Der Friderizianische Schlossbau Und Sein Ausstattungsprogramm
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Friedrich300 - Repräsentation und Selbstinszenierung Friedrichs des Großen Henriette Graf Der Friderizianische Schlossbau und sein Ausstattungsprogramm Abstract: In den Schlössern Friedrichs II. fallen sich zum Teil wörtlich wiederholende Raumausstattungen auf. Die Appartements des Königs setzen sich dabei stets aus den gleichen Raumtypen zusammen, die auf deren Nutzung in seinem Tageslauf abgestimmt sind. Bei Betrachtung der Komposition der Raumtypen fällt etwas für den deutschen Schlossbau des 18. Jahrhundert Neuartiges auf: das Verschmelzen von Schreib-, Schlaf- und Bibliotheksraum, das zugleich dem Rollenbild Friedrichs als 'roi philosophe' entgegen kam. Es wird hier die These aufgestellt, dass das Wiedererkennen von Räumen gekoppelt mit dem Wissen der Zeitgenossen um den Tagesablauf des Königs es ihm ermöglichte, Raumfluchten im Sinne von "Effigies", einer Substitution königlicher Präsenz einzusetzen. Friedrich war also durch die Iteration der Raumausstattungen nicht mehr gezwungen, sich persönlich in der Öffentlichkeit zu zeigen, denn seine Räume, Gemälde, Tapeten und Möbel übernahmen diese Aufgabe. <1> Zwei Aspekte wurden zum Thema Repräsentation und Selbstinszenierung Friedrichs bisher wenig berücksichtigt: zum einen ist es der planvolle, bis dahin in dieser Konsequenz von keinem König vollzogene Rückzug aus der Residenzstadt Berlin ins "Private", in seine Potsdamer Schlösser. War an den frühbarocken Fürstenhöfen Europas eine Trennung des öffentlichen von einem privaten Leben noch kaum möglich, so zog sich König Friedrich II. von Preußen in einem Maße vom Hof zurück, das als fremd und abweisend wahrgenommen wurde und bis heute Fragen aufwirft. Zum andern ist es die konsequente Wiederholung ganz bestimmter Innenraumfolgen und Ausstattungen, deren eigentliche Funktion am Beispiel der sogenannten Zweiten Wohnung in Schloss Charlottenburg dargestellt werden soll. <2> Eine Fülle von Reiseberichten1 widmet sich den preußischen Schlössern, und viele Quellen geben Auskunft zu Friedrichs vergleichsweise strengem Tagesablauf, der mehr Staatsangelegenheit, denn Privatsache war.2 Eine der frühesten Beschreibungen ist der Reisebericht Ernst Samuel Jacob Borchwards. Er besuchte 1749 das Potsdamer Stadtschloss und Schloss Sanssouci. Beide Gebäude 1 Carsten Dilba: E. S. J. Borchwards Reise nach Potsdam – Eine Schlossbesichtigung im Jahre 1749, in: Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): "…Gantz unvergleichlich…" Ernst Samuel Jacob Borchwards Reise ins Potsdam Friedrichs des Großen 1749, Kiel 2012. Eine Auflistung allein der von Matthias Oesterreich zwischen 1764 und 1774 herausgegebenen Beschreibungen in: Cristoph Martin Vogtherr, Französische Gemälde I., Watteau, Pater, Lancret, Lajoue (= Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Bestandskataloge der Kunstsammlungen), Berlin 2011, 773. Zu den Wohnungen König Friedrichs des Großen: Hans Huth: Die Wohnungen Friedrichs des Großen, in: Phoebus 2 (1949), 107-115, 159-178. Hans Joachim Giersberg: Schloss Sanssouci. Die Sommerresidenz Friedrichs des Großen, Berlin 2005. 2 Uta Christina Koch: "Un jour comme l’autre". Ein Tag im Leben Friedrichs in Berichten des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Friederisiko, Friedrich der Große. Die Ausstellung (= Publikation anlässlich der Ausstellung "Friederisiko – Friedrich der Große" der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg im Neuen Palais und im Park Sanssouci, 28. 4. 2012 – 28. 10 2012), München 2012, 312-321. Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de waren gerade eben samt ihrer Möblierung fertig gestellt. Während Borchward die Bibliothek in Sanssouci bewunderte, erzählte ihm der Kastellan,3 womit sich der König in diesem Raum beschäftige. <3> In Borchwards Reisebericht ist zum ersten Mal festgehalten, dass Friedrich sich von drei bis sechs Uhr nachmittags in der Bibliothek aufhalte "worinn Er entweder allein lieset und studieret, oder sich von seinen … Bibliothecairs etwas vorlesen läßt, worüber zugleich raisonnirt wird."4 Borchward fährt fort, dass der König danach im Garten spazieren gehe, - an anderer Stelle wird das Spazieren sogar zu Rennen: "comme un jeune homme"5 -, dann Flöte spiele, ein Konzert gebe oder anhöre und sich dann zur Tafel begebe. Nach dem Abendessen werde wieder diskutiert und/oder gelesen, und um Mitternacht gehe der König zu Bett, um gerade mal vier Stunden zu schlafen. Dann beschäftige er sich mit Landesangelegenheiten bis zehn oder elf Uhr gefolgt von der Abnahme der Militärparade und dem Mittagessen: "So ist der königl[iche] Lebenslauff in Potsdam beschaffen". Friedrich lässt deutlich ein Bild seiner selbst verbreiten, das den preußischen König als unermüdlichen Leser und Räsonierer, als Musikliebhaber, rastloser Kümmerer um das Wohl seines Landes und militärischer Lenker seines Staates propagiert, kurz: als 'roi philosoph'.6 Zu diesem Zweck nutzte er bestimmte Räume: Konzertzimmer, Speisesäle, Schlafzimmer und vor allem Arbeits- und Schreibzimmer mit Bibliotheken und entsprechenden Möblierungen. In dieser, für die Zeit unüblichen, Zusammenstellung tauchen sie in fast all seinen Appartements auf. 3 Dilba: Borchward (wie Anm. 1), 25. 4 Dilba: Borchward (wie Anm. 1), 73. 5 Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Dipl. Korrespondenz St. Preußen, Kasten 48, 1763, fol. 81v. 6 Andreas Pečar: Friedrich der Große als Roi Philosophe. Rom und Paris als Bezugspunkte für das königliche Herrscherbild, in: Michael Kaiser / Jürgen Luh (Hg.): Friedrich der Große: Politik und Kulturtransfer im europäischen Kontext. Beiträge des vierten Colloquiums in der Reihe 'Friedrich300' vom 24./25. September 2010 (Friedrich300 - Colloquien, 4), http://www.perspectivia.net/content/publikationen/friedrich300-colloquien/friedrich- kulturtransfer/pecar_roi-philosophe <18.02.2014>. Ludwig Baron von Pöllnitz: Lettres et memoires du Baron de Pöllnitz, tome premier, Amsterdam 1737, 46-47: Pöllnitz hatte mit einem Brief vom Juni 1729 bereits eine Beschreibung eines ähnlichen Tageslaufs König Friedrich Wilhelms I. in seinen Privatdomizilen Potsdam und KönigsWusterhausen gegeben. Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de Schloss Rheinsberg Abb. 1: Baubüro Knobelsdorff: Schloss Rheinsberg, Grundriss 1. Geschoss, um 1737, SPSG, GK II (1) 9183. <4> In den Raumfolgen des Kronprinzen in Schloss Rheinsberg zeigen sich die ersten Charakteristika friderizianischer Appartements, die im Inventar von 1742 festgehalten sind.7 Im Südflügel des kronprinzlichen Sommerschlosses befand sich eine Raumflucht, die sowohl privaten als auch gesellschaftlichen Zwecken diente (Abb. 1). Zum Zeitpunkt der Inventar-Niederschrift war sie länger nicht bewohnt worden, worauf zerborstene Fensterscheiben und von Gemälderahmen abgefallene Schnitzteile hinweisen. Es ist damit zu rechnen, dass auch die Möblierung nicht mehr ganz vollständig war. <5> Auf eine Vorkammer, die in gelb mit Silber gehalten war, folgte eine sog. 'verguldete Kammer' (Abb. 1, Nr. 2). Sie war, der umfangreichen Ausstattung mit Spiegeln, vergoldeten und mit rotem Atlas und vergoldeten Tressen bezogenen Sitzmöbeln8 nach zu schließen, das Empfangszimmer des Kronprinzen. Erhalten haben sich die geschnitzten Supraporten: vergoldete Puttengruppen, vor 1740 von Johann Carl Scheffler, und Befunde illusionistischer Malerei. Auf Resten einer umlaufenden Brüstung sind rosafarben marmorierte Pilaster mit Basen, Kapitellen und lambrequinähnlichen Dekorationen zu sehen. Zwischen den Pilastern türmen sich lockere Wolkengebilde auf, wobei sich an dieser Stelle in barocker Manier der illusionistische Ausblick in eine Wolkenlandschaft mit dem realen Blick auf die Hauptallee des Schlossgartens verband.9 Supraporten mit Puttengruppen bleiben 7 Tilo Eggeling: Raum und Ornament, Georg Wenceslaus von Knobelsdorff und das friderizianische Rokoko, Berlin 1980, 180-184. Der Kastellan Jacob Culen hatte am 4. September das Schloss neu übernommen und das Inventar zu diesem Anlass angelegt. Möglicherweise hatte zu diesem Zeitpunkt Friedrich II. endgültig den Neuen Flügel in Charlottenburg bezogen. 8 Ein Kanapee, vier Stühle und zwei Tabourets, aber kein Armlehnstuhl. 9 Claudia Sommer: Zur ursprünglichen Gestaltung der Kronprinzenwohnung in Rheinsberg, in: Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Rheinsberg. Wiederherstellung von Schloss und Park 1996. Begleitband zur Ausstellung "Rheinsberg. Fünf Jahre Schloßmuseum", Potsdam 1996, Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de bevorzugte Elemente friderizianischer