie und Wasserkraft tätig. Seit 2014 an der Bayerischen Aka- Auswahl der Statistik zur Veranstaltung demie für Natur­schutz und Landschaftsplanung (ANL). * 70 Teilnehmende an digitaler Abstimmung Bayerische Akademie für Naturschutz Geschlecht 55 % weiblich und Landschaftsplanung (ANL) 43 % männlich +49 8682 8963-47 Altersgruppe 43 % 21–40 Jahre [email protected] 49 % 41–60 Jahre 7 % über 60 Jahre Fachrichtung 54 % L andschaftsplanung/ -architektur 10 % Geografie Zitiervorschlag 7 % Biologie 26 % andere Nagel, P.-B. (2018): Umweltverträglichkeitsprüfung – Herausforderungen und Lösungsansätze. – Anreise 40 % weiter als 500 km ANLiegen Natur 40(1): 83–86, Laufen; www.anl. 49 % 100 bis 500 km bayern.de/publikationen. 12 % 0 bis 100 km

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Die neue Drohnen-Verordnung und der Naturschutz

(Gerti Fluhr-Meyer) Seit 7. April 2017 ist in Deutschland die „Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten“, kurz Drohen-Verordnung, in Kraft. Wesentliche Regelungen sind eine Kennzeichnungspflicht für Drohnen mit einem Gewicht über 250 g, ein Kenntnisnachweis („Drohnen- führerschein“) für Betreiber von Drohnen mit mehr als 2 kg sowie ein generelles Flugverbot in Höhen über 100 m und über zahlreichen Flächen. Die Regelung verweist an mehreren Stellen auf das Natur- schutzrecht, unter anderem ist der Drohnenbetrieb über Naturschutzgebieten, Nationalparken und Natura 2000-Gebieten verboten. Naturschutz-Experten befürworten die Neuregelung, befürchten aber Schwierigkeiten bei Umsetzung und Vollzug.

Drohnen gelten als Zukunftstechnologie. Sie wer- Regierung von Mittelfranken und der Regierung Abbildung den zunehmend eingesetzt – zu privaten Zwecken, von Oberbayern zuständig. Laut Martin Nell, Pres- Drohnenverordnung: gewerblich und auch in der ökologischen For- sesprecher an der Regierung von Oberbayern, Über Naturschutzgebie- schung. Damit steigt die Gefahr von Kollisionen, verweist die Drohnen-Verordnung an mehreren ten, Nationalparken und Abstürzen, Unfällen und Beeinträchtigungen. Stellen auf das Naturschutzrecht: Natura 2000-Gebieten ist Die Bundesregierung hat deshalb die Nutzung von der Betrieb von Drohnen verboten (Foto: Pixabay). Drohnen neu geregelt. Seit 7. April 2017 ist die auch als „Drohnen-Verordnung“ bezeichnete „Verordnung zur Regelung des Betriebs von un- bemannten Fluggeräten“ in Kraft. Die wesentlichen Regelungen sind: • Für über 250 g schwere Drohnen und Modell- flugzeuge gilt eine Kennzeichnungspflicht. • Betreiber von Drohnen oder Modellflugzeugen über 2 kg brauchen einen Kenntnisnachweis („Drohnenführerschein“). Wer Geräte über 5 kg fliegen will, braucht zusätzlich eine Aufstiegser- laubnis. • Die neue Verordnung verbietet jegliche Behinde­ rung oder Gefährdung sowie den Flug in einer Höhe über 100 m. Drohnen müssen außerdem immer in Sichtweite betrieben werden. • Der Drohnenbetrieb ist über sensiblen Berei­chen, wie Einsatzorten von Polizei und Rettungs­ kräften, Menschenansammlungen, Hauptver- kehrswegen oder den An- und Abflugbereichen von Flughäfen verboten. Zu diesen Arealen ge- hören auch Naturschutzgebiete, Nationalparke • Wenn eine Erlaubnis für den Drohnen-Betrieb und Natura 2000-Gebiete, soweit der Drohnen-­ notwendig ist, weil das Gerät beispielsweise Betrieb dort nach landesrechtlichen Vorschrif- über 5 kg wiegt, erteilt die zuständige Behörde diese nur dann, wenn die Nutzung des Luft­ ten nicht abweichend geregelt ist. raums keine Gefahr für die Sicherheit des Luft- • Drohnen und Modellflugzeuge über 250 g dür- verkehrs oder die öffentliche Sicherheit und fen nicht über Wohngrundstücken betrieben Ordnung darstellt. Dabei wird das Naturschutz- werden. recht ausdrücklich als Bestandteil der öffentlichen Für den Vollzug der Drohnen-Verordnung sind in Sicherheit genannt (§ 21a Absatz 3 Luftverkehrs-­ Bayern die Luftämter Nord- und Südbayern an der Ordnung). Um diese zu gewährleisten und eine

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 87 Recht und Verwaltung Notizen

fundierte Entscheidung treffen zu können, räumt oder landen und abrupte Richtungswechsel in die neue Verordnung der zuständigen Behörde ihrer Nähe unterlassen. Wichtig ist zudem, Vögel die Möglichkeit ein, fachspezifische Bewertun­ nie direkt anzufliegen und sofort umzukehren, gen oder Gutachten, insbesondere zum Natur- wenn diese reagieren. Generell sind kleine und und Lärmschutz, einzuholen (siehe § 21a Ab- leise Geräte zu bevorzugen. Flüge entlang von satz 5 Luftverkehrs-Ordnung). Felswänden sollten unterlassen werden, insbe- • Zwar ist laut Verordnung das Fliegen über Na- sondere von Februar bis Juli, wenn sensible Arten, turschutzgebieten, Nationalparken und Natura wie Wanderfalke oder Uhu, brüten. 2000-Gebieten verboten, Ausnahmegenehmi- Weiter ist es aus Sicht von Fachleuten grundsätz- gungen sind jedoch möglich (§ 21b Absatz 1 lich empfehlenswert, dass Drohnenpiloten zusätz­ Nummer 6 Luftverkehrs-Ordnung). Das Luftamt lich zum Flugverbot über Naturschutzgebieten, Südbayern würde Martin Nell zufolge eine sol- Nationalparken und Natura 2000-Gebieten auch che nur dann erteilen, wenn nach Abstimmung seitlich von diesen sensiblen Bereichen mindes­ mit der Naturschutzbehörde sichergestellt ist, tens 100 Meter Abstand halten. dass das Naturschutzrecht einem Flugbetrieb in den betroffenen Gebieten nicht entgegensteht. Und welche Änderungen ergeben sich durch die neue Verordnung für den Drohneneinsatz in Arten­ • Generell und unabhängig von erteilten Betriebs­ schutz und ökologischer Forschung? „Bis auf den erlaubnissen muss ein Drohnen-Pilot Schutz- Drohnenführerschein hat sich wenig geändert“, vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes meint Sebastian d’Oleire-Oltmanns vom Depart- und das Naturschutzrecht der Länder beachten ment of Geoinformatics – Z_GIS an der Universi- (§ 21a Absatz 6 Luftverkehrs-Ordnung). Beispiels­ tät Salzburg. „Wenn wir in Deutschland in einem weise dürfen brütende oder rastende Vögel Naturschutzgebiet geflogen sind, brauchten wir auch außerhalb von Schutzgebieten nicht er- schon immer eine Aufstiegserlaubnis und die Zu- heblich gestört werden. stimmung des Grundstückseigners.“ Naturschutz-Experten sehen die neue Verordnung positiv, befürchten aber Schwierigkeiten bei der Umsetzung und im Vollzug, beispielsweise bei Mehr der Beachtung von im Gelände nicht sichtbaren BMVI (= Bundesministerium für Verkehr und digitale Schutzgebietsgrenzen. Mit Apps, wie der kosten- Infrastruktur, 2017): Verordnung zur Regelung des freien DFS-App der Deutschen Flugsicherung (DFS) Betriebs von unbemannten Fluggeräten. – Bundes- oder AirMap, können Drohnenbetreiber Flugver- gesetzblatt Jahrgang 2017 Teil I Nr. 17, Bonn, ausge- botszonen feststellen. geben am 06.04.2017; www.bmvi.de/SharedDocs/ DE/Anlage/LF/verordnung-zur-regelung-des-be- Schwierig ist in den Augen von Fachleuten auch triebs-von-unbemannten-fluggeraeten.pdf?__ die naturschutzfachliche Beurteilung möglicher blob=publicationFile (letzter Zugriff: 27.11.2017). Beeinträchtigungen durch Drohnen. Zwar gibt es BMVI (= Bundesministerium für Verkehr und digitale inzwischen etliche Untersuchungen zum Einfluss Infrastruktur, 2017): Klare Regeln für Betrieb von von Drohnen auf Vögel und Wildtiere. Deren Er- Drohnen: www.bmvi.de/drohnen (letzter Zugriff: gebnisse sind aber Experten zufolge nicht zu ver- 27.11.2017). allgemeinern. Eine Studie der Schweizerischen BMVI (= Bundesministerium für Verkehr und digitale Vogelwarte Sempach hat den aktuellen (21.06.2017) Infrastruktur, 2017): Die neue Drohnen-Verordnung Forschungsstand analysiert. Demnach reagieren – Ein Überblick über die wichtigsten Regeln: www. Vögel allgemein stärker auf Drohnen als andere bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/LF/fl- Wildtiere. Weiter gibt es bei Vögeln große Unter- yer-die-neue-drohnen-verordnung.pdf (letzter Zu- schiede in der Art der Reaktion. Manche Arten le- griff: 27.11.2017). gen lediglich eine gesteigerte Aufmerksamkeit an Schweizerische Vogelwarte Sempach (2017): Wie Vö- den Tag, andere fliehen bereits, wenn die Drohne gel auf Drohnen reagieren. – Medienmitteilung: noch weit entfernt ist. Aus den Ergebnissen hat www.vogelwarte.ch/de/vogelwarte/news/medi- die Vogelwarte Sempach Empfehlungen abgelei- enmitteilungen/wie-voegel-auf-drohnen-reagie- tet, wie der Einfluss von Drohnen auf Vögel und ren (letzter Zugriff: 27.11.2017). andere Wildtiere möglichst gering gehalten wer- No-Fly-Zones (2017): Sammlung von Internet-Links zu den kann. Zum Beispiel sollten Drohnenbetreiber Flugverbotszonen. – https://bvcp.de/no-fly-zones/. ihre Geräte nicht in der Nähe von Vögeln starten

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Abbildung 1 Der österreichische Bio-­ Wolfram Adelmann, Selina Eschenbach, Leonie Freilinger, Andreas Schwaighofer Landwirt Manfred Eisl in und Peter Loreth seinem Feld des Laufe- ner Landweizens (Foto: Laufener Landweizen: Eine Regionalsorte für Wolfram Adelmann, ANL). eine naturgerechte Landwirtschaft und faire Wertschöpfung

Billige Lebensmittel – industrielle Agrarlandschaft – Insektensterben: der kausale Zusammenhang zwischen diesen Begriffen sollte bekannt sein. Zum Glück ist unsere Landwirtschaft wesentlich viel- fältiger und setzt dem etwas entgegen! Dieser Artikel berichtet über das grenzüberschreitende En- gagement von Landwirten, Verarbeitern und Vermarktern, eine alte Regionalsorte zu erhalten: den Laufener Landweizen. Es ist eine kleine Erfolgsgeschichte im Grenzgebiet des bayerischen Ruperti- winkels und des Salzburger Alpenvorlandes, die Biodiversität im biologischen Anbau fördert, faire Preise in der Wertschöpfungskette ermöglicht und sich durch enge regionale Kooperation zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Verarbeitern auszeichnet. Sie soll zum Nachdenken und Nachahmen anregen und sie zeigt, wie solche regionalen Initiativen durch die enge Zusammenarbeit einzelner Akteure zum Erfolg gebracht werden können. Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Land- schaftspflege (ANL) leitete das gemeinsame Projekt mit der Biosphärenregion Berchtesgadener Land und Bio Austria.

Jede Idee braucht ihre Zeit Feldflorareservat der ANL. Seine Idee war es, mit Weitgehend unbeachtet kümmerten sich das Frei­ dem Wiederanbau dieser regionalen Sorte auch lichtmuseum Amerang und einzelne Landwirte die reichhaltige Ackerkrautvielfalt zu fördern: Gut seit mehreren Jahrzehnten um den Fortbestand für die Natur, gut für die regionalen Produzenten. des Laufener Landweizens. Unabhängig davon Aber er erntete nur Kopfschütteln: Seine Idee sei entdeckte 1996 der Landschaftsökologe Heinz „rückwärtsgewandt“. Wieso sollte sich ein Land- Marschalek noch 40 Körner in der Genbank Braun­ wirt mit einer alten Sorte herumplagen, wenn die schweig und kultivierte diese auf dem damaligen etablierten Weizensorten doch ertragreicher seien?

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 89 Mensch W. Adelmann et al.: Laufener Landweizen: Eine Regionalsorte und Natur für eine naturgerechte Landwirtschaft und faire Wertschöpfung

des regionalen Handwerks und mit möglichst wenigen Zwischenstufen beim Verkauf. Immer mehr Verbraucher hinterfragen, woher die Lebens­ mittel stammen – ein Trend weg vom anonymen Billigprodukt. Einkaufen in der eigenen Heimat entwickelt sich langsam zu einer Lebenseinstel- lung. Unter den aktuellen Umständen wird auch eine ertragsschwächere regionale Weizensorte wie der Laufener Landweizen attraktiver. Die Zahlungsbe- reitschaft für Produkte mit regionaler Herkunft ist wesentlich größer – im biologischen Anbau erst recht. Immerhin 28 % der Verbraucher zeigen eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für Produkte mit „öko­ logischem Mehrwert“ (vergleiche Kwich 2017b). Das hat nichts mit einem Luxusdenken und -handeln einer finanziellen Oberschicht zu tun – im Gegen- Abbildung 2 teil: Es ist eine stetig wachsende Bewegung, die Der Laufener Landweizen erkannt hat, dass ein „immer-billiger“ zu Lasten der ist ein Grannenweizen Gut zwanzig Jahre später trifft dieselbe Idee auf Umwelt, des sozialen Gefüges zwischen Bauern (Foto: Wolfram Adelmann, fruchtbaren Boden. Was hat sich seitdem geän- und regionalem Handwerk und somit auch zu ANL). dert? Die moderne konventionelle Landwirtschaft Lasten des lokalen Arbeitsmarktes geht. muss sich zunehmend mit ihren Folgeerscheinun­ gen auseinandersetzen, wie dem Insektensterben, Der Laufener Landweizen – eine der Grundwasserbelastung durch Nährstoffüber- urwüchsige Regionalsorte schüsse und einer zunehmend pestizidbelasteten Der Laufener Landweizen sieht urwüchsig aus: Natur. Aber auch die Abhängigkeit von markt­ Charakteristisch sind die langen Grannen an den dominierenden Agrarkonzernen, die das Saatgut, Ähren, welche den aktuellen Weizenzüchtungen Anbaumethoden und Produktionsmittel schein- fehlen. Er wächst mit bis zu 1,50 m bis 2,00 m Hö- Abbildung 3 Der bar diktieren, bringen immer mehr Landwirte zum he markant hoch. Die Halme zeigen sich dabei er- bayerische Bio-Landwirt Nachdenken. Der Wunsch nach selbst produzier­ staunlich windstabil, wenn der Landweizen nicht Mathias Spiegelsberger ist tem Saatgut und mehr Unabhängigkeit beim An- zu stark gedüngt wird und so langsamer auf- einer der 34 engagierten bau ist groß. Die biologische Landwirtschaft wächst wächst. Mit schwacher bis mäßiger Düngung Anbauer des Laufener seitdem langsam, aber stetig. Eine zunehmend (zum Beispiel Mistdüngung) und einer geringen Landweizens im Ruperti- wichtige Rolle spielt dabei die regionale Vermark- Saatdichte von 130 bis 160 kg/ha (etwa 65 % der winkel und Salzburger tung, mit kurzen Transportwegen, der Einbindung üblichen Einsaatmenge) können die besten Er- Alpenvorland (Foto: Familie Spiegelsberger). gebnisse erzielt werden. Seine Erträge lagen 2017 im Mittel bei 2,3 Tonnen pro Hektar, etwa 50 % weniger als bei vergleichba­ ren Bioweizen im Anbaugebiet. Auf guten Stand- orten können bis zu 3 Tonnen Ertrag erzielt wer- den. Der für den Bio-Anbau wichtige Strohertrag ist dabei mindestens doppelt so hoch. Das Mehl hat eine gute Qualität und gute Backeigenschaften.

Wesentliche Ergebnisse des Projektes Alle Gutachten sind als Volltext auf der Homepage der ANL abrufbar: www.anl.bayern.de/projekte/ laufener_landweizen. Die Herkunft Weizen wurde im Rupertiwinkel schon lange als besonders wertvolles Getreide geschätzt. Regional wurden dabei unterschiedliche Sorten angebaut, die durch bäuerliche Auslese entstanden sind. Was sich bewährte, wurde weiter vermehrt und über

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Das Interreg-Kleinprojekt Laufener Landweizen – Entwicklung eines Markenkerns In dem deutsch-österreichischen Interreg-Projekt • Ausarbeitung „Landschaftsästhetische und öko- arbeite­ten Naturschützer, Bauern, Müller, Bäcker und logische Mehrwerte“ (Freilinger 2017) Brauer eng zusammen, denn vom ökologischen • Entwicklung eines wertebasierten Markenkerns Anbau des Laufener Landweizens profitieren auch (Kwich 2017b) und einer darauf zugeschnittenen selten gewordene Tiere und Pflanzen. Im Zentrum Öffentlichkeitsarbeit stehen eine naturgerechte Produktion, regionale • Pflege des Netzwerkes über Runde Tische und und faire Wertschöpfung und eigenverantwortli­ches Zukunftswerkstätten Handeln eines jeden Einzelnen. • Veröffentlichung aller Projektergebnisse Ziel des Projektes, war es Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Land­­ • den Laufener Landweizen als grenzüberschrei- schaftspflege (ANL) leitete das Projekt und wurde tende regionale Marke zu etablieren, von ihren Projektpartnern, der Biosphärenregion • den ökologischen Anbau dieser gefährdeten Kul- Berchtesgadener Land und Bio Austria, tatkräftig tursorte dauerhaft zu sichern und unterstützt. Finanziert wurde das Projekt im Rahmen • ein grenzüberschreitendes Netzwerk von Natur- des EFRE-Kleinprojektefonds (Interreg Österreich-­ schutz, Landwirtschaft und Vermarktung aufzu- Bayern 2014–2020) und fachlich begleitet durch die bauen und so das einzigartige Natur- und Kultur­ EUREGIO Salzburg – Berchtesgadener Land – Traun- erbe zu erhalten. stein. Alle weiterführenden Informationen über das Methoden/Inhalt Projekt und dessen Ergebnisse sind erhältlich unter: • Vergabe einer wissenschaftlich fundierten Inhalts­ www.anl.bayern.de/projekte/laufener_landweizen. stoff­analyse (SGS 2017) und ernährungsphysiolo- gischen Auswertung (Pfeffer 2017), um mögliche Produktrichtungen unter dem Aspekt „Gesund- Abbildung 4 Logo heit“ zu finden des Interreg-Programms • Vergabe einer Recherche zur Historie beziehungs­ Österreich Bayern weise regionalen Identität (Historienanalyse von 2014–2020. Kwich 2017a)

Generationen angebaut. Das exakte Alter einer staunlich ist der hohe Gehalt an Carotinoiden (bis Sorte lässt sich leider kaum feststellen; selbst na- zum 12-Fachen gegenüber den Vergleichswerten mentliche Nennungen in historischen Schriften eines konventionellen Standardmehlweizens). beweisen nicht, ob die vorliegende Sorte wirklich Diese sind wichtig für den Schutz der Haut vor eine „originäre Sorte“ ist. Das urwüchsige Erschei- Sonneneinstrahlung. Zudem konnte eine Vielzahl nungsbild und das Profil der Inhaltstoffe des heu- weiterer gesundheitsförderlicher Stoffe nachge- tigen Laufener Landweizens weisen jedoch darauf wiesen werden. Das vollständige Potenzial konnte hin. Die Dokumentation des Anbaus konnte gesi- jedoch noch nicht abschließend ermittelt werden. chert bis 1976 nachvollzogen werden. Davor finden Bei alten Sorten wird wiederholt eine erhöhte Be- sich nur wenige Nennungen in den gesichteten kömmlichkeit festgestellt (vergleiche Kwich 2017b). Quellen (Kwich 2017a). Speziell für den Laufener Landweizen ist diese Frage noch offen, wenngleich eine Vielzahl von Besondere Inhaltsstoffe Einzelberichten und Beobachtungen auf eine gute Eine Vielzahl von Inhaltsstoffen wurde lebensmit- Bekömmlichkeit hindeuten. teltechnisch analysiert (SGS 2017). Bei beiden Ernten aus 2016 und 2017 wurden Proben eines konven- Die Ökologie tionell produzierten Mehlweizens mit dem Laufe- Ob sich Felder des Laufener Landweizens hinsicht­ ner Landweizen des gleichen Standorts vergli­chen. lich der Ackerwildkrautvielfalt von anderen Getrei­ Eine Ernährungsphysiologin interpretierte die Kon­ desorten aus biologischem und konventionel­lem zentrationen bestimmter Stoffe und ordnete die Anbau unterscheiden, war Kernfrage der ökologi­ Ergebnisse ernährungsphysiologisch ein (Pfeffer schen Analyse (Freilinger 2017). Die konventionell 2017). Bestimmte Mineralstoffe wie Silizium liegen bewirtschafteten Vergleichsfelder wiesen eine stark im Landweizen in sehr hoher Konzentration vor. verarmte Ackerwildkrautvielfalt auf. Auf den bio- Silizium ist beispielsweise für das Immunsystem logisch bewirtschafteten Untersuchungsflächen und die Knochenbildung bedeutsam. Ebenso er- konnten viermal mehr Arten nachgewiesen werden.

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gewiesen, darunter sehr seltene Arten, wie Korn- rade (Agrostemma githago), Ackerrittersporn (Con- solida regalis), Frauenspiegel (Legousia speculum-­ veneris), Lämmersalat (Arnoseris minima) und Acker­ röte (Sherardia arvensis). Daneben treten auch häu­fige, jedoch landschaftsästhetisch sehr schöne und auffällige Arten auf, wie Mohn, Kornblume und Kamille. Wichtig ist festzustellen, dass der Laufener Land- weizen ausschließlich im biologischen Anbau den vorhandenen Ackerwildkräutern entsprechenden Lebensraum bietet. Die eigentliche Ursache für die Artenvielfalt liegt in der überdurchschnittlich langen Tradition des Biolandbaus in der Region: Der bayerische Rupertiwinkel ist eine Wiege der ökologischen Landwirtschaft mit einzelnen Pionie­ ren, die seit über 40 Jahren aktiv sind. Auch auf Abbildung 5 der Salzburger Seite haben wir es mit einer Aus- Der Laufener Landweizen nahmelandschaft zu tun: Hier liegt der Anteil des ist im Frühsommer ein biologischen Anbaus bei über 50 % der landwirt- echter „Hingucker“ (Foto: schaftlichen Fläche und ist somit europäischer Wolfram Adelmann, ANL). Spitzenreiter. Artenreichtum auf den Ackerflächen ist hier in Verbindung mit biologischer Landwirt- schaft unmittelbar erlebbar. Zwischen biologisch bewirtschafteten Winterge- treiden und biologisch produziertem Laufener Der Markenkern Landweizen, zeigten sich keine signifikanten Un- Die Synthese eines wertebasierten Markenkerns terschiede, lediglich die Deckung der Wildkräuter (Kwich 2017b) fasst alle Ergebnisse zusammen und Abbildung 6 Bauer, war im Landweizen erhöht. Der Laufener Land- stellt die Beziehung zum regionalen Markt her. Hand ­werker, Naturschüt- weizen ist aus naturschutzfachlicher Sicht den- Wertebasiert bedeutet, soziale, ökologische und zer und Lokalpolitiker noch besonders geeignet für den biologischen ökonomische Werte in die Entwicklung einer Dach­ entwickeln gemeinsam: Anbau. Durch geringe Saatdichte und hohen Wuchs marke „Laufener Landweizen“ miteinfließen zu las­ Die Zukunftswerkstatt bietet er Raum für diverse Ackerwildkräuter: Auf sen. Eine enge Einbindung aller Akteure war daher zum Laufener Landweizen seinen Feldern wurden 74 Ackerwildkräuter nach- ein zentrales Element. In einer dreistufigen „Zu- war eine wahre Ideen- kunftswerkstatt Laufener Landweizen“ wurden In- schmiede. teressierte aus Politik, Naturschutz, Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Regionalförderung einge- bunden, um die Leitsätze zum Laufener Landwei- zen zu entwickeln. Ein Tipp für alle Nachahmer: Der Einsatz eines professionellen Moderators ist hier eine absolut zu empfehlende Investition! Der Markenkern beinhaltet auch mögliche Marke- tingstrategien, die den Bekanntheitsgrad des Lau- fener Landweizens erhöhen können. Er ist somit eine zentrale Richtschnur für eine dauerhafte Eta- blierung des Laufener Landweizens (Kwich 2017b). Für Nachahmer von Regionalinitiativen lohnt sich ein tieferer Blick in die Synthese zum Markenkern: Er bewertet Nachfrage und Markt, identifiziert Alleinstellungsmerkmale und bietet weitere Pro- duktempfehlungen. Eine wertvolle Basis, um den Anbau des Landweizens über das Projekt hinaus zu fördern.

92 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 W. Adelmann et al.: Laufener Landweizen: Eine Regionalsorte Mensch für eine naturgerechte Landwirtschaft und faire Wertschöpfung und Natur

Vielfalt in der Landschaft, Vielfalt bei Produkten durch eine faire Wertschöpfung Der Laufener Landweizen wird mittlerweile von vier bayerischen und sieben österreichischen Bä- ckern verarbeitet. Bemerkenswert ist der offene und grenzüberschreitende Austausch unter den Bäckern, die ihre Erfahrungen zum Beispiel mit der aufwendigeren Teigführung und Verarbei- tung austauschen. Der Laufener Landweizen ist kein Weizen einer Standardbrotbackmischung, sondern braucht handwerkliches Geschick und echtes Können. Die Vielfalt der Produkte mit Lau- fener Landweizen wächst stetig, seien es verschie­ dene Brote oder Süßgebäck. In Österreich haben sich die Bäcker mit Unterstützung von Bio Austria unter dem Namen „BioBrot Salzburg“ zusammen- geschlossen und eine eigene Werbekampagne und Probeverkostung („Schnupperwochen“) von Laufener Landweizen durchgeführt. Das zeigt, dass der einzelne Bäcker nicht alleine handeln muss Abbildung 7 Vielfalt und durch regionale Zusammenschlüsse eine tat- der Brote aus und mit kräftige Gemeinschaft entstehen kann. Konkur- sich für den Landweizen einsetzen: www.anl. Laufener Landweizen, renz befürchten die lokalen Bäcker untereinander bayern.de/projekte/laufener_landweizen. hier aus der Initiative nicht, da der klassische „Bäcker vor Ort“ seine ei- „BioBrot-Salzburg“ gene lokale Stammkundschaft hat. Trotz eines vergleichsweise geringen Budgets von (Foto: Markus Danner, 25.000 Euro, wurde mit diesem Interreg-Kleinpro- Wichtig ist auch hier der kurze Weg zwischen Land­ Bio Austria). jekt ein Impuls für die Region ausgelöst. Die Netz- wirt, Mühle und Bäcker, um eine faire Wertschöp- werkarbeit, Analysen und Ergebnisse im Rahmen fung zu erschwinglichen Preisen für den Verbrau- des Projektes haben wesentlich dazu beigetragen. cher zu ermöglichen. Landweizenprodukte kosten Hier sei besonders den beiden Auftragnehmerin- mehr: Aktuell liegt ein Bio-Landweizenbrot im nen Gabrielle Pfeffer und Margarita Kwich gedankt: Schnitt bei plus 15–20 % gegenüber anderen Bio- Ihr Engagement und Einsatz ging weit über ihren broten. Der Grund liegt am höheren Einkaufspreis Auftrag hinaus! Sarah Scheidler und Stefan Rubach beim Landwirt, an den kleineren und dadurch von der EuRegio Salzburg – Berchtesgadener arbeitsintensiveren Verarbeitungsmengen beim Land – Traunstein gilt unser besonderer Dank für Müller und an der aufwendigeren Verarbeitung die Unterstützung bei der Projektfinanzierung und beim Bäcker. Neben dem von Haus aus geringe­ren -durchführung. Ertrag, trägt der Landwirt zusätzlich ein höheres Risiko im Anbau. Hier müssen noch Erfahrungen Das Projekt hat sich im Wesentlichen jedoch durch gesammelt werden, wie der Landweizen optimiert das ehrenamtliche Engagement der vielen einzel- angebaut werden kann, ohne Inhaltsstoffe oder Na­ nen Beteiligten getragen und ist somit ein wun- turschutzaspekte zu vernachlässigen. Letztendlich derbares Beispiel dafür, dass nicht nur die großen entscheiden jedoch die Qualität und der Geschmack und finanzstarken Projekte Ergebnisse liefern. des jeweiligen Produktes über dessen langfristige Alleine dieses Netzwerk von gut 70 engagierten Etablierung. Hier wird die Zukunft zeigen, wo der Personen und 17 Organisationen, quer über alle Laufener Landweizen seine Nische findet. Interessensgruppen hinweg, ist für sich der größte Erfolg. Ihnen allen sei hiermit herzlich gedankt! Der wichtigste Motor: Engagierte Menschen! Ausblick: Biodiversität durch Ein großes Dankeschön gilt den vielen engagierten Regionalität Beteiligten, die es alle verdient hätten, in diesem Die Erhaltung der biologischen Vielfalt unser Ag­ Artikel namentlich genannt zu werden – eine Über­ rarlandschaft, kurz Agrobiodiversität, umfasst nicht sicht der engagierten Landwirte, handwerklichen nur die Vielfalt der Arten und Lebensräume, son- Verarbeitern und unterstützenden Organisationen dern auch ihre genetische Vielfalt, wie die der gibt es auf der Projekt-Homepage. Lesen Sie dort Kultursorten. Bayern hat dabei einiges zu bieten: auch die Statements einzelner Akteure, warum sie Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 93 Mensch W. Adelmann et al.: Laufener Landweizen: Eine Regionalsorte und Natur für eine naturgerechte Landwirtschaft und faire Wertschöpfung

(LfL) evaluiert gerade in einem Projekt eine Liste Der Laufener Landweizen steht aktuell an einem mit über 700 Getreidesorten mit regionalem Be- wichtigen Wendepunkt. Die kommenden Jahre zug. Ein wahrer Fundus für alle Regionen! werden zeigen, ob sich diese wiederentdeckte Ur­ weizensorte am Markt etablieren kann. Das Projekt Schlüssel für einen regional verankerten Natur- hat wichtige Bausteine geschaffen: Die Grundla- schutz sind eigenverantwortlich handelnde Land- gen für ein Marketing und die grundsätzliche wirte, die naturgerecht und ökonomisch wirtschaf­ Ausrichtung für die Weiterentwicklung von Pro- ten können, und die Stärkung des lokalen Hand- dukten. Letztlich liegt die Entscheidung bei den werks. Diese Idee ist nicht neu, sie ist ein Grundprin­ Engagierten in der Region sowie denen, die zu- zip der Entwicklung nachhaltigen Wirtschaftens, künftig mitmachen wollen. Eine regionale Wert- wie sie etwa in den Zielen der Biosphärenregion schöpfung kombiniert mit in einer naturgerechten verankert sind. Jedoch erst wenn Produkte mit ökologischen Landwirtschaft: Das ist eigentlich einer sichtbaren Identität zur Natur und Region ein Erfolgsrezept, das wir überall gebrauchen entstehen, steigt auch die Zahlungsbereitschaft können! beim Verbraucher. Wenn sie dabei dem Motto des Trägers des Alternativen Nobelpreises Leopold Literatur Kohr „Small is beautiful!“ folgt, dann läuft sie auch nicht Gefahr, von großen „Playern“ wieder verein- Freilinger, L. (2017): Die Ackerwildkrautflora des Lau- fener Landweizens im Vergleich zu Wintergetreiden nahmt zu werden. im konventionellen und im biologischem Anbau. – www.anl.bayern.de/projekte/laufener_landweizen/ doc/ackerwildkrauflora_des_laufener_landweizens_ im_vergleich.pdf.

Kwich, M. (2017a): Herkunft und regionale Identität Autoren und Autorinnen des Laufener Landweizens. – www.anl.bayern.de/ projekte/laufener_landweizen/doc/laufener_land Wolfram Adelmann, weizen_endbericht.pdf. Jahrgang 1974. Studium der Biologie und Geografie in Düsseldorf und Kwich, M. (2017b): Laufener Landweizen – Synthese Marburg, Promotion und Wissenschaftlicher Mitarbei­ eines Markenkerns. – www.anl.bayern.de/projekte/ ter an der Technischen Universität München von 2001 laufener_landweizen/doc/laufener_landweizen_ bis 2009. Im Anschluss Wissenschaftler an der Bayeri­ markenkernsynthese_endbericht.pdf. schen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft und Pfeffer, G. (2017): Interpretation der Inhaltsstoffe seit 2012 an der ANL im Fachbereich Angewandte For­ des Laufener Landweizens. – www.anl.bayern.de/ schung und Internationale Zusammenarbeit beschäftigt. projekte/laufener_landweizen/doc/interpretation_ Bayerische Akademie für Naturschutz inhaltsstoffe_pfeffer_2016.pdf. und Landschaftspflege (ANL) SGS (2017): SGS GmbH – Ergebnisse der +49 8682 8963-55 Kornprobenanalysen. Ernte 2017. – Prüfbericht [email protected] 3550787; www.anl.bayern.de/projekte/laufener_ landweizen/doc/kornanalyse_ernte_2017_ Selina Eschenbach veroeffentlicht.pdf. +49 8682 8963-52 [email protected] Leonie Freilinger [email protected] Zitiervorschlag DI Andreas Schwaighofer +43 662 870571-313 Adelmann, W., Eschenbach, S., Freilinger, L., Schwaig- [email protected] hofer, A. & Loreth, P. (2018): Laufener Landweizen: Eine Regionalsorte für eine naturgerechte Land- Dr. Peter Loreth wirtschaft und faire Wertschöpfung. – ANLiegen +49 8651 773-540 Natur 40(1): 89–94, Laufen; www.anl.bayern.de/ [email protected] publikationen.

94 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Mensch und Natur

Abbildung 1 Schülerinnen auf Vogel- Thomas Gerl, Johannes Almer und Astrid Gerl beobachtungstour am Chiemsee (Foto: Thomas Das BISA-Projekt – Biodiversität im Gerl). Schulalltag

Das Projekt „Biodiversität im Schulalltag“ (BISA) wurde am Ludwig-Thoma-Gymnasium Prien und dem Bundes(real)gymnasium Kufstein entwickelt, um die Artenkenntnisse von Kindern und Jugendlichen zu evaluieren und zu verbessern. Dabei wurden neben klassischen Medien auch digitale Werkzeuge entwickelt, mit deren Hilfe die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel die Namen häufiger einheimi- scher Vogelarten ein­üben können. Naturbeobachtungen im Schulzusammenhang werden auf einer Online-Plattform dokumentiert. Dies weckt den Ehrgeiz der Kinder, um die meisten eigenen Beob­ach­ tungen belegen zu können. Alle entwickelten Materialien stehen kostenfrei auf der Projekthome- page www.vogel-bisa.de zur Verfügung.

Einführung biologischen Vielfalt“ ausdrücklich auf die Bedeu- In den vergangenen Jahren gelangte der Verlust tung der Umweltbildung für die Erhaltung der an Artenvielfalt zunehmend in den Fokus des öf- Artenvielfalt hin (BMUB 2015). fentlichen Interesses. So gilt der Rückgang an Bio- diversität selbst für Ökonomen als eines der größ- Viele Untersuchungen (zusammengestellt zum ten Risiken für die Menschheit (World Economic Beispiel in Gebhard 2013) zeigen einen positiven Forum 2016; Steffen et al. 2015). Die Bundesrepu- Zusammenhang zwischen unmittelbarem und blik Deutschland weist in diesem Zusammenhang bejahendem Naturerleben in der frühen Phase im Aktionsfeld C14 der „Nationalen Strategie zur des Lebens und der Bereitschaft, sich im späteren

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 95 Mensch Th. Gerl et al.: und Natur Das BISA-Projekt – Biodiversität im Schulalltag

Leben für Natur- und Umweltschutz einzusetzen Projektziele (Eigner & Schmuck 1998). Mit dem BISA-Projekt wollten das Ludwig-Thoma-­ Wenig untersucht ist hingegen, wie sich Fachwis- Gymnasium in Prien und das Bundes(real)gymna- sen im engeren Sinne, etwa die Fähigkeit Tier- und sium Kufstein Kinder und Jugendliche für Tier- und Pflanzenarten zu erkennen, auf persönliche Ein- Pflanzenarten begeistern. In gemeinsamen Aktio­ stellungen zu Natur- und Umweltschutz auswirkt. nen, Exkursionen und Unterrichtsprojekten sollen Sicheres taxonomisches Wissen von Organismen- Schülerinnen und Schüler an Fragestellungen zur gruppen ist jedoch eine Voraussetzung, um Arten­ Artenkenntnis der einheimischen Flora und Fauna vielfalt zu erhalten (Sturm & Berthold 2015). herangeführt werden. Über die rein fachliche Bedeutung hinaus findet Im Verlauf des Projektes sollten man, dass Personen mit einer guten Formen- • die tatsächliche Artenkenntnis einheimischer kenntnis und damit zusammenhängend auch Singvögel bei Kindern und Jugendlichen aus einer hohen Naturverbundenheit, sowohl phy- Bayern und Österreich mit einem Online-Frage- sisch gesünder sind, als auch ein höheres psychi- bogen ermittelt und verglichen werden, sches Wohlbefinden zeigen K( eniger et al. 2013). Somit legitimiert sich der Erwerb von Formen- • die Schülerinnen und Schüler möglichst viele kenntnis auch als ein Beitrag zum persönlichen verschiedene, einheimische Vogelarten im Wohlbefinden C( ox & Gaston 2015). Freiland beobachten, bestimmen und in einer Online-Plattform (www.naturgucker.de) doku- Doch leider beobachten Lehrkräfte häufig eine mentieren, zunehmende Entfremdung ihrer Schülerinnen und Schüler von natürlichen Zusammenhängen, • von den Lehrkräften beider Schulen gemeinsam da vielen Kindern und Jugendlichen oft die direk­te Unterrichtsmaterialien beziehungsweise spiele- Naturbegegnung fehlt. Sie nehmen insbesondere rische Übungsformen entwickelt und auf einer Abbildung 2 die Naturschätze in ihrer unmittelbaren Umge- Projekthomepage publiziert werden, um die Screenshot aus dem On- bung kaum wahr und lernen sie somit auch nicht Artenkenntnisse aller Teilnehmerinnen und line-Fragebogen mit der wertzuschätzen. Teilnehmer nachhaltig zu verbessern, Zusammenstellung aller • HighTech-Beobachtungs- getesteten Vogelarten. stationen zu niedrigen Preisen entwickelt werden, mit deren Hilfe sich ein­ heimische Singvögel an Futterhäuschen oder in Nistkästen via Webcams online beobachten lassen.

Projektinhalt Um die oben genannten Projektziele zu erreichen, wurden von den beteiligten Projektpartnern folgende vier Module entwickelt und umgesetzt: Der BISA-Test Die Diagnose des tatsäch- lichen Kenntnisstandes bildet die Grundlage, um gezielt Maßnahmen zur Förderung der Artenkenntnis setzen zu

Getestete Vogelarten können. Mithilfe eines Online-­ Amsel Blaumeise Buchfink Fragebogens auf der Pro- Buntspecht Dompfaff Eichelhäher jekthomepage www.vogel-­ Elster Erlenzeisig Grünfink bisa.de sollte deshalb die ak- Haussperling Kleiber Kohlmeise tive Kenntnis einheimischer Rotkehlchen Star Zaunkönig Vogelarten getestet und mit

96 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Th. Gerl et al.: Mensch Das BISA-Projekt – Biodiversität im Schulalltag und Natur

Ergebnissen einer älteren Studie von Zahner et al. (2007) verglichen werden. Im Unterschied zu die- ser Voruntersuchung nutzten wir keine Stopfprä- parate, sondern Abbildungen der Arten, sodass unter Umständen die Größenverhältnisse nicht exakt erkennbar waren. Allerdings spielt dies bei der Bestimmung der ausgewählten Arten ohne- hin nur eine untergeordnete Rolle. Im Vorfeld der Untersuchung wurden die Bilder mehreren Vogelexperten gezeigt, um zu bestäti- gen, dass die zur Bestimmung relevanten Merk- male auf den Bildern deutlich sichtbar sind, das heißt die Bilder geeignet sind, um die Vogelart zu erkennen. Als Item-Format zur Ermittlung „Artenkenntnis“ wählten wir eine offene Aufgabenstellung, bei der die Teilnehmer zu einem Bild des Vogels den Abbildung 3 Namen der Art aktiv in ein Textfeld eintragen Beobachterpässe stellen müssen, wofür das Erkennen der Art Vorausset- die bei Freilandbeobach- tungen zu erwartenden zung ist. Vogelarten übersichtlich Die Auswahl der getesteten 15 Vogelarten (Abbil- dar. dung 2) beschränkte sich bis auf den Buntspecht auf sehr häufige einheimische Singvögel. Sie rich- tete sich auch nach der Beobachtbarkeit der Arten, Daher sollte es ein vorrangiges Ziel des Biologie-­ das heißt der Wahrscheinlichkeit, dass man die Art Unterrichts sein, Lebewesen in ihrer natürlichen in freier Wildbahn sehen kann. Umgebung zu beobachten, wie es nun auch im Insgesamt beteiligten sich über 2.700 Personen neuen LehrplanPLUS für Grundschule und Gym- an diesem Test. Die Kinder und Jugendlichen er- nasium verbindlich vorgeschrieben ist (KM Bayern kannten durchschnittlich knapp über ein Drittel 2014, 2018). der geprüften Arten. Rechtschreibfehler und sy- Für eine gelingende Naturbeobachtung im nonym gebräuchliche Namen wurden nicht als Freiland ist jedoch aus unserer Sicht eine wohl­ falsch gewertet. überlegte Vorarbeit im Klassenzimmer notwendig. Eine ausführliche Auswertung der Daten in Ab- Sehr häufig bewahrheitet sich nämlich der Spruch, hängigkeit von Geschlecht, Schulart und diversen dass Lernende im Freiland oft nur die Arten sehen, anderen Faktoren ist im Moment in Bearbeitung die sie schon vorher kennen. Aus diesem Grund (Gerl et al., in Bearbeitung). ist es hilfreich, im Vorfeld den Schülerinnen und Schülern die bei der Exkursion zu erwartenden Das BISA-Unterrichtsmaterial Arten vorzustellen. Dazu entwickelten wir speziell Gute Möglichkeiten, die Artenkenntnis von Kindern für die von uns aufgesuchten Exkursionsziele „Be­ und Jugendlichen zu verbessern, sind spielerische obach­terpässe“, die die zu erwartenden Arten über­ Unterrichtsformen und Freilandaktivitäten. Hierfür sichtlich darstellen (Abbildung 3). Diese – meist wurden motivierende Unterrichtsmaterialien ent- über Medien vermittelte – Vorarbeit wirkt sich oft wickelt, die über die Projekthomepage www. sogar effektiver auf den Erwerb von Artenwissen vogel-bisa.de frei zugänglich sind. aus, als die Bestimmung im Freiland (Köhler 2004). Tiere in freier Wildbahn unmittelbar zu beobach- Innerhalb dieses Projektes nutzten wir hierfür, ten, hat für viele Menschen – vor allem für Kinder neben bewährten Ansätzen wie zum Beispiel Vo- und Jugendliche – einen großen Erlebniswert. gelzeichnungen (Abbildung 4), auch andere Lern- Dadurch ergibt sich eine tiefe Verankerung im formen mit elektronischen Medien, um in spieleri­ Gedächtnis, die sich für unterrichtliche Zwecke scher Art und Weise die Lernenden mit bestimm­ nutzen lässt, um einerseits Fachinhalte zu trans- ten Vogelarten vertraut zu machen, um sie dann portieren und andererseits die Motivation für den bei Freilandbeobachtungen (zum Beispiel auch Fachgegenstand zu stärken (Gehlhaar 2008; May- am schuleigenen Vogelhäuschen) anwenden zu farth 2006; Prokop et al. 2008). können.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 97 Mensch Th. Gerl et al.: und Natur Das BISA-Projekt – Biodiversität im Schulalltag

dann im Anschluss an die Betrachtung von Vogel- bildern nach Merkmalskombinationen befragt werden, die die entsprechenden Arten charakteri- sieren. Gerade für dieses „Trockentraining“ ist die Nutzung moderner Medien besonders gut geeig- net. Diese Kompetenz ist in freier Wildbahn nur sehr schwierig zu erwerben. Die Vögel sind für Anfänger meistens zu weit weg und praktisch immer zu schnell, um die relevanten Merkmale wahrnehmen zu können und sich einzuprägen.

Darüber hinaus entwickelten wir auch diverse Memory-Spiele mit unterschiedlichen Schwierig- keitsgraden, um sich die gezeigten Vogelarten auf spielerische Art und Weise einprägen zu können. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass Artenvielfalt selbstverständlich nicht nur im Biolo- gie-Unterricht, sondern auch in anderen Fächern (zum Beispiel Musik, Deutsch, Fremdsprachen) ein interessantes Potenzial für die Neuentwicklung Abbildung 4 von Unterrichtsideen bietet (Gerl et al. 2017). Seidenschwanz, gezeich- net im Kunstunterricht Alle erwähnten Unterrichtsmaterialien stehen der von Christina Roß (Q12). interessierten Öffentlichkeit über www.vogel-bisa. de kostenfrei zur Verfügung und wurden in zahl- reichen Vorträgen, wie bei der Tagung „Biologi­ sche Vielfalt und deren methodische Umsetzung Die digitalen Unterrichtswerkzeuge zum Erwerb im Unterricht“ an der Bayerischen Akademie für von Formenkenntnis wurden bewusst entwickelt, Naturschutz und Landschaftspflege in Laufen in- um durch die Nutzung der modernen Medien die teressierten Lehrkräften vorgestellt. Motivation der Lernenden für den Lerngegenstand zu steigern. Zum einen entwickelten wir ein Tuto- Der BISA-Naturgucker rial, das mit interaktiven Elementen (Abbildung 5) Für Schülerinnen und Schüler besonders interes- die Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam sant ist die Nutzung digitaler Dokumentations- macht, welche sichtbaren Merkmale eines Vogels plattformen für Naturbeobachtungen, wie zum Abbildung 5 für seine Bestimmung relevant sind. Diese Kennt- Beispiel www.naturgucker.de. Durch Vergleich der Screenshot einer aus nisse werden dann bei Simulationen mit Videos gefundenen Artenzahlen, der Häufigkeit von Be­ obachtungen oder der Anzahl bearbeiteter Ge- dem Tutorial zum Erwerb von Vögeln eingeübt, bei denen die Lernenden von Vogelartenkenntnis- biete ergeben sich eine Vielzahl von Möglichkei­ sen entnommenen Seite. ten, den Ehrgeiz der Schülerinnen und Schüler zu wecken und freiwillig „über das eigene Klassen- zimmer hinaus“ zu den Mitbewerbern zu schauen, was denn die „Konkurrenz“ so macht. Da „naturgucker.de“ aber keine Schulplattform im engeren Sinne darstellt, empfiehlt es sich als Lehr- kraft, einen „Klassenaccount“ anzulegen, über den die Beobachtungen dokumentiert werden. Dies bietet die Möglichkeit, die „Postings“ der Schüler zu verfolgen und bei Bedarf auch administrierend einzugreifen, um unpassende Beiträge zu löschen. Auf diese Weise können neben Inhalten zur Ar- tenvielfalt auch Kompetenzen beim Umgang mit sozialen Medien eingeübt werden. Darüber hinaus eignet sich die enorm umfangrei­ che Datenbank solcher Netzwerke auch, um Unter­ richtsmaterialien und Aufgaben auf der Grundlage realer Beobachtungen zu entwerfen (Gerl, in Be- arbeitung).

98 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Th. Gerl et al.: Mensch Das BISA-Projekt – Biodiversität im Schulalltag und Natur

Der BISA-Nistkasten Zusätzlich zur Beobachtung verschiedener Arten innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne (zum Beispiel an einer Vogelfütterung), kann es für die Lernenden auch besonders eindrucksvoll sein, einzelne Vogelindividuen über eine längere Zeit zu verfolgen. Besonders interessierte Schüler des Ludwig-Thoma-­ Gymnasiums entwickelten hierfür einen kosten- günstigen Nistkasten mit integrierter Webcam auf Grundlage eines RasperryPi-Computers, mit des- sen Hilfe die Lernenden die Möglichkeit erhalten, verschiedene Verhaltensweisen von Vögeln „live“ mitzuverfolgen (Abbildung 6). Der Einsatz so einer internetfähigen Beobachtungsstation im Schul- garten weckt das Interesse der Schüler, sich mit dem „Familienleben“ der Vögel in „ihrem“ Nistkas­ ten zu beschäftigen und trägt, nach der Devise „Nur was man kennt, will man auch schützen!“, wesentlich dazu bei, achtsam mit der Natur um- zugehen. Abbildung 6 Schüler Eine weitere Beobachtungsstation konnte in Zu- aus dem Ludwig-Thoma-­ sammenarbeit mit dem Landesbund für Vogel- und begannen so eine Partnerschaft zum Wohle Gymnasium bei der Ent- schutz (LBV) auf einem Brutfloß in der Hirschauer der Naturbildung und Umwelterziehung diesseits wicklung unseres Be­ Bucht im Chiemsee installiert werden (Abbildung 7). und jenseits der deutsch-österreichischen Grenze. obachtungsnistkastens Von dort aus sollte eine solarbetriebene Kamera (Foto: Johannes Almer). Bilder von brütenden Fluss-Seeschwalben aufneh­ Danksagung men. Leider verhinderten technische Gebrechen, Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des am die aber in der kommenden Brutsaison hoffent- Ludwig-Thoma-Gymnasium in Prien und dem Bundes­ lich behoben sein werden, bislang die direkte Ver- realgymnasium Kufstein entwickelten BISA-Projektes bindung ins Internet. durchgeführt und großzügig vom Interreg-Programm Diese Form des Unterrichts bietet sich vor allem Bayern-Österreich sowie der Organisation Science on Stage e.V. Deutschland gefördert. in Kooperation mit dem Fach Informatik oder be- sonders interessierten Schülern (zum Beispiel im Rahmen eines Jugend-forscht-Projektes) an, da Literatur die notwendigen Fertigkeiten, ein solches Gerät BMUB (= Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, zu bauen, doch deutlich über die Anforderungen Bau und Reaktorsicherheit; 2015): Nationale Strate- des normalen Schulalltags hinausgehen. Für alle gie zur biologischen Vielfalt – Kabinettsbeschluss vom 7. November 2007. – 4. Aufl., Rostock, Publika- Biologie-Lehrkräfte, die diesen technischen Auf- tionsversand der Bundesregierung, zuletzt geprüft wand scheuen, lohnt sich ein Blick ins Internet, am 30.10.2017. wo gerade in der Brutsaison sehr viele Anbieter Cox, D. T. C. & Gaston, K. J. (2015): Likeability of Garden wunderschöne Bilder von brütenden Vögeln ins Birds. Importance of Species Knowledge & Richness Netz streamen. Ein regelmäßiger Blick, zum Beispiel in Connecting People to Nature. – In: PloS one 10(11), im Rahmen einer „5-Minuten-Biologie“-Einheit in e0141505. DOI: 10.1371/journal.pone.0141505. jeder Stunde, reicht zumeist aus, um die Kinder Eigner, S. & Schmuck, P. (1998): Biografische Interviews auf dem Stand und bei der Stange zu halten, wie mit Umwelt- und Naturschützern. – In: Umwelt­ sich „ihre Nestlinge“ entwickeln. psychologie 2(2): S. 42–53, zuletzt geprüft am 18.11.2017. Fazit Gebhard, U. (2013): Kind und Natur – Die Bedeutung Durch die Auseinandersetzung mit der belebten der Natur für die psychische Entwicklung. – 4. Aufl., Natur schärften alle Teilnehmerinnen und Teilneh­ Springer Fachmedien Wiesbaden, zuletzt geprüft mer dieses Projektes ihren Blick für die Kostbar- am 18.11.2017. keiten der heimischen Natur. Darüber hinaus Gehlhaar, K. H. (2008): Lebende Organismen. – In: wuchsen die beteiligten Schulfamilien durch die Kattmann, H. & Gropengiesser, U. (Hrsg.), Fachdidak­ gemeinsame Arbeit auch langfristig zusammen tik Biologie, Köln, Aulis-Verlag Deubner.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 99 Mensch Th. Gerl et al.: und Natur Das BISA-Projekt – Biodiversität im Schulalltag

Keniger, L. E., Gaston, K. J., Irvine, K. N. & Fuller, R. A. (2013): What are the benefits of interacting with nature? – In: International journal of environmental research and public health 10(3): S. 913–935; DOI: 10.3390/ijerph10030913.

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KM Bayern (= Bayerisches Staatsministerium für Un- terricht und Kultus, 2018): LehrplanPLUS für Gym- nasien – Natur und Technik. – Bayerisches Staats- ministerium für Unterricht und Kultus, München, online verfügbar unter www.lehrplanplus.bayern. de/schulart/gymnasium/inhalt/fachlehrplaene?w_ schulart=gymnasium&wt_1=schulart&w_fach=nt_ gym&wt_2=fach.

Köhler, K. (2004): Welche Medien werden im Biologie­ unterricht benutzt? – In: Ruppert, W. & Spörhase-­ Abbildung 7 Brutfloß Eichmann, U. (Hrsg.), Biologie-Didaktik, Praxishand- mit solarbetriebener Be­ buch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen Scriptor: 160–182. obachtungskamera (Foto: Gerl, T. (in Bearbeitung): Outdoor & Online – Natur- Thomas Gerl). beobachtung 2.0. – In: Biologie 5–10. Mayfarth, S. (2006): Präparate, Bilder, Arbeitsblätter. – schenhagen attmann odi schenha Gerl, T., Almer, J., Zahner, V. & Neuhaus, B. (in Bearbei- In: E , D., K , U. & R -E - tung): Der BISA-Test: Ermittlung der Formenkenntnis gen, D. (Hrsg.), Fachdidaktik Biologie, Aulis Verlag. von Schülern am Beispiel einheimischer Vogelar­ten. – Prokop, P., Prokop, M. & Tunnicliffe, S. D. (2008): Effects In: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften. of Keeping as Pets on Children’s Concepts Gerl, T., Hollweck, E., Almer, J. & Herden, M. (2017): of Vertebrates and Invertebrates. – International Artenkenntnis einheimischer Vögel. – In: Biologie Journal of Science Education, Bd. 30(4): 431–449. in unserer Zeit 47(4): S. 254–259; DOI: 10.1002/biuz. Steffen, W., Richardson, K., Rockström, J., Cornell, S. 201710627. E., Fetzer, I. & Bennett, E. M. et al. (2015): Sustain­ ability – Planetary boundaries – Guiding human development on a changing planet. – In: Science (New York, N.Y.) 347 (6223): S. 1259855; DOI: 10.1126/ science.1259855. Autoren und Autorin Sturm, P. & Berthold, T. (2015): Biodiversität im Unter- Thomas Gerl, richt – ein Konzept zur Umsetzung der Bayerischen Jahrgang 1971. Biodiversitätsstrategie im schulischen Bereich. – In: Studium der Biologie und Chemie für das gymnasiale Anliegen Natur 37(2): S. 76–83; www.anl.bayern.de/ Lehramt an der Universität Bayreuth. Unterrichtet publikationen/anliegen/doc/an37207sturm_et_ am Ludwig-Thoma-Gymnasium in Prien, publiziert al_2015_biodiv_schulen.pdf, zuletzt geprüft am regelmäßig in Fachzeitschriften und ist Autor meh- 30.10.2017. rerer Bücher. Im Jahr 2014 wurde er für das Projekt „Mission2Mars“ mit den Deutschen Lehrerpreis in World Economic Forum (2016): The Global Risks der Kategorie „Unterricht innovativ“ ausgezeichnet. Report 2016. – 11. Aufl. Genf, zuletzt geprüft am Seit 2017 ist er an den Lehrstuhl Didaktik der Biologie 30.10.2017. an der Ludwig-Maximilians-Universität München Zahner, V., Blaschke, S., Fehr, P., Herlein, S., Krause, K., abgeordnet. Lang, B. & Schwab, C. (2007): Vogelartenkenntnis Ludwig-Thoma-Gymnasium Prien von Schülern in Bayern. – In: Vogelwelt 128(128), S. +49 8051 96 40 40 203–214; DOI: 10.1515/9783110208689.1. [email protected]

Johannes Almer Ludwig-Thoma-Gymnasium Prien +49 8051 96 40 40 Zitiervorschlag Astrid Gerl Gerl, T., Almer, J. & Gerl, A. (2018): Das BISA-Projekt – Bundesrealgymnasium Kufstein Biodiversität im Schulalltag. – ANLiegen Natur 40(1): [email protected] 95–100, Laufen; www.anl.bayern.de/publikatio­nen.

100 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Mensch Notizen und Natur

Abbildung Landwirt bei der Mahd Wettbewerb Naturschutzpartner Landwirt 2018 (Foto: Rolf Gerlach).

(Johanna Schnellinger) Landwirte sind wichtige Partner für den Erhalt der heimischen Tier- und Pflan- zenarten sowie der Vielfalt der bayerischen Kulturlandschaften. Um ihr Engagement zu honorieren, startete das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) gemeinsam mit dem Bayerischen Bauernverband (BBV) den Wettbewerb „Naturschutzpartner Landwirt 2018“. Auf einer Preisverleihung werden besonders verdiente Landwirte ausgezeichnet.

Knapp die Hälfte der Fläche Bayerns wird landwirt­ nachhaltige Landnutzungsarten auf ihren Flächen schaftlich genutzt. Landwirte produzieren darauf einsetzen. Zudem wird bei der Auswahl der Preis­ nicht nur pflanzliche und tierische Erzeugnisse, träger auf innovative Lösungen, die Vorbilder für sondern sie prägen auch das Bild unserer Land­ andere Betriebe sein können, geachtet. Besondere schaft. Ob Ackerbauer oder Milchviehhalter, Schä­ Bedeutung haben auch erfolgreiche Kooperatio­nen fer oder Teichwirt, jeder Betrieb ist ein wichtiger zwischen Landwirtschaft und Naturschutz oder Partner für den Erhalt der heimischen Tier- und die Vermarktung regionaler Produkte mit Bezug Pflanzenarten sowie der Vielfalt der bayerischen zum Naturschutz. Bei einer Preisverleihung wer­ Kulturlandschaften. Durch naturschonende Bewirt­ den die Leistungen der Landwirte geehrt und es schaftung können sie einen entscheidenden Bei­ sind neben Urkunden Geldpreise im Gesamtwert trag leisten, diese Kulturlandschaft zu erhalten. von 10.000 Euro sowie Sachpreise zu gewinnen. Viele Betriebe nehmen bereits heute an einem Ag­ Teilnehmen konnten alle landwirtschaftlichen rarumweltprogramm teil oder engagieren sich bei Betriebe mit Sitz in Bayern. Bis zum 8. April 2018 anderen Initiativen und Projekten. gingen insgesamt mehr als 100 Bewerbungen Landwirte, die sich dafür einsetzen, die biologische ein. Die Preisverleihung wird am 4. Juni 2018 in Vielfalt zu erhalten, sollen ein Zeichen der Anerken­ München stattfinden. nung erhalten. Das StMUV und der BBV starteten dazu den Wettbewerb „Naturschutzpartner Land­ wirt 2018“, die ANL unterstützt sie bei der Durch­ führung. Bei diesem Wettbewerb werden Land­ Mehr wirte ausgezeichnet, die am Vertragsnaturschutz Der Wettbewerb wird gefördert vom StMUV. Fragen teilnehmen oder sich anderweitig in besonderer zur Teilnahme beantwortet die ANL (Ansprechpart­ Weise für Naturschutz und Landschaftspflege en­ ner: Johanna Schnellinger, johanna.schnellinger@anl. gagieren und sich unter anderem für gefährdete bayern.de, Tel. +49 8682 8963-54). Tier - und Pflanzenarten, alte Rassen und Sorten oder

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 101 Mensch und Natur Notizen

Erfahrungslernen mit lebenden Ameisen zeigt bessere Lernerfolge und höheres Umweltbewusstsein

(Wolfram Adelmann & Maria Mihaela Antofie) – Methoden, um mit lebenden Tieren im Schulunterricht Naturbewusstsein zu fördern, wurden vor gut sieben Jahren im Rahmen der Projekte „Tiere live“ und „ELENA“ entwickelt (www.anl.bayern.de/projekte/tierelive). Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten Stu­ die aus Rumänien belegen jetzt (Antofie et al. 2018) den Erfolg dieser Methoden. Das Erfahrungslernen mit lebenden Ameisen (ein Modul des ELENA-Projektes) bewirkte bei Schülern positive Veränderun­gen der Einstellung und des Verhaltens gegenüber Ameisen in ihrer natürlichen Umwelt. Darüber hinaus hatten die Schüler deutlich bessere Lernerfolge gegenüber klassischen Lernmethoden.

In dem vierwöchigen Experiment wurden Schüler Bemerkenswert war auch die durchgehend hohe der 11. Jahrgangsstufe mit der Pflege und Haltung Motivation und Wissbegierde der Schüler während lebender Ameisen innerhalb des Biologieunterrich­ des vierwöchigen Experiments mit lebenden tes betraut. Eine Kontrollgruppe arbeitete in der Ameisen. Besonders wichtig (aus Lehrplansicht) ist gleichen Zeit mit klassischen Lernmethoden über jedoch, dass die Schüler die klassischen Wissens­ Handbücher und Frontalunterricht. Alle Schüler abfragen besser beantworteten als die Kontroll­ wurden im Anschluss dem gleichen Wissenstest gruppen mit klassischen Lernmethoden. unterzogen. Zudem fand eine Befragung der El­ Zudem ergab die Befragung der Eltern, dass eine tern statt, um mögliche Verhaltensänderungen im Änderung in der Gefühlswelt und der persönli­ sozialen Umfeld der Schüler zu hinterfragen. chen Einstellung gegenüber Ameisen beobachtet In der englischen Originalzusammenfassung heißt werden konnte. Auch hier zeigte sich, dass die Kin­ es inhaltlich (Antofie et al. 2018): Das Erfahrungs­ der die Erfahrungen aus der Schule in ihre persön­ lernen, das lebende Tiere einbezieht, ist ein starkes liche Umwelt übertrugen: Ein verantwortungsvol­ Werkzeug, um Wissbegierde zu wecken, die per­ lerer Umgang mit den lebenden Tieren in ihrer sönliche Einstellungen zu ändern oder neue Werte natürlichen Umgebung konnte beobachtet wer­ für die weitere Entwicklung der Schüler oder Stu­ den, wie der vorsichtige Umgang mit Ameisen­ denten zu erwerben. Die formellen Lehrpläne in nestern oder freilebenden Individuen. Schulen sind gesetzlich an einen Lernerfolg ge­ Für den Naturschutz sind die Ergebnisse der Studie bunden, das heißt einen Beitrag zu leisten, Sach­ sehr wichtig, denn sie zeigen, dass der frühzeitige kenntnisse, Einstellungen und Werte nachweislich Kontakt zur lebenden Umwelt, die persönliche zu formen. Klassische Lernmethoden, zum Beispiel Einstellung maßgeblich beeinflussen kann. Um­ über Handbücher, sind oft preiswerter und leich­ ter durchführbar. Jedoch schließen Lehrpläne in weltbildung mit lebenden Tieren in Schulen funk­ Rumänien, wie in vielen anderen Ländern, den Ein­ tioniert und erscheint wichtiger denn je! satz von neuen Lehrmethoden nicht aus. Durch Hier finden Sie die Tiere live-Unterrichtsmaterialien die Erfahrungen mit lebenden Tieren im Schul­ „Aktionen mit Ameisen“ zum kostenlosen Down­ unterricht zu lernen (Erfahrungslernen) ist ein sol­ load: http://www.anl.bayern.de/projekte/tierelive/ cher Ansatz. doc/tiere_live_ameisen.pdf. Der Originalartikel bewertet den Lernerfolg, das heißt die Wissensgeneration, des Erfahrungslernens mit lebenden Tieren und kommt zu folgenden Er­ gebnissen: Tätigkeiten mit lebenden Tieren wecken Mehr nachweislich eine größere Wissbegierde, regt die Maria Mihaela Antofie, Luciana Tița & Camelia Sand Selbstreflektion über das eigene Handeln an. Es Sava (2018): Experiential learning with living ants. – fördert die Übernahme von Verantwortung (für das online erschienen am 16.01.2018; https://doi. Wohlbefinden des Tieres) und hilft Vorurteile auch org/10.1515/cplbu-2017-0029. gegenüber weniger sympathischen Tiergruppen abzubauen.

102 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018

Notizen Neues im Internet

Smartphones geben Auskunft über aktuelle Vogelbestände vor Ort

(Kilian Wasmer) In einigen niederbayerischen Schutzgebieten haben Besucher nun die Möglichkeit, sich per Smartphone über Vogelbestände vor Ort zu informieren. Möglich macht dies die Verknüp- fung der weit verbreiteten QR-Code-Technik mit einer umfassenden Vogelbeobachtungsdatenbank. Die Technik ist einfach und kostengünstig. Sie kann einen wertvollen Beitrag zu Umweltbildung und -information leisten.

„Ornitho“ ist eine länderübergreifende Internet- plattform, auf der Vogelbeobachtungsdaten eh- renamtlicher Beobachter gesammelt werden. Sie können in geringem Umfang von jedermann dargestellt und mit besonderer Berechtigung, zum Beispiel im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten oder für Naturschutzprojekte, auch in vollem Um- fang ausgewertet werden (anschaulich beispiels- weise unter www.eurobirdportal.org). Alleine im deutschen Portal ornitho.de, verwaltet vom Dach- verband Deutscher Avifaunisten (DDA), liegen bis- lang über 29 Millionen Datensätze von mehr als 22.000 Nutzerinnen und Nutzern vor, darunter viele tagesaktuelle Meldungen. QR-Codes sind weit verbreitete, spezielle Grafiken, die aus schwarzen Quadraten auf weißem Grund bestehen. Sie können von Smartphones über die eingebaute Kamera und eine vielfach vorhande­ne Software automatisch gelesen und interpretiert werden. Dadurch wird das Mobiltelefon zum Bei- spiel auf eine durch den QR-Code kodierte Inter- netadresse verwiesen. Abbildung Die Verknüpfung von aktueller Datenbank mit mo­ Am Unteren Inn gibt der Die QR-Codes können als eigenständige Tafeln QR-Code im Winter Aus- derner Kommunikationstechnik hat sich der DDA angebracht werden. Sie können aber auch in grö- kunft über die anwesen­ zunutze gemacht: In einzelnen Schutzgebieten ßere Info-Tafeln integriert werden und somit deren den Gastvögel (Foto: sind mittlerweile QR-Codes angebracht, mit deren Informationsgehalt erweitern und ihre Aktualität Andrea Bruckmeier). Hilfe sich jedermann die hier zuletzt gemeldeten wesentlich erhöhen. So werden aktuelle, weit ver- Vogelbeobachtungen per „Knopfdruck“ direkt auf breitete Techniken mit einfachen und kostengüns­ dem Smartphone anzeigen lassen kann. Initiiert tigen Mitteln genutzt, um auch naturkundliche von der höheren Naturschutzbehörde an der Re- Laien auf aktuelle Vogelbestände hinzuweisen und gierung von Niederbayern befinden sich nun die damit die Schönheit der Natur und den hohen ersten Ornitho-QR-Codes Süddeutschlands im Wert der jeweiligen Gebiete für den Naturschutz Unteren Isartal sowie am Unteren Inn, in zwei be- zu vermitteln. deutenden bayerischen Natura 2000-Gebieten. Weitere QR-Codes sollen bald am Vilstalstausee und an der Isarmündung angebracht werden. Vermut- Mehr lich werden weitere Akteure dem Vorbild folgen und ebenfalls entsprechende Möglichkeiten in www.ornitho.de/index.php?m_id=20092. vogelkundlich interessanten Gebieten anbieten.

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Neues im Internet Notizen

Projekt „Netzwerk Artenkenntnis“ Artenvielfalt entdecken – Artenkenntnis fördern

(Emanuel Boas Steffani) Das Projekt „Netzwerk Artenkenntnis“ ist eine Initiative zur Vernetzung von jungen Naturinteressierten mit Artenexperten zum Transfer von Artenkenntnissen. Langfristiges Ziel ist die informelle Förderung und Ausbildung von neuen Artenkennern durch den Kontakt mit Exper- ten. Die Vernetzung und Kontaktaufnahme soll eine Internetplattform ermöglichen. Anhand einer Um­ frage (jeweils für Artenexperten und junge Naturinteressierte) sollen die unterschiedlichen Bedürf- nisse der potenziellen Nutzergruppen ermittelt werden, um die Gestaltung der Internetplattform darauf abzustimmen.

In den letzten Jahrzehnten erleben wir sowohl Der Wunsch, das Potenzial solcher jungen Natur­ einen dramatischen Schwund der biologischen interessierten zu wecken und zu fördern, brachte Vielfalt als auch einen Rückgang von den mit ihr in der Münchener Hochschulgruppe des Landes- vertrauten Expertinnen und Experten, die man bunds für Vogelschutz in Bayern (LBV) die Idee inzwischen selbst auf eine „Rote Liste“ setzen eines Netzwerks hervor, das die offensichtliche könnte. Naturschutzkreise nehmen diese Entwick- Distanz zwischen ihnen und Artenexperten über- lung, die langfristig die Grundlage der Naturschutz­ brücken würde: ein Netzwerk zum Transfer von Abbildung Collage aus arbeit erodiert, seit längerem mit großer Sorge mehreren Fotos von Ex- Artenkenntnis. wahr (vergleiche Zehm 2014 und Frobel & Schlum- emplaren der Flora und Dieses Netzwerk soll durch eine Internetplattform precht 2016). Fauna. Von links nach realisiert werden, auf der Artenkennerinnen und rechts: Messingeule (Dia­ Daher ist es notwendig, dem offensichtlichen Man­­ ‑kenner, die bereit sind, ihr Wissen und ihre Erfah- chrysia sp.), Weißwangen­ gel an Nachwuchs mit der Förderung naturinte- rung an junge Menschen weiterzugeben, ein Pro- gans (Branta leucopsis), ressierter junger Menschen so früh wie möglich fil anlegen können. Interessierte können nach Goldlaufkäfer ( zu begegnen. Denn es braucht viele Jahre Übung Registrierung die Experten-Datenbank mit Filtern auratus), Pantherpilz (Ama­ und Erfahrung in der freien Natur, um Expertin durchsuchen und den Kontakt dann über ein Kon­ nita pantherina), Eierge- oder Experte einer oder mehrerer Artengruppen lege eines Rotschenkels taktformular herstellen. zu werden (vergleiche Meinecke 2017). Wohl viele (Tringa trotanus), Gras- würden gerne fundierte Artenkenntnisse erwer­ Der darauffolgende Austausch könnte sowohl aus­ frosch (Rana temporaria), ben, finden in ihrem Umfeld aber keine Gelegen- schließlich per E-Mail stattfinden, als auch Aus- Indisches Springkraut heiten, die Bestimmung von Arten in persönli­ gangspunkt für persönlichen Kontakt sein, zum (Impatiens glandulifera), Beispiel bei Exkursionen, Workshops oder Vorträ- Ringelnatter (Natrix na­ chem Kontakt mit erfahrenen Experten praktisch gen. Vielleicht werden sich sogar „Mentoring“-­ trix) (Fotos: Robin Schmidt zu lernen. Gruppen bilden, die sich regelmäßig treffen, um und Emanuel Steffani). unter der Anleitung einer Expertin oder eines Ex- perten gemeinsam die Bestimmung oder Kartie- rung im Gelände zu üben. Interessierte werden dabei von der Fachkenntnis und Erfahrung der Experten profitieren, während die Experten sich auf diese Weise für die infor- melle Förderung und Ausbildung von neuen Ar- tenkennern einsetzen und eventuell Freiwillige gewinnen, die sie etwa bei der Monitoring- und Kartierarbeit unterstützen können. Wir von der Projektgruppe Netzwerk Artenkenntnis stellen uns vor, dass so im besten Fall beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren können. Wir würden uns freuen, wenn in möglichst vielen Regionen Deutschlands Expertinnen und Exper- ten verschiedener Artengruppen motiviert sind, sich an dem Netzwerk zu beteiligen und sich im

104 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018

Notizen Neues im Internet

Rahmen ihrer Möglichkeiten als Mentoren für „Neueinsteiger“ zu engagieren, wie in der Resolu- Links tion der Fachtagung „Erosion der Artenkenner” am Projektkoordinator: Emanuel Boas Steffani: 16.10.2015 gefordert worden ist (ANL & BN 2015). [email protected]. Um eine realistische Einschätzung der Bedürfnis­ Projekt-Blog: www.jugend-zukunft-vielfalt.de/ se und Wünsche von potenziellen Nutzern der In- 2802.html. ternetplattform zu erhalten, würden wir uns über Netzwerk Artenkenntnis auf Facebook: Rückmeldungen durch die entsprechende Online-­ www.facebook.com/netzwerkartenkenntnis. Umfrage freuen: LBV-Hochschulgruppe München: http://hochschulgruppe.lbv-muenchen.de/. Mehr Umfrage für Artenkenner: ANL & BN (= Bayerische Akademie für Naturschutz und http://t1p.de/umfrage-artenkenner. Landschaftspflege & Bund Naturschutz in Bayern, Umfrage für Naturinteressierte: 2015): Zukunft für neue Artenkenner! – Resolution http://t1p.de/umfrage-naturinteressierte. der Teilnehmer der Fachtagung „Erosion der Arten- kenner“ am 16.10.2015 in Nürnberg; www.bund- naturschutz.de/erosion-der-artenkenner.html. Frobel, K. & Schlumprecht, H. (2016): Erosion der Ar- Wer über die weitere Entwicklung des Projekts tenkenner. – Naturschutz und Landschaftsplanung auf dem Laufenden gehalten werden möchte, 48(4): 105–113; www.oekologische-bildungsstaette. kann seine E-Mail-Adresse hier eintragen: http:// de/ak/ak-pdf/erosion_artenkenner.pdf. t1p.de/infoverteiler-netzwerk-artenkenntnis. Meinecke, P. (2017): Wie weiter mit den jungen Arten- kennerinnen und Artenkennern? – Eine Offensive Das Projekt „Netzwerk Artenkenntnis“ wird im für die Nachwuchsarbeit. – In: DNT-Journal 2017, Rahmen von „Jugend | Zukunft | Vielfalt 2017“ von Naturschutz und Landnutzung, Analysen – Diskus- der Deutschen Bundesstiftung Umwelt für zwölf sionen – zeitgemäße Lösungen, Bundesverband Monate finanziell gefördert. Für den weiteren Pro- Beruflicher Naturschutz, Bonn: 239 S. jektverlauf ist unter anderem eine Kooperation Zehm, A. (2014): Artenkenner auf die Rote Liste. – mit dem Bayerischen Staatsministerium für Um- AN­Liegen Natur 36/2: S. 18; www.anl.bayern.de/pub welt und Verbraucherschutz geplant. likationen/anliegen/doc/an36200notizen_2014.pdf.

Fundus agri-cultura alpina – eine neue Online-Enzyklopädie sammelt Wissen über traditionelle Landwirtschaft im Alpenraum

(Bettina Burkart-Aicher) Wildlebende Pflanzen und Tiere sowie alte Sorten und Rassen im Alpenraum erfahren in den letzten Jahren rapide Rückgänge bis hin zu unwiederbringlichen Verlusten. Fast noch schneller geht dabei auch das Wissen um Anbau, Haltung, Zucht, Nutzung und Produktionstechniken traditioneller Kulturpflanzen und Nutztiere verloren.

Angesichts der speziellen Bedingungen in den die durch die traditionelle Bewirtschaftung ge- Alpen bedarf es dort besonderer Techniken und prägt waren und häufig von hohem naturschutz- Verfahren, um überhaupt nachhaltig wirtschaften fachlichem Wert sind. zu können. Geraten alte und bewährte Produkti- Die SAVE-foundation hat eine neue Wissensdaten­ onsmethoden in Vergessenheit, können auch an- bank ins Leben gerufen, die helfen soll, traditio- gepasste Sorten und Rassen langfristig nicht mehr nelles bäuerliches Wissen zu sammeln und zu er- erhalten werden. Ebenso verloren gehen damit hoch halten. Die Datenbank untergliedert sich in vier diverse Lebensräume für Wildtiere und -pflanzen, thematische Kategorien: Tiere, Pflanzen, Kultur-

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Neues im Internet Notizen

techniken und Brauchtum. Auch ein geografi­scher Zugang nach den Regionen im Alpenraum ist möglich. Die Datenbank funktioniert nach dem Wikipedia-Prinzip: Jede Person, die sich auf der Website registrieren lässt, kann ihr Wissen einbrin- gen, vorausgesetzt sie ist bereit, sich auch einer Abbildung Das Alpine inhaltlichen Diskussion zu stellen. Neben ihrer Steinschaf ist eine der äl- Hauptfunktion Wissen zu erhalten, bietet die testen Schafrassen über- Datenbank eine interessante Plattform für Diskus- haupt und die historische sionen, Austausch und Vernetzung. Ausgangsrasse der Berg- schafzucht im Ostalpen- raum. Heute gehört diese Mehr Rasse zu den am stärks­ SAVE-foundation: www.save-foundation.net/de/. ten vom Aussterben be- drohten Schafrassen (Fo- Datenbank: www.fundus-agricultura.wiki. to: Bettina Burkart-Aicher).

Das Netzwerk Renaturierung – jetzt mit Internetauftritt

(Albin Blaschka/Netzwerk Renaturierung) Zahlreiche Ökosystemfunktionen sind in den vielen Regio­nen Mitteleuropas in einem schlechten Zustand, was neben verstärkten Aktivitäten des Naturschutzes auch zunehmend Maßnahmen der ökologischen Renaturierung erfordert. Es gibt im deutschsprachi­gen Raum viele Akteure aus Verbänden, Verwaltung, Planungsbüros, Unternehmen und Hochschulen, die sich mit Renaturierungsökologie beschäftigen, aber oft nicht über das Wissen und die Erfahrungen von erfolg­ reichen Projekten verfügen. Der Aufwand für Projekte ist oft höher als eigentlich notwendig, manchmal auch gekoppelt mit nicht vollständig zufriedenstellendem Erfolg. Daraus ergab sich während der in- ternationalen Tagung für Renaturierungsökologie an der Technischen Universität München im Septem­ ber 2016 die Idee, die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch zwischen den Akteuren zu fördern.

Das Netzwerk Renaturierung will Verbindungen von gemeinsamen Veranstaltungen und Kontaktmög- Praktikern und Wissenschaftlern fördern und einen lichkeiten finden Sie auf der Web­site des Netzwer­ produktiven Austausch von neuartigen Ideen, theo­ kes unter https://renaweb.standortsanalyse.net. retischem Wissen und konkreten Erfahrungen er- Ein zentrales Ziel des Netzwerks Renaturierung ist möglichen. Das Netzwerk führt dazu jährliche Tref­ es, einen „Innovationskreislauf“ entstehen zu lassen fen in unterschiedlichen Teilen Deutschlands, Öster­ und durch Verbindungen von Praktikern und Wissen­ reichs und der Schweiz zu aktuellen Themen durch, schaftlern einen produktiven Austausch zu för­dern. die mit der Besichtigung von Projekt- und Umset- Damit das Netzwerk und die Website mit Leben zungsgebieten verbunden werden, wobei Wert auf erfüllt werden, ersuchen wir Sie, uns Hinweise auf ausreichend Zeit für Diskussionen vor Ort gelegt Veranstaltungen, Beiträge und Berichte zu schicken, wird. Zuletzt fand ein Treffen Ende November im die für die anderen Mitglieder interessant sein könn­ Fichtelgebirge zum Thema Moorrenaturierung statt. ten! Auch andere Anregungen zur Website sind Das Netzwerk ist offen für Interessenten aus Praxis, jederzeit willkommen. Verwaltung und Wissenschaft im Bereich Ökologie, Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft sowie Land­ Mehr schaftsarchitektur und Raumplanung. Es gibt we- der Mitgliedsbeiträge noch Vereinsstruktur. Es wer­ https://renaweb.standortsanalyse.net. den Kontaktdaten und Exper­tisen vermittelt, um E-mail: [email protected]. möglichst schnell zu spezifi­schen Fachthemen und Kontakte zu themenbezogenen Fragen: https://rena- komplexen Problemstellun­gen in Kontakt zu kom- web.standortsanalyse.net/kontakt.html. men. Alle Informationen rund um das Netzwerk,

106 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Literatur und Rezensionen Informationsangebote

Das Gesicht Deutschlands – unsere Landschaften und ihre Geschichte

len Geschehnissen oder Or­ten, an denen (Selina Eschenbach) In Zeiten, in denen die die­se Geschichte heute noch gesehen und meisten Deutschen ihren Urlaub in fremden, erlebt werden kann. Anschlie­ßend wer­den exotischen Ländern verbringen, zeigt Bernd-­ naturnahe und naturferne Landschaften in Jürgen Seitz mit seinem neuen Buch „Das Ge- Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sicht Deutschlands – Unsere Landschaften diskutiert. Dabei werden wich­tige The­men und ihre Geschichte“, wie spannend und viel- wie Schutzgebiete, Kulturland­schaf­ten, En­ seitig Deutschland sein kann. ergielandschaften, Landwirtschaft und Na­ tura 2000 angerissen. Im letzten Teil des Buchs werden interessante Natur-Orte in jedem Bundes­ land kurz vorgestellt. Einleitend fasst der Autor die aktuellen Daten, etwa zu Besiedlungsdichten, Flächennutzung und Kli­ Die vielen Beispiele aus der Praxis und die schönen ma, zum heutigen „Gesicht“ Deutschlands zusam­ Illustrationen machen das Buch zu einer interessan­ men. Im zentralen Kapitel wird – von der Entste­ ten Lektüre. Die vielen genannten Orte animieren hung der Erde bis zur Gegenwart – beschrieben, dazu, die heimis­che Landschaft neu zu entdecken. welche Entwicklungen für dieses heutige Ausse­ Deswegen ist das Buch allen an der Natur Interes­ hen ausschlaggebend waren. Ein Schwerpunkt liegt sierten, ob Fachleuten oder Außenstehenden, zu dabei neben den wichtigsten erdzeitlichen Ereig­ empfehlen. nissen vor allem auf einer Verknüpfung der mensch­ lichen Geschichte mit den damit einhergehenden Veränderungen der Landschaft. Dabei verbindet Seitz, B.-J. (2017): Das Gesicht Deutschlands – unsere der Autor jeden Abschnitt der Geschich­te, wie zum Landschaften und ihre Geschichte. – Konrad Theiss Beispiel die letzte Eiszeit, das erste Erscheinen der Verlag, ISBN: 978-3-8062-3582-1: 240 S., 49,95 Euro. Menschheit oder die Industrialisierung, mit aktuel­

Wilde Bienen – Biologie – Lebensraumdynamik am Beispiel Österreich – Artenporträts

In insgesamt zehn Kapiteln wird vom Ent­wick­ (Sebastian Hopfenmüller) In der Natur bleiben lungs­zyklus, über Nistwei­se bis zu Anta­gonisten offene ökologische Nischen selten lange un- interessant und verständlich erzählt. Das besetzt. Das neue Buch über Wildbienen hin- Buch stellt die wich­tigsten Lebens­räume gegen besetzt nun eine lange nicht mehr be- der Bienen vor und dokumentiert reich be­ diente Nische: ein umfassendes Werk, welches bildert die dramati­schen Veränderungen der Biologie, Lebensräume und viele Arten der Kulturlandschaft der letzten Jahrzehnte mit Mitteleuropäischen Bienen beschreibt. den einher­ge­hen­den Konsequenzen für die Bienen. Sehr aufschlussreich und anwendungsori­ Sofort ins Auge stechen in diesem Buch die vielen entiert sind auch die Kapitel zur Förderung hervorragenden Makroaufnahmen von weit über von Wildbienen und Tipps für Garten und 300 Arten, die das Buch fast schon zu einem Bild­ Terrasse. Neben Beispielen finden sich hier band mit über 1.000 Bildern machen. Trotzdem auch Artenlis­ten von wichtigen Nahrungs­ kommen auch die Fachinformationen nicht zu kurz. pflanzen, insbesonde­re auch für speziali­

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 107 Literatur und Informationsangebote Rezensionen

sier­te Arten. Neuere Forschungs­ergebnisse sind garten eine hilfreiche Lektüre sein und ist sowohl mit Zitaten versehen und somit auch die Primär­ Fachleuten als auch Laien uneingeschränkt zu emp­ literatur nach­vollziehbar. Auch wenn das Buch fehlen. Beispie­le und Arten aus Österreich bringt, ist es dennoch genau­so für Deutschland, insbesondere Heinz Wiesbauer (2017): Wilde Bienen – Biologie – den süddeutschen Raum, gültig. Der Preis von Lebensraumdynamik am Beispiel Österreich – Arten­ knapp 30 Euro ist für ein so umfassendes und reich porträts. – Ulmer Verlag, gebunden, 1.190 Farbfotos, bebilder­tes Werk mehr als günstig. Das Buch kann ISBN 978-3-8186-0503-2: 376 S., 29,10 Euro. im prakti­schen Naturschutz, aber auch im Haus­

Die Weichtierfauna mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Ruinen Unterfrankens

(Stefan Müller-Kroehling) Mitteleuropa ist auf weiten Strecken „altes Kulturland“ – und das gilt selbst für unsere Wälder. Selbst vermeintlich urwüchsige Wälder, die uns als „reines Naturprodukt“ erscheinen mögen, weisen in der Regel eine lange Geschichte menschlicher Einflussnahme auf.

Wohl kaum eine Struktur ist so geeignet, ungswert sein dürfte. Insgesamt 103 Arten fand uns diesen Zusammenhang vor Augen zu Kittel in den von ihm beschriebenen 88, meist führen, wie die Ruinen alter Gebäude, die mittelalterlichen Ruinen von Burgen, Schlössern, wir verstreut in unseren Wäldern finden. Kirchen, Kapellen und Burgställen. Neben detail­ Diese sind jedoch nicht nur kultur­historisch lierten Karten und Detailfotos der Burgen sind und forstgeschichtlich interessant. Bereits auch der heutige Zustand und besonders präg­ Vollrath (1960) hat darauf hingewiesen, nante Arten aus jeder Ruine abgebildet. dass Burg­ruinen eine wichtige Funktion für Mancherorts müssen Burgruinen, zum Teil auch die regionale Flora haben können, und dies aus­ solche in Naturwaldreservaten, vor allzu eifrigen gerechnet auch für seltene Arten und speziell auch „Mauersanierungen“, Freistellungs-Aktionen oder solche, die man als „Naturnähezeiger“ verstehen ähnlichen Maßnahmen gerettet werden. Das Buch kann. Durch basenreichen Mörtel und unverputz­ kann als eindrucksvoller Beleg dafür gelten, dass tes, oft basenreiches Gestein und ihre oft natur­ solche Maßnahmen gut überlegt werden sollten. nahe Laubwaldbestockung aus anspruchsvollen Es kann ferner auch den Blick dafür schärfen, dass „Edellaubbäumen“ wie Eschen, Ahornen, Ulmen die Zusammenhänge zwischen wertvollen Zu­ und Linden erklärt sich dieser Zusammenhang, ständen, menschlichem Einfluss und Naturschutz der auch bereits für die Fauna beschrieben wurde. speziell auch in Wäldern nicht so eindimensional Besonders in Regionen mit zur Versauerung nei­ sind, wie sie derzeit manchmal wahrgenommen gendem Ausgangsgestein ist dieser „Laubwaldre­ oder transportiert werden. likt“-Charakter alter Burganlagen sehr markant ausgeprägt. So hat beispielsweise der Schlucht­ Literatur waldlaufkäfer (Carabus irregularis), ein höchst an­ Heinrich Vollrath (1960): Burgruinen bereichern die spruchsvoller Laubwal­ dbewohner, sein einziges Vor­ Flora. Ein Beitrag zur Flora des Oberpfälzer Waldes. – kommen in der Oberpfalz im Naturwaldreservat Ber. Naturwiss. Ges. Bayreuth 10: 150–172. „Schwarzwihrberg“ in Rötz, unterhalb der Burg­ ruine. Klaus Kittel (2017): Die Weichtierfauna mittelalterlicher Klaus Kittel hat nun eine umfassende, reich bebil­ und frühneuzeitlicher Ruinen Unterfrankens. – derte Monografie unterfränkischer Burgruinen Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Museums und ihrer Molluskenfauna vorgelegt, die sowohl der Stadt Aschaffenburg, Band 28, Conchbooks, Forsthistorikern als auch Molluskenkundlern und ISBN 978-3-939767-79-4: 360 S., 49,80 Euro. Waldökologen von großem Nutzen und Anschau­

108 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Literatur und Rezensionen Informationsangebote

Die Laufkäfer Baden-Württembergs

(Bernhard Hoiß, Wolfram Adelmann) Im April 2017 erschien im Rahmen der Serie des Arten- und Biotopschutzprogrammes in Baden-Württemberg beim Ulmer-Verlag das zweibändige Nachschlagewerk „Die Laufkäfer Baden-Württembergs“.

Auf insgesamt 848 Seiten werden 429 Laufkäfer­ Den Abschluss des 2. Bandes bildet arten – und somit drei Viertel aller in Deutschland ein synopti­scher Teil: Er umfasst die vorkommenden Arten – detailliert behandelt. In Bilanz zur Landesfauna mit natur­ einer erfreulich knap­pen aber präzisen Einleitung räumlicher Differenzierung, Lebens­ werden Datengrundlagen, die Biologie der Lauf­ räume und ihre charakteristischen käfer, deren Rolle in Ökosystemen und als Indika­ Arten sowie Schutzziele, Maßnah­ toren sowie die Untersuchungsmethoden vorge­ men und wichtige Kriterien zum stellt. Das Herzstück dieses Nachschlagewerkes Schutz von Laufkäfern. Zudem bilden auf gut 600 Seiten die Artkapitel im spezi­ werden Gefährdungssituation und ellen Teil: hier werden die Verbreitung in Baden-­ besondere Verantwortung für Deutschland sowie Württemberg, inklusive Karten, Lebensweise und Baden-Württemberg definiert. Eine differenzierte Habitat, sowie Gefährdung und Schutz der einzel­ Betrachtung, auch der rechtlichen Situation, wann nen Arten behandelt. Zu allen Arten gibt es gute Laufkäfer in Planungen berücksichtigt werden Fotos, von vielen sind die Lebensräume abgebil­ sollten, rundet das gelungene Grundlagenwerk ab. det. Interessant ist die Einordnung, ob die Arten zum charakteristischen Set der Lebens­raum­typen Jürgen Trautner (Hrsg., 2017): Die Laufkäfer Baden-­ nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gehören. Württembergs. – Verlag Eugen Ulmer, 2 Bände, ISBN 978-3-8001-0380-5: 1.000 Seiten, 119,90 Euro.

Fitschen – Gehölzflora

rigen – Gruppen der apomiktischen (Klein-) (Wolfram Adelmann) Die aktuelle 13. Auflage Arten der Gattungen Rubus und Sorbus. der Gehölzflora verteidigt die Spitzenposition Hierdurch fehlen Arten, darunter auch für der Literatur der Gehölzbestimmungen. Das den Naturschutz spannende Endemiten Buch behandelt einheimische und kultivierte dieser beiden Gattungen. Dennoch ist es Baum- und Straucharten, einschließlich Zwerg- ein sehr beeindruckendes Werk, welches und Halbsträucher sowie verholzte Lianen. die neueren Erkenntnisse der molekular­ genetischen Analysen in seiner Sys­tematik aufgreift: Hierdurch kommt es, sicherlich gewöhnungsbedürftig, zu einer Neuord­ Auf knapp 1.000 Seiten mit gut 2.500 Abbildun­gen nung bislang angenommener Art- bezie­ gibt es verschiedene Wege zur Artbestimmung: hungsweise Gattungszugehörigkeit. Sowohl über die vegetativen Merkmale als auch über Knospen oder über Früchte ist eine Bestim­ Insgesamt ist das Werk für die vertiefte Ar­ mung möglich. Hierdurch wird das Werk absolut tenkenntnis ein Muss und darf in der Bibli­ ganzjährig nutzbar. Rund 200 einheimische Ge­ othek von Hochschulen, Gärtnern, Botani­ hölze sowie zirka 2.000 eingebrachte Arten werden kern und Landschaftsplanern nicht fehlen. behandelt. Das Buch findet somit in der speziel­ len Botanik (botanische Gärten, Arboreten), aber auch in der Landschaftsplanung und beim Garten­ Peter A. Schmidt & Bernd Schulz (Hrsg., 2017): bau seine praktische Anwendung. Fitschen – Gehölzflora. – 13., vollständig neu bearbei­ tete Auflage, Quelle & Meyer, ISBN 978-3-494-01712-9: Es ist wohl das umfassendste Werk für den deut­ 1.016 S., 39,95 Euro. schen Raum. Leider fehlen die – sicher­lich schwie­

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 109 Literatur und Informationsangebote Rezensionen

Insekten im Wald

(Bernhard Hoiß) Kürzlich erschien beim Haupt Verlag das Buch „Insekten im Wald“. Es zeigt die vielfältige Bedeutung von Insekten für Wald und Mensch. Das Buch ist in 18 Kapitel eingeteilt, die sich primär den verschiedenen Ökosystemfunktionen der Insekten im Wald beziehungs- weise in assoziierten Lebensräumen widmen. Im Vordergrund stehen dabei die Prozesse und Netzwerke (beispielsweise Pflanzen­ vermehrung, Abbau von Holz, Erhalt der Bodenfruchtbar- keit und Nahrungsnetzwerke). Eine Vielzahl von Beispielen mit hoch­wertigen Fotos zeigt, wie die einzelnen Teile des Ökosystems voneinander abhängen, miteinander interagieren und so ein funktionierender Wald entsteht. Auch der Gefährdung von Arten und den Ursachen wird ein Kapitel gewidmet.

Der Autor Beat Wermelinger ist Leiter der For­ schen, parasitoidischen oder pathogenen Gegen­ schungsgruppe Waldentomologie an der Eidge­ spieler dieser Insektenarten gezeigt, die einen nössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee großflä­chigen Befall in einem gesunden Wald und Landschaft (WSL). Die Bei­spiele im Buch wiederum verhindern oder verzögern können. sind auf Basis seines großen eigenen Bildfundus Das Buch ist kein Nachschlagewerk im engeren sowie seinen Forschungs- und Lehrtätigkeiten Sinn, sondern eher ein spannendes Lesebuch „für ausgewählt. den Nachttisch“. Es macht Spaß beim Lesen und Der gut untersuchte Lärchenwickler wird als Bei­ vermittelt die Begeisterung des Autors für das spiel dafür angeführt, wie nachhaltig Insekten die Thema. In allgemeinverständlicher Sprache bietet Waldentwicklung und damit ganze Landschaften es viele spannende Informationen über wichtige Prozesse und Zusammenhänge im Wald. verändern können. Auch Borkenkäfer können als Ökosystem-­Ingenieure betrachtet werden, die insbesondere große, gleichförmige Bestände der­ Beat Wermelinger (2017): Insekten im Wald – Vielfalt, selben Baumart „regulieren“, auch wenn dies nicht Funktionen und Bedeutung. – Haupt Verlag, unbedingt im ökonomischen Interesse der Men­ ISBN 978-3-258-07993-6, 49,90 Euro: 365 Seiten. schen ist. Im Buch werden aber auch die räuberi­

Übersicht über die floristische Vielfalt von Nordschwaben

(Carolin Wagner & Andreas Zehm) Mit beigem Sonnenhut, einer Lupe um den Hals, dem Bestim­ mungsbuch einsatzbereit in der Hand und chronisch in gebückter Haltung, so waren sie in allen Lebensräumen Nordschwabens unter­wegs. Zahlreiche Bilder belegen, wie es diese sympathi- schen Menschen geschafft haben, in 25 Jahren mühsamer Kartierarbeit ein so umfangreiches wie informatives Werk über die Pflanzen der bayerischen Landkreise Dillin­gen und Donau-Ries zu erarbeiten.

In der „Flora von Nordschwaben“ – stellvertretend Seiten in Karten und kurzen, präzisen Steckbriefen für die Arbeitsgemeinschaft Flora Nordschwaben e. V. alle rund 1.900 Pflanzenarten, die sie in Nordschwa­ bearbeitet von Brigitte und Jürgen Adler sowie ben finden konnten. Neben „Allerweltsarten“ und Günther Kunzmann – dokumentieren sie auf 816 floristischen Kostbarkeiten, wie der endemischen

110 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Literatur und Rezensionen Informationsangebote

Ries-Mehlbeere (Sorbus fischeri), kommen dabei als ein trockenes Nachschlagewerks ausschließlich sogar die nur von wenigen Experten bearbeitba­ für ausgebilde­te Vollblut-Botaniker. ren, bestimmungskritischen Arten zur Darstellung Endlich liegen somit die nötigen Grundlagen vor, (beispielsweise Löwenzahn, Brombeere und Gold-­ um in Nordschwaben zu erkennen, welche Arten Hahnenfuß). prioritär für Schutzansätze sind und welche Neo­ Zu Beginn des sehr ansprechend gestalteten Buchs phyten derweil im Untersuchungsraum angekom­ gehen die Autoren in zwei Kapiteln auf die unter­ men sind. Gleichzeitig schließt es eine große Lücke suchte Region mit ihren naturräumlichen Beson­ in der landesweiten floristischen Kartierung und derheiten sowie Standortbedingungen ein und trägt dazu bei, die Biodiversität in Bayern besser definieren die Bearbeitungsmethodik. abschätzen zu können. Somit geht der Nutzen des Werkes deutlich über die kartierte Region hinaus. Auf den folgenden Seiten konzentriert sich das Buch Abschließend zeigt es auch exemplarisch die jah­ auf die umfangreiche Beschreibung der vielen relange erfolgreiche Arbeit der „Arbeitsgemein­ nachgewiesenen Arten. Selbstverständlich findet schaft Flora Nordschwaben e. V.“, die – unschwer sich bei jeder der knappen Beschreibungen eine zu spüren – ihr ganzes Herzblut in diesen Band kleinformatige Karte, die alle Fundpunkte doku­ gesteckt hat. So erzeugt das Buch Vorfreude da­ mentiert. Eine beigelegte durchsichtige Schablone rauf, sich nächstes Jahr selbst wieder mit dem Be­ ermöglicht es auch weniger in der Region orien­ stimmungsbuch aufzumachen und zu schauen, tierten Leuten die Orte abzulesen. Neben Karte, ob man einige der vorgestellten Arten selber finden Standort, Verbreitung und Bemerkungen (und ge­ kann. Das Buch weckt Interesse, die Landschaften gebenenfalls Literaturerwähnungen) findet sich des großzügigen Donautals und des Ries genauer auf fast jeder Doppelseite ein Foto zu einer aus­ zu beschauen und verstärkt floristisch in Augen­ gewählten Art mit Aufnahmeort und -jahr. schein zu nehmen. Zusätz­lich zu diesen Abbildungen sind unregelmä­ ßig Kästen mit kurzen Texten zu Besonderheiten von Arten im Buch „versteckt“, in denen zum Bei­ spiel der Zusammenhang von Wiesenknopf- (San- Adler, B., Adler, J. & Kunzmann, G. (2017): Flora von guisorba) und Ameisenbläulingen erklärt wird. Nordschwaben – Die Farn- und Blütenpflanzen der Landkreise Dillingen a. d. Donau und Donau-Ries. – Fantas­tisch, da man so nicht nur angeregt wird, Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft Flora Nord­ das Buch durchzublättern um keinen der Kästen schwaben e.V., ISBN: 978-3-943599-63-3: 816 Seiten, zu verpassen, sondern weil auch für interessierte Preis: 35 Euro zuzüglich Porto; zu bestellen unter Laien derartige Informationen ein Gewinn sind. [email protected]. Die „Flora von Nordschwa­ben“ ist also weit mehr

Baumschutz

(Paul-Bastian Nagel) Bei Baumaßnahmen, zur Sicherung des Verkehrs oder aus Gründen nach- barlicher Rücksichtnahme werden Bäume gefällt oder deutlich zurückgeschnitten. Doch nicht in jedem Fall sind solche Maßnahmen vereinbar mit dem Schutzstatus der Bäume oder über- haupt erforderlich.

Der Informationsdienst Umweltrecht e.V. (IDUR) sicherungspflicht, die letztlich auch in der hat in einem Sonderheft „Baumschutz – Rechtliche Praxis bei der Entscheidung über zulässige Grundlagen – Verkehrssicherungspflichten – Akti­ Baumfällungen immer wieder Kopfzerbre­ onsmöglichkeiten“ übersichtlich zusammenge­ chen bereitet. Hinweise zur Unterschutzstellung fasst, wann Bäume durch welche Rechtsnorm in mit einer Musterbaumschutz­satzung und Informa­ welchem Umfang geschützt sind und unter wel­ tionen zu den Handlungsmöglichkeiten bei unzu­ chen Umständen Baumfällungen genehmigt wer­ lässigen Baumfällungen machen das Heft zu einem den kön­nen. Ein Kapitel widmet sich der Verkehrs­ wertvollen Ratgeber für Experten und Laien.

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 111 Literatur und Informationsangebote Rezensionen

Die Autorin Felicia Petersen schafft es, die Rechts­ mentationen noch gewinnen. Da die Hefte des lage zum Baumschutz leicht verständlich zusam­ IDUR jedoch ehrenamtlich erarbeitet werden, wäre menzufassen und geht beispielhaft auch auf spe­ dies nur Jammern auf hohem Niveau. zifische landesrechtliche Regelungen ein. Anhand von knappen Beispielen werden Sachverhalte ver­ anschaulicht. Wichtige Inhalte sind hervorgehoben und können so leicht nachgeschlagen werden oder Felicia Petersen (2017): Baumschutz – Rechtliche Grund­ sind in Tabellen zusammengefasst. lagen – Verkehrssicherungspflichten, Aktionsmög­ lichkeiten. – Recht der Natur-Sonderheft Nr. 69, In­ Das Heft bietet auf knapp 50 Seiten einen wert­ formationsdienst Umweltrecht (IDUR; Hrsg.), Frank­ vollen Einstieg in die rechtlichen Grundlagen des furt am Main, Bestellungen über [email protected] oder Baumschutzes. Sicherlich könnte die Veröffentli­ per Telefon unter 069/252477, 17 Euro zzgl. Porto. chung durch konkrete Fallbeispiele und Bilddoku­

Großlaufkäfer der Gattung Carabus in Bayern – Eine Bestimmungshilfe am lebenden Tier

(Roland Gerstmeier) Dieses 16-seitige Hochglanzheft (13 x 19 cm) in robuster und wasserfester Ausführung ermöglicht die Bestimmung der bayerischen Großlaufkäfer (Gattung Carabus) am lebenden Tier. Herausgeber ist die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.

Einheimische Vertreter der Gattung Carabus hält die Broschüre alle heimischen Carabus-Arten sind meist an ganz konkrete Lebensräume Deutschlands. gebunden und eignen sich damit als wich­ Mit dieser Broschüre können sich (auch) natur­ tige Indikatororganismen für verschiedens­ interessierte Laien an die Bestimmung unserer te Fragestellungen im Naturschutz, in der einheimischen Tiere wagen und ihre Beobach­ Planung oder der Ökologie. tungen zur Wissensverbreitung an die entspre­ Als Hilfsmittel ist nur eine einfache Lupe chenden Behörden (zum Beispiel das Bayerische nötig. Alle Bestimmungsmerkmale können am le­ Landesamt für Umwelt) weitermelden. benden Tier festgestellt werden und liegen auf Eine prima Idee, die dank dieser tollen, sehr lobens­ den Oberflächen der Flügeldecken. Zunächst werten, hervorragend illustrierten Kurzbroschüre muss die Frage geklärt werden, ob man über­ umgesetzt werden kann. Die Broschüre wird zu­ haupt einen Laufkäfer vor sich hat, den man dann dem kostenlos im Rahmen der Öffentlichkeitsar­ weiterführend als Großlaufkäfer (Carabus) identifi­ beit der Bayerischen Staatsregierung abgegeben zieren muss. Die weiteren Merkmale betreffen die (www.bestellen.bayern.de/shoplink/anl_nat_ Struktur der Flügeldecken, womit sich sechs cha­ 0038.htm). rakteristische „Gruppen“ herauskristallisieren. Inner­ halb dieser Gruppen führt ein Bestimmungsschlüs­ sel mit wenigen Schritten zur Art. Alle Arten werden kurz mit ihrem Lebensraum und dem Vorkommen Stefan Müller-Kroehling & Wolfram Adelmann (2017): in Bayern als Verbreitungskarte charakterisiert. 25 Großlaufkäfer der Gattung Carabus in Bayern – Eine Bestimmungshilfe am lebenden Tier. – Baye­ Taxa (Arten und zum Teil Unterarten) können so­ rische Akademie für Naturschutz und Landschafts­ mit determiniert werden, wobei die hervorragen­ pflege (Hrsg.), ISBN: 978-3-944219-33-2, kostenlos: den Farbfotos von Ortwin Bleich sehr hilfreich sind. 16 Seiten; www.anl.bayern.de/publikationen/ Übrigens, bis auf eine Art (Carabus marginalis, der index.htm. nur in Ostdeutschland sporadisch vorkommt) ent­

112 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege

Neue Mitarbeiter

Dr. Florian Wetzel (Ökologe) arbeitet seit September 2017 an der Bay­eri­ an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. schen Akademie für Naturschutz und Landschaftspfle­ Zudem war er in weitere biodiversitätsrelevante Pro­ ge (ANL). Er ist leitender Projektmanager für das baye­ jekte involviert. Davor war Herr Wetzel als wissen­ rische EU-Kommunikationsprojekt „LIFE living Natura schaftlicher Referent für den Vorstand des WWF 2000“. Seine Aufgaben umfassen unter anderem die Deutsch­land tätig. Nach dem Studium der Ökologie inhaltliche Planung und Abwicklung der Kernmaß­ an der Technischen Universität München promovier­ nahmen, die naturschutzfachli­che Ausarbeitung der te er an der Universität Wien. Hier arbeitete er am Gesamtkonzeption des LIFE-­Projektes sowie die über­ Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltens­ regionale, landesweite und EU-weite Netzwerkarbeit. forschung an den Themen Klimawandel und Verbrei­ tungsgebiete von Vertebraten. Herr Wetzel war vor der Tätigkeit an der ANL am Mu­ seum für Naturkunde (Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung) in Berlin in einem EU-­ weiten Projekt beschäftigt. Hier führte er Daten zum +49 8682 8963-49 Zustand und der Entwicklung der biologischen Viel­ [email protected] falt in Europa zusammen, analysierte sie und arbeitete

Veronika Dieplinger gehört seit September 2017 zum Team des bayeri­schen Ihre Ausbildung als Verwaltungsangestellte absolvier­ EU-Kommunikationsprojekts „LIFE living Na­tura 2000“ te Frau Dieplinger beim Fernmeldeamt Traunstein. an der Bayeri­schen Akademie für Natur­schutz und Land­ Danach begleitete sie unter anderem den jahrelangen schafts­pflege (ANL). Hier kümmert sie sich unter ande­ Umbau der Behörde Deutsche Bundespost – Fernmel­ rem um die Finanzen. Das Haus­halts- und Kassen­wesen deamt in die Aktiengesellschaft Deutsche Telekom AG und die Verbuchung nach EU-Vorgaben sind wichtige hautnah im Geschäftskundenbereich. Bestandteile des Aufgabenbereichs. Die wei­teren viel­ fältigen Aufgaben umfassen die Unterstützung des Projektleiters sowie die Organisation und Abrechnung von Veranstaltungen und Maßnahmen wäh­rend der Projekt­laufzeit. Ein zusätzlicher wichti­ger Bereich ist +49 8682 8963-60 die Ablaufplanung des Projekts; diese beinhaltet das [email protected] Er­stellen von Statis­tiken, Zeitplänen und Übersichten.

Theresa Bode (M.Sc. Forstwissenschaften und Waldökologie) arbeitet Berchtesgaden sowie in Südafrika unterstützt. Nach ab Mai 2018 an der Bayerischen Akademie für Natur­ Abschluss ihrer Masterarbeit im Fachgebiet Vegetati­ schutz und Landschaftspflege. Im Rahmen des baye­ onskunde an der Abteilung für Naturschutz und rischen EU-Kommunikationsprojekts „LIFE living Natura Landschaftspflege der Universität Göttingen hat sie im 2000“ übernimmt sie Aufgaben in den Bereichen Bereich Naturschutz und Kompensationsmaßnah­men Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Medien in der Bundesforstverwaltung gearbeitet. Zu ihren und unterstützt das Projektmanagement bei der in­ Schwerpunktaufgaben gehörte die Erhaltung und haltlichen Planung, Organisation und Abwicklung der Pflege von Lebensräumen auf Militärliegenschaften, Kernmaßnahmen. die Sicherung und Entwicklung ehemalig militärisch genutzter Flächen (Konversionsflächen) für den Natur- Theresa Bode hat an der Georg-August-Universität und Artenschutz sowie Öffentlichkeitsarbeit. Göttingen Forstwissenschaften und Waldökologie mit dem Schwerpunkt Waldnaturschutz studiert. Während des Studiums war sie als wissenschaftliche Mitarbeite­ rin in einem Projekt der „Biodiversitäts-Exploratorien“ +49 8682 8963-62 der Deutschen Forschungsgemeinschaft tätig und [email protected] hat Naturschutzprojekte beim NABU, im Nationalpark

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 113 Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege Neue Mitarbeiter

Lisa Riccarda Mitterbuchner ist Grafik-Designerin und Fotografin aus Salzburg und schule Salzburg, welches sie im Juni 2018 mit dem seit 1. April 2018 als Projektmitarbeiterin im Bereich Kom­ Master abschließt. Neben dem Studium arbeitete sie munikations- und Mediendesign beim bayerischen 3 Jahre als Grafik-Desig­nerin bei einer Software-Firma EU-Kommunikationsprojekt „LIFE living Natura 2000“ in Salzburg. Ihre Kern­­kompetenzen liegen im Bereich beschäftigt. Branding, Editorial Design, Illustration und Fotografie. Ihr letztes Projekt war ein illustriertes Kinderbuch zum Ihre Ausbildung zur Designerin begann 2010 an der Thema Klimawandel und Artensterben. Höheren Technischen Lehranstalt in Itzling, wo sie ein zweijähriges Kolleg für Medientechnik und Medien­ management mit Schwerpunkt Fotografie und audio­ +49 8682 8963-48 visuellen Medien absolvierte. Danach folgte ein fünf­ [email protected] jähriges Studium (MultimediaArt) an der Fachhoch­

Susanne Reichhart ist seit November 2017 neue Mitarbeiterin im Fach­be­ lichen Schulen angestellt und unterrichtete die Fächer reich „Forschung, Landnutzung und internationale Angewandte Biologie, Ländliche Entwicklung und Zusammenarbeit.“ Sie ist an der ANL für die Koordina­ Umwelttechnik. tion des EU-­Projekts „Biotop- und Artenschutz im Frau Reichhart motiviert an ihrer Arbeit bei der ANL Schutz- und Bergwald“ zuständig. die Schnittstellenfunktion zwischen Forschung und Als Landschaftsplanerin war Susanne Reichhart bei der Praxis, zwischen Naturschutz und Forstwirtschaft. Im Ingenieurgesellschaft i.n.n. tätig und bearbeitete ver­ Projekt begeistert sie die interdisziplinä­re sowie inter­ schiedene Naturraummanagement-Projekte im Alpen­ nationale Zusammenarbeit zwischen Österreich und raum. In ihre Arbeitsbereiche fielen die Erstellung von Bayern und die Erarbeitung von Lösungsstrategien Fachbeiträgen für Umweltverträglichkeitserklärungen für den Schutz und Erhalt von alpinen Arten und Bio­ und die Abstimmung mit den zuständigen Behörden. topen im Bergwald. Sie war für Biotop- und Vegetationskartierungen ver­ antwortlich und beteiligte sich an der Planung von Ausgleichsmaßnahmen und an Artenschutz-Projekten. +49 8682 8963-44 Vor der Beschäftigung an der ANL war Frau Reichhart [email protected] als Umweltpädagogin an mehreren landwirtschaft­

Nicole Höhna (Bachelor of Arts) arbeitet seit Oktober 2017 an der Bay­ Corporate Identity und Markenstrategie, Grafikdesign, erischen Akademie für Naturschutz und Landschafts­ Event - und Ausstellungsdesign für die deutsche Auto­ pflege. Ihr beruflicher Fokus liegt in der Öffentlich­ mobilindustrie tätig. Auf der Suche nach einem zu­ keitsarbeit der ANL, speziell auf der Entwicklung von kunftsfähigeren und stärker nachhaltig orientierten Kommunikationsstrategie und Design-Konzepten und Betätigungsfeld wurde sie auf die ANL aufmerksam. deren Umsetzung in Print, Web, Event und Raum. Zu Mithilfe ihrer Berufserfahrung aus der freien Wirtschaft ihren Aufgaben gehören unter anderem die Konzep­ möchte sie ihren Beitrag leisten, um die relevanten tion und Produktion von Druckmitteln aller Art für die Themen der ANL angemessen zu kommunizieren. ANL, die Unterstützung des digitalen Auftrittes sowie der Entwurf von Ausstellungen. Nach ihrem interdisziplinären Studium an der Köln +49 8682 8963-37 International School of Design (KISD) war Frau Höhna [email protected] vier Jahre in Münchner Designagenturen im Bereich

Selina Eschenbach ist seit September 2017 an der Bayerischen Akademie beitsbereiche der ANL, ob Öffentlichkeitsarbeit, öko­ für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) im Zuge logische Forschung oder die Organisation von ver­ des Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) tätig. Nach­ schiedensten Veranstaltungen, kennenlernen, um dem sie das Gymnasium im Frühjahr 2017 abgeschlos­ viele neue Erfahrungen zu sammeln. sen hatte und sich die Frage nach dem weiteren Wer­ degang stellte, beschloss sie, vor der endgültigen Entscheidung zunächst praktische Berufserfahrung zu sammeln. Aufgrund ihres Interesses an Biologie und +49 8682 8963-52 der heimischen Natur bot sich ein FÖJ an der ANL in [email protected] Laufen an. Während ihres Jahres möchte sie alle Ar­

114 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege

Publikationen und Materialien der ANL Stand Mai 2018

Die aufgeführten Materialien und Publikationen der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) sind erhältlich solange vorrätig. Die laufend aktualisierte Übersicht der Veröffentlichungen und detailliertere Informationen finden Sie auf den Internet-Seiten der ANL (www.anl.bayern.de/publikationen) und im Shop der Bayerischen Staats­regierung (www.bestellen.bayern.de). Bitte nutzen Sie die Internet-Seiten zur Bestellung. Fast alle Materialien, Publikationen und Einzelartikel können kostenfrei bezogen oder unter der Internet-­Adresse der ANL herunter­ geladen werden.

• Streuobst Memo Spiel mit 36 Bildpaaren von Streuobstsorten mit erläuterndem Begleitheft. 3. Auflage, 2013, 62 Seiten. 15 Euro

• Wanderausstellung „Almen aktivieren“ Verleihbare Ausstellung, bestehend aus zehn Roll-Ups, Beistelltisch und einer ergänzenden Begleit­ broschüre. Erforderliche Mindeststellfläche 12 m² zuzüglich Beistell­tisch. Weitere Informationen bei [email protected].

• ANLiegen Natur In der Fachzeitschrift der ANL sind Artikel zu Themen des Arten- und Naturschutzes, der Biotoppflege, der Landschaftsplanung, der Umweltbildung und der nachhaltigen Entwicklung abgedruckt. Seit Heft 35/1 liegt der Fokus verstärkt auf angewandter Forschung und dem Erfahrungsaustausch zum praktischen Natur- und Landschaftsschutz. Der Preis für die Hefte 35/1–39/1 und Heft 40/1 beträgt jeweils 10 Euro. Die Hefte 31–34 und 39/2 • Die Heuschrecken Deutschlands und Nordtirols – sind kostenfrei. Alle Artikel können von der Homepage der ANL heruntergeladen werden. bestimmen, beobachten, schützen Heft 40/1 (2018) Fischer, Jürgen et al.; Gelände-Bestimmungsbuch. Heft 39/2 (2017, kostenfreies Sonderheft) Bezug nur über den Buchhandel und Quelle & Meyer Verlag, 2016, 368 Seiten. 24,95 Euro Heft 39/1 (2017) Best.-Nr.: 494-01670 ISBN: 978-3-494-01670-2 Heft 38/1 (2016) www.verlagsgemeinschaft.com/cms/shop/books/bestbooks/49401670.php Heft 37/2 (2015) Heft 37/1 (2015) Heft 36/2 (2014) • Die Tagfalter Bayerns und Österreichs Heft 36/1 (2014) Stettmer, Christian, Bräu, Markus, Gros, Patrick & Wanninger, Otmar; Heft 35/2 (2013) Taschen-Bestimmungsbuch im flexiblen Schutzumschlag mit Hervorhebung Heft 35/1 (2013) der wesentlichen Bestimmungsmerkmale. 2. überarbeitete Auflage, 2007, Heft4 3 (2010) 248 Seiten, davon 82 in Farbe. 26 Euro

• Newsletter der ANL - Informationsdienst Naturschutz - Botanik in Bayern - Presse-Newsletter der ANL Anmeldung und bisherige Ausgaben unter www.anl.bayern.de/publikationen/newsletter

• Aktionshandbuch „Tiere live“ • Berichte der ANL Grundlagen und Anleitungen zum Einsatz von Tieren im Unterricht und in der Die von 1977 bis 2005 jährlich erschienenen Berichte der ANL enthalten Original­arbeiten, wissenschaft­ außerschulischen Umweltbildung mit speziellen Informationen für Lehrkräfte, liche Kurzmitteilungen und Be­kanntmachungen zu zentralen Naturschutzaufgaben und da­mit in inklusive aller Ergänzungskapitel und Erweiterungen sowie CD-ROM. Zusammenhang stehenden Fachgebieten. 2006 wurden die Berichte in ANLiegen Natur umbenannt. 2. Auflage, 2010–2016. 20 Euro Alle Hefte sind kostenfrei; nicht aufgelistete Hefte sind ver­griffen. Alle Artikelder Hefte 20 bis 29 Ergänzungskapitel Hühner können von der Homepage der ANL heruntergeladen werden. 1. Auflage, 2014, 60 Seiten. 4 Euro Heft 29 (2005) Ergänzungskapitel Ameisen und Erweiterungen zu den Kapiteln Wolf/Hund und Bienen Heft 24 (2000) Schwerpunkt: Regionale Indikatorarten 1. Auflage, 2016, 137 Seiten. 4 Euro Heft 23 (1999) Schwerpunkt: Biotopverbund Heft 22 (1998) Set von 15 Bestimmungsblättern „Tiere live“ Heft 21 (1997) Wasser- und kratzfest zum Einsatz im Freien, 2010. 7 Euro Heft 20 (1996) Diese sind auch als Einzelblätter à 0,50 Euro im Klassensatz erhältlich. Heft 14 (1990)

ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 115 Die Bayerische Akademie für Publikationen und Materialien Naturschutz und Landschaftspflege der ANL (Stand Mai 2018)

• Beihefte zu den Berichten der ANL 2/09 Vegetationsmanagement und Renaturierung Bis 2004 stellten die Beihefte in unregelmäßiger Folge detaillier­te Informationen zu ausgewählten 1/09 Der spezielle Artenschutz in der Planungspraxis Themenbereichen zusammen. 1/08 Die Zukunft der Kulturlandschaft – Entwicklungsräume und Alle Hefte sind kostenfrei; nicht aufgelistete Hefte sind ver­griffen. Handlungsfelder Beiheft 13 2/03 Erfassung und Beurteilung von Seen und deren Einzugsgebieten Müller, Johannes (2004): Extensiv genutzte Elemente der Kultur­landschaft. Entstehung von Struktu- mit Methoden der Fernerkundung ren und Biotopen im Kontext von Agrar-Ökosystem und Nutzungswandel am Beispiel Frankens. 1/03 Moorrenaturierung 195 Seiten, 20 ganzseitige Schwarz-Weiß-Landschaftsfotos. 2/02 Das Ende der Biodiversität? Grundlagen zum Verständnis Beiheft 12 der Artenvielfalt Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Haber (1995). 194 Seiten, 82 Fotos, 1/02 Beweidung in Feuchtgebieten 44 Abbildungen, fünf Farbkarten (davon drei Falt­karten), fünf Vegetationstabellen. 2/01 Wassersport und Naturschutz Beiheft 11 4/00 Bukolien – Weidelandschaft als Natur- und Kulturerbe Conrad-Brauner, Michaela (1994): Naturnahe Vegetation im Naturschutzgebiet „Unterer lnn“ und sei- ner Umgebung – Eine vege­tationskundlich-ökologische Studie zu den Folgen des Stau­stufen­baus. 3/00 Aussterben als ökologisches Phänomen 175 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Karten. 2/00 Zerschneidung als ökologischer Faktor Beiheft 9 6/99 Wintersport und Naturschutz Köstler, Evelin & Krogoll, Bärbel (1991): Auswirkungen von anthropogenen 5/99 Natur- und Kulturraum Inn/Salzach Nutzungen im Bergland – Zum Einfluss der Schafbeweidung (Literaturstudie). 4/99 Lebensraum Fließgewässer – Charakterisierung, Bewer­tung 74 Seiten, 10 Abbildungen, 32 Tabellen. und Nutzung Beiheft 8 3/99 Tourismus grenzüberschreitend: Naturschutzgebiete Ammergebirge – Außerfem – Passarge, Harro (1991): Avizönosen in Mitteleuropa. 128 Seiten, 15 Ver­brei­tungs­karten, 38 Tabellen, Lechtaler Alpen Register der Arten und Zönosen. 2/99 Schön wild sollte es sein 1/99 Ausgleich und Ersatz 9/98 Alpinismus und Naturschutz 6/98 Neue Aspekte der Moornutzung • Laufener Forschungsberichte 5/98 Schutzgut Boden Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen der ANL. 4/98 Naturschutz und Landwirtschaft – Quo vadis? Alle Hefte sind kostenfrei; nicht aufgelistete Hefte sind ver­griffen. 3/98 Bewahrung im Wandel – Landschaften zwischen regionaler Dynamik Forschungsbericht 7 und globaler Nivellierung Badura, Marianne & Buchmeier, Georgia (2001): Der Abtsee. Forschungsergebnisse der Jahre 1990– 2/98 Schutz der genetischen Vielfalt 2000 zum Schutz und zur Entwicklung eines nordalpinen Stillgewässers. 111 Seiten. 1/98 Umweltökonomische Gesamtrechnung Forschungsbericht 5 5/97 UVP auf dem Prüfstand Lohmann, Michael & Vogel, Michael (1997): Die bayerischen Ramsargebiete. 4/97 Die Isar – Problemfluß oder Lösungsmodell? 53 Seiten. 3/97 Unbeabsichtigte und gezielte Eingriffe in aquatische Forschungsbericht 4 Lebensgemeinschaften Hagen, Thomas (1996): Vegetationsveränderungen in Kalkma­ger­ra­sen des Fränkischen Jura; Untersu- 2/97 Die Kunst des Luxurierens chung langfristiger Be­stands­ver­änderungen als Reaktion auf Nutzungsumstellung und Stick­stoff- Deposition. 218 Seiten. 6/96 Landschaftsplanung – Quo Vadis? Standortbestimmung und Perspektiven gemeindlicher Landschaftsplanung Forschungsbericht 2 3/96 Biologische Fachbeiträge in der Umweltplanung Verschiedene Autoren (1996): Das Haarmoos – Forschungs­ergebnisse zum Schutz eines Wiesenbrü- tergebietes. 122 Seiten. 2/96 Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung – Praxis und Perspektiven Forschungsbericht 1 3/95 Dynamik als ökologischer Faktor Jansen, Antje (1994): Nährstoffökologische Untersuchungen an Pflanzen­arten und Pflanzengemein- 2/95 Bestandsregulierung und Naturschutz schaften von voralpinen Kalk­ma­ger­rasen und Streuwiesen unter besonderer Berück­sichtigung natur- 1/95 Ökosponsoring – Werbestrategie oder Selbstverpflichtung? schutzrelevanter Vegetationsänderun­gen. 112 Seiten. 4/94 Leitbilder Umweltqualitätsziele, Umweltstandards 2/94 Naturschutz in Ballungsräumen 1/94 Dorfökologie – Gebäude – Friedhöfe – Dorfränder sowie ein Vorschlag zur Dorfbiotop- kartierung • Laufener Spezialbeiträge 2/93 Umweltverträglichkeitsstudien. Grundlagen, Erfahrungen, Fallbeispiele Die Ergebnisse ausgewählter Veranstaltungen wurden redaktionell aufbereitet als Tagungsbände her- 1/93 Hat der Naturschutz künftig eine Chance? ausgegeben. Von Heft 1/82 bis Heft 1/05 liefen diese Berichte unter dem Namen „Laufener Seminar- 5/92 Freilandmuseen – Kulturlandschaft – Naturschutz beiträge“. 4/92 Beiträge zu Natur- und Heimatschutz Die „Laufener Spezialbeiträge“ entstanden 2006 aus einer Zusam­menführung der „Laufener Seminar- beiträge“ mit den „Laufener Forschungsberichten“ und den „Beiheften zu den Berichten der ANL“ zu ei- 1/92 Ökologische Bilanz von Stauräumen ner gemeinsamen Schriftenreihe. 7/91 Ökologische Dauerbeobachtung im Naturschutz Alle Laufener Spezialbeiträge sind kostenfrei und können von der Homepage der ANL heruntergeladen 3/91 Artenschutz im Alpenraum werden. 1/91 Umwelt – Mitwelt – Schöpfung: Kirchen und Naturschutz 2012 Implementation of Landscape Ecological Knowledge in European Urban Practice 4/90 Auswirkungen der Gewässerversauerung 2011 Landschaftsökologie. Grundlagen, Methoden, Anwendungen 3/90 Naturschutzorientierte ökologische Forschung in der BRD 2010 Wildnis zwischen Natur und Kultur: Perspektiven und Handlungsfelder für den Naturschutz 2/90 Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen durch Naturschutz

116 ANLIEGEN NATUR 40(1), 2018 Publikationen und Materialien Die Bayerische Akademie für der ANL (Stand Mai 2018) Naturschutz und Landschaftspflege

• Landschaftspflegekonzept Bayern Bayern.Natürlich.Artenreich*) Das Landschaftspflegekonzept informiert über die Ökologie der ver­schie­de­nen Lebensräume in Ein etwas anderer Blick auf ausgewählte Tiere und Pflanzen Bayerns. Bayern. Es stellt Erfahrungen mit der Pflege zusammen und gibt Hinweise zur naturschutzfachlichen 2009, 52 Seiten. Bewirtschaftung. Die Druckversionen erschienen zwischen 1994 und 1998. Der Preis pro Heft beträgt Landart*) 8 Euro. Kunstwerke aus Naturmaterialien. Die Natur mit allen Sinnen erfahren. 2010, 33 Seiten. I. Einführung II.1 Kalkmagerrasen Teil 1 Naturschutzrechtliche Kompensation in Bayern II.1 Kalkmagerrasen Teil 2 Ziele und Umsetzung der Bayerischen Kompensationsverordnung. 2015, 34 Seiten. II.2 Dämme, Deiche und Eisenbahnstrecken II.3 Bodensaure Magerrasen II.11 Agrotope Teil 1 II.11 Agrotope Teil 2 • Faltblätter (kostenfrei) ) II.13 Nieder- und Mittelwälder Die mit einem Stern * gekennzeichneten Publikationen sind nur als pdf-Dateien erhältlich. II.14 Einzelbäume und Baumgruppen Siehe www.anl.bayern.de/publikationen/weitere_publikationen. ) II.15 Geotope Hornissen* II.18 Kies-, Sand- und Tongruben Antworten auf die wichtigsten Fragen bezüglich Hornissen Die Hefte zu Sandrasen, Streuobst, Feuchtwiesen, stehenden Kleingewässern, Streuwiesen, Gräben, als Nachbarn. 2012. Hecken- und Feldgehölzen, Leitungstrassen, Steinbrüchen, Kies-, Sand- und Tongruben sowie zu Bächen Schmetterlinge*) und Bachufern sind gedruckt vergriffen, jedoch über die CD digital beziehbar oder sie können artikel- Merkblätter deutsch weise von der Homepage der ANL herun ­tergeladen werden. - Lungenenzian-Ameisen-Bläuling - Heller Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling - Dunkler Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling • Landschaftspflegekonzept Bayern digital (auf CD-ROM) Merkblätter englisch Der Druckversion entsprechendes Gesamtwerk aller Bände mit Suchfunktionen. - Alcon Blue Der Verkaufspreis beträgt 5 Euro. - Scarce Large Blue - Dusky Large Blue Moorerlebnis Schönramer Filz*) Informationen zum Moorlehrpfad. 2015.

• Broschüren (kostenfrei) Die mit einem Stern *) gekennzeichneten Publikationen sind nur als pdf-Datei erhältlich. Siehe www.anl.bayern.de/publikationen/weitere_publikationen. • Handbuch Beweidung Entdeckerbuch Natur Online-Angebot, das die wesentlichen Aspekte zur Beweidung von Lebensrä­ umen aus Sicht des Naturschutzes darstellt: www.anl.bayern.de/fachinformationen/beweidung/handbuchinhalt.htm Mit Mimi, Klemens und Co. (im Aufbau). das Puzzle der biologischen Vielfalt in Bayern kennenlernen. 2015, 32 Seiten. Entdeckerbuch Natur Begleitbuch für Erwachsene­ . Bayerische Akademie für Naturschutz 2015, 47 Seiten. und Landschaftspflege (ANL) Almen aktivieren – Seethalerstraße 6 Neue Wege für die 83410 Laufen/Salzach Vielfalt Telefon +49 8682 8963-31 Projektergebnisse zur Wiederbeweidung von Almen. 2013, 65 Seiten, Bezug über Telefax +49 8682 8963-17 http://landversand.salzburg.gv.at -> Umwelt/Natur/Wasser -> Natur -> Naturschutz-projekte. [email protected] Alpine Pasture Action – New Ways to Preserve Biodiversity www.anl.bayern.de oder Englische Zusammenfassung des Projektes „Almen aktivieren“, 28 Seiten. www.bestellen.bayern.de NaturschutzGeschichte(n)*) 1. Bestellungen Zeitzeugen-Interviews zur Entwicklung des Naturschutzes Bitte den Bestellungen kein Bargeld, keine Schecks und keine Brief­marken beifügen. in Bayern: Eine Rechnung liegt der Lieferung bei. - Band I. 2010, 44 Seiten. Der Versand erfolgt auf Gefahr des Bestellers. - Band II. 2011, 46 Seiten. Beanstandungen wegen unrichtiger oder unvollständiger Lieferung können innerhalb von - Band III. 2012, 56 Seiten. 14 Tagen nach Empfang der Sendung berücksichtigt werden. Blätter zur bayerischen Naturschutzgeschichte 2. Preise und Zahlungsbedingungen - Persönlichkeiten im Naturschutz: Der Versand ist kostenfrei. Die Rech­nungs­beträ­ge sind spätes­tens zu dem in der Rech­nung - Dr. Ingeborg Haeckel genannten Termin fällig. - Prof. Dr. Otto Kraus - Johann Rueß Die Zahlung kann nur anerkannt werden, wenn sie auf das in der Rechnung genannte Konto der - Dr. Karl Schmolz Staats­oberkasse Bayern unter Nennung des mitgeteilten Buchungskenn­zei­chens erfolgt. - Gabriel von Seidl*) Bei Zah­lungsverzug werden Mahnkosten erhoben und es können gegebenenfalls Ver­zugszinsen - Alwin Seifert berechnet werden. - Bayerischer Landesausschuß für Naturpflege (1905–1936) Erfüllungsort und Ge­richtsstand ist Mün­chen. Bis zur endgül­tigen Vertragserfüllung behält sich die Natur spruchreif*) ANL das Ei­gen­tums­recht an den gelieferten Materialien vor. Nähere Informatio­nen und die Allge- Weisheiten, Aphorismen und Zitate zu Mensch, Natur und Umwelt. meinen Geschäftsbedingungen finden Sie unter www.bestellen.bayern.de (Bestellmodus/AGB). 3. Auflage, 2012, 80 Seiten.

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